Die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen [1 ed.] 9783428553990, 9783428153992

Gabriele L. Stark untersucht eine Vielzahl von Praxisproblemen, die sich bei Abgabe einer Selbstanzeige gem. § 371 Abs.

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Die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen [1 ed.]
 9783428553990, 9783428153992

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Schriften zum Strafrecht Band 324

Die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen

Von

Gabriele L. Stark

Duncker & Humblot · Berlin

GABRIELE L. STARK

Die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen

Schriften zum Strafrecht Band 324

Die strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen

Von

Gabriele L. Stark

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15399-2 (Print) ISBN 978-3-428-55399-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85399-1 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Großmutter Charlotte Stark

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel im Sommersemester 2017 als Dissertation angenommen. Das Rigorosum fand am 15. November 2017 statt. Die Literatur befindet sich auf dem Stand von Juni 2017. Tiefster Dank gebührt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Hoyer, der in mir nicht nur eine Begeisterung für die Wissenschaft geweckt hat, sondern mich während meiner Promotion stets und äußerst wohlwollend unterstützt und gefördert hat. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich ganz besonders herzlich für die offene Aufnahme als „ständiger Lehrstuhlgast“ während meiner Promotion. Ich freue mich sehr, diese Zeit am Lehrstuhl habe verbringen zu dürfen, und bedanke mich für die unzähligen Gespräche, das wertvolle Miteinander, die vielen Freundschaften, die ich habe schließen dürfen, und die insgesamt ganz einzigartige Atmosphäre dieses Lehrstuhls. Ich danke Frau Will dafür, dass sie die gute Seele des Lehrstuhls ist und sich um uns alle – und auch um mich – stets so aufopfernd gekümmert hat und noch immer kümmert. Außerdem danke ich Frau Dr. Elisa Kuhne, Frau Dr. Friederike Seesko, Herrn Dr. Momme Buchholz, Herrn Felix Schmidt, Herrn Helge Hölken, Frau Anna Berger, Frau Marlene Schulz und Herrn Lennart Stieger für die vielen anregenden Gespräche, die neuen Blickwinkel, die ich habe kennenlernen dürfen, und die vielen lustigen Stunden, die wir am Lehrstuhl hatten und in Zukunft noch haben dürfen. Die Zeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Andreas Hoyer wird mir immer in Erinnerung bleiben als die schönste Zeit meines Studiums. Herrn Prof. Dr. Manfred Heinrich gebührt besonderer Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens. Ich danke der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel für die großzügige Förderung meiner Promotion durch die Vergabe des Landesgraduiertenstipendiums. Der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung danke ich für die großzügige Unterstützung im Zusammenhang mit der Veröffentlichung meiner Dissertation. Ein ganz besonders herzlicher Dank gebührt meiner Familie. Ich danke meinen Eltern und meinem Bruder, Herrn Stefan Stark, für ihre Unterstützung während der Dissertation. Meiner Mutter, Frau Gail Marcelle Stark, danke ich für die seelische Unterstützung. Meinem Vater, Herrn Jürgen Stark, danke ich für die vielen anregenden Gespräche und nicht zuletzt die großzügige Unterstützung während meiner Promotion. Hamburg, im Juni 2018

Gabriele L. Stark

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Allgemeines

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Grundlagen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte von § 371 AO . . . . . . . . . . . . . 1. § 371 AO im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entstehungsgeschichte der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbstanzeigevorschriften vor der Reichsgabenordnung . . . . . . . . . . . b) Verordnung zur Einführung der Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bekanntmachung der neuen Fassungen der Reichsabgabenordnung, des Reichsbewertungsgesetzes und des Vermögensteuergesetzes vom 22. Mai 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung vom 04.07.1939 . . . e) Zweites Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung vom 07.12.1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 14.05.1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zweites Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und andere Gesetze vom 15.08.1968 (2. AOStrÄndG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Abgabenordnung 1977 vom 16.03.1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) § 371 AO in der Fassung vom 01.09.2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Das Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung von 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung ab dem 01.01.2015 . . . . . . . . . . . aa) Die Änderungen durch das AOÄG 2015 im Überblick . . . . . . . . bb) Die Auswirkungen der Änderungen auf Selbstanzeigen i. S. d. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Abgrenzung der Selbstanzeige von der Korrektur unrichtiger Erklärungen gemäß § 153 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfüllung aller Voraussetzungen jedes Beteiligten in eigener Person b) Geltung des Analogieverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geltung des „in dubio pro reo“-Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unbeachtlichkeit subjektiver Vorstellungen und Motive . . . . . . . . . . . e) Strafverfahrensrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Disziplinarrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Sinn und Zweck der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fiskalische Zielsetzung der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Monofiskalpolitische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme zur monofiskalischen Zielsetzung der Selbstanzeige aa) Jede Selbstanzeige kann zu einer Vermehrung des Steueraufkommens führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sinn und Zweck der Norm liegt jedoch nicht in ausschließlich fiskalischen Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die kriminalpolitische Zielsetzung der Selbstanzeige: Ermöglichung/ Honorierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit als Ziel der Selbstanzeige . . . b) Kritik an der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ziel der Selbstanzeige im Ausgleich der kriminalpolitischen Besonderheiten der Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Selbstanzeige als Notwendigkeit für die zukünftige Steuerehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Selbstanzeige als Notwendigkeit wegen des „Ermittlungsnotstands“ des Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kritik an einer rein kriminalpolitischen Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemischt fiskalisch-kriminalpolitische Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vermehrung des Steueraufkommens bei Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit als Zweck der Selbstanzeige . . . b) Kritik an der fiskalisch-kriminalpolitischen Zielsetzung der Norm . . . 4. Strafrechtliche Zielsetzung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stellungnahme zum Sinn und Zweck der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Selbstanzeige als Teil des Strafrechtssystems: Die Rechtfertigung der gemäß § 371 AO bewirkten Straffreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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1. Außerstrafrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung . . . . . . . . . . . . . .

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a) Rechtfertigung der Strafbefreiung mit fiskalischen Interessen . . . . . . aa) Ausnahmestellung der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis: § 371 AO ist keine dem Strafrechtssystem fremde Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Absage an eine außerstrafrechtliche fiskalische Begründung der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Bedeutung fiskalischer Erwägungen im Rahmen der Rechtfertigung von § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die gemischt fiskalisch-kriminalpolitische Rechtfertigung der Strafbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik an der fiskalisch-kriminalpolitischen Rechtfertigung der Strafbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere kriminalpolitische Rechtfertigungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 371 AO notwendig, damit Steuerhinterzieher zukünftig ehrlich sein können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 371 AO zur Verfolgung steuerpolitischer Ziele aus kriminalpolitischen bzw. kriminalistischen Erwägungen gerechtfertigt – Der sog. „Ermittlungsnotstand“ des Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Keine Rechtfertigung durch kriminalpolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung . . . . . . . . . . . . . 5. Strafrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis von § 371 AO zu § 370 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 371 AO als Rücktrittsvorschrift? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über den Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 und § 31 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überblick über die Rechtfertigung der Strafbefreiung im Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Spezialpräventive Ratio des Rücktritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Theorie der goldenen Brücke (auch: kriminalpolitische Theorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Prämien- oder Gnadentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Generalpräventive Rechtfertigung des Rücktritts . . . . . . . . . . (3) Strafzwecktheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zur Übertragbarkeit auf § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Rücktritt vom vollendeten oder beendeten Delikt . . . . (2) § 371 AO enthält kein Freiwilligkeitskriterium . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (a) Freiwilligkeit des Rücktritts als wesentliche Tatbestandsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (b) Keine Übertragung des Merkmals der Freiwilligkeit auf § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (c) Ausschlussgründe aus § 371 Abs. 2 AO statuieren keine Unfreiwilligkeit i. S. d. § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (d) Ausschlussgründe ähneln Unfreiwilligkeit . . . . . . . . . . . . 94 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (4) Zwischenergebnis: Rückgriff auf Ratio von § 24 StGB zur Bestimmung der Ratio von § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) § 371 AO als Wiedergutmachungsvorschrift oder Tätige Reue-Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Überblick über die Rechtfertigung der strafmildernden bzw. strafbefreienden Wirkung der Wiedergutmachung, Tätigen Reue sowie des Täter-Opfer-Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Übertragbarkeit dieser Erwägungen auf § 371 AO: Die Selbstanzeige im System der Wiedergutmachungsvorschriften und Tätige Reue-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Überblick über Wiedergutmachungsvorschriften im Strafrecht und Vergleich mit § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (a) § 46 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (b) § 46a StGB (Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (aa) Nachträgliche Wiedergutmachung und Ausgleich der Folgen der Tat als Voraussetzung für die Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (bb) Zum Verhältnis von § 46a StGB und § 371 AO . . . 102 (a) Unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (b) Unterschiedliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 105 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (c) Zwischenergebnis: Trotz Unterschieden zwischen §§ 46 Abs. 2 Alt. 6 und 46a StGB ist § 371 AO Teil der Wiedergutmachungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Strafbefreiende oder strafbarkeitsreduzierende Vorschriften im Besonderen Teil des StGB und im Nebenstrafrecht: Die Tätige Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (a) Überblick über die Tätige Reue-Vorschriften . . . . . . . . . . 108 (b) Rechtfertigungen der jeweiligen Privilegierungen . . . . . . 109 (c) Unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . 111 (aa) Unterschiedlich hohe Anforderungen bei den jeweiligen Tätige Reue-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . 111

Inhaltsverzeichnis (bb) Stellenwert der „Reue“ oder Freiwilligkeit im Rahmen der Tätigen Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis: Vergleichbarkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen von strafbefreiender Selbstanzeige und Tätige Reue-Vorschriften . . . . . (d) Unterschiedliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zwischenergebnis: Die Selbstanzeige als Teil der Tätige Reue-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis zur systematischen Einordnung der Selbstanzeige gemäß § 371 AO im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Stellungnahme zu einer strafrechtlichen Rechtfertigung der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Anreizfunktion der Selbstanzeige zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Wegfall des Strafzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Bedürfnis zur Sanktionierung der angezeigten Steuerhinterziehung im Hinblick auf spezialpräventive Strafzwecke (Entbehrlichkeit der Bestrafung wegen der Erfüllung von spezialpräventiven Erwägungen: Die positive Prognose für eine zukünftige Steuerehrlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die positive spezialpräventive Prognose für den sich gemäß § 371 AO anzeigenden Steuerhinterzieher . . . . . (b) Zwischenergebnis: Kein Bedürfnis zur Sanktionierung der angezeigten Steuerhinterziehung im Hinblick auf spezialpräventive Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Bedürfnis zur Sanktionierung der angezeigten Steuerhinterziehung im Hinblick auf generalpräventive Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vereinbarkeit der Strafbefreiung mit der generalpräventiven Wirkung der Strafandrohung aus § 370 AO . . . . . (b) Auswirkungen der Strafbefreiung auf den Geltungsanspruch von § 370 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) § 371 AO begründet keinen Vertrauensverlust in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis zur Rechtfertigung der Strafbefreiung . . . . . . . . . . C. Mehrpersonenverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition des Begriffs der Mehrpersonenverhältnisse im Sinne der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mehrpersonenverhältnisse und allgemeines Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafbarkeitsvoraussetzungen innerhalb der einzelnen strafrechtlichen Mehrpersonenverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

2.

3. 4. 5.

b) Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafgrund der Teilnahme an der Tat eines anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldteilnahmetheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unrechtsteilnahmelehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Ansicht Herzbergs: Theorie des eigenen Unrechts des Teilnahmedelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reine Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gemischte Verursachungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strafgrund und Strafzumessung bei der Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis: Strukturelle und wertungsmäßige Unterschiede zwischen Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen des Vorstehenden auf die strafbefreiende Selbstanzeige . .

137 137 138 138 138 138 139 139 139 140 141 142 142

D. Die Steuerhinterziehung im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen . . . . . 143 I. Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Steuerhinterziehungen im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen . . . . . . . 144 E. Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Teils der Untersuchung . . . . . 146

2. Teil Besonderes A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die inhaltlichen Anforderungen an die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick über die Selbstanzeigehandlungen gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO: „Berichtigen“, „Ergänzen“ und „Nachholen“ von Angaben . . . . . . . a) Überblick über den Meinungsstand in der Rechtsprechung und Literatur zu den wesentlichen Merkmalen einer „Berichtigung“ i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO anhand des Wortlauts der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO anhand des Wiedergutmachungscharakters der Norm . . cc) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO anhand des Sinn und Zwecks der Norm . . . . . . . . . . . . . .

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148 149 149 149

150 155 155 156 160

Inhaltsverzeichnis dd) Schlussfolgerung aus der Rechtsnatur des § 371 AO auf die wesentlichen Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Nennung von Zahlenangaben als wesentliches Merkmal einer Berichtigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ist die Nennung von Zahlenangaben konstitutiv für das Vorliegen steuerlicher Angaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Hat das Fehlen von Zahlenangaben zur Folge, dass die Festsetzung der zutreffenden Steuer stets als „langwierig“ zu beurteilen ist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Vollständigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die historische Entwicklung des Vollständigkeitsgebots und seine Auswirkung auf die Auslegung von § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Vollständigkeitserfordernis der Berichtigung gemäß dem „Selbstanzeigebeschluss“ des BGH vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Vollständigkeitsgebot nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, BGBl. I 2011, 676 f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Vollständigkeitsgebot nach dem AOÄG 2015, BGBl. 2014 I, 2415 f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Auswirkungen der Entstehungsgeschichte des Vollständigkeitsgebots auf die Auslegung von § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der sachliche Umfang des Vollständigkeitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teleologische Reduktion des Begriffs Steuerart auf ein und denselben Steuerpflichtigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerart“ auf einen Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Steuersubjektbezogene Definition der Steuerart . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Absage an eine teleologische Reduktion der „Steuerart“ . . . (2) Einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerstraftaten“ in § 371 Abs. 1 S. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verknüpfung mehrerer Steuerarten durch verdeckte Gewinnausschüttung bei der Verkürzung von Körperschaftsteuern in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mehrfach-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Solidaritätszuschlag als eigene Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 AO . . . e) Feststellungsbescheid nach Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen als im Verhältnis zum Festsetzungsbescheid andere Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 AO?

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160 161 163

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170 172 176 177 178 179 180 180 183 183 185 189

190 191 194

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Inhaltsverzeichnis 3. Der zeitliche Umfang des Vollständigkeitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmen vom Vollständigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausdrückliche Ausnahme für Lohnsteueranmeldung und Umsatzsteuervoranmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit von geringfügigen Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit von Schätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis zum Vollständigkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Vollständigkeitsgebot und die Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problem: Das praktische Unvermögen zur Abgabe einer vollständigen Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsvorschlag 1: Abgabe einer gestuften Selbstanzeige . . . . . . . . c) Lösungsvorschlag 2: Abgabe einer geschätzten Selbstanzeige . . . . . . d) Lösungsvorschlag 3: Einschränkung des Vollständigkeitsgebots der Berichtigung bei der Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Grundsatz: Keine Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei praktischem Unvermögen des Alleintäters der Steuerhinterziehung innerhalb des eigenen Steuerschuldverhältnisses . . . . . . bb) Überblick über den Meinungsstand und Stellungnahme . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis zum praktischen Unvermögen des Hauptoder Alleintäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zur Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei praktischem Unvermögen eines oder mehrerer Mittäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit von Schätzungen kein ausreichendes Entgegenkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sinn und Zweck von § 371 AO sowie die Rechtfertigung der Strafbefreiung erfordern keine unbeschränkte Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärung des Mittäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots ist unabhängig von dem jeweiligen Tatbeitrag des Mittäters zu beurteilen . . . . . dd) Plädoyer für die Maßgeblichkeit der Eigenschaft als Steuerschuldner oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO Steuerpflichtigen als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Teleologische Reduktion von § 371 Abs. 1 AO im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschlussempfehlungen und Bericht des 7. Finanzausschusses zur Änderung der Abgabenordnung im Vorfeld des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200 203 203 209 216 221 222 222 224 229

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231 231 233 233 234 236 236

239 244

244 247

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(2) Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) . . . . . . . . . . 248 (3) Begründung des Regierungsentwurfs zum AOÄG 2015 vom 03.11.2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 ff) Ausgleich des Tatunrechts der steuerverfahrensrechtlich steuerpflichtigen Mittäter im Vergleich zum Ausgleich des Tatunrechts der übrigen Mittäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 8. Zur Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei praktischem Unvermögen des Teilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Keine Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei der Berichtigung des Teilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Stellungnahme: Absage an eine einheitliche Auslegung der Berichtigungserklärung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen . . . . . . . 255 (1) Zulässigkeit von Schätzungen als ausreichendes Entgegenkommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (2) Widerspruch zu der Systematik von § 371 AO . . . . . . . . . . . 257 (3) Die uneingeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsgebots bei der Berichtigungserklärung des Teilnehmers als Widerspruch zu der Rechtfertigung der Strafbefreiung durch § 371 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (4) Die Übertragung des Vollständigkeitsgebots als nicht vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Keine Berichtigungspflicht des Teilnehmers der Steuerhinterziehung? 261 aa) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Regelmäßig eingeschränkte Berichtigungspflicht des Teilnehmers . . 264 aa) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 d) Eingeschränkte Berichtigungspflicht bei praktischem Unvermögen zur Abgabe einer Berichtigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 e) Zwischenergebnis zum Inhalt der Selbstanzeige des Teilnehmers . . . 274 9. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 10. Der Inhalt der Berichtigungserklärung im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

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B. Zurechenbarkeit der Strafbefreiung eines Tatbeteiligten bei Abgabe einer Selbstanzeige? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C. Die Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . 279 I. Automatische Zurechenbarkeit der Selbstanzeige bei Abgabe durch die übrigen Tatbeteiligten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Keine strafbefreiende Fremdanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO bei Selbstanzeige eines Tatbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Zurechnung über eine Geschäftsführung ohne Auftrag, rückwirkende Genehmigung oder Stellvertretung im mutmaßlichen Willen . . . . . . . . . . 281 3. Zwischenergebnis: Keine automatische Zurechnung der Selbstanzeige eines Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II. Zurechenbarkeit der Selbstanzeigeerklärung durch einen Tatbeteiligten oder Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Das „Veranlasserprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3. Nachträgliche Genehmigung der Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4. Verdeckte Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 III. Gleichzeitige Abgabe der Berichtigung gemäß § 371 Abs. 1 AO durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater für mehrere Tatbeteiligte der Steuerhinterziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 IV. Keine automatische Zurechnung der Berichtigung für eine Personen- oder Kapitalgesellschaft zu den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 D. Pflichten des Steuerhinterziehers im Zusammenhang mit der Abgabe der Selbstanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Die Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung in Unternehmen durch mehrere Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 1. Keine automatische Erstreckung auf sämtliche an der Steuerhinterziehung beteiligten Mitarbeiter des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Pflicht zur Aufnahme sämtlicher beteiligter Steuerhinterzieher bei Abgabe der Selbstanzeige? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II. Die Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung mehrerer Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 III. Die Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung eines Ehegatten bei gemeinsam veranlagten Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 E. Die Selbstanzeige bei rechtlichen oder tatsächlichen Kollisionslagen des Beraters oder Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Die Selbstanzeige des steuerlichen Beraters bei Weigerung des Mandanten zur Erstattung einer Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung . . 304

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II. Die Selbstanzeige eines Bankmitarbeiters nach Mitwirkung an der Steuerhinterziehung eines Bankkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 III. Die Selbstanzeige bei Mandatskonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 F. Die koordinierte Selbstanzeige als taugliches Mittel für die Abgabe einer Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 G. Die Zurechenbarkeit von Fehlern bei der Abgabe der Selbstanzeigeerklärung gemäß § 371 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 H. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Abschließende Bemerkungen zur Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

1. Teil

Allgemeines A. Einleitung Die Anzahl der strafbefreienden Selbstanzeigen gemäß § 371 AO, die wegen einer Steuerhinterziehung erstattet werden, ist seit der letzten Reform des Rechtsinstituts durch das AOÄG 2015 deutlich zurückgegangen.1 Hintergrund hierfür dürften neben den tatbestandlichen Verschärfungen des Instituts und den immer wieder medienwirksamen Ankäufe diverser Steuer-CDs mit Daten von Steuersündern, die auf ausländischen Bankkonten Geld versteckt hatten, auch die zahlreichen Unwägbarkeiten der strafbefreienden Selbstanzeige in der Praxis sein. Verkompliziert wird die Ausgangslage des Rechtsanwenders zusätzlich durch den Umstand, dass extrem viele Fallgruppen existieren, in denen Selbstanzeigen wegen einer mit anderen Tatbeteiligten gemeinsam begangenen Steuerhinterziehung erstattet werden, die die Aufstellung einheitlicher Maßstäbe erschweren. Zu denken ist etwa an Steuerhinterziehungen, die im Verhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber begangen wurden, Steuerhinterziehungen in Unternehmen, solchen, die im Verhältnis mehrerer Gesellschafter zueinander oder zu eigenen Gunsten oder zugunsten der Gesellschaft begangen wurden, an die Steuerhinterziehung unter Mitwirkung des steuerlichen Beraters oder des Bankmitarbeiters und solchen, die gemeinsam von Ehegatten begangen wurden. Der Wortlaut der Norm unterscheidet nicht danach, wer die Selbstanzeige erstattet und auch nicht danach, ob der Anzeigende Alleintäter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe der Steuerhinterziehung war. Damit steht grundsätzlich jedem Tatbeteiligten die Möglichkeit zur Erstattung einer Selbstanzeige und zur Erlangung von Straffreiheit für die gemäß § 371 Abs. 1 AO angezeigte Steuerhinterziehung offen. Gleichwohl existieren viele rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die die Abgabe einer Selbstanzeige im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses erschweren und bei denen zu untersuchen ist, ob und falls ja, in welcher Form diese Probleme bei der Wirksamkeit der Selbstanzeige zu berücksichtigen sind.

1 Vgl. etwa die Meldung der Redaktion beck-aktuell vom 03.01.2017: „Zahl der Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern geht zurück“ abrufbar unter: https://beck-on line.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Freddok %2Fbecklink %2F2005376.htm&pos =3&hlwords=on (16.06.2017).

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1. Teil: Allgemeines

So ist in praktischer Hinsicht etwa an die Konstellation zu denken, in denen ein Selbstanzeigewilliger, der an der Steuerhinterziehung eines anderen mitgewirkt hat, eine strafbefreiende Selbstanzeige abgeben möchte, selbst aber keinen Zugriff auf hierfür notwendige Unterlagen des Steuerschuldners hat. In rechtlicher Hinsicht ist unter anderem zu untersuchen, für wen die Selbstanzeige wirkt und wie sich die unterschiedlichen Fallkonstellationen auf die Anforderungen, die an den Inhalt der Selbstanzeige zu stellen sind, auswirken. Muss etwa der Empfänger einer verdeckten Gewinnausschüttung, die dieser in seiner Einkommensteuererklärung verschwiegen hat, zugleich eine unrichtige Körperschaftsteuererklärung der Gesellschaft berichtigen? Ist die Nennung von Zahlenangaben für das Vorliegen einer wirksamen Berichtigung konstitutiv und kann damit nur derjenige Steuerhinterzieher straffrei werden, der Zugriff auf sämtliche Unterlagen zur Ermittlung der hinterzogenen Steuer hat? Unter welchen Voraussetzungen werden die übrigen Mitglieder eines hier besprochenen Mehrpersonenverhältnisses straffrei, wenn nur ein Steuerhinterzieher Selbstanzeige erstattet? Die Antworten auf die aufgeworfenen und viele weitere Fragen sind umstritten. Da die Selbstanzeige seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 dem Vollständigkeitsgebot unterliegt und eine unvollständige sog. Teilselbstanzeige nach allgemeiner Ansicht nicht mehr strafbefreiend wirkt, nachfolgende „Korrektur-Selbstanzeigen“ jedoch wegen der Auslösung des Sperrgrunds der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen sind, ist die rechtssichere Vorhersehbarkeit und Erfüllbarkeit der einzelnen Anforderungen von essentieller Bedeutung. Anderenfalls begründete die Abgabe einer Selbstanzeige ein unkalkulierbares Risiko.2 Diese Rechtsunsicherheit und das Fehlen verbindlicher Maßstäbe für die Anwendung der strafbefreienden Selbstanzeige wegen einer gemeinsam mit anderen begangenen Steuerhinterziehung ist ein nicht hinnehmbarer Zustand. Die folgende Untersuchung hat sich daher das Ziel gesetzt, zu den häufigsten und umstrittensten Fragen bei der Auslegung der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen Stellung zu beziehen.

B. Grundlagen der Untersuchung Bevor die eingangs genannten und weitere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten bei der Anwendung von § 371 Abs. 1 AO bei der Erstattung von Selbstanzeigen aufgrund einer in einem Mehrpersonenverhältnis begangenen Steuerhinterziehung untersucht werden können, gilt es, die Grundlagen der Untersuchung zu definieren. 2

Vgl. hierzu auch Bültmann, DStR 2017, 1 (5).

B. Grundlagen der Untersuchung

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Grundlagen der Auslegung der strafbefreienden Selbstanzeige im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen sind Hintergründe zum Wesen und Strafgrund von Mehrpersonenverhältnissen i. S. d. Untersuchung, die Entstehungsgeschichte der strafbefreienden Selbstanzeige, der mit ihr verfolgte Sinn und Zweck, sowie die Rechtfertigung der durch sie bewirkten Strafbefreiung.

I. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte von § 371 AO 1. § 371 AO im Überblick § 371 AO trägt die Überschrift „Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“. Trotz ihrer Überschrift als „Selbstanzeige“ genügt die schlichte Anzeige der Steuerstraftat nicht zur Erlangung der Strafbefreiung.3 § 371 Abs. 1 bis 3 AO lautet: (1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahren erfolgen. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Abs. 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder b) dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder d) ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder e) ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder 2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, 3 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 1; ebenso auch: Schwarz/Pahlke/ Webel, § 371 Rz. 13; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 2.

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1. Teil: Allgemeines 3. die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil eine Betrag von 25.000 Euro je Tat übersteigt, oder 4. ein in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nummer 2 bis 5 genannter schwerer Fall vorliegt. Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart. (2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteuervoranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteuervoranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogene Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 angerechnet werden, innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

§ 371 AO enthält damit insgesamt drei Tatbestandsmerkmale (zwei positiv, eines negativ), die zur Erlangung der Straffreiheit kumulativ erfüllt sein müssen: 1. Die Abgabe einer den Ansprüchen von § 371 Abs. 1 AO genügenden Selbstanzeigeerklärung, 2. das Nichtvorliegen von Sperrgründen nach § 371 Abs. 2 AO und 3. die fristgerechte Nachzahlung der zu eigenen Gunsten hinterzogenen Steuern einschließlich Hinterziehungszinsen (§ 371 Abs. 3 AO).

Dabei müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 (wirksame Berichtigung und Nichtvorliegen eines Sperrgrunds) im Zeitpunkt der Abgabe der Berichtigung vorliegen. Hat der Steuerhinterzieher die Steuern zu eigenen Gunsten hinterzogen, erlangt er durch die Erfüllung der vorgenannten Bedingungen eine Anwartschaft auf Straffreiheit.4 Erst durch die Nachentrich-

4

Rolletschke, wistra 2007, 371 (371).

B. Grundlagen der Untersuchung

25

tung der hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen nach § 371 Abs. 3 AO wird er straffrei.5 Auffällig ist, dass der Wortlaut von § 371 AO nicht auf die Person des Selbstanzeigeerstatters abstellt und nicht zwischen der Selbstanzeige eines Täters oder Teilnehmers einer Steuerhinterziehung unterscheidet. 2. Die Entstehungsgeschichte der Selbstanzeige Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kommt der historischen Auslegung die Funktion zu, die sich aus dem Wortlaut der Norm sowie ihres Sinnzusammenhangs ergebende Auslegung entweder zu bestätigen oder Zweifel zu beheben.6 Auch wenn der Entstehungsgeschichte im Vergleich zu den übrigen Auslegungsmethoden also eine untergeordnete Bedeutung zukommt, kann sie wertvolle Hinweise für die Auslegung einer Norm geben. Durch ständige Reformen unterlag die Selbstanzeige dem stetigen Wandel und wurde immer wieder an gesellschaftliche und rechtliche Veränderungen angepasst. So haben in jüngster Zeit vor allem das sog. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 sowie die Novellierung zum 01.01.2015 maßgeblich den Tatbestand von § 371 AO verändert und teilweise zu erheblichen Einschränkungen geführt. Dabei hat die strafbefreiende Selbstanzeige im deutschen Steuerstrafrecht eine lange Tradition. a) Selbstanzeigevorschriften vor der Reichsgabenordnung Schon im 19. Jahrhundert und damit vor Einführung der Reichsabgabenordnung enthielten einzelne Steuergesetze der Länder und des Reichs eine Reihe von Selbstanzeigevorschriften, welche die Erlangung von Straffreiheit nach einer Steuerhinterziehung ermöglichten.7 b) Verordnung zur Einführung der Reichsabgabenordnung vom 13.12.19198 Eine reichseinheitliche Regelung der strafbefreienden Selbstanzeige folgte erstmalig mit Einführung des § 374 RAO 1919. 5 Rolletschke, wistra 2007, 371 (371); dabei ändert auch die nachträgliche Anfechtung und Rückforderung der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern inkl. der Hinterziehungszinsen durch den Insolvenzverwalter eines insolventen Steuerhinterziehers nichts an dessen Strafbefreiung, vgl. hierzu Hüls/Reichling, wistra 2010, 327 (330). 6 BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 – 2 BvH 2/52 –, BVerfGE 1, 299; BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60 –, BVerfGE 11, 126. 7 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung m.w. N. Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 1 ff. 8 RGBl. 1919, 1993.

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1. Teil: Allgemeines

§ 374 RAO 1919 Abs. 19 lautet folgendermaßen: (1) Wer in den Fällen der §§ 359, 367, 371 bis 373, bevor er angezeigt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist (§ 406 Abs. 2), unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde, ohne dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst zu sein, berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Sind in den Fällen der §§ 359, 371 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile bereits gewährt oder belassen, so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist nachentrichtet; das gleiche gilt im Falle des § 367.

In dieser ersten Fassung der strafbefreienden Selbstanzeige finden Tatbeteiligte keine ausdrückliche Erwähnung. § 374 Abs. 1 RAO ist allerdings so offen formuliert, dass auch ein Tatbeteiligter die Anzeige abgeben könnte („Wer [. . .]“). Dementsprechend ist nach dem Wortlaut der Norm auch die Straffreiheit des Tatbeteiligten an der Steuerhinterziehung möglich. Bemerkenswert ist ferner, dass nach dem Wortlaut der Norm derjenige, der die Berichtigungshandlung vornimmt, straffrei bleibt. Nach dem Wortlaut könnte es sich bei dieser frühen Fassung der strafbefreienden Selbstanzeige damit um einen Strafausschließungsgrund gehandelt haben, welcher den Eintritt einer Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung ausschließt.10 Die Formulierung der Sperrgründe in § 374 Abs. 1 S. 1 RAO („bevor er angezeigt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist“ bzw. „ohne dazu durch die unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst zu sein“) scheint zwar vornehmlich auf den (steuerpflichtigen) Haupttäter der Steuerhinterziehung abzustellen, schließt aber nach ihrem Wortlaut den an der Steuerhinterziehung Tatbeteiligten ebenfalls nicht aus. Die Nachzahlungsverpflichtung hinsichtlich der hinterzogenen Steuern trifft hingegen ausschließlich den Täter. c) Bekanntmachung der neuen Fassungen der Reichsabgabenordnung, des Reichsbewertungsgesetzes und des Vermögensteuergesetzes vom 22. Mai 193111 § 410 Abs. 112 RAO 1931 lautet folgendermaßen: (1) Wer in den Fällen der §§ 396, 402, 407 bis 409, bevor er angezeigt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist (§ 441 Abs. 2), unrichtige oder unvollständige 9 § 374 Abs. 2 RAO 1919 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 10 Die Formulierung „bleibt straffrei“ findet sich gleichwohl auch noch in § 410 Abs. 1 RAO 1951, der nach teilweise vertretener Ansicht bereits als Strafaufhebungsgrund angesehen wurde, so etwa Troeger/Meyer, S. 254. 11 RGBl. I 1939, 161, 12 § 374 Abs. 2 RAO 1931 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und ist daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

B. Grundlagen der Untersuchung

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Angaben bei der Steuerbehörde, ohne dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst zu sein, berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Sind in den Fällen der §§ 396, 407 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile gewährt oder belassen, so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet; das gleiche gilt im Falle des § 402.

Diese Fassung der strafbefreienden Selbstanzeige wurde ohne sachliche Änderungen zu § 374 Abs. 1 RAO 1919 in die Reichsabgabenordnung eingefügt, sodass sich hier keine Besonderheiten ergeben. d) Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung vom 04.07.193913 Im Rahmen der Neubekanntmachung des § 410 Abs. 1 AO wurde die Überschrift „Selbstanzeige“ eingefügt. Der Begriff wird zum ersten Mal vom Gesetzgeber verwendet.14 § 410 RAO 1939 lautet folgendermaßen: § 410 Selbstanzeige (1) Wer in den Fällen der §§ 396, 401a, 401b und 402, bevor er angezeigt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist (§ 441 Abs. 2), unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde, ohne dazu durch eine unmittelbare Gefahr der Entdeckung veranlasst zu sein, berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Sind in den Fällen der §§ 396, 401b und 402 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile gewährt oder belassen, so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet.

Die Berichtigungshandlung und die Sperrgründe der strafbefreienden Selbstanzeige haben auch hier keine Änderungen im Bezug auf Mehrpersonenverhältnisse erfahren, sodass hier ebenfalls noch keine ausdrückliche Nennung der unterschiedlichen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung erfolgt. Wie bereits zuvor wird jedoch auch kein Tatbeteiligter einer Steuerhinterziehung aufgrund seiner Beteiligung von der Abgabe einer Selbstanzeige ausgeschlossen. Auch die Nachzahlungsverpflichtung in Höhe der hinterzogenen Steuern trifft weiterhin nur den Täter. e) Zweites Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 194915 Das Zweite Gesetz zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 enthält in Abschnitt II „Erlangung von Straffreiheit durch Selbstanzeige 13 14 15

RGBl. 1939, 1181. Breyer, S. 99. Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinten Wirtschaftsgebietes WiGBl 1949, 69–73.

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1. Teil: Allgemeines

nach § 410 der Reichsabgabenordnung“ gleich mehrere Bestimmungen zur Selbstanzeige. Gemäß § 4 des Gesetzes erhält § 410 RAO folgende Fassung: (1) Wer in den Fällen der §§ 396, 401a, 401b und 402, bevor ihm die Einleitung einer Untersuchung gegen ihn durch die Steuerbehörde eröffnet worden ist, unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Sind in den Fällen der §§ 396, 401b, und 402 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile bereits gewährt oder belassen, so tritt Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet. (2) Wird die in § 117 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet, so werden diejenigen, welche die dort bezeichneten Erklärungen abzugeben haben, dieserhalb nicht strafrechtlich verfolgt, es sei denn, daß ihnen vorher die Einleitung einer Untersuchung durch die Steuerbehörde eröffnet worden ist.

§ 5 des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern bestimmt: (1) Wer vor dem 01. Juli 1949 durch Selbstanzeige nach § 410 der Reichsabgabenordnung Straffreiheit wegen Steuervergehens erwirbt, erlangt zugleich Straffreiheit für Zuwiderhandlungen gegen Artikel IX des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 (Bestandsaufnahme) und Straffreiheit für die vor dem 21. Juni 1948 begangenen Verstöße gegen die Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften, wenn er an das Finanzamt einen Reuezuschlag nach Maßgabe des Absatzes 2 entrichtet. § 18 Abs. 4 des Ersten Gesetzes zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (Erstes Lastenausgleichgesetz)*16) bleibt unberührt (vgl. § 6). (2) Der Reuezuschlag nach Absatz 1 beträgt 10 vom Hundert der verkürzten und nachzuzahlenden Steuern oder 10 vom Hundert des abzuführenden Mehrerlöses, den der Täter durch Verstoß gegen die Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften erzielt hat, je nachdem welcher Betrag größer ist.

§ 6 des Gesetzes lautet: (1) Wer den Bestand seines Vorratsvermögens (§ 11 Ziffer 3 des Ersten Gesetzes zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden – Erstes Lastenausgleichsgesetz)*) in den durch Artikel IX des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 vorgeschriebenen Bestandsaufnahme nicht oder nicht vollständig angegeben hat, kann wegen dieser Zuwiderhandlungen gegen Artikel IX des Anhangs zum Gesetz Nr. 64, wegen der sonstigen Steuervergehen und wegen der Verstöße gegen die Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften, die sich auf das nicht angegebene Vorratsvermögen beziehen, Straffreiheit nur nach Maßgabe des § 18 Abs. 4 des Ersten Lastenausgleichsgesetzes*) erlangen.

16 * An die Stelle des Ersten Gesetzes zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (Erstes Lastenausgleichsgesetz), das nicht in Kraft getreten ist, wird voraussichtlich das Gesetz zur Minderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) treten.

B. Grundlagen der Untersuchung

29

§ 7 des Gesetzes bestimmt: Straffreiheit wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel IX des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 (Bestandsaufnahme) oder Straffreiheit wegen Verstoßes gegen die Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften können auf Grund des § 5 nicht erlangt werden, soweit dem Täter vor der Selbstanzeige im Sinn von § 410 der Reichsabgabenordnung durch die zuständige Behörde eröffnet worden ist, dass gegen ihn eine Untersuchung wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel IX des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 oder wegen Verstoßes gegen die Preis- und Bewirtschaftungsvorschriften eingeleitet worden ist.

Die letzte Norm des Abschnitts II des Gesetzes, § 8, legt Folgendes fest: Die Finanzämter können im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen die Besteuerungsgrundlagen für die Steuernachzahlungen, die auf Grund der Selbstanzeige zu entrichten sind, und die Grundlagen für die Berechnung des Reuezuschlages im Pauschweg ermitteln und die Steuerzahlungen und den Reuezuschlag in Pauschbeträgen festsetzen.

Durch dieses Gesetz wurde die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige auf andere strafbewehrte Verstöße ausgeweitet. Die Ausweitung erfolgte zumeist auf nachkriegsspezifische Delikte, bei denen offenbar von einer geringeren Strafwürdigkeit ausgegangen wurde.17 Die Änderungen sollten vor allem zu einer höheren Steuermoral in der Bevölkerung führen und gesunkenen Steuereinnahmen entgegenwirken.18 Nach Mattern wurde dieses Ziel allerdings nicht erreicht, da die meisten Steuerpflichtigen mit der Abgabe der Selbstanzeige warteten, bis sie mit der Eröffnung der Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung rechnen mussten.19 Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht (§ 4 Abs. 1 dieses Gesetzes) hat jedenfalls keine Neuerungen erfahren, sondern wurde ohne Änderungen erneut bekanntgegeben. f) Gesetz zur Änderung des § 410 der Reichsabgabenordnung vom 07.12.1951 20 § 410 Abs. 1 bis 4 RAO21 in der Fassung vom 07.12.1951 lautet folgendermaßen: 17

Kohlmann, FS Geilen, 79 (83). Kohlmann, FS Geilen, 79 (83); Mattern, NJW 1951, 937 (939). 19 Mattern, NJW 1951, 937 (939). Nach Mattern wurden die Vorschriften in der Praxis sogar noch weiter ausgedehnt und verweist hierzu auf eine Entscheidung des OLG Stuttgarts vom 17.07.1950 (Az. 2 Ss 39/50), in dem eine Selbstanzeige auch dann noch für wirksam angesehen wurde, in dem der Steuerpflichtige sich lediglich die Ergebnisse einer Betriebsprüfung zu eigen machte und das Ergebnis der Betriebsprüfung als Berichtigung mitgeteilt hatte, Mattern, NJW 1951, 937 (939); so auch: Kohlmann, FS Geilen, 79 (83). 20 BGBl. 1951 I, 941. 21 § 410 Abs. 5 RAO 1951 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 18

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1. Teil: Allgemeines (1) Wer in den Fällen der §§ 396 und 401a unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Dies gilt nicht, wenn ein Prüfer der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Prüfung erschienen ist oder wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung eröffnet worden ist. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn der Täter im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, dass die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war. (3) Sind in den Fällen des § 396 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile bereits gewährt oder belassen, so tritt Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die Summe, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet. (4) Einleitung der steuerstrafrechtlichen Untersuchung im Sinne des Absatz 1 ist jede Maßnahme des Finanzamts einschließlich seiner Hilfsstellen, der Oberfinanzdirektion, der Staatsanwaltschaft, der Gerichte oder der mit der Sache befassten Beamten dieser Behörde, durch die der Entschluss, steuerstrafrechtlich gegen den Beschuldigten einzuschreiten, äußerlich erkennbar betätigt worden ist. Die Einleitung der Untersuchung ist dem Beschuldigten in dem Zeitpunkt eröffnet, in dem ihm eine gegen ihn gerichtete Maßnahme der in Absatz 1 bezeichneten Art amtlich mitgeteilt wird.

Hier nennt die strafbefreiende Selbstanzeige erstmalig nicht mehr nur den Täter der Steuerhinterziehung. So tritt Straffreiheit gemäß § 410 Abs. 1 S. 2 2. Alt. AO 1951 nicht ein, wenn die Eröffnung eines steuerrechtlichen Ermittlungsverfahrens dem Täter oder seinem Vertreter mitgeteilt wurde. Nach Auffassung von Meyer soll das Erscheinen des Prüfers zur Prüfung i. S. § 410 Abs. 1 S. 2 1. Alt. AO 1951 nur dann die Möglichkeit zur Selbstanzeige ausschließen, wenn der Prüfer beim Täter erschienen ist, wohingegen ein Erscheinen bei anderen Tatbeteiligten nicht genügen soll.22 Doch auch hier findet sich keine ausdrückliche Berücksichtigung des Teilnehmers an der Steuerhinterziehung. Gleichwohl ist der Wortlaut offen gestaltet, sodass die Norm auch auf Mittäter, Anstifter und Gehilfen Anwendung findet.23 Nach dem Wortlaut des § 410 Abs. 3 AO 1951 trifft auch in dieser Fassung lediglich den Täter der Steuerhinterziehung die Pflicht, die hinterzogenen Steuern nachzuzahlen.24

22

Troeger/Meyer, S. 254. Troeger/Meyer, S. 254; Meyer weist bereits 1957 auf die Schwierigkeiten des Tatbeteiligten hinsichtlich des Inhalts der Selbstanzeige hin und führt aus, dass „hinsichtlich des Inhalts der Selbstanzeige in diesen Fällen eine echte Lücke im Gesetz“ vorliege Troeger/Meyer, S. 260; vgl. zu den Anforderungen an die Berichtigungserklärung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen die ausführliche Darstellung auf S. 219 ff. 24 Vgl. hierzu auch Troeger/Meyer, nach dem die Nachzahlungspflicht auch auf die Beteiligten einer Steuerhinterziehung anwendbar sein soll, Troeger/Meyer, S. 263. 23

B. Grundlagen der Untersuchung

31

g) Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 14.05.1965 25 § 410 Abs. 1 bis 4 RAO 196526 lautet folgendermaßen: (1) Wer in den Fällen der §§ 396 und 401a unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Steuerbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, bleibt insoweit straffrei. Dies gilt nicht, wenn ein Prüfer der Finanzbehörde zur steuerlichen oder steuerstrafrechtlichen Prüfung erschienen ist oder wenn dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung einer steuerstrafrechtlichen Untersuchung eröffnet worden ist. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn der Täter im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, dass die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war. (3) Sind in den Fällen des § 396 Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile bereits gewährt oder belassen, so tritt Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die verkürzten Steuern nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet. (4) Einleitung der steuerstrafrechtlichen Untersuchung im Sinne des Absatz 1 ist jede Maßnahme des Finanzamts einschließlich seiner Hilfsstellen, der Oberfinanzdirektion, der Staatsanwaltschaft, der Gerichte oder der mit der Sache befassten Beamten dieser Behörde, durch die der Entschluss steuerstrafrechtlich gegen den Beschuldigten einzuschreiten, äußerlich erkennbar betätigt worden ist. Die Einleitung der Untersuchung ist dem Beschuldigten in dem Zeitpunkt eröffnet, in dem ihm eine gegen ihn gerichtete Maßnahme der in Absatz 1 bezeichneten Art amtlich mitgeteilt wird.

Durch das Steueränderungsgesetz vom 14.05.1965 wurde lediglich in Abs. 3 die Formulierung „die Summe, die er schuldet“ durch die Worte „die verkürzten Steuern“ ersetzt. Auch hier fehlt es an einer Berücksichtigung des Teilnehmers der Steuerhinterziehung im neu gefassten Wortlaut der Norm. Mithin blieb es bei dieser Fassung dabei, dass auch Teilnehmer in den persönlichen Anwendungsbereich der Selbstanzeige einbezogen waren.27 Buschmann/Luthmann weisen darauf hin, dass die Nachzahlungspflicht nach § 410 Abs. 3 RAO 1965 lediglich den steuerpflichtigen Steuerhinterzieher treffe.28 Die Strafbefreiung des nichtsteuerpflichtigen Steuerhinterziehers sei im Umkehrschluss nicht von der Nachzahlung der Steuern abhängig, was den Auto-

25

BGBl. 1965 I, 377. § 410 Abs. 5 RAO 1965 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 27 Ebenso: Buschmann/Luthmann, S. 94. 28 Buschmann/Luthmann, S. 94. 26

32

1. Teil: Allgemeines

ren zufolge vor allem dann von Bedeutung sei, wenn die Steuerhinterziehung „zum Vorteil eines anderen begangen wurde“.29 h) Zweites Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und andere Gesetze vom 15.08.1968 (2. AOStrÄndG) 30 § 395 Abs. 1 bis 3 AO 196731 lautet folgendermaßen: § 395 Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung (1) Wer in den Fällen des § 392 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung eines Steuervergehens oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist oder 2. der Täter im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, dass die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile gewährt oder belassen, so tritt die Straffreiheit nur ein, wenn der Täter die verkürzten Steuern, die er schuldet, nach ihrer Festsetzung innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet.

Wesentliche Neuerungen sind die Formulierung einer neuen Überschrift der Norm („Selbstanzeige bei Steuerhinterziehungen“) sowie teilweise inhaltliche Änderungen, insbesondere die Präzisierung der Nachzahlungspflicht hinsichtlich der hinterzogenen Steuern. So sollte durch die Wiedereinfügung der Formulierung „die er schuldet“ in § 396 Abs. 3 RAO 1967 klargestellt werden, dass die Strafbefreiung des Täters, der zum Vorteil eines anderen, d.h. fremde, Steuern hinterzogen hat, nicht von der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern abhängt.32

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Buschmann/Luthmann, S. 94. BGBl. 1968 I, 953. 31 § 395 Abs. 4 AO 1967 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 32 Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung vom 30.05.1967, BT-Drucks. V/1812, S. 24. 30

B. Grundlagen der Untersuchung

33

i) Abgabenordnung 1977 vom 16.03.1976 33 § 371 Abs. 1 bis 3 AO 197734 lautet folgendermaßen: § 371 Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung (1) Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekanntgegeben worden ist oder 2. die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

§ 371 Abs. 3 AO 1977 berücksichtigt erstmalig den an der Tat Beteiligten. Hierdurch ist nunmehr nicht mehr allein der Täter Adressat der Nachzahlungsverpflichtung, sondern auch der eigennützig hinterziehende Teilnehmer. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs geht es dabei ausdrücklich um die Erfassung solcher Täter, Anstifter oder Gehilfen der Steuerhinterziehung von der Nachzahlungspflicht, die aus ihrer Tat „den vollen finanziellen Vorteil gezogen“ haben.35 j) § 371 AO in der Fassung vom 01.09.2002 § 371 Abs. 1 bis 3 AO36 in der Fassung vom 01.09.2002 lautet: (1) Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder 33

BGBl. 1967, 613. § 371 Abs. 4 AO 1977 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 35 BT-Drucks. VI/1982, S. 195. 36 § 371 Abs. 4 AO 2002 ist die Vorläufernorm des § 371 Abs. 4 AO und daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 34

34

1. Teil: Allgemeines b) dem Täter oder einem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist oder c) die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

Hier ergeben sich keine für Selbstanzeigen i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen relevanten Unterschiede im Vergleich zur Vorgängernorm § 371 AO 1977. k) Das Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung von 2011 § 371 Abs. 1 bis 3 AO in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz)37 lautet: (1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- und Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder 2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder 3. die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten Frist entrichtet.

37

BGBl. I 2011, 676 f.

B. Grundlagen der Untersuchung

35

Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung vom 28.04.201138 wurden die Tatbestandsmerkmale der Selbstanzeige deutlich eingeschränkt.39 Gleichzeitig wurden die Sperrgründe gemäß § 371 Abs. 2 AO erweitert, sodass der Anwendungsraum der Selbstanzeige insgesamt deutlich verengt wurde. Wesentliche Besonderheiten in Bezug auf Mehrpersonenverhältnisse ergeben sich durch die Verschärfungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz jedenfalls nicht unmittelbar.40 Einzug findet die Aufnahme des Sperrgrunds in § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, nach dem die Selbstanzeige auch bei einem für einen anderen erlangten Steuervorteil i. H. v. mehr als EUR 50.000 ausgeschlossen wird. Dies macht deutlich, dass Mehrpersonenverhältnisse deutlicher als zuvor vom Gesetz „ins Visier“ genommen wurden. l) Das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung ab dem 01.01.2015 § 371 Abs. 1 bis 3 AO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung41, in Kraft getreten am 01.01.2015, lautet wie folgt: (1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen. (2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn 1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung a) dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Abs. 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder b) dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder

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In Kraft getreten am 03.05.2011; BGBl. I 676; BR-Drucks. 166/11. Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung der Änderungen von § 371 Abs. 1 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im 2. Teil unter A. II. 1. b). 40 Vgl. aber zu den praktischen Konsequenzen der Änderung von § 371 Abs. 1 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, 2. Teil unter A. II. 1. b) und A. II. 4. a). 41 BGBl. I 2014, S. 2415 f. 39

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1. Teil: Allgemeines c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder d) ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder e) ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder 2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, 3. die nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000 Euro je Tat übersteigt, oder 4. ein nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nummer 2 bis 5 genannter besonders schwerer Fall vorliegt. Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart. (2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteuervoranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteuervoranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich. (3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 angerechnet werden, innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

In der Literatur wurde die Änderung des Tatbestands der Selbstanzeige mit dem AOÄG 2015 heftig kritisiert.42 42 So etwa: Haarmann, BB 2015, 22 (22 ff.); Plewka, NJW 2015, 589 (589 ff.); Talaska/Bertrand, ZHW 2015, 89 (89 f.).

B. Grundlagen der Untersuchung

37

aa) Die Änderungen durch das AOÄG 2015 im Überblick Zentrale Elemente der Änderungen der Selbstanzeige sind die Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre für alle Fälle der Steuerhinterziehung sowie die Erweiterung bestehender Sperrgründe.43 Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO a. F. konnten der Täter oder sein Vertreter dann keine wirksame Selbstanzeige erstatten, wenn ihnen gegenüber eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde. Nunmehr tritt nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO die Sperrwirkung bei Bekanntgabe gegenüber dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter sowie dem Begünstigten und dessen Vertreter ein. Gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO ist die Selbstanzeige ausgeschlossen, wenn gegenüber dem Täter oder dem an der Tat Beteiligten die Verfahrenseinleitung bekanntgegeben wurde. Schließlich ist die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Ziff. 3 AO ausgeschlossen, wenn der Hinterziehungsbetrag EUR 25.000 übersteigt. In diesem Fall bleibt lediglich die Möglichkeit des Erreichen eines Absehens von Strafverfolgung gegen Zahlung eines Zuschlags gemäß § 398a AO. Die Absenkung des Betrages auf EUR 25.000 wird auch für im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen begangene Steuerhinterziehungen relevant werden. Hintergrund hierfür ist, dass gerade in Unternehmen bereits eine minimale prozentuale Abweichung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen von den etwa im Rahmen einer Steuererklärung erklärten Angaben genügt, um eine entsprechend hohe Verkürzung von Steuern zu generieren. Die Nachzahlungsverpflichtung für die hinterzogenen Steuern in § 371 Abs. 3 AO wurde für alle Selbstanzeigen um die Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO erweitert. Wie § 371 Abs. 3 S. 2 AO klarstellt, sind hiervon lediglich die Selbstanzeigen ausgenommen, die wegen einer Steuerhinterziehung durch verspätete oder unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung gemäß § 371 Abs. 2a AO erfolgen. Neben der Erweiterung bisher bestehender Sperrgründe wurden durch die Änderung des Gesetzes neue Sperrgründe eingeführt. So tritt Straffreiheit gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO dann nicht (mehr) ein, wenn ein Amtsträger zu einer Umsatzsteuer- bzw. Lohnsteuer-Nachschau erschienen ist und sich ausgewiesen hat. § 371 Abs. 2 Nr. 4 AO schließt die Selbstanzeige im Falle einer besonders schweren Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bis 5 AO aus. Gleichzeitig wurden Erleichterungen für Selbstanzeigen bei Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen statuiert, indem bei diesen Steuerhinterziehungen nunmehr wieder die Möglichkeit einer wirksamen Teilselbstanzeige besteht.44 43 Vgl. zum zeitlichen Umfang des Vollständigkeitsgebots die ausführliche Darstellung im 2. Teil unter A. II. 3. 44 Ausführlich zu § 371 Abs. 2a AO, 2. Teil unter A. II. 4. a).

38

1. Teil: Allgemeines

bb) Die Auswirkungen der Änderungen auf Selbstanzeigen i. S. d. Untersuchung Durch die Änderung zum 01.01.2015 hat der Anwendungsbereich der Selbstanzeige gemäß § 371 AO – abgesehen von den Bereichen Umsatzsteuer und Lohnsteuer – erhebliche Einschränkungen erfahren. Die Verlängerung des Berichtigungszeitraums auf alle Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre wird den zur Selbstanzeige Entschlossenen vor einige Schwierigkeiten stellen. Insofern vergrößern sich auch die praktischen Schwierigkeiten bei der Selbstanzeige in Mehrpersonenverhältnissen. Darüber hinaus ergeben sich deutliche Verschärfungen gerade für die Teilnehmer einer Steuerhinterziehung, indem nunmehr auch ausdrücklich von den Sperrgründen der §§ 371 Abs. 2 Nr. 1a und b AO erfasst werden. Im Übrigen ergeben sich durch die zahlreichen Verschärfungen jedenfalls mittelbar Auswirkungen auf die Tatbeteiligten, da diese nach dem Wortlaut der Norm ebenfalls nur unter den deutlich erschwerten Voraussetzungen Selbstanzeige erstatten können. Die Neuregelung zeigt somit insgesamt, dass eine deutliche Kriminalisierung von Steuerhinterziehungen betrieben wird und dass der Gesetzgeber Mehrpersonenverhältnisse stärker als jemals zuvor berücksichtigt.

m) Zwischenergebnis Der Blick auf die historische Entwicklung der Selbstanzeige zeigt, dass die Möglichkeit mittels Erstattung einer Selbstanzeige nach einer Steuerstraftat gemäß § 370 AO Straffreiheit zu erlangen, ein traditioneller Bestandteil des deutschen Strafrechts ist und lange Zeit nur auf den Steuerhinterziehungstäter, der gleichzeitig Schuldner der hinterzogenen Steuer war, abzielte, indem Sperrgründe nur ihm gegenüber ausgelöst werden konnten und auch die Nachentrichtungspflicht nur den Täter traf. Gleichzeitig waren nach dem Wortlaut von Anfang an auch andere Personen nicht von dem Anwendungsbereich der Selbstanzeige ausgeschlossen. Im Verlauf der Zeit wurden die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Selbstanzeige fortentwickelt und in sich weiter differenziert geregelt. Gleichzeitig wurden die Anforderungen an eine Selbstanzeige stetig erhöht und ihr Anwendungsbereich immer mehr eingeengt. So muss der zur Erstattung einer Selbstanzeige entschlossene Steuerhinterzieher immer umfangreichere Angaben zu immer längeren Zeiträumen machen. Dabei sieht er sich im Grundsatz einer fortlaufenden Ausdehnung bestehender und der Neueinführung zusätzlicher Sperrgründe ausgesetzt.

B. Grundlagen der Untersuchung

39

Dies gilt ebenso auch für die Selbstanzeige des Teilnehmers oder des Mittäters einer Steuerhinterziehung. Gleichzeitig ist bemerkenswert, dass die strafbefreiende Selbstanzeige trotz einiger Differenzierungen noch immer unverkennbar hinsichtlich der wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Wortlaut und der Systematik der Ursprungsfassung folgt. Dies ist umso überraschender, als sich der Anwendungsbereich der strafbefreienden Selbstanzeige seit der Zeit ihrer Aufnahme in die RAO 1919 deutlich verändert hat und die Fallgestaltungen heutzutage, wie eingangs dargestellt, höchst unterschiedlich und kompliziert sind. Heute hat die strafbefreiende Selbstanzeige weiterhin große Bedeutung für Steuerhinterziehungen in Unternehmen, während ihr Anwendungsbereich auf Einzelsteuerhinterzieher aufgrund der stetigen Verschärfungen ihrer Voraussetzungen zuletzt zurückgegangen ist. Trotz dieser Verschärfungen existiert die Selbstanzeige noch immer. Der Gesetzgeber hat sich in den jüngsten Reformen bewusst gegen ihre Abschaffung entschieden und damit die Rechtfertigung ihrer Existenz bestätigt.45 Dies bedeutet, dass der verbleibende Anwendungsbereich erhalten bleiben muss und die Selbstanzeige nicht infolge einer entsprechenden Auslegung faktisch abgeschafft werden darf.46 3. Abgrenzung der Selbstanzeige von der Korrektur unrichtiger Erklärungen gemäß § 153 AO § 153 AO enthält die steuerrechtliche Pflicht desjenigen Steuerpflichtigen, der nachträglich und vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung fehlerhaft ist und es hierdurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist oder es zu einer solchen kommen kann, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Sowohl § 153 AO als auch § 371 AO setzen mithin die objektive Unrichtigkeit steuerlicher Angaben im Zeitpunkt ihrer Abgabe voraus.47 Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Rechtsinstituten besteht darin, dass bei einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO eine bereits bestehende Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung durch Abgabe einer Be45

BT-Drucks. 17/4182, S. 4. Vgl. auch die kritischen Anmerkungen von Kohler, nach dessen Auffassung die Selbstanzeige zwar auf dem Papier beibehalten wurde, die Reformen jedoch faktisch das Ende des Instituts bedeuteten, MüKo StGB/Kohler, § 371 AO Rz. 8; vgl. auch Rolletschke/Jope, nach denen die Gefahr bestehe, dass die Selbstanzeige nach den angedachten Reformüberlegungen im Vorfeld des AOÄG 2015 „nicht mehr handhabbar“ sei und dieser Weg in die Steuerehrlichkeit „drastisch an Attraktivität“ verlieren werde, Rolletschke/Jope, NZWiSt 2014, 259 (261). 47 BMF-Erlass vom 23.05.2016 – IV A 3 – S 0324/15/10001, BStBl. 2016 I S. 490; Bangert/Schwarz, NWB 2015, 3088 (3088). 46

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1. Teil: Allgemeines

richtigung und Nachzahlung der eigennützig hinterzogenen Steuern nachträglich aufgehoben wird. Der Steuerhinterzieher weiß mithin von vorneherein um die Fehlerhaftigkeit der steuerlichen Angaben, die zu einer Verkürzung von Steuern bzw. zur Gewährung ungerechtfertigter Steuervorteile geführt haben, und handelte diesbezüglich mindestens bedingt vorsätzlich. Demgegenüber enthält § 153 AO die steuerverfahrensrechtliche Pflicht, nachträglich als unrichtig erkannte erklärte Besteuerungsgrundlagen zu berichtigen. Hier weiß der Erklärende bei Abgabe nicht von der Fehlerhaftigkeit seiner Angaben und erfährt erst nachträglich davon, dass steuerliche Angaben fehlerhaft erklärt wurden und hierdurch ggf. Steuern zu niedrig festgesetzt wurden bzw. Steuervorteile ungerechtfertigterweise gewährt wurden. Dabei trifft die Berichtigungspflicht neben dem Steuerpflichtigen (§ 153 Abs. 1 S. 1 AO) gemäß § 153 Abs. 1 S. 2 AO auch dessen Gesamtrechtsnachfolger (z. B. Erbe oder übernehmender Rechtsträger bei einer Umwandlung) sowie die für den Steuerpflichtigen oder seinen Gesamtrechtsnachfolger gemäß §§ 34, 35 AO handelnden Personen (z. B. Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG).48 Erst wenn der Steuerpflichtige bei nachträglichem Erkennen der Unrichtigkeit seiner Pflicht aus § 153 AO mit dem Vorsatz, weiterhin Steuern zu verkürzen, nicht nachkommt, kommt eine eigene Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Bezug auf die nach wie vor unrichtig festgesetzten Steuern in Betracht.49 In der Theorie ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Rechtsinstituten eindeutig, da sie unterschiedliche Anwendungsbereiche haben (mindestens bedingt vorsätzliche Abgabe der fehlerhaften Angaben als Ausgangsposition für eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO gegenüber unvorsätzlicher Abgabe der fehlerhaften Angaben in den Fällen von § 153 AO). Die rechtssichere Entscheidung, ob fehlerhafte Angaben im Wege einer berichtigenden Erklärung nach § 153 AO oder aber im Wege einer strafbefreienden Selbstanzeige zu berichtigen sind, ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen beider Rechtsinstituten von erheblicher Bedeutung. Insbesondere wenn in einem Unternehmen nachträglich Fehler bei der Abgabe von Steuererklärungen bekannt werden, lässt sich im Nachhinein kaum noch rekonstruieren, ob die unmittelbar handelnden Personen vorsätzlich hinsichtlich einer Steuerverkürzung bzw. der Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils gehandelt haben und sich einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO strafbar gemacht haben oder nicht. Erschwert wird die nachträgliche Sachverhaltsaufklärung durch komplexe Sachverhalte, hierarchische Strukturen50 und insbesondere dann, wenn zwi48 49 50

Klein/Rätke, § 153 Rz. 5. Wie hier: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Heuermann, § 153 AO Rz. 18 (April 2014). Bangert/Schwarz, NWB 2015, 3088 (3090).

B. Grundlagen der Untersuchung

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schenzeitlich die damals unmittelbar handelnden Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausgeschieden sind und zu den Vorfällen nicht oder nicht sofort befragt werden können. Im Hinblick darauf, dass eine wirksame Selbstanzeige seit der jüngsten Reform einen zehnjährigen Berichtigungsverbund voraussetzt und für den Steuerhinterzieher mit erheblichen Kosten verbunden ist, stellt sich eine berichtigende Erklärung nach § 153 AO wirtschaftlich als deutlich günstiger heraus.51 So wird i. d. R. bereits die Aufarbeitung des potentiell strafbaren Sachverhalts mit erheblichen Kosten verbunden sein (z. B. verursacht durch die Beauftragung von Kanzleien mit der Durchführung sog. „Internal Investigations“, die Freistellung von Mitarbeitern für die Dauer der Ermittlungen sowie die Beibringung oder ggf. Anfertigung von für eine Selbstanzeige benötigten Unterlagen und Rückstellungen für zu erwartende Steuernachzahlungen). Gerade bei Steuerhinterziehungen, die innerhalb eines Unternehmens begangen werden, betragen Hinterziehungsbeträge regelmäßig hohe Summen, da wegen hoher Umsatzvolumina bereits eine prozentual niedrige Abweichung zu einer absolut hohen Verkürzung führen kann. Dementsprechend dürften Selbstanzeigen wegen solcher Steuerhinterziehungen regelmäßig gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO wegen Überschreitens der EUR 25.000-Grenze je Steuerstraftat gesperrt sein und dürfte von der Verfolgung dieser Straftat gemäß § 398a AO erst bei Zahlung der Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO sowie des jeweiligen Zuschlags i. H. v. 10–20 % abgesehen werden. Mit Schreiben vom 23.05.201652 hat sich das BMF zur Abgrenzung von § 153 AO und § 371 AO geäußert und gleichzeitig dargelegt, dass die Einrichtung eines innerbetrieblichen steuerlichen Kontrollsystems jedenfalls ein Indiz dafür darstellen könne, dass die unmittelbar handelnden Mitarbeiter eines Unternehmens nicht vorsätzlich in Bezug auf etwaige Fehler bei der Abgabe von Steuererklärungen handelten.53

II. Rechtsnatur Zur umfassenden und vollständigen Auslegung einer Norm gehört auch und gerade die Ermittlung ihrer Rechtsnatur. Nach überwiegender Ansicht ist die Selbstanzeige ein persönlicher Strafaufhebungsgrund, der nachträglich die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO entfallen lässt.54 Unter einem Strafaufhebungsgrund ist ein nach Bege51

Wie hier: Geuenich, NWB 2016, 2560 (2560). BMF-Erlass vom 23.05.2016 – IV A 3 – S 0324/15/10001, BStBl. 2016 I, S. 490. 53 Hierzu Geuenich, NWB 2016, 2560 (2560 f.). 54 OLG Hamburg, Urteil vom 27.1.1970 – 2 Ss 191/69, NJW 1970, 1385; BGH, Urteil vom 24.10.1984, 3 StR 315/84, wistra 1985, 74; BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 52

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1. Teil: Allgemeines

hung der Tat in der Person des Tatbeteiligten eintretender Umstand zu verstehen, der die bereits begründete Strafbarkeit aus materiellen Gründen nachträglich beseitigt.55 Er lässt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat unberührt, beseitigt aber den bereits entstandenen staatlichen Strafanspruch rückwirkend.56 Teilweise wurde in der älteren Literatur und Rechtsprechung vertreten, die Selbstanzeige stelle einen persönlichen Strafausschließungsgrund dar.57 1. Stellungnahme Die zweite Ansicht, nach der die Selbstanzeige ein Strafausschließungsgrund bilden soll, wird heute zu Recht ganz überwiegend abgelehnt. Die Erstattung einer Selbstanzeige ändert nichts an der bereits eingetretenen Verwirklichung des Tatbestands der Steuerhinterziehung und der hierdurch bereits eingetretenen Strafbarkeit. Sie bietet „lediglich“ die Möglichkeit, die Strafbarkeit nachträglich zu beseitigen. Diese Auffassung entspricht auch dem Wortlaut von § 371 Abs. 1 S. 1 AO, nach dem derjenige, der Selbstanzeige erstattet, „wegen dieser Steuerstraftat nicht bestraft wird“. Die Selbstanzeige bezieht sich auf eine bestimmte, bereits begangene Straftat und kann mithin erst nachträglich die bereits eingetretene Strafbarkeit wieder beseitigen. § 371 Abs. 1 S. 1 AO lautet: „Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft“. Hieraus folgt, dass es für die Strafbefreiung auf die persönliche Vornahme der in § 371 Abs. 1 und 3 AO statuierten Handlungen durch den jeweiligen Beteiligten der Steuerhinterziehung ankommt. 5 StR 548/03 –, BGHSt 49, 136; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 03. November 1989 – RReg 4 St 135/89, wistra 1990, 159; Beermann/Gosch/Hoyer, (Oktober 2012) § 371 Rz. 1; Beyer, BB 2016, 2527 (2527); Bilsdorfer, DStR 2015, 1660 (1662); Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO_1977 § 371 Rz. 2; Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2403); Gehm, NJW 2010, 2161 (2161); Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 5; Helml, S. 29; Hübmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 26; Hüls/ Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 23; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371, Rz. 39; Kirbach, S. 22; Klein/Jäger, AO AO § 371 Rz. 1; Kratzsch, Grundfragen S. 283 (287); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 52; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 185; MüKo StGB/Kohler, § 371 AO Rz. 10; Quedenfeld/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 188; Rolletschke, S. 251; Stahlschmidt, S. 110; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 1. 55 Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rz. 133. 56 Schönke/Schröder/Lenckner/Sternberg-Lieben, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rz. 133. 57 BFH, Urteil vom 14. August 1963 – V 230/60, HFR 1964, 182; Bauerle, S. 119; Mösbauer, DStZ 1985, 325 (325); Lelewer, S. 80 und 86; Tiedemann, JR 1975, 384 (386).

B. Grundlagen der Untersuchung

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2. Auswirkungen der Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund Die Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund hat verschiedene Auswirkungen. So muss § 371 AO allgemein dem Bestimmtheitsgebot aus § 1 StGB genügen. Zwar bestimmt § 1 StGB, dass ein Täter nur dann bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Aus dem Umkehrschluss hierzu ergibt sich jedoch, dass bei Einräumung eines gesetzlichen Strafaufhebungsgrundes durch den Gesetzgeber auch die Anforderungen an die Erlangung der Straffreiheit klar bestimmt sein müssen.58 Ferner ergeben sich aus der Rechtsnatur der Selbstanzeige eine Reihe weiterer Auswirkungen, die für die Auslegung und Anwendung der Norm bedeutsam sind: a) Erfüllung aller Voraussetzungen jedes Beteiligten in eigener Person Straffreiheit erlangt nicht jeder, der an einer gemäß § 371 AO angezeigten Steuerstraftat beteiligt war, sondern nur derjenige, der die Anzeige selbst erstattet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Selbstanzeige sind bei jedem Beteiligten unabhängig von den anderen zu prüfen. So kommt die Selbstanzeige nur demjenigen Täter oder Teilnehmer zugute, der in eigener Person sämtliche Voraussetzungen erfüllt. Dies hat zur Folge, dass bei einer Selbstanzeige im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses ein Teil der Beteiligten durch Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige straffrei werden kann, während andere Tatbeteiligte strafbar bleiben. Dies kann etwa der Fall sein, wenn nur ein Teil der Beteiligten Selbstanzeige erstattet oder bei einem Teil der Beteiligten ein Sperrgrund gemäß § 371 Abs. 2 AO vorliegt. b) Geltung des Analogieverbots Das Analogieverbot wird aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB abgeleitet und besagt, dass der noch mögliche, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Tatzeit zu bestimmende Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze richterlicher Auslegung markiert.59 Das Analogieverbot gilt für alle materiellrechtlichen Vorschriften des Strafrechts60 und ist damit auch bei der Auslegung und Anwendung von § 371 AO zu beachten.61 Anders als im öffentlichen Recht und im Zivilrecht ist 58

Wie hier: Bilsdorfer, DStR 2015, 1660 (1662). BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1985 – 1 BvR 1053/82 –, BVerfGE 71, 108. 60 Fischer, StGB § 1 Rz. 21. 61 Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 23; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 55; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 34; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 1. 59

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1. Teil: Allgemeines

die entsprechende Anwendung einer Norm auf einen ähnlichen, vom Gesetz aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke nicht erfassten Sachverhalt zuungunsten des Täters ausgeschlossen.62 Etwaige Strafbarkeitslücken sind hinzunehmen. Dies bedeutet, dass die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Selbstanzeige nicht zu einer Einschränkung ihres Anwendungsbereichs führen darf, da dies ansonsten zu einer ungeschriebenen Ausdehnung der Strafbarkeit führte.63 Die Analogie zugunsten des Täters ist allerdings zulässig.64 c) Geltung des „in dubio pro reo“-Grundsatzes Die Entscheidung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Selbstanzeige beinhaltet zugleich stets eine Entscheidung über Strafbarkeit oder Straffreiheit des Steuerhinterziehers wegen der angezeigten Steuerhinterziehung. Deshalb findet auch der strafrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung, sodass Zweifel über das Vorliegen einer der in § 371 AO genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen sich nur zugunsten des Anzeigenden auswirken.65 d) Unbeachtlichkeit subjektiver Vorstellungen und Motive Die Motive des Anzeigenden und seine subjektive Vorstellungen sind für die Wirksamkeit der Selbstanzeige unbeachtlich.66 Es kommt ausschließlich darauf an, dass die positiven und negativen Tatbestandsmerkmale der Selbstanzeige objektiv erfüllt sind.67 Der Anzeigende trägt das Risiko einer vollständigen Erfüllung der ihm durch § 371 AO auferlegten Pflichten.68 e) Strafverfahrensrechtliche Konsequenzen Erfüllt ein Tatbeteiligter alle Voraussetzungen von § 371 AO, ist er in einem etwaigen Strafverfahren wegen der Steuerhinterziehung freizusprechen.69 62 BVerfGE, Urteil vom 03.07.1962 – 2 BvR 15/62 –, BVerfGE 14, 174–190; Fischer, StGB, § 1 Rz. 21. 63 Wie hier: Grötsch, NZWiSt 2015, 409 (413). 64 BGH, Beschluss vom 30.06.1956 – 1 StE 8/56 –, BGHSt 9, 310–319. 65 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371, Rz. 34; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 29; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 1. 66 Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 23; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 34; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 54; Schmitz, DStR 2001, 1821 (1826). 67 Simon/Wagner/Simon, S. 174. 68 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373. 69 OLG Frankfurt, Urteil vom 18.10.1961 – I Ss 854/61, BB 1962, 126; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 23; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 34. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 57; Marschall, BB 1998, 2553 (2562); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 1.

B. Grundlagen der Untersuchung

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f) Disziplinarrechtliche Konsequenzen Eine disziplinarrechtliche Ahndung der Steuerhinterziehung bleibt trotz Selbstanzeige nach § 371 AO möglich, da Strafverfolgung und disziplinarrechtliche Ahndung unterschiedliche Ziele verfolgen.70 Die disziplinarrechtliche Ahndung soll den Beamten dazu ermahnen, sich zukünftig pflichtgemäß zu verhalten und dient damit der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit.71 Demgegenüber dient die Strafverfolgung im Wesentlichen der Verwirklichung des materiellen Strafrechts.72 Wie Hoyer zutreffend betont, ist eine Informierung des Dienstherrn über die Steuerhinterziehung des Beamten durch die Finanzbehörde im Hinblick auf das Steuergesetz grundsätzlich nicht zulässig.73 Da ein „zwingendes öffentliches Interesse“ i. S. v. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zur Offenbarung der Steuerhinterziehung gegenüber dem Dienstherrn regelmäßig nicht vorliegen wird, bedarf es in diesen Fällen für eine Mitteilung einer speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO.74

III. Der Sinn und Zweck der Selbstanzeige Von elementarer Bedeutung für die Auslegung einer Norm ist der mit ihr durch den Gesetzgeber verfolgte Sinn und Zweck.75 Sinn und Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige sind in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.76 Im Wesentlichen lassen sich die hierzu vertretenen Ansichten in fiskalische Ansichten, kriminalpolitische Ansichten, gemischt fiskalisch-kriminalpolitische Ansichten und strafrechtliche Ansichten unterscheiden.77

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Rolletschke, S. 252. Rolletschke, S. 252. 72 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Kudlich, wobei selbiger darauf hinweist, dass hierbei die Einhaltung bestimmter prozessualer Wertungen von zentraler Bedeutung ist, MüKo StPO/Kudlich, Einleitung Rz. 11; Rolletschke, S. 252. 73 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 111; ebenso auch Jehke/Haselmann, DStR 2015, 1036 (1040). 74 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 111; vgl. auch Jehke/Haselmann, DStR 2015, 1036 (1040); Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 42 f. 75 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 18; Brauns, wistra 1985, 171 (178). 76 Die Literatur hierzu ist unüberschaubar. Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen, beschränkt sich die folgende Untersuchung auf die vier am häufigsten anzutreffenden Ansichten. 77 Im Folgenden sei daher lediglich auf diese eingegangen. In der älteren Literatur wurde darüber hinaus teilweise vertreten, die Selbstanzeige diene dem „Steuerfrieden“, der „Steuermoral“ (so insbesondere von Mattern vertreten, vgl. Mattern, NJW 1951, 937 (937) und NJW 1952, 492 (493); bzw. der „Wiederherstellung der Steuerwahrheit, Steuerklarheit und Steuergerechtigkeit“, vgl. hierzu m.w. N. Hoffschmidt, S. 42. 71

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1. Teil: Allgemeines

Je nachdem, welcher Ansicht zu folgen ist, sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 371 AO weit oder eng auszulegen. Sieht man den maßgeblichen Zweck der Selbstanzeige in der Erschließung bislang verheimlichter Steuerquellen, könnte sich eine weite Auslegung der positiven und enge Auslegung der negativen Tatbestandsmerkmale anbieten, um ein möglichst hohes Steueraufkommen zu generieren. Auf diese Weise würde die Erlangung der Straffreiheit mittels Abgabe einer Selbstanzeige erleichtert, was die Anzahl der bei den Finanzämtern abgegebenen Selbstanzeigen erhöhen und letztendlich den Zweck, bislang unbekannte Steuerquellen zu erschließen, bestmöglich verfolgen könnte. Sieht man den Sinn und Zweck der Selbstanzeige hingegen ausschließlich oder überwiegend in einer vollständigen Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit, bietet sich eine restriktivere Auslegung der positiven Tatbestandsmerkmale und eine extensivere Auslegung der negativen Tatbestandsmerkmale an, wonach nur Steuerhinterzieher, die sehr hohe Hürden bei der Abgabe ihrer Selbstanzeige überwinden, mit Strafbefreiung honoriert werden. 1. Die fiskalische Zielsetzung der Selbstanzeige Nach einem großen Teil der Literatur und Rechtsprechung dient § 371 AO dem fiskalischen Interesse an der Erhöhung des Steueraufkommens.78 Vertreter eines reinen oder gemischten fiskalischen Ansatzes sehen den Zweck der Selbstanzeige nach § 371 AO dementsprechend in der Erschließung bislang verheimlichter Steuerquellen79 und damit in einer „Vermehrung des Steueraufkommens“.80 § 371 AO soll durch die Aussicht auf Strafbefreiung einen Anreiz zur Offenlegung von Steuerquellen bieten, die dem Staat sonst verborgen blieben.81 78 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. März 1991 – 5 StR 516/90 – BGHSt 37, 340: „Sinn des § 371 AO ist es vielmehr, unabhängig von dem Maß der Strafwürdigkeit und Gefährlichkeit des Täters aus steuerpolitischen Gründen die Möglichkeit des Abstandnehmens von Steuerstraftaten über die allgemein geltenden Rücktrittsvorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs zu erweitern.“; Brauns, S. 138; Schmitz, DStR 2001, 1821 (1826); Firnhaber, S. 42; Jesser, S. 60: „Somit lässt sich festhalten, daß § 371 AO dem pekuniären Interesse des Staates dient. Insofern wird die Rechtsfolge dem Täter nicht als Belohnung zugestanden, sondern ausschließlich als probates Mittel zur Erschließung weiterer Einnahmen“; Schmitz, DStR 2001, 1821 (1826). 79 BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; BGH, Urteil vom 04. Juli 1979 – 3 StR 130/79, BGHSt 29, 37; BGH, Urteil vom 12.08.1987 – 3 StR 10/87, BGHSt, 36, wonach § 371 AO „auf rein fiskalischen Erwägungen beruhe“; so auch BayOLG, Beschluss vom 23.01.1985 – RReg. 4 St 309/84, wistra 1985, 117: „die über vergleichbare Vorschriften des Strafgesetzbuches hinausgehende Rechtswohltat findet ihre Rechtfertigung allein in der steuerpolitischen Zielsetzung einer Vermehrung des Steueraufkommens, also in dem Bestreben des Staates, tunlich in den Besitz aller ihm geschuldeten Steuern zu gelangen, deren er bedarf, um seine Aufgaben zu erfüllen“; ebenso: Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (126); Wannemacher/Schmedding, Rz. 1929 f. 80 RG, Urteil vom 10. Juni 1942 – III 14/42, RStBl. 1942, 865. 81 BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100.

B. Grundlagen der Untersuchung

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Ziel der Selbstanzeige ist Vertretern dieser Ansicht zufolge, dem Staat zu einem möglichst vollständigen Steueraufkommen zu verhelfen und ihm so die Wahrnehmung seiner Aufgaben zu ermöglichen.82 a) Monofiskalpolitische Ansätze Lange Zeit vertraten insbesondere die ältere Literatur und die Rechtsprechung einen monofiskalischen Zweck der Selbstanzeige:83 So sah das Reichsgericht in einer Entscheidung im Jahre 1923 den Sinn und Zweck der Selbstanzeige im Steuerrecht darin, dem Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung zum Vorteil der Reichskasse Straffreiheit zu ermöglichen.84 In einer weiteren Entscheidung stellte es auf das mit der Selbstanzeige verfolgte Bestreben des Staats ab, „dem Steuersünder zum Vorteil der Steuerkasse weitergehend, als nach dem allgemeinen Strafrecht möglich, Straffreiheit zu gewähren.“ 85 Noch später führte es aus, der Zweck der Selbstanzeige liege darin, dem reuigen Steuerpflichtigen gegenüber Nachsicht zu üben, um dem Staat „bislang verheimlichte Steuerquellen“ zu erschließen.86 Nach einer älteren Entscheidung des BGH gehe es dem Staat mit der Existenz der strafbefreienden Selbstanzeige maßgeblich darum, „tunlichst in den Besitz

82 BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100; Lenckner/ Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124). 83 So aus der Rechtsprechung: RG, Urteil vom 08.06.1923, I 372/23, RGSt 57, 313; RG, Urteil vom 04. Januar 1927 – I 612/26 –, RGSt 61, 115; RG, Urteil vom 10. Juni 1942 – III 14/42 – RStBl. 1942, 865; BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; BGH, Urteil vom 12. August 1987 – 3 StR 10/87 –, BGHSt 35, 36; LG Verden, Urteil vom 27. März 1986 – KLs 10 Js 5127/85 – wistra 1986, 228; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Januar 1985 – RReg 4 St 309/ 84, BB 1985, 856; LG Stuttgart, Beschluss vom 21. August 1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27; aber auch noch BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136; aus der Literatur etwa: Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (93); Keller/Kelnhofer, wistra 2010, 369 (370); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 30; Mösbauer, DStZ 1985, 325 (325); Tiedemann, JR 1975, 385 (387). 84 RG, Urteil vom 08.06.1923, I 372/23, RGSt 57, 313. 85 RG, Urteil vom 04. Januar 1927 – I 612/26, RGSt 61, 115. 86 RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; ebenso auch der dritte Zivilsenat des Reichsgerichts: Hier wurde die ausschließliche Bedeutung eines fiskalischen Zwecks der Norm etwas relativiert, aber dennoch für die Bestimmung des Zwecks der Norm als maßgeblich betrachtet. So heißt es: „Die vorgenannte Bestimmung (gemeint ist die strafbefreiende Selbstanzeige, Anmerkung der Verfasserin) verfolgt im wesentlichen steuerpolitische Belange. Sie will zur Entlastung der Steuerbehörden beitragen und auf eine Vermehrung des Steueraufkommens hinwirken, indem durch die In-Aussichtstellung der Straffreiheit ein Anreiz zur nachträglichen freiwilligen Entrichtung hinterzogener Beträge geschaffen wird.“, RG, Urteil vom 10. Juni 1942 – III 14/42 – RStBl. 1942, 865.

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1. Teil: Allgemeines

aller ihm geschuldeten Steuern zu kommen, damit er seine Aufgaben erfüllen“ 87 könne. Gerade diesem Zweck diene auch die Nachzahlungsverpflichtung, wodurch sichergestellt sei, dass der Täter den Schaden durch die Nachzahlung wiedergutgemacht hat.88 Gemäß einer etwas späteren Entscheidung des BGH solle die Selbstanzeige „unabhängig von dem Maß der Strafwürdigkeit und Gefährlichkeit des Täters aus steuerpolitischen Gründen die Möglichkeit des Abstandnehmens von Steuerstraftaten über die allgemein geltenden Rücktrittsvorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs“ hinaus erweitern.89 An anderer Stelle heißt es in der Rechtsprechung, der Staat wolle durch die Selbstanzeige „Hinweise auf bisher verschlossene Steuerquellen erlangen, um in den Besitz aller ihm geschuldeten Steuern zu kommen, und Hinweise auf unberechtigt geltend gemachte Steuererstattungen erhalten, um im Besitz aller Steuern zu bleiben, damit er seine Aufgaben erfüllen kann“.90 Auch in der Literatur finden sich zahlreiche Vertreter einer rein fiskalischen Zielsetzung der Selbstanzeige:91 Nach Lenckner/Schumann/Winkelbauer sprechen auch die Sperrgründe in § 371 Abs. 2 AO für die Verfolgung fiskalischer Ziele.92 Hier brauche der Staat den Steuerhinterzieher nicht mehr und eine trotz Auslösung eines Sperrgrunds verwirklichte Selbstanzeige sei für diesen wertlos.93 Mattern zufolge diene die Selbstanzeige dazu, dem „Steuergläubiger bisher verheimlichte Steuerquellen zu erschließen (und) einen Anreiz für den Steuerpflichtigen zu bieten, daß er Material für seine zutreffende steuerliche Erfassung liefert.“ 94 List weist zur Begründung einer fiskalischen Zielsetzung der Selbstanzeige darauf hin, dass aufeinanderfolgende Steuererklärungen meist auch sachlich zusammenhingen, sodass eine unrichtige Steuererklärung i. d. R. mehrere andere unrichtige Steuerklärungen zur Folge hätte.95 Daher führe auch die Berichtigung einer unrichtigen Steuererklärung zur Berichtigung mehrerer Steuererklärungen,

87 BGH, Urteil vom 04. Juli 1979 – 3 StR 130/79, BGHSt 29, 37; BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100. 88 BGH, Urteil vom 04. Juli 1979 – 3 StR 130/79, BGHSt 29, 37; BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100. 89 BGH, Urteil vom 19. März 1991 – 5 StR 516/90, BGHSt 37, 340. 90 BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136. 91 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (93); Bülte, ZStW 2010, 550 (581); Ehlers, DStR 1974, 695 (695 f.); Ehlers/Lohmeyer, S. 41; Firnhaber, S. 42; Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2403); Koops/Sensburg, DB 1999, 2183 (2183 ff.); Mösbauer, DStZ 1985, 325 (325); Pfaff, 1977, S. 16; Streck, DStR 1985, 9 (9); Teske, wistra 1988, 287 (287); Tiedemann, JR 1975, 385 (387); Wannemacher/Schmedding, Rz. 1930; Westphal, S. 26. 92 Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (125). 93 Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (125). 94 Mattern, DStZ A 1950, 134 (135). 95 List, S. 14.

B. Grundlagen der Untersuchung

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wodurch oftmals erhebliche, bislang verheimlichte Steuerquellen erschlossen würden.96 b) Stellungnahme zur monofiskalischen Zielsetzung der Selbstanzeige Die Selbstanzeige hat durch die Berichtigungshandlung und die Nachzahlungsverpflichtung unverkennbar fiskalische Elemente.97 Darüber hinaus hat die Selbstanzeige auch unverkennbare fiskalische Auswirkungen, da der Fiskus durch die Berichtigung der unrichtigen, unvollständigen bzw. durch die Nachholung der unterlassenen Angaben Kenntnis über die bislang verborgenen Steuern und damit Kenntnis über seinen Steueranspruch erhält. Dies ermöglicht ihm eine zutreffende Steuerfestsetzung und erlaubt ihm die Geltendmachung und Durchsetzung seines Steueranspruchs (ggf. unter Einsatz steuerverfahrensrechtlicher Zwangsmittel). Durch die Nachzahlungsverpflichtung in § 371 Abs. 3 AO wird das Vermögen des Fiskus unmittelbar vermehrt, sodass sich auch vor diesem Hintergrund eine fiskalische Bedeutung der Norm ergibt. Fraglich ist jedoch, ob diese fiskalischen Komponenten das einzige Ziel oder eines neben mehreren mit der Selbstanzeige verfolgten Zielen darstellen oder ob sie gar eine Nebenfolge98 darstellen. aa) Jede Selbstanzeige kann zu einer Vermehrung des Steueraufkommens führen Während der zu eigenen Gunsten hinterziehende Steuerhinterzieher die hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen zur Erlangung der Strafbefreiung nachzahlen muss, ist der fremdnützig hinterziehende Steuerhinterzieher von dieser Nachzahlungsverpflichtung ausgenommen. Joecks ist der Auffassung, eine primär fiskalische Zielsetzung der Norm könne bereits nicht vorliegen, da die Norm die Erhöhung des Steueraufkommens nicht voraussetze.99 Joecks ist insofern zuzugeben, dass § 371 AO jedenfalls nach seinem Wortlaut nicht auf eine unmittelbare Erhöhung des Steueraufkommens abstellt, da nur ein Teil der Steuerhinterzieher, die von ihrem persönlichen Anwendungsbereich umfasst sind und von ihr Gebrauch machen können, zur Erlangung der Strafbefreiung unmittelbar die hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen nachzahlen müssen.100 96

List, S. 14. Wie hier: Helml, S. 32. 98 So Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 AO Rz. 28. 99 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 AO Rz. 28. 100 Vgl. hierzu Löffler, nach dem § 371 AO schon aus aus diesem Grund nicht auf der fiskalischen Erwägung zur Erhöhung des Steueraufkommens beruhen könne. Insofern sei nach Löffler von einem fiskalischen Standpunkt aus betrachtet kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die Norm zwischen dem eigen- und fremdnützig hinterziehenden Tatbeteiligten unterscheide, Löffler, S. 84. 97

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1. Teil: Allgemeines

Die Eignung der Selbstanzeige zur Verfolgung eines fiskalischen Zwecks wäre nur dann in den Fällen des fremdnützig handelnden Steuerhinterziehers zweifelhaft, wenn dessen Selbstanzeige das Steueraufkommen nicht erhöhte und das Steueraufkommen vielmehr lediglich durch die Nachzahlung des Steuerhinterziehers gemäß § 371 Abs. 3 S. 1 AO erhöht würde. Indes erlangt der Fiskus durch jede wirksame Selbstanzeige, die vor Auslösung eines Sperrgrunds gemäß § 371 Abs. 2 AO erstattet wurde, Kenntnis vom Bestehen seines Steueranspruchs gegen den Schuldner der hinterzogenen Steuer. Auf Grundlage der Berichtung kann er die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ermitteln, die Steuer zutreffend festsetzen und dem Steuerschuldner den entsprechenden geänderten Steuerbescheid zustellen sowie etwaige ggf. erforderliche Vollstreckungsmaßnahmen einleiten. Selbst bei Selbstanzeigen, in denen zwar die Person des Steuerschuldners und die Steuerquelle genannt wurden, die Höhe der verkürzten Steuern jedoch zu gering angegeben wurde, erhält der Fiskus durch die Selbstanzeige jedenfalls Kenntnis darüber, dass sein Steueranspruch höher als die bisher festgesetzte Steuer ist. Entscheidend ist jedoch, dass der Fiskus durch die Selbstanzeige die Person des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, erfährt. Denn der Steueranspruch entsteht ohne Kenntnis des Finanzamts kraft Gesetzes (§ 38 AO) mit der Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 3 Abs. 1 AO).101 Ohne Kenntnis des Gläubigers über das Bestehen eines ihm zustehenden Anspruchs, ist dieser zwangsläufig nicht einbringbar und somit (noch) nicht für ihn vorteilhaft.102 Der Fiskus kann ohne Kenntnis weder die Steuer zutreffend fest101 Lütt weist zutreffend darauf hin, dass die Kenntnisnahme des Staats von dem Bestehen und der Höhe des Steueranspruchs besonders gefährdet ist, da die Steuer nicht auf einem „privatautonomen Gestaltungsakt zwischen Steuerschuldner und Staat“ beruht, sondern kraft Gesetzes entsteht, Lütt, S. 118. 102 Im Zivilrecht wird diesem Umstand durch die Verjährungsregelung Rechnung getragen: Gemäß § 199 BGB beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Selbstverständlich ist die zivilrechtliche Verjährungsregelung im Steuerrecht im Hinblick auf die eigene Verjährungsregelung für Ansprüche aus Steuerschuldverhältnis (vgl. § 228 S. 1), der vollkommen unterschiedlichen Interessenlagen und sich gegenüber stehenden Parteien (Fiskus als Teil der öffentlichen Eingriffsverwaltung und Steuerschuldner) nicht anwendbar. Dennoch finden sich auch im Steuerverfahrensrecht Ausprägungen dieses Prinzips: So verlängert sich nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO etwa die Festsetzungsverjährungsfrist auf zehn Jahre, wenn die Steuer hinterzogen wurde bzw. auf fünf Jahre, wenn sie leichtfertig verkürzt worden ist, da es dem Fiskus wegen der vollendeten Steuerhinterziehung bzw. wegen der leichtfertigen Steuerverkürzung bislang nicht möglich war, seinen Steueranspruch zu realisieren (vgl. BFH, Urteil vom 26. Februar 2008 – VIII R 1/07 –, BStBl. II 2008, 659). Eine weitere Ausprägung dieses Gedanken ist der Beginn der Festsetzungsverjährung der Schenkungsteuer, vgl. § 170 Abs. 5 Nr. 2: „Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsverjährung nach den Absätzen 1 und 2 bei einer

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setzen, noch kann er die Zahlung der Steuer verbuchen oder eintreiben. Darüber hinaus kann er auch keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Steuerschuldner ergreifen.103 Die Selbstanzeige verschafft dem Fiskus die benötigten Kenntnisse zur zutreffenden Festsetzung der hinterzogenen Steuern: Entweder er erlässt auf ihrer Grundlage einen geänderten Steuerbescheid an den Steuerschuldner oder er deckt – ausgehend von den erlangten Kenntnissen in der Berichtigung – den wahren Sachverhalt auf und stellt den zutreffenden Steuersachverhalt fest. Teilweise wird gegen die Geeignetheit der Selbstanzeige zur Aufdeckung unbekannter Steuerquellen eingewendet, dass mit ihr nur solche Steuerquellen, die ohnehin bekannt geworden wären, bekannt würden.104 Zu dieser These existieren keine empirischen Untersuchungen. Darüber hinaus ist zu bezweifeln, dass der Fiskus auch ohne Selbstanzeige des Steuerhinterziehers stets früher oder später Kenntnis über seinen Steueranspruch erhält. Dies mag im Einzelfall so sein, wenn der Steuerhinterzieher seine Selbstanzeige kurz vor Auslösung eines Sperrgrundes abgibt. Im Hinblick auf die Komplexität der Besteuerung, die Vielzahl und die Vielschichtigkeit der steuerlich relevanten Sachverhalte sowie die begrenzte Personalstärke der Finanzverwaltung kann dies gleichwohl lediglich die Ausnahme darstellen. Darüber hinaus kommt es auch wesentlich darauf an, dass der Fiskus Kenntnis von seinem Steueranspruch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung erhält. So wurde die Festsetzungsverjährungsfrist für hinterzogene Steuern mit dem AOÄG 2015 zwar verlängert. Doch auch diese Steuern sind nach 10 Jahren festsetzungsverjährt (§ 169 Abs. 2 S. 2 1. Alt. AO). Eine nach diesem Zeitpunkt erfolgende Kenntniserlangung des Fiskus ist fiskalisch wertlos. Durch die mittels der Selbstanzeige des Steuerhinterziehers gewonnenen Informationen wird der Fiskus damit in die Lage versetzt, die vor der Steuerhinterziehung bestanden hat. Er soll aber auch nicht besser gestellt werden, als er im Besteuerungsverfahren stünde.105 Somit bedarf es keiner Nachzahlungsverpflichtung des fremdnützigen Steuerhinterziehers, da der Fiskus einerseits mit dem Steuerschuldner, in dessen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogen wurden, einen zur Nachzahlung verpflichteten Schuldner hat und darüber hinaus – bei Auseinanderfallen dieser Personen – auch der eigennützige Steuerhinterzieher gemäß § 371 Abs. 3 AO zur Nachzahlung der hinterzogenen Steuern verpflichtet Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat.“ 103 Meyer führt zutreffend hierzu aus, dass „auch der beste Steueranspruch für den Steuergläubiger wertlos (sei), wenn und solange er ihn nicht kennt, Meyer, in Aktuelle Fragen 1957 S. 95 (99). 104 Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1216; aus diesem Grund werde nach Kummer die gesetzgeberische Absicht auch „aus der Sicht der Praxis“ verfehlt, Wabnitz/Janovsky/ Kummer, S. 1216. 105 So sind die Anforderungen an den Inhalt der strafbefreienden Selbstanzeige jedenfalls nicht strenger, als die Anforderungen an die Steuererklärung, so etwa Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 159.

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1. Teil: Allgemeines

ist. Dementsprechend spricht die fehlende Nachzahlungsverpflichtung des fremdnützigen Steuerhinterziehers nicht gegen eine fiskalische Zielsetzung der Norm.106 Dieser Wertung steht auch der vielfach bei der Umschreibung des Zwecks der Norm verwendete Begriff „Steuervorkommen“ oder „Steueraufkommen“ nicht im Wege. Unter diesen Begriff lassen sich nicht nur die gezahlten Steuern subsumieren. Auch die Kenntniserlangung von den Steueransprüchen107 und Haftungsansprüchen (§ 71 AO) durch den Fiskus vermehrt nach dem dargelegten Verständnis aufgrund ihrer Werthaltigkeit das Vermögen des Fiskus. Somit bleibt festzuhalten, dass jede Selbstanzeige, die die Person des Steuerschuldners der hinterzogenen Steuern nennt und weitere zur zutreffenden Festsetzung der Steuer notwendige Informationen enthält und vor Eingreifen eines Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 AO erstattet wird, stets zu einer Erhöhung des Steueraufkommens führt: Entweder werden die hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen nachgezahlt oder der Fiskus erlangt Kenntnis seiner Steueransprüche gegen den Steuerschuldner. Nach Helml spricht gegen eine rein fiskalische Zielsetzung der Norm, dass § 371 AO auch dann anwendbar ist, wenn noch keine Steuerverkürzung eingetreten ist und noch kein Steuervorteil erlangt wurde.108 Da die Strafbefreiung in diesen Fällen unabhängig von der Nachzahlungspflicht aus § 371 Abs. 3 AO erfolge und hier weder neue Steuerquellen entdeckt würden noch Steuergerechtigkeit geschaffen werde, passe die Fiskaltheorie nicht auf die gesamte Regelung des § 371 AO.109 Dies ist insofern zutreffend, als die Selbstanzeige in den Fällen des Versuchs der Steuerhinterziehung mangels eingetretenen Steuerschadens auch keine Nachzahlung voraussetzen kann. Doch auch in diesen Fällen erlangt der Fiskus Kenntnis über die Existenz und Höhe seines Steueranspruchs. Da die Kenntniserlangung über den Steueranspruch jedoch stets zugleich auch eine Vermehrung des Steueraufkommens bedeutet, scheidet eine rein fiskalische Zielsetzung jedenfalls nicht aus diesen Erwägungen aus. Nach der zutreffenden Ansicht von Grötsch spricht indes die Ausgestaltung der Sperrgründe gegen eine rein fiskalische Zielsetzung.110 So könne die Fiskaltheorie nicht erklären, weshalb es für 106 Darüber hinaus kommt auch der fremdnützig hinterziehender Steuerhinterzieher nicht „ungeschoren“ davon. So ist zwar die Erlangung der Straffreiheit nicht an die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern geknüpft, gemäß § 71 AO haftet er gemeinsam mit den übrigen Tatbeteiligten steuerverfahrensrechtlich gleichwohl für den Hinterziehungsbetrag (einschließlich der Hinterziehungszinsen). 107 Der Steueranspruch entsteht freilich nicht erst mit der Kenntniserlangung des Finanzamtes, sondern mit der (objektiven) Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, vgl. § 38 AO. 108 Helml, S. 33. 109 Helml, S. 33. 110 Grötsch, S. 18.

B. Grundlagen der Untersuchung

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die Auslösung des Sperrgrunds der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO neben der objektiven Tatentdeckung auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Steuerhinterziehers ankommt.111 bb) Sinn und Zweck der Norm liegt jedoch nicht in ausschließlich fiskalischen Erwägungen Trotz der mit jeder Selbstanzeige verbundenen Erhöhung des Steueraufkommens kann der Sinn und Zweck der Norm nicht ausschließlich in fiskalischen Erwägungen liegen, da jedenfalls die kommentarlose Nachzahlung der verkürzten Steuern oder des aus der ungerechtfertigten Gewährung eines Steuervorteils resultierenden Steuerschadens für die Erlangung der Strafbefreiung nicht genügt. Aus dem Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO lässt sich ferner entnehmen, dass nicht jede Erhöhung des Steueraufkommens durch beliebige Mittel beabsichtigt ist, sondern stets die Vornahme einer bestimmten Handlung, nämlich die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der fehlerhaften Angaben, erforderlich ist.112 Daraus folgt, dass die Erhöhung des Steueraufkommens nicht das ausschließliche Ziel der Norm sein kann113, sondern die Vornahme der in § 371 Abs. 1 und Abs. 2 der genannten Handlungen durch den Steuerhinterzieher mindestens ebenso gewollt ist.114 Auch die Existenz der Sperrgründe lässt sich nicht durch eine rein fiskalische Zielsetzung der Norm begründen. So führen auch die Berichtigung der unrichtigen Angaben und die gemäß § 371 Abs. 3 AO erforderliche Nachzahlung der Steuern bei der Auslösung eines Sperrgrunds aus § 371 Abs. 2 AO zu einer Erhöhung des Steueraufkommens.115 In diesen Fällen wird dem Steuerhinterzieher jedoch die Strafbefreiung versagt. Demnach kann es nicht allein auf die Erzielung eines fiskalischen Erfolgs ankommen. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO schließt die Möglichkeit zur Selbstanzeige aus, wenn die Höhe der hinterzogenen Steuern einen Betrag von EUR 25.000 übersteigt. In den Fällen, in denen eine Selbstanzeige das Steueraufkommen also besonders stark erhöhen würde, schließt die Norm sie aus. Dies legt den Schluss nahe, dass § 371 AO fiskalischen Zielen jedenfalls nicht den Vorrang einräumt. 111

Grötsch, S. 18. Statt vieler: MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 68 m.w. N. 113 Löffler, S. 73; ebenso Joecks der darauf abstellt dass „nach dem klare Gesetzeswortlaut die bloße „Reparatur“ des Steuerschadens nicht ausreicht, insbesondere also die anonyme Begleichung einer Steuerschuld nach dem Wortlaut nicht zur Straffreiheit führt“. Nach Joecks könne der fiskalische Ansatz lediglich erklären, „wieso zur Straffreiheit über die Mitteilung der konkreten Besteuerungsgrundlagen hinaus auch die Entrichtung der verkürzten Steuer, mithin die Schadenswiedergutmachung, gehört“, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 29. 114 Ebenso: Breyer, S. 119. 115 Wie hier: Grötsch, S. 15 ff. 112

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1. Teil: Allgemeines

cc) Zwischenergebnis § 371 Abs. 1 AO verfolgt einen fiskalischen Zweck, der in der Vermehrung des Steueraufkommens liegt. Wegen des Erfordernisses einer Berichtigungshandlung und der Existenz der Sperrgründe scheidet die Annahme einer rein fiskalischen Zielsetzung der Selbstanzeige jedoch aus. 2. Die kriminalpolitische Zielsetzung der Selbstanzeige: Ermöglichung/Honorierung der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit Ein Teil der Meinungen sieht den Sinn und Zweck der Selbstanzeige nicht in der Erhöhung des Steueraufkommens, sondern in der Verfolgung eines kriminalpolitischen Ziels.116 a) Die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit als Ziel der Selbstanzeige Vertretern dieser Ansicht zufolge ist das Ziel der Selbstanzeige die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit.117 Nach einer frühen Entscheidung des BGH hat § 371 AO das Ziel, jenen Steuerhinterziehern, die bei der Abgabe von Steuererklärungen etwa wegen des Bilanzzusammenhangs aufeinanderfolgender Steuerhinterziehungen mit der Aufdeckung früherer Straftaten rechnen müssen, die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu ermöglichen.118 Die Selbstanzeige soll damit unter Verzicht auf die wegen der Steuerhinterziehung gebotene Bestrafung die Möglichkeit und einen Anreiz für den Steuerhinterzieher darstellen, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren.119 Auch Joecks sieht den primären Zweck der Selbstanzeige in der Ermöglichung der Rückkehr des Steuerpflichtigen in die Steuerehrlichkeit.120 Das Sprudeln unbekannter Steuerquellen sei ihm zufolge lediglich eine angenehme Nebenfolge, die jedoch vom Gesetz nicht vorausgesetzt werde.121 Nach der Gesetzesbegründung des AOÄG 2015 ist das Ziel der Selbstanzeige die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit, welche im Falle der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen vorliegt.122 116 So Joecks etwa zumindest für den primären Zweck der Selbstanzeige, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 28. 117 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 28. 118 BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58, BGHSt 12, 100; ebenso: Kratzsch, Grundfragen 1983, S. 283 (291). 119 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180. 120 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 28. 121 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 28. 122 BT-Drucks. 18/3018 S. 8.

B. Grundlagen der Untersuchung

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b) Kritik an der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit Fraglich ist jedoch, ob „die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ überhaupt ein tauglicher Normzweck sein kann. Die „Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ ließe sich auch so verstehen, dass die Selbstanzeige dazu diene, dass der Steuerhinterzieher in Bezug auf seine Steuerhinterziehung straffrei würde, da der Steuerhinterzieher dann steuerehrlich wäre. Wie Bülte jedoch zutreffend anmerkt, kann die Gewährung von Straffreiheit zur Rückführung des Täters in die Steuerehrlichkeit keine nachvollziehbare Zielsetzung darstellen.123 Vielmehr würde der Gesetzgeber so die Straffreiheit um ihrer selbst willen gewähren.124 Wegen der Steuerhinterziehung hat der Staat einen Anspruch auf Bestrafung des Steuerhinterziehers. Ein Ziel der Selbstanzeige, dem Steuerhinterzieher Straffreiheit zu gewähren, um ihn so in die Steuerehrlichkeit zurückgelangen zu lassen, wäre mit dem staatlichen Strafanspruch nicht vereinbar. Die Formulierung „Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ lässt jedoch auch eine andere Auslegung zu. Legt man das Augenmerk auf die gemäß § 371 AO zur Steuerehrlichkeit führende Rückkehrhandlung, wird deutlich, dass der Steuerhinterzieher eine bestimmte Handlung vornehmen muss, um straffrei zu werden (nämlich die unrichtigen Angaben berichtigen, die unvollständigen Angaben ergänzen und die fehlenden Angaben nachholen und ggf. die hinterzogenen Steuern inkl. Hinterziehungszinsen nachzahlen). Kommt er dem nach, wird er steuerehrlich und erlangt deswegen Straffreiheit. Dieses Verständnis der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit deckt sich auch mit dem Wortlaut und der Systematik von § 371 AO. So setzen § 371 AO Abs. 1 und 3 AO nach ihrem Wortlaut nicht die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit voraus, sondern stellen auf die Vornahme der geforderten Handlung ab. Indem § 371 Abs. 1 (und ggf. Abs. 3) AO dem Steuerhinterzieher bestimmte Handlungspflichten auferlegt, zeigt sich, dass die Norm auf die Vornahme dieser Handlung abzielt. Damit ist das Ziel der Norm aber nicht die Gewährung von Straffreiheit, sondern die Vornahme der geforderten Rückkehrhandlung durch den Steuerhinterzieher. Doch auch wenn die durch § 371 Abs. 1 AO zu gewährende Straffreiheit des Steuerhinterziehers selbst nicht Sinn und Zweck der Norm ist, erfüllt sie eine wichtige Funktion. Sie motiviert den steuerpflichtigen Steuerhinterzieher dazu, nachträglich seine steuerlichen Pflichten zu erfüllen und auf diese Weise dem Fiskus die Erschließung bislang unbekannter Steuerquellen zu ermöglichen.125 123 124 125

Bülte, ZStW 2010, 550 (581). Bülte, ZStW 2010, 550 (581). Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 15.

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1. Teil: Allgemeines

Die Aussicht auf Straffreiheit stellt somit einen Anreiz zur Vornahme der Rückkehrhandlung dar.126 Auch der Steuerhinterzieher, der selbst nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist, wird durch die Aussicht auf Strafbefreiung zur Abgabe einer Selbstanzeige motiviert. c) Ziel der Selbstanzeige im Ausgleich der kriminalpolitischen Besonderheiten der Steuerhinterziehung aa) Die Selbstanzeige als Notwendigkeit für die zukünftige Steuerehrlichkeit Teilweise wird darauf abgestellt, dass die Selbstanzeigeregelung erforderlich sei, um dem Steuerpflichtigen risikofrei die Berichtigung und Nachholung von Angaben zu ermöglichen.127 Derjenige, der über Jahre hinweg unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, könne durch Abgabe einer Selbstanzeige dem Fiskus „offen gegenübertreten, ohne strafrechtliche Verfolgung fürchten zu müssen, die Steuer nachzahlen und in Zukunft ein steuerehrliches Leben führen“.128 bb) Die Selbstanzeige als Notwendigkeit wegen des „Ermittlungsnotstands“ des Staats Andere stellen darauf ab, dass die Selbstanzeige wegen des Ermittlungsnotstands des Staats erforderlich sei. Firnhaber führt diese ungünstige Ermittlungssituation im Steuerrecht darauf zurück, dass bei der Steuerhinterziehung „das kontrollierende Gegenüber des Opfers“ fehle, das den Staat auf das Fehlverhalten eines anderen aufmerksam machen könne.129 So spiele sich das „Steuerleben für jeden Steuerpflichtigen hinter verschlossenen Türen ab“ und die durch die Steuerhinterziehung erfolgende Schädigung der Allgemeinheit und damit letztlich auch des Einzelnen erfolge lediglich mittelbar und bleibe so unbemerkt, sodass letztlich niemand „von dem anderen weiß, welchen Steuerbetrag ein anderer redlicherweise entrichten“ müsste.130 Daher, so Firnhaber, sei der Staat im Steuerrecht gegenüber „unredlichen Elementen in hohem Maße machtlos“ und befinde sich deshalb in einem dauernden „Notstand“. Insofern sei es ihm „erlaubt, im Interesse des allgemeinen Staats- und Volkswohles zu so ungewöhnlichen Mitteln zu greifen, wie es die Selbstanzeige mit allen ihren Konsequenzen ist“.131 Vor 126 Vgl. zur Anreizwirkung auch Breyer, der in ihr sogar den Hauptzweck der Selbstanzeige sieht, Breyer, S. 155; wie Breyer auch Grötsch, S. 18 f. 127 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 31; Wulf, AG 2010, 540 (543). 128 Wulf, AG 2010, 540 (540). 129 Firnhaber, S. 21 f. 130 Firnhaber, S. 22. 131 Firnhaber, S. 22.

B. Grundlagen der Untersuchung

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dem Hintergrund dieser Besonderheiten geht es Firnhaber letztlich um die Verfolgung fiskalischer Interessen, was sich nicht zuletzt auch in der Auffassung Firnhabers widerspiegelt, dass der Sinn und Zweck der Selbstanzeige ausschließlich fiskalischer Natur sei.132Auch Abramowski weist darauf hin, dass das Entdeckungsrisiko bei Steuerhinterziehungen deutlich geringer sei als bei anderen Straftaten.133 Schauf merkt an, dass im Steuerstrafsachen eine einigermaßen erfolgsversprechende Aufklärungsarbeit nur dann durch den Staat erbracht werden könne, wenn dieser jeden Steuerpflichtigen permanent überprüfen würde, was insbesondere wegen der hiermit verbundenen Freiheitsbeschränkung völlig indiskutabel sei.134 In der Rechtsprechung und Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Steuerfahndung nur bei einem hinreichenden Anlass tätig werden und gerade nicht „ins Blaue hinein“ ermitteln dürfe.135 Für einen hinreichenden Anlass sei zumindest erforderlich, dass aufgrund bestimmter Merkmale des Einzelfalls oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerhinterziehung besteht.136 Nach dem sog. Selbstanzeigebeschluss des BGH trete der Ermittlungsnotstand des Staates im Hinblick auf neuere Ermittlungsmöglichkeiten und die verbesserte internationale Zusammenarbeit zur Aufdeckung von Steuerstraftaten zunehmend in den Hintergrund.137 Bereits im Jahr 2001 und damit Jahre vor dieser Entscheidung wies Joecks darauf hin, dass die Möglichkeiten der Finanzverwaltung zur Durchführung von Ermittlungen in Ländern wie der Schweiz oder Luxemburg zwar zu diesem Zeitpunkt noch beschränkt seien, dies sich jedoch in absehbarer Zeit aufgrund europäischer Kontrollverfahren ändern würde.138 Dass die Finanzverwaltung auch heute noch auf die Mitarbeit des Steuerhinterziehers bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehungen und der hieraus resultierenden Vermehrung des Steuervermögens angewiesen ist, zeigt ein Blick in die Gesetzesbegründung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, das weniger als ein Jahr nach diesem Beschluss in Kraft getreten ist.139 Dort heißt es: „Sinn und 132

Firnhaber, S. 22. Abramowski, S. 199 f.; so wohl auch Fromm, DStR 2014, 1747 (1747). 134 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 18; vgl. auch Matschke, nachdem eine kleinteilige Prüfung sämtlicher Erklärungen von Steuerpflichtigen systembedingt nicht erfolgen könne und „verwaltungsökonomischer Harakiri“ sei, Matschke, wistra 2012, 457 (458). 135 BVerfG, Kammerbeschluss vom 06. April 1989 – 1 BvR 33/87, HFR 1989, 440; BFH, Urteil vom 29. Juni 2005 – II R 3/04 –, BFH/NV 2006, 1; Matthes, wistra 2008, 10 (15 f.); Wolter, NZWiSt 2015, 217 (221). 136 Wolter, NZWiSt 2015, 217 (221). 137 BGH, Beschluss vom 20.05.2010, 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180. 138 Joecks, DStR 2001, 2184 (2186). 139 BT-Drucks. 17/4182, S. 4; vgl. auch schon die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) vom 16.03.2011 BT-Drucks. 17/5067, S. 11, 18; ebenso: Müller, 4. Kapitel Berichtigung der Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 bis 3 AO Rz. 355. 133

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1. Teil: Allgemeines

Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige ist es, den an einer Steuerhinterziehung Beteiligten einen attraktiven Anreiz zur Berichtigung vormals unzutreffender oder unvollständiger Angaben zu geben, um eine bislang verborgene und ohne die Berichtigung möglicherweise auch künftig verborgen bleibende Steuerquelle im Interesse des Fiskus und damit im Interesse der Öffentlichkeit zu erschließen. Steuerlich relevante Informationen, die gezielt und bewusst mit krimineller Energie oft über Jahrzehnte dem Fiskus verheimlicht worden sind, können ohne Mithilfe der Beteiligten nicht aufgeklärt werden – erst recht nicht, wenn es sich um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Ohne die Offenbarung der Täter hätten die Steuerbeamten keine Ermittlungsansätze gegenüber Helfern und Mittätern.“ 140 Im Zuge der immer mehr abgeschlossenen Austauschabkommen zwischen den Staaten141 über von Steuerpflichtigen im Ausland angelegte Gelder wird dieser „Ermittlungsnotstand“ der Finanzbehörden in Auslandssachverhalten entsprechend der frühen Prognose von Joecks zurückgehen, insbesondere in den Fällen, in denen deutsche Steuerpflichtige Geld auf ausländischen Bankkonten vor dem Fiskus „versteckt“ haben. Gleichwohl hat die Selbstanzeige nicht nur für solche Sachverhalte Relevanz. So haben solche Ermittlungserleichterungen der Finanzbehörden keine Auswirkungen auf die nach wie vor bestehenden Ermittlungsschwierigkeiten bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehungen, die innerhalb von Unternehmen begangen wurden oder gemeinsam von mehreren Gesellschaftern. Wie bereits eingangs dargestellt, sind die Fallgestaltungen bei Steuerhinterziehungen, die gerade im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen begangen wurden, und wegen derer Selbstanzeige erstattet werden soll, vielfältig und nicht auf eine bestimmte Fallgruppe beschränkt. d) Kritik an einer rein kriminalpolitischen Zielsetzung Eine rein kriminalpolitische Zielsetzung kann nicht erklären, weshalb eine wirksame Selbstanzeige auch die Nachentrichtung der eigennützig hinterzogenen Steuern voraussetzt. Im Übrigen wurde gezeigt, dass jede wirksame Selbstanzeige zu einer Erhöhung des Steueraufkommens führt und § 371 AO damit einen unverkennbaren fiskalischen Bezug hat. Die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit kann auch nicht für alle Selbstanzeigen nach Steuerstraftaten ein geeigneter kriminalpolitischer Zweck sein. Insofern ist dieser Ansicht zwar zuzugeben, dass es Konstellationen gibt, in denen der Steuerhinterzieher wegen des Bilanzzusammenhangs ohne Möglichkeit zur strafbe140

BT-Drucks. 17/4182, S. 4. Vgl. die Pressemitteilung des OECD vom 29.10.2014, abrufbar unter: https:// www.oecd.org/berlin/presse/automatischer-informationsaustausch-von-steuerinformatio nen.htm (16.06.2017). 141

B. Grundlagen der Untersuchung

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freienden Selbstanzeige sein steuerunehrliches Verhalten nicht beenden könnte, ohne sich zugleich selbst belasten zu müssen.142 Wie die Untersuchung von Frees gezeigt hat, gibt es jedoch keine typische Steuerhinterziehung.143 Nicht bei allen Steuerhinterziehungen haben die vorangegangenen Steuerhinterziehungen Auswirkungen auf die Angabe steuerlicher Sachverhalte in späteren Steuererklärungen. Ziel der Selbstanzeige ist auch nicht die Lösung der Ermittlungsschwierigkeiten bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehungen. Wie Joecks zutreffend bemerkt, könne die Selbstanzeige insofern lediglich als Unterstützung angesehen werden.144 Darüber hinaus spricht gegen eine ausschließliche oder primäre kriminalpolitische Zielsetzung der Norm, dass § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO die Strafbefreiung ausschließt, wenn der Hinterziehungsbetrag höher als EUR 25.000 ist. Auch derjenige, der eine den Anforderungen von § 371 Abs. 1 AO genügende Berichtigungserklärung abgibt und darin erklärt, Steuern in Höhe von EUR 25.000 oder mehr hinterzogenen zu haben, erbringt die von der Norm geforderte Rückkehrhandlung. Käme es also maßgeblich darauf an, dass der Steuerhinterzieher in die Steuerehrlichkeit zurückkehrte, dürfte derjenige, der sich „tiefer in der Steuerunehrlichkeit befindet und eine weitere Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ unternimmt, nicht von § 371 AO ausgeschlossen werden. Die geäußerten kriminalpolitischen Besonderheiten machen jedoch deutlich, dass es ein starkes Bedürfnis nach der Existenz und der Beibehaltung der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht gibt. 3. Gemischt fiskalisch-kriminalpolitische Zielsetzung In der neueren Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend eine gemischt steuerpolitisch-kriminalpolitische Zielsetzung vertreten, indes mit unterschiedlicher Gewichtung der einzelnen Ziele.145 142 So auch schon Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 14; Breyer, S. 67 ff.; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 13; Klos, NJW 1996, 2336 (2336). 143 Frees, S. 81 ff. 144 Helml, S. 46; vgl. hierzu auch die Stellungnahme von Joecks im Finanzausschuss der Bundesregierung am 07.07.2010 unter dem Thema „Pro und Contra der Selbstanzeige“ abrufbar unter: http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_514_de/bttv/ od_player.html?singleton=true&content=686746 (Stand: 10.03.2016). 145 So vertritt ein großer Teil der neueren Literatur einen gemischt fiskalisch-kriminalpolitischen Ansatz, wonach die Selbstanzeige einerseits dem Staat die Erschließung bislang verheimlichter Steuerquellen erschließen solle und andererseits die Rückkehr des Straftäters in die Steuerehrlichkeit honorieren solle, vgl. statt vieler: Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 12 f.

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1. Teil: Allgemeines

a) Die Vermehrung des Steueraufkommens bei Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit als Zweck der Selbstanzeige Nach diesen Erwägungen liegt der Zweck der Selbstanzeige im Steuerrecht sowohl in der Erschließung bislang verheimlichter Steuerquellen als auch in der Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit.146 Auch der BGH vertritt eine fiskalische-kriminalpolitische Zielrichtung der Selbstanzeige.147 Wegen der heutigen Ermittlungsmöglichkeiten und der verbesserten internationalen Zusammenarbeit soll der fiskalische Zweck der Norm jedoch zunehmend an Bedeutung verlieren, sodass die Rückkehr des Beteiligten in die Steuerehrlichkeit an Bedeutung gewinne.148 Nach Ansicht des BGH hat sich also die Gewichtung der einzelnen Zwecke geändert und die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit soll nunmehr vorrangiger Sinn und Zweck der Norm sein.149 Nach einem Teil der Literatur verfolge § 371 AO zwar vorrangig fiskalische Ziele, welches sich bereits daraus ergebe, dass § 371 AO die Strafbefreiung lediglich an objektive Voraussetzungen knüpfe und auf eine subjektive Freiwilligkeit verzichte.150 An diese fiskalischen Interessen knüpfe jedoch unmittelbar ein kriminalpolitischer Zweck der Norm an.151 In diesem Zusammenhang wird immer wieder, insbesondere von der Literatur, auf die kriminalpolitischen Besonderheiten bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehungen hingewiesen.152 So seien die Ermittlungen bei Steuerhinterziehungen nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich, da bei den Strafverfolgungsbehörden chronischer Personal-

146 Statt vieler: Buschmann/Luthmann, S. 90; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15; Klein/Jäger, AO § 371 Rz. 2; ebenso Marschall, BB 1998, 2496 (2497); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 23; Rolletschke/Roth, NZWiSt 2013, 295–296 (296); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 4. 147 BGH, Beschluss vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; zustimmend Graf/Wittig/Jäger/Rolletschke (1. Auflage) § 371 Rz. 5. 148 BGH, Beschluss vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; zustimmend Graf/Wittig/Jäger/Rolletschke (1. Auflage) § 371 Rz. 5. 149 Ebenso: Kirbach, S. 21. 150 Blumers, wistra 1985, 85 (86); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 12. 151 Blumers, wistra 1985, 85 (86); vgl. auch Wessing/Biesgen, nach denen zusätzlich auch der strafrechtliche Widergutmachungsgedanke bei § 371 AO zum Ausdruck komme, Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 14. 152 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 13; ebenso auch schon Lenckner/ Schumann/Winkelbauer, die auf die „extrem ungünstigen Bedingungen des Steuerrechts“ abstellen, „wo der Staat in besonderem Maß auf die Redlichkeit und Mithilfe seiner Bürger angewiesen ist. Die Kehrseite ist seine weitgehende Machtlosigkeit, gegen Steuerunehrlichkeit und Steuerhinterziehung, zumal diese in weiten Bevölkerungskreisen ohnehin als ein „Kavaliersdelikt“ empfunden werden“, Lenckner/Schumann/ Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124).

B. Grundlagen der Untersuchung

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notstand bestehe und bei der Steuerhinterziehung kein Opfer existierte, das die Tat anzeigen könne.153 Mangels sichtbarer Spuren154 bestehe gerade bei Steuerhinterziehung eine hohe Dunkelziffer.155 Schließlich ermögliche die Selbstanzeige auch die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit, da dieser ohne § 371 AO gezwungen wäre, sich selbst einer Steuerhinterziehung zu bezichtigen.156 Auch nach Klos verfolgt § 371 AO vorrangig fiskalische Interessen.157 Wegen der „Weite der Steuerstraftatbestände als Blankettnormen“ bestehe jedoch in kriminalpolitischer Hinsicht „eine Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber als Ausgleich dem Steuerhinterzieher die Möglichkeit gebe, sich selbst zu amnestieren“.158 Nach diesen Ansichten dient die Selbstanzeige also nicht nur fiskalischen Interessen, indem bislang verborgene Steuerquellen erschlossen werden, sondern gibt die Norm dem Täter auch einen Anreiz oder die Möglichkeit, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren.159 b) Kritik an der fiskalisch-kriminalpolitischen Zielsetzung der Norm Gegen eine rein fiskalische oder eine rein kriminalpolitische Zielrichtung der Selbstanzeige spricht, dass § 371 AO sowohl fiskalisch bedeutsame als auch kriminalpolitisch bedeutsame Elemente miteinander verknüpft und diese tatbestandlich voraussetzt. Nur eine Verbindung der fiskalischen und kriminalpolitischen Zielsetzung kann daher die Schwächen der vorangegangenen Ansichten vermeiden. In kriminalpolitischer Hinsicht besteht ein starkes Bedürfnis an der Existenz und Beibehaltung der Selbstanzeige, während das Institut zugleich einen fiskalischen Bezug aufweist, indem jede wirksame Selbstanzeige eine Vermehrung des Steueraufkommens mit sich bringt, die entweder in der Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen gemäß § 371 Abs. 3 AO oder in der werthaltigen Kenntniserlangung vom Bestehen eines fälligen Steueranspruchs gegen den Steuerschuldner liegt. 153 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 13; Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124). 154 Firnhaber, S. 21 f., nach dem diese Besonderheiten indes nichts an dem rein fiskalischen Zweck der Selbstanzeige änderten; Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124). 155 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 13; Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124). 156 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 13. 157 Klos, NJW 1996, 2336 (2336). 158 Klos, NJW 1996, 2336 (2336). 159 Klein/Jäger, AO § 371 Rz. 2; Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO 1977 § 371 Rz. 1; Müller-Gugenberger/Muhler, § 44 Rz. 119a; Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (499); Stahlschmidt, S. 105; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 4.

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1. Teil: Allgemeines

Doch auch eine fiskal-kriminalpolitische Zielsetzung berücksichtigt nicht, dass § 371 AO auf mehr als lediglich die Erhöhung des Steueraufkommens und die Rückkehr des Steuerhinterziehers zu steuerehrlichem Verhalten abstellt. Wie gezeigt wurde, kommt es für die Strafbefreiung entscheidend darauf an, auf welche Weise das Steueraufkommen erhöht wird und auf welche Weise die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit erfolgt.160 Wesentliches Ziel der Norm ist die Vermehrung des Steueraufkommens und die Rückkehr zu steuerehrlichem Verhalten durch die von § 371 AO speziell geforderte Handlung. Damit wird zugleich deutlich, dass § 371 AO neben den vorgenannten Zielen auch strafrechtliche Ziele verfolgt. 4. Strafrechtliche Zielsetzung der Norm Insbesondere in der neuen Literatur wird (wieder) auf eine strafrechtliche Zielsetzung der Selbstanzeige abgestellt.161 Im Unterschied zum kriminalpolitischen Ansatz, demzufolge das Ziel der Selbstanzeige die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit162 bzw. der Ausgleich der kriminalpolitischen Besonderheiten der Steuerhinterziehung sei163, soll die Selbstanzeige Vertretern einer strafrechtlichen Zielsetzung der Selbstanzeige zufolge der Wiedergutmachung des mit der Steuerhinterziehung begangenen Unrechts dienen.164 a) Überblick über den Meinungsstand Nach Brauns sollen die fiskalische und strafrechtliche Zielsetzung der Norm gleichwertig nebeneinander bestehen.165 Dabei sei nach Brauns bei jeder Auslegungsfrage eine dem jeweiligen Sachverhalt angepasste Abwägung zwischen den verschiedenen Zielrichtungen erforderlich, wodurch im Ergebnis eine „Harmonisierung straf- und steuerrechtlicher Zielvorstellung“ erreicht werden solle.166 Breyer sieht den Hauptzweck der Norm in ihrer Anreizwirkung auf den Steuerhinterzieher, da die Norm nur aufgrund ihrer Anreizwirkung funktionieren könne.167 Dieser Anreiz soll in einer Wiedergutmachung im Sinne einer Rückgängigmachung der angezeigten Steuerhinterziehung zu verstehen sein.168

160 161 162 163 164 165 166 167 168

1. Teil unter A. II. 1. b) bb). So etwa Brauns, wistra 1985, 171 (171); Kratzsch, Grundfragen, S. 283 (291). Siehe 1. Teil unter A. III. 2. a). Siehe 1. Teil unter A. III. 2. a). Kratzsch, Grundfragen, S. 283 (291). Brauns, wistra 1985, 171 (171). Brauns, wistra 1985, 171 (179). Breyer, S. 155. Breyer, S. 155.

B. Grundlagen der Untersuchung

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b) Stellungnahme Für eine auch strafrechtliche Zielsetzung spricht bereits der Umstand, dass es sich bei § 371 AO um eine Strafrechtsnorm handelt. Maßgebliches Argument für eine auch strafrechtliche Zielsetzung der Norm ist jedoch, dass § 371 AO die zuvor erwähnten fiskalischen und kriminalpolitischen Ziele nicht durch irgendeine Handlung verfolgt, sondern die zur Straffreiheit führende Handlung als tatbestandliche Voraussetzung selbst festlegt. Die gemäß § 371 Abs. 1 AO vorzunehmende Berichtigungshandlung orientiert sich an den im Rahmen der Steuerhinterziehung unrichtig oder unvollständig gemachten bzw. unterlassenen Angaben und soll letztlich zu einer zutreffenden Veranlagung der bislang unrichtig oder bisher noch nicht veranlagten Steuern führen. Die Selbstanzeige bezweckt also durch die Statuierung bestimmter Handlungspflichten eine Wiedergutmachung des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung.169 Aus der mit der Selbstanzeige verbundenen Erhöhung des Steueraufkommens um den Hinterziehungsbetrag bzw. um die werthaltige Kenntniserlangung ergibt sich, dass § 371 Abs. 1 AO einen Ausgleich des durch die Steuerhinterziehung entstandenen Steuerschadens anstrebt. Folglich bezweckt die Selbstanzeige auch die Wiedergutmachung des Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung.170 Es kommt jedoch nicht darauf an, ob der Steuerhinterzieher seine Steuerstraftat aufdeckt. § 371 Abs. 1 AO setzt ausschließlich die Korrektur der steuerlichen Angaben voraus, eine strafrechtliche Bewertung ist weder erforderlich noch empfehlenswert. Die Beschreibung des Tatverhaltens, also der Handlung oder Unterlassung, welche die Steuerverkürzung bewirkt hat, ist für die Wirksamkeit der Selbstanzeige irrelevant. Damit kann es nicht um eine Aufdeckung der Steuerhinterziehungsstraftat als solcher, sondern um die aus der Berichtigung resultierende Aufdeckung des Taterfolgs der Steuerhinterziehung gehen. Durch die jüngsten Reformen des § 371 AO wurden die Anforderungen an die Berichtigungshandlung des Steuerhinterziehers immer weiter erhöht.171 Hieraus wird deutlich, dass auch der Gesetzgeber der Qualität der Berichtigungshandlung eine immer höhere Bedeutung zumisst.172 Wie gezeigt wurde, verfolgt § 371 AO 169 Ob durch die Selbstanzeige tatsächlich eine Wiedergutmachung des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung erfolgt, ist freilich eine Frage der Rechtfertigung der Strafbefreiung und soll daher an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden. Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im 1. Teil unter B. IV. 2. a). 170 Ob tatsächlich eine Wiedergutmachung des Erfolgsunrechts durch die Selbstanzeige erfolgt, ist ebenfalls eine Frage der Rechtfertigung der Strafbefreiung und soll an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden, vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im 1. Teil unter B. IV. 2. a). 171 Siehe im 1. Teil unter B. I. 2. m). 172 Ähnlich Kohler, der aus der Weiterverfolgung kriminalpolitischer Zwecke in der aktuellen Gesetzesfassung schlussfolgert, dass das gesetzgeberische Anliegen faktisch

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1. Teil: Allgemeines

jedoch auch fiskalische und kriminalpolitische Ziele, sodass eine reine strafrechtliche Zielsetzung ausscheidet. 5. Stellungnahme zum Sinn und Zweck der Selbstanzeige § 371 AO verfolgt sowohl fiskalische, kriminalpolitische als auch strafrechtliche Ziele. Der Sinn und Zweck der Selbstanzeige liegt in der durch die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung liegenden Vermehrung des Steueraufkommens bei gleichzeitiger Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit.

IV. Die Selbstanzeige als Teil des Strafrechtssystems: Die Rechtfertigung der gemäß § 371 AO bewirkten Straffreiheit Sind alle in § 371 AO genannten Voraussetzungen erfüllt, wird der Steuerhinterzieher wegen der gemäß § 371 Abs. 1 AO angezeigten Steuerhinterziehung nicht bestraft. Der mit der Steuerhinterziehung entstandene Strafanspruch des Staats wird also durch die Vornahme der in § 371 AO genannten Handlungen durch den Steuerhinterzieher beseitigt. Die Rechtfertigung der durch § 371 AO gewährten Strafbefreiung des Steuerhinterziehers ist für die Frage nach der Existenzberechtigung der Norm und ihrer Auslegung von zentraler Bedeutung. Die für die Begründung der Strafbefreiung in der Literatur angestellten Erwägungen lassen sich im Wesentlichen in außerstrafrechtliche (fiskalische) Erwägungen und strafrechtliche Erwägungen unterteilen. Dabei wäre ein Rückgriff auf strafrechtliche Erwägungen, die etwa im Bereich des allgemeinen strafrechtlichen Rücktrittsrechts oder der Wiedergutmachungsvorschriften angestellt werden, zur Begründung der Strafbefreiung von vorneherein ausgeschlossen, wenn es sich bei § 371 AO um eine dem übrigen Strafrechtssystem fremde Ausnahmevorschrift handelte. 1. Außerstrafrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung Vor allem in der älteren Literatur und Rechtsprechung wird die Strafbefreiung des Steuerhinterziehers bei Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige allein mit außerstrafrechtlichen Erwägungen begründet.173 Dabei wird die Strafbefreiung überwiegend mit der Erhöhung des Steueraufkommens gerechtfertigt.174 auf eine inzidente Abschaffung der Norm gerichtet sei, MüKo StGB/Kohler, § 371 AO Rz. 23. 173 Aus der älteren Rechtsprechung vgl.: RG, Urteil vom 08.06.1923 – I 372/23, RGSt 57, 313; RG, Urteil vom 04. Januar 1927 – I 612/26, RGSt 61, 115; RG, Urteil

B. Grundlagen der Untersuchung

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Bei Zugrundelegung dieser These wären das Handlungs- oder Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung, derentwegen der Steuerhinterzieher Selbstanzeige erstattet, für die Rechtfertigung der Strafbefreiung in § 371 AO irrelevant, da sich die Rechtfertigung der Strafbefreiung allein aus fiskalischen Erwägungen ergäbe. Bei einer fiskalischen Rechtfertigung der Strafbefreiung käme es maßgeblich auf den fiskalischen Erfolg der Selbstanzeige, mithin auf eine Erhöhung des Steueraufkommens, an. Auf die der Selbstanzeige zugrundeliegende Steuerhinterziehung käme es nur insofern an, als diese die Höhe der verkürzten und nachzuzahlenden Steuern inkl. der Hinterziehungszinsen vorgibt. a) Rechtfertigung der Strafbefreiung mit fiskalischen Interessen Vertretern dieser Ansicht zufolge soll die Rechtfertigung der Strafbefreiung mit fiskalischen und damit außerhalb des Strafrechts stehenden Interessen wegen der „ungewöhnlichen Lage des Steuergläubigers gegenüber dem Steuerhinterzieher“ zulässig sein.175 So entstehe der Steueranspruch zwar kraft Gesetzes, eine Erhebung der Steuern sei aber nur dann möglich, wenn das Finanzamt von den steuerbegründenden Tatsachen Kenntnis erlange.176 Wegen der hohen staatspolitischen Bedeutung dieser fiskalischen Erwägungen dürfe der Gesetzgeber zu ihrer Verfolgung auf seinen Strafanspruch verzichten.177 Insbesondere das Interesse des Staats an einem möglichst vollständigen Steueraufkommen sei in diesem Zusammenhang von zentraler Wichtigkeit, da der Staat seine Aufgaben grundsätzlich nur mit Hilfe der ihm durch die Steuergesetze zuvom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; RG, Urteil vom 10. Juni 1942 – III 14/42, RStBl. 1942, 865; BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58 –, BGHSt 12, 100; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Januar 1985 – RReg 4 St 309/84, MDR 1985, 519; so vor allem die ältere Rechtsprechung, vgl. etwa RG, Urteil vom 04. Januar 1927 – I 612/26 –, RGSt 61, 115; RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; Blumers, wistra 1985, 85 (87); List, S. 6 f.; Firnhaber, S. 2, 42 ff.; Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124); Tiedemann, JR 1975, 385 (386). 174 So vor allem die ältere Rechtsprechung, vgl. etwa RG, Urteil vom 04. Januar 1927 – I 612/26, RGSt 61, 115; RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; diese Erwägungen wurden in der Literatur vielfach teils heftig kritisiert, so etwa bei: Klos, nach dem der „Staat die Strafsanktion gegen Fiskalgeld“ verkaufe bzw. die Finanzbehörde gewähre „einen Ablaß steuerstrafrechtlicher Sünden bei Ausgleich des Steuerschadens durch Nachentrichtung der materiell geschuldeten Steuern“, Klos, NJW 1996, 2336 (2336); kritisch auch Kopacek, nach dem für die fiskalische Rechtfertigung einer Strafbefreiung im „Strafrecht kein Raum sein sollte“, Kopacek, BB 1961, 41 (45); vgl. auch Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1209. 175 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 16; a. A., allerdings ohne nähere Begründung Kuhlen, nach dem „die fiskalische Begründung eines Strafaufhebungsgrund ohnehin nicht möglich“ sei, Kuhlen, S. 167. 176 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 16. 177 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 16.

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1. Teil: Allgemeines

stehenden Steuern erfüllen könne.178 Nach Mattern soll der Hintergrund der Strafbefreiung des Steuerhinterziehers darin liegen, dass dem Staat als dem Steuergläubiger bisher verheimlichte Steuerquellen erschlossen würden und hierdurch gleichzeitig erreicht werden soll, dass der Steuerhinterzieher seine steuerverfahrensrechtlichen Pflichten zukünftig erfüllt.179 Doch nicht nur die ältere Rechtsprechung und Literatur sieht die Rechtfertigung der Strafbefreiung allein in fiskalischen Erwägungen. In den Jahren 2001 und 2010 war auch die Bundesregierung der Auffassung, dass § 371 AO wegen fiskalischer Erwägungen gerechtfertigt sei. So sei die Straffreiheit wegen des Interesses des Fiskus und damit der Öffentlichkeit an der Erschließung bislang verborgener und ohne die Berichtigung möglicherweise auch künftig verborgen bleibender Steuerquellen gerechtfertigt.180 Vertretern dieser Ansicht zufolge soll die außerstrafrechtliche Rechtfertigung der Selbstanzeige kein Widerspruch zum strafrechtlichen Charakter dieser Vorschrift als Strafaufhebungsgrund sein. So bedürfe es nach Franzen schon deswegen keiner strafrechtssystematischen Rechtfertigung der Selbstanzeige, weil der Gesetzgeber auch in anderen Vorschriften die Strafverfolgung zugunsten außerstrafrechtlicher Belange untersage oder erschwere.181 Franzen verweist hierzu auf die verfassungsrechtliche Normierung des Indemnitäts- und Immunitätsschutzes der Abgeordneten in Art. 46 GG.182 Weitere Beispiele für den Verzicht auf den Strafanspruch zugunsten außerstrafrechtlicher Belange sind die Einschränkung der Verwertbarkeit von Angaben des Steuerpflichtigen bei der Verfolgung nichtsteuerlicher Straftaten (§ 393 Abs. 2 S. 1 AO) sowie die Verwertungsverbote in den Sicherstellungsgesetzen (vgl. etwa § 24 Abs. 3 ArbSG).183 aa) Ausnahmestellung der Selbstanzeige Grundlage dieser Ansicht ist die Annahme, die Selbstanzeige stelle eine Ausnahmeregelung dar.184

178

List, S. 6. Mattern, DStZ A 1950, 134 (135). 180 BT-Drucks. 17/4182 S. 4. 181 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 16; zustimmend: Blumers, wistra 1985, 85 (87). 182 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 16. 183 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 16. 184 Bauerle, S. 118; Blumers, wistra 1985, 85 (85); Brauns, S. 134 f.; Bülte, ZWF 2015, 52 (56); Heidl/Pump, NWB 2014, 2325 (2326); Hofstetter, StW 1965, 156 (156); „einzigartige Erscheinung“ Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 11; Klein/Jäger, AO § 371 Rz. 2; Kohlmann, FS Geilen, 79 (82); Rischar, BB 1998, 1341 (1342); Rolletschke, S. 252; Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1209; „Fremdkörper“, Westphal, S. 13. 179

B. Grundlagen der Untersuchung

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Überwiegend wird diese Annahme damit begründet, dass für die Selbstanzeige auch dann noch Strafbefreiung gewährt wird, wenn die Tat bereits vollendet und sogar beendet ist185, und eine derart weitgehende Regelung, die wie § 371 AO aufgrund des Nachtatverhaltens des Straftäters obligatorische Strafbefreiung gewährt, im übrigen Strafrecht nicht existiere.186 bb) Stellungnahme Die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO kann schon deshalb keine Ausnahme im Strafrechtssystem (mehr) darstellen, weil im gesamten Strafrecht eine Vielzahl mit ihr vergleichbarer Vorschriften existieren.187 Darüber hinaus spricht gegen eine Ausnahmestellung der Selbstanzeige ihre Rechtsnatur als persönlicher Strafaufhebungsgrund, die sie formal in das Strafrechtssystem integriert.188 Im Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafrechts sowie im Nebenstrafrecht existiert eine Vielzahl von Vorschriften, welche das Nachtatverhalten des Täters mit Strafmilderung oder Strafbefreiung honorieren: Befindet sich die Tat noch im Versuchsstadium, kann der Täter mit strafbefreiender Wirkung von ihr zurücktreten (§§ 24, 31 StGB). Die Straflosigkeit des Zurücktretenden steht nicht im Ermessen eines Entscheidungsträgers, sondern ist bei Erfüllen aller Rücktrittsvoraussetzungen zwingend zu gewähren. Daneben kann das Nachtatverhalten im Rahmen der Wiedergutmachungsvorschriften (§§ 46 Abs. 2 S. 2 letzte Alt., 46a StGB) zu einer Reduzierung des Strafmaßes bis hin zu einem Absehen von Strafe und Strafbefreiung führen. Auch der Besondere Teil des Strafrechts enthält eine Vielzahl an Vorschriften, die das Nachtatverhalten des Täters mit Strafbefreiung oder Strafmilderung be-

185 Vgl. etwa Brauns, wistra 1985, 171 (171); Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 11; Hofstetter, StW 1965, 156 (156); Kuhn/Weigell/Weigell, S. 177; Mösbauer, DStZ 1985, 325 (325); Pfaff, 1971 S. 220; Westphal, S. 15; Zacharias/Rinnewitz/ Spahn, DStZ 1988, 391 (391). 186 Brauns, wistra 1985, 171 (171); ebenso auch Hoffschmidt, demzufolge „das Strafgesetzbuch ein in sich schlüssiges und umfassendes System der Strafbefreiung bei Tätiger Reue nicht kennt“ und § 371 AO sich daher nicht in das allgemeine Strafrecht systematisch einordnen“ lasse, Hoffschmidt, 1988 S. 155 f.; Hofmann, DStR 1998, 399 (399); Rolletschke, S. 252; Westphal, S. 15. 187 Wie hier: Hellmann, der auf die der Selbstanzeige gemäß § 371 AO nachgebildeten Regelungen in § 261 Abs. 9 StGB und in § 266a Abs. 6 StGB verweist, Hellmann, FS Beulke S. 405 (405); ebenso: Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 25; Joecks/ Jäger/Randt/Joecks, § 371 AO Rz. 25; vgl. auch die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordnete und die Fraktion der Linke auf zahlreiche, mit der Selbstanzeige vergleichbare Vorschriften des allgemeinen Strafrechts und des Nebenstrafrechts, BT-Drucks. 17/14071, S. 6. 188 So auch im Ergebnis: Bilsdorfer, 2015, 1660 (1662).

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1. Teil: Allgemeines

lohnen.189 Schließlich enthält auch das Nebenstrafrecht Vorschriften, die nach Vollendung der Tat Strafbefreiung vorsehen.190 Einige der genannten Vorschriften sehen als Rechtsfolge dabei sogar die obligatorische Gewährung von Straffreiheit vor. Dies sind im Einzelnen: § 98a Abs. 2 S. 2 StGB191, § 99 Abs. 3 i.V. m. § 98 Abs. 2 S. 2 StGB192, § 129 Abs. 6 2. Hs.193, § 129a Abs. 7 i.V. m. § 129 Abs. 6 2. Hs.194, § 149 Abs. 2 und 3195, § 261 Abs. 9196, § 266a Abs. 6 S. 2197. 189 Es handelt sich dabei um folgende Vorschriften § 83a, § 84 Abs. 4 und 5, § 85 Abs. 3 i.V. m. § 84 Abs. 4 bzw. Abs. 5, § 87 Abs. 3, § 98 Abs. 2 S. 2, § 99 Abs. 3 i.V. m. § 98 Abs. 2 S. 2, § 129 Abs. 6 Hs. 2, § 129a Abs. 7 i.V. m. § 129 Abs. 6 S. Hs. 2, § 129b i.V. m. § 129a Abs. 6 Hs. 2 bzw. §§ 129b, 129a i.V. m. § 129 Abs. 6 Hs. 2, § 139 Abs. 3 und 4, § 142 Abs. 4, § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 152a Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 152b Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 158, § 161 Abs. 2 S. 1, § 239a Abs. 4, §239b Abs. 2 i.V. m. § 239a Abs. 4, 261 Abs. 9 S. 1, § 264 Abs. 5 S. 1 und S. 2, § 264a Abs. 3 S. 1 und S. 2, § 265b Abs. 2 S. 1 und S. 2, § 266a Abs. 5; § 275 Abs. 3 i.V. m. § 149 Abs. 2, § 275 Abs. 3 i.V. m. § 149 Abs. 3, § 298 Abs. 3 S. 1; § 298 Abs. 3 S. 2, § 306e, § 314a Abs. 1, § 314a Abs. 2 Nr. 1, § 314a Abs. 2 Nr. 2a–f, § 314a Abs. 3 Nr. 1a–e, § 314a Abs. 3 Nr. 2, § 314a Abs. 4, § 320 Abs. 1 i.V. m. § 316c Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 5, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 3, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 4, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 3 i.V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 318 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 318 Abs. 6 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 2, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 3, § 320 Abs. 3 Nr. 1a–d, § 320 Abs. 3 Nr. 2 i.V. m. § 316c Abs. 4, § 320 Abs. 4, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 325a Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 4; § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 325a Abs. 3 Nr. 2, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 326 Abs. 5, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 328 Abs. 5, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 330a Abs. 5, § 330b Abs. 2, § 331 Abs. 3 2. Var., § 333 Abs. 3 2. Var. 190 So enthält § 31d Abs. 1 S. 2 PartG die strafbefreiende Selbstanzeige bei Strafbarkeit wegen unrichtiger Rechnungslegung, Spendenstückelung oder Nichtweiterleitung einer Spende. Weitere, der Selbstanzeige ähnliche Vorschriften sind in § 26 Abs. 2 3 GenDG (für Ordnungswidrigkeiten in den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 7a und b GenDG) und § 20 Abs. 2 VereinsG enthalten. 191 § 98 Abs. 2 S. 2 enthält einen persönlicher Strafaufhebungsgrund des Täters hinsichtlich seiner Strafe wegen Landesverräterischen Landesverrats nach § 98 Abs. 1 S. 1, wenn der Täter zu seinem Verhalten von der fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner gedrängt worden war, er sein Verhalten aufgibt und sein Wissen unverzüglich einer Dienststelle offenbart (Fischer, § 98 Rz. 11). 192 § 99 Abs. 3 StGB bestimmt die entsprechende Anwendbarkeit des persönlichen Strafaufhebungsgrund aus § 98 Abs. 2 S. 2 StGB bezüglich der Strafbarkeit des Täters wegen Geheimdienstlicher Agententätigkeit, sodass der persönliche Strafaufhebungsgrund nach § 98 Abs. 2 S. 2 StGB auch hier gilt, vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 99 Rz. 28. 193 So enthält § 129 Abs. 6 StGB mehrere, im Einzelnen höchst unterschiedlich ausgestaltete Fälle der Tätigen Reue bei vollendeter Tat und ermöglichen die Erlangung

B. Grundlagen der Untersuchung

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Auch der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden (VerbStrG) sieht in § 5 Abs. 2 VerbStrG-E vor, dass das Gericht im Falle einer „Selbstanzeige“ des Unternehmens von einer Verbandssanktion absehen kann.198 Utz spricht im Hinblick hierauf und auf die neu statuierte Selbstanzeigemöglichkeit in § 22 Abs. 4 AWG gar von einem „allgemein zu beobachtenden Trend hin zu Selbstanzeigemöglichkeiten“.199 fakultativer Strafmilderung oder Strafbefreiung (§ 129 Abs. 6 1. Hs. StGB) bis hin zur Straflosigkeit des Täters (§ 129 Abs. 6 2. Hs. StGB) hinsichtlich der Strafbarkeit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129. § 129 Abs. 6 2. Hs. StGB bestimmt die Straflosigkeit des Täters, wenn er das Fortbestehen der Vereinigung verhindert oder wenn dieser Erfolg ohne sein Zutun eintritt, der Täter sich hierbei jedoch freiwillig und ernsthaft um die Beendigung der Vereinigung bemüht hat (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 129 Rz. 22). 194 § 129a StGB erklärt die entsprechende Geltung des § 129 Abs. 6 StGB. Somit bleibt der Täter auch bei Bildung einer terroristischen Vereinigung straflos, wenn er das Fortbestehen der Vereinigung verhindert oder wenn dieser Erfolg ohne sein Zutun eintritt, der Täter sich hierbei jedoch freiwillig und ernsthaft um die Beendigung der Vereinigung bemüht hat. 195 § 149 Abs. 2 und 3 StGB enthalten jeweils Regelungen über die Straffreiheit bei Tätiger Reue des Täters hinsichtlich seiner Strafbarkeit wegen des Vorbereitens der Fälschung von Geld und Wertzeichen nach § 149 StGB. Diese persönlichen Strafaufhebungsgründe setzen jeweils voraus, dass der Täter freiwillig von der Tat Abstand nimmt, darüber hinaus muss die bereits eingetretene Gefahr objektiv abgewendet werden (Fischer, § 149 Rz. 7). 196 § 261 Abs. 9 S. 1 StGB enthält Fälle der tätigen Reue. Es handelt sich um persönliche Strafaufhebungsgründe (vgl. hierzu Schönke/Schröder/Stree/Hecker, § 261 Rz. 34, die diese Regelung als „Strafbefreiende Selbstanzeige“ und damit an die Überschrift von § 371 AO erinnern). So wird der Täter nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB nicht wegen Geldwäsche oder Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte bestraft, wenn er die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt bzw. freiwillig eine solche Anzeige veranlasst (§ 261 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 StGB). Sofern es sich bei der Tat um eine Vorsatztat handelt, muss nach § 261 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 StGB zusätzlich die Sicherstellung aller Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, bewirkt werden (hierzu m.w. N. Fischer, § 261 Rz. 51). 197 Gemäß § 266a Abs. 6 StGB kann der Täter in Bezug auf seine Strafbarkeit in den Fällen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB bei Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelts Straffreiheit erlangen. Gemäß § 266a Abs. 6 S. 1 StGB muss der Täter gegenüber der Einzugsstelle rechtzeitig und vollständig seine Zahlungsunfähigkeit offenbaren. Gemäß § 266a Abs. 6 S. 2 StGB erlangt er Straffreiheit, wenn er die vorenthaltenen nach S. 1 angezeigten Beiträge innerhalb der ihm von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist nachzahlt. Hier wird die Parallele zu § 371 Abs. 3 AO deutlich, wonach die Strafbefreiung ebenfalls unter der Bedingung steht, dass die eigennützig hinterzogenen Beiträge innerhalb der dem Steuerhinterzieher bestimmten angemessen Frist nachgezahlt werden. Vgl. hierzu auch die Begründung des Regierungsentwurfs, wonach § 266a Abs. 6 S. 2 StGB § 371 Abs. 3 AO nachgebildet ist in BT-Drucks. 10/318, S. 26; ebenso Fischer, § 266a Rz. 33. 198 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden, S. 4 (abrufbar unter: https://www.justiz. nrw/JM/leitung/jumiko/beschluesse/2013/herbstkonferenz13/TOP_II_5_Gesetzentwurf. pdf (16.06.2017); vgl. hierzu auch Utz, NZWiSt 2915, 377 (377).

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1. Teil: Allgemeines

b) Zwischenergebnis: § 371 AO ist keine dem Strafrechtssystem fremde Vorschrift Die Existenz all dieser Vorschriften zeigt, dass der staatliche Strafanspruch im Grundsatz nicht unabdingbar besteht: So können bestimmte Umstände (sowohl außerhalb der Verwirklichung des Tatbestands vorliegende Umstände, etwa Umstände in der Person, im Verhalten etc., als auch nach Verwirklichung des Tatbestandes erstmalig vorliegende Umstände, etwa bestimmte Handlungen des Tatbeteiligten) zu einer Milderung der Strafe des Tatbeteiligten oder zu dem Absehen von seiner Strafe führen. Darüber hinaus ist der Existenz dieser Vorschriften zu entnehmen, dass die nachträgliche, u. U. sogar obligatorische Gewährung von Straffreiheit keine dem Strafrechtssystem fremde Rechtsfolge eines bestimmten Nachtatverhaltens des Täters ist. Im Hinblick auf die Vielzahl an Vorschriften, die das Nachtatverhalten des Täters zwingend mit Straffreiheit honorieren, kann § 371 AO somit nicht mehr als Ausnahme angesehen werden.200 Vor diesem Hintergrund reiht sich § 371 AO jedenfalls hinsichtlich seiner Rechtsfolge in das übrige Strafrechtssystem ein. Hierbei soll nicht verkannt werden, dass die im Rahmen des Überblicks kurz dargestellten Normen sich teilweise erheblich in ihrem Anwendungsbereich und ihren tatbestandlichen Voraussetzungen unterscheiden.201 Eine strafrechtliche Rechtfertigung der Straffreiheit gemäß § 371 Abs. 1 AO ist jedenfalls nicht von vorneherein mangels Vergleichbarkeit mit anderen strafrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen. c) Absage an eine außerstrafrechtliche fiskalische Begründung der Selbstanzeige Wie gezeigt wurde, ist die Selbstanzeige neben ihrer (formalen) Zugehörigkeit zum Strafrecht als Strafaufhebungsgrund auch materiell Teil des Strafrechtssystems.

199 Utz, NZWiSt 2015, 377 (377); Pelz/Hofschneider weisen jedoch auf eine Reihe von Unterschieden zwischen der Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht und der Selbstanzeige gemäß § 371 AO hin: So bewirkt die Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht lediglich ein Verfahrenshindernis, dass die Ahnung von Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 bis 5 AWG n. F. untersagt. Im Übrigen komme die Wirkung der Selbstanzeige im Außenwirtschaftsrecht nicht nur demjenigen zu gute, der ihre tatbestandlichen Voraussetzungen in eigener Person erfüllt. Entscheidend sei, dass sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen „gleich von wem“ erfüllt sein, für alles: Pelz/Hofschneider, wistra 2015, 1 (5). 200 Wie hier auch Breyer, S. 37; Grötsch, S. 27. 201 Vgl. auch die Untersuchung der Vergleichbarkeit der strafbefreienden Selbstanzeige mit den übrigen Wiedergutmachungsvorschriften i. R. d. Versuchs einer strafrechtlichen Rechtfertigung der Strafaufhebung, im 1. Teil unter B. IV. 5. c).

B. Grundlagen der Untersuchung

71

Aus diesem Grund müssten zur Rechtfertigung der Strafbefreiung mit außerfiskalischen Erwägungen trotz des Bestehens des staatlichen Strafanspruchs besondere außerstrafrechtliche Gründe vorliegen. Solche liegen bei § 371 AO jedoch nicht vor. Dabei soll nicht verkannt werden, dass das staatliche Steueraufkommen von zentraler Bedeutung für das Funktionieren des Staates ist. Jedoch sind auch andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung von herausragender Wichtigkeit.202 § 371 AO entscheidet unmittelbar darüber, ob der Steuerhinterzieher wegen seiner Tat strafbar bleibt oder straffrei wird. Erfüllt die Selbstanzeige des Tatbeteiligten nicht die in § 371 AO normierten Voraussetzungen, bleibt die Strafbarkeit weiter bestehen. Damit läge bei einer außerstrafrechtlichen und mithin rein fiskalischen Begründung der Strafbefreiung der Grund für das Weiterbestehen der Strafbarkeit des Steuerhinterziehers allein in dem Vorwurf, keine Nachzahlung in der geforderten Höhe geleistet zu haben. Wäre die Straffreiheit allein wegen der Erhöhung des Steueraufkommens gerechtfertigt, müsste die schlichte Nachzahlung der hinterzogenen Steuern zur Erlangung der Straffreiheit ausreichen. Neben der Nachzahlung der Steuern setzt die Strafbefreiung jedoch in erster Linie die Vornahme der Berichtigungshandlung voraus. Die Systematik von § 371 AO verdeutlicht die besondere Wichtigkeit der Berichtigungshandlung. So befindet sich die Berichtigungspflicht in Abs. 1 der Norm und gilt damit bei allen Selbstanzeigen. Die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern ist nicht nur in Abs. 3 der Norm geregelt, sie gilt auch nur für einen Teil der gemäß § 371 AO angezeigten Steuerhinterziehungen, nämlich nur für die zu eigenen Gunsten begangenen Steuerhinterziehungen. Schließlich versagt § 371 Abs. 2 AO bestimmten Selbstanzeigen sogar von vorneherein ihre strafbefreiende Wirkung, ohne dass es auf ihre fiskalische Auswirkung in der Erhöhung des Steueraufkommens überhaupt ankäme. Ohne Bezugnahme der Strafbefreiung auf die mit der Selbstanzeige erbrachte Leistung des Steuerhinterziehers stellte die Selbstanzeige einen Verkauf der Strafsanktion dar. Dies wäre in rechtsstaatlicher Hinsicht zweifelhaft und beeinträchtigte die generalpräventive und spezialpräventive Wirkung der Strafandrohung in § 370.203 202 Zahlreiche Beispiele hierfür finden sich etwa im 3. Titel des besonderen Teils des StGB, in dem die Straftaten, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden, normiert sind, wie z. B. § 89a StGB, dessen geschütztes Rechtsgut etwa die äußere und innere Sicherheit des Staats ist, vgl. hierzu mit zahlreichen Nachweisen MüKo StGB/Schäfer § 89a Rz. 3 ff. 203 Wäre es für die Strafbefreiung ausreichend, die geschuldeten Steuern „irgendwann“ nachzuzahlen und zöge die Selbstanzeige keine weiteren strafrechtlichen Konsequenzen nach sich, dürfte der Geltungscharakter von § 370 AO wohl hinfällig sein. Vergleiche hierzu auch die ausführlichen Darstellungen der Selbstanzeige im Hinblick auf die spezial- und generalpräventive Wirkung der Strafandrohung in § 370 unten im 1. Teil unter B. IV. 5. e) bb).

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1. Teil: Allgemeines

Damit ist eine ausschließlich fiskalische Rechtfertigung der durch § 371 Abs. 1 AO gewährten Strafbefreiung abzulehnen. d) Zur Bedeutung fiskalischer Erwägungen im Rahmen der Rechtfertigung von § 371 AO Durch die mit ihr verbundene Erhöhung des Steueraufkommens204 sowie die Anknüpfung der Strafbefreiung an die Steuernachzahlung in § 371 Abs. 3 AO für eigennützig hinterzogene Steuern weist die Norm unzweifelhaft fiskalische Eigenschaften auf.205 Für die Rechtfertigung der Strafbefreiung sind sie indes nicht maßgeblich. Dies bedeutet nicht, dass fiskalische Erwägungen im Rahmen der Auslegung der Norm außer Acht zu bleiben hätten. Nach der hier vertretenen Ansicht sind die fiskalischen Erwägungen Teil des mit der Selbstanzeige verfolgten Sinns und Zwecks und dementsprechend i. R. der teleologischen Auslegung zu berücksichtigen. 2. Die gemischt fiskalisch-kriminalpolitische Rechtfertigung der Strafbefreiung Nach einem großen Teil der Rechtsprechung und Literatur stellt der gemischt fiskalische-kriminalpolitische Sinn und Zweck der Selbstanzeige zugleich auch 204 Nach hier vertretener Ansicht bewirkt jede vor Auslösung eines Sperrgrunds gemäß § 371 Abs. 2 AO erstattete Selbstanzeige eine Erhöhung des Steueraufkommens und nicht nur diejenigen, die zu ihrer Wirksamkeit die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern bedürfen, vgl. hierzu im 1. Teil unter B. II. 1. b) aa); a. A. Kuhlen, wonach es „verfehlt sei, alle nach § 371 Abs. 3 AO erfolgte Zahlungen „auf das Konto des § 371 AO zu setzen“, Kuhlen, S. 166. Kuhlen stellt zur Begründung seiner These darauf ab, dass solche Nachzahlungen zu meist erfolgen, weil mit baldiger Entdeckung der Steuerhinterziehung zu rechnen sei, Kuhlen, S. 166 f.; ebenso auch: Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1216. In der Tat besteht zwar ein zeitlicher Zusammenhang etwa mit Nachrichten über Durchsuchungen bei Schweizer Banken oder Ankäufen sog. Steuer-CDs durch den Fiskus. Solche Ermittlungen können indes nicht bei allen (auch nicht dem überwiegenden Teil) der gemäß § 371 AO angezeigten Steuerhinterziehungen zu einer tatsächlich drohenden Tatentdeckung führen. Vielmehr sollen solche Ankündigen in den Steuerhinterziehern eher eine Furcht vor drohender Tatentdeckung auslösen, mag die tatsächliche Tatentdeckung auch gar nicht vorliegen: Die drohende Tatentdeckung weniger Steuerhinterzieher soll also die Abgabe möglichst vieler Selbstanzeigen bewirken. Im Übrigen lässt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Abgabe der Selbstanzeige und tatsächlicher Vermehrung des Steueraufkommens nicht leugnen. Die von Kuhlen behaupteten hypothetischen Kausalverläufe sind nicht geeignet, die Mehrung des Steueraufkommens durch die Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu verneinen. 205 Vgl. hierzu aber auch Kuhlen, nach dem eine fiskalische Bilanz allerdings auch Steuerausfälle berücksichtigen müsste, „zu denen die Möglichkeit einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO führt“. Nach Kuhlen soll sogar „unbestreitbar sein“, dass die Selbstanzeige eine verminderte Abschreckungswirkung von § 370 AO führe, welches wiederum in Steuerausfälle resultiere, Kuhlen, S. 167. Nach hier vertretener Ansicht bewirkt die Möglichkeit zur Selbstanzeige indes gerade keinen Anreiz zur Begehung von Steuerhinterziehungen, vgl. S. 128 ff. Im Übrigen kann auch Kuhlen nicht leugnen, dass § 371 AO fiskalische Auswirkungen hat.

B. Grundlagen der Untersuchung

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die Rechtfertigung ihrer Rechtsfolge dar. Die Strafbefreiung soll danach wegen der Erschließung bislang verborgener Steuerquellen und der mit der Strafbefreiung verbundenen Anreizwirkung auf den Steuerhinterzieher zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit gerechtfertigt sein.206 a) Zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit Fiskalische Interessen seien nach Vertretern dieser Ansicht allein nicht ausreichend zur Rechtfertigung der Strafbefreiung. Hinzukommen müsse stets die Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit.207 Auch die Mitglieder des Finanzausschusses zur Beratung über die Einführung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vertreten eine gemischt fiskalische-kriminalpolitische Zielsetzung der Selbstanzeige.208 So seien steuerlich relevante Informationen, die „gezielt und bewusst mit krimineller Energie teilweise über Jahrzehnte dem Fiskus verheimlicht worden seien“, ohne Mitwirkung des Steuerhinterziehers regelmäßig nicht einholbar und durch eine Offenlegung dieser Informationen steige das Steueraufkommen.209 Darüber hinaus sei die Selbstanzeige auch eine „verfassungsrechtlich anerkannte Brücke in die Steuerehrlichkeit“.210 In der Literatur wird hierzu teilweise kritisiert, dass der Steuerhinterzieher bei Erstattung einer Selbstanzeige nicht in die Steuerehrlichkeit zurückkehre, da die Offenlegung der Steuerhinterziehung in der Regel erst dann stattfinde, wenn die Entdeckung der Tat bevorstehe.211 Wegen der mit dem Begriff „Ehrlichkeit“ assoziierten noblen Motive schlägt Kirbach die Verwendung der Begriffe „objektive Steuerehrlichkeit“ oder „Steuerwirklichkeit“ vor.212 Dem ist entgegenzuhalten, dass der Begriff der „Steuerehrlichkeit“ nicht an der Bedeutung des Begriffs „Ehrlichkeit“ im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern an der steuerstrafrecht206 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373; Bülte, ZWF 2015, 52 (52); Kemper, DStR 2014, 928 (930); Klein/Jäger, AO § 371 Rz. 2; Zöbeley, DStZ 1984, 198 (198); vgl. auch den Beratungsbericht des Finanzausschusses zur Einführung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/5067, S. 18. 207 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180; Klein/Jäger, AO, § 371 Rz. 2; BT-Drucks. 18/3018, S. 8. 208 Beratungsbericht des Finanzausschusses zur Einführung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/5067, S. 18; vgl. auch die fast wortgenaue Übernahme dieser Erwägungen in der Gesetzesbegründung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 209 Beratungsbericht des Finanzausschusses zur Einführung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/5067, S. 18; ebenso: BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 210 Beratungsbericht des Finanzausschusses zur Einführung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/5067, S. 18; BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 211 Kemper, ZRP 2008, 105 (107). 212 Kirbach, S. 20.

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1. Teil: Allgemeines

lichen Bedeutung des Begriffs „Steuerunehrlichkeit“ zu messen ist. So tauchte der Begriff der Steuerunehrlichkeit bereits im frühen letzten Jahrhundert als ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung auf, das den Straftatbestand der früheren Fassungen des Steuerstraftatbestands erheblich einschränkte. Um zu verhindern, dass jede Verursachung einer Steuerverkürzung den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllte, wurde damals als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das der „Steuerunehrlichkeit“ eingeführt.213 Dabei verstand die herrschende Meinung „Steuerunehrlichkeit“ als das Verursachen der Steuerverkürzung und der Täuschung.214 Von diesem Ausgangspunkt ist unter der „Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ die Rückgängigmachung der durch die Steuerhinterziehung und der Täuschung bewirkten Steuerverkürzung zu verstehen. b) Kritik an der fiskalisch-kriminalpolitischen Rechtfertigung der Strafbefreiung Wie bereits oben dargestellt, sind fiskalische Erwägungen für sich genommen nicht geeignet, die gemäß § 371 AO zu gewährende Strafbefreiung zu begründen, stellen aber eine im Rahmen der teleologischen Auslegung der Norm zu berücksichtigende Konkretisierung des Gesetzeszwecks dar. Die Rückkehr des Steuerpflichtigen in die Steuerehrlichkeit hingegen ist für die Begründung seiner Strafbefreiung von erheblicher Bedeutung. So liegt bei Rückkehr des Steuerhinterziehers in die Steuerehrlichkeit eine Rückgängigmachung der Steuerstraftat vor. Damit kommt es für die Rechtfertigung der Strafbefreiung nach solchen Erwägungen darauf an, ob die wirksame Selbstanzeige die in Bezug genommene Steuerhinterziehung nachträglich wiedergutmacht und die gemäß § 371 Abs. 1 AO zu erbringende „Rückkehrhandlung“ der Wiedergutmachungshandlung entspricht. 213 Vgl. hierzu etwa die Ausführungen des RG zu § 369 RAO in RG, Urteil vom 14. Dezember 1926 – I 313/26 –, RGSt 61, 81: „hinzutreten müsse vielmehr eine „Steuerunehrlichkeit“, insbesondere ein Verschweigen der Steuerpflichtigkeit mit dem Bewusstsein und dem Erfolg, dass die Steuerbehörde hierdurch über das Bestehen oder die Höhe des Steueranspruchs in Unkenntnis gehalten werde“; ebenso auch RG, Urteil vom 13. Mai 1937 – 3 D 243/37, RGSt 71, 216 „Zum Begriff der Steuerhinterziehung (. . .) gehört, dass sich der Täter unehrlich verhält. Eine Steuerunehrlichkeit liegt vor, wenn der Täter den Willen, Steuereinnahmen zu verkürzen, dadurch betätigt, dass er die Steuerbehörden in einen Irrtum über das Bestehen oder die Höhe des Steueranspruchs versetzt oder sie darin erhält, sie also täuscht“; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 1952 – 1 StR 296/51, BGHSt 2, 183, der die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung aufgrund des Fehlens steuerunehrlichen Verhaltens verneint; eine verschärfende Definition der Steuerunehrlichkeit nimmt der BGH in einem Urteil 1952 an: „Zum Tatbestand der Steuerhinterziehung gehört eine Steuerunehrlichkeit, d.h. eine in hinterhältiger und listiger Weise vorgenommene Täuschung der Steuerbehörde“ (Leitsatz a) BGH, Urteil vom 03. April 1952 – 3 StR 630/51, BGHSt 2, 338; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 152; kritisch zum Merkmal der „Steuerunehrlichkeit“, Samson/Horn, NJW 1970, 593 (596). 214 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 152.

B. Grundlagen der Untersuchung

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3. Weitere kriminalpolitische Rechtfertigungsansätze Neben den vorstehend genannten kriminalpolitischen Erwägungen zur Rechtfertigung der Strafbefreiung werden in der Literatur viele weitere Erwägungen angestellt. So wird vielfach zur Rechtfertigung der Strafbefreiung auf die Bedeutung der Selbstanzeige für das zukünftige steuerehrliche Verhalten des Steuerhinterziehers abgestellt (unter a)). Zahlreiche Vertreter einer kriminalpolitischen Rechtfertigung der Selbstanzeige verweisen auf den sog. „Ermittlungsnotstand“ des Staates und das hiermit bestehende kriminalpolitische Bedürfnis nach Erstattung der Selbstanzeige hin (unter b)). a) § 371 AO notwendig, damit Steuerhinterzieher zukünftig ehrlich sein können Nach einem Teil der Lehre soll die Strafbefreiung deswegen gerechtfertigt sein, weil nur hierdurch eine zukünftige Steuerehrlichkeit möglich sei. So sind Steuererklärungen i. d. R. periodisch abzugeben und nachfolgende Steuererklärungen beruhen oftmals auf den vorhergehenden.215 Burwitz weist zutreffend darauf hin, dass ein Steuerpflichtiger, der über Jahre in seinen Erklärungen Einkünfte aus bestimmten Quellen verschwiegen hat, nicht auf einmal seinen steuerlichen Erklärungspflichten nachkommen könnte, ohne dass das Finanzamt zugleich unweigerlich wisse, dass in früheren Jahren Einkünfte verschwiegen worden sind.216 Bei Angabe vorher verheimlichter Steuerquellen in einer Steuerklärung stimmt nicht nur der Bilanzzusammenhang nicht mehr, der Steuerhinterzieher gibt so auch Anlass zu Rückfragen und Ermittlungen des Finanzamts über die plötzliche Herkunft der Gelder. b) § 371 AO zur Verfolgung steuerpolitischer Ziele aus kriminalpolitischen bzw. kriminalistischen Erwägungen gerechtfertigt – Der sog. „Ermittlungsnotstand“ des Staats Besonders in der älteren Rechtsprechung und Literatur wird zur Rechtfertigung der mit der Selbstanzeige im Steuerrecht zu erlangenden Straffreiheit neben der steuerpolitischen Zielsetzung der Norm auch auf die ungünstige Ermittlungssituation des Staates im Steuerrecht abgestellt.217 So betont Hofstetter das auch noch nach Vollendung der Steuerhinterziehung weiterbestehende Interesse des Staats an der Kenntniserlangung von seinem 215 So auch schon Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 14; ebenso Burwitz, NZG 2014, 494 (494). 216 Burwitz, NZG 2014, 494 (494). 217 So etwa Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124).

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1. Teil: Allgemeines

Steueranspruch, um den Steuerschuldner noch zutreffend zu veranlagen bzw. ihm ungerechtfertigt gewährte Steuervorteile zurückzunehmen.218 Ohne die Selbstanzeige könne der Staat jedoch nicht mit der Mitwirkung der Steuerhinterzieher rechnen.219 Lenckner/Schumann/Winkelbauer führen aus, dass der Staat im Steuerstrafrecht in besonderem Maß auf die Redlichkeit und Mithilfe der Steuerpflichtigen angewiesen sei, da die Steuerhinterziehung kaum Spuren hinterlasse und das Entdeckungsrisiko geringer als bei anderen Straftaten sei. Auch im Hinblick darauf, dass die Steuerhinterziehung zu den Delikten mit der höchsten Dunkelziffer gehören dürfte, habe der Gesetzgeber nach Ansicht Lenckner/Schumann/Winkelbauer keine andere Möglichkeit, als die Steuerhinterziehung zwar einerseits mit Strafe zu bedrohen, andererseits aber durch Schaffung eines Strafaufhebungsgrundes einen Anreiz zu schaffen, die hinterzogene Steuer nachträglich doch noch zu zahlen.220 Zöbeley merkt an, dass die Begehung einer Steuerhinterziehung objektiv leichter falle als die Tatbegehung auf anderen, der Steuerhinterziehung verwandten Rechtsgebieten.221 Hierdurch werde das Erfordernis einer „goldenen Brücke“ zurück in die Steuerehrlichkeit besonders bedeutsam.222 Auch nach Weigell liegt die Rechtfertigung der Selbstanzeige neben ihrer fiskalischen Zielrichtung in den „kriminologisch ungünstigen Bedingungen des Steuerstrafrechts.223 Im Hinblick auf die oftmals erheblichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Steuerstraftaten trage § 371 AO dem Interesse des Staates an der Aufdeckung unbekannter Straftaten Rechnung.224 Nach Joecks liegt die Möglichkeit zur Abgabe einer Selbstanzeige daher auch im Interesse der Finanzverwaltung, weil diese nicht nur den Ermittlungsaufwand deutlich reduziere, sondern gleichzeitig auch die Menge der zu bearbeitenden Fälle nicht weiter erhöht werde.225 c) Zwischenergebnis: Keine Rechtfertigung durch kriminalpolitische Erwägungen Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass nach wie vor ein hohes kriminalpolitisches Interesse an dem Institut der Selbstanzeige besteht, und vermögen demnach die Existenz einer den Steuerhinterzieher bei Berichtigung und Nach218 219 220 221 222 223 224 225

Hofstetter, StW 1965, 156 (156); ebenso auch Troeger/Meyer, S. 253. Hofstetter, StW 1965, 156 (156); ebenso auch Troeger/Meyer, S. 253. Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (124). Zöbeley, DStZ 1984, 198 (198). Zöbeley, DStZ 1984, 198 (198). Kuhn/Weigell/Weigell, S. 177. Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998, Fach 13, 910; Jesser, S. 60. Joecks, DStR 2001, 2184 (2184).

B. Grundlagen der Untersuchung

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zahlung der hinterzogenen Steuern zu gewährenden Straffreiheit zu begründen. Indes sind sie nicht geeignet, die gemäß § 371 AO zu gewährende Strafbefreiung zu rechtfertigen: So können diese Erwägungen nicht erklären, weshalb der Steuerhinterzieher obligatorisch Strafbefreiung erhält und nicht etwa obligatorische Strafmilderung erlangt oder lediglich fakultativ von Strafe abgesehen werden kann bzw. die Strafe fakultativ gemildert werden kann. 4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung Nach einem Teil der Lehre liegt die Rechtfertigung der Strafbefreiung in dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Steuerschuldners aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und in dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit.226 Insofern verlange der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Gleichheitssatz, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gleich belastet werden. Jedoch stünden die steuerverfahrensrechtlichen Pflichten der Steuerpflichtigen zu allen unverjährten Steuern jederzeit zutreffende Angaben zu machen (vgl. §§ 149 Abs. 1 S. 4, 153 AO), im Widerspruch zu dem Schutz vor dem Zwang zur Selbstbezichtigung einer Straftat.227 Hier könne die Aussicht, mittels Erstattung einer Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen, dem Täter einen Anreiz dafür bieten, seinen steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten doch noch nachzukommen.228 Dem ist zuzugeben, dass die steuerlichen Mitwirkungspflichten den Täter einer Steuerhinterziehung zwingen könnten, sich selbst einer Steuerhinterziehung belasten zu müssen. In diesen Fällen ist die Straffreiheit im Fall einer Selbstanzeige daher verfassungsrechtlich geboten.229 Allerdings gewährt die strafbefreiende Selbstanzeige keinen lückenlosen Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung230, da sie etwa bei bereits ausgelösten Sperrgründen nicht mehr zur Strafbefreiung des Steuerhinterziehers führt. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung kann jedoch nicht erklären, weshalb auch die Teilnehmer einer Steuerhinterziehung durch Abgabe der Selbstanzeige Straffreiheit erlangen können, obwohl diese keine steuerlichen Mitwirkungspflichten treffen. Außerdem wären zur Auflösung des Konflikts zwischen steuerlichen Mitwirkungspflichten und dem nemo-tenetur-Grundsatz auch andere Rechtsfolgen als die obligatorische Strafbefreiung denkbar, wie etwa die Einschränkung steuer226

BeckOK AO/Merkt, § 371 Rz. 2. BeckOK AO/Merkt, § 371 Rz. 2. 228 BeckOK AO/Merkt, § 371 Rz. 2. 229 Vgl. hierzu Breyer, der in diesen Fällen die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere wegen des nemo tenetur-Grundsatzes, für geboten hält: Breyer, S. 69. 230 Böse, wistra 2003 47 (48); von Briel, StraFo 1998, 336 (338). 227

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1. Teil: Allgemeines

rechtlicher Erklärungspflichten231 oder eine Normierung weitergehender Verwertungsverbote232. Nach Kohlmann soll § 371 AO wegen des Grundsatzes der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit gerechtfertigt sein.233 Kohlmann argumentiert hierzu, dass der Staat durch die Nachzahlung fälliger Steuern in die Lage versetzt werde, seine Aufgaben zu erfüllen. Gleichzeitig werde auch „der Ungerechtigkeit begegnet, die Steuerhinterziehungen für den ehrlichen Steuerzahler mit sich bringen“.234 Kohlmann ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als dass Steuerhinterzieher ohne Möglichkeit zur Selbstanzeige ihre Steuerstraftat nicht offenlegen würden und die hinterzogenen Steuern im Hinblick auf die auch heute noch immer bestehenden Ermittlungsschwierigkeiten des Finanzamts in Steuerstrafsachen oftmals weiterhin verborgen blieben. Vor diesem Hintergrund führt die Selbstanzeige dazu, dass Steuerhinterzieher ihre hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen nachentrichten, sodass diesbezüglich die finanzielle Besserstellung der Steuerhinterzieher durch Nichtentrichtung der geschuldeten Steuern verhindert wird. 5. Strafrechtliche Rechtfertigung der Strafbefreiung Vertreter einer strafrechtlichen Rechtfertigung der Strafbefreiung stellen auf die gemäß § 371 AO angezeigte Steuerhinterziehung und das Verhalten des Steuerhinterziehers nach der Tat ab. Die Rechtfertigung der Strafbefreiung liegt Vertretern dieses Ansatzes zufolge nicht im Eintritt eines fiskalischen Erfolges, sondern in dem Ausgleich der Steuerhinterziehung.235 Insbesondere Teile der neueren Literatur rechtfertigen die Strafbefreiung aus § 371 Abs. 1 AO allein oder teilweise mit strafrechtlichen Erwägungen. Hierzu wird überwiegend auf diejenigen Überlegungen zurückgegriffen, die zur Rechtfertigung der Strafaufhebung im Rücktrittsrecht bzw. zur Rechtfertigung der 231 Nach Samson könnte die AO etwas derart verfassungskonform ausgelegt werden, dass eine Steuererklärungspflicht dann nicht bestünde, wo ihre Erfüllung eine strafrechtliche Selbstbelastung bedeutete. Darüber hinaus schlägt Samson eine Reduzierung der Steuererklärungspflicht vor, jeweils Samson, wistra 1988, 130 (132); ebenso im Ergebnis: Kuhlen, S. 177; von Briel, StraFo 1998, 336 (338); Wulf, wistra 2006, 89 (96). 232 Kuhlen, S. 177 f.; Leimkuhl-Schulz/Modrzejewski, wistra 2015, 378 (383); Samson, wistra 1988, 130 (132); Schuster, JZ 2015, 27 (31). 233 Kohlmann, FS Geilen, 79 (86). 234 Kohlmann, FS Geilen, 79 (86). 235 So verweisen Wessing/Biesgen zur tauglichen strafrechtlichen Rechtfertigung der Selbstanzeige auf die seit Einführung des Täter-Opfer-Ausgleichs anerkannte Rechtfertigung des Absehen von Strafe bei Wiedergutmachung des Schadens sowie auf die mit § 371 AO vergleichbaren Normen §§ 266a Abs. 6 und 261 Abs. 9 StGB Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 17; ähnlich auch Breyer, der diese Schlussfolgerungen indes im Rahmen des gesetzgeberischen Zwecks der Selbstanzeige zieht, Breyer, S. 124 f.; Grötsch, S. 18 f.

B. Grundlagen der Untersuchung

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Strafaufhebung oder Strafmilderung im Rahmen der Vorschriften über die Tätige Reue angestellt werden. Zunächst soll jedoch ermittelt werden, in welchem Verhältnis die gemäß § 371 AO zu erbringenden Handlungen zu der Steuerstraftat stehen. Anschließend ist zu überprüfen, ob und falls ja, in welchem Umfang eine Vergleichbarkeit zwischen § 371 AO und dem Rechtsinstitut des Rücktritts sowie den Vorschriften der Tätigen Reue gegeben ist, und ob ein Rückgriff auf dort angestellte Erwägungen überhaupt möglich ist oder von vorneherein mangels Vergleichbarkeit ausscheiden muss. a) Das Verhältnis von § 371 AO zu § 370 AO § 371 AO nimmt auf eine Strafbarkeit nach § 370 AO Bezug und ordnet unter bestimmten Voraussetzungen Strafbefreiung an. Die Strafaufhebung ließe sich jedenfalls dann rechtfertigen, wenn die Selbstanzeige des Steuerhinterziehers eine Wiedergutmachung der in Bezug genommenen Steuerhinterziehungstat gemäß § 370 AO darstellte. Auch in der neueren Literatur wird die durch § 371 AO bewirkte Straffreiheit mit der durch sie erfolgenden Wiedergutmachung der angezeigten Steuerhinterziehung begründet.236 Wie bereits im Rahmen der Zweckbestimmung der Norm erörtert, sieht Breyer den maßgeblichen Zweck der Selbstanzeige in ihrer Anreizwirkung auf den Steuerhinterzieher zur Wiedergutmachung der vorangegangenen Steuerstraftat. Breyer betont, dass unter der Wiedergutmachung nicht das Erzielen eines fiskalischen Erfolges zu verstehen sei, sondern die „Rückgängigmachung der vorangegangenen Tat durch Berichtigung und Nachholung von Angaben sowie durch die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils“.237 Nach Grötsch soll der Zweck der Selbstanzeige darin liegen, den Tatbeteiligten durch die Inaussichtstellung von Straffreiheit zur Rückgängigmachung der vorangegangenen Tat mittels Berichtigung und Nachholung der falschen bzw. unterlassen Angaben zu veranlassen.238 Daneben solle der wirtschaftliche Vorteil, den der Steuerpflichtige durch die Tat erlangt habe und über den er nach wie vor verfügen könne, abgeschöpft werden.239 Nach Bülte hingegen soll § 371 AO nicht das bereits tatbestandlich verwirklichte Unrecht der Steuerhinterziehung beseitigen, sondern schließe allein die Strafbarkeit aus.240

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So etwa: Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2403). Breyer, S. 155. 238 Grötsch, S. 18 f. 239 Grötsch, S. 18 f. 240 Bülte, ZStW 2010, 550 (560); vgl. auch BVerwG, Urteil vom 06. Juni 2000 – 1 D 66/98, DÖD 2000, 290; Breyer, S. 155. 237

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1. Teil: Allgemeines

Entscheidend ist, ob eine wirksame Selbstanzeige die in Bezug genommene Steuerstraftat wiedergutmacht. Dies wäre dann der Fall, wenn das Handlungsund Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung durch Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige nachträglich beseitigt würde.241 Der tatbestandliche Erfolg der Steuerhinterziehung liegt in der Verkürzung von Steuern bzw. in der Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils für sich oder für einen anderen. Unter einer Steuerverkürzung ist die Beeinträchtigung des Steuerertrags durch eine für den Steuergläubiger nachteilige unrichtige Festsetzung bzw. durch das Fehlen einer Festsetzung in einem Steuerfestsetzungsbescheid zu verstehen.242 Ein Steuervorteil wird erlangt, wenn der Steuerpflichtige keinen rechtlichen Anspruch auf ihn hat oder wenn seine Gewährung oder das Belassen der Vergünstigung im Ermessen der Finanzbehörde steht und die Weitergewährung oder Bewilligung ermessensfehlerhaft war, weil die Finanzbehörde von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist.243 Mit der Steuerhinterziehung verletzt der Steuerhinterzieher das Rechtsgut des staatlichen Interesses am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen der einzelnen Steuern bzw. der Steuern im Ganzen.244 Wie Löffler zutreffend feststellt, handelt es sich bei dem staatlichen Steueraufkommen um eine rechnerisch ermittelbare Summe.245 Von daher ist Löffler und anderen Teilen der neueren Literatur darin zuzustimmen, dass das durch „die Hinterziehung am Steueraufkommen entstandene Defizit nachträglich wieder kompensiert werden kann“ 246 und die durch die Steuerhinterziehung begangene Rechtsgutsverletzung nachträglich ausgeglichen werden kann.247 Indes ist dieser Ansicht zu widersprechen, soweit bereits 241 Hoffschmidt, S. 158; Jesser, S. 64; a. A. Füllsack/Bürger, nach denen es bei der Selbstanzeige keiner Kompensation des Handlungsunrechts brauche und tragender Gesichtspunkt für die Selbstanzeige vielmehr die Kompensation des Erfolgsunrechts sei, Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2403). 242 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann, § 370 Rz. 138. 243 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann, § 370 Rz. 177. 244 So die h. M., statt vieler und mit zahlreichen Nachweisen MüKo StGB/Schmitz/ Wulf, § 370 Rz. 2. 245 Löffler, S. 125. 246 Löffler, S. 125; wie Löffler auch Füllsack/Bürger, nach denen der dem Fiskus durch die Steuerhinterziehung zunächst entstandene Schaden mit der Zahlung der geschuldeten Steuer wieder ausgeglichen werde, Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2403). 247 Insofern zeichne sich die Steuerhinterziehung durch die vollständige Reparabilität der Rechtsgutsverletzung aus, Löffler, S. 124 f. Löffler schliesst sich der Ansicht Rüffelmachers an, Rüffelmacher, S. 52; ebenso auch Grötsch, S. 19; ebenso auch schon: Meyer: „Einen Getöteten kann man nicht mehr ins Leben zurückrufen, eine Körperverletzung oder Beleidigung nicht mehr ungeschehen machen. Einen entstandenen Steueranspruch aber kann man immer noch festsetzen, solange er nicht verjährt ist und einen ungerechtfertigten Steuervorteil, den das Finanzamt gewährt oder belassen hat, mit rückwirkender Kraft zurücknehmen.“ Insofern sei „die Situation hier eine andere als regelmäßig in den Fällen des allgemeinen Strafrechts“, Troeger/Meyer, S. 253.

B. Grundlagen der Untersuchung

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die schlichte Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern als Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung als für ausreichend erachtet wird,248 da die Nachzahlung der Steuern nur die Unvollständigkeit des Steueraufkommens ausgleichen kann. Das von § 370 AO geschützte Rechtsgut beinhaltet jedoch auch die Rechtzeitigkeit des Steueraufkommens. Somit bedarf es zur vollständigen Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung einer weitergehenden Kompensation. Diesem Erfordernis kommt § 371 Abs. 3 AO nach, indem die Strafbefreiung neben der Nachzahlung des Hinterziehungsbetrags auch die Nachzahlung der Hinterziehungszinsen voraussetzt. Damit wird der wirtschaftliche Vorteil, den der Steuerpflichtige mit der Steuerhinterziehung erzielt hat, durch die Selbstanzeige abgeschöpft. Im Ergebnis liegt also bei Abgabe einer Selbstanzeige des eigennützigen Steuerhinterziehers ein voller Ausgleich des Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung vor.249 Der fremdnützige Steuerhinterzieher ist nicht zur Nachzahlung der hinterzogenen Steuern und der Hinterziehungszinsen verpflichtet. Dies hat gleichwohl keine Auswirkungen auf den Wiedergutmachungscharakter seiner Selbstanzeige, da hier durch die Steuerhinterziehung kein eigener wirtschaftlicher Vorteil erlangt wurde, den es wieder abzuschöpfen gäbe. Auch in diesen Fällen liegt der Taterfolg der Steuerhinterziehung darin, dass die Steuer des Steuerschuldners unzutreffend festgesetzt wurde oder der Steuerschuldner in ungerechtfertigter Weise Steuervorteile erlangt hat. Die wirksame Selbstanzeige des fremdnützigen Steuerhinterziehers führt dazu, dass die Steuer des Steuerschuldners nunmehr durch das Finanzamt zutreffend festgesetzt werden kann. Wie gezeigt wurde, bewirkt auch die Selbstanzeige des fremdnützigen Steuerhinterziehers eine Vermehrung des Steueraufkommens in der Höhe des Hinterziehungsbetrages der Steuerhinterziehung250 und damit einen Ausgleich des Hinterziehungsschadens. Der Fiskus gelangt durch die Selbstanzeige des fremdnützigen Steuerhinterziehers in die gleiche Ausgangsposition, die er auch im Besteuerungsverfahren gegenüber allen anderen Steuerschuldnern hat: Er hat Kenntnis über den Besteuerungssachverhalt, das Bestehen und die Höhe seines Steueranspruchs sowie über die Person des Steuerschuldners. Damit steht der zutreffenden Veranlagung des Steuerschuldners nichts mehr im Wege. Die reine Wiedergutmachung des Steuerschadens allein genügt jedoch nicht zur Rechtfertigung der Strafbefreiung des Steuerhinterziehers.251 Vielmehr müss248

Löffler, S. 124. Vgl. auch Seer, demzufolge das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung durch die verzinste Nachzahlungspflicht kompensiert wird, Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 4 und Rz. 42. 250 Siehe hierzu ausführlich im 1. Teil unter B. IV. 5. a) aa). 251 Die schlichte Wiedergutmachung des Steuerschadens ist damit nur für die Strafzumessung bedeutsam, Hübschmann/Hepp/Spitaler/Hellmann, § 370 Rz. 146. 249

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1. Teil: Allgemeines

te die Selbstanzeige auch das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung kompensieren, um unter Wiedergutmachungsgesichtspunkten gerechtfertigt zu sein.252 § 370 Abs. 1 AO enthält drei tatbestandsmäßige Verhaltensweisen, die den Handlungsunwert der Steuerhinterziehung umschreiben: Die Tathandlung von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht darin, dass der Tatbeteiligte gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen macht. In den Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO besteht die Tathandlung darin, dass der Tatbeteiligte die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Die Tathandlung in den Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO schließlich besteht darin, dass der Tatbeteiligte pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt.253 Wie Lütt gezeigt hat, liegt das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung in den Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO darin, dass der Täter dem Finanzamt nicht wahrheitsgemäße Angaben macht.254 Weidemann/Weidemann umschreiben die hinter § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO stehende Verhaltensnorm zutreffend mit „Du sollst nicht unrichtige (unvollständige) Erklärungen abgeben“.255 Die Abgabe der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung muss mithin durch Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige ausgeglichen werden. Hierzu ist auf die von § 371 AO geforderten Handlungen abzustellen. § 371 Abs. 1 S. 1 AO statuiert drei verschiedene Handlungsalternativen: Gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AO muss der Steuerhinterzieher unrichtige Angaben berichtigen; gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AO muss er unvollständige Angaben ergänzen und schließlich sind gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 AO unterlassene Angaben nachzuholen. Die Selbstanzeigehandlungen stehen spiegelbildlich zu den die Strafbarkeit wegen der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO begründenden Handlungen.256 Durch Korrektur der im Rahmen der Steuerhinterziehung mangelhaft erklärten Angaben holt der steuerpflichtige Steuerhinterzieher die Erfüllung seiner ur-

252 Vgl. hierzu auch schon eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach in der Berichtigung und Nachzahlung eine „volle Wiedergutmachung“ der Selbstanzeige liege, sodass die nachträgliche Strafbefreiung gerechtfertigt sei, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 27. April 1972 – RReg 4 St 26/72, BayObLGSt 1972, 105. 253 Da es in Bezug auf Steuerstraftaten nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO keine Möglichkeit gibt, mittels Erstattung einer Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen, beschränkt sich die weitere Untersuchung auf die Wiedergutmachung des Handlungsunrechts von § 370 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO. 254 Lütt, S. 49 und S. 61 f.; ebenso Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30. 255 Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (209). 256 Wie hier: MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 47; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 24.

B. Grundlagen der Untersuchung

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sprünglichen, sich aus den Einzelsteuergesetzen ergebenden Mitwirkungspflichten nach.257 Folglich wird das in der Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung bzw. in der Nichtabgabe einer gebotenen Steuererklärung liegende Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung durch die nachträgliche Erfüllung der steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten wieder ausgeglichen.258 § 371 Abs. 1 AO beinhaltet jedoch nicht nur die Möglichkeit, wegen einer unter vorsätzlicher Verletzung eigener steuerverfahrensrechtlicher Mitwirkungsund Erklärungspflichten begangenen Steuerhinterziehung straffrei werden zu können. Auch unrichtige Angaben, die außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens gemacht werden und zu einer Verkürzung der Steuer führen,259 können eine Steuerhinterziehung darstellen und damit tauglicher Gegenstand einer Selbstanzeige sein. So holt der Steuerhinterzieher in diesen Fällen mit Abgabe der Selbstanzeige zwar keine ursprünglich geschuldeten Mitwirkungshandlungen nach, er beseitigt aber durch Abgabe einer Selbstanzeige den von ihm erwirkten fehlerhaften Steuerbescheid und ermöglicht die zutreffende Besteuerung. Damit liegt auch hier mit der Abgabe der Selbstanzeige eine Umkehr der früheren Tathandlung und mithin ein nachträglicher Ausgleich des Handlungsunrechts vor.260 Eine Steuerhinterziehung kann darüber hinaus auch von Personen begangen werden, die selbst nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern sind.261 Entsprechend 257

Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30. Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30; vgl. Pump/Krüger, nach denen „durch die Selbstanzeige nach § 371 AO das Handlungsunrecht i. S. d. § 370 Abs. 1 AO und das Erfolgsunrecht i. S. d. § 371 Abs. 3 AO aufgehoben werden“ müssen Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1974); so im Grunde auch schon Rüffelmacher: Nach Rüffelmacher mache sich der Steuerhinterzieher mit seiner Tat einer doppelten Pflichtverletzung schuldig, nämlich „einmal hinsichtlich seiner Erklärungspflicht und zum anderen hinsichtlich seiner Zahlungspflicht“. Nach Rüffelmacher „kompensiert“ der Steuerhinterzieher die Erklärungspflichtverletzung durch Berichtigung, Ergänzung etc. der unrichtigen Angaben und die Zahlungspflichtverletzung durch Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern, vgl. Rüffelmacher, S. 55; Tipke/Lang/Seer, § 23 Rz. 56 (S. 1275); Tipke/ Kruse/Seer, § 371 Rz. 4. 259 Joecks führt beispielhaft unrichtige Angaben an, die zur Erschleichung einer Stundung gemäß § 222 AO, eines Erlasses nach § 227 AO oder zur Vereitelung oder zur Verzögerung einer Vollstreckungsmaßnahme gemäß § 249 ff. AO gemacht werden, an, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 54. 260 Im Ergebnis wohl auch Breyer, wenn auch mit etwas unterschiedlicher Begründung: Nach Breyer liegt in der Selbstanzeigehandlung die Rückgängigmachung der Gefährdung vor, Breyer, S. 62. 261 MüKo StGB/Schmitz/Wulf, § 370 Rz. 381; Schmitz/Wulf weisen jedoch zutreffend darauf hin, dass die Täterschaft eines Dritten lediglich in den Fällen der Steuerhinterziehung durch aktives Tun denkbar ist. Insofern sei nämlich die Steuerhinterziehung durch Unterlassen vom dem Vorliegen einer Garantenstellung abhängig. Eine solche trifft jedoch lediglich denjenigen, dem die steuerlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten obliegen, mithin ausschließlich den Steuerpflichtigen, vgl. MüKo StGB/ Schmitz/Wulf, § 370 Rz. 382. 258

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1. Teil: Allgemeines

zu der Berichtigung von Steuerstraftaten, die außerhalb eines Festsetzungsverfahrens stattgefunden haben, gilt auch hier, dass mangels Bestehens und Verletzung ursprünglicher steuerverfahrensrechtlicher Pflichten die Strafbefreiung jedenfalls nicht wegen der Nachholung des steuerlich gebotenen Verhaltens gerechtfertigt sein kann. Der Ausgleich des Handlungsunrechts durch Abgabe der Selbstanzeige desjenigen Steuerhinterziehers, der in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen hat, liegt jedoch darin, dass auch hier die ursprüngliche, für die unrichtige bzw. nicht vorgenommene Festsetzung der Steuern des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnisses Steuern hinterzogen wurden, kausal gewordene Handlung rückgängig gemacht wurde. Zwar steht die gemäß § 371 Abs. 1 AO zu erbringende Berichtigungshandlung (sowie die ggf. gemäß § 371 Abs. 3 AO erforderliche Nachzahlung der hinterzogenen Steuern inkl. Hinterziehungszinsen) der die Steuerstraftat begründende Handlung bei solchen Steuerhinterziehungen nicht spiegelbildlich gegenüber. Während der in seinem eigenen Steuerschuldverhältnis hinterziehende Steuerhinterzieher die Steuerhinterziehung durch Nichterfüllung steuerverfahrensrechtlicher Pflichten begangen hat und durch die Nachholung der steuerverfahrensrechtlicher Pflichten ein Ausgleich bewirkt wird, ist die Rückgängigmachung der die Strafbarkeit des Tatbeteiligten begründenden Tathandlung, der in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen hat, aufgrund der unüberschaubaren Vielzahl an straftatbegründenden Handlungen, die gerade nicht in einer Verletzung eigener steuerverfahrensrechtlicher Pflichten bestehen, nicht durch eine spiegelbildliche Handlung, die auf die Aufhebung der strafbarkeitsbegründenden Handlung gerichtet ist, möglich: Der Gehilfe, der unrichtige Belege erstellt hat und auf diese Weise die Steuerstraftat des Täters gefördert hat, erbringt keine „Berichtigung“ i. S. v. § 371 Abs. 1 AO, wenn er später einen richtigen Beleg ausstellt. Gleiches gilt auch für den Anstifter, der dem Steuerhinterzieher „einen Tipp“ zur Verkürzung von Steuern gibt und durch einen späteren Widerruf dieser Aussage gegenüber dem Täter der Steuerhinterziehung keine „Berichtigung“ der fehlerhaften Angaben bewirkt. In sämtlichen Fällen also, in denen der Selbstanzeigewillige in einem fremden Steuerschuldverhältnis oder anders, als durch Verletzung eigener steuerverfahrensrechtlicher Pflichten Steuern hinterzogenen hat, ersetzt die Berichtigungshandlung des § 371 Abs. 1 AO die spiegelbildliche Handlung des Steuerhinterziehers zur Rückgängigmachung seiner die Steuerhinterziehung begründende Handlung im Sinne eines generalisierten Handlungsgebots. Die Aufhebung des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung erfolgt für sämtliche Steuerhinterziehungen – unabhängig davon, in wessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden – durch die Abgabe einer den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO genügende Erklärung. Nur ein auf diese Weise verstandener Ausgleich des Handlungsunrechts bewirkt auch die Beseitigung des Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung, die in

B. Grundlagen der Untersuchung

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der Beseitigung des unzutreffenden Steuerfestsetzungsbescheids und der Ermöglichung einer zutreffenden Besteuerung des Steuerschuldners der hinterzogenen Steuer liegt. Der Steuerhinterzieher muss sich also entweder gegenüber dem Finanzamt als Steuerschuldner der verkürzten Steuern zu erkennen geben und seiner ursprünglichen Pflicht, das Finanzamt über alle steuerlich relevanten Tatsachen in Kenntnis zu setzen, nachkommen oder aber die Person des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, benennen und weitere, zur zutreffenden Veranlagung des Steuerschuldners erforderliche Informationen übermitteln.262 Kuhlen führt in diesem Zusammenhang aus, dass der Steuerpflichtige im Steuerverfahren zur rechtzeitigen Mitwirkung verpflichtet war.263 Hieraus ließe sich schlussfolgern, dass eine nachträgliche Erfüllung der steuerverfahrensrechtlich aufgegebenen Erklärungs- oder Mitwirkungspflichten nicht möglich sei, da diese verspätet erfolge und daher eine weitergehende Kompensation auch der Verspätung erforderlich mache. Allerdings ist die Pflicht des Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Mitwirkung eine rein steuerverfahrensrechtliche Pflicht.264 Auch die unterlassene Mitwirkung im Steuerverfahren stellt für sich genommen noch keine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO dar.265 Folglich liegt trotz der mit der Selbstanzeige erst verspätet erfolgenden Erfüllung der steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungsund Erklärungspflichten eine vollständige Wiedergutmachung des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung vor. Darüber hinaus ist der zu eigenen Gunsten hinterziehende Steuerhinterzieher gemäß § 371 Abs. 3 S. 1 AO nicht nur zur Zahlung der hinterzogenen Steuern, sondern auch zur Zahlung der Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO verpflichtet. Damit gleicht der Steuerhinterzieher das in der nicht rechtzeitigen Zahlung liegende Handlungs- und Erfolgsunrecht wieder aus. Entsprechend der Wiedergutmachung des Erfolgsunrechts kann jedoch auch die Wiedergutmachung des Handlungsrechts für sich genommen nicht genügen, um das Unrecht der Steuerhinterziehung wieder auszugleichen.266 Die wirksame

262 Zu den Anforderungen an die Berichtigung des Tatbeteiligten, der innerhalb eines fremden Steuerschuldverhältnisses Steuern hinterzogen hat, vgl. unten im 2. Teil unter A. II. 9. 263 Kuhlen, S. 170. 264 König/Wünsch, AO § 90 Rz. 1. 265 BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1994 – 5 StR 134/94, wistra 1995, 67; BFH, Urteil vom 07. November 2006 – VIII R 81/04, BStBl. II 2007, 364. 266 So etwa Jesser: Jesser weist darauf hin, dass die mangels Nachzahlung unwirksame Selbstanzeige zumindest im Rahmen der Strafzumessung gemäß § 46 Abs. 2 StGB strafmildernd berücksichtigt wird, Jesser, S. 64.

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1. Teil: Allgemeines

Selbstanzeige bewirkt, wie dargestellt, jedoch beides, auch eine vollständige Wiedergutmachung der angezeigten Steuerstraftat.267 b) § 371 AO als Rücktrittsvorschrift? Auch beim Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 StGB und § 31 StGB handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund.268 Im Hinblick auf diese und andere Ähnlichkeiten zwischen beiden Rechtsinstituten ist die Strafbefreiung bei wirksamer Selbstanzeige nach einem Teil der neueren Literatur aus denjenigen Überlegungen gerechtfertigt, die auch im Rahmen des Rücktritts zur Straflosigkeit des Zurücktretenden führen.269 aa) Überblick über den Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 und § 31 StGB § 24 StGB und § 31 StGB enthalten insgesamt sechs verschiedene Konstellationen, in denen der Tatbeteiligte im Versuchsstadium der Tat durch freiwilliges Handeln die Vollendung der Straftat verhindert bzw. den ihm zurechenbaren Kausalverlauf für den Eintritt der Vollendung abbricht:270 Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB wird derjenige nicht bestraft, der freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat auch ohne sein Zutun nicht vollendet, bestimmt § 24 Abs. 1 S. 2 StGB die Straflosigkeit desjenigen Täters, der sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern. § 24 Abs. 2 StGB regelt den Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten. Gemäß § 24 Abs. 2 S. 1 StGB wird derjenige nicht bestraft, der freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Nach § 24 Abs. 2 S. 2 StGB genügt zur Erlangung der Straflosigkeit auch das freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird. Trotz der bereits eingetretenen Versuchsstrafbarkeit kann der Tatbeteiligte also bei Vornahme einer tauglichen Rücktrittshandlung straffrei werden. Die Strafbefreiung ist ebenso wie bei der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO obligatorisch zu gewähren. 267 Vgl. auch Kohlmann, nach dem dem Staat durch die Selbstanzeige in Bezug auf die Steuerhinterziehung „letztlich keine Nachteile entstehen“, und sich daher auch im Hinblick auf die Wiedergutmachung der Folgen der Steuerhinterziehung daher die Rechtfertigung der Strafbefreiung ergebe, Kohlmann, wistra 1982, 2 (5); später schränkt Kohlmann diese Auffassung etwas ein und stellt nun darauf ab, dass die Folgen der Steuerstraftat durch die Berichtigungserklärung und die Nachzahlung „Im Wesentlichen“ wiedergutgemacht werden, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 25; wie hier Rüping, BB 2000, 2553 (2553). 268 Fischer, § 24 Rz. 2. 269 Löffler, S. 178; vgl. auch Seer, nach dem die Selbstanzeige einen Fall eines nur ausnahmsweise strafbefreienden Rücktritt von der vollendeten Tat darstellt, Tipke/ Lang/Seer, § 23 Rz. 54 (S. 1274). 270 Fischer, § 24 Rz. 2.

B. Grundlagen der Untersuchung

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§ 31 StGB enthält schließlich ein besonderes Rücktrittsrecht für die Strafbarkeit des Versuchs der Beteiligung nach § 30 StGB.

bb) Überblick über die Rechtfertigung der Strafbefreiung im Rücktrittsrecht Die Rechtfertigung der Straflosigkeit des vom Versuch zurücktretenden Tatbeteiligten ist umstritten. Im Wesentlichen lässt sich die Vielzahl der hierzu vertretenen Ansichten in spezialpräventive Theorien, generalpräventive Theorien und eine Elemente beider Theorien kombinierende Theorie, der Strafzwecktheorie unterteilen. (1) Spezialpräventive Ratio des Rücktritts (a) Theorie der goldenen Brücke (auch: kriminalpolitische Theorie) Die Theorie der goldenen Brücke beruht im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass dem Tatbeteiligten ein Anreiz geboten werden müsse, um ihn von der Vollendung des Straftatbestands abzuhalten bzw. ihn dazu zu animieren, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden.271 Der Anreiz des Täters, also die „goldene Brücke“, die den Täter von der Vollendung des Delikts abhalten soll, ist die Aussicht, bei freiwilligem Rücktritt für den Versuch nicht bestraft zu werden.272 Dementsprechend ist die Strafbefreiung dieser Ansicht nach damit gerechtfertigt, dass die „ins Werk gesetzte Gefährdung beseitigt werde, wenn der Täter zum rechtmäßigen Verhalten umkehre.“ 273 Besonders in der älteren Rechtsprechung des Reichsgerichts und in der älteren Literatur war diese Theorie herrschend.274 Dabei wurde im Rahmen einer spezialpräventiven Begründung darauf abgestellt, dass der Täter ohne die Aussicht auf Strafbefreiung „nichts mehr zu verlieren hätte“ und hierdurch eher geneigt sei, seine begonnene Tat zu vollenden (sog. negative spezialpräventive Begründung). Die auf Feuerbach zurückzuführende negative kriminalpolitische Theorie275 beruht auf der Erwägung, dass der Täter ohne Möglichkeit, mittels Rücktritts vom Versuch straffrei werden zu können, keinen Grund hätte, seine Tat nicht zu vollenden.276 So könne der Täter durch Reue nichts mehr „gewinnen“ 271

Roxin, AT II S. 482. Roxin, AT II S. 482; die „Goldene-Brücke-Theorie“ wird auf Franz von Liszt zurückgeführt, Ulsenheimer weist jedoch nach, dass diese Formulierung bereits zuvor verwendet wurde, Ulsenheimer, S. 42. 273 BeckOK StGB/Beckemper, StGB § 24 Rz. 5. 274 Etwa RG, Urteil vom 11. Juni 1906 – I 1145/05 –, RGSt 39, 37; vgl. hierzu auch die Nachweise bei Roxin, AT II S. 482. 275 So Ulsenheimer, S. 42. 276 Feuerbach, S. 103; hierzu auch ausführlich m.w. N. Ulsenheimer, S. 42; allenfalls insoweit der negativen kriminalpolitischen Theorie zustimmend, als dass der Gesetzge272

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1. Teil: Allgemeines

und hätte durch die Vollendung der Tat auch nichts Bedeutendes mehr zu verlieren.277 Damit soll die Aussicht auf Strafbefreiung Vertretern dieser Ansicht zufolge den bereits entstandenen Anreiz des Versuchstatbeteiligten zur Vollendung der Straftat vermindern278 und ihn schließlich dazu motivieren, das Delikt nicht zu vollenden. Diese Erwägungen können jedoch nicht erklären, weshalb der Rücktritt obligatorisch Strafbefreiung anordnet und nicht etwa lediglich eine fakultative Strafbefreiung bzw. Strafmilderung vorsieht.279 So hätte die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts mit Bottke auch dann eine motivierende Wirkung, wenn das Rechtsinstitut nach dem Vorbild vergleichbarer ausländischer Rechtsinstitute als Strafzumessungsregel ausgestaltet worden wäre.280 (b) Prämien- oder Gnadentheorie Vertretern dieser Ansatzes zufolge soll die Straflosigkeit die Belohnung des Täters sein, welche dieser sich durch seinen Rücktritt verdient habe.281 Der Rücktritt solle das schuldhafte Verhalten des Zurücktretenden wieder aufwiegen, weshalb er nicht zu bestrafen, sondern mit Straffreiheit zu belohnen sei.282 Gegen diese Theorien wird zu Recht eingewendet, dass diese im Ergebnis lediglich das Rücktrittsinstitut beschreiben, ohne die Straflosigkeit des Zurücktretenden zugleich begründen zu können.283 Bottke kritisiert zudem zutreffend, dass offen bleibe, welche Maßstäbe an die Freiwilligkeit des Zurücktretenden zu stellen sind.284 ber mit den Rücktrittsvorschriften dem Täter zumindest nicht durch die Vorstellung, ohnehin strafbar zu sein, den Rückweg in die Legalität abschneiden wolle, Jescheck/ Weigend, S. 539. 277 Feuerbach, S. 103; hierzu auch ausführlich m.w. N. Ulsenheimer, S. 42; Jescheck/ Weigend, S. 539. 278 RG, Urteil vom 29. April 1884 RGSt 10, 324. 279 Bottke, S. 214; Roxin, AT II S. 484. 280 Vgl. auch Bottke, S. 214, der insofern schlussfolgert, dass die Lehre von der goldenen Brücke mangels „triftiger ,Ratiovorgabe‘ ohne Systembruch zu keiner wertmäßig plausiblen Interpretationsregel führen könne“. 281 BGH, Urteil vom 12. November 1987 – 4 StR 541/87, BGHSt 35; BGH, Beschluss vom 07. Februar 1986 – 3 StR 25/86, NStZ 1986, 264; BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; nach Bockelmann werde die Strafbefreiung aus Gnade gewährt, Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420); Jescheck/Weigend, S. 539. 282 BGH, Beschluss vom 07. Februar 1986 – 3 StR 25/86, NStZ 1986, 264; Wessels/ Beulke/Satzger, Rz. 887. 283 BeckOK StGB/Beckemper, StGB § 24 Rz. 6; Bottke, S. 213; ebenso Roxin, der darin lediglich eine Umschreibung des Gesetzestexts sieht. Vielmehr griffen Vertreter dieser Ansichten für die Begründung der Strafbefreiung auf Elemente der Strafzwecktheorie zurück, Roxin, AT II S. 485 m.w. N. 284 Bottke, S. 213.

B. Grundlagen der Untersuchung

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(2) Generalpräventive Rechtfertigung des Rücktritts Teilweise wird die Straffreiheit des Zurücktretenden mit generalpräventiven Erwägungen begründet.285 Ausgangspunkt dieser Theorie ist die Annahme, dass der strafbare Versuch des Tatbeteiligten einen schädlichen Eindruck hinterlasse, da der Täter mit Vornahme seiner Versuchshandlungen das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung erschüttert und die Rechtssicherheit beeinträchtigt habe.286 Durch den Rücktritt werde diese Erschütterung wieder aufgehoben, sodass es seiner Bestrafung nicht mehr bedürfe.287 Diese Ansicht verkennt, dass die Wirksamkeit des Rücktritts neben der objektiven Rücktrittshandlung auch eine subjektive, autonome Entscheidung des Täters zur Aufgabe der Tat verlangt. Käme es allein auf die Aufhebung der Rechtserschütterung an, müssten auch unfreiwillige Rücktritte strafbefreiend wirken. Demnach sind generalpräventive Aspekte allein nicht für die Begründung der Strafbefreiung ausreichend. (3) Strafzwecktheorie Nach der heute h. M. ist die Straflosigkeit des Zurücktretenden mit dem Wegfall der Notwendigkeit, den rechtswidrigen und schuldhaften Versuch zu bestrafen, gerechtfertigt.288 Aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen soll eine Bestrafung des Zurücktretenden nicht erforderlich sein.289 So entfalle das Bedürfnis zu strafen nach Kühl dann, wenn der Tatbeteiligte, der durch seine Tat seinen rechtsfeindlichen Willen umgesetzt und dadurch einen rechtserschütternden Eindruck hervorgerufen hat, durch seinen freiwilligen Rücktritt zeigt, dass er diesen rechtserschütternden Eindruck, soweit möglich, zurücknehmen will.290 Das Vertrauen der Bevölkerung in die Geltungskraft des Rechts sei durch die freiwillige Rückkehr des Versuchstatbeteiligten in die Legalität derart gestärkt, dass es schon deshalb keiner Bestrafung des Zurückgetretenen mehr bedürfe291. Folglich sei eine „Abschreckung anderer und die Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung“ durch Bestrafung des Tatbeteiligten auch nicht (mehr) erforderlich.292 Hinzu komme, dass auch im Hinblick auf den Strafzweck der Spezialprävention keine Bestrafung notwendig sei, der Zurückge-

285 286 287 288 289 290 291 292

Schünemann, GA 1986, 293 (311 ff., 323 f. jeweils m.w. N.). Schünemann, GA 1986, 293 (311). Schünemann, GA 1986, 293 (311). Bottke, S. 567 ff.; Kühl, S. 532; Lackner/Kühl/Kühl, StGB § 24 Rn. 2. Bottke, S. 568; Roxin, AT II S. 478. Kühl, S. 532. Kühl, S. 532. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Zaczyk, § 24 Rz. 3 m.w. N.

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tretene sich als „mindergefährlich“ erwiesen293 und „seine Rückkehr in die Legalität demonstriert“ habe.294 (4) Stellungnahme Zur Rechtfertigung der Strafbefreiung des Zurückgetretenen ist auf die Strafzwecktheorie abzustellen. Allein sie berücksichtigt das Zusammenspiel von strafbarem Versuch und strafbefreiendem Rücktritt. Die Strafbefreiung erfolgt deswegen, weil der Zurücktretende durch seine Rücktrittsbemühungen das Unrecht seiner Versuchshandlung ausgeglichen hat. Da der tatbestandliche Erfolg beim Versuch begrifflich noch nicht eingetreten sein kann, bedarf es keiner Kompensation eines Erfolgsunrechts. Das durch den strafbaren Versuch begründete Bedürfnis zu strafen entfällt, weil die Strafe aufgrund der Rücktrittshandlungen weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen mehr erforderlich ist. cc) Zur Übertragbarkeit auf § 371 AO Diese Erwägungen ließen sich dann zur Rechtfertigung der Strafbefreiung bei § 371 AO heranziehen, wenn es sich bei der Norm um eine Rücktrittsvorschrift bzw. eine den Rücktrittsvorschriften vergleichbare Norm handelte. Nach Tipke ermögliche § 371 AO strafrechtssystematisch einen Rücktritt vom beendeten Delikt.295 Löffler ist der Auffassung, dass sich die Selbstanzeige ohne weiteres in die Rücktrittssystematik einordnen lasse, da diese aus verschiedenen Epochen der Rechtsentwicklung stammten und kein in sich kein geschlossenes System mit klaren Strukturprinzipien darstellten.296 Im Übrigen seien die der Selbstanzeige und den Rücktrittsvorschriften zugrundeliegenden Prinzipien materiell deckungsgleich.297 Durch sein Nachtatverhalten korrigiere der Täter seinen ursprünglichen Normbruch und dokumentiere so nach außen, dass eine Bestrafung nicht mehr notwendig sei, um den Geltungsanspruch der Norm in der Allgemeinheit und im Täterbewusstsein wieder herzustellen, sodass der Staat seinen Strafanspruch zurücknehmen könne.298 Dementsprechend mache das Gesetz in § 371 Abs. 1 und Abs. 3 AO die Strafbefreiung davon abhängig, dass der Täter das Handlungs- und Erfolgsunrecht kompensiere. Es sei also im Rahmen der positiven Voraussetzungen des § 371 AO maßgeblich, dass das Selbstanzeigeverhalten des Steuerhinter293 294 295 296 297 298

BGH, Urteil vom 28. Februar 1956 – 5 StR 352/55 –, BGHSt 9, 48; Kühl, S. 532. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Zaczyk, § 24 Rz. 3 m.w. N. Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 3. Löffler, S. 166. Löffler, S. 178. Löffler, S. 229.

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ziehers als eine Rückkehr in die Legalität bzw. als „Schulderfüllung“ zu werten sei.299 § 371 Abs. 2 AO hingegen stelle auf die Einstellung des Täters ab und nehme solche Selbstanzeigen von der Privilegierung aus, die ausnahmsweise nicht von einer strafzweckerledigenden Motivation des Täters getragen werden300. Damit sei die Wirksamkeit der Selbstanzeige an dem für das Rücktrittsrecht spezifischen Freiwilligkeitserfordernisses zu messen.301 Durch § 371 Abs. 2 AO sei sichergestellt, dass nur ein „solches äußerlich normanerkennendes Verhalten zur Straffreiheit führen kann, welches auch den tatsächlichen Schluss auf eine nunmehr normkonforme Einstellung des Täters zuläßt“.302 Zur Bestimmung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Selbstanzeige muss nach Löffler gefragt werden, „ob der Täter durch die Selbstanzeige in die Legalität zurückgekehrt ist, ob er die zuvor verletzte Norm positiv anerkennt und damit das, was Strafe leisten soll, von sich aus leistet, so dass eine als Ultima Ratio verstandene Bestrafung unterbleiben kann.“ 303 Gegen die Rechtfertigung der Selbstanzeige mit Rücktrittserwägungen sprechen indes zwei gewichtige Gründe. So stößt diese Ansicht zunächst auf strafrechtssystematische Schwierigkeiten, da es im übrigen Strafrecht keinen Rücktritt vom vollendeten oder beendeten Delikt gibt. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob § 371 AO ein mit dem in § 24 StGB enthaltenen vergleichbares Freiwilligkeitselement enthält. (1) Kein Rücktritt vom vollendeten oder beendeten Delikt Das Strafrechtssystem kennt lediglich den Rücktritt vom unbeendeten und beendeten Versuch und statuiert keinen Rücktritt vom beendeten oder vollendeten Delikt. § 371 AO ist zwar nach h. M. auch während des Versuchsstadium der Steuerhinterziehung neben § 24 StGB anwendbar,304 da die Selbstanzeige allgemeine Straffreiheitsvorschriften nicht einschränken, sondern erweitern soll.305 Die Norm ermöglicht jedoch auch die Erlangung von Straffreiheit lange nach Vollendung und sogar nach Beendigung der Steuerhinterziehung. Im Übrigen be299

Löffler, S. 179. Löffler, S. 229. 301 Löffler, S. 179; Löffler bezieht sich auf S. 119 ff. auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, wonach „Freiwilligkeit“ der Berichtigung der Besteuerungsgrundlagen i. S. d. § 371 Abs. 1 nur in dem Sinne zu verstehen sei, als dass der Steuerschuldner hierzu nicht erst durch eine unmittelbare Gefahr der Tatentdeckung veranlasst wurde, RG, Urteil vom 04.01.1927, I 612/26 – RGSt 61, 115. 302 Löffler, S. 220. 303 Löffler, S. 231. 304 BGH, Urteil vom 19. März 1991 – 5 StR 516/90 –, BGHSt 37, 340; BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 5 StR 548/03 –, BGHSt 49, 136; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 415; Kottke, DStZ 1998, 151 (152). 305 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 415; Kottke, DStZ 1998, 151 (152). 300

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steht im Hinblick auf zahlreiche Wiedergutmachungsvorschriften, die das Nachtatverhalten des Täters mit Strafbefreiung oder Strafmilderung honorieren, auch kein zwingendes Bedürfnis nach einer Möglichkeit zum Rücktritt vom vollendeten bzw. beendeten Delikt. Folglich kann das von § 371 AO geforderte Verhalten keine Rücktrittshandlung darstellen.306 (2) § 371 AO enthält kein Freiwilligkeitskriterium Ein wirksamer Rücktritt nach § 24 StGB setzt neben der objektiven Rücktrittshandlung subjektiv die Freiwilligkeit des Rücktritts voraus. Der Rücktritt ist freiwillig, wenn der Täter, ohne dass aus seiner Sicht eine wesentliche Erschwerung der weiteren Tatausführung vorliegt, durch autonome Gründe dazu bestimmt wurde, von der weiteren Tatausführung abzusehen bzw. den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs abzuwenden.307 Demgegenüber ist der Rücktritt unfreiwillig, wenn der Täter durch heteronome Gründe zum Aufgaben bestimmt wurde, aus Sicht des Täters ein die Nichtvollendung erzwingendes Hindernis vorliegt.308 (a) Freiwilligkeit des Rücktritts als wesentliche Tatbestandsvoraussetzung Die Freiwilligkeit des Rücktritts ist in der geltenden Fassung von § 24 StGB eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für die Erlangung der Straflosigkeit. Wie die Untersuchungen von Lenckner/Schumann/Winkelbauer gezeigt haben, hat der Gesetzeswortlaut lediglich in den aus den Anfängen des StGB stammenden Rücktrittsnormen der §§ 158, 310 StGB in deren damaligen Fassungen auf das Merkmal der Freiwilligkeit verzichtet und stattdessen auf objektive Kriterien zurückgegriffen. Indes sei bereits bei diesen Vorschriften umstritten gewesen, ob „bei Unkenntnis dieser objektiven Kriterien nicht doch auf eine (subjektive) Freiwilligkeit des Rücktritts abzustellen gewesen sei.“ 309 Unter Berücksichtigung der Geschichte des Rücktrittsinstituts kommen Lenckner/Schumann/Winkelbauer daher zutreffenderweise zu dem Ergebnis, dass die Selbstanzeige sich jedenfalls von allen neueren Rücktrittsregelungen dadurch unterscheidet, dass sie nicht freiwillig erstattet werden muss.310 306

Wie hier: Rüping, DStR 2010, 1768 (1769). So die h. M., vgl. hierzu statt vieler Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rz. 44 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 308 Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 24 Rz. 45 m.w. N. 309 Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (123). 310 Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (123); a. A. wohl aber Ehlers, nach welchem der Zweck von § 371 AO auf der Erwägung beruhe, „daß der Staat gegenüber demjenigen, der aus eigenem Antrieb, freiwillig und durch eigene Handlung das Finanzamt so instand setzt, die Steuer so festzusetzen, als hätte er die Steuer von vorneherein ordnungsgemäß abgegeben, strafrechtlich Nachsicht üben kann, wenn und soweit der Steuerpflichtige dadurch die Vereinnahmung von zu wenig gezahlten Steuern herbeiführt oder wenigstens dazu beiträgt“, Ehlers, DStR 1974, 695 (695 f.). 307

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Das Element der Freiwilligkeit ist in der heutigen Fassung von § 24 StGB zwingende Tatbestandsvoraussetzung. Dementsprechend sind nach überwiegender Ansicht die Erwägungen zur Rechtfertigung der Straflosigkeit des Zurücktretenden nicht auf § 371 AO anwendbar, da § 371 AO ausschließlich auf das objektive Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale abstellt.311 (b) Keine Übertragung des Merkmals der Freiwilligkeit auf § 371 AO In § 371 Abs. 1 AO (ggf. i.V. m. Abs. 3) darf das Erfordernis einer freiwilligen Selbstanzeige nicht hineingelesen werden. Dem steht der ausdrückliche Wortlaut der Norm entgegen und eine entsprechende Auslegung wäre als eine Analogie zu Lasten des Täters unzulässig.312 Rüping weist darauf hin, dass die „Steuerehrlichkeit“ keine moralische Wertung enthalte, welche ein zusätzliches Freiwilligkeitserfordernis statuiere.313 Im Übrigen wurde die geänderte Rechtsprechung des BGH zum Erfordernis einer Rückkehr in die Steuerehrlichkeit durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz bereits im Gesetzestext mit der Einführung des Vollständigkeitsgebots berücksichtigt, ohne dass ein zusätzliches Erfordernis einer Freiwilligkeit des Steuerhinterziehers statuiert worden wäre. (c) Ausschlussgründe aus § 371 Abs. 2 AO statuieren keine Unfreiwilligkeit i. S. d. § 24 StGB § 371 Abs. 2 AO enthält kein Freiwilligkeitserfordernis i. S. d. § 24 StGB. So kommt es für die Bestimmung der Ausschlussgründe gemäß § 371 Abs. 2 AO nicht auf die Motive des Steuerhinterziehers an. Diese zeigt bereits der diesbezüglich eindeutige Wortlaut der Norm als auch die Vielzahl an Fällen, in denen der Täter bei Nichtvorliegen der Sperrgründe Straffreiheit erlangen kann, obwohl er unfreiwillig gehandelt hat. 311 Blumers, wistra 1985, 85 (86); Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO 1977 § 371 Rz. 5; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 32; Kohlmann, FS Geilen, 79 (85); MüKo StGB/ Kohler, § 371 Rz. 24. 312 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 12; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 36; Rüping, DStR 2010, 1768 (1769). 313 Rüping, DStR 2010, 1768 (1769); ebenso: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 17; verfehlt daher der Gesetzesentwurf der Fraktion der SPD eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung): So heißt es dort „Teilt der Täter der Finanzbehörde vor der Entdeckung der Tat freiwillig die richtigen Besteuerungsgrundlagen mit und zahlt fristgerecht die sich daraus ergebende Steuerforderung, wird er nach § 371 AO (Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung) straffrei (. . .).“ BT-Drucks. 17/1411, S. 4. Ein mit § 24 StGB vergleichbares Freiwilligkeitserfordernis ist hingegen weder ausdrücklich noch über die Ausschlussgründe verojektiviert in § 371 AO enthalten; ebenso: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 17.

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Beckemper ist der Auffassung, dass es dem Fiskus wohl eher gleichgültig sein dürfte, ob der Steuerhinterzieher aus autonomen oder heteronomen Beweggründen gehandelt hat.314 Im Übrigen weist Beckemper zutreffend darauf hin, dass es dem Staat sogar recht sein könne, wenn der Steuerhinterzieher aus fremdbestimmten Motiven und mithin unfreiwillig i. S. d. § 24 StGB Selbstanzeige erstatte.315 Das Erfordernis einer freiwilligen Selbstanzeige würde dem fiskalischen Zweck der Selbstanzeige sogar zuwiderlaufen.316 So führten gerade Situationen, in denen die Steuerhinterzieher die Entdeckung ihrer Steuerhinterziehung befürchten (wie etwa nach den Berichterstattungen über diverse Ankäufe von Steuer-CDs) zu einem Anstieg von Selbstanzeigen317 und damit zu einer erheblichen Vermehrung des Steueraufkommens. Auch dem Umstand, dass der Steuerhinterzieher bei Vorliegen eines Sperrgrunds gemäß § 371 Abs. 2 AO oft zugleich unfreiwillig handelte, ist nicht zu entnehmen, dass in der Unfreiwilligkeit der Grund für das Versagen der Strafbefreiung liegt.318 Wie Lenckner/Schumann/Winkelbauer zutreffend ausführen, ist Hintergrund der Sperrgründe nicht die Unfreiwilligkeit des Steuerhinterziehers in diesen Fällen, sondern vielmehr der Umstand, dass der Fiskus in diesen Fällen auch ohne die Selbstanzeige die bislang verborgenen Steuerquellen aufdecken und die Steuer zutreffend festsetzen kann.319 (d) Ausschlussgründe ähneln Unfreiwilligkeit Inhaltlich beschreiben die Ausschlussgründe Situationen, in denen es aus Sicht des Steuerhinterziehers oftmals keinen Sinn mehr macht, an der Steuerhinterziehung weiter festzuhalten und die vorenthaltenen Steuerquellen weiter zu verheimlichen.320 Dementsprechend ähneln die Ausschlussgründe der Unfreiwilligkeit i. S. d. § 24 StGB.321 Ein Teil der Literatur nimmt dies zum Anlass, eine nach

314

Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 17. Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 17. 316 Helml, S. 64; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 17, indes zieht Beckemper hieraus die Konsequenz, dass der Staat im Hinblick auf einen fiskalischen Zweck der Vorschrift auch keine Wiedergutmachungsbestrebungen privilegieren möchte, sondern es ihm ausschließlich um die Erschließung gehe. Nach hier vertretener Auffassung sind Zweck der Vorschrift und Rechtfertigung der Rechtsfolge indes voneinander zu trennen. Im Übrigen besteht der Zweck der Vorschrift wie gezeigt wurde nicht allein in fiskalischen Erwägungen, hierzu im 1. Teil unter B. III. 5. 317 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 AO Rz. 17. 318 Wie hier: Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (125). 319 Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (125). 320 Ebenso: Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 200; Kohlmann, FS Geilen, 79 (87). 321 Ebenso: Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 202, nachdem die Ausschlussgründe dem Prinzip der Freiwilligkeit i. S. d. § 24 StGB ähneln. 315

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eigenen Merkmalen definierte „freiwillige“ Berichtigungshandlung des Steuerhinterziehers zu verlangen.322 So müsse die Selbstanzeige nach Ehlers freiwillig erfolgen und eine Strafbefreiung erfolge nicht, wenn der Steuerhinterzieher unfreiwillig handelte.323 Dabei soll sich die Unfreiwilligkeit der Selbstanzeige aus der Auslösung eines Sperrgrundes ergeben.324 Nach Joecks enthält § 371 Abs. 2 AO eine eigene, abschließende Definition von Freiwilligkeit „im Sinne einer Berechenbarkeit der strafrechtlichen Folgen berichtigender Erklärungen“.325 Teilweise wird auf die „vermutete Unfreiwilligkeit“ des Selbstanzeigeerstatters bei Eingreifen eines Sperrgrundes abgestellt.326 Nach einem Teil der Literatur nehme der Gesetzgeber in § 371 Abs. 2 AO die Freiwilligkeit bzw. Unfreiwilligkeit der Selbstanzeige objektivierend an.327 Jedoch entspricht die von der Literatur angenommene „Unfreiwilligkeit“ des Steuerhinterziehers in den Fällen des § 371 Abs. 2 AO nicht derjenigen in § 24 StGB. So kommt es bei der Annahme eines Sperrgrundes nach § 371 Abs. 2 AO – außer bei § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO – im Gegensatz zur Sperrung des Rücktritts ausschließlich auf das objektive Vorliegen des Sperrgrundes an. Die subjek322 Ehlers, DStR 1974, 695 (696), wobei Ehlers Ausführungen nicht zu entnehmen ist, dass § 371 AO eine Rücktrittsvorschrift darstelle. Im Gegenteil: Ehlers unterscheidet zwischen dem Rücktritt und der Selbstanzeige, indem er den in der damaligen Literatur geführten Streit um das Konkurrenzverhältnis beider Rechtsinstitute zusammenfasst, Ehlers, a. a. O. (696). Ehlers scheint damit lediglich das Freiwillig- bzw. Unfreiwilligkeitselement in die Norm hineinzulesen; ebenso zumindest im Hinblick auf das Erfordernis einer freiwilligen Selbstanzeige auch Kopacek. Nach diesem liege die „ethische Rechtfertigung“ der Selbstanzeige in ihrer freiwilligen Erstattung, Kopacek, BB 1961, 41 (44 f.). Dementsprechend stelle die Selbstanzeige einen freiwilligen Akt der Offenbarung der Steuerhinterziehung dar, Kopacek, BB 1961, 41 (S. 44); Pfaff, 1971 S. 222 f. 323 Ehlers, DStR 1974, 695 (696). 324 Ehlers, DStR 1974, 695 (696). Gleichwohl räumt Ehlers ein, dass die Selbstanzeige im Hinblick auf ihre zusätzliche fiskalische Rechtfertigung jedenfalls bei der fahrlässigen oder grob fahrlässigen irrtümlichen Annahme des Steuerhinterziehers, dass die Tat entdeckt sei, nicht ausgeschlossen sei, Ehlers, DStR 1974, 695 (697 f.). 325 Grötsch, S. 29; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 37. 326 Grötsch, S. 29; Rübenstahl, Wij 2014, 190 (198). 327 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 200; ebenso bereits Hoffschmidt, der in § 371 Abs. 2 AO die Regelung „spezieller Fälle der Unfreiwilligkeit“ sieht, Hoffschmidt, S. 135; nach Hellmann stellten die Sperrgründe gemäß § 371 AO „an den Besonderheiten des Besteuerungsverfahrens orientierten Ausschlussgründe“ dar und beschrieben „in der Sache Situationen, in denen die Selbstanzeige nicht freiwillig erscheint, ersetzen also das Merkmal der Freiwilligkeit, das bei den persönlichen Strafaufhebungsgründen des allgemeinen Strafrechts wie Rücktritt vom Versuch und tätige Reue vom Gesetz gefordert wird“, Hellmann, FS Beulke, S. 405 (405); vgl. auch Hüls/ Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 31; vgl. auch Seer, nach dem § 371 Abs. 2 AO in bestimmten, abschließend geregelten Fällen die Strafbefreiung ausschließe, in denen der Täter nicht aus eigenem Antrieb zur Rechtsordnung zurückkehrt, Tipke/Lang/Seer, § 23 Rz. 59; ders., Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 3.

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tiven Vorstellungen und Motive des Selbstanzeigeerstatters sind unbeachtlich.328 Stellt der Steuerhinterzieher sich irrtümlich vor, ein Sperrgrund sei verwirklicht, und erstattet er dennoch Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO, ist seine Selbstanzeige wirksam und er erlangt Straffreiheit. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zu § 24 StGB, bei welchem der Täter, der irrtümlich davon ausgeht, dass sein Versuch fehlgeschlagen sei, nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann.329 Wegen der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit der subjektiven Vorstellungen und Motive des Selbstanzeigeerstatters scheidet ein Rückgriff auf § 24 StGB bzw. § 31 StGB zur Auslegung von § 371 AO damit aus. (3) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass zwischen § 371 AO und § 24 StGB deutliche Unterschiede bestehen, sodass eine Einordnung der Selbstanzeige als Rücktrittsvorschrift ausscheidet. Dennoch weist § 371 AO einige Parallelen zu § 24 StGB auf, da in beiden Fällen der strafrechtliche Erfolg letztendlich ausbleiben soll330 und eine Wiedergutmachung des schädlichen Eindrucks, den das jeweilige strafrechtliche Verhalten in der Gesellschaft hinterlassen hat, erfolgen soll.331 (4) Zwischenergebnis: Rückgriff auf Ratio von § 24 StGB zur Bestimmung der Ratio von § 371 AO Wegen der dargestellten Parallelen zwischen der Selbstanzeige und dem Rücktritt bietet sich zur Rechtfertigung ihrer Strafbefreiung grundsätzlich ein Rückgriff auf die Erwägungen, die zur Rechtfertigung der Strafbefreiung des Zurück328

Blumers, wistra 1985, 85 (86). MüKo StGB/Herzberg/Hoffmann-Holland, § 24 Rz. 52. 330 Wie hier: Löffler, S. 124; Kohlmann, wistra 1982, 2 (5). 331 Wie hier im Ergebnis auch Hoffschmidt demzufolge es nahe liegt, i. R. d. Wiedergutmachung diejenigen Überlegungen zurückzugreifen, die auch im Rahmen des Rücktritts zur Rechtfertigung der Strafbefreiung angestellt werden. Hoffschmidt stützt seine These auf die Ähnlichkeiten zwischen der Wiedergutmachung und des Rücktritts vom beendeten Versuch abstellt: So habe der Täter nach Hoffschmidt in beiden Fällen das aus seiner Sicht für den Eintritt des deliktischen Erfolgs Notwendige unternommen. Beim Rücktritt vom Versuch muss der Täter den Eintritt des Erfolgs durch sein eigenes Handeln verhindern. Bei der Wiedergutmachung hingegen muss der Täter durch sein eigenes Handeln den bereits eingetretenen deliktischen Erfolg wieder beseitigen. Hoffschmidt, S. 158. Hoffschmidt kommt nach ausgiebiger Untersuchung zum Ergebnis, dass die Theorien zur Rechtfertigung des Rücktrittsinstituts im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgangssituation nicht auf § 371 AO übertragbar sei. Jedoch enthalten nach seiner insbesondere die Strafzwecktheorien gedankliche Ansätze, die im Rahmen seiner Überlegungen zu berücksichtigen seien, Hoffschmidt, S. 169. 329

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tretenden angestellt werden, an. Wegen der herausgearbeiteten Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten sind diese Erwägungen jedoch an die steuerstrafrechtlichen Besonderheiten der Selbstanzeige anzupassen. c) § 371 AO als Wiedergutmachungsvorschrift oder Tätige Reue-Vorschrift Indem § 371 AO bei nachträglicher Wiedergutmachung der Steuerhinterziehungstat Straffreiheit gewährt, bietet sich ein Versuch der Einordnung der Selbstanzeige in das System der Wiedergutmachungsvorschriften oder die Vorschriften über die Tätige Reue an. aa) Überblick über die Rechtfertigung der strafmildernden bzw. strafbefreienden Wirkung der Wiedergutmachung, Tätigen Reue sowie des Täter-Opfer-Ausgleichs Ausgangspunkt der Wiedergutmachungsvorschriften ist der Gedanke, dass die Strafe des Täters, der den von ihm verursachten Schaden wiedergutmacht und sich im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs um die Versöhnung mit dem Opfer bemüht, gemildert oder zur Bewährung ausgesetzt werden kann oder sogar auf sie verzichtet werden kann.332 Nach Roxin erfüllen die Versöhnung und die Wiedergutmachung im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs die Anforderungen aller Strafzwecke und die durch sie bewirkte Strafmilderung sei demnach auch vor jedem dieser Hintergründe gerechtfertigt.333 So erfolge durch die Wiedergutmachung des Schadens und die Beseitigung der immateriellen Folgen der Tat durch eine Versöhnung der Ausgleich der Tat, da auf diese Weise der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werde.334 332 Roxin, FS Lorenz, S. 51 (51). Wie Roxin gezeigt hat, birgt die Wiedergutmachung als Rechtsinstitut für alle Beteiligten des Strafverfahrens, den Geschädigten, den Täter und sogar die Justiz entscheidende Vorteile: So wird hierdurch der durch die Straftat beim Geschädigten auftretende Schaden möglichst unkompliziert, und ohne das Erfordernis, langwidrige Ädhasionsverfahren betreiben zu müssen, beglichen. Darüber hinaus stellt das Institut der Wiedergutmachung dem Täter die Reduzierung seiner Strafe in Aussicht, sodass er „motiviert wird, alle seine Kräfte für eine Ausgleichsregelung einzusetzen, die das Opfer zufriedenstellt“. Schließlich profitiert auch die Justiz von der Wiedergutmachung als Rechtsinstitut, da es dazu führt, dass Zivilprozesse und Vollstreckungsverfahren vermieden werden können. Für alles: Roxin, FS Lorenz, S. 51 (51). 333 So haben die Wiedergutmachung und Versöhnung einen positiven Eindruck auf die soziale Haltung des Täters und könnten somit viel zur Erfüllung des sozialpräventiven Zwecks beitragen, Roxin, FS Lorenz S. 51 (56). Darüber hinaus sei die Wiedergutmachung und Versöhnung bei vielen Delikten auch geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirkung des Strafrechts wieder zu stärken und genügten damit zugleich auch dem generalpräventiven Zweck der Strafandrohung, Roxin, FS Lorenz, S. 57 f. 334 So Roxin für die Wirkungen der TOA: Roxin, FS Lorenz, S. 51 (55).

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Dieser Grundgedanke lässt sich auf die übrigen Wiedergutmachungsvorschriften übertragen. Indem der Täter die Folgen der Tat wiedergutmacht, erfolgt ein Ausgleich seines Erfolgsunrechts. Sofern der Täter mit der Wiedergutmachungshandlung darüber hinaus auch das Handlungsunrecht der Tat wiedergutmacht, ist die Milderung seiner Strafe oder ein Absehen von Strafe auch im Hinblick auf den Zweck der Strafandrohung für die verwirklichte Straftat gerechtfertigt. bb) Übertragbarkeit dieser Erwägungen auf § 371 AO: Die Selbstanzeige im System der Wiedergutmachungsvorschriften und Tätige Reue-Vorschriften Diese Erwägungen ließen sich auch auf § 371 AO übertragen, wenn § 371 AO Teil des Systems der Wiedergutmachungsvorschriften und bzw. oder der Vorschriften über die Tätige Reue wäre. Bereits Lelewer vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Selbstanzeige um eine besondere Form der Tätigen Reue handele.335 Auch List sah die Selbstanzeige gemäß § 371 AO als eine Erscheinungsform der Tätigen Reue an und war der Auffassung, dass die Strafbefreiung in § 371 Abs. 1 S. 1 AO sich mit denselben Gründen rechtfertigen lasse, die auch i. R. v. § 46 StGB zu einer Privilegierung des Täters führten.336 So mache die Selbstanzeige den Schaden der Steuerhinterziehung objektiv wieder gut.337 Daneben stellte List auf eine subjektive Vergleichbarkeit der Selbstanzeige mit anderen Formen der Tätigen Reue ab, da die Tätige Reue-Vorschriften bei Unfreiwilligkeit des Täters keine Strafaufhebung gewährten.338 Dieser Ansatz wurde von der älteren Literatur zumeist abgelehnt. So verwiesen Lenckner/Schumann/Winkelbauer auf das im deutschen Strafrecht „uneingeschränkt geltende Prinzip“, dass die Strafbarkeit eines Verhaltens nicht mehr durch die Wiedergutmachung des hieraus resultierenden Schadens beseitigt wer335

Lelewer, S. 75. List, S. 10 f. und List, S. 13; nach List sei auch hier die durch das Gesetz vorgeschriebene Wiedergutmachungshandlung eine „lohnenswerte Tat“ und die Beseitigung des durch die Steuerhinterziehung verursachten Schadens erscheine „im öffentlichen und finanzpolitischen Interesse als wünschenswert und lohnenswert, List, S. 13 f. 337 So sei die Selbstanzeige, da der Schaden der Steuerhinterziehung schon eingetreten ist, auf die Vornahme eines positiven Tuns, nämlich der Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens, gerichtet. Da der Steuerhinterzieher seine steuerlichen Erklärungspflicht und seine Steuerzahlungspflicht verletzt habe, müsse eine Tätige Reue die Beseitigung dieser Pflichtverletzungen – durch Nachholung der erforderlichen Erklärung und Nachzahlung der verkürzten Steuern – beinhalten, vgl. List, S. 11. 338 So weise die Selbstanzeige in subjektiver Sicht Ähnlichkeiten zu den anderen Formen der Tätigen Reue auf, da diese entweder eine Freiwilligkeit der Tätigen Reue tatbestandlich voraussetzten oder zumindest „Kriterien der Unfreiwilligkeit“ enthielten. Die Sperrgründe der Selbstanzeige bildeten dabei nach List Merkmale der Unfreiwilligkeit, List, S. 11. 336

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den könne.339 § 371 AO könne danach schon deshalb nicht mit den allgemeinstrafrechtlichen Wiedergutmachungsvorschriften verglichen werden, da die Norm nicht lediglich strafmildernd, sondern strafbefreiend wirke.340 Dem ist zuzugeben, dass früher im allgemeinen Strafrecht341 Wiedergutmachungshandlungen lediglich im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden konnten (vgl. § 46 Abs. 2 StGB). Der Argumentation von Lenckner/ Schumann/Winkelbauer wurde allerdings spätestens mit der durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994342 erfolgten Normierung des TäterOpfer-Ausgleichs in § 46a StGB die Grundlage entzogen. (1) Überblick über Wiedergutmachungsvorschriften im Strafrecht und Vergleich mit § 371 AO Im allgemeinen Strafrecht und im Nebenstrafrecht existieren eine Vielzahl von Vorschriften, die das Nachtatverhalten des Täters mit Strafmilderung, der Möglichkeit des Absehens von Strafe sowie mit Strafbefreiung belohnen. Im Folgenden soll dabei zwischen den Wiedergutmachungsvorschriften der §§ 46 und 46a StGB und den Vorschriften über die Tätige Reue unterschieden werden. Anders als die Vorschriften um die Tätige Reue, stellen die Wiedergutmachungsvorschriften der §§ 46 Abs. 2 S. 2 Alt. 6 und 46a StGB Strafzumessungsvorschriften dar. Die einzelnen Vorschriften unterscheiden sich teilweise erheblich voneinander, ein geschlossenes System der Wiedergutmachungsvorschriften

339 Vgl. auch Meyer, nach dem die Selbstanzeige aus vordemokratischer Zeit stamme und bei ihrer Entstehung Aspekte der Resozialisierung keine Rolle gespielt hätten in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879 (884); Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (123). 340 Lenckner/Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (123). Freilich hatte auch List diese – damalige – Besonderheit der Selbstanzeige, nach Vollendung und sogar Beendigung Straffreiheit zu gewähren, gesehen. Für List war dies allerdings kein Widerspruch. Dies stelle zwar eine Ausnahme im deutschen Strafrecht dar. In ausländischen Rechtsordnungen gebe es jedoch häufig Beispiele dafür, dass die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens im Rahmen von Vermögensdelikten häufig zum gänzlichen Fortfall der Strafe, der teilweisen Strafmilderung oder Strafminderung zur Folge habe. Als Beispiel verweist List auf § 187 a. F. des Österreichischen StGB, wonach der Täter eines Diebstahls oder einer Untreue bei freiwilliger Wiedergutmachung des Schadens straffrei werde. Grund hierfür sei nach List im Wesentlichen, dass der vom Straftäter aus eigenem Antrieb geleistete Ersatz als ein Beweis für die geringe Intensität seines verbrecherischen Entschlusses gelte bzw. weil die Wiedergutmachung regelmäßig eine lohnenswerte Tat sei, List, S. 13 f. 341 Bereits zuvor existierten Vorschriften über den Täter-Opfer-Ausgleich im Jugendstrafrecht, so etwa § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 JGG und § 45 Abs. 2 S. 2 JGG. 342 Vgl. den Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 18.02. 1994, BT-Drs. 12/6853.

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1. Teil: Allgemeines

liegt nicht vor.343 Damit ist die Einordnung von § 371 AO als Wiedergutmachungsvorschrift jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. (a) § 46 StGB Gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 Alt. 6 StGB ist das Verhalten des Täters nach der Tat, insbesondere sein Bemühen zur Wiedergutmachung des Schadens, im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Das Nachtatverhalten des Täters ist als Strafzumessungsgrund verwertbar, wenn es Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zur Tat oder zu deren Unrechtsgehalt zulässt.344 So kann das Bemühen des Täters, den Schaden wiedergutzumachen, zwar nicht den Erfolgsunwert345 der Tat beseitigen. Es lässt jedoch Schlussfolgerungen auf seine Gesinnung zu.346 Deshalb ist neben den in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ausdrücklich genannten Umständen jedes Tun oder Unterlassen des Täters im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, „das Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt, auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche des Täters hinweist oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt.“ 347 Im Steuerstrafrecht besteht gegenüber dem allgemeinen Strafrecht die Besonderheit, dass der wesentliche, das Maß der Schuld begründende Umstand sich aus dem Verkürzungsschaden der Steuerhinterziehung ergibt.348 Darüber hinaus kommen als Milderungsgründe alle Formen der Tätigen Reue in Betracht, und zwar auch dann, wenn das Verhalten des Täters die Voraussetzungen von § 46a StGB nicht erfüllt.349 Wie in § 46 StGB, der dem Bemühen um die Wiedergutmachung des Schadens strafmildernde Wirkung zuspricht, ist auch die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige von einem Ausgleich des Schadens der Steuerhinterziehung abhängig.350 Ist die Selbstanzeige unwirksam, etwa weil keine vollständige Berichtigung erfolgte, ein Ausschlussgrund gemäß § 371 Abs. 2 AO vorliegt oder aber die Zahlungsfrist gemäß § 371 Abs. 3 AO überschritten wurde, tritt zwar keine Straf-

343

Wie hier: Wegner, HRRS 2014, 52 (52 ff.); Wegner, SteuK 2014, 199 (200). Fischer, § 46 Rz. 46. 345 Im Gegensatz zu der tatsächlichen Schadensbeseitigung, vgl. LK/Theune, § 46 Rz. 214. 346 LK/Theune, § 46 Rz. 214. 347 Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, § 46 Rz. 39. 348 Matschke, wistra 2012, 457 (458). 349 Fischer, § 46 Rz. 47. 350 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung im 1. Teil unter B. IV. 5. a). 344

B. Grundlagen der Untersuchung

101

freiheit ein. Eine unwirksame Selbstanzeige wirkt i. d. R. jedoch zumindest strafmildernd.351 Wesentlicher Unterschied zwischen § 46 StGB und § 371 AO ist der Umstand, dass § 46 StGB eine Strafzumessungsvorschrift ist und dem Gericht einen Ermessensspielraum eröffnet, während § 371 AO eine zwingende Rechtsfolge anordnet. Zumindest jedoch zeigt die Existenz von § 46 StGB, dass das Verhalten des Täters nach seiner Tat Einfluss auf die Höhe seiner Strafe hat und damit auch bei Vollendung oder Beendigung der Tat von hoher Relevanz ist. (b) § 46a StGB (Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung) (aa) Nachträgliche Wiedergutmachung und Ausgleich der Folgen der Tat als Voraussetzung für die Privilegierung Gemäß § 46a Nr. 1 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 46 Abs. 1 StGB mildern oder von Strafe absehen, wenn der Täter, in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat. Gemäß § 46a Nr. 2 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 46 Abs. 1 StGB mildern oder von Strafe absehen, wenn der Täter in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder überwiegend entschädigt. Durch die Aussicht auf Strafmilderung bzw. ggf. sogar Strafbefreiung soll dem Täter ein Anreiz zur Erbringung von Wiedergutmachungshandlungen gegeben werden.352 Im Wesentlichen regeln auch § 46a Nr. 1 und Nr. 2 StGB die strafreduzierende Wirkung des Verhaltens des Täters nach seiner Tat. Mit beiden Alternativen von § 46a StGB besteht die Möglichkeit des Täters, nach Vollendung und Beendigung des Straftatbestands aufgrund von Wiedergutmachungshandlungen bzw. aufgrund des ernsthaften Bemühens um Wiedergutmachung Strafmilderung bzw. ein Absehen von Strafe zu erlangen. Zumindest in dieser Hinsicht besteht eine deutliche Ähnlichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige.353 Wie gezeigt wurde, setzt eine wirksame Selbstanzeige die Wiedergutmachung des Unrechts der Steuerhinterziehung voraus. Ebenso wie 351 Bilsdorfer, BB 1982, 670 (673); Hellmann, FS Beulke, S. 405 (407), nach dem die unwirksame Selbstanzeige strafmildernde Wirkung entfallen kann, wenn sie eine „gewisse ,Verdienstlichkeit‘ erkennen“ lasse; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 320; Rainer, DStR 1992, 901 (901). 352 BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, § 46a Rz. 1. 353 Wie hier: Brauns, wistra 1996, 214 (215).

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1. Teil: Allgemeines

bei § 46a StGB ist die Rechtsfolge des wiedergutmachenden Verhaltens zumindest eine Reduzierung der Strafe, wobei § 371 AO den Steuerhinterzieher freilich von seiner Strafe befreit und damit deutlich weitergehend als § 46a StGB wirkt. (bb) Zum Verhältnis von § 46a StGB und § 371 AO Die Anwendbarkeit von § 46a StGB auf Steuerhinterziehungen ist umstritten.354 Nach der überwiegenden Meinung soll bei der Steuerhinterziehung jedenfalls ein Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB ausgeschlossen sein, weil ein Ausgleich auch der immateriellen Folgen der Tat einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer erforderte, was bei der Steuerhinterziehung als Straftat gegen die Allgemeinheit und mithin als „opferloses“ Delikt nicht möglich sei.355 § 46a Nr. 2 StGB sei demgegenüber auch bei Steuerhinterziehungen anwendbar.356 Die beiden Rechtsinstitute unterscheiden sich in ihren Anwendungsbereichen. Während es bei § 46a StGB nicht auf die Art der Tat ankommt und der TäterOpfer-Ausgleich sowie die Wiedergutmachung nach § 46a Nr. 2 StGB grundsätzlich bei allen Delikten in Betracht kommen kann357, ist § 371 AO nur auf Steuerhinterziehungen anwendbar. (a) Unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 und Nr. 2 StGB unterscheiden sich erheblich von denjenigen der Selbstanzeige. Gemäß § 46a Nr. 1 AO ist das Bemühen des Täters um einen Ausgleich mit dem Verletzten der Tat erforderlich. Es kommt damit auf einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer an, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss, sodass das Verhalten 354

Vgl. hierzu die zahlreichen Nachweise bei LK/Theune, § 46a Rz. 23. BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, § 46a Rz. 13 m.w. N.; Eckstein, FS Schroeder, S. 777 (780); Woring, DStZ 1996, 459 (460); a. A. Herrspink, 2002, S. 113. 356 BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – 1 StR 634/09, wistra 2010, 152; Brauns, wistra 1996, 214 (216 und 219); Hellmann, FS Beulke, S. 405 (408); Jesser, S. 73 ff. und 86 f.; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 423; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 826; MüKo StGB/Maier, § 46a Rz. 4; Schwedhelm/Spatscheck, DStR 1995, 1449 (1450 f.). 357 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 329; vgl. die Aufzählung der Delikte, bei denen ein TOA oder eine Wiedergutmachung des Schadens ausscheiden bei Maier, MüKo StGB/Maier § 46 Rz. 3; Schönke/Schröder/Stree/Kinzip, § 46a Rz. 4; a. A. Blesinger, wonach § 46a StGB nicht auf Steuerstraftaten anwendbar ist, Blesinger, wistra 1996, 90 (91). 355

B. Grundlagen der Untersuchung

103

des Täters „Ausdruck seiner Übernahme der Verantwortung für die Tat“ ist.358 Dies beinhaltet eine Entschuldigung des Täters bei dem Opfer sowie ggf. die Ersetzung des materiellen und immateriellen Schadens der Tat.359 Die Wiedergutmachung der Folgen der Tat ist bei § 46a StGB als Teil eines friedensstiftenden Ausgleichs anzusehen.360 Damit geht es bei § 46a Nr. 1 StGB zwar nicht nur, aber vor allem um den Ausgleich der immateriellen Folgen der Tat.361 Hier liegen die wesentlichen Unterschiede zu § 371 AO. § 371 AO verlangt zwar die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung.362 Der Selbstanzeigeerstattende muss jedoch mit seiner Selbstanzeige keine weitere Verantwortung für seine Steuerhinterziehung übernehmen. Er muss nicht einmal angeben, dass eine Steuerhinterziehung stattgefunden hat. Es kommt für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ferner auch nicht auf einen Ausgleich immaterieller Schäden an.363 Auch § 46a Nr. 2 StGB knüpft an andere Voraussetzungen als § 371 AO an. Zwar geht es hier maßgeblich um die materielle Kompensation der Tatfolgen364, sodass § 46 Nr. 2 StGB eher Ähnlichkeiten zu § 371 AO aufweist als § 46 Nr. 1 StGB. Hierfür spricht auch, dass es bei § 46a Nr. 2 StGB nicht auf einen kom358 359 360 361

Detter, NStZ 2016, 391 (396); Schönke/Schröder/Stree/Kinzip, § 46a Rz. 2. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Streng, § 46a Rz. 12. Schönke/Schröder/Stree/Kinzip, § 46a Rz. 2. Vgl. hierzu die zahlreichen Nachweise bei Schönke/Schröder/Stree/Kinzip, § 46a

Rz. 2. 362

Siehe hierzu im 1. Teil unter B. IV. 5. a). Nach wohl herrschender Meinung kommt ein Ausgleich immaterieller Schäden bei der Steuerhinterziehung ohnehin nicht in Betracht, sodass ein TOA bei § 370 AO stets ausscheide, vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 399/00 m.w. N.; ebenso Hellmann, FS Beulke, S. 405 (408); die Anwendbarkeit von § 46a StGB auf Steuerhinterziehungen grundsätzlich ablehnend Blesinger, wistra 1996, 90 (91); a. A. Lackner/Kühl, nach denen § 46a bei Steuerhinterziehungen nicht notwendig unanwendbar ist, Lackner/Kühl, § 46a Rz. 2. 364 In der Literatur wird zwischen den einzelnen Alternativen von § 46a StGB nicht wie insbesondere in der Rechtsprechung hinsichtlich des Ausgleichs von immateriellen Schäden (dann Nr. 1) und materiellen Schäden (dann Nr. 2) unterschieden, so etwa BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, wistra 1995, 308. Vielmehr wird in der Literatur auf die Art der vom Täter zu erbringende Leistung abgestellt, vgl. hierzu etwa mit zahlreichen Nachweisen LK/Theune, § 46a Rz. 31. Danach unterscheide § 46a StGB „nicht nach Schadensarten, sondern nach Leistungskategorien, indem § 46a Nr. 1 StGB mehr Gewicht auf immaterielle Leistungen legt und § 46a Nr. 2 StGB mehr Gewicht auf materielle Leistungen des Täters legt“. Vgl. hierzu auch Rose, nach dem der wesentliche Unterschied bei den Leistungsanforderungen an den Täter nach § 46a Nr. 1 StGB und § 46 Nr. 2 StGB darin liege, „dass Nr. 2 die vollständige oder überwiegende Wiedergutmachung des Schadens verlangt, während für Nr. 1 auch das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung ausreicht, soweit die dem Täter möglich und zumutbar ist. Als Kompensation für die Leistungseinschränkung verlangt Nr. 1 aber den Täter-Opfer-Ausgleich in Form einer Konfliktregelung“, Rose, JR 2010, 189 (191) m.w. N. 363

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1. Teil: Allgemeines

munikativen Prozess zwischen Täter und Geschädigten ankommt.365 Dennoch bedarf es grundsätzlich auch hier der Einbeziehung des Opfers, da die Schadenswiedergutmachung nach der h. M. eine „friedensstiftende Wirkung entfalten können muss“.366 Die schlichte zivilrechtliche Ausgleichung des Schadens genügt hierfür nicht.367 So verlangt § 46a Nr. 2 StGB, dass der Täter die Wiedergutmachung durch eine erhebliche persönlich übernommene Leistung oder durch einen persönlichen Verzicht erreicht368 und sich mit einem besonderen persönlichen Einsatz um die materielle Wiedergutmachung bemüht.369 Dabei muss der Schaden in einer als „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“ gerade gegenüber dem Opfer zu wertenden Art und Weise wiedergutgemacht werden.370 Im Rahmen von § 371 AO kommt es nicht darauf an, ob der Selbstanzeigeerstatter mit seiner Selbstanzeige gemäß § 371 AO „Verantwortung für die Steuerhinterziehung“ übernimmt. Es ist unerheblich, ob die Erstattung der Selbstanzeige mit besonderen persönlichen Anstrengungen des Täters verbunden ist. Maßgeblich ist, dass die Voraussetzungen der Selbstanzeige objektiv erfüllt sind, einer Auseinandersetzung mit der Steuerhinterziehung bedarf es nicht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen § 46 Nr. 1 und Nr. 2 StGB zu § 371 AO liegt damit darin, dass der Täter-Opfer-Ausgleich eine bestimmte, persönliche Leistung des Täters verlangt, die aufgrund der genannten Voraussetzungen als belohnenswert erscheint. Wie der Täter einen Ausgleich mit dem Opfer anstrebt oder welche Anstrengungen ihm die Wiedergutmachung i. R. v. § 46a Nr. 2 StGB bereitet hat, ist dem Täter nicht vorgeschrieben. § 371 AO verlangt weder eine belohnenswerte Leistung des Steuerhinterziehers noch hat er eine Wahl, auf welche Art und Weise er seine Tat wiedergutmacht. Gemäß § 371 AO ist die Strafbefreiung nur bei Vornahme bestimmter, festgelegter Handlungen möglich: Bei eigennützig hinterzogenen Steuern muss der Täter die Berichtigungserklärung gemäß Abs. 1 abgeben und die Steuern inkl. der Hinterziehungszinsen innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist nachzahlen. Bei fremdnützig hinterzogenen Steuern genügt die Abgabe der Be365

LK/Theune, § 46a Rz. 41; MüKo StGB/Meier § 46a Rz. 42. MüKo StGB/Meier § 46a Rz. 42. 367 BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, wistra 1995, 308; vgl. auch die kritische Anmerkung von Rose, der darauf hinweist, dass das „entscheidende Abgrenzungsmerkmal zwischen strafrechtlicher Schadenswiedergutmachung und zivilrechtlichem Schadensersatz in der in § 46a Nr. 2 StGB aufgeführten persönlichen Leistungskomponente liegt“, Rose, JR 2010, 189 (194). 368 Lackner/Kühl, § 46a Rz. 4. 369 BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, wistra 1995, 308; Lackner/ Kühl, § 46a Rz. 4. 370 BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, wistra 1995, 308; MüKo StGB/Meier § 46a Rz. 41; Schönke/Schröder/Stree/Kinzip, § 46a Rz. 6. 366

B. Grundlagen der Untersuchung

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richtigungserklärung zur Erlangung der Strafbefreiung. Liegen keine Sperrgründe gemäß § 371 Abs. 2 AO vor, wird der Steuerhinterzieher straffrei. § 371 AO ist damit einerseits weiter als § 46a Nr. 1 und Nr. 2 StGB, da es nicht auf eine Übernahme der Verantwortung der Tat ankommt, andererseits aber auch deutlich enger, da § 371 AO dem Steuerhinterzieher nur bei einer bestimmten Handlung bzw. einer bestimmten, vorher festgelegten Handlungsfolge (der Berichtigungshandlung sowie ggf. der Nachzahlung) Straffreiheit zukommen lässt und die Möglichkeit zur Selbstanzeige nicht zeitlich unbeschränkt möglich ist. Sobald ein Sperrgrund gemäß § 371 Abs. 2 AO verwirklicht wurde, kann der Steuerhinterzieher nicht mehr wirksam Selbstanzeige erstatten.371 Bei § 46a StGB hingegen sind die Wiedergutmachung und der Täter-Opfer-Ausgleich in jedem Stadium des Verfahrens möglich.372 Darüber hinaus ist im Rahmen von § 46a StGB nicht erforderlich, dass der Täter den Schaden vollständig wiedergutmacht. Hier genügt es, wenn der Täter seine Tat zum „überwiegenden Teil wiedergutgemacht“ hat (Nr. 1) bzw. das Opfer zum überwiegenden Teil entschädigt hat (Nr. 2). Dabei genügt gemäß § 46a Nr. 1 StGB bereits das ernsthafte Erstreben des Täters hinsichtlich einer Wiedergutmachung. Im Rahmen von § 371 AO kommt es hingegen darauf an, dass die Berichtigungserklärung vollständig ist und die Nachzahlung vollständig und fristgerecht erfolgt. Bleibt die Selbstanzeige hinter diesen Anforderungen zurück, kommt es weder auf die Gründe hierfür an noch ist es relevant, ob der Täter sich bemüht hat. (b) Unterschiedliche Rechtsfolgen Darüber hinaus unterscheiden sich auch die Rechtsfolgen der beiden Rechtsinstitute voneinander. Erfüllt der Täter die in § 46a StGB normierten Anforderungen, erhält er keinen Anspruch auf die Strafmilderung oder auf das Absehen von Strafe. Vielmehr steht die Strafmilderung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.373 Zwar ist das Gericht in seiner Entscheidung, von Strafe abzusehen, 371 Daneben bleibt aber die Möglichkeit, bei Erfüllen der Voraussetzungen einer Anwendung von § 46a StGB. Brauns, wistra 1996, 219; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 423. Entsprechendes gilt für die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 2 StGB auch dann, wenn die Selbstanzeige aus anderen Gründen nicht wirksam ist, etwa weil der Täter keine korrekte Berichtigungserklärung abgeben kann oder nicht in der Lage ist die zu eigenen Gunsten hinterzogenen Steuern trotz erheblicher persönlicher Verzichtleistungen vollständig nachzuzahlen. Wie hier und mit weiteren Beispielen Joecks/Jäger/ Randt/Joecks, § 371 Rz. 423. 372 So sollen gemäß § 155a StPO die Staatsanwaltschaft und das Gericht in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeit prüfen, einen Ausgleich zwischen dem Beschuldigten und dem Verletzten zu erreichen. Vgl. hierzu auch die Darstellung bei LK/ Theune, § 46a Rz. 52. 373 Vgl. hierzu die zahlreichen Nachweise bei Schönke/Schröder/Stree/Kinzip, § 46a Rz. 6 und vgl. hierzu auch den Bericht des Rechtsausschusses zum Verbrechensbe-

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1. Teil: Allgemeines

nicht vollkommen frei, da es gemäß § 46a a. E. StGB nur dann von Strafe absehen kann, wenn der Täter mit seiner Tat keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirklicht hat. Die Vorschrift eröffnet dem Gericht aber einen weiten Bewertungsspielraum und ermöglicht eine flexible Gesamtwürdigung des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände.374Die Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund sieht demgegenüber zwingende Strafbefreiung vor.375 (cc) Zwischenergebnis Wie gezeigt wurde, bestehen zwischen § 46a Nr. 1 und Nr. 2 StGB einerseits und § 371 AO andererseits einige Unterschiede. Diesen Unterschieden ist jedoch nicht der Schluss zu entnehmen, dass § 371 AO nicht als Teil des Systems der Wiedergutmachungsvorschriften angesehen werden kann. So geht es in beiden Rechtsinstituten darum, ein bestimmtes Verhalten des Täters nach seiner Tat zu honorieren. Hintergrund dieser Unterschiede sind die unterschiedlichen Anwendungsbereiche und Ziele beider Rechtsinstitute.376 So ist die offene Formulierung von § 46a StGB dessen grundsätzlich unbeschränkter Anwendbarkeit auf alle Delikte geschuldet. Da die Straftaten sich hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen erheblich voneinander unterscheiden, ist eine einheitliche Wiedergutmachungshandlung bezüglich jedes materiellen Schadens bzw. zwecks Ausgleichs mit dem Opfer der Tat nicht denkbar.377 Ein Ausgleich des Täters mit dem Opfer eines Betrugs erfolgt auf ganz andere Art und Weise als ein Ausgleich des Täters mit dem Opfer einer Körperverletzung.

kämpfungsgesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU (s. Rz. 228) vom 20.10.1994, mit dem den Forderungen der Fraktion der SPD nach einer zwingenden und umfassenden Rechtsfolge des Täter-Opfer-Ausgleichs eine Absage erteilt wurde: Die SPD hatte zuvor gefordert, den Täter-Opfer-Ausgleich sowohl im materiellen Strafrecht als auch auf „allen Ebenen und insbesondere im Strafprozessrecht, von der Strafzumessung über die Strafaussetzung zur Bewährung bis hin zur Strafvollstreckung“ zu berücksichtigen. Im Übrigen sollte die Regelung einen Kernbereich enthalten, der eine zwingende Milderung insbesondere für Eigentums- und Vermögensdelikte, bei denen keine Gewalt gegen Personen angewandt, nicht mit Gefahren für Leib oder Leben gedroht worden und der Ausgleich vor der Entdeckung der Tat gelungen sei, vorsehe, BT-Drs. 12/6853, S. 4 f. 374 MüKo StGB/Maier § 46a Rz. 44. 375 Wessing/Biesgen sprechen insofern von einer für das deutsche Strafrecht „weitgehend einmaligen“ Rechtsfolge, Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 11. 376 Ebenso: Jesser, S. 72 f. 377 Dabei gilt, dass die Wiedergutmachungsbemühungen des Täters grundsätzlich um so höheren Anforderungen genügen müssen, um so schwerer seine Straftat wiegt. Im Übrigen können sich aus den tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 46a Nr. 1 und 2 StGB Anwendungsbeschränkungen ergeben, BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, § 46a Rz. 1.

B. Grundlagen der Untersuchung

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Ein Ausgleich mit dem Fiskus wegen etwaiger immaterieller Schäden der Steuerhinterziehung ist bereits wegen des Fehlens einer natürlichen Person als Geschädigter der Steuerhinterziehung nicht möglich.378 Entscheidend ist jedoch, dass es keine immateriellen Schäden der Steuerhinterziehung gibt, die auszugleichen sein könnten.379 Die Wiedergutmachung einer Steuerhinterziehung erfolgt unter ganz anderen Umständen als etwa die Wiedergutmachung einer Erpressung oder einer Nötigung. Auch die Selbstanzeige ist im Hinblick auf ihre strikten Tatbestandsvoraussetzungen für den Steuerhinterzieher mit erheblichen Anstrengungen verbunden, sodass eine Einordnung der Selbstanzeige in das System der Wiedergutmachungsvorschriften auch vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen ist. Dabei kann mit Hellmann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachzahlungsverpflichtung für den Steuerhinterzieher keinen persönlichen Verzicht darstelle.380 Grund hierfür ist, dass die einzelnen Steuerhinterziehungen sich erheblich voneinander unterscheiden, sodass das „Täterklischee des Steuerhinterziehers, (. . .) der aus selbstsüchtigen Gründen dem Fiskus Steuern vorenthält, die er bei Aufdeckung der Tat unproblematisch aus dem vorhandenen, durch die Steuerhinterziehungen vermehrten Vermögen erstatten kann“ 381, nicht der Realität entspricht. § 46a StGB und § 371 AO nehmen im Rahmen der Wiedergutmachung der Straftat unterschiedliche Aufgaben wahr und stehen voneinander unabhängig im System der Wiedergutmachungsvorschriften nebeneinander.382 (c) Zwischenergebnis: Trotz Unterschieden zwischen §§ 46 Abs. 2 Alt. 6 und 46a StGB ist § 371 AO Teil der Wiedergutmachungsvorschriften Sowohl §§ 46 Abs. 2 Alt. 6, 46a StGB als auch § 371 AO belohnen die Wiedergutmachung des Schadens der Straftat. Auch wenn §§ 46, 46a StGB und § 371 AO unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen enthalten, ist der Wiedergutmachungsaspekt (bei § 46a StGB stärker noch als bei § 46 StGB) ein

378 Wie hier: BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, § 46a Rz. 13; Eckstein, FS Schroeder, S. 777 (780); Schönke/Schröder/Spree/Kinzig, § 46a Rz. 4a, m. w. zahlreichen Nachweisen; a. A. Heerspink, der darauf abstellt, dass durch die Steuerhinterziehung ein immaterieller Schaden in Form eines konkret-individuellen Interessenkonfliktes vorliegt, Heerspink, S. 68 f. 379 Wie hier: Jesser, S. 97 f. 380 Hellmann, FS Beulke, S. 405 (408). 381 Hellmann, FS Beulke, S. 405 (408). 382 Ebenso: Jesser, S. 78; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 329. – A. A. Blesinger, wistra 1986, 90 (90 f.).

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1. Teil: Allgemeines

zentraler Anknüpfungspunkt für die Strafmilderung bzw. das Absehen von Strafe. Wie gezeigt wurde, lassen sich diese Unterschiede im Wesentlichen darauf zurückführen, dass es sich bei §§ 46, 46a StGB um Strafzumessungsvorschriften handelt, die dem Richter den Ausspruch einer angemessenen Strafe im Einzelfall ermöglichen sollen. Während § 371 AO die Strafbarkeit des Steuerhinterziehers rückwirkend entfallen lässt, setzen die §§ 46, 46a StGB eine Strafbarkeit gerade voraus. Im Kern zeichnet jedoch §§ 46 Abs. 2 Alt. 6, 46a StGB und § 371 AO als Wiedergutmachungsvorschriften aus, dass sie das Nachtatverhalten des Täters honorieren, indem sie dessen Strafe mildern, das Absehen von Strafe ermöglichen oder Strafbefreiung anordnen. Hinsichtlich dieses Grundgedankens besteht damit eine Vergleichbarkeit und lässt sich damit eine Systemzugehörigkeit des § 371 AO bejahen.383 (2) Strafbefreiende oder strafbarkeitsreduzierende Vorschriften im Besonderen Teil des StGB und im Nebenstrafrecht: Die Tätige Reue Auch der Besondere Teil des Strafrechts enthält eine Vielzahl an Vorschriften, bei denen das Gesetz an ein bestimmtes Verhalten des Täters nach Vollendung der Tat die fakultative oder obligatorische Strafmilderung, teilweise die fakultative oder obligatorische Strafbefreiung anknüpft. Diese Vorschriften unterscheiden sich teilweise erheblich voneinander, sodass eine Systematisierung aller Vorschriften über die Tätige Reue bislang noch nicht gelungen ist.384 (a) Überblick über die Tätige Reue-Vorschriften Im Einzelnen wird die Tätige Reue des Täters in folgenden Normen berücksichtigt:

383

Wie hier im Ergebnis Burwitz, NZG 2014, 494 (495). Bottke spricht daher eher von einem „offenen Systems des strafbefreienden und strafmildernden Täterverhaltens“, Bottke, S. 562; Bülte: „hinsichtlich der Strafbefreiung aufgrund tätiger Reue ist keine klare gesetzliche Systematik erkennbar“, Bülte, ZStW 2010, 550 (573); vgl. auch die Kritik bei Krack, nach dem die Bestimmungen zur Tätige Reue „in Teilen willkürlich und daher ungerecht erscheinen“, Krack, NStZ 2001, 505 (505); Lackner/Kühl, nach denen das Gesetz hier „im Ganzen auffallend uneinheitlich verfahre“, Lackner/Kühl, § 24 Rz. 29; vgl. aber auch die Systematisierung bei Rüffelmacher, der allen Vorschriften über den Rücktritt und die Tätige Reue bestimmte „wesensnotwendige Voraussetzungen“ für die Strafbefreiung bzw. Strafmilderung entnimmt: Nach Rüffelmacher müsse objektiv stets, „je nachdem, zu welchem Zeitpunkt der Täter in die Rechtsordnung zurückkehrt eine entsprechende, dem vorausgegangenen deliktischen Verhalten entgegengesetzte Handlung“ erbracht werden. Subjektiv müsse der Täter einen entsprechenden Willen haben, der auf Vermeidung bzw. Beseitigung des Erfolgs gerichtet ist und als rechtsförderlich anzusehen ist, Rüffelmacher, S. 53. 384

B. Grundlagen der Untersuchung

109

§ 83a385, § 84 Abs. 4 und 5, § 85 Abs. 3 i.V. m. § 84 Abs. 4 bzw. Abs. 5, § 87 Abs. 3, § 98 Abs. 2 S. 2, § 99 Abs. 3 i.V. m. § 98 Abs. 2 S. 2, § 129 Abs. 6 Hs. 2, § 129a Abs. 7 i.V. m. § 129 Abs. 6 S. Hs. 2, § 129b i.V. m. § 129a Abs. 6 Hs. 2 bzw. §§ 129b, 129a i.V. m. § 129 Abs. 6 Hs. 2, § 139 Abs. 3 und 4, § 142 Abs. 4, § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 152a Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 152b Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 158, § 161 Abs. 2 S. 1, § 239a Abs. 4, §239b Abs. 2 i.V. m. § 239a Abs. 4, 261 Abs. 9 S. 1, § 264 Abs. 5 S. 1 und S. 2, § 264a Abs. 3 S. 1 und S. 2, § 265b Abs. 2 S. 1 und S. 2, § 266a Abs. 5; § 275 Abs. 3 i.V. m. § 149 Abs. 2, § 275 Abs. 3 i.V. m. § 149 Abs. 3, § 298 Abs. 3 S. 1; § 298 Abs. 3 S. 2, § 306e, § 314a Abs. 1, § 314a Abs. 2 Nr. 1, § 314a Abs. 2 Nr. 2a–f, § 314a Abs. 3 Nr. 1a–e, § 314a Abs. 3 Nr. 2, § 314a Abs. 4, § 320 Abs. 1 i.V. m. § 316c Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 5, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 3, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 4, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 3 i.V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 318 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 318 Abs. 6 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 2, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 3, § 320 Abs. 3 Nr. 1a–d, § 320 Abs. 3 Nr. 2 i.V. m. § 316c Abs. 4, § 320 Abs. 4, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 325a Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 4; § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 325a Abs. 3 Nr. 2, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 326 Abs. 5, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 328 Abs. 5, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 330a Abs. 5, § 330b Abs. 2, § 331 Abs. 3 2. Var., § 333 Abs. 3 2. Var.

(b) Rechtfertigungen der jeweiligen Privilegierungen Die vorstehend genannten Vorschriften unterscheiden sich teils erheblich voneinander, sodass auch die rationes der jeweiligen Honorierungen von Delikt zu Delikt voneinander divergieren.386 Viele der vorstehend genannten Delikte zeichnet jedoch aus, dass es sich bei ihnen um sog. „Vorbereitungsdelikte“ handelt und sie eine besondere Deliktsstruktur aufweisen: Aufgrund der Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit vor den Zeitpunkt der eigentlichen Verletzung des geschützten Rechtsguts ist bei diesen Vorschriften ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch nicht möglich.387 385

§§ ohne weitere Kennzeichnung sind solche des StGB. Es würde den Umfang dieser Untersuchung sprengen, zu jeder Vorschrift über die Tätige Reue die Ratio der Strafmilderung bzw. Strafbefreiung darzustellen. Die folgende Untersuchung beschränkt sich daher auf wesentliche Gemeinsamkeiten. 387 BGH, Urteil vom 22. November 1960 – 5 StR 457/60, BGHSt 15, 198; Krack, NStZ 2001, 505 (505 f.); vgl. auch Lackner/Kühl, die hier von „besonderen Rücktrittsvorschriften“ für Vorschriften, die nach eigentlich dem Versuch zuzurechnenden Handlungen formell vollendet sind, sprechen, Lackner/Kühl, § 24 Rz. 29. 386

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1. Teil: Allgemeines

Die Tätige Reue-Vorschriften gleichen diese „Benachteiligung“ aus, indem sie eine dem Rücktritt ähnliche Regelung enthalten388, ermöglichen danach einen „Quasi-Rücktritt“ vom vollendeten Delikt389 und honorieren zumeist die Erfolgsabwendung.390 Aufgrund der vergleichbaren Struktur dieser Straftaten zum Versuch könne zur Rechtfertigung der Strafbefreiung auf die Gründe für die Strafbefreiung beim Rücktritt vom Versuch zurückgegriffen werden.391 Gleiches gilt nach Bülte auch für die Tätige Reue bei den Gefährdungsdelikten.392 Die strafmildernde bzw. strafbefreiende Tätige Reue ist jedoch nicht ausschließlich bei Delikten mit einem vorverlagerten Vollendungszeitpunkt und Gefährdungsdelikten möglich. So ist die Tätige Reue bei einem Teil der genannten Vorschriften auch dann noch möglich, wenn der Schaden teilweise eingetreten ist393 und teilweise sogar auch dann noch, wenn der Schaden bereits voll eingetreten ist und die Tat beendet ist.394 In den Fällen der Tätigen Reue bei materiell vollendetem Delikt misst das Gesetz mit Rüffelmacher der Wiedergutmachung des Deliktsschadens eine derartig hohe Bedeutung zu, dass es dem Täter Strafbefreiung in Aussicht stellt.395 Rüffelmacher weist zu Recht darauf hin, dass eine strafbefreiende Tätige Reue nach materiell vollendetem Delikt nur dann möglich ist, wenn der eingetretene Schaden auch reparabel ist.396 Nach Bottke besteht die Rechtfertigung der obligatorischen Strafbefreiung bei Tätiger Reue darin, dass sich das Delikt als „strafunwürdig“ erwiesen habe.397 Nach Bottke liegen bei diesen Delikten weder general- noch spezialpräventive Gründe vor, die eine Bestrafung des Täters erforderten.398 Entsprechendes gilt nach Bottke auch für diejenigen Vorschriften, die fakultative Strafbefreiung anordnen.399 388 Bülte, ZStW 2010, 550 (574 f.); daher sprechen Lackner/Kühl bei diesen Vorschriften auch von „Rücktrittsvorschriften“, Lackner/Kühl, § 24 Rz. 29. 389 Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Vormbaum, § 158 Rz. 6. 390 Rüffelmacher, S. 49 f. 391 So Bülte, ZStW 2010, 550 (574); Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Paeffgen § 83a Rz. 2; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Vormbaum, § 158 Rz. 6. 392 Bülte, ZStW 2010, 550 (574 f.). 393 Z. B. §§ 306e, 314a Abs. 3 und 320 Abs. 2 StGB. 394 Z. B. §§ 158, 163 Abs. 2 StGB sowie §§ 98 Abs. 2, 99 Abs. 3 StGB. Wie hier auch Breyer, S. 31 ff. 395 Rüffelmacher, S. 51 f. 396 Rüffelmacher, S. 52. 397 Bottke, S. 614. 398 So entfalle nach Bottke das generalpräventive Bedürfnis einer Bestrafung, weil „die Umkehr die schadensabwendende oder wiedergutmachende ,werterhaltende‘ Umkehr des Delinquenten zu sozial richtigem Verhalten keiner nachträglichen, ,kontrafaktischen‘ Maßnahme mehr benötigte, die das ,allgemeine Rechtsbewusstsein‘ erst stabilisieren müsste. Spezialpräventiv bedürfe es keiner Strafe, weil der Täter sein Fehlverhalten ,freiwillig‘ korrigierte, ohne dass es hierzu strafrechtlicher Maßnahmen bedurft hätte.“, Bottke, S. 614.

B. Grundlagen der Untersuchung

111

(c) Unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen Die tatbestandlichen Voraussetzungen der aufgezählten Normen unterscheiden sich teils erheblich voneinander. (aa) Unterschiedlich hohe Anforderungen bei den jeweiligen Tätige Reue-Vorschriften Während der fahrlässige Brandstifter gemäß § 306e StGB nicht bestraft wird, wenn er den Brand freiwillig löscht oder sich freiwillig und ernsthaft darum bemüht, ohne dass ein erheblicher Schaden entstanden ist, genügt es für ein Absehen von Strafe gemäß § 87 Abs. 3 StGB, dass der zu Sabotagezwecken tätige Agent sein Verhalten aufgibt und sein Wissen rechtzeitig offenbart. In anderen Vorschriften genügt die schlichte Anzeige der Tat durch den Tatbeteiligten.400 Der Arbeitgeber, der Sozialversicherungsbeiträge vorenthält, muss zur Erlangung der Straffreiheit eine Anzeige erstatten und die ausstehenden Beträge innerhalb einer angemessenen Frist nachzahlen.401 In anderen Vorschriften muss der Täter einen bestimmten Erfolg verursachen402 oder sich um den Eintritt des genannten Erfolges freiwillig und ernsthaft bemüht haben.403 Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die strafbefreiende Selbstanzeige deutlich weitergehend als die anderen Vorschriften über die Tätige Reue sei.404 So sei etwa die Möglichkeit des Arbeitgebers, mittels Nachentrichtung der zu zahlenden Beiträge zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB Straffreiheit zu erlangen, im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm „erheblich anspruchsvoller ausgestaltet als § 371 AO“.405 So müsse der Arbeitgeber nach § 266a Abs. 6 StGB spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach die Einzugsstelle über die zu wenig entrichteten Sozialversicherungsbeiträge informieren. Die Strafaufhebungsgründe der §§ 264, 264a und 265b StGB erfordern ein Tätigwerden des Täters vor Beendigung und unterschieden sich damit ebenfalls wesentlich von § 371 AO.406 Kuhlen räumt ein, dass der Unterschied zwischen § 371 AO und vergleichbaren strafrechtlichen Normen in der Vergangenheit geringer geworden sei.407 So 399 400 401 402 403 404 405 406 407

Bottke, S. 648. So etwa bei § 98 Abs. 2 S. 2 StGB und § 99 Abs. 3 i.V. m. § 98 Abs. 2 S. 2 StGB. So bei § 266a Abs. 6 S. 3 StGB. So bei § 129 Abs. 2 und 3 StGB. So bei § 129 Abs. 6 StGB und § 129a Abs. 7 i.V. m. § 129 Abs. 6 StGB. Kuhlen, S. 173. Kuhlen, S. 173. Kuhlen, S. 173. Kuhlen, S. 174.

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1. Teil: Allgemeines

existierten mittlerweile mit § 261 Abs. 9 S. 1 StGB sowie § 31d Abs. 1 S. 2 PartG „spezielle Strafaufhebungsgründe, die in Anlehnung an § 371 AO gestaltet wurden“.408 Indes seien diese Normen nach Kuhlen bislang praktisch bedeutungslos geblieben und „betreffen zudem Delikte, die miteinander ebenso wenig Ähnlichkeit haben wie mit der Steuerhinterziehung“.409 Wie dargestellt, existiert ein geschlossenes System strafbefreiender oder strafmildernder Vorschriften jedoch nicht.410 Die Uneinheitlichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass die jeweiligen Tatbestandserfolge unterschiedlich sind und dementsprechend auch die Tätige Reue bei jedem Delikt unterschiedlich sein muss.411 Wie Bottke gezeigt hat, entsprechen die Anforderungen, die das Gesetz an die Tätige Reue des Täters stellt, dem Unwertgehalt der Tat.412 Hellmann weist darauf hin, dass die Schadenswiedergutmachung im Rahmen der unterschiedlichen Vorschriften über die tätigen Reue neben der Aufdeckung der Tat eine gewisse eigene Leistung des Täters erfordert, während bei Verhinderung des tatbestandlichen Erfolgs bzw. bei Verhinderung des Eintritts des eigentlichen Deliktsschadens oftmals die Freiwilligkeit des Nachtatverhaltens genüge.413 Dabei müsse der Täter zumeist aktive „Gegenmaßnahmen“ ergreifen, unter Umständen genüge jedoch auch ein Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung.414 In allen genannten Vorschriften muss der Täter durch sein Verhalten aber Maßnahmen zur Beseitigung der Tatvollendung ergreifen.415 Die Vorschriften über die Tätige Reue des Täters bemessen also dem Verhindern des eigentlichen Deliktsschadens416 bzw. der Rückgängigmachung des tatbestandlichen Erfolgs eine honorierende Wirkung zu. Da auch die Selbstanzeige die Rückgängigmachung des Erfolges Steuerhinterziehung in Form der Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung mit Straffreiheit belohnt, ist eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zwischen beiden Rechtsinstituten gegeben. 408

Kuhlen, S. 174. Kuhlen, S. 174. 410 Bottke spricht deshalb auch von einem „offenen System“ des strafbefreienden und strafmildernden Täterverhaltens, Bottke, S. 689; Wegner, SteuK 2014, 199 (200). 411 Wie hier: Breyer, der zutreffend darauf hinweist, dass die „Rückgängigmachung eines Erfolges“ sich schon deshalb je nach Delikt unterscheide, weil einige Verletzungsund andere Gefährdungsdelikte sind, Breyer, S. 27. 412 Bottke, S. 690. So kommt der Täter bei „einem gesteigerten Unwertgehalt der Tat, wie etwa bei einem vorsätzlichen gefährlichen Eingriffsdelikt“ – nur dann in den Genuss der Strafmilderung oder Strafbefreiung, wenn er „freiwillig weiteren Schaden verhütet“, Bottke, S. 690. 413 Hellmann, FS Beulke, S. 405 (414). 414 Hellmann, FS Beulke, S. 405 (414). 415 Jesser, S. 147. 416 Lackner/Kühl, § 24 Rz. 208. 409

B. Grundlagen der Untersuchung

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Damit haben die unterschiedlichen objektiven tatbestandlichen Voraussetzungen auf die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Selbstanzeige mit den Tätige Reue-Vorschriften keinen Einfluss.417 (bb) Stellenwert der „Reue“ oder Freiwilligkeit im Rahmen der Tätigen Reue Für die Wirksamkeit der Selbstanzeige kommt es nicht auf ein bestimmtes Motiv des Steuerhinterziehers an. Der Steuerhinterzieher muss weder „Reue“ empfinden noch muss er freiwillig, also auf Grund eines autonomen Entschlusses, handeln. Eine systematische Einordnung der Selbstanzeige bei den Vorschriften über die Tätige Reue wäre demnach ausgeschlossen, wenn alle Tätige Reue-Vorschriften ein „Bereuen der Tat“ bzw. ein freiwilliges Handeln voraussetzten als ein Tatbestandsmerkmal einer wirksamen und honorierungswürdigen tätigen Reue anzusehen wäre. So scheint der Oberbegriff der vorstehend genannten Tätigen Reue-Vorschriften auf eine bestimmte erforderliche Motivation des Täters hinzuweisen. Gleichwohl kommt es auch bei diesen Vorschriften nicht darauf an, ob der Täter seine Tat bereut oder aus Reue den Eintritt der Tatvollendung verhindert.418 Die vorgesehenen Rechtsfolgen der Tätige Reue knüpfen nicht an eine Bewertung des Verhaltens des Täters als besonders verdienstlich oder sittlich billigens- oder wünschenswert an.419 Krack schlussfolgert hieraus, dass es für die Gewährung der obligatorischen Strafbefreiung primär darauf ankommt, ob das Umkehrverhalten dem Schutz des betroffenen Rechtsguts diene.420 Auch der Umstand, dass viele Tätige Reue-Vorschriften ein freiwilliges Handeln voraussetzen421, spricht nicht gegen eine Vergleichbarkeit der Selbstanzeige 417

Ebenso: Breyer, S. 27. Darüber hinaus ließe der Überbegriff „Tätige Reue“ auch den Schluss zu, dass die Handlung des Täters eine Form der ausgeübten Reue darstellte. 419 Wie hier für die strafbefreienden Tätige Reue-Vorschriften: Krack, NStZ 2001, 501 (508). Krack führt als Beispiel die Tätige Reue beim Subventionsbetrug (§ 264 StGB) an: Gemäß § 264 Abs. 5 S. 1 StGB wird der Täter nicht wegen § 264 StGB bestraft, wenn er freiwillig verhindert, dass die Subvention auf Grund der Tat gewährt wird. Krack weist darauf hin, dass es von zufälligen, vom Täter nicht beeinflussbaren Faktoren hängt, ob es zu einer Auszahlung der Subvention kommt, ohne dass sich sein Umkehrverhalten deswegen als mehr oder weniger verdienstvoll darstellt, Krack, a. a. O. 420 Krack, NStZ 2001, 501 (508). 421 So wird ein freiwilliges Handeln des Täters in folgenden Vorschriften des Besonderen Teils des StGB verlangt: § 83a; § 84 Abs. 5; § 85 Abs. 3 i.V. m. § 84 Abs. 5; § 87 Abs. 3; § 98 Abs. 2 S. 2; § 99 Abs. 3 i.V. m. § 98 Abs. 2 S. 2; § 129 Abs. 6 Hs. 2; § 129a Abs. 7 i.V. m. § 129 Abs. 6 S. Hs. 2; § 129b i.V. m. § 129 Abs. 6 Hs. 2 bzw. §§ 129b, 129a i.V. m. § 129 Abs. 6 Hs. 2; § 142 Abs. 4; § 149 Abs. 2 Nr. 2, § 149 Abs. 3; § 152a Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 2 Nr. 2; § 152a Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 3; 418

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1. Teil: Allgemeines

mit diesen Normen, da andere Tätige Reue-Vorschriften gerade keine Freiwilligkeit verlangen.422 So kann das Gericht bei dem Beteiligten an der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei gemäß § 84 Abs. 4 StGB die Strafe nach seinem Ermessen mildern oder von Strafe absehen, wenn die Schuld des Beteiligten gering ist und seine Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist. Auf die persönliche Einstellung des Beteiligten zu seiner Tat kommt es nicht an. Gemäß § 85 Abs. 3 i.V. m. § 84 Abs. 4 StGB kann das Gericht bei Verstößen gegen ein Vereinigungsgebot (§ 85 Abs. 1 und 2 StGB) die Strafe nach seinem Ermessen mildern oder von Strafe absehen, wenn die Schuld des Beteiligten gering ist und seine Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist. Da die Vorschrift sich auf § 84 Abs. 4 StGB bezieht, kommt es auch hier nicht auf die Einstellung des Beteiligten zu seiner Tat an. Gemäß § 139 Abs. 3 S. 1 StGB ist straffrei, wer eine Anzeige unterlässt, die er gegen einen Angehörigen erstatten müsste, wenn er sich ernsthaft bemüht hat, ihn von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden und es sich nicht um eine der in den Nrn. 1 bis 3 genannten Straftaten handelt. Gemäß § 139 Abs. 3 S. 2 und 3 StGB gilt dies auch für bestimmte Berufsträger bzw. deren Gehilfen, wenn ihnen die Informationen über die geplante Straftat in ihrer beruflichen Eigenschaft mitgeteilt wurden. Auch hier knüpft das Gesetz die Straffreiheit ausschließlich an objektive Umstände und es kommt nicht auf die Einstellung des Nichtanzeigenden zu der Straftat an. Gemäß § 139 Abs. 4 StGB ist straffrei wegen einer Straftat nach § 138 StGB, wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch Anzeige abwendet bzw. sich ernsthaft hierum bemüht, wenn der tatbestandliche Erfolg aus anderen Gründen ausbleibt. Die Motivation des Täters zum Abwenden der Tat ist damit auch hier unerheblich. § 152b Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 2 Nr. 2; § 152b Abs. 5 i.V. m. § 149 Abs. 3; § 261 Abs. 9 S. 1; § 264 Abs. 5 S. 1 und S. 2; § 264a Abs. 3 S. 1 und S. 2; § 265b Abs. 2 S. 1 und S. 2; § 275 Abs. 3 i.V. m. § 149 Abs. 2; § 275 Abs. 3 i.V. m. § 149 Abs. 3; § 298 Abs. 3 S. 1; § 298 Abs. 3 S. 2; § 306e; § 314a Abs. 1; § 314a Abs. 2 Nr. 1; § 314a Abs. 2 Nr. 2a–f; § 314a Abs. 3 Nr. 1a–e; § 314a Abs. 3 Nr. 2; § 314a Abs. 4, § 320 Abs. 1 i.V. m. § 316c Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 315 Abs. 5, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 3, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 4, § 320 Abs. 2 Nr. 2 i.V. m. § 315b Abs. 3 i.V. m. § 315 Abs. 3 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 318 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 318 Abs. 6 Nr. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 1, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 2, § 320 Abs. 2 Nr. 4 i.V. m. § 319 Abs. 3, § 320 Abs. 3 Nr. 1a–d, § 320 Abs. 3 Nr. 2 i.V. m. § 316c Abs. 4, § 320 Abs. 4, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 325a Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 326 Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 328 Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 1, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 2, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 3, § 330b Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 330a Abs. 4; § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 325a Abs. 3 Nr. 2, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 326 Abs. 5, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 328 Abs. 5, § 330b Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 330a Abs. 5, § 330b Abs. 2, § 331 Abs. 3 2. Var., § 333 Abs. 3 2. Var. 422 Wie hier Grötsch, S. 28.

B. Grundlagen der Untersuchung

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Auch für die Tätige Reue gemäß § 158 StGB kommt es nicht auf darauf an, ob der Täter freiwillig handelt oder aus sittlich billigenswerten Motiven tätig wird.423 Ausreichend ist gemäß § 158 Abs. 1 StGB, dass der Täter seine falsche Angabe rechtzeitig berichtigt. Gemäß § 161 Abs. 2 S. 1 StGB wird derjenige, der fahrlässig eine der in den §§ 154 und 156 StGB bezeichneten Handlungen begangen hat, straflos, wenn er die falschen Angaben rechtzeitig berichtigt. Damit kommt es auch hier weder auf die Freiwilligkeit der Berichtigung an, noch muss der Täter aus autonomen Motiven seine Aussage berichtigen. Gemäß § 239a Abs. 4 StGB kann das Gericht die Strafe des Täters eines erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a StGB nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die mit seiner Tat erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen lässt oder, wenn dieser Erfolg ohne Zutun des Täters eintritt, er sich darum ernsthaft bemüht hat.424 Gemäß § 239b Abs. 2 i.V. m. § 239 Abs. 4 StGB kann das Gericht die Strafe des Täters einer Geiselnahme gemäß § 239b StGB nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die mit seiner Tat erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen lässt oder, wenn dieser Erfolg ohne Zutun des Täters eintritt, er sich darum ernsthaft bemüht hat Gemäß § 266a Abs. 6 StGB kann das Gericht von Strafe absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat. Zahlt der Arbeitgeber die Beiträge fristgerecht nach, erlangt er obligatorische Straffreiheit.425

Damit setzen zwar die meisten Tätige Reue-Vorschriften ein freiwilliges Handeln voraus, wie gezeigt, bestehen jedoch auch zahlreiche Ausnahmen.426 Damit ist der Verzicht auf ein freiwilliges Handeln des Selbstanzeigeerstatters kein Hinweis auf eine Systemwidrigkeit von § 371 AO innerhalb der Vorschriften über die Tätige Reue.

423

Lackner/Kühl, § 158 Rz. 3 m.w. N. Lackner/Kühl weisen darauf hin, dass die Tätige Reue hier zwar im Gegensatz zu den meisten Vorschriften über die Tätige Reue kein freiwilliges Handeln des Täters verlangt, dafür aber die fakultative Strafmilderung „dem strengeren Maßstab des § 49 Abs. 1 StGB unterwirft“, Lackner/Kühl, § 239a Rz. 10. 425 Da die Vorschrift für die fakultative (§ 266a Abs. 6 S. 1 StGB) und obligatorische (§ 266a Abs. 6 S. 2 StGB) Straffreiheit jeweils voraussetzt, dass dem Täter die fristgerechte Zahlung der vorenthaltenen Beiträge trotz ernsthaftem Bemühens nicht möglich war, soll die Vergünstigung dieser Tätigen-Reue-Vorschrift auf einem verminderten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat beruhen, vgl. Brauns, S. 137, m.w. N. Nach Brauns begründe dies einen erheblichen Unterschied zu der Situation der Selbstanzeige, bei der es auf solche Überlegungen nicht ankomme, Brauns, a. a. O. 426 Vgl. hierzu auch Breyer, der zusätzlich auf die prozessuale Vorschrift des § 153e StPO hinweist, Breyer, S. 34 f. 424

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1. Teil: Allgemeines

(cc) Zwischenergebnis: Vergleichbarkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen von strafbefreiender Selbstanzeige und Tätige Reue-Vorschriften Die Vorschriften über die Tätige Reue des Täters messen also der Wiedergutmachung der Straftat eine honorierende Wirkung zu. Die Freiwilligkeit des Handelns wird zwar in den meisten Vorschriften über die Tätige Reue vorausgesetzt, im Hinblick auf die zahlreichen Ausnahmen ist sie aber jedenfalls kein zwingendes Element einer Tätigen Reue-Vorschrift. Da auch die Selbstanzeige die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung mit Straffreiheit belohnt, ist eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zwischen beiden Rechtsinstituten gegeben.427 (d) Unterschiedliche Rechtsfolgen Die Vorschriften über die Tätige Reue ordnen höchst unterschiedliche Rechtsfolgen an. Während ein Teil der Vorschriften über die Tätige Reue fakultative oder obligatorische Strafmilderung vorsehen, bestimmen andere fakultative, wieder andere obligatorische Strafbefreiung. In den meisten Vorschriften über die Tätige Reue erlangt der Täter, der freiwillig den Eintritt des Deliktsschadens verhindert bzw. wiedergutmacht, Strafmilderung oder fakultative Strafbefreiung. Damit ist die Rechtsfolge der Selbstanzeige, bei Vorliegen aller tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend Straffreiheit zu gewähren, weitergehend als die Rechtsfolge der meisten anderen Vorschriften über die Tätige Reue. Vor diesem Hintergrund wird teilweise eine Einordnung der Selbstanzeige in die Vorschriften über die Tätige Reue abgelehnt.428 Nach Hellmann beruhen die gesetzgeberischen Entscheidungen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten des Täters mit obligatorischer oder fakultativer Strafmilderung bzw. obligatorischer oder fakultativer Strafbefreiung honoriert wird, nicht auf „bestimmten allgemeinen Prinzipien“, sondern auf den jeweiligen Umständen.429 427 Wie hier: Bottke, S. 689 ff.; vgl. hierzu auch Schmidt-Hieber, nach dem die Selbstanzeige den Steuerhinterzieher im Vergleich zu anderen Vermögenstäter zwar bevorzuge. Wegen der Vergleichbarkeit dieser Delikte schlägt Schmidt-Hieber daher vor, die Tätige Reue nach dem Vorbild des österreichischen § 167 ÖStGB auf alle Vermögensdelikte zu erstrecken, Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001 (2003 f.); Beratungsbericht des Finanzausschusses zur Einführung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes: „Es komme das strafrechtliche Prinzip zum Ausdruck, dass eine Tätige Reue, mit der die Wirkungen einer Tat rückgängig gemacht werden, dem Täter zugute kommen soll.“, BT-Drucks. 17/5067, S. 18. 428 So verwiesen etwa Lenckner/Schumann/Winkelbauer auf „das im deutschen Strafrecht uneingeschränkt geltende Prinzip, dass die Strafbarkeit des Verhaltens durch eine schlichte Schadenswiedergutmachung nicht mehr beseitigt werden könne“, Lenckner/ Schumann/Winkelbauer, wistra 1983, 123 (123). Dieser Argumentation dürfte allerdings spätestens mit der durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 erfolgten Aufnahme des in § 46a StGB normierten Täter-Opfer-Ausgleichs die Grundlage entzogen worden sein.

B. Grundlagen der Untersuchung

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Bottke führt die unterschiedlichen Rechtsfolgen auf die unterschiedlichen Anforderungen, die jeweils an den Täter gestellt werden, zurück: Wende der Täter die Tatvollendung ab, liege kein Strafgrund mehr vor und er verdiene sich die Straflosigkeit.430 Dementsprechend ordne der Gesetzgeber obligatorische Strafbefreiung in den sog. Vorbereitungsdelikten an.431 Bei erhöhtem Unwertgehalt könne der Täter hingegen regelmäßig lediglich eine fakultative Strafbefreiung oder Strafmilderung erlangen und bei „besonders gravierenden Delikten“ überhaupt nur Strafmilderung.432 Nach Bottke gelten diese Überlegungen jedoch nicht uneingeschränkt für alle Vorschriften über strafbefreiendes und strafmilderndes Nachtatverhalten des Täters.433 Breyer sieht in dem Umstand, dass die Rechtsfolge vieler Tätige Reue-Vorschriften hinter § 371 AO zurückbleibt, lediglich ein „quantitatives Zurückbleiben hinter der Selbstanzeige, jedoch keine systematische Abweichung“.434 Dies ist zutreffend, da sowohl die Selbstanzeige als auch die übrigen Vorschriften über die Tätige Reue auf dem gleichen Grundgedanken beruhen, nämlich der strafreduzierenden bzw. strafbefreienden Wirkung der Wiedergutmachung der Tat bzw. ihrer Folgen.435 Gegen die Systemwidrigkeit der Rechtsfolge der Selbstanzeige spricht im Übrigen auch der Umstand, dass auch andere Vorschriften über die Tätige Reue obligatorische Strafbefreiung anordnen: § 98a Abs. 2 S. 2 StGB436, § 99 Abs. 3 i.V. m. § 98 Abs. 2 S. 2 StGB437, § 129 Abs. 6 2. Hs.438, § 129a Abs. 7 i.V. m. § 129 Abs. 6 2. Hs.439, § 149 Abs. 2 und 3440, § 261 Abs. 9441, § 266a Abs. 6 S. 2442.

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Hellmann, FS Beulke, S. 401 (414). Bottke, S. 690. 431 Bottke, S. 690. 432 Bottke, S. 690. 433 Nach Bottke „malt diese Skizze nur einige Striche, die von besonders gelagerten Einzelfällen (§§ 158, 310 StGB, § 371 AO) absieht“, Bottke, S. 690. Damit lässt sich eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen, sodass nach Bottke jedenfalls nicht davon gesprochen werden könne, dass die Wahl der Delikte, bei denen auch noch nach formeller Vollendung strafbefreiendes oder strafmilderndes Verhalten möglich ist rein zufällig getroffen worden, Bottke, S. 690; ebenso im Ergebnis: Hellmann nach dem im Hinblick auf die übrigen Vorschriften über die Tätige Reue, die grundsätzliche Berechtigung der steuerstrafbefreienden Selbstanzeige weder bejaht noch verneint werden kann, Hellmann, FS Beulke, S. 401 (414). 434 Breyer, S. 38. 435 Wie hier im Ergebnis: Breyer, S. 38. 436 § 98 Abs. 2 S. 2 StGB enthält einen persönlicher Strafaufhebungsgrund des Täters hinsichtlich seiner Strafe wegen Landesverräterischen Landesverrats nach § 98 Abs. 1 S. 1 StGB, wenn der Täter zu seinem Verhalten von der fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner gedrängt worden war, er sein Verhalten aufgibt und sein Wissen unverzüglich einer Dienststelle offenbart (Fischer, § 98 Rz. 11). 430

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1. Teil: Allgemeines

Schließlich enthält auch das Nebenstrafrecht Vorschriften, die nach Vollendung der Tat obligatorische Strafbefreiung anordnen. So enthält § 31d Abs. 1 S. 2 PartG die strafbefreiende Selbstanzeige bei Strafbarkeit wegen unrichtiger Rechnungslegung, Spendenstückelung oder Nichtweiterleitung einer Spende. Weitere

437 § 99 Abs. 3 StGB bestimmt die entsprechende Anwendbarkeit des persönlichen Strafaufhebungsgrund aus § 98 Abs. 2 S. 2 StGB bezüglich der Strafbarkeit des Täters wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit, sodass der persönliche Strafaufhebungsgrund nach § 98 Abs. 2 S. 2 StGB auch hier gilt, vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 99 Rz. 28. 438 So enthält § 129 Abs. 6 StGB mehrere, im Einzelnen höchst unterschiedlich ausgestaltete Fälle der Tätigen Reue bei vollendeter Tat und ermöglichen die Erlangung fakultativer Strafmilderung oder Strafbefreiung (§ 129 Abs. 6 1. Hs. StGB) bis hin zur Straflosigkeit des Täters (§ 129 Abs. 6 2. Hs. StGB) hinsichtlich der Strafbarkeit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129. § 129 Abs. 6 S. 2 Hs. StGB bestimmt die Straflosigkeit des Täters, wenn er das Fortbestehen der Vereinigung verhindert oder wenn dieser Erfolg ohne sein Zutun eintritt, der Täter sich hierbei jedoch freiwillig und ernsthaft um die Beendigung der Vereinigung bemüht hat (Schönke/ Schröder/Sternberg-Lieben, § 129 Rz. 22). 439 § 129a StGB erklärt die entsprechende Geltung des § 129 Abs. 6 StGB. Somit bleibt der Täter auch bei Bildung einer terroristischen Vereinigung straflos, wenn er das Fortbestehen der Vereinigung verhindert oder wenn dieser Erfolg ohne sein Zutun eintritt, der Täter sich hierbei jedoch freiwillig und ernsthaft um die Beendigung der Vereinigung bemüht hat. 440 § 149 Abs. 2 und 3 StGB enthalten jeweils Regelungen über die Straffreiheit bei Tätiger Reue des Täters hinsichtlich seiner Strafbarkeit wegen des Vorbereitens der Fälschung von Geld und Wertzeichen nach § 149 StGB. Diese persönlichen Strafaufhebungsgründe setzen jeweils voraus, dass der Täter freiwillig von der Tat Abstand nimmt, darüber hinaus muss die bereits eingetretene Gefahr objektiv abgewendet werden (Fischer, § 149 Rz. 7). 441 § 261 Abs. 9 S. 1 StGB enthält Fälle der tätigen Reue. Es handelt sich um persönliche Strafaufhebungsgründe (vgl. hierzu Schönke/Schröder/Stree/Hecker, § 261 Rz. 34, die diese Regelung als „Strafbefreiende Selbstanzeige“ und damit an die Überschrift von § 371 AO erinnern). So wird der Täter nach § 261 Abs. 9 S. 1 StGB nicht wegen Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte bestraft, wenn er die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt bzw. freiwillig eine solche Anzeige veranlasst (§ 261 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 StGB). Sofern es sich bei der Tat um eine Vorsatztat handelt, muss gemäß § 261 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 StGB zusätzlich die Sicherstellung aller Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, bewirkt werden (hierzu m.w. N. Fischer, § 261 Rz. 51). 442 Gemäß § 266a Abs. 6 StGB kann der Täter in Bezug auf seine Strafbarkeit in den Fällen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB bei Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelts Straffreiheit erlangen. Gemäß § 266a Abs. 6 S. 1 StGB muss der Täter gegenüber der Einzugsstelle rechtzeitig und vollständig seine Zahlungsunfähigkeit offenbaren. Gemäß § 266a Abs. 6 S. 2 StGB erlangt er Straffreiheit, wenn er die vorenthaltenen nach S. 1 angezeigten Beiträge innerhalb der ihm von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist nachzahlt. Hier wird die Parallele zu § 371 Abs. 3 AO deutlich, wonach die Strafbefreiung ebenfalls unter der Bedingung steht, dass die eigennützig hinterzogenen Beiträge innerhalb der dem Steuerhinterzieher bestimmten angemessenen Frist nachgezahlt werden. Ebenso Fischer, § 266a Rz. 33; vgl. hierzu auch die Begründung des Regierungsentwurfs, wonach § 266a Abs. 6 S. 2 StGB § 371 Abs. 3 AO nachgebildet ist in BT-Drucks. 10/318, S. 26.

B. Grundlagen der Untersuchung

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der Selbstanzeige ähnliche Vorschriften sind in § 26 Abs. 2 3 GenDG (für Ordnungswidrigkeiten in den Fällen des § 26 Abs. 1 Nr. 7a und b GenDG) und § 20 Abs. 2 VereinsG enthalten. Damit lässt sich auch dem Umstand, dass § 371 AO im Vergleich zu vielen anderen Vorschriften über die Tätige Reue trotz der formellen Vollendung und der Beendigung der Steuerhinterziehung obligatorische Strafbefreiung anordnet, kein Systembruch zwischen § 371 AO und den übrigen Tätige Reue-Vorschriften entnehmen.443 (e) Zwischenergebnis: Die Selbstanzeige als Teil der Tätige Reue-Vorschriften Auch wenn es ähnliche Regelungen in anderen Tätige Reue-Vorschriften gibt und sich damit kein Widerspruch zu dem „System der Wiedergutmachungsvorschriften“ ergibt, enthält § 371 AO eine weitergehende Rechtsfolge als viele andere Vorschriften über die Tätige Reue. Hellmann führt diese „Ungleichbehandlung“ auf die Besonderheiten des Steuerrechts und des Strafrechts zurück.444 Dies ist zutreffend. Im Hinblick auf die aufgezeigten kriminalpolitischen Besonderheiten bei Steuerhinterziehungen besteht ein großes Bedürfnis nach einer Selbstanzeigeregelung.445 So könnte der Steuerhinterzieher ohne Möglichkeit zur Selbstanzeige sein steuerunehrliches Verhalten bei periodisch erhobenen Steuern i. d. R. nur unter Aufdeckung seiner früheren Straftaten beenden.446 Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass viele Steuerhinterziehungen ohne Mitwirkung des Steuerhinterziehers nicht bekannt werden und verborgene Steuerquellen ohne Möglichkeit zur Selbstanzeige weiterhin verborgen blieben.447 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Steuerhinterzieher mit seiner Selbstanzeige das Handlungs- und das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung beseitigt.448 Aus diesem Grund ist die obligatorische Strafbefreiung auch im Vergleich zu den anderen Vorschriften über die Tätige Reue angemessen und nicht systemfremd.

443 Breyer, S. 37 ff.; im Ergebnis wohl auch Hellmann, nach dem die grundsätzliche Berechtigung der steuerstrafbefreienden Selbstanzeige im Hinblick auf die Rechtsfolgen der übrigen Vorschriften über die Tätige Reue weder bejaht noch verneint werden kann, Hellmann, FS Beulke, S. 401 (414). 444 Hellmann, FS Beulke, S. 405 (414); a. A. Krack, NStZ 2001, 505 (510); kritisch auch Schmidt-Hieber, nach dem die Tätige Reue als allgemeiner Strafaufhebungsgrund normiert werden sollte, Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001 (2003 f.). 445 Hierzu im 1. Teil unter B. III. 2. 446 Hierzu im 1. Teil unter B. III. 2.; wie hier Hellmann, in: FS Beulke, S. 405 (417). 447 Hierzu im 1. Teil unter B. III. 2. 448 Vgl. die ausführliche Darstellung im 1. Teil unter B. IV. 5. a).

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1. Teil: Allgemeines

d) Zwischenergebnis zur systematischen Einordnung der Selbstanzeige gemäß § 371 AO im Strafrecht Die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO ist eine Wiedergutmachungsvorschrift und systematisch als Tätige Reue-Vorschrift einzuordnen. Damit steht einer strafrechtlichen Rechtfertigung der Strafbefreiung nicht nur nichts entgegen, sie ist im Hinblick auf den strafrechtlichen Charakter der Vorschrift auch geboten. e) Stellungnahme zu einer strafrechtlichen Rechtfertigung der Selbstanzeige Da die Selbstanzeige Teil der strafrechtlichen Wiedergutmachungsvorschriften sowie der Vorschriften über die Tätige Reue ist, kann sich eine mögliche Rechtfertigung ihrer Strafbefreiung nicht in der Umschreibung ihrer Zielsetzung beschränken. Auf den folgenden Seiten soll daher untersucht werden, weshalb der Gesetzgeber auf seinen mit der Steuerhinterziehung entstandenen Strafanspruch im Falle einer Selbstanzeige des Steuerhinterziehers verzichten darf und sogar muss. aa) Die Anreizfunktion der Selbstanzeige zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit Wie gezeigt wurde, wäre eine Anreizfunktion der Selbstanzeige zur Umkehr des steuerstrafrechtlich relevanten Verhaltens und zur Wiedergutmachung der Steuerstraftat im Hinblick auf ihre grundsätzliche Vergleichbarkeit mit Elementen der tätigen Reue sowie des Rücktrittsinstituts eine taugliche Rechtfertigung ihrer Strafbefreiung. Bereits Bockelmann führte hierzu aus, dass die Aussicht auf Straffreiheit für Steuerhinterzieher einen Anreiz darstelle, Selbstanzeige zu erstatten, da sie nicht nur Laien bekannt sei, sondern viele auch steuerliche Beratung in Anspruch nähmen und so von der Möglichkeit, mittels Abgabe einer Selbstanzeige straffrei werden zu können, wüssten.449 Auch über 60 Jahre später haben diese Aussagen nichts an ihrer Gültigkeit eingebüßt. Gerade im Hinblick auf die mediale Bedeutung der Selbstanzeige450 dürfte die Existenz der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht den meisten Steuerpflichtigen bekannt sein.451 So wurde die Presse nicht nur anlässlich der jüngsten Reformen der Norm 2010 und 2015 mit Berichten über die Selbstanzeige „überschwemmt“. Auch die Diskussionen um den Ankauf von Steuer449 450 451

Bockelmann, NJW 1955, 1417 (1420). Vgl. hierzu etwa die exemplarischen Nachweise in Rz. 1. Wie hier: Grötsch, S. 22.

B. Grundlagen der Untersuchung

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CDs durch den Fiskus sowie die Fälle prominenter Selbstanzeigen haben zu einer Vielzahl von Zeitungsartikeln, Fernseh- und Radiobeiträgen geführt. Im Internet sind Informationen rund um die Selbstanzeige jederzeit abrufbar.452 Einige Internetauftritte bieten sogar Formulierungsvorschläge für Selbstanzeigen an.453 Unabhängig von der Komplexität der Materie des Steuer- und Steuerstrafrechts dürften Laien hier daher zumindest über mehr Kenntnisse verfügen, als es im allgemeinen Strafrecht der Fall ist.454 Schließlich sind viele Steuerpflichtige, in Unternehmenssachverhalten nahezu alle Steuerpflichtigen, steuerrechtlich beraten, was ebenfalls zu höheren Kenntnissen bei den Steuerpflichtigen im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten führt. Durch die Aussicht auf Straffreiheit werden Steuerhinterzieher zur Abgabe einer Selbstanzeige motiviert und hierdurch werden dem Fiskus bisher unbekannte Steuerquellen erschlossen.455 Dabei ist es auch gerade die Aussicht auf obligatorisch zu gewährende Strafbefreiung, die den Entschluss des Steuerhinterziehers zur Erstattung der Selbstanzeige bestimmt.456 Die Aussicht auf fakultatives Absehen von Strafe oder Strafmilderung hätte demgegenüber keinen entsprechend motivierenden Effekt auf den Steuerhinterzieher zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige.457 Hintergrund hierfür ist, dass auch bei einem möglichen Absehen von Strafe oder Strafmilderung die Strafbarkeit des Steuerhinterziehers wegen der angezeigten Steuerhinterziehung bestehen bleibt. Hieraus ergeben sich für den Steuerhinterzieher gleich eine Reihe teils gravierende Nachteile. So kann eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung dazu führen, dass berufsrechtliche Zulassungen (etwa als Rechtsanwalt, Steuerberater, Bankmitarbeiter, ebenso die ärztliche Approbation) nicht gewährt oder nachträglich entzogen wer452 So bringt eine Suche bei Google bei dem Stichwort „Selbstanzeige“ mehr als 414.000 Ergebnisse. 453 So etwa unter https://www.steuerdelikt.de/checklisten/16-checklisten-steuerstraf recht/80-muster-selbstanzeige (16.06.2017); „Sieben Tipps für eine steuerliche Selbstanzeige“ gibt es in diesem Artikel von der FAZ vom 15.02.2008 http://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/recht-steuern/steuertipp-sieben-tipps-fuer-eine-steuerliche-selbstanzei ge-1256632.html (16.06.2017). 454 Ebenso: Breyer, der in diesem Zusammenhang auch auf die Flut an für das Massenpublikum bestimmten Bücher, EDV-Hilfen und Ratgeber für die Erstellung von Steuererklärungen verweist, Breyer, S. 132. 455 Statt vieler: Ende, SteuK 2011, 157 (157). 456 Ebenso im Ergebnis: Breyer, S. 143; Grötsch, S. 23 f. und S. 25 f.; Helml, S. 37. 457 Wie hier bereits Franzen, wonach die „sicherere Erwartung“ besteht, dass der Anreiz zur Selbstanzeige erheblich vermindert wäre, würde der Gesetzgeber die Strafbefreiung von einer Ermessensentscheidung abhängig machen, Franzen/Gast/Samson/ Franzen, 1985 § 371 Rz. 15. Franzen ist der Auffassung, dass die „heilsame Wirkung“ des Institut der Selbstanzeige ohne obligatorische Strafbefreiung „im Ganzen gesehen“ erheblich geringer wäre, Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 15; Grötsch, S. 24.

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1. Teil: Allgemeines

den.458 Beamten drohen disziplinarrechtliche Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus dem Beamtenverhältnis.459 Schlimmstenfalls kann sogar ein Berufsverbot (§ 70 StGB) angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lassen, dass er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder des Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird und die Steuerhinterziehung unter Missbrauch des Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen wurde (§ 70 Abs. 1 S. 1 StGB).460 Schließlich drohen bei einer Strafbarkeit auch verwaltungsrechtliche Nachteile. Zu denken ist hier insbesondere an die Untersagung der Gewerbeausübung (§ 35 GewO) wegen Unzuverlässigkeit des Steuerhinterziehers461, den Widerruf der Gaststättenerlaubnis (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GastG) und den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen462. Gerade für Steuerhinterzieher, die in der Wirtschaft tätig sind, ist es daher von besonderer Wichtigkeit, straffrei zu bleiben.463 Die Aussicht auf Strafbefreiung kann allerdings nur dann einen Anreiz für den Steuerhinterzieher sein, eine Selbstanzeige nach § 371 AO abzugeben, wenn für ihn die Voraussetzungen der Selbstanzeige klar sind und er sicher davon ausgehen kann, dass seine Selbstanzeige wirksam ist.464 Andernfalls stellte die Abgabe der Selbstanzeige für den Steuerhinterzieher ein unkalkulierbares Risiko465 dar und er wird sich im Zweifel dagegen entscheiden.466 458 Grötsch, S. 24; vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung mit w. N. bei Joecks/ Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 707 f. 459 Zu drohenden disziplinarrechtlichen Sanktionen vgl. etwa Füllsack/Bürger, BB 2012, 3201 ff., Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1358); vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 293 ff.; Jehke/Gallert, DStR 2014, 1476 ff.; Matschke, wistra 2012, 457 (465). 460 Vgl. hierzu auch Rübenstahl, wonach an die Verhängung zu Recht sehr hohe Anforderungen gestellt werden und insbesondere die Verletzung der Pflicht, Umsatz- oder Einkommensteuern zu zahlen, noch nicht die Verhängung eines Berufsverbot nach sich ziehen könne, Flore/Tsambikakis/Rübenstahl, § 46 Rz. 141 m.w. N.; zu den einzelnen Voraussetzungen sei auf die ausführliche Darstellung m.w. N. bei Schönke/Schröder/ Kinzig/Stree, StGB § 70 Rz. 9 ff. verwiesen. 461 Vgl. hierzu im Einzelnen die ausführliche Darstellung m.w. N. bei Joecks/Jäger/ Randt/Joecks, § 370 Rz. 671–673. 462 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 681. 463 Wie hier: Breyer, S. 24; Grötsch, S. 24. 464 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (281); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 31. 465 Insbesondere macht der Steuerhinterzieher mit einer unwirksamen Selbstanzeige die Steuerbehörden i. d. R. erst auf seine Steuerstraftat aufmerksam. Da die Tat dann in jedem Fall entdeckt ist, ist auch die Erstattung einer weiteren Selbstanzeige ausgeschlossen, vgl. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO; wie hier auch: Bültmann, DStR 2017, 1 (5). 466 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (282); Wulf, wistra 2010, 286 (287 und 290). Wulf stellt zutreffend fest, dass gleiches auch für die sachliche Reich-

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Somit stellt die sichere Aussicht auf Strafbefreiung den ganz maßgeblichen Anreiz für den Steuerhinterzieher dar, Selbstanzeige zu erstatten.467 bb) Der Wegfall des Strafzwecks Teilweise wird die in § 371 AO enthaltene Strafbefreiung mit dem Wegfall des Zwecks der Strafandrohung für die Steuerhinterziehung begründet.468 So soll die Strafbefreiung entbehrlich werden, wenn der Fiskus auf die Angaben des Steuerpflichtigen nicht mehr angewiesen sei.469 Deshalb schließe § 371 Abs. 2 AO eine wirksame Selbstanzeige aus.470 Entscheidend ist damit, worin der Zweck der Strafandrohung in einem Straftatbestand liegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt der Zweck der Sanktionierung eines Normverstoßes in dem Ausgleich des vom Täter schuldhaft verwirklichten Unrechts.471 Das Maß des verwirklichten Unrechts ergibt sich aus dem sozialethischen Unwerturteil über den Normverstoß, welches sich wiederum aus dem Straftatbestand und der Strafandrohung ergibt.472 Die Strafandrohung wiederum dient neben der Verhängung und Vollstreckung der Strafe insbesondere der Verhinderung zukünftiger Verstöße gegen die Strafnorm.473 Daraus ergibt sich als wesentlicher Zweck der Strafandrohung, das mit der Straftat schuldhaft verwirklichte Unrecht unter gleichzeitiger Berücksichtigung von spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten auszugleichen.474 weite der Ausschlussgründe der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 AO gilt, da die Selbstanzeige ansonsten wirke „wie eine Falle, die den Täter zunächst zur Selbstbezichtigung lockt und ihn dann unerwartet der strafrechtlichen Sanktion ausliefert“, Wulf, wistra 2010, 287 (287). 467 Vgl. hierzu auch Breyer, der die Anreizfunktion der Selbstanzeige zur Wiedergutmachung indes nicht als Teil der Rechtfertigung der Strafbefreiung sieht, sondern in ihr den „Hauptzweck der Selbstanzeige“ sieht, Breyer, S. 155. 468 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15 m.w. N. 469 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15 m.w. N. 470 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15 m.w. N. 471 BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 –, BVerfGE 123, 267. 472 BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 –, BVerfGE 123, 267. 473 Die absoluten Straftheorien, nach denen die Strafe der Vergeltung des vom Täter begangenen Unrechts dient, werden heute zurecht wohl einstimmig abgelehnt, vgl. im Einzelnen und m.w. N. MüKo StGB/Radtke vor §§ 38 ff. Rz. 33. Als dritte Straftheorien sind an dieser Stelle die überwiegend im 19. und 20. Jahrhundert vertretenen Vereinigungstheorien zu nennen, welche jedoch nach heutigem Verständnis überwiegend abgelehnt werden, vgl. im Einzelnen und m.w. N. MüKo StGB/Radtke vor §§ 38 ff. Rz. 33. 474 Wie hier: Pflaum, wistra 2009, 262 (263).

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1. Teil: Allgemeines

Der Zweck der Strafandrohung in § 370 AO könnte somit dann durch Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige entfallen sein, wenn der Strafbefreiung des Steuerhinterziehers weder spezial- noch generalpräventive Erwägungen entgegenstehen und das Unrecht der Tat wiedergutgemacht wird. Da jede wirksame Selbstanzeige das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung ausgleicht und die Tat mithin wiedergutmacht, entfällt das Strafbedürfnis wegen der Steuerhinterziehung dann, wenn im Falle einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO die general- und spezialpräventiven Zwecke der Strafandrohung der Steuerhinterziehung erfüllt werden. (1) Kein Bedürfnis zur Sanktionierung der angezeigten Steuerhinterziehung im Hinblick auf spezialpräventive Strafzwecke (Entbehrlichkeit der Bestrafung wegen der Erfüllung von spezialpräventiven Erwägungen: Die positive Prognose für eine zukünftige Steuerehrlichkeit) In positiv spezialpräventiver Hinsicht bedarf es der Bestrafung des Täters, um diesen von der erneuten Begehung ähnlicher Normbrüche abzuhalten.475 Die negative Spezialprävention bezeichnet insbesondere die von der Strafe und ihrem Vollzug erwartete Abschreckungswirkung auf den Einzelnen.476 (a) Die positive spezialpräventive Prognose für den sich gemäß § 371 AO anzeigenden Steuerhinterzieher Fraglich ist, ob die Abgabe der Selbstanzeige auf den Steuerhinterzieher eine spezialpräventive Wirkung hat und ihn davon abhält, zukünftig erneut Steuerstraftaten zu begehen. Mattern ist der Auffassung, dass die Möglichkeit, mittels Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen, die Steuermoral fördere.477 Mattern zufolge sei Hintergrund des Instituts auch die Erwartung, dass der Steuerpflichtige seine steuerlichen Pflichten zukünftig ehrlich erfülle.478 Diese Schlussfolgerung erscheint naheliegend, da der Steuerhinterzieher, der gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO straffrei wird, davon ausgehen muss, dass das Finanzamt ihn zukünftig stärker kontrollieren wird.479 Es kann daher grundsätzlich

475

MüKo StGB/Radtke vor §§ 38 ff. Rz. 41. MüKo StGB/Radtke vor §§ 38 ff. Rz. 41. 477 Mattern, DStZ A 1950, 134 (135). 478 Mattern, DStZ A 1950, 134 (135); ebenso auch Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 14. 479 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 14; Hoffschmidt, S. 132; Schuster, JZ 2015, 27 (30). 476

B. Grundlagen der Untersuchung

125

angenommen werden, dass der Steuerhinterzieher zukünftig mehr auf die Einhaltung der Steuergesetze achten wird.480 Dies wird teilweise in der Literatur verneint.481 So vertritt Helml die These, dass ein Teil derjenigen, die eine Selbstanzeige erstattet haben, erneut eine Steuerhinterziehung begehen und diesmal die „Fehler“, die sie bei ihrer ersten Tat begangen und welche sie sodann zur Abgabe einer Selbstanzeige genötigt haben, nicht erneut tätigen werden.482 Tatsächlich kann Helmls Gedanke schon mangels empirischer Nachweise nicht von der Hand gewiesen werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Steuerhinterzieher seine Erfahrungen mit der Steuerhinterziehung und Selbstanzeige nutzt, um noch raffiniertere und weniger leicht aufdeckbare Steuerhinterziehungen zu begehen. Dies dürfte jedoch eher die Ausnahme darstellen. So liegen in vielen Fällen die Umstände, die einen Steuerhinterzieher zur Abgabe einer Selbstanzeige veranlasst haben, nicht nur in seiner eigenen Sphäre liegen, sondern auch der äußeren Sphäre zuzurechnen sein. An dieser Stelle sei etwa an den rasanten Anstieg der Selbstanzeigen nach dem Bekanntwerden des Ankaufs von Steuer-CDs durch die Regierung gedacht oder das Bekanntwerden der Verschärfung des § 371 AO durch die Gesetzesnovellierung zum 01.01.2015. Hier – und noch vielen weiteren Fallgestaltungen – gibt es keine Fehler, die zukünftig vermieden werden könnten, um noch unerkannter und mithin „sicherer“ Steuerhinterziehungen zu begehen. Die Erstattung einer wirksamen Selbstanzeige ist darüber hinaus mit zahlreichen Unannehmlichkeiten für den Steuerhinterzieher verbunden. Insbesondere wegen des verlängerten Berichtigungsverbunds ist die Selbstanzeige mit erheblichem organisatorischen Aufwand verbunden, der nicht selten mit hohen Kosten für den Steuerhinterzieher einhergeht. Regelmäßig bei Abgabe einer Selbstanzeige anfallende Kosten sind etwa das Honorar des steuerlichen Beraters, der den Besteuerungssachverhalt aufarbeitet und die Selbstanzeige erstattet. Zu den Kosten gehören ferner auch die Gebühren, die Banken für die Zusammenstellung von Erträgnisaufstellungen nehmen und die sich je nach Umfang der angeforderten Unterlagen selbst bei „einfachen Sachverhalten“ schnell im vierstelligen Bereich bewegen. Oftmals werden für die Ermittlung der verkürzten Steuern benötigte Kontoauszüge oder Erträgnisaufstellungen ausländischer Bankkonten oder Depots von einem Rechtsanwalt des Steuerhinterziehers bei der ausländischen Bank persönlich abgeholt, sodass sich die Kosten der Selbstanzeige entsprechend erhöhen. 480 Wannemacher/Schmedding, Rz. 1931; a. A. Hoffschmidt, nach dessen praktischer Erfahrung Steuersünder nach der Erstattung einer Selbstanzeige oftmals ihr steuerunehrliches Verhalten fortsetzten, Hoffschmidt, S. 132. Im Hinblick auf die erheblichen Verschärfungen der Selbstanzeigevorschrift die seitdem vergangen sind, kann davon heutzutage wohl nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. 481 So etwa: Helml, S. 41. 482 Helml, S. 41.

126

1. Teil: Allgemeines

In komplizierten Fällen kann die Erstattung der Selbstanzeige selbst bei steuerrechtlicher Beratung einige Zeit in Anspruch nehmen. Der zur Selbstanzeige entschlossene Steuerhinterzieher lebt in dieser Zeit in ständiger Angst, dass vor Fertigstellung und Abgabe seiner Selbstanzeige nicht doch noch ein Sperrgrund ausgelöst wird. Im Hinblick auf die im 1. Teil unter B. VIII. 4. a) dargestellten Konsequenzen, die eine Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung für viele Steuerhinterzieher hat, ist diese Zeit mit erheblichen psychischen Belastungen, nicht selten mit Existenzängsten, verbunden. Trotz Abgabe einer Selbstanzeige wird regelmäßig ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Selbstanzeigeerstatter eingeleitet, da eine Selbstanzeige stets den Verdacht begründet, dass die angezeigte Steuerhinterziehung tatsächlich begangen wurde.483 Gercke weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bereits die schlichte Existenz eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen einer Wirtschaftsstraftat in einem Unternehmen eine erhebliche Störung des inneren Betriebsfriedens zur Folge hat.484 Dies könne neben der sinkenden Entscheidungsfreudigkeit der Arbeitnehmer des Unternehmens auch dazu führen, dass qualifizierte Arbeitnehmer wegen der „für alle Unternehmensangehörigen belastenden Ermittlungen“ das Unternehmen verlassen.485 Wie Kuhlen zutreffend feststellt, bedeutet die Einleitung eines Strafverfahrens486 für den davon Betroffenen eine Minderung seines Ansehens und stellt damit, unabhängig von seinem Ausgang, eine gravierende Belastung dar.487 Kuhlen schlussfolgert zutreffend, dass gerade die Einleitung eines Strafverfahrens einen Anreiz darstelle, künftig keine Steuerhinterziehungen mehr zu begehen.488 Selbstanzeigen prominenter Steuersünder sind mit großer medialer Aufmerksamkeit und regelmäßig damit einhergehend mit öffentlichen Anprangerungen489 483 Burkhard, PStR 2001, 46; Klos, NJW 1996, 2336 (2340); Rolletschke, wistra 2007, 89 (91); Rolletschke, wistra 2007, 371 (371); Rolletschke/Roth, NZWiSt 2013, 295 (295). 484 Gercke, wistra 2012, 291 (295). 485 Gercke, wistra 2012, 291 (295 f.). 486 Da das Ermittlungsverfahren Teil des Strafverfahrens ist, kann bereits auf dieser Stufe des Verfahrens nichts anderes gelten. 487 Kuhlen, S. 92. 488 Kuhlen, S. 92. 489 Aus der Presse: So heißt es etwa auszugsweise in dem Artikel „Steuerhinterziehung gibt Alice Schwarzer den Rest“ aus die Welt vom 06.06.2014 abrufbar unter http://www.welt.de/debatte/kommentare/article128794697/Steuerhinterziehung-gibtAlice-Schwarzer-den-Rest.html (16.06.2017): „Aus der selbstgerechten Anklägerin und Mahnerin in Geschlechterfragen ist eine Sünderin vor dem Steuer-Herrn geworden“; bezeichnend auch die Wahl der Überschrift „Die Gier nach mehr: Uli Hoeneß’ tiefer Fall“ in der Badischen Zeitung vom 13.03.2014, abrufbar unter http://www.badischezeitung.de/panorama/die-gier-nach-mehr-uli-hoeness-tiefer-fall–81865956.html (16.06.

B. Grundlagen der Untersuchung

127

verbunden.490 Daraus entwickelt sich in der Gesellschaft eine stetig stärker werdende Ablehnung von Steuerhinterziehern im Allgemeinen und von solchen, die gemäß § 371 AO nachträglich straffrei werden, im Besonderen. Da viele Steuerhinterzieher, abgesehen von ihrer Steuerhinterziehungstat, gut bis sehr gut in der Gesellschaft sozial integriert sind, wäre der Skandal, den das Bekanntwerden der Strafbarkeit wegen der Steuerhinterziehung oder eine Selbstanzeige auslöste, mit einer Beschädigung des gesellschaftlichen Ansehens verbunden.491 Es ist daher zweifelhaft, dass ein verständiger Steuerhinterzieher diese Erfahrungen wiederholen möchte. Auch das Bekanntwerden von (und sogar lediglich Gerüchte über) Steuerhinterziehungen, die von Mitarbeitern eines Unternehmens begangen wurden, sind mit einem erheblichen Reputationsverlust des betreffenden Unternehmens in der Öffentlichkeit verbunden.492 Aus diesem Grund erlangt nach Hammerl/Hiller die Aufstellung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen (Tax Compliance Management System oder kurz: Tax CMS) zur Aufarbeitung bereits bestehender steuerlicher Unregelmäßigkeiten und Vermeidung zukünftiger steuerlicher Unregelmäßigkeiten zunehmend an Bedeutung.493 Darüber hinaus ist die Einrichtung eines wirksamen494 Tax CMS nach Auffassung des BMF bei Unrichtigkeiten steuerlicher Erklärungen ein Indiz für das Nichtvorliegen von Vorsatz und Leichtfertigkeit.495 (b) Zwischenergebnis: Kein Bedürfnis zur Sanktionierung der angezeigten Steuerhinterziehung im Hinblick auf spezialpräventive Strafzwecke Somit stehen der Strafbefreiung wegen der Steuerstraftat im Falle einer wirksamen Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO keine spezialpräventiven Erwägungen der Strafandrohung in § 370 AO entgegen. Die spezialpräventiven Zwecke der Strafandrohung in § 370 AO werden durch die Anforderungen an die wirksame Selbstanzeige erfüllt, sodass es einer Bestrafung des Steuerhinterziehers in spezialpräventiver Hinsicht nicht (mehr) bedarf. 2017); zum Zusammenspiel von Wirtschaftsstraftaten und Medien, vgl. auch Leyendecker, wistra 2011, 176 ff. 490 Wobei natürlich immer wieder „erstaunlich“ ist, wie solche Informationen über Selbstanzeigen Prominenter überhaupt in die Medien gelangen können. 491 Wie hier: Gercke, wistra 2012, 291 (295). 492 Wie hier: Hammerl/Hiller, NWB 2016, 3448 (3449). 493 Hammerl/Hiller, NWB 2016, 3448 (3449). 494 Zu den Anforderungen an ein wirksames Tax CMS, vgl. den Praxishinweisentwurf zu IDW 980 vom 22.06.2016. 495 BMF vom 23.05.2016 – IV A 3 – S 0324/15/10001, IV A 4 – S 0324/14/10001 Rz. 2.6, DStR 2016, 1218 (1219); Ludwig/Breimann/Kusch, DStR 2016, 2240 (2244); Madauß, NZWiSt 2016, 343 (347).

128

1. Teil: Allgemeines

(2) Kein Bedürfnis zur Sanktionierung der angezeigten Steuerhinterziehung im Hinblick auf generalpräventive Strafzwecke An dieser Stelle ist zunächst zu untersuchen, ob die Aussicht auf Strafbefreiung die von der Strafandrohung in § 370 AO ausgehende Abschreckungswirkung auf einen potentiellen Steuerhinterzieher aufhebt und diesen zur Begehung weiterer Steuerhinterziehungen sogar anregt. In diesem Fall wäre eine generalpräventive Rechtfertigung der Strafbefreiung ausgeschlossen. Anschließend ist zu untersuchen, ob die Aussicht auf Strafbefreiung durch § 371 AO den Geltungsanspruch des Tatbestands der Steuerhinterziehung beeinträchtigt oder untergräbt und ob die Strafbefreiung im Falle einer wirksamen Selbstanzeige zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung führt. (a) Vereinbarkeit der Strafbefreiung mit der generalpräventiven Wirkung der Strafandrohung aus § 370 AO Teilweise wird vertreten, dass die Aussicht des Steuerhinterziehers auf Strafbefreiung bei Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige mit der generalpräventiven Wirkung der Strafandrohung wegen der Steuerstraftat unvereinbar sei und einen „Tatanreiz unerhörter Stärke“ 496 zur Begehung weiterer Steuerhinterziehungen bewirke. Nach Kummer verleite § 371 AO den steuerlich beratenen Steuerpflichtigen zur „kalkulierbaren, relativ risikolosen Steuerhinterziehung“.497 So könne dieser bei Entdeckungsgefahr, die wegen der geringen Personalstärke in den Finanzämtern als gering einzustufen sei, stets durch Abgabe einer rechtzeitigen Selbstanzeige straffrei werden.498 Insgesamt führe die Selbstanzeige nach Kummer zu einer „Begünstigung“ von Steuerhinterziehungen.499 Ähnlich kritisch sieht auch Brauns die Strafbefreiung des Steuerhinterziehers bei Abgabe einer Selbstanzeige: So sei die Selbstanzeige in der Hand eines „kaltblütig vorausberechnenden Steuerpflichtigen ein Instrument, dessen Einsatz von vorneherein bei Begehung der Steuerhinterziehung eingeplant werden kann, um sich zumindest vorübergehend den finanziellen Vorteil einer rechtswidrigen Steuerentlastung zu verschaffen (sog. Zeitverkürzung), wobei das Risiko einer Bestrafung (infolge eines Mißlingens der Selbstanzeige) allenfalls gering ist und

496

Kopacek, BB 1961, 41. Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1216. 498 Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1216. 499 Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1217. Zusätzlich führe die Selbstanzeige nach Kummer auch zu Mindereinnahmen des Fiskus, Wabnitz/Janovsky/Kummer, S. 1217. 497

B. Grundlagen der Untersuchung

129

sich der Täter überdies unter ständiger Abwägung des Entdeckungsrisikos die Entscheidung offenhalten kann, ob er es nicht bei der Steuerverkürzung belassen und auf die ursprünglich geplante Erstattung der Selbstanzeige verzichten soll“.500 Die generalpräventive Wirkung der Strafandrohung in § 370 AO liegt darin, dass der potentielle Steuerhinterzieher davon ausgehen muss, durch seine Tat nachteiligen Konsequenzen ausgesetzt zu sein, welche die für ihn positiven Folgen (Steuerersparnisse) überwiegen.501 Die Möglichkeit, mittels Abgabe der Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen, wäre mithin nur dann geeignet, diese Abschreckungswirkung zu untergraben, wenn die Selbstanzeige an keine oder mit geringem Aufwand zu erfüllende Voraussetzungen anknüpfen würde.502 Dies ist ersichtlich nicht der Fall, da die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige schon im Hinblick auf die jüngsten Änderungen durch das AOÄG 2015 nur unter engen Voraussetzungen möglich ist. Darüber hinaus besteht zwischen der Möglichkeit zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige und dem Tatentschluss zur Begehung einer Steuerhinterziehung regelmäßig kein Kausalzusammenhang.503 So dürfte der Steuerhinterzieher im Zeitpunkt der Steuerhinterziehung nicht auf die Möglichkeit, mittels Selbstanzeige nachträglich Straffreiheit zu erlangen, vertrauen, sondern davon ausgehen, dass seine Tat nicht entdeckt wird.504 Darüber hinaus ist für den Steuerhinterzieher oftmals auch nicht erkennbar, ob einer der Sperrgründe aus § 371 Abs. 2 AO im Zeitpunkt der Berichtigungshandlung bereits ausgelöst wurde oder nicht.505 Auch Joecks und Schwab vertraten in der Sitzung des Finanzausschusses der Bundesregierung am 07.07.2010 die Auffassung, dass eine Hinterziehungsstrategie unter Einbeziehung der Möglichkeit der Selbstanzeige in der Praxis nicht 500

Brauns, wistra 1985, 171 (171 f.). Wie hier: Kratzsch, Grundfragen, S. 283 (292). 502 Wie hier im Ergebnis: Kratzsch, Grundfragen, S. 283 (292). 503 Wie hier bereits: Franzen/Gast/Joecks/Franzen, 1985 § 371 Rz. 17. Nach Franzen sind für den Tatentschluss zur Steuerhinterziehung vielmehr „die Bereicherungsabsicht sowie die Einschätzung der Entdeckungsgefahr ausschlaggebend“; Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 17; vgl. auch Hoffschmidt, der darauf hinweist, dass „eine Steuerhinterziehung auf Zeit“, bei der Täter den späteren Verlust der mit der Steuerhinterziehung erlangten Gewinne in Kauf nimmt schon im Hinblick auf die nachzuzahlenden Zinsen unattraktiv wäre, Hoffschmidt, S. 129. 504 Hoffschmidt, S. 130 f.; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15. 505 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15; wie hier auch: Schuster, JZ 2015, 27 (30) im Anschluss an Löffler, S. 51. Schuster vergleicht die Situation des Steuerhinterziehers, der Selbstanzeige erstatten möchte, auch mit der des Rücktrittswilligen: „Insoweit ist die Situation nicht anders als beim Rücktritt gemäß § 24 StGB, wo es vielfach ebenso vom Zufall abhängt, ob Straffreiheit eintritt oder nicht“, Schuster, JZ 2015, 27 (30). 501

130

1. Teil: Allgemeines

existiere.506 Im Übrigen dürfte sich ein Spekulieren auf die Selbstanzeigemöglichkeit bei Begehung einer Steuerhinterziehung durch die jüngste Änderung von § 371 AO für den Steuerhinterzieher finanziell nicht lohnen. So umfasst die Nachzahlungspflicht des eigennützigen Steuerhinterziehers neben der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern auch die Hinterziehungszinsen. Darüber hinaus wurde die Höhe des Hinterziehungsbetrags, bis zu der Selbstanzeige erstattet werden kann, auf EUR 25.000 abgesenkt, § 371 Abs. 2 S. 1 AO. Durch die gleichzeitige Anhebung des in diesen Fällen gemäß § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO zusätzlich zu den hinterzogenen Steuern und den Hinterziehungszinsen zu leistenden Zuschlags dürfte wohl kaum noch von einer Förderung von Steuerstraftaten durch die Selbstanzeige auszugehen sein.507 Gerade im Hinblick auf die Verlängerung des Berichtigungszeitraums und die Komplexität des Steuerrechts wird die Erstattung einer Selbstanzeige überdies oftmals nur unter Hinzuziehung fachlicher Unterstützung möglich sein.508 Doch selbst dann verbleibt für den Steuerhinterzieher das Risiko der Unwirksamkeit der Selbstanzeige.509 Wegen der dargestellten Schwierigkeiten stellt die Existenz der Selbstanzeige keinen Anreiz zur Begehung von Steuerstraftaten dar. (b) Auswirkungen der Strafbefreiung auf den Geltungsanspruch von § 370 AO Die Strafwürdigkeit der Steuerhinterziehung ergibt sich nicht nur wegen eines Ungehorsams gegenüber dem Fiskus, sondern maßgeblich auch wegen der hiermit untrennbar verbundenen Schädigung der „ehrlichen Steuerzahler“.510 Nach einem Teil der Literatur soll die Möglichkeit, trotz Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung mittels Abgabe einer Selbstanzeige straffrei werden zu können, dazu führen, dass der Geltungsanspruch der Steuerhinterziehung in der Bevölkerung vermindert wird und die Steuerhinterziehung als ein „Kavaliersdelikt“ angesehen wird.511 506 Joecks und Schwab, Stellungnahmen im Finanzausschuss der Bundesregierung am 07.07.2010 unter dem Thema „Pro und Contra der Selbstanzeige“ abrufbar unter: http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_514_de/bttv/od_player.html?single ton=true&content=686746 (Stand: 16.03.2017). 507 Zu Recht stellt Beckemper daher darauf ab, dass ein rationaler Täter diesen Aufschlag sicherlich vermeiden möchte, Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 15. 508 So führten nach Schuster lediglich 50 % aller erstatteten Selbstanzeigen auch zu einer Strafbefreiung, Schuster, JZ 2015, 27 (30). 509 Wie hier: Beneke, 2015, 407 (412). 510 Pflaum, wistra 2009, 262 (264). 511 Bülte stellt hierzu auf die fehlende Möglichkeit zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bei anderen Vermögensdelikten ab: So wird die Steuerhinterziehung seiner Ansicht nach mit der Behauptung bagatellisiert, es sei etwas anderes, weniger

B. Grundlagen der Untersuchung

131

Wie Popitz gezeigt hat, besteht die Gesamtgeltung einer Norm (und damit der Glaube an ihre Verbindlichkeit in der Bevölkerung512) nur in dem Umfang, in dem sie eingehalten oder in dem ihre Nichteinhaltung mit Sanktionen belegt wird.513 Indem § 371 Abs. 1 S. 1 AO unter bestimmten Voraussetzungen Strafbefreiung wegen einer Steuerhinterziehung anordnet, soll nach einem Teil der Literatur das Gerechtigkeitsempfinden der überwiegenden Mehrheit an Bürgern, die die Steuergesetze einhalten, verletzt werden.514 Puppe stellt zur Unterstützung dieser These darauf ab, dass die rechtstreuen Bürger erwarteten, dass „die Missachtung der Norm dem Täter per Saldo Nachteile einträgt“.515 Die Existenz der strafbefreienden Selbstanzeige führe im Ergebnis jedoch dazu, dass die Bürger sich fragten, „ob sie nicht töricht handeln“, indem sie weiterhin Normen beachteten und die „Vorteile ihrer Missachtung anderen überlassen“.516 So ziehe der Bürger „am Ende die Konsequenz, dass die Norm, mag sie auch auf dem Papier gelten, in der Praxis keinen Anspruch auf Befolgung mehr hat“.517 Wie Puppe ausführt, bestehe der durch die Bestrafung des Normbrechers vermittelte Geltungsanspruch einer Norm darin, den Täter oder andere an der künftigen Verletzung eben dieser Norm zu hindern.518 Dies ist zutreffend, da die Sanktionierung des Rechtsbrechers auf diesen und auf die Gesellschaft eine abschreckende Wirkung hat. Vor diesem Hintergrund muss es für eine Vereinbarkeit der Selbstanzeige mit generalpräventiven Erwägungen genügen, wenn die abschreckende Wirkung der Strafandrohung in § 370 AO und die hierdurch angestrebte Verhinderung weiterer Steuerhinterziehungen durch § 371 AO nicht beeinträchtigt wird.

von seinem Einkommen abzugeben, als Waren zu bestellen, ohne diese bezahlen zu wollen, Bülte, ZWF 2015, 52 (56). Nach Gehm sei jedenfalls die Einführung einer Steueramnestie vor diesem Hintergrund abzulehnen, Gehm, ZRP 2010, 169 (171). 512 Schuster, JZ 2015, 29. 513 Popitz, S. 35. 514 BT-Drucks. 17/5067 S. 18; so wortwörtlich auch die Äußerungen von Martin Gerster (SPD) i. R. d. Diskussion um den Reformvorschlag der SPD zur Abschaffung der Selbstanzeige (BT-Drucks. 17/1411) am 22.04.2010 BT-Plenarprotokoll 17/37 (3653). 515 Puppe, FS Grünwald, S. 478. 516 Puppe, FS Grünwald, S. 478. Schlimmstenfalls könne ein prinzipiell rechtstreuer Bürger nach Puppe in Konkurrenzsituationen mit dem Normbrecher sogar ebenfalls zu Normverstößen gedrängt werden, um „die Gleichheit wieder herzustellen“, Puppe, FS Grünwald, S. 478. 517 So Puppe, die beispielhaft auf den „Niedergang der Steuermoral und die Ausbreitung der Korruption“ verweist, Puppe, FS Grünwald, S. 478. 518 Puppe, FS Grünwald, S. 477.

132

1. Teil: Allgemeines

An dieser Stelle ist der oben bereits dargestellte Umstand zu berücksichtigen, dass der Steuerhinterzieher im Zeitpunkt der Tat nicht darauf vertraut, mittels einer Selbstanzeige nachträglich straffrei werden zu können, sondern darauf setzt, dass seine Tat nicht entdeckt werde.519 Darüber hinaus ist durch das Vollständigkeitsgebot und die hieraus resultierende grundsätzliche Unwirksamkeit von Teilselbstanzeigen die Abgabe einer taktischen Selbstanzeige, also einer solchen, die Teil einer Hinterziehungsstrategie ist, nicht (mehr) möglich.520 Im Übrigen ist die Abgabe der Selbstanzeige für den Steuerhinterzieher mit erheblichen Risiken verbunden.521 Bereits diese Schwierigkeiten der Selbstanzeige verdeutlichen das Weiterbestehen des Geltungsanspruchs der Strafandrohung in § 370 AO. (c) § 371 AO begründet keinen Vertrauensverlust in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung Darüber hinaus führt die Möglichkeit, durch Erstattung einer Selbstanzeige straffrei werden zu können, nicht zu einem Vertrauensverlust in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung und zu einer Verringerung der Rechtstreue der Bürger. Dem Steuerhinterzieher bleibt kein finanzieller Vorteil aus seiner Tat. Im Gegenteil: Im Ergebnis erweist sich die Steuerhinterziehung als finanzieller Verlust, weil er zusätzlich zum Hinterziehungsbetrag gemäß § 371 Abs. 3 AO auch die Hinterziehungszinsen zahlen muss. Daran ändert auch nichts, dass Steuerstraftaten, die zeitlich außerhalb des Berichtigungsverbunds liegen, nicht mit erklärt werden müssen und entsprechende Steuerverkürzungen nicht unter die Nachzahlungspflicht aus § 371 Abs. 3 AO fallen. Hier kann auf die Erwägungen zurückgegriffen werden, die auch im Rahmen der Legitimation der strafrechtlichen Verjährung angestellt werden. Hiernach wird die präventive Wirkung der Ahndung einer Tat umso schwächer, je größer der zeitliche Abstand zwischen der Tat und der strafrechtlichen Ahndung ist.522 Liegt die Steuerhinterziehung mithin derart lange zurück, dass sie nicht mehr unter den zeitlichen Berichtigungsverbund einer Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO fällt, ist die präventive Wirkung der Strafandrohung derart schwach, dass ein Verzicht auf Bestrafung in Form der strafrechtlichen Verjährung der Tat keinen Vertrauensverlust in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung bewirkt. 519

Hierzu im 1. Teil unter B. IV. 5. e. bb) (2) (a). Hierzu im 2. Teil unter A. II. 1. 521 So trägt der Steuerhinterzieher das Erfolgsrisiko der Selbstanzeige, 1. Teil unter B. II. 2. 522 MüKo StGB/Mitsch § 78 Rz. 3. 520

B. Grundlagen der Untersuchung

133

Auch die zahlreichenden Verschärfungen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 371 AO legen den Schluss nahe, dass die Strafbefreiung nur bei Erbringung einer honorierungswürdigen Leistung des Steuerhinterziehers erfolgt. Im Umkehrschluss ist also das Weiterbestehen der Strafbarkeit wegen der Steuerhinterziehung der Regelfall. Folglich kann wegen der bloßen Existenz der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO die Steuerhinterziehung nicht als „Kavaliersdelikt“ angesehen werden523 und auch der Geltungsanspruch von § 370 AO nicht als vermindert bewertet werden. Wie Schuster zutreffend ausführt, kann der Geltungsanspruch einer Norm auch anders als durch Belegung des Rechtsbrechers mit einer Sanktion bestätigt werden.524 So bestätigte der Täter die steuerlichen Mitwirkungspflichten dadurch, dass er diesen nachträglich nachkommt.525 Durch die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung dokumentiere der Täter nach außen, dass er an seinem „ursprünglichen Widerspruch gegen die Normgeltung nicht mehr festhalten möchte“.526 Steuer und Flore weisen im Rahmen der Diskussion um die Vorteile einer Steueramnestie darauf hin, dass auch steuerehrlichen Bürgern daran gelegen sei, dass Steuersünder schnellstmöglich dazu gebracht würden, „ihr Kapital dem Fiskus wieder zugänglich zu machen und künftig die darauf anfallenden Steuern (. . .) zu entrichten“.527 Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Selbstanzeige übertragen. So liegt es auch im Interesse steuerehrlicher Bürger, dass Steuerhin523 So sei nach der im Rahmen der Vorstellung des Jahresbericht des BFH am 04.02.014 in einer Rede geäußerten Auffassung des BFH-Präsidents Rudolf Mellinghof den meisten Menschen bewusst, dass es sich bei der Steuerhinterziehung nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern strafbares Unrecht handelte, vgl. die Nachricht der Beck-Redaktion „BFH-Jahresbericht: Unter dem Strich höhere Steuermoral“ abrufbar unter https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata %2freddok %2fbecklink %2f1030830.htm& pos=6&hlwords=selbstanzeige %C3 %90kavaliersdelikt %C3 %90+selbstanzeige %2cka valiersdelikt+ %C3 %90+selbstanzeige+ %C3 %90+kavaliersdelikt (Stand: 16.03.2017); ein ähnliches Bild zeichnet auch eine Studie des Bund der Steuerzahler NRW abrufbar unter http://www.steuerzahler-nrw.de/files/1260/Statement_2014_Folien.pdf (16.06. 2017) und die Pressemitteilung des Bund der Steuerzahler Deutschland e. V. abrufbar unter http://www.steuerzahler.de/Die-Steuermoral-ist-top/62049c71880i1p637/index. html (16.06.2017); vgl. auch die Kritik von Heerspink, wonach der Gesetzgeber mit „in weiten Teilen überhöhten, systematisch nicht nachvollziehbaren und ungerechten Steuern die Einsicht untergräbt, dass Steuerhinterziehung tatsächlich kein Kavaliersdelikt ist“, Heerspink, BB 2002, 910 (914); a. A. Jahn, GWR 2011, 327 (330); ebenfalls kritisch Kemper, nach dem der Gesetzgeber mit § 370 AO zeige, dass „der in die Steuerhinterziehung eingeschlagene Weg grundsätzlich umkehrbar ist, solange nur die geschuldete Steuer bezahlt wird“, Kemper, ZRP 2008, 105 (107). 524 Schuster, JZ 2015, 27 (30); Popitz weist darauf hin, dass „die Sanktionsgeltung i. d. R. nur einen sehr begrenzten Teil der Gesamtgeltung einer Norm“ trage, Popitz, S. 67. 525 Schuster, JZ 2015, 27 (30). 526 Schuster, JZ 2015, 27 (30). 527 Steuer/Flore, ZRP 2002, 420 (420).

134

1. Teil: Allgemeines

terzieher sich zu erkennen geben und die verkürzten Steuern in voller Höhe nachzahlen.528 Maßgeblich ist, dass der schädliche Eindruck der Steuerhinterziehung auf die Rechtsordnung durch die Selbstanzeige wieder ausgeglichen wurde und die abschreckende Wirkung der Strafandrohung in § 370 AO durch die Möglichkeit zur Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO nicht beeinträchtigt wird. (d) Zwischenergebnis Aus alledem folgt, dass generalpräventive Erwägungen der durch § 371 AO gewährten Straffreiheit nicht nur nicht im Wege stehen, sondern sie auch zu rechtfertigen vermögen. f) Zwischenergebnis zur Rechtfertigung der Strafbefreiung Die Rechtfertigung der Strafbefreiung des Selbstanzeigeerstatters ergibt sich aus der mit der Selbstanzeige verbundenen Anreizfunktion sowie der vollständigen Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung. Wie gezeigt wurde, werden die spezial- und generalpräventiven Gründe der Strafandrohung durch die wirksame Selbstanzeige auch erfüllt, sodass es einer Bestrafung des Steuerhinterziehers nicht mehr bedarf.

C. Mehrpersonenverhältnisse I. Definition des Begriffs der Mehrpersonenverhältnisse im Sinne der Untersuchung Bevor untersucht werden kann, welche Besonderheiten sich bei der strafbefreienden Selbstanzeige im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen ergeben, gilt es, diesen Begriff für die Untersuchung zu definieren. Der Begriff „Mehrpersonenverhältnisse“ taucht weder im StGB noch in der AO auf. Im Zivilrecht ist er hingegen regelmäßig anzutreffen. So beschreibt er etwa im Bereicherungsrecht die Beteiligung von drei oder mehr Personen an einem bereicherungsrechtlich relevanten Sachverhalt.529 Im Zwangsvollstreckungsrecht wird die rechtliche Behandlung von Mehrpersonenverhältnissen dann relevant, wenn auf Gläubiger- oder Schuldnerseite mehrere Personen stehen.530

528 Ebenso auch Frank Schäffler (FDP) i. R. d. Diskussion um den Reformvorschlag der SPD zur Abschaffung der Selbstanzeige (BT-Drucks. 17/1411) am 22.04.2010 BTPlenarprotokoll 17/37 (3654). 529 BeckOK BGB/Wendehorst, § 812 Rz. 165. 530 BeckOK ZPO/Ulrici, § 733 Rz. 3.

C. Mehrpersonenverhältnisse

135

Unabhängig davon, in welcher Situation Mehrpersonenverhältnisse auftreten, bestehen sie jedoch stets aus mehreren, also mindestens zwei, Personen, welche miteinander in einem rechtlich relevanten Verhältnis stehen. Diese rechtliche Relevanz kann sich aus einem zivilrechtlichen Sonderverhältnis (z. B. bei einer Mehrheit von Schuldnern oder Gläubigern) oder aus einer tatsächlichen Beziehung ergeben (der Erpresser, der einer Person die Zufügung von Gewalt an einer anderen Person androht). Soll die Selbstanzeige Straffreiheit im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses bewirken, muss zuvor der Tatbestand der anzuzeigenden Steuerhinterziehung im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses verwirklicht worden sein. Dies ist der Fall, wenn an der Tatbestandsverwirklichung mehrere Personen zusammengewirkt haben. Grundsätzlich ist die gemeinsame Verwirklichung eines Tatbestandes in vier Konstellationen denkbar: 1. Mehrere Personen können gemeinsam als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) Straftaten begehen. 2. Eine Person begeht durch eine andere Person die Tat und ist als sog. mittelbarer Täter gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu bestrafen. 3. Eine Person stiftet eine andere Person zu einer anderen Tat an (§ 26 StGB) und 4. Eine Person leistet zu der Tat einer anderen Hilfe (§ 27 StGB).

Die strafbefreiende Selbstanzeige nach einer Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Zwar agieren auch hier mehrere Personen (Hintermann und Tatmittler), gleichwohl unterscheidet sich die mittelbare Täterschaft in einem Punkt entscheidend von den übrigen Mehrpersonenverhältnissen: Aufgrund seines Defektes ist der unmittelbar Handelnde regelmäßig531 nicht selbst strafbar, sodass auch die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige nicht im Rahmen eines oben dargestellten Mehrpersonenverhältnisses, sondern lediglich in Bezug auf den allein strafbar gewordenen „Hintermann“ in Betracht kommt. Mehrpersonenverhältnisse i. S. d. Untersuchung beschreiben also Personenkonstellationen, in denen unter Beteiligung mehrerer Personen eine Steuerhinterziehung begangen wurde und in denen durch Erstattung der Selbstanzeige nach § 371 AO Straffreiheit für sämtliche oder für einen Teil der beteiligten Personen erlangt werden soll. Die Abgabe einer Selbstanzeige kann insbesondere in zwei Konstellationen bestimmte, im Einzelnen näher zu bestimmende Auswirkungen im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen haben: 531 Abgesehen von den umstrittenen Sonderfällen der Strafbarkeit des sog. „Vordermanns“ wie bei der Figur des „Täters hinter dem Täters“, hierzu etwa MüKo StGB/ Joecks, § 25, Rz. 105 ff.

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1. Teil: Allgemeines

1. An der Verwirklichung der Steuerhinterziehung waren neben dem Steuerschuldner noch weitere Personen beteiligt. Eine Person/alle Personen/ein Teil der Personen möchte/n mittels Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO Straffreiheit erlangen. 2. Der Täter oder der Teilnehmer einer Steuerhinterziehung möchte einzeln oder gemeinsam Selbstanzeige erstatten und bedient sich hierzu einer dritten Person (z. B. eines Steuerberaters).

II. Mehrpersonenverhältnisse und allgemeines Strafrecht Da sich die vorliegende Arbeit mit den Besonderheiten der Selbstanzeige im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen beschäftigt, ist eine nähere Beschäftigung mit den einzelnen Täterschafts- und Beteiligungsformen unumgänglich. Im Folgenden seien daher die jeweiligen Strafbarkeitsvoraussetzungen der Mittäterschaft, der Anstiftung und der Beihilfe untersucht. Es soll geprüft werden, weshalb die Teilnahme an der Straftat eines anderen strafbar ist und welche Auswirkungen die Mittäterschaft auf die Strafe hat (Strafgrund der Mittäterschaft). Anschließend ist kurz auf die wesentlichen Unterschiede zwischen der Mittäterschaft und Teilnahme einzugehen. 1. Strafbarkeitsvoraussetzungen innerhalb der einzelnen strafrechtlichen Mehrpersonenverhältnisse Wie bereits dargestellt, stellen die Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB), die Anstiftung (§ 26 StGB) sowie die Beihilfe (§ 27 StGB) die verschiedenen möglichen Elemente der Mehrpersonenverhältnisse i. S. d. Untersuchung dar. Sämtliche Mehrpersonenverhältnisse sind miteinander kombinierbar und können gemeinsam auftreten (z. B. Anstiftung oder Beihilfe zu einer mittäterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung im Unternehmen). a) Mittäterschaft Gemäß § 25 Abs. 2 StGB wird als Mittäter bestraft, wer die Straftat mit einem anderen gemeinschaftlich begeht. Die Strafbarkeit als Mittäter setzt die gemeinsame Tatbestandsverwirklichung durch mehrere Täter auf Grundlage eines gemeinsamen Tatentschlusses voraus. Jeder der Beteiligten muss einen wesentlichen Tatbeitrag erbringen.532 Mittäterschaft liegt daher vor, wenn jeder der Beteiligten infolge der arbeitsteiligen Begehungsweise lediglich einen Teil der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung eigenhändig übernommen hat. Bei Vorliegen der 532

Roxin, 2006 S. 280; SK/Hoyer, § 25 Rz. 108.

C. Mehrpersonenverhältnisse

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übrigen Voraussetzungen der Mittäterschaft bewirkt § 25 Abs. 2 StGB die Zurechnung fremder Tatbeiträge und fingiert so die eigenhändige Vornahme der zugerechneten Handlung durch den Mittäter.533 Erfüllt jeder der Beteiligten alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person, wirkt schon das jeweils eigene Verhalten (mit-)täterschaftsbegründend. Auf eine wechselseitige Zurechnung geleisteter Beiträge kommt es dann nicht an.534 b) Anstiftung Wer einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener Tat bestimmt hat, wird gemäß § 26 StGB als Anstifter gleich einem Täter bestraft. Unter „Bestimmen“ ist das Hervorrufen des Tatentschlusses in seiner konkreten Gestalt beim Täter zu verstehen.535 Die Anstiftung unterscheidet sich von der mittelbaren Täterschaft oder Mittäterschaft dadurch, dass der Anstifter keine eigene Tatherrschaft hat. Vom Beihilfeleisten unterscheidet sich die Anstiftung dadurch, dass der Anstifter für den Tatentschluss des Haupttäters mit verantwortlich ist.536 Obwohl der Anstifter selbst keine Tatherrschaft innehat, entspricht seine Strafe der des Täters (gemäß § 26 StGB wird der Anstifter „gleich einem Täter bestraft“) und übertrifft damit den Strafrahmen der Beihilfe. Hintergrund hierfür ist nach Hoyer, dass dem Gehilfen nur das Erfolgsunrecht der Tat vorgeworfen werden könne, hingegen nicht das vom Haupttäter begangene Handlungsunrecht. Der höhere Strafrahmen des Anstifters ergebe sich daher daraus, dass diesem durch sein Bestimmen einerseits das vom Täter begangene Handlungsunrecht und andererseits auch das aus der Haupthandlung folgende Erfolgsunrecht anzulasten sei.537 c) Beihilfe Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 StGB). Hilfeleistung ist nach der Rechtsprechung jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert.538 Die Beihilfe unterscheidet sich von der Mittäterschaft durch das Fehlen von Tatherrschaft.539

533 534 535 536 537 538 539

SK/Hoyer, § vor 26 Rz. 3. Schönke/Schröder/Heine/Weißer, § 25 Rz. 61. MüKo StGB/Joecks, § 26 Rz. 26. Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 567. SK/Hoyer, § 26 Rz. 3. BGH, Urteil vom 18.04.1996 – 1 StR 14/96 – BGHSt 42, 135. Wessels/Beulke/Satzger, Rz. 581.

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1. Teil: Allgemeines

2. Strafgrund der Teilnahme an der Tat eines anderen Der Strafgrund der Teilnahme ist umstritten.540 Im Wesentlichen werden hierzu sechs Ansichten vertreten. a) Schuldteilnahmetheorien Nach den Schuldteilnahmetheorien soll der Strafgrund der Teilnahme darin liegen, dass der Teilnehmer an der Schuld des Täters eine Mitschuld trägt. So führe der Anstifter den Täter in „Schuld und Strafe“, der Gehilfe werde hierfür wenigstens mitschuldig.541 An der Schuld des Täters nehme der Anstifter oder der Gehilfe durch seinen Tatbeitrag mit teil.542 b) Die Unrechtsteilnahmelehre Die von Trechsel begründete Unrechtsteilnahmelehre unterscheidet zwischen dem Strafgrund der Anstiftung und demjenigen der Beihilfe.543 Der Vorsatz des Anstiftenden beinhalte stets die Absicht, auch dem Angestifteten Unrecht zuzufügen.544 Der Strafgrund der Anstiftung liege in der „Aussetzung“ des Angestifteten in die „soziale Desintegration“.545 Der Strafgrund der Beihilfe liege demgegenüber allein darin, dass der Gehilfe einen kausalen Beitrag zur Begehung der Haupttat geleistet habe.546 c) Die Ansicht Herzbergs: Theorie des eigenen Unrechts des Teilnahmedelikts Herzberg vertritt die Ansicht, dass die Teilnahme eigenes tatbestandliches Unrecht beinhalte und allein deswegen strafbar sei.547 Auf die Beteiligung an einem fremden Unrecht komme es für die Bestimmung des Strafgrunds der Teilnahme nicht an.548 Die Eigenständigkeit der Teilnahme liegt nach Herzberg in der strafbarkeitsbegründenden Wirkung der Teilnahmedelikte. 549 Wegen der Akzessorietät des Teilnahmedelikts vom Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen 540 Zumindest wenn man mit der heute h. M. davon ausgeht, dass die Vorschriften zur Teilnahme strafbarkeitsbegründend und nicht gegenüber der Täterschaft strafbarkeitsreduzierend wirken; vgl. zur Thematik etwa Lange, S. 36 ff. 541 Mayer, S. 155 f. 542 Mayer, S. 155 f. 543 Trechsel, S. 54. 544 Trechsel, S. 54. 545 So auf Grundlage des schweizerischen Strafgesetzbuches: Trechsel, S. 55. 546 Trechsel, S. 107. 547 Herzberg, GA 1971, 1 (12). 548 Herzberg, GA 1971, 1 (12). 549 Herzberg, GA 1971, 1 (2).

C. Mehrpersonenverhältnisse

139

Vortat kommt Herzberg zu der Auffassung, dass die Teilnahmenormen „variable Rechtsgüter“ schützten.550 d) Reine Verursachungstheorie Die insbesondere von Schmidhäuser551 und Lüderssen552 (teilweise mit abweichenden Begründungen und Ergebnissen) vertretenen reinen Verursachungstheorien gehen im Grundsatz ebenso wie Herzberg von der Selbständigkeit des Teilnahmedelikts von der Haupttat aus. Der Teilnehmer sei nach diesen Ansichten nicht für seine Mitwirkung an einer fremden Tat, sondern ausschließlich für das selbst verwirklichte tatbestandliche Unrecht verantwortlich. Nach Lüderssen sei die Abhängigkeit der Strafbarkeit des Teilnehmers vom Vorliegen einer Haupttat rein „faktischer Natur“ 553 und die Strafbarkeit des Teilnehmers setze – im Gegensatz zu der Ansicht von Herzberg – auch keine Strafbarkeit des Täters voraus.554 Deswegen soll nach Lüderssen auch die Teilnahme an einem Selbstmord strafbar sein.555 Nach Schmidhäuser nehme der Teilnehmer nicht unerlaubt an der Tat eines anderen teil, sondern unerlaubt an der eigenen Tat und verletze das tatbestandsmäßig geschützte Rechtsgut somit selbst.556 Der Strafgrund der Teilnahme soll nach Schmidhäuser in dessen „eigener Wertverfehlung im Willensverhalten und im geistigen Verhalten“ liegen.557 e) Akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie Nach dieser Ansicht ist Grund für die Strafbarkeit des Teilnehmers die Förderung bzw. die Mitverursachung der Haupttat.558 f) Gemischte Verursachungstheorie Roxin sieht den Rechtsgrund der Teilnahme in einer Kombination aus der reinen Verursachungstheorie und der akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie. Danach stehe die strafbare Teilnahme zwar stets akzessorisch zur Haupttat, sie enthalte aber immer auch einen eigenen Rechtsgutsangriff.559 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559

Herzberg, GA 1971, 1 (2). Schmidhäuser, S. 14 und 57. Lüderssen, S. 119 ff. Lüderssen, S. 119. Lüderssen, S. 168. Lüderssen, S. 168. Schmidhäuser, S. 14 und 57. Schmidhäuser, S. 14 und 57. BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rz. 3. LK/Roxin, vor § 26 Rz. 22.

140

1. Teil: Allgemeines

g) Zwischenergebnis Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen. Gegen die Schuldteilnahmetheorie spricht, dass sie mit der heutigen Strafrechtssystematik nicht vereinbar ist, da die §§ 26, 27 StGB auch die Teilnahme an einer schuldlosen Tat ermöglichen (sog. limitierte Akzessorietät).560 Darüber hinaus widerspricht die Schuldteilnahmetheorie auch § 29 StGB, wonach jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner eigenen Schuld bestraft wird.561 Die Schuldteilnahmetheorie wird daher heute zu Recht abgelehnt.562 Auch die zweitgenannte Ansicht, die den Strafgrund der Teilnahme ausschließlich in der Verwirklichung eigenen Tatunrechts sieht, kann nicht überzeugen. Sie berücksichtigt weder das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Haupttat und Teilnahme – ohne Haupttat ist eine Teilnahme nicht denkbar – noch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich nicht ausschließlich um die Tat des Teilnehmers handelt. Gegen die Unrechtsteilnahmetheorie spricht, dass sich mit ihr nicht erklären lässt, weshalb die bloße Gefährdung der „sozialen Integration“ des Haupttäters durch erfolgreiche Anstiftung denselben Strafrahmen wie die Haupttat hat: Die Verschlechterung seiner sozialen Integration infolge der eigenen Tat hat der Haupttäter vielmehr selbst zu verantworten.563 Außerdem ist das Maß an Verschlechterung der „sozialen Integration“ des Haupttäters durch die Anstiftung nur schwer zu ermitteln. Roxin stellt hierzu zutreffend fest, dass die „soziale Integration“ des Haupttäters ein sehr verschwommenes Rechtsgut sei: „Bei einem sozial schon völlig desintegrierten Täter einerseits und bei einem unentdeckt bleibenden Delinquenten andererseits wird ihre Beeinträchtigung nur schwer nachweisbar sein“.564 Die reine Verursachungstheorie verkennt, dass die Strafbarkeit des Teilnehmers eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat voraussetzt. Darüber hinaus steht die reine Verursachungstheorie auch im Widerspruch zu § 28 Abs. 1 StGB, wonach die Strafe des Teilnehmers gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist, wenn diesem strafbegründende besondere persönliche Merkmale fehlen. Die Akzessorietät des Teilnahmedelikts von der Haupttat ist somit nicht von der Hand zu weisen.

560

Man spricht daher von der limitierten Akzessorietät der Teilnahme. BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rz. 2.1. 562 BeckOK StGB/Kudlich, § 26 Rz. 2.1. 563 MüKo StGB/Joecks, Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27 Rz. 6. 564 LK/Roxin, vor § 26 Rz. 11; überdies weist Roxin darauf hin, dass unserer Rechtsordnung ein Strafschutz gegen schlechte Einflüsse fremd sei, LK/Roxin, vor § 26 Rz. 11, zustimmend MüKo StGB/Joecks, Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27 Rz. 6. 561

C. Mehrpersonenverhältnisse

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Nur die letzten beiden Ansichten tragen dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Haupttat und der Teilnahme Rechnung und verdeutlichen zugleich die untergeordnete Rolle der Teilnahme. Der Teilnehmer verletzt durch seinen Beitrag das geschützte Rechtsgut mit. Nur eine akzessorietätsbezogene Betrachtungsweise wird dem Wesen der Teilnahme somit gerecht und ist mit dem heutigen Strafrechtssystem vereinbar. Gleichwohl sind die Angriffe auf die Rechtsordnung durch ihre unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen durchaus verschieden. Während der Haupttäter den tatbestandlichen Erfolg selbst verwirklicht, wirkt der Anstifter auf diesen im Vorfeld kommunikativ ein und der Gehilfe leistet dem Haupttäter während der Tat durch eine eigene andere Handlung Hilfe. Insofern ist Roxin zuzustimmen, dass die Teilnahme durchaus einen eigenen Rechtsgutangriff beinhaltet, dieser sich jedoch nicht vollkommen von dem des Haupttäters ableiten lässt.565 3. Strafgrund und Strafzumessung bei der Mittäterschaft Über § 25 Abs. 2 StGB werden Mittätern die Tatbeiträge der anderen Tatbeteiligten als eigene zugerechnet. Mittäterschaft stellt also eine besondere Konstellation eigener Täterschaft dar, bei der die Tat nicht allein begangen wird, sondern der Straftatbestand auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes und im Rahmen gemeinsamer Tatausführung zusammen mit anderen Tatbeteiligten verwirklicht wird. Der Grund für die Strafbarkeit wegen einer mittäterschaftlich begangenen Tat entspricht somit dem Grund der Strafbarkeit der „einfachen“ Täterschaft, nämlich der Verletzung eines tatbestandlich geschützten Rechtsgutes durch Vornahme der gesetzlich festgelegten Handlung bzw. ggf. durch ein gleichwertiges tatbestandliches Unterlassen.566 Grundsätzlich bestimmt sich das Strafmaß auch bei mehreren Tatbeteiligten nach der jeweiligen individuellen Schuld.567 Der Umstand, dass ein tatbestandlich geschütztes Rechtsgut im Rahmen der Mittäterschaft von mehreren Tatbeteiligten gemeinsam verletzt wurde, hat jedoch Auswirkungen auf die Strafzumessung, da gemäß § 46 Abs. 2 StGB auch die Art der Tatausführung Teil der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Gesamtabwägung des Gerichts ist.568 So liegt bei einer Beteiligung mehrerer an derselben Straftat eine höhere Gefahr für das Opfer vor und ergibt sich mithin eine höhere Strafwürdigkeit.569 Bei Tatbeständen, bei denen das Gesetz nicht schon 565

LK/Roxin, vor § 26 Rz. 11. Vgl. im Einzelnen zum mit der Strafe verfolgten Zweck die bei Streng dargestellten Straftheorien, Streng, Rz. 10 ff. 567 BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 StR 229/09, NStZ-RR 2009, 311. 568 Wie hier: MüKo StGB/Miebach/Maier, § 46 Rz. 210; LK/Theune, § 46 Rz. 141. 569 MüKo StGB/Miebach, § 46 Rz. 92. 566

142

1. Teil: Allgemeines

selbst wegen einer gemeinsamen Tatausführung eine höhere Strafandrohung bestimmt (so etwa bei den Bandendelikten), muss die erhöhte Strafwürdigkeit der Tat im Rahmen der hierdurch erhöhten individuellen Schuld berücksichtigt werden.570 4. Zwischenergebnis: Strukturelle und wertungsmäßige Unterschiede zwischen Täterschaft und Teilnahme Festzuhalten bleiben folgende strukturelle und wertungsmäßige Unterschiede zwischen Täterschaft und Teilnahme: Der Täter verwirklicht ein größeres Unrecht als der Teilnehmer. Mittäterschaft wirkt sich im Rahmen der Strafzumessung in der Regel straferhöhend aus und stellt im Vergleich zu den übrigen Beteiligungsformen ein größeres Unrecht dar. Die Strafbarkeit des Teilnahmedelikts ist von der rechtswidrigen Tat des Täters oder der Täter abhängig. Hinsichtlich des Tatunrechts besteht in der Regel ein Gefälle von der Mittäterschaft über die Anstiftung bis hin zur Beihilfe. 5. Auswirkungen des Vorstehenden auf die strafbefreiende Selbstanzeige Der Alleintäter einer Steuerhinterziehung verwirklicht in der Regel ein größeres Unrecht als ein Teilnehmer an dieser Tat. Entsprechendes gilt für die Mittäter einer begangenen Steuerhinterziehung. Wie der BGH klargestellt hat, kann jedoch in einzelnen Fällen der Unrechtsgehalt wegen einer Beihilfe an einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO größer sein als bei einer täterschaftlichen Begehung.571 Ein solcher Fall der Beihilfe im „besonders schweren Fall“ kommt nach der Rechtsprechung bei einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO insbesondere dann in Betracht, wenn ein steuernder Hintermann die Anforderungen von § 35 AO nicht erfüllt und er mithin keine steuerlichen Pflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern zu erfüllen hat.572 Mangels eigener steuerlicher Pflichten kann der Hintermann trotz seiner tatbeherrschenden Stellung und selbst dann, wenn er alleiniger Nutznießer der Tat war, allenfalls als Gehilfe der Steuerhinterziehung verurteilt werden.573 570

MüKo StGB/Miebach, § 46 Rz. 92. BGH, Urteil vom 09. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218. 572 BGH, Urteil vom 09. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218; vgl. auch Madauß, NZWiSt 2016, 268 (268). 573 BGH, Urteil vom 09. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218; vgl. auch Madauß, nach dem der Umstand, dass der Steuerhinterzieher nur auf Grundlage der nach 571

D. Steuerhinterziehung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen

143

Für die Bestimmung der jeweiligen Schuld des Steuerhinterziehers ist es von erheblicher Bedeutung, ob der Steuerhinterzieher eigennützig oder fremdnützig gehandelt hat.574 Das Handlungsunrecht des fremdnützigen Steuerhinterziehers ist geringer als das Handlungsunrecht des eigennützigen Steuerhinterziehers. Fraglich ist jedoch, welcher Bedeutung das mit der Steuerhinterziehung verwirklichte Tatunrecht bei der Selbstanzeige dieser Tat zukommt. Sieht man den Zweck der Selbstanzeige darin, die angezeigte Steuerhinterziehung rückgängig zu machen, müssten die Selbstanzeige des Alleintäters und die Selbstanzeige der Mittäter ein größeres Unrecht ausgleichen als die Selbstanzeige des Teilnehmers an einer solchen Tat. Käme es ausschließlich auf die Erfüllung des fiskalischen Zwecks der Selbstanzeige an, die Vermehrung des Steueraufkommens, wäre hingegen ein anderer Maßstab anzulegen und es müsste ausschließlich darauf ankommen, dass die Selbstanzeige zu einer zutreffenden Veranlagung des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, führt. Nach der hier vertretenen Ansicht bezweckt die Selbstanzeige sowohl die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung als auch die Vermehrung des Steueraufkommens.575 Wie gezeigt wurde, setzt die Wiedergutmachung einer Tat den Ausgleich des verwirklichten Handlungs- und Erfolgsunrechts voraus. Das Handlungsunrecht wird jedoch durch die Art und Weise der Tatausführung bestimmt. Damit kommt auch dem Umstand, ob die Steuerhinterziehung als Mittäter oder als Teilnehmer verwirklicht wurde, für die Bestimmung des wiedergutzumachenden Handlungsunrechts eine entscheidende Bedeutung zu.

D. Die Steuerhinterziehung im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen Die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO besteht ausschließlich bei einer Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut und der Überschrift der Norm. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass die Selbstanzeige bei anderen, nicht von § 370 AO umschriebenen Steuerstraftaten nicht möglich ist.576

§§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB verurteilt werden könne, unter „Wertungsgesichtspunkten bedenklich“ sei, da der „Hintermann regelmäßig eine deutlich höhere kriminelle Energie als der Haupttäter (Strohmann) aufgewendet“ habe, Madauß, NZWiSt 2016, 268 (268). 574 Wie hier: Matschke, wistra 2012, 457 (458). 575 Hierzu im 1. Teil unter B. III. 5. 576 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 39.

144

1. Teil: Allgemeines

I. Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO Gemäß § 370 Abs. 1 AO wird bestraft, wer gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln unterlässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. § 370 AO ist ein Erfolgsdelikt.577 Die Vorschrift enthält zwei verschiedene Taterfolge, einerseits die Verkürzung von Steuern und andererseits die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile. Unter der Verkürzung von Steuern ist das Zurückbleiben der Ist-Einnahme hinter der Soll-Einnahme zu verstehen. Steuern sind dann verkürzt, wenn der Steuergläubiger weniger einnimmt, als es seinem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis entspricht.578 Der Begriff des Steuervorteils ist im Gesetz nicht definiert. § 370 Abs. 4 S. 2 AO bestimmt allerdings, dass jedenfalls Steuervergütungen, die auf Grund eines steuerstrafrechtlich erheblichen Verhaltens dem Täter zu Unrecht gewährt oder belassen wurden, Steuervorteile darstellen. Ein Steuervorteil ist dann ungerechtfertigt, wenn die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Vorteils nicht erfüllt sind.579 Bei Vorteilen, deren Gewährung im Ermessen des Finanzamts liegt, ist der Vorteil immer dann ungerechtfertigt, wenn er lediglich aufgrund unrichtiger Angaben zum Steuersachverhalt bewilligt wurde.580 Geschütztes Rechtsgut der Steuerhinterziehung ist das öffentliche Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen jeder einzelnen Steuerart.581

II. Steuerhinterziehungen im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen § 370 AO ist kein Sonderdelikt. Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung kann damit grundsätzlich auch derjenige sein, der selbst nicht Steuerschuldner der verkürzten Steuern ist und auch sonst nicht für die verkürzten Steuern steuerpflichtig ist.582 577

Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 20. Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 21. 579 Klein/Jäger, § 370 Rz. 125. 580 RG, Urteil vom 15.02.1926, II 603/25, RGSt 60, 97; BGH, Urteil vom 06.06. 1973, 1 StR 82/72, BGHSt 25, 190. 581 RG, Urteil vom 16.06.1925, I 188/25, RGSt 59, 258; BGH, Beschluss vom 20.03.1979, 1 StR 677/78, StRK AO 1977, § 370 R.9; BGH, Urteil vom 01.02.1989, 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100. 582 BGH, Beschluss vom 03. September 1970 – 3 StR 155/69, BGHSt 23, 319; BGH, Urteil vom 06. Juni 2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356; Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210). 578

D. Steuerhinterziehung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen

145

Im Rahmen der mittäterschaftlichen Steuerhinterziehung ist jedoch zu differenzieren: Eine Strafbarkeit wegen Mittäterschaft setzt stets voraus, dass die Möglichkeit einer eigenen Täterschaft besteht. Eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, kann somit derjenige als Mittäter begehen, der selbst zwar nicht steuerpflichtig ist, als Dritter jedoch zugunsten des Steuerschuldners handelt.583 Als Täter einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kommt jede Person in Betracht, die tatsächlich in der Lage ist, auf die Festsetzung, Erhebung oder Vollstreckung der gesetzlich geschuldeten Steuer zum Nachteil des Steuergläubigers (und mithin zum Vorteil des Steuerschuldners) einzuwirken.584 Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wird derjenige bestraft, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO wird bestraft, wer pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt. Die Steuerhinterziehungen in den Formen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO setzen somit im Gegensatz zu § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ein pflichtwidriges Unterlassen voraus. Hier kann nur derjenige Mittäter sein, der auch zur Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen585 bzw. zur Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern verpflichtet ist.586 Zusammengefasst kann also derjenige trotz fehlender Eigenschaft als Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern Täter einer Steuerhinterziehung sein, der selbst unrichtige oder unvollständige Erklärungen gegenüber dem Finanzamt macht bzw. dem die unrichtigen oder unvollständigen Erklärungen eines anderen aufgrund eines Tatplans und gemeinsamer Tatausführung zugerechnet werden und der auf diese Weise den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in eigener Person erfüllt.587 Demnach setzt eine Steuerhinterziehung jedenfalls in der Form des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht voraus, dass der Täter oder Teilnehmer zugleich Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist, er mithin eigene steuerliche Erklärungsoder Mitwirkungspflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern verletzt hat.588 Ist dem mitbeteiligten Steuerpflichtigen ausschließlich ein pflichtwidriges Unterlassen i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AO anzulasten und besteht der ak583 BGH, Urteil vom 27. Januar 1953, 2 StR 558/52, BGHSt 4, 36; BGH, Urteil vom 28. Mai 1986, 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463; BGH, Beschluss vom 17. Juli 1991, 5 StR 225/91, BGHSt 38, 37; Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210). 584 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 18. 585 BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002, 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003, 5 StR 520/02, NJW 2003, 2924; für § 371 Abs. 1 Nr. 2 AO: Höll, wistra 2013, 455 (460); Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210). 586 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 18; Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210). 587 BGH, Urteil vom 28. Mai 1986, 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463. 588 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30 f.; Klein/Jäger, § 370 Rz. 25; Weidemann/Weidemann, wistra 2005, 207 (210).

146

1. Teil: Allgemeines

tive Tatbeitrag des Steuerhinterziehers, der selbst nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist, nicht in einer von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO umschriebenen Handlung, kann dieser unabhängig von einem eventuellen Täterwillen grundsätzlich nur Teilnehmer sein.589

E. Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Teils der Untersuchung I. Der Wortlaut von § 371 AO unterscheidet nicht zwischen der Selbstanzeige des Täters oder des Teilnehmers der Steuerstraftat. Nach dem Wortlaut sind keine anderen Anforderungen an die Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen als an die Selbstanzeigen des Alleintäters zu stellen. II. Aus der Historie der Norm ergibt sich, dass die Selbstanzeige für den Steuerhinterzieher nur noch unter stetig enger werdenden Voraussetzungen möglich ist. Ursprünglich nahm die strafbefreiende Selbstanzeige vornehmlich den Steuerhinterziehungstäter, der zugleich Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer ist, ins Visier. Erst in jüngster Zeit bezieht der Wortlaut der Norm in einigen Bereichen ausdrücklich auch die Teilnehmer der Steuerhinterziehung mit ein. III. § 371 AO ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. IV. § 371 AO verfolgt fiskalische, strafrechtliche und auch kriminalpolitische Ziele. Sinn und Zweck der Selbstanzeige ist es, die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung zu bewirken und hierdurch das Vermögen des Fiskus zu vermehren. Gleichzeitig soll dem Steuerhinterzieher die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ermöglicht werden. V. Die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO ist eine Wiedergutmachungsvorschrift und systematisch als Tätige Reue-Vorschrift einzuordnen. VI. Die Strafbefreiung des Selbstanzeigeerstatters ist wegen der vollständigen Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung sowie der hiermit eng verbundenen Anreizfunktion hinsichtlich der Selbstanzeige gerechtfertigt. Durch die Anreizfunktion erfolgt eine optimale Verfolgung der unter IV. genannten Ziele der Norm. Darüber hinaus werden die spezial- und generalpräventiven Zwecke der Strafandrohung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung aus § 370 AO durch die wirksame Selbstanzeige erfüllt, sodass es keiner Bestrafung des Steuerhinterziehers mehr bedarf. VI. Bei einer mittäterschaftlichen Steuerhinterziehung wird ein größeres Unrecht verwirklicht als bei einer durch einen Alleintäter begangenen Steuerhinterziehung. Der Teilnehmer verwirklicht ein geringeres Unrecht als der Täter. Der Gehilfe verwirklicht ein geringeres Unrecht als der Anstifter. 589

Sog. notwendige Beihilfe, hierzu Gribbohm/Utrech, NStZ 1990, 209 (209 f.).

2. Teil

Besonderes Während es im ersten Teil der Untersuchung um die Erarbeitung der Grundlagen des Rechtsinstituts der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO ging, soll im zweiten Teil der Untersuchung das Augenmerk auf die Auslegung der ersten positiven Tatbestandsvoraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige, die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeigeerklärung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO, unter besonderer Berücksichtigung von Mehrpersonenverhältnissen gelegt werden. Die Erstattung und Wirksamkeit der Selbstanzeige beinhaltet gerade i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen eine Vielzahl praktischer und rechtlicher Schwierigkeiten. Es ist einerseits fraglich, welchen inhaltlichen Anforderungen die Selbstanzeigeerklärung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen genügen muss. So berücksichtigt der Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO Mehrpersonenverhältnisse nicht. Aus dem einheitlichen Wortlaut ließe sich schlussfolgern, dass der Gesetzgeber eine einheitliche Regelung für alle Steuerhinterzieher gewollt habe und die Selbstanzeigeerklärung sämtlicher Tatbeteiligten denselben Anforderungen genügen müsse.1 Konsequenz einer solchen Rechtsauslegung wäre jedoch, dass ein Steuerhinterzieher, der keine Kenntnisse über bzw. keinen Einblick in die Besteuerungsgrundlagen des Steuerschuldners hat, faktisch keine Selbstanzeige erstatten könnte. Mangels konkreter Anhaltspunkte über die Art und Höhe der hinterzogenen Steuern dürfte ihm die Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung verwehrt sein. Gerade Tatbeteiligten, denen bei der Planung oder Ausführung der Steuerhinterziehungstat lediglich eine untergeordnete Rolle zukam, etwa dem Gehilfen der Steuerhinterziehung, wird die Erlangung der Straffreiheit mittels Abgabe einer Selbstanzeigeerklärung damit regelmäßig unmöglich sein. Ebenfalls problematisch ist die Auslegung des Begriffs „Steuerart“ i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 2 AO. Gerade bei Steuerhinterziehungen, die i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen begangen wurden, kommt es regelmäßig vor, dass ein Tatbeteiligter i. R. v. unterschiedlichen Steuerschuldverhältnissen Steuern einer Steuerart, etwa Einkommensteuern, hinterzogen hat. Bei einer undifferenzierten Betrachtungsweise müsste damit der Gehilfe, der die Hinterziehung von Einkommensteuern in unterschiedlichen Steuerschuldverhältnissen gefördert hat, auch alle 1

So etwa Ditges/Graß, BB 1998, 1978 (1980).

148

2. Teil: Besonderes

Einkommensteuerhinterziehungen in sämtlichen Steuerschuldverhältnissen berichtigen, um straffrei werden zu können. Vor dem Hintergrund, dass der Gehilfe – wenn überhaupt – nur eingeschränkte Informationen über die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, hat, wäre auch hier die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige faktisch unmöglich. Entsprechende Schwierigkeiten können sich wegen der Vielfältigkeit der Fallgestaltungen bei Steuerhinterziehungen, welche i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen begangen wurden, auch bei Mittätern und Anstiftern stellen. Vergleichbare Schwierigkeiten i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen ergeben sich auch dann, wenn ein ausgeschiedener Mitarbeiter eines Unternehmens, der an der Steuerhinterziehung des Unternehmens beteiligt war, Selbstanzeige erstatten möchte und keinen Zugriff mehr auf Unterlagen zu den Besteuerungsgrundlagen des Unternehmens hat. Zusätzlich verkompliziert wird die Rechtslage im Hinblick auf die stetigen Verschärfungen der Anforderungen an die Selbstanzeige und hierbei insbesondere den verlängerten Berichtigungszeitraum der Selbstanzeigeerklärung, der nunmehr gemäß § 371 Abs. 1 S. 2 AO mindestens zehn Kalenderjahre beträgt. In diesem Kapitel soll auch untersucht werden, ob – und falls ja, unter welchen Voraussetzungen – die Selbstanzeige eines oder eines Teils der Tatbeteiligten auch für die übrigen Tatbeteiligten Wirksamkeit entfaltet. Entsprechendes gilt für die Abgabe einer Selbstanzeige durch Dritte, die für sämtliche oder einen Teil der Steuerhinterzieher Wirksamkeit entfalten soll. In diesen beiden Zusammenhängen stellt sich auch die Frage, wem Fehler bei der Formulierung der Selbstanzeige rechtlich anzulasten sind.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen Wie eingangs bereits dargestellt, unterscheidet der Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO nicht danach, durch wen die Selbstanzeige erstattet wird. Demnach kann Selbstanzeige erstatten, wer sich wegen einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO strafbar gemacht hat. Da es sich bei der Steuerhinterziehung um ein sog. „Jedermannsdelikt“ handelt, kommt es für eine Strafbarkeit nicht darauf an, in wessen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogen wurden.2 Nach dem Wortlaut der Norm bestehen einheitliche Anforderungen für jede Selbstanzeige, unabhängig davon, in welcher Beteiligungsform – der Selbstanzeigeerstatter an der in Bezug genommenen Steuerhinterziehung beteiligt war.

2

Klein/Jäger, § 370 Rz. 25; Wulf/Ruske, PStR 2015, 14 (19).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

149

I. Überblick über die inhaltlichen Anforderungen an die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO 1. Gegenstand der Selbstanzeige § 371 Abs. 1 AO statuiert die Anforderungen, denen die Berichtigungserklärung des Steuerhinterziehers genügen muss, damit dieser Straffreiheit hinsichtlich der in Bezug genommenen Steuerhinterziehung erlangt. In § 371 Abs. 1 AO heißt es: „Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.“ Der Inhalt der Selbstanzeige muss danach Angaben zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang enthalten, welche die unrichtigen Angaben berichtigen, die unvollständigen Angaben ergänzen oder die unterlassenen Angaben nachholen. Dabei müssen die Angaben gemäß § 371 Abs. 1 S. 2 AO zu allen strafrechtlich noch nicht verjährten Steuerhinterziehungen einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerhinterziehungen einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen. Die zur Erlangung der Strafbarkeit erforderlichen Angaben müssen vollständig sein. Da § 371 Abs. 1 S. 1 AO von allen „Steuerstraftaten“ spricht, sind auch versuchte Steuerhinterziehungen grundsätzlich tauglicher Gegenstand einer strafbefreienden Selbstanzeige.3 2. Überblick über die Selbstanzeigehandlungen gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO: „Berichtigen“, „Ergänzen“ und „Nachholen“ von Angaben In § 371 Abs. 1 AO sind drei verschiedene Selbstanzeigehandlungen aufgeführt, nämlich die Berichtigung unrichtiger Angaben, die Ergänzung unvollständiger Angaben und die Nachholung unterlassener Angaben. Die Selbstanzeige erfordert einen Rückbezug auf die früheren unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben und erfordert die Ersetzung der früheren unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben durch die richtigen und vollständigen Angaben.4 3 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 116; Hofstetter, StW 1965, 169 (169); Hüls/ Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 19; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 55; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 32; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 6; Wittig, StR 2014, 567 (570); Wulf/Ruske, PStR 2015, 14 (18 ff.). 4 Vgl. zu der Wortbedeutung von „Berichtigen“ auch Breyer, demzufolge eine Berichtigung vorliegt, wenn „etwas Fehlerhaftes, Falsches beseitigen und durch das Rich-

150

2. Teil: Besonderes

Die verschiedenen Selbstanzeigehandlungen werden von der überwiegenden Literatur unter dem Oberbegriff der „Berichtigung“ der ursprünglich mangelhaften Angaben zusammengefasst.5 Richtigerweise bilden das Ergänzen unvollständiger Angaben sowie das Nachholen fehlender Angaben Spezialfälle der Berichtigung.6 Keine Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO liegt vor, wenn der Steuerhinterzieher lediglich die Unrichtigkeit einer früheren Steuererklärung anerkennt oder erklärt.7 Stets sind wahrheitsgemäße Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen erforderlich.8 Wann von einer Ersetzung vormals unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben durch zutreffende Angaben auszugehen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. a) Überblick über den Meinungsstand in der Rechtsprechung und Literatur zu den wesentlichen Merkmalen einer „Berichtigung“ i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO Insbesondere in der älteren Literatur und Rechtsprechung wurden keine „zu hohen Anforderungen“ an die Berichtigung gestellt.9 tige, Zutreffende“ ersetzt würde, Breyer, S. 15 und S. 169; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 56; Pfaff, 1971 S. 221; Rolletschke, NZWiSt 2016, 209 (211). 5 So z. B. BeckOK OWiG/Merkt, AO § 371 Rz. 4; Hofstetter, StW 1965, 156 (156); Joecks/Jäger/Rand/Joecks, § 371 Rz. 54 ff.; Klein/Jäger, § 371 Rz. 18 ff.; MüKo StGB/Kohler, AO § 371 Rz. 49; Wegner, SteuK 2014, 199 (200). 6 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 25; im Folgenden sollen die Selbstanzeigehandlungen daher auch im Hinblick auf den Wortgebrauch in der übrigen Literatur und Rechtsprechung als „Berichtigung“ zusammengefasst werden. 7 Bereits: RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; ferner genüge es auch nicht, wenn der Steuerhinterzieher lediglich das Ergebnis einer Betriebsprüfung erkenne, ganz h. M. vgl. bereits BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373; auch die Aufforderung des Steuerhinterziehers an das Finanzamt, eine Betriebsprüfung durchzuführen, stellt keine Selbstanzeige dar, OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; Entsprechendes gilt für die Erklärung des Steuerhinterziehers, er habe Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gehabt, die noch nicht in der Steuererklärung erfasst worden seien, LG Hamburg, Urteil vom 18. Juni 1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; ferner genügt es für die Annahme einer Berichtigung auch nicht, wenn der Steuerhinterzieher lediglich die Steuerquelle nicht erklärter Einkünfte erklärt, ohne zugleich ihre Höhe zu nennen, Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 02. Juni 1992 – 1 Ss 119/9, wistra 1993, 274; auch die schlichte Vorlage der Buchführungsunterlagen stelle noch keine Berichtigung dar, Marschall, BB 1998, 2496 (2500); Klein/Jäger, §371 Rz. 52; Quedenfeld/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 192. 8 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; Joecks/ Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 56; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 161; Pfaff, 1971, S. 223. 9 So seien nach der älteren Rechtsprechung an die Berichtigung „keine allzu hohen Anforderungen zu stellen“, ebenso BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/ 74, NJW 1974, 2293; OLG Köln, Urteil vom 28. August 1979 – 1 Ss 574 – 575/79, 1

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

151

Nach überwiegender Ansicht soll die Berichtigung des Steuerhinterziehers dem Finanzamt die bislang verborgene Steuerquelle derart offenbaren, dass das Finanzamt auf dieser Grundlage und ohne das Erfordernis eigener langwieriger Nachforschungen den Sachverhalt aufklären und die Steuer berechnen und festsetzen kann.10 Teilweise wird für ausreichend erachtet, dass der Steuerhinterzieher nach bestem Willen und Können alles zur Aufklärung des Besteuerungssachverhalts und zur nachträglichen Erfüllung der „ihm obliegenden Pflichten“ beiträgt, um dem Finanzamt die zutreffende Steuerfestsetzung oder die Rückgängigmachung eines ungerechtfertigt erlangten Steuervorteils zu ermöglichen.11 Vor allem in der älteren Literatur und Rechtsprechung wurde vertreten, dass der Steuerhinterzieher nur dann Straffreiheit erlangen könne, wenn er dem Finanzamt neues Material liefere bzw. er bei der Abgabe der Berichtigung in dem Glauben handelte, neues Material zu liefern (sog. Materiallieferungstheorie).12 Die Materiallieferungstheorie in ihrer klassischen Ausprägung13 wird heute zu

Ss 574/79, 1 Ss 575/79, DB 1980, 57; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Februar 1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166; LG Stuttgart, Beschluss vom 21. August 1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72; Theil, BB 1983, 1274 (1276). 10 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Februar 1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166; LG Stuttgart, Beschluss vom 21. August 1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72; Buschmann/Luthmann, S. 91; Ehlers, DStR 1974, 695 (695); Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2403). 11 BGH, Urteil vom 13. November 1952 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; ebenso Hofstetter, StW 1965, 169 (169). 12 Vgl. das RG, das in einer Entscheidung von 1925 bereits ausführte, dass eine Berichtigung i. S. d. strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht „neue Angaben“ enthalten müsse, aufgrund derer das Finanzamt in die Lage gebracht werde, die Steuern zutreffend zu veranlagen bzw. eine bereits erfolgte Veranlagung zu berichtigen, RG, Urteil vom 02. März 1925 – III 959/24 –, RGSt 59, 115; Mattern führte 1950 aus, dass das „Wesentliche bei der Berichtigung ist, dass der Steuerpflichtige dem Finanzamt statt seiner bisher unzutreffenden Angaben neues wahrheitsgemäßes Material für eine zutreffende Steuerfestsetzung liefert“, Mattern, DStZ A 1950, 134 (137); Mattern, NJW 1951, 937 (940); ebenso: Ehlers, DStR 1974, 695 (695); Ehlers/Lohmeyer, S. 43; Lohmeyer, DStR 1964, 446 (446); Pfaff, 1971 S. 222; Pfaff, 1973 S. 296; Pfaff, 1977 S. 63; vgl. aber auch Bilsdorfer, nach dem der Steuerhinterzieher nunmehr als „Berichtigungserklärung neue (und nunmehr wahrheitsgemäße) Angaben vorbringen“ müsse, Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998 S. 2557. 13 Teilweise wird auch in der heutigen Literatur die Berichtigung der bislang unrichtigen, unvollständigen oder fehlenden Angaben durch die zutreffenden Angaben als Materiallieferung gesprochen, vgl. etwa Füllsack/Bürger: „Grundsätzlich muss der Anzeigeerstatter eine Tätigkeit entfalten, die auf eine Berichtigung und Ergänzung der bisherigen Angaben oder eine Nachholung bisher unterlassener Angaben zielt (Materiallieferung), wobei auch Füllsack/Bürger darauf hinweisen, dass das Material nicht neu sein müsse, vgl. Quedenfeld/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 192; Rolletschke, der aller-

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2. Teil: Besonderes

Recht überwiegend abgelehnt.14 Sie ist mit dem abschließenden und rein objektiven Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO nicht vereinbar, da § 371 Abs. 1 AO ausschließlich die Korrektur der unrichtigen und unvollständigen Angaben bzw. die Nachholung der unterlassenen Angaben voraussetzt. Nach einem Teil der Rechtsprechung und Literatur soll es für die Erlangung der Strafbefreiung genügen, wenn der Steuerhinterzieher eine „gewisse Tätigkeit in die Richtung einer Berichtigung oder Ergänzung seiner früheren Angaben“ entfaltet und hierdurch wesentlich dazu beiträgt, dass die betreffende Steuer nachträglich richtig festgesetzt werden kann.15 Dabei sei es nicht erforderlich, dass die Berichtigung sämtliche für die Besteuerung erforderlichen zahlenmäßigen Angaben enthält, sodass das Finanzamt die Nach- oder Neuveranlagung der zutreffenden Steuer „auf der Stelle“ veranlassen könne.16 Entscheidend sei, dass das Finanzamt aufgrund der Berichtigung des Steuerhinterziehers nicht weiter auf „den guten Willen des Steuerpflichtigen“ angewiesen ist.17 Der Bezugspunkt dings darauf hinweist, dass das mit der Selbstanzeige zu liefernde Material für die Finanzbehörde nicht neu sein müsse, Rolletschke S. 259 Rz. 564. 14 Breyer, S. 198 f.; Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 32; Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 62; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 49; vgl. auch Kohler, der vermittelnd ausführt, dass die Materiallieferungstheorie „während der Geltung des sehr weitgehenden § 410 RAO 1949 ihre Berechtigung gehabt haben“ könne, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 66; ebenso auch Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 156; Rolletschke, S. 259 Rz. 564; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 25. 15 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1976, 2293; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 12.02.1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166; ebenso auch BGH, Beschluss vom 16. Juni 2005 – 5 StR 118/05, wistra 2005, 381; Joecks/Jäger/ Randt/Joecks, § 371 Rz. 60; Klein/Jäger, § 371 Rz. 50; nach Kohler setze die Berichtigung jedenfalls eine über die reine Anzeigehandlung hinausgehende aktive Tätigkeit des Steuerhinterziehers voraus, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 50; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 154; Pfaff, 1971 S. 222; Pfaff, 1973 S. 296; Quedenbeck/Füllsack/Bürger, S. 192; kritisch hierzu Breyer, demzufolge der Zweck der Selbstanzeige „mit derart konturlosen Formulierungen und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit schwerlich erreicht werden“ könne. Ferner widerspräche diese Formulierung dem Gesetz, dass eben „eine Berichtigung und nicht nur eine gewisse Tätigkeit in der Richtung einer Berichtigung“ verlangt, Breyer, S. 196. 16 RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 18.10.1961 – 1 Ss 854/61, BB 1962, 126; BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 61; Klein/Jäger, § 371 Rz. 50; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 162; Theil, BB 1983, 1274 (1276); Wannemacher/Schmedding, S. 592, Rz. 1998. 17 RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36 –, RGSt 70, 350; das OLG Düsseldorf stellt darauf ab, dass die Steuerfestsetzung unabhängig von der weiteren Mithilfebereitschaft des Steuerpflichtigen auf der Grundlage der Angaben in der Selbstanzeige und ohne langwierige Nachforschungen erfolgen könne, OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; LG Stuttgart, Beschluss vom 21. August 1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72 (73); Buschmann/Luthmann, S. 91; Ehlers/Lohmeyer, S. 43; Ehlers, DStR 1974, 695 (695); Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 59; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 60; Pfaff, 1971 S. 223; Pfaff, 1973 S. 296; Theil, BB 1983, 1274 (1277).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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der erforderlichen Unabhängigkeit des Finanzamts von einem guten Willen des Steuerpflichtigen variierte innerhalb der Rechtsprechung und Literatur.18 Überwiegend wurde und wird auf die zutreffende Berechnung und Festsetzung der Steuer abgestellt.19 In anderen Entscheidungen stellt die Rechtsprechung darauf ab, dass der Steuerhinterzieher in der Berichtigung derart greifbare Angaben macht, dass das Finanzamt in die Lage versetzt wird, aufgrund dieser Angaben und ohne langwierige eigene Ermittlungen zu den Besteuerungsgrundlagen die Steuer so zu veranlagen, als wäre die Steuererklärung von vornherein ordnungsgemäß abgegeben worden.20 Nach teilweise in der Rechtsprechung und Literatur vertretener Ansicht sollen die Anforderungen an die Selbstanzeige „wesentlich weniger streng“ 21 bzw. jedenfalls nicht strenger22 als die Anforderungen an den Inhalt der Steuererklärung zu beurteilen zu sein. Nahezu einhellig wird in der Rechtsprechung und Literatur darauf abgestellt, dass das Finanzamt durch die mittels der Berichtigung erfolgende Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen in die Lage versetzt wird, auf ihrer Grundlage und ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollständig aufzuklären und die Steuer zutreffend zu errechnen23 oder zutreffend festzusetzen.24 18

Breyer, S. 194 f. RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 1981 – 2 Ss 214/81 – 142/81 III, wistra 1982, 119; LG Stuttgart, Beschluss vom 21. August 1989 – 10 KLs 137/88, wistra 1990, 72; Ehlers, DStR 1974, 695 (695). 20 BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58 –, BGHSt 12, 100–103; LG Hamburg, Urteil vom 09. Mai 1983 – (50) 33/83 NS, wistra 1983, 267; ebenso auch das LG Hamburg, wonach sich die Selbstanzeige am Inhalt von Steuererklärungen orientieren müsse, LG Hamburg, Urteil vom 18. Juni 1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; ebenso Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 60; Wannemacher/Schmedding, S. 590 Rz. 1994. 21 Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 02. Juni 1992 – 1 Ss 119/ 91 –, wistra 1993, 274; ebenso: Wannemacher/Schmedding, S. 592 Rz. 1998. 22 Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 159. 23 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996 (3000); Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998, S. 2557; Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1974). 24 „Auf Grund der neuen Angaben muss die Steuerbehörde in der Lage sein, die Steuer richtig zu veranlagen oder die frühere Veranlagung zu berichtigen“ vgl. RG, Urteil vom 02. März 1925 – III 959/24, RGSt 59, 115; ebenso RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36, RGSt 70, 350; LG Stuttgart, Beschluss vom 21. August 1989 – 10 KLs 137/88; BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136; FG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2007 – 16 K 458/05 E,G,U; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180; OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2015 – RVs 119/14, SteuK 2016, 115 (115); Gehm, NJW 2010, 2161 (2162); Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 59; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, 19

154

2. Teil: Besonderes

Dabei müsse er seine Fehler nach „Art und Umfang offenbaren“ und „von seinem Standpunkt aus, so wie er die Sachlage beurteilt, mit seine Auskünften und Unterlagen dem Finanzamt eine bisher verschlossene Steuerquelle offenbaren“.25 Nach der überwiegenden Ansicht soll die Berichtigung grundsätzlich denjenigen Anforderungen genügen müssen, denen der Steuerhinterzieher bereits bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner steuerverfahrensrechtlichen Pflichten hätte genügen müssen.26 Nach Merkt müsse der Steuerhinterzieher wenigstens eine Richtigstellung i. S. v. § 153 AO vornehmen.27 Nach der neueren Rechtsprechung müssen die Angaben in der Berichtigung einem „strengen Maßstab“ genügen.28 Genügten die Angaben daher – unter Anwendung eines strengen Maßstabs – diesen Anforderungen nicht und versetzten sie das Finanzamt nicht in die Lage, den Besteuerungssachverhalt – ohne eigene, langwierige Nachforschungen durchführen zu müssen – aufzuklären und die Steuer zutreffend festzusetzen, so läge keine Berichtigung, sondern lediglich die Ankündigung einer Selbstanzeige vor.29 Dabei vertrat der BGH im sog. Selbstanzeigebeschluss die Auffassung, dass der Täter vollständige und richtige Angaben, „mithin reinen Tisch“, machen müsse.30 Hieraus folgt, dass der Steuerhinterzieher im Rahmen der Berichtigung vollständige und richtige Angaben machen muss und keine Angaben verschweigen darf. Gleichwohl ist es ihm nicht verwehrt, die von ihm verkürzten und damit § 371 Rz. 50; Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1483); Klein/Jäger, § 371 Rz. 50; Tipke/ Kruse/Seer, § 371 Rz. 24; Wittig, StR 2014, 567 (570). 25 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 12.02.1985 – 1 Ss 191/84, wistra 1985, 166. 26 BGH, Urteil vom 11. November 1958 – 1 StR 370/58 –, BGHSt 12, 100; LG Hamburg, Urteil vom 18. Juni 1986 – (59) 117/86 – Ns, wistra 1988, 120; Beermann/ Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 27; Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998, S. 2558; Graf/ Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 AO Rz. 33; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 50; Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1483); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 159; Raupach/Reichthalhammer, FS Haarmann 2015, S. 785 (795 f.); Rüping, BB 2000, 2553 (2553); Schott, PStR 2014, 297 (297); Theil, BB 1983, 1274 (1276 f.); Tipke/Kruse/ Seer, § 371 Rz. 24; Troeger/Meyer, S. 257; Wulf, wistra 2010, 286 (288); Wittig, StR 2014, 567 (570). 27 BeckOK OWiG/Merkt, § 371 AO Rz. 3. 28 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180. 29 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180; ebenso: Klein/Jäger, § 371 Rz. 50. 30 „Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist (nur) dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben – mithin ,reinen Tisch macht‘, erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige i. S. d. § 371 Abs. 1 AO vor“, BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; vgl. auch zu dem in dieser Entscheidung entwickelten Vollständigkeitsgebot im 2. Teil unter A. II. 1.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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nachzuzahlenden Steuern selbst zu berechnen und hierbei eine für ihn günstige, anerkannte steuerliche Berechnungsmethode zu verwenden.31 Selbst wenn das Finanzamt mit der Methode nicht einverstanden sein sollte, stünde dies der Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht entgegen, da der Steuerhinterzieher den Besteuerungssachverhalt vollständig aufgedeckt hat und die von ihm angewandte, rechtlich zulässige Berechnungsmethode offen dargelegt wurde.32 b) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO Wie dargestellt, variieren die Anforderungen, die an eine wirksame Berichtigung zu stellen sind, teils erheblich voneinander. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen Merkmale einer wirksamen Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO festgestellt werden. aa) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO anhand des Wortlauts der Norm Richtigerweise ist zur Bestimmung der wesentlichen Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO zunächst vom Wortlaut der Norm auszugehen. Gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO müssen unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt und unterlassene Angaben nachgeholt werden. Der Steuerhinterzieher muss also selbst33 aktiv werden und die von § 371 Abs. 1 S. 1 AO geforderte Handlung erbringen. Zutreffend ist, dass die Berichtigung wahrheitsgemäße Angaben voraussetzt, da nur die Abgabe solcher eine Richtigstellung der vormals unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben darstellen kann. Verlangt wird also eine im Einzelnen noch näher zu konkretisierende Korrektur derjenigen unrichtig oder unvollständig abgegebenen bzw. verschwiegenen steuerlichen Angaben, die im Rahmen der Steuerhinterziehungstat zu einer Steuerverkürzung bzw. zu der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile geführt haben. Die Berichtigung muss sich auf diejenigen unrichtigen oder unvollständigen Angaben beziehen, welche die Strafbarkeit des Steuerhinterziehers wegen seiner in der Selbstanzeige in Bezug genommenen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO begründet haben.34 Dabei müssen sich die Angaben nicht auf sämtliche Steuerhinterziehungen des Steuerhinterziehers beziehen. Wie § 371 Abs. 1 S. 2 AO präzisiert, müssen die 31 So für die Steuerberechnung bei Devisionbesteuerung Demuth/Jena, DStR 2016, 204 (208). 32 Wie hier: Demuth/Jena, DStR 2016, 204 (208). 33 Vgl. zu der Selbstanzeige durch andere Tatbeteiligte oder durch Dritte und der Zurechenbarkeit von Fehlern anderer Person bei der Berichtigung, im 2. Teil unter C. und G. 34 Breyer, S. 171.

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2. Teil: Besonderes

Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen. Daraus ergibt sich als wesentliches Merkmal einer Berichtigung, dass sich die Angaben ausschließlich auf den Besteuerungssachverhalt beziehen müssen. Dies bedeutet, dass die Nennung steuerlich erheblicher Tatsachen zwar für das Vorliegen einer Berichtigung erforderlich, für sich genommen aber auch ausreichend ist.35 Dementsprechend kommt es nicht auf eine etwaige von der Rechtsaufassung des Finanzamts abweichende Rechtsauffassung des Steuerhinterziehers hinsichtlich der steuerlichen Relevanz oder Würdigung der in der Selbstanzeige angegebenen steuerlich erheblichen Tatsachen an.36 Entscheidend ist, dass die Angaben zutreffend sind und den weiteren Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO37 genügen. bb) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO anhand des Wiedergutmachungscharakters der Norm Als Wiedergutmachungsvorschrift gleicht eine wirksame Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO das Handlungsunrecht und das Erfolgsunrecht der in Bezug genommenen Steuerhinterziehung aus und rechtfertigt die Strafbefreiung des Steuerhinterziehers. Das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung liegt darin, dass der Steuerschuldner eine unrichtige Steuererklärung abgibt bzw. eine gebotene Steuererklärung nicht abgibt.38 Wie dargestellt, liegt ein Ausgleich des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung durch die Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO in vielen Fällen dann vor, wenn der Steuerhinterzieher seine steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten in Bezug auf die hinterzogene Steuer nachträglich erfüllt.39 Daraus ergibt sich auch, dass Anknüpfungspunkt für die Richtigkeit der Berichtigung nur die steuerverfahrensrechtlichen Anforderungen sein können, die an die Richtigkeit der im Rahmen der Mitwirkungs- und Erklärungspflichten zu 35 Wie hier: Breyer, S. 173; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 148; Raupach/Reichthalhammer, FS Haarmann, S. 785 (795); Wulf, wistra 2010, 286 (288). 36 Wie hier: Breyer, S. 172; Klein/Jäger, § 371 Rz. 50; Raupach/Reichthalhammer, FS Haarmann, S. 785 (795). 37 Siehe zu den einzelnen Anforderungen an den Inhalt der Berichtigungserklärung bei den unterschiedlichen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung im 2. Teil unter A. II. 9. 38 Hierzu im 1. Teil unter B. IV. 5. a). 39 Hierzu im 1. Teil unter B. IV. 5. a).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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machenden Angaben des Steuerpflichtigen gestellt werden.40 Dies wird insbesondere in den Fällen relevant, in denen das Steuerrecht Abweichungen von der materiellen Wahrheit, insbesondere wegen der Zulässigkeit von Schätzungen oder Pauschalierungen41, zulässt. In diesen Fällen ist es erforderlich, dass die Angaben in der Berichtigung den jeweiligen steuerverfahrensrechtlichen Anforderungen genügen.42 Gerade bei Steuerhinterziehungen, die im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses begangen wurden, ist es typisch, dass nicht alle Steuerhinterzieher selbst Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer sind. Beispiele hierfür sind etwa Steuerhinterziehungen in Unternehmen, in denen etwa der Geschäftsführer einer GmbH gemeinsam mit seinen Angestellten Steuern zugunsten des Unternehmens hinterzieht, oder der Bankangestellte, der in einer Vielzahl von Fällen Bankkunden behilflich ist, „Schwarzgeld“ auf ausländischen Nummernkonten vor dem Fiskus zu verstecken. Dementsprechend treffen üblicherweise auch nicht alle Steuerhinterzieher steuerverfahrensrechtliche Mitwirkungs- oder Erklärungspflichten in Bezug auf die hinterzogene Steuer, die nachträglich erfüllt werden könnten. Da aber diejenigen Steuerhinterzieher, die durch ihre Steuerhinterziehung keine eigenen steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten verletzt haben, gleichwohl vom Anwendungsbereich des § 371 AO umfasst sind, ergibt sich für den Ausgleich des Handlungsunrechts entsprechender Steuerhinterziehungen, dass durch die Berichtigung die durch die Mitwirkung bewirkte unrichtige Festsetzung der Steuern des Steuerschuldners der hinterzogenen Steuern nachträglich ausgeglichen wird, indem das Finanzamt durch eine dem Selbstanzeigewilligen zurechenbare Handlung in die Lage versetzt wird, den fehlerhaften Steuerbescheid zu beseitigen und die Steuer zutreffend festzusetzen. Dies bedeutet, dass bei der Selbstanzeige wegen einer gemeinsam mit anderen Tatbeteiligten begangenen Steuerhinterziehung an die jeweiligen Berichtigungen unterschiedliche, von der individuellen Tat abhängige Anforderungen an die jeweiligen Selbstanzeigen gestellt werden müssen.43 Entscheidend ist, dass das Finanzamt Kenntnis über den Steuerpflichtigen als Adressaten der steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern sowie über die Existenz des Steuer40

Wie hier: Breyer, S. 186. Als Beispiel seien hier etwa die verschiedenen Formen der Lohnsteuerpauschalierung nach §§ 37a, 40 Abs. 1 und 40a EStG genannt. Hier wird die Lohnsteuer des Arbeitnehmers nicht nach dessen individuellen Besteuerungsgrundlagen erhoben, sondern wird mit einem bestimmten Prozentsatz in einem vereinfachten Verfahren ermittelt, BestLex/Heil „Lohnsteuerpauschalierung“ Rz. 1. 42 Wie hier: Breyer, S. 186. 43 Siehe zu den Anforderungen der einzelnen Tatbeteiligten hinsichtlich „ihrer“ Berichtigungserklärung. Hierzu im 2. Teil unter A. II. 9. 41

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2. Teil: Besonderes

anspruchs erlangt, da nur so eine ggf. zwangsweise Durchsetzung der steuerverfahrensrechtlichen Pflichten des Steuerhinterziehers möglich ist. Dementsprechend genügt es nicht, dass die Berichtigung irgendwelche wahren Angaben enthält. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut von § 371 Abs. 1 S. 1 AO, nach dem die Angaben „in vollem Umfang“ berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden müssen. Die Berichtigung muss also dazu geeignet sein, das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung des Selbstanzeigeerstatters auszugleichen. Die zur Erlangung der Strafbefreiung erforderliche Berichtigung richtet sich folglich nach der in Bezug genommenen Steuerhinterziehungstat. Gleichzeitig soll der Ausgleich des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung durch Abgabe der Berichtigung dazu führen, dass das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung ausgeglichen wird. Wie dargestellt, ist das Rechtsgut von § 370 AO das Interesse des Staats am vollständigen und rechtzeitigen Aufkommen der einzelnen Steuer.44 Das Rechtsgut der Steuerhinterziehung ist verletzt, wenn dem Fiskus ein Steuerschaden entsteht.45 Dabei wird das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung durch eine Selbstanzeige dann ausgeglichen, wenn diese dazu führt, dass die hinterzogenen Steuern einschließlich der Hinterziehungszinsen nachgezahlt werden.46 Nach der hier vertretenen Ansicht steht die Kenntnis des Fiskus über das Bestehen seines Steueranspruchs gegenüber einem Steuerpflichtigen der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern gleich und vermag in gleicher Weise, den durch die Steuerhinterziehung bewirkten Steuerschaden auszugleichen.47 Demzufolge setzt eine wirksame Berichtigung als Ausgleich des mit der Steuerhinterziehung verwirklichten Erfolgsunrechts auch mindestens voraus, dass das Finanzamt Kenntnis von seinem Steueranspruch und des Person des Schuldners der Steuer erlangt. Folglich muss die Selbstanzeige Angaben enthalten, die zu einer zutreffenden Festsetzung der Steuer führen. Dies setzt voraus, dass das Finanzamt auf Grundlage der Berichtigung des Steuerhinterziehers den Besteuerungssachverhalt aufklären und potentiell die Steuer zutreffend festsetzen kann. Entscheidend ist damit, dass das Finanzamt durch die Berichtigung in die Lage versetzt wird, die Steuer zutreffend festzusetzen. Da der Steuerhinterzieher jedoch auch eine eigene Berichtigungsleistung erbringen muss, ergibt sich, dass die Nachforschungen des Finanzamts zur Aufarbeitung des Besteuerungssachverhalts und zur zutreffenden Festsetzung der Steuer jedenfalls nicht wesentlich sein dürfen. Dabei kommt es maßgeblich auf das Verhältnis der mit der Berichtigung des Steuerhinterziehers

44 45 46 47

1. Teil unter D. I. Hierzu im 1. Teil unter B. IV. 5. a). 1. Teil unter B. IV. 5. a). 1. Teil unter B. IV. 5. a).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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erbrachten Leistung und des für die zutreffende Festsetzung der Steuer erforderlichen Ermittlungsaufwands an.48 Damit wird aber auch klar, dass die von § 371 Abs. 1 S. 1 AO geforderte Berichtigung – auch wenn sie nicht den strengen steuerverfahrensrechtlichen Formvorschriften von § 150 AO genügen muss49 – vornehmlich an die nachträgliche Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, anknüpft.50 Nur der Steuerschuldner war ursprünglich und ist verpflichtet, dem Finanzamt sämtliche Besteuerungsgrundlagen, die für die Festsetzung der zutreffenden Steuer innerhalb seines Steuerschuldverhältnisses relevant sind, mitzuteilen und zutreffende Angaben zu machen. Vor dem Hintergrund, dass die Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung gerade nicht voraussetzt, dass der Täter oder Teilnehmer selbst steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, kann es für die von § 371 Abs. 1 S. 1 AO geforderte Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung nicht darauf ankommen, dass stets eigene steuerverfahrensrechtliche Mitwirkungs- und Erklärungspflichten des sich selbst anzeigenden Steuerhinterziehers nachträglich erfüllt werden oder gar solche Angaben gemacht werden, die den Anforderungen an die steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldverhältnis die Steuern hinterzogen wurden, genügen. Zu einer solchen Berichtigung wären die Tatbeteiligten, die in Bezug auf die hinterzogenen Steuern nicht steuerpflichtig sind, in der Regel mangels Kenntnissen und Zugriffsmöglichkeiten auf relevante Unterlagen auch nicht in der Lage. Die nachträgliche Erfüllung der ursprünglich vom Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern geschuldeten Erklärungs- und Mitwirkungspflichten ist jedoch auch nicht unbedingt erforderlich, um das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehung auszugleichen. Die Wiedergutmachung des Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung setzt im Ergebnis die zutreffende Festsetzung der hinterzogenen Steuern voraus. Eben dies wird nach § 371 Abs. 1 S. 1 AO auch vom sich selbst anzeigenden Steuerhinterzieher verlangt. Damit muss es darauf ankommen, dass die Berichtigung einerseits eine Korrektur des Handlungsunrechts des Steuerhinterziehers darstellt und andererseits dazu führt, dass der durch die Steuerhinterziehungstat bewirkte Mangel im betroffenen Steuerschuldverhältnis nachträglich beseitigt wird, das Finanzamt mithin in die Lage versetzt wird, die Steuer zutreffend festzusetzen. 48 Siehe zu den einzelnen Berichtigungsleistungen der unterschiedlichen Tatbeteiligten im 2. Teil unter A. II. 9. 49 Die Berichtigung unterliegt keiner Formvorschrift und muss deshalb weder unter Verwendung eines amtlich vorgeschriebenen Vordrucks noch überhaupt schriftlich abgegeben werden, sie muss ferner auch nicht unterschrieben sein. Statt vieler: Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 90 m.w. N. 50 2. Teil unter A. I.

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2. Teil: Besonderes

cc) Wesentliche Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO anhand des Sinn und Zwecks der Norm Für die Bestimmung der Merkmale der Berichtigung ist weiterhin auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abzustellen. So liegt der Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige darin, die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung zu bewirken und hierdurch das Vermögen des Fiskus zu vermehren.51 Gleichzeitig soll dem Steuerhinterzieher die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ermöglicht werden.52 Von wesentlicher Bedeutung zur Verfolgung des vorstehend genannten Zwecks der Norm ist dabei die von der sicheren Aussicht auf Strafbefreiung auf den Steuerhinterzieher ausgehende Anreizwirkung.53 Für die Aufrechterhaltung der Anreizwirkung der Selbstanzeige ist aber erforderlich, dass die Anforderungen an die Berichtigung einerseits vorhersehbar sind und andererseits auch realiter umsetzbar sind.54 dd) Schlussfolgerung aus der Rechtsnatur des § 371 AO auf die wesentlichen Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO Die strafbefreiende Selbstanzeige ist ein Strafaufhebungsgrund.55 Aus diesem Umstand lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen auf die wesentlichen Merkmale einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ziehen. So sind die Motive des Steuerhinterziehers zur Abgabe seiner Selbstanzeige für das Vorliegen einer Berichtigung unerheblich.56 Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerhinterzieher seine Selbstanzeige lediglich aus Angst vor zukünftiger Entdeckung der Steuerhinterziehung, Reue oder anderen Gründen erstattet.57 Unterstützt wird dieses Ergebnis auch vom Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO, der keine subjektiven Voraussetzungen an die Berichtigung aufstellt. Wie dargestellt, kommt es für die Erlangung der Straffreiheit allein auf das objektive Vorliegen aller tatbestandlichen Voraussetzungen der Selbstanzeige – bei jedem Tatbeteiligten – an und der Steuerhinterzieher trägt selbst das Erfolgsrisiko seiner Selbstanzeige.58 51 52 53 54 55 56 57 58

1. Teil unter B. III. 5. 1. Teil unter B. III. 5. 1. Teil unter B. IV. 5. e). Wie hier: Bültmann, DStR 2017, 1 (5). 1. Teil unter B. II. 2. Wie hier: Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 AO Rz. 29. Wie hier: Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 AO Rz. 29. 1. Teil unter B. II. 2.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Schließlich ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des auch für Strafaufhebungsgründe geltenden Analogieverbots der nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Gegenwart zu bestimmende Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze richterlicher Auslegung einer Norm markiert.59 Eine darüber hinausgehende Auslegung der Norm zulasten des Straftäters ist unzulässig. Dementsprechend dürfen keine Anforderungen an die Berichtigung gestellt werden, die über die gesetzlich statuierten Voraussetzungen in § 371 Abs. 1 AO hinausgehen, da dies sonst in übergesetzlicher Weise den Anspruch des Steuerhinterziehers auf Befreiung von seiner Strafbarkeit wegen der in der Selbstanzeige in Bezug genommen Steuerhinterziehung einengen würde und hierdurch eine unzulässige Ausdehnung der Strafbarkeit zu seinen Lasten darstellte. Zugunsten des Täters ist die Analogie jedoch zulässig. Dementsprechend widerspricht es nicht der Rechtsnatur des § 371 AO, eine geringeren als in § 371 Abs. 1 AO statuierten Anforderungen genügende Berichtigung als wirksam zu erachten und ihr strafbefreiende Wirkung beizubemessen. ee) Nennung von Zahlenangaben als wesentliches Merkmal einer Berichtigung? Fraglich ist, ob die Nennung von Zahlenangaben über die Besteuerungsgrundlagen ein wesentliches Merkmal einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO ist. So ist ein Teil der Literatur und Rechtsprechung der Auffassung, dass eine Berichtigung zwingend oder wenigstens regelmäßig Zahlenangaben enthalten müsse.60 So heißt es bei Bilsdorfer: „Als Grundsatz gilt, daß es dem Finanzamt durch die Angabe in der Selbstanzeige selbst ermöglicht werden muss, ohne komplizierte und langwierige Nachforschungen den wahren Sachverhalt aufzuklären und den richtigen Steuerbetrag zu errechnen. Daraus ergibt sich, dass die Berichtigungserklärung eine klare und vollständige Darstellung des Sachverhalts enthalten muß und möglichst alle in Betracht kommenden Zahlenwerte richtigzustellen hat.“ 61 Webel ist der Auffassung, dass zwar in den Fällen, in denen die Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärungen 59 BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1985 – 1 BvR 1053/82 –, BVerfGE 71, 108; Fischer, § 1 Rz. 21. 60 FG Düsseldorf, Urteil vom 03. Dezember 2007 – 16 K 458/05 E G U; Bauerle, S. 120; Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998, S. 2557; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 57; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 161; Schmitz zufolge müsse die Selbstanzeige zwar nicht alle Angaben so zahlenmäßig enthalten, dass das Finanzamt die Veranlagung sofort durchführen kann; es empfehle sich gleichwohl im Hinblick auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige und der Erlangung der Strafbefreiung, „möglichst genaues Zahlenmaterial“ zu liefern und sogar „ggf. durch einen Anruf nachzufragen, ob weitere Unterlagen oder Berechnungen für die Veranlagung erforderlich“ seien, Schmitz, DStR 2001, 1821 (1822); Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 89; Spatschek, DB 2013, 1073 (1074); Wulf/Kamps, DB 2011, 1711 (1712). 61 Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998 Fach 13 S. 2557.

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2. Teil: Besonderes

begangen wurde, regelmäßig Zahlenangaben gemacht werden müssten.62 Etwas anderes solle seiner Meinung nach jedoch gelten, wenn die Finanzbehörde bereits mithilfe der Darstellung des Fehlverhaltens die falsche Veranlagung korrigieren könne.63 Das regelmäßige Erfordernis von konkreten Zahlenangaben ergebe sich nach Joecks aus dem Umstand, dass eine Berichtigung die für die Besteuerung relevanten Angaben enthalten müsse. Ausnahmen seien nach Joecks dann denkbar, wenn lediglich die Zuordnung bestimmter, im Umfang dem Finanzamt bereits bekannter Besteuerungsgrundlagen zu einer bestimmten Person oder Vermögensmasse im Rahmen der Selbstanzeige zu berichtigen sei.64 Joecks ist insofern zuzustimmen, dass die Nennung exakter Zahlenangaben dann zu keinem Mehrgewinn an Informationen führen würde, wenn dem Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen bereits in ihrer Steuerart und Höhe bekannt sind. Die zutreffende Veranlagung der Steuer des Steuerschuldners würde hier nicht durch die Nennung der Zahlenangaben erleichtert werden. In dem vom Joecks als Ausnahme benannten Beispiel sind damit die Angaben über die Zuordnung der Besteuerungsgrundlagen die entscheidende Informationen, aufgrund derer das Finanzamt in die Lage versetzt wird, die Steuer zutreffend zu veranlagen. Das FG Düsseldorf ist der Auffassung, dass eine Berichtigung konkrete Zahlenangaben über sämtliche Besteuerungsgrundlagen, aufgeschlüsselt nach Veranlagungszeiträumen, voraussetze.65 Nur durch solche „berichtigenden Zahlenangaben“ werde das Finanzamt in die Lage versetzt, die Steuer zutreffend festzusetzen.66 Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 05.09.1974 die Auffassung vertreten, dass das Gesetz dem Steuerpflichtigen jedenfalls nicht zumute, „unter allen 62

Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 89. Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 89. 64 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 57. 65 Vgl. FG Düsseldorf (Hervorhebungen durch die Bearbeiterin): „Mit dem Schreiben [des Klägers] war das Berichtigungserfordernis noch nicht erfüllt. Dem Schreiben ließen sich für das Streitjahr weder in Bezug auf die ,Schwarzeinnahmen‘ aus Gewerbebetrieb noch in Bezug auf die ,Schwarzeinnahmen‘ aus Kapitalvermögen berichtigende konkrete Zahlenangaben entnehmen; ebenso waren weder berichtigende Zahlenangaben im Wege einer (substantiierten) Schätzung noch hinreichende Angaben von ,Schätzungstatsachen‘ ersichtlich.“ An anderer Stelle heißt es in der Entscheidung: „Der Kläger hat das Berichtigungserfordernis erstmals am 16. Juni 1999 durch eine substantiiert begründete Schätzung sämtlicher Besteuerungsgrundlagen aufgeschlüsselt nach Veranlagungszeiträumen erfüllt. Erst hierdurch hat er es dem FA ermöglicht, ,ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen‘; insoweit mag es (strafrechtlich) unschädlich sein, dass das FA tatsächlich im Rahmen einer Betriebsprüfung umfangreiche Ermittlungen angestellt hat, die letztlich in die im Jahre 2001 getroffene tatsächliche Verständigung mündeten.“, FG Düsseldorf, Urteil vom 03. Dezember 2007 – 16 K 458/05 E G U. 66 FG Düsseldorf, Urteil vom 03. Dezember 2007 – 16 K 458/05 E G U. 63

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Umständen bestimmte Zahlen zwecks Berichtigung seiner früheren Angaben vorzulegen“.67 Bereits das Reichsgericht vertrat die Auffassung, dass es unschädlich sei, wenn die zahlenmäßige Berechnung der Steuer noch eigene Ermittlungen durch das Finanzamt erfordert, etwa die Beiziehung von Steuerakten oder Anfragen bei Stellen, die dem Finanzamt gegenüber zur Auskunft verpflichtet oder hierzu sicher bereit sind.68 Entscheidend für das zwingende Erfordernis konkreter Zahlenangaben in der Berichtigung des Steuerhinterziehers ist einerseits, ob solche konstitutiv für das Vorliegen steuerlicher Angaben sind (1), und andererseits, ob ihr Fehlen stets bedeuten würde, dass die Festsetzung der zutreffenden Steuer durch das Finanzamt als „langwierig“ zu beurteilen wäre (2). (1) Ist die Nennung von Zahlenangaben konstitutiv für das Vorliegen steuerlicher Angaben? Die Selbstanzeige gemäß § 371 AO steht spiegelbildlich zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO69 und soll zu einer vollständigen Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung führen.70 Insofern könnte es sich anbieten, für die Bestimmung der „steuerlichen Angaben“ auf diejenigen Überlegungen zurückzugreifen, die hierzu im Rahmen des Straftatbestands der Steuerhinterziehung angestellt werden. Im Wortlaut des § 370 AO taucht der Begriff „steuerlich erhebliche Tatsachen“ zweimal auf. So heißt es in § 370 Abs. 1: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer „1. die Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht“ und „2. den Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt“.

Tatsachen sind dann steuerlich erheblich, wenn sie den Grund und die Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils beeinflussen und somit zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestands herangezogen werden müssen.71 Die steuerliche Erheblichkeit von bestimmten Angaben ergibt sich mithin aus den jewei-

67 BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; ebenso: Hofmann, DStR 1998, 399 (400). 68 RG, Urteil vom 09. November 1936 – 3 D 619/36 –, RGSt 70, 350; ebenso: Buschmann/Luthmann, S. 92; Hofmann, DStR 1998, 399 (400). 69 Vgl. hierzu bereits auf S. 67; Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 AO Rz. 24; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 59; Klein/Jäger, § 371 Rz. 41; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 47. 70 Vgl. 1. Teil unter B. IV. 5. a). 71 Bachmann, S. 163; Hardtke, S. 30; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 186.

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2. Teil: Besonderes

ligen Anspruchsgrundlagen des Steuerrechts in den unterschiedlichen Einzelsteuergesetzen.72 Durch die Verweisung in § 371 Abs. 1 S. 1 AO auf § 370 AO ist auf den Tatbegriff von § 370 AO abzustellen. Dies bedeutet, dass sich die Berichtigung auf die nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigen bestimmte Steuerhinterziehungstat beziehen muss. Damit sind steuerlich erhebliche Tatsachen nicht nur konkrete Zahlenangaben über die für die Besteuerung relevanten Umstände, sondern sämtliche Angaben, die für die zutreffende Besteuerung eines Steuerschuldners erforderlich sind, etwa die Person des Steuerschuldners und der Besteuerungssachverhalt (z. B. Erzielung von Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit oder Kapitalvermögen; der jeweilige Veranlagungszeitraum). Somit sind steuerlich erhebliche Tatsachen nicht nur solche, die aus konkreten Zahlenangaben bestehen. Vielmehr sind konkrete Zahlenangaben zu den Besteuerungsgrundlagen eine mögliche Art steuerlich erheblicher Tatsachen und genügen für sich genommen nicht, den Steuerschuldner zutreffend zu besteuern. Allein die abstrakte Nennung konkreter zutreffender Zahlenangaben zu irgendwelchen Besteuerungsgrundlagen bringt das Finanzamt noch nicht in die Lage, die Steuer zutreffend festzusetzen. Trotz des spiegelbildlichen Charakters zu § 370 AO könnte gleichwohl anzunehmen sein, dass § 371 AO eine eigene Definition „steuerlicher Angaben“ zugrunde legt, die sämtliche Informationen über den Besteuerungssachverhalt und mithin auch konkrete Zahlenangaben über die Höhe der Besteuerungsgrundlagen umfasse. Tatsächlich lässt der Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO diese Auslegung zu. Wenn gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO gegenüber der Finanzbehörde unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt und unterlassene Angaben nachgeholt werden müssen, nimmt die Norm auf die ursprünglichen, sich aus der Steuerschuld ergebenden Erklärungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen Bezug. Im Rahmen dieser aber war der Steuerhinterzieher zur Angabe zutreffender und konkreter Zahlen wie etwa der genauen Höhe seiner Einkünfte oder Umsätze verpflichtet. Jedoch setzt § 371 Abs. 1 AO gerade nicht voraus, dass den Steuerhinterzieher bereits vor seiner Tat steuerliche Mitwirkungs- und Erklärungspflichten trafen und es sich gerade um eine Steuerhinterziehung innerhalb des eigenen Steuerschuldverhältnisses handeln muss. Derjenige, den vor der Steuerhinterziehung schon keine steuerlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten trafen, kann solche im Rahmen der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO zwangsläufig auch nicht nachträglich erfüllen. Maßgeblich, aber auch ausreichend muss damit sein, dass die Berichtigung des Steuer72

Wie hier: Blesinger, wistra 2009, 294 (295).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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hinterziehers das Finanzamt in die Lage versetzt, die Steuer zutreffend festzusetzen. Entscheidend ist somit für das Vorliegen einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO, dass das Finanzamt auf ihrer Grundlage die Steuer beim richtigen Steuerschuldner zutreffend festsetzen kann, ohne dass hierzu langwierige eigene Ermittlungen des Finanzamts notwendig wären. Korrigiert der Steuerhinterzieher in der Berichtigung damit die zuvor unzutreffenden Besteuerungsgrundlagen anhand zutreffender und konkreter Zahlenangaben, ist es dem Finanzamt möglich, die Steuer zutreffend festzusetzen und liegt damit – die Vollständigkeit der Angaben unterstellt – eine Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO vor. Die Nennung konkreter Zahlenangaben ermöglicht es damit dem Finanzamt regelmäßig, die Steuer zutreffend festzusetzen. Zwingend notwendig für das Vermögen des Finanzamts zur zutreffenden Steuerfestsetzung ist dies jedoch nicht. Auch auf Grundlage der Nennung des Steuerpflichtigen und bzw. oder der Art der Einkünfte kann das Finanzamt die Steuer – jedenfalls nach Durchführung eigener Ermittlungen – in zutreffender Höhe festsetzen. Wenn aber die Berichtigung lediglich dazu führen soll, dass das Finanzamt die Steuern zutreffend festsetzen kann, dann kann auch eine Berichtigung, die keine konkreten Zahlen nennt, diesen Anforderungen genügen. Damit sind steuerlich relevante Angaben i. S. v. § 371 AO alldiejenigen Angaben, die dem Finanzamt die zutreffende Festsetzung der Steuer ermöglichen. Die Nennung konkreter Zahlenangaben ist damit nicht konstitutiv für das Vorliegen steuerlich relevanter Angaben. (2) Hat das Fehlen von Zahlenangaben zur Folge, dass die Festsetzung der zutreffenden Steuer stets als „langwierig“ zu beurteilen ist? An dieser Stelle bleibt damit zu untersuchen, wie das bei Nichtnennung konkreter Zahlen stets bestehende Erfordernis eigener Ermittlungen des Finanzamts zu würdigen ist. Ausgehend von dem Grundsatz, dass eigene Ermittlungen des Finanzamts unschädlich sind, solange sie einen bestimmten Umfang nicht überschreiten, nehmen solche jedenfalls nicht zwingend der Selbstanzeige ihre strafbefreiende Wirkung. Ausgehend davon, dass das Finanzamt durch die Berichtigung in die Lage versetzt werden muss, die Steuer ohne das Erfordernis zur Durchführung eigener „langwieriger“ Ermittlungen zutreffend festzusetzen, muss die Berichtigung in jedem Fall kausal für den späteren Festsetzungsbescheid werden, da sonst kein „in die Lage versetzen des Finanzamts“ durch die Berichtigung vorliegen kann. Die Angaben müssen damit einen tauglichen Ausgangspunkt für eigene Ermittlungen des Finanzamts darstellen, sodass es zu einer zutreffenden Besteuerung kommen kann.

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2. Teil: Besonderes

Darüber hinaus darf der Umfang der bei Nichtnennung konkreter Zahlenangaben erforderlichen eigenen Ermittlungen des Finanzamts im Vergleich zu den Angaben, die der Steuerhinterzieher in der Berichtigung macht, nicht überwiegend erscheinen. Gibt der Steuerhinterzieher etwa als „Berichtigung“ lediglich den Zeitraum, innerhalb dem Steuern hinterzogen wurden, oder lediglich den Namen des Steuerpflichtigen, innerhalb dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, an, liegen hierin zwar mehr oder weniger taugliche Anhaltspunkt für weitergehende, zu einer zutreffenden Besteuerung führende Ermittlungen des Finanzamts. Den Löwenanteil an Aufwand für die zutreffende Besteuerung hat jedoch das Finanzamt in beiden Beispielen zu tragen. Eine hinreichende eigene, mit Straffreiheit anzuerkennende Berichtigungsleistung des Steuerhinterziehers liegt nicht vor. Entscheidend ist somit, wie groß der Umfang der eigenen Ermittlungen des Finanzamts sein darf, damit noch von einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ausgegangen werden darf und wo die Grenze zu ziehen ist.73 Wann Ermittlungen „langwierig“ sind, ist gesetzlich nicht definiert (z. B. in Arbeitsstunden, Art und Dauer der einzuleitenden Ermittlungsmaßnahmen). Die Beantwortung dieser Frage muss sich richtigerweise nach der Person des Anzeigeerstatters und vergleichbaren Fällen richten. „Langwierigkeit“ liegt vor, wenn das Finanzamt deutlich mehr Aufwand für eine zutreffende Besteuerung des Steuerschuldners aufwenden muss, als in vergleichbaren Fällen. Entscheidend muss somit sein, ob der Aufwand des Finanzamts zur Festsetzung dem empirisch festzustellenden Durchschnitt in ähnlichen Fällen entspricht. Maßgeblich ist mithin nicht die Dauer der zutreffenden Festsetzung im gewöhnlichen Besteuerungsverfahren, sondern die Dauer und der Aufwand bis zur zutreffenden Besteuerung auf Grundlage der Berichtigung des Steuerhinterziehers. Nur dann liegt eine Vergleichbarkeit der Fälle vor. Wie dargestellt, können die Anforderungen an die Berichtigung zwischen den unterschiedlichen Tatbeteiligten variieren. Mithin muss sich auch die Prüfung der Langwierigkeit der Steuerfestsetzung danach richten, welcher Tatbeteiligte Selbstanzeige erstattet und welchen Anforderungen seine Berichtigung genügen muss. Weichen die Angaben in seiner Berichtigung von diesen Anforderungen ab und muss das Finanzamt zur zutreffenden Festsetzung der Steuer deutlich mehr Aufwand als in vergleichbaren Fällen betreiben und dauert die Festsetzung der Steuer hierdurch deutlich länger als in vergleichbaren Fällen, liegt keine Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO vor.

73 Siehe hierzu die ausführliche Darstellung i. R. d. Untersuchung der inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigung des Mittäter, Anstifters und Gehilfen der in Bezug genommen Steuerhinterziehung im 2. Teil unter A. II. 9.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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(3) Zwischenergebnis Der Wirksamkeit der Berichtigung steht es damit jedenfalls nicht zwingend entgegen, wenn die Berichtigung keine konkreten Zahlen beinhaltet. Die Nennung konkreter Zahlenangaben ist kein wesentliches Merkmal einer Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO. ff) Zwischenergebnis Mithin zeichnet sich eine Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO durch folgende Charakteristika aus: Die Angaben der Berichtigung müssen sich ausschließlich auf den Besteuerungssachverhalt beziehen. Sie müssen zutreffend sein und die Berichtigung muss den weiteren Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO hinsichtlich ihres sachlichen und zeitlichen Umfangs genügen. Aus dem Wiedergutmachungscharakter der Norm ergibt sich, dass die Selbstanzeige zu einem Ausgleich des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung führen muss. Dies bedeutet, dass sich die Anforderungen an die Berichtigung desjenigen Steuerhinterziehers, den in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ursprünglich steuerverfahrensrechtliche Mitwirkungs- und Erklärungspflichten trafen, an den steuerverfahrensrechtlichen Anforderungen an einer Erfüllung der Mitwirkungs- und Erklärungspflichten orientiert. Trafen den Steuerhinterzieher keine steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern, ergibt sich, dass die Berichtigung den durch seine Mitwirkung fehlerhaft festgesetzten Steuerbescheid beseitigen und die zutreffende Besteuerung ermöglichen soll. Der Ausgleich des Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung setzt mindestens voraus, dass das Finanzamt Kenntnis von dem Steueranspruch und der Person des Steuerschuldners erlangen muss. Im Ergebnis kommt es damit darauf an, dass die Berichtigung Angaben enthält, durch welche das Finanzamt ohne weitere langwierige Ermittlungen den relevanten Sachverhalt vollends aufklären und die Steuer zutreffend festsetzen kann. Dabei sind die Anforderungen, denen die Berichtigung genügen muss, i. R. eines Mehrpersonenverhältnisses nicht einheitlich für sämtliche Tatbeteiligten zu bestimmen. Die Berichtigung muss nicht notwendigerweise Zahlenangaben enthalten, so lange die zutreffende Besteuerung des Steuerschuldners ohne „langwierige Ermittlungen“ durch das Finanzamt möglich ist. Die Langwierigkeit der Ermittlungen zur Festsetzung der Steuer ist abhängig von dem jeweiligen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung, der gemäß § 371 AO Selbstanzeige erstattet, und von den Anforderungen, denen seine Berichtigung genügen muss. Genügt die Erklärung des Steuerhinterziehers diesen Anforderungen nicht und muss das Finanzamt deswegen mehr Aufwand zur zutreffenden Festsetzung der

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2. Teil: Besonderes

Steuer betreiben als in vergleichbaren Fällen, liegt keine wirksame Berichtigung vor.

II. Das Vollständigkeitsgebot Das Vollständigkeitsgebot besagt, dass die Berichtigung sämtliche Steuerhinterziehungen einer Steuerart umfassen muss. Nach dem Vollständigkeitsgebot stellt eine unvollständige Selbstanzeige eine (unwirksame) Teilselbstanzeige dar, welche keine strafbefreiende Wirkung entfalten kann.74 Die Selbstanzeige muss also, um strafbefreiend wirken zu können, „vollständig“ sein. Weichen die in der Berichtigung genannten Angaben damit von der tatsächlichen Sachlage ab, liegt keine vollständige Berichtigung vor und ist die Strafbefreiung des Steuerhinterziehers ausgeschlossen. Das Vollständigkeitsgebot erstreckt sich auf alle unverjährten Besteuerungszeiträume hinsichtlich der von der Selbstanzeige in Bezug genommenen Steuerart, seit der Neufassung von § 371 Abs. 1 AO durch das AOÄG 2015 muss die Berichtigung mindestens zehn Kalenderjahre umfassen. Das Vollständigkeitsgebot wird in seinen Grundzügen auf den sog. Selbstanzeigebeschluss75 des BGH zurückgeführt76 und wurde wenig später – in schärferer Form – mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ins Gesetz aufgenommen. Das AOÄG 2015 schließlich hat das Vollständigkeitsgebot in zeitlicher Hinsicht verschärft, dafür aber Ausnahmen für zwei Anmeldesteuern geschaffen. Bis zum „Selbstanzeigebeschluss“ legten die Literatur und Rechtsprechung die damaligen Gesetzesfassungen der Selbstanzeige nahezu einhellig dahingehend 74 Vgl. hierzu die Ausführungen des BGH im sog. Selbstanzeigebeschluss aus: „Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist (nur) dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben, mithin ,reinen Tisch‘ macht; erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige i. S. d. § 371 Abs. 1 AO vor. Dagegen reicht eine Teilselbstanzeige als Rückkehr zur Steuerehrlichkeit nicht aus.“, BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. 75 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010, – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180. 76 Vgl. aber auch Rolletschke, der zutreffend darauf hinweist, dass der BGH bereits in früheren Entscheidungen die Vollständigkeit der Angaben verlangt hatte, Rolletschke, NZWiSt 2015, 97 (97) mit Hinweisen auf BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698 und BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 StR 253/92, wistra 1993, 66; so heißt es in der Entscheidung des BGH vom 14.12.1976: „Um Straffreiheit nach § 395 AO zu erlangen, muß (sic!) der Steuerpflichtige durch eigene Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, daß (sic!) die Steuer nunmehr richtig festgesetzt werden kann; enthält eine Erklärung wieder neue, erhebliche Unrichtigkeiten so ist sie keine ,Berichtigung‘ und kann daher nicht zur Straffreiheit führen“, an anderer Stelle heißt es in derselben Entscheidung: „Damit bleiben die eigenen Angaben des Angeklagten soweit hinter den tatsächlich geschuldeten Steuern zurück, daß (sic!) von einer strafbefreienden ,Berichtigung‘ nicht mehr die Rede sein kann; es liegt insoweit wesentlich anders als bei einem Differenzbetrag von nur 6 v. H. oder bei einer Schätzung, die der Angeklagte zu seinen Ungunsten vornimmt.“, BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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aus, dass eine teilweise Selbstanzeige „insoweit“, d. h. so weit, wie sie erklärt wurde, strafbefreiend wirke.77 Eine solche Teilselbstanzeige liegt dabei vor, wenn lediglich ein Teil der unrichtigen, unvollständigen oder bislang fehlenden Besteuerungsgrundlagen nacherklärt wird. Dabei kann sich die Unvollständigkeit auf die jeweiligen Einkünfte der Einkunftsart, die Einkunftsart als solche oder auf einzelne strafrechtlich noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume beziehen.78 Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige sollte danach ebenso weit wie die Berichtigung des Steuerhinterziehers reichen.79 Sofern der Steuerhinterzieher lediglich einen Teil der unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben berichtigt, wurde er in dem Umfang frei, wie er die Angaben berichtigt hatte.80 Hiernach genügte es für die teilweise Strafbefreiung, dass der Steuerhinterzieher die unrichtigen, unvollständigen oder fehlenden Angaben durch zwar ebenfalls unrichtige, für ihn jedoch steuerlich weniger günstige ersetzte.81 Im Übrigen sollte die Strafbarkeit des Steuerhinterziehers wegen der nicht offenbarten Tatbestände der Steuerhinterziehung bestehen bleiben.82 Dies sollte nach früher überwiegend vertretener Auffassung sogar für die sog. dolose Teilselbstanzeige gelten, in der der Steuerhinterzieher bewusst zu wenig erklärt.83 Im Allgemeinen werden zwei unterschiedliche Motive eines Steuerhinterziehers zur Abgabe einer dolosen Teilselbstanzeige unterschieden. So wird einerseits das Beispiel des Steuerhinterziehers genannt, der lediglich deswegen einen Teil der unrichtigen Besteuerungsgrundlagen offenlegt, weil er meint, hierdurch die übrigen Unrichtigkeiten seiner Besteuerungsgrundlagen verdecken zu können.84 Das andere, in der Literatur, Rechtsprechung und Gesetzesbegründungen deutlich öfter genannte Motiv des Steuerhinterziehers zur Abgabe einer Teilselbstanzeige liegt darin, dass dieser nur hinsichtlich eines Teils der unrichtigen Besteuerungsgrundlagen Entdeckung befürchtet.85

77 BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27; Adick, HRRS 2011, 197 (198); Füllsack/Bürger, BB 2010, 2403 (2407); Hübschmann/Hepp/ Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 63; Koops/Sensburg, DB 1999, 2183 (2183f.); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 210; Leise, BB 1978, 689 (699); Wannemacher/Schmedding, S. 595; BT-Drucks. 17/4182, S. 5 f. 78 Wannemacher/Schmedding, S. 595. 79 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 212. 80 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 212. 81 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 66. 82 Hofmann, DStR 1998, 399 (400). 83 Breyer, S. 234; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 77; Koops/Sensburg, DB 1998 2183 (2185) m.w. N. 84 Breyer, S. 234. 85 Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1484); BT-Drucks. 17/4182, S. 5.

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2. Teil: Besonderes

Mit dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes am 29.04.2011 wurde die strafbefreiende Wirkung von Teilselbstanzeigen abgeschafft.86 Die Selbstanzeige muss nunmehr eine vollständige Berichtigung aller unverjährten Steuerhinterziehungen einer Steuerart beinhalten. Seit dem 01.01.2015 muss die Berichtigung mindestens die Steuerhinterziehungen der letzten zehn Jahre vollständig umfassen. 1. Die historische Entwicklung des Vollständigkeitsgebots und seine Auswirkung auf die Auslegung von § 371 AO a) Das Vollständigkeitserfordernis gemäß dem „Selbstanzeigebeschluss“ des BGH vom 20. Mai 2010, – 1 StR 577/09 – Im Selbstanzeigebeschluss hat der BGH in einem obiter dictum seine Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen geändert und entschieden, dass solchen künftig nicht mehr strafbefreiende Wirkung zukomme.87 Der BGH begründete seine Auffassung mit der Rechtfertigung der Strafbefreiung des Steuerhinterziehers sowie mit dem Wortlaut der Norm.88 So sei die Strafbefreiung des Steuerhinterziehers nicht nur aus fiskalischen Interessen an der nachträglichen Entrichtung hinterzogener Steuern gerechtfertigt, „hinzukommen muss die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit.“ 89 Dabei soll eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit erst dann vorliegen, wenn der Steuerhinterzieher „reinen Tisch“ macht, also vollständige und richtige Angaben macht. Nach Auffassung des BGH beziehe sich auch der Wortlaut von § 371 AO a. F. („insoweit“) nicht auf den Umfang der gemachten Angaben und lasse mithin auch nicht die Teilselbstanzeige zu, sondern ausschließlich auf die Strafbefreiung im Hinblick auf die angezeigte Steuerhinterziehung.90 Dabei könne ein Täter, der neben oder im Zuge der Begehung der Steuerhinterziehung weitere Delikte verwirkliche (z. B. Gebrauch verfälschter Belege oder Begehung eines Bestechungsdelikts), ausschließlich wegen der Steuerhinterziehung Strafbefreiung erlangen.91 Im Übrigen ergebe sich aus der Benennung der unterschiedlichen Berichtigungshandlungen zur Korrektur der unrichtigen, unvollständigen oder fehlenden Angaben, dass auch „das Gesetz die vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ wolle.92 86 Vgl. aber die Ausnahme für Alt-Teilselbstanzeigen, die vor diesem Zeitpunkt abgegeben wurden, Art. 97 § 24 EGAO. 87 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. 88 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. 89 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. 90 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. 91 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. 92 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Da es bei einer Teilselbstanzeige gerade an der Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit fehle, sei eine Teilselbstanzeige für die Strafbefreiung nicht ausreichend.93 Eine solche für die Strafbefreiung nicht ausreichende Teilselbstanzeige sei nach Auffassung des BGH danach beispielsweise gegeben, wenn der Steuerhinterzieher seine unvollständige Einkommensteuererklärung derart „berichtigt“, „dass er von bislang gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos angibt, aber immer noch weitere Konten verschweigt, weil er insoweit keine Entdeckung durch die Finanzbehörden befürchtet (dolose Selbstanzeige).“ 94 Im Ergebnis verlangt der BGH nunmehr das Vorliegen einer vollständigen Rückkehr in die Steuerehrlichkeit bzw. die Rückkehr in die vollständige Steuerehrlichkeit, die nach Auffassung des Gerichts nur dann vorliegen soll, wenn die Berichtigung vollständig erfolgt. Der BGH verwendet die Formulierungen „vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit“ und „Rückkehr in die vollständige Steuerehrlichkeit“ synonym. Richtigerweise kann es im Rahmen der Rechtfertigung der Strafbefreiung durch § 371 AO ausschließlich auf die vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ankommen, da es maßgeblich um die vollständige Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung geht. Eine Rückkehr in die vollständige Steuerehrlichkeit – also eine Wiedergutmachung sämtlicher strafrechtlich relevanter Steuerhinterziehungen aller Steuerarten – verlangt § 371 AO auch nach der neuesten Fassung durch das AOÄG 2015 nicht. Dies zeigt sich insbesondere an der Begrenzung des Vollständigkeitsgebots auf die einzelne Steuerart der hinterzogenen Steuern sowie an dem Ausschluss der beiden Anmeldesteuern (Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung) vom Vollständigkeitsgebot, § 371 Abs. 2a AO. 93 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; kritisch auch Dütz, der darauf hinweist, dass der Steuerhinterzieher bei undolosen Teilselbstanzeigen ebenfalls nachvollziehbar davon ausging, alles berichtigt zu haben. Insofern sei die unwirksame undolose Teilselbstanzeige jedenfalls in der Strafzumessung dergestalt zu berücksichtigen, dass das Ergebnis der Strafzumessung jedenfalls nicht mehr weit von der ehemals wirksamen Teilselbstanzeige entfernt sei, Dütz, PStR 2013, 234 (234 f.); nach Wulf handelt es sich bei derartigen Sachverhalten allenfalls um Einzelfälle von zweifelhafter praktischer Bedeutung, Wulf, AG 2010, 540 (541); vgl. hierzu die Kritik der Bundesrechtsanwaltskammer in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung: So male der BGH „ein Bild, dass mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Der Eindruck wird erweckt, es gäbe ein Heer von Steuerpflichtigen mit weitverzweigten verschiedenen Kontoverbindungen und dem strikten Willen, diese Kontoverbindungen allenfalls häppchenweise – ja nach Druck (z. B. Daten-CDs etc.) – bekannt zu geben. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Steuerpflichtige mit mehreren Konten bei verschiedenen Banken sind selten. Außerdem legt das Gros derjenigen, die sich zur Selbstanzeige entschieden haben, von sich aus Wert auf Vollständigkeit, um definitiv mit der Vergangenheit abschließen zu können“. BRAK-Stellungnahme-Nr. 34/2010, S. 8 f. 94 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180.

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2. Teil: Besonderes

b) Das Vollständigkeitsgebot nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, BGBl. I 2011, 676 f. Das nur kurz nach dem Selbstanzeigebeschluss des BGH beschlossene Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat die Voraussetzungen der Selbstanzeige erheblich verschärft. Seitdem muss sich die Berichtigung auf sämtliche strafrechtlich unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart beziehen und „in vollem Umfang“ erfolgen. Einer Teilselbstanzeige hinsichtlich verschiedener Steuerquellen einer Steuerart (z. B. hinsichtlich Steuerhinterziehungen in bestimmten Ländern oder unter der Verwendung bestimmter Steuergestaltungen) kommt keine strafbefreiende Wirkung zu.95 In der Literatur wurde die Beschränkung des Vollständigkeitsgebots auf Steuerhinterziehungen innerhalb einer Steuerart teilweise stark kritisiert.96 Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und die in diesem Zuge getroffenen inhaltlichen Veränderungen des Rechts der Selbstanzeige erfolgten insbesondere vor dem Hintergrund verschwiegener Kapitaleinkünfte im Ausland.97 Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung dieses Gesetzes als „Schwarzgeldbekämpfungsgesetz“ 98 und den diversen zur Erläuterung der jeweiligen inhaltlichen Änderungen der strafbefreienden Selbstanzeigen genannten Beispiele99. Hintergrund der gesetzlichen Fixierung des Vollständigkeitsgebots war es zu verhindern, dass die Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie verwendet werden kann.100 95

BT-Drucks. 17/4182, S. 4. Statt vieler: Mintas, DB 2011, 2344 (2345). 97 Wie hier: Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (385); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 211; MüKo StGB/Kohler, AO § 371 Rz. 55. 98 Wie hier: Erdbrügger/Jehke, die in Rz. 4 auf den nach der Gesetzesbegründung dieses Gesetzes bestehenden Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung verweisen, Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386). 99 So wird etwa auf den mit dem Ankauf von sog. Steuer-CDs aus dem Ausland folgenden Ansturm von strafbefreienden Selbstanzeigen verwiesen, BT-Drucks. 17/4182, S. 1; Aufdeckung von Steuerhinterziehungen und Erstattung von Selbstanzeigen in grenzüberschreitenden Sachverhalte, BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 100 BT-Drucks. 17/4182, S. 4 ff.; BT-Drucks. 17/5062, S. 3; vgl. auch die Ziele des Antrags der Fraktionen CDU/CSU und FDP „Steuerhinterziehung wirksam und zielgenau bekämpfen“ und der zu diesem Zweck beabsichtigten künftigen Maßnahmen: „Außerdem werden die Fraktionen der CDU/CSU und FDP die bestehenden nationalen Regelungen dahingehend überprüfen, dass diese von Steuerhinterziehern nicht im Rahmen einer Hinterziehungsstrategie missbraucht werden können. So erleben die Finanzämter in Deutschland derzeit ein drastisches Ansteigen der Zahl der Selbstanzeigen. Bemerkenswert daran ist aber nicht die Existenz des Instituts der Selbstanzeige, sondern vielmehr die erschreckend hohe Anzahl und der dieses Verhalten auslösende Faktor.“ BT-Drucks. 17/1755, S. 6. 96

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

173

So dürfe der Staat den Verzicht auf seinen staatlichen Strafanspruch wegen der von der Selbstanzeige in Bezug genommenen Steuerhinterziehung nicht an zu niedrige Voraussetzungen knüpfen.101 Deshalb soll mit Ausschluss der bewussten Teilselbstanzeige ein Taktieren und „Reue“ des „Steuerpflichtigen je nach Entdeckungsrisiko“ verhindert werden.102 Die Straffreiheit soll dann nicht gewährt werden, wenn der Steuerhinterzieher von den bislang verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt, etwa weil er nur deren Aufdeckung unmittelbar befürchtet.103 Im Übrigen soll die strafbefreiende Selbstanzeige auch nicht mehr als „Baustein einer von Anfang an durchkalkulierten Hinterziehungsstrategie genutzt werden“ können.104 In der Literatur wurde dieses Ziel zumeist kritisch betrachtet. So führt Schauf etwa aus, dass die Konstellationen, in denen der Steuerhinterzieher je nach Entdeckungsrisiko lediglich „scheibchenweise“ nacherkläre, nicht dem Regelfall entsprächen; gleichwohl sei es seiner Auffassung zufolge jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass zumindest die Möglichkeit bestehe, die strafbefreiende Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie zu nutzen.105 Nach Spatscheck gebe es in der Praxis keine „kontenweise Reue“, bei der angeblich Auslandsanleger immer nur gerade diejenigen ausländischen Konten offenbaren, die gerade entdeckungsgefährdet sind.106 Vielmehr handele es sich bei den tausendfachen Selbstanzeigen von Auslandsanlegern meist um ältere Steuerpflichtige, die vor langer Zeit Geld im Ausland angelegt hätten und nun, vor dem Hintergrund der Nachfolgeregelung aus diesem Modell „aussteigen“ wollten.107 Ein Taktieren sei dieser Bevölkerungsgruppe, so Spatschek, empirisch gesehen fremd.108 In der Literatur wird immer wieder auf Fälle hingewiesen, in denen sich im Nachlass „Schwarzgeldkonten“ befinden und die Erben mit der Erstattung einer strafbefreienden Selbstanzeige konfrontiert werden.109

101 BT-Drucks. 17/4182, S. 4; vgl. auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss): „Über die beachtlichen multilateralen, bilateralen, internationalen, EU-weiten und nationalen Erfolge der Bundesregierung im Kampf gegen Steuerhinterziehung hinaus müsse das an sich für die nationale Bekämpfung von Steuerhinterziehung funktionierende Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige überprüft werden, um nicht mehr als Gegenstand einer ,Hinterziehungsstrategie‘ missbraucht zu werden.“, BT-Drucks. 17/5067, S. 2 f. 102 BT-Drucks. 17/4182, S. 4; vgl. auch BT-Drucks. 18/3439, S. 6; „Reue nach Stand der Ermittlungen darf nicht belohnt werden“, BT-Drucks. 17/5067, S. 7 und „Taktieren darf nicht belohnt werden“, BT-Drucks. 17/5067, S. 7. 103 BT-Drucks. 17/4182, S. 5. 104 BT-Drucks. 17/5067, S. 7. 105 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 211. 106 Spatschek, FS Schiller, S. 608 (616). 107 Spatschek, FS Schiller, S. 608 (616). 108 Spatschek, FS Schiller, S. 608 (616). 109 So etwa bei Schaub, ZEV 2011, 624 (624 f.).

174

2. Teil: Besonderes

Statt in Fällen, in denen Steuerhinterzieher ihre Erträge von Auslandskonten verschwiegen, liege der weitaus häufigere Anwendungsbereich für Selbstanzeigen nach Bültmann im gewerblichen Bereich.110 Die Selbstanzeige soll zukünftig alle strafrechtlich noch nicht verjährten Hinterziehungssachverhalte umfassen müssen.111 Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Neufassung der Norm klar werden, dass die Selbstanzeige nur dann strafbefreiend wirke, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller in Frage kommenden Steuerarten nunmehr zutreffend nacherklärt werden.112 Dies soll bedeuten, dass „aus sämtlichen strafrechtlich noch nicht verjährten Besteuerungszeiträumen die unterlassenen oder unvollständigen Angaben vollständig nachgeholt beziehungsweise sämtliche Unrichtigkeiten vollumfänglich berichtigt werden“ 113 müssen. Strafbefreiung solle dabei nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch derjenige erfahren, der alle noch strafrechtlich verfolgbaren Steuerhinterziehungen aus der Vergangenheit vollständig offenbart.114 Entscheidend soll dabei sein, dass sich der Steuerhinterzieher für eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit entscheidet.115 Gerade in Unternehmen, in denen durch einzelne Mitarbeiter Steuern hinterzogen wurden, ergeben sich so gravierende praktische Schwierigkeiten. Um den bei Kenntniserlangung von der Steuerhinterziehung gemäß § 153 Abs. 1 S. 2 AO bestehenden Berichtigungspflichten des Vorstands oder der Geschäftsleitung des Unternehmen genügen zu können und eine eigene Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO oder gar eine eigene Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu entgehen, müssen sämtliche steuerlichen Fallgestaltungen innerhalb des zeitlichen Berichtigungsverbunds, in dem das Risiko einer verwirklichten Steuerstraftat besteht, aufgedeckt werden.116 Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ordnet in § 24 in Artikel 97 EAO eine Übergangsregelung für Steuerhinterzieher an, die bereits vor Verkündung des Gesetzes eine Teilselbstanzeige erstattet haben. Diesen soll der „Status der Strafbefreiung“ erhalten bleiben. Die Übergangsregelung hat den Zweck, dem Vertrauen

110 Bültmann, DStR 2017, 1 (6). Dies habe nach Bültmann der Gesetzgeber zumindest teilweise erkannt, in dem er mit der Änderung der AO zum 01.01.2015 die Teilselbstanzeige für die Bereiche Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteuer wiedereingeführt hat. 111 BT-Drucks. 17/4182, S. 4 f. 112 BT-Drucks. 17/4182, S. 5. 113 BT-Drucks. 17/4182, S. 5. 114 BT-Drucks. 17/4182, S. 4. 115 BT-Drucks. 17/4182, S. 5. 116 Vgl. hierzu auch Kutzner, der deswegen zur Umsetzung von Tax-ComplianceMaßnahmen rät Kutzner, NWB 2012, 3109 (3119 und 3122 f.).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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der Steuerhinterzieher in die zumindest bis zum Selbstanzeigebeschluss des BGH am 20.05.2010117 in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und durch die herrschende Literatur erfolgte Auslegung von § 371 AO a. F. und der Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen Rechnung zu tragen.118 Unbewusste Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten sollen jedoch nach der Begründung des Gesetzesentwurfs ausdrücklich nicht den Ausschluss der Strafbefreiung bewirken.119 Gleiches soll für geringfügige Abweichungen gelten. So müsse die Selbstanzeige „nicht auf Euro und Cent genau deckungsgleich mit der am Ende des Verfahrens von der Finanzbehörde festzusetzenden Steuer sein“.120 Anlass für die Neuregelung von § 371 AO war der Selbstanzeigebeschluss des BGH vom 20.05.2010.121 Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz geht jedoch über die in diesem Beschluss aufgestellten Voraussetzungen an eine wirksame Berichtigung hinaus, indem nicht nur die Möglichkeit zur Abgabe einer wirksamen Teilselbstanzeige abgeschafft wurde, sondern die Selbstanzeige gleichzeitig nunmehr tatübergreifend den gesamten zeitlichen Berichtigungsverbund (d.h. alle strafrechtlich noch nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart) umfassen muss.122 Das Ziel der Neuregelung der Selbstanzeige und mithin auch der gesetzlichen Fixierung des Vollständigkeitsgebots ist es also, dass Steuerhinterzieher, die die Selbstanzeige nur insoweit erstatten, wie sie ihre Entdeckung fürchten, nicht mehr in den Genuss der Strafbefreiung gelangen sollen und ihre Teilselbst-

117

BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180. BT-Drucks. 17/4182, S. 5 f. 119 BT-Drucks. 17/4182, S. 5. 120 BT-Drucks. 17/5067, S. 19. 121 BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; vgl. auch die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (Hervorhebungen durch die Bearbeiterin): „Strafbefreiung soll künftig nur noch derjenige erwarten dürfen, der seine fehlerhaften oder unvollständigen oder unterlassenen Erklärungen berichtigt, ergänzt oder nachholt. Diese Voraussetzungen für die Rechtsfolge Straffreiheit beschränken sich jedoch nicht auf eine Steuerart oder einen Veranlagungszeitraum, sondern umfasst im Einklang mit der BGH-Entscheidung vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 alle Handlungen oder Unterlassungen des Steuerpflichtigen in unverjährter Zeit im Zusammenhang mit den steuerrelevanten Sachverhalten. Der Steuerpflichtige soll also – mit dem BGH – nicht dazu angehalten werden, Einzelsachverhalte sukzessive – zu offenbaren und Teilselbstanzeigen vorzunehmen, sondern alle strafrechtlich noch nicht verjährten Taten der Vergangenheit müssen für die Rechtsfolge ,Straffreiheit‘ den Finanzbehörden zur Kenntnis gebracht werden. Insofern prägt die Neuregelung keinen neuen strafrechtlichen Tatbegriff in der Abgabenordnung, sondern baut wie der BGH in seiner Entscheidung vom 20. Mai 2010 auf der bestehenden strafrechtlichen Rechts- und Verfahrenspraxis auf.“, BTDrucks. 17/4802, S. 10. 122 Ende, SteuK 2011, 157 (158); Prowatke/Felten, DStR 2011, 899 (899). 118

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2. Teil: Besonderes

anzeige unwirksam bleibt.123 Dieses Ziel entspricht auch dem Anlass der Neuregelung von § 371 AO und der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Selbstanzeigebeschluss.124 In dieser der Neuregelung von § 371 AO zugrundeliegenden Entscheidung hat sich der BGH ebenfalls ausschließlich auf den Ausschluss doloser Teilselbstanzeigen von der Strafbefreiung bezogen. c) Das Vollständigkeitsgebot nach dem AOÄG 2015, BGBl. 2014 I, 2415 f. Das AO-Änderungsgesetz 2015125 hat das Vollständigkeitsgebot in zeitlicher Hinsicht weiter verschärft, seinen sachlichen Umfang jedoch hinsichtlich von zwei Anmeldesteuern eingeschränkt. Nunmehr müssen sich die Angaben auf alle unverjährten Steuerhinterziehungen, mindestens aber auf alle Steuerhinterziehungen einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre beziehen. Gleichzeitig wurden die beiden Anmeldesteuern Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung vom Anwendungsbereich des Vollständigkeitsgebots ausgenommen. Im Hinblick auf die für eine einfache Steuerhinterziehung weitergeltende fünfjährige Verjährungsfrist (der Vorschlag im Referentenentwurf zur jüngsten Änderung der AO, die Verjährungsfrist bei allen Steuerhinterziehungen auf 10 Jahre zu verlängern, § 376 Abs. 1 AO-E, wurde nicht umgesetzt)126 hat die Verlängerung des Berichtigungszeitraums zur Folge, dass der Steuerhinterzieher nunmehr auch strafrechtlich bereits verjährte Steuerhinterziehungstaten vollständig anzeigen muss, damit er wegen der strafrechtlich noch verfolgbaren Steuerhinterziehungstaten straffrei wird. Die Verlängerung des zeitlichen Berichtigungsumfangs soll nach Auffassung des Gesetzgebers dem Umstand Rechnung tragen, dass die steuerverfahrensrechtliche Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 AO in allen Fällen, in denen Steuern hinterzogen wurden, zehn Jahre beträgt.127 Insofern musste das Finanz-

123 BT-Drucks. 17/4182, S. 4; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzesentwurf § 371 Abs. 1 AO-E, BT-Drucks. 17/4802. 124 Wie hier: Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/4802, S. 7; vgl. auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) u. a. zum Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes: „Die Koalitionsfraktionen haben die Abschaffung der Teilselbstanzeige vorgeschlagen. Damit werde an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 20. Mai 2010 (1 StR 577/09) angeknüpft.“, BT-Drucks. 17/5067. 125 BGBl. I 2014, 2415 f. 126 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 27.08.2014, S. 4. 127 BT-Drucks. 18/3018, S. 10 f.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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amt vorher bei einer einen Fünfjahreszeitraum umfassenden Berichtigungserklärung die Steuern bei Steuerhinterziehungen, die strafrechtlich zwar verjährte, steuerverfahrensrechtlich jedoch noch nicht festsetzungsverjährte Zeiträume betrafen, schätzen128, sodass die Neuregelung zu einer Reduzierung des Ermittlungsaufwands des Finanzamts zur zutreffenden Festsetzung der Steuer führen kann.129 d) Die Auswirkungen der Entstehungsgeschichte des Vollständigkeitsgebots auf die Auslegung von § 371 AO Aus der Entstehungsgeschichte des Vollständigkeitsgebots ergibt sich sein Sinn und Zweck. So soll es verhindern, dass die strafbefreiende Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie verwendet werden kann. Die Möglichkeit des Steuerhinterziehers, je nach Entdeckungsrisiko der Steuerhinterziehung zu taktieren, soll ausgeschlossen sein. Nur eine vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit hinsichtlich der Steuerart der angezeigten Steuerhinterziehung rechtfertigt die Strafbefreiung wegen dieser Tat. Der Steuerhinterzieher soll mithin nicht nur lediglich deshalb einen Teil der unrichtigen, unvollständigen oder fehlenden Angaben berichtigen, um die Durchführung weiterer Ermittlungen durch das Finanzamt zu verhindern und so weiterhin das tatsächliche Ausmaß seiner Steuerhinterziehung(en) verschleiern zu können. Mit dem BGH ist damit das maßgebliche Ziel des Vollständigkeitsgebots, dass der Steuerhinterzieher vollständig „in die Steuerehrlichkeit“ zurückkehrt. Das Vollständigkeitsgebot soll also letztlich die Wiedergutmachung der in Bezug genommenen Steuerstraftat „sicherstellen“ und fixiert den Wiedergutmachungscharakter der strafbefreienden Selbstanzeige im Gesetz. Nur wegen einer vollständig wiedergutgemachten Steuerstraftat kann der Steuerhinterzieher nachträglich straffrei werden.

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BT-Drucks. 18/3018, S. 10 f. So seien infolge der Verlängerung des Berichtigungszeitraums im Besteuerungsverfahren künftig keine aufwändigen Ermittlungen und ggf. Schätzungen durch das Finanzamt mehr notwendig, vgl. BT-Drucks. 18/3018, S. 2 und S. 9. Gleichwohl räumt der nationale Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme gemäß § 6 Abs. 1 NKRG in der Gesetzesbegründung selbst ein, dass der Finanzverwaltung jedoch im Steuerstrafverfahren ein höherer Ermittlungsaufwand entstehe, da nunmehr für den gesamten Zehnjahreszeitraum geprüft werden müsse, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung vorliegen. Insofern sei auch nicht einschätzbar, ob der geringere Ermittlungsaufwand im Besteuerungsverfahren den erhöhten Ermittlungsaufwand im Steuerstrafverfahren „per Saldo wieder ausgleicht“, BT-Drucks. 18/3018, S. 17 f.; ebenso auch Leibold, NZWiSt 2015, 74 (76); Rübenstahl, WiJ 2014, 190 (192). 129

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2. Teil: Besonderes

2. Der sachliche Umfang des Vollständigkeitsgebots Der sachliche Umfang des Vollständigkeitsgebots erstreckt sich auf alle Steuerstraftaten einer Steuerart. Eine wirksame Berichtigung setzt die vollständige Korrektur aller Steuerstraftaten einer Steuerart voraus und wird wegen ihrer Reichweite in der Literatur oft als „Sparten-Lebensbeichte“ 130 oder „steuerartspezifische steuerstrafrechtliche Lebensbeichte“ 131 bezeichnet. Seit der Aufnahme des Begriffs „Steuerart“ in den Wortlaut von § 371 AO mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz besteht Uneinigkeit darüber, wie der Begriff auszulegen ist. Auch wenn der Begriff „Steuerart“ nicht gesetzlich definiert ist, besteht jedenfalls Einigkeit darüber, dass der Steuerhinterzieher, der eine Einkommensteuerhinterziehung berichtigt, Angaben zu sämtlichen Einkommensteuerhinterziehungen machen muss, um für diese Steuerart straffrei werden zu können. Das Verschweigen einer daneben begangenen Umsatzsteuerhinterziehung ist für die Wirksamkeit der Selbstanzeige in Bezug auf die Einkommensteuerhinterziehung unschädlich.132 Der Selbstanzeigeerstatter muss darüber hinaus auch nicht in der Berichtigung die Steuerart, auf die sich die Selbstanzeige bezieht, benennen.133 Die Berichtigung bezieht sich auf alle Steuerarten, die in Betracht kommen und für die entsprechend ausreichende Angaben gemacht wurden.134 Jedenfalls soll der Begriff Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO nicht gleichbedeutend mit Einkunftsart sein.135 Nach der wohl überwiegenden Ansicht soll zur Bestimmung der Steuerart von den jeweiligen Steuergesetzen auszugehen sein.136 Zumindest Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und Schenkungsteuer sollen damit

130 Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (499); Gehm, PStR 2015, 254 (254); Kemper, NZWiSt 2012, 56 (56); Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (200). 131 So etwa Schauf, der zugleich darauf hinweist, dass § 371 Abs. 2a AO hiervon ausgenommen ist, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 125. 132 Vgl. hierzu auch Jäger, nach dem diese Einschränkung der für die von § 371 AO geforderten Rückkehr in die Steuerehrlichkeit dem Umstand geschuldet sei, dass ansonsten „Selbstanzeigewillige allein wegen der großen Gefahr unbemerkt unvollständiger Berichtigungserklärungen von einer Selbstanzeige abgehalten werden könnten“, Klein/Jäger, § 371 AO Rz. 40. 133 Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172). 134 Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172). 135 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 126; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190; a. A. Schwartz, wistra 2011, 81 (86). 136 Beyer, AO-StB 2011, 119 (120); Hechtner, DStZ 2011, 265 (268); Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 60; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 53; Rolletschke/ Steinhart, NZWiSt 2015, 71 (73); Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 105.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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unterschiedliche Steuerarten darstellen.137 Nach strittiger Ansicht stellen auch die unterschiedlichen Erhebungsformen, etwa die Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer, in Bezug auf die Einkommensteuer unterschiedliche Steuerarten dar.138 Darüber hinaus besteht auch erhebliche Unsicherheit darüber, ob der Begriff der Steuerart i. S. v. § 371 AO ein und denselben Steuerpflichtigen voraussetzt.139 Gerade bei Selbstanzeigen, die i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen abgegeben werden, ist dieses Problem von besonderer Praxisrelevanz. Zu denken ist hierbei insbesondere an Fallgestaltungen, in denen ein Steuerhinterzieher an mehreren gleichgelagerten Steuerhinterziehungen unterschiedlicher Steuerschuldner mitgewirkt hat (z. B. als Täter der eigenen Einkommensteuerhinterziehung und als Gehilfe bei der Einkommensteuerhinterziehung eines Dritten). Diese Auslegungsfrage hat darüber hinaus erhebliche Brisanz für Steuerhinterziehungen in Unternehmen. So ist etwa ungeklärt, ob die Selbstanzeige wegen einer zugunsten des Unternehmens begangenen Steuerhinterziehung auch Angaben der Steuerhinterzieher zu eigenen, gleichgelagerten Steuerhinterziehungen innerhalb von Steuerschuldverhältnissen anderer Steuerschuldner (z. B. anderer Unternehmen oder von natürlichen Personen) enthalten muss. Fraglich ist weiterhin, ob das Feststellungsverhältnis eine eigene Steuerart im Verhältnis zu dem nachfolgenden Festsetzungsverfahren ist.140 Auch die Frage, ob der Solidaritätszuschlag als eine eigene Steuerart anzusehen ist und damit nicht im Rahmen der Einkommen- und Körperschaftssteuer miterklärt werden muss, ist bislang noch nicht zweifelsfrei entschieden worden. a) Teleologische Reduktion des Begriffs Steuerart auf ein und denselben Steuerpflichtigen? Fraglich ist demnach, ob der Begriff der „Steuerart“ sich ausschließlich auf die Steuerhinterziehungen eines Steuerpflichtigen bezieht oder ob „gleichartige“ andere Steuerhinterziehungen des jeweiligen Selbstanzeigeerstatters zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots miterklärt werden müssen.

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MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 53; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190. Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (283); Beyer, AO-StB 2011, 119 (120); Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 77; Spatschek DB 2013, 1073 (1074); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 35; a. A. Hechtner, DStZ 2011, 265 (268); a. A. wohl auch Roth zu § 371 AF, nach dem die Lohnsteuer-Nachschau als Auslösung des Sperrgrunds des § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c, 1. Alt. AO nicht nur die Abgabe einer Selbstanzeige wegen einer Lohnsteuerhinterziehung sperre, sondern auch die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige wegen sämtliche andere Einkommensteuerhinterziehungstaten ausschließe, Roth, PStR 2013, 180 (183). 139 So etwa Klein/Jäger, § 371 Rz. 44. 140 Buse, DB 2015, 89 (89); siehe hierzu auch die ausführliche Darstellung unten. 138

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2. Teil: Besonderes

Im Schrifttum ist umstritten, ob der Begriff „Steuerart“ einschränkend auszulegen ist und als Steuerart ein und desselben Steuerpflichtigen zu verstehen ist141 oder ob eine solche Differenzierung abzulehnen ist.142 aa) Keine einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerart“ auf einen Steuerpflichtigen Nach einem Teil der Literatur ist der Begriff „Steuerart“ nicht von der Person des Steuerpflichtigen abhängig.143 Vertreter dieser Ansicht stützen sich insbesondere auf den Wortlaut von § 371 AO sowie das Schweigen der Gesetzesmaterialien zu einer einschränkenden Auslegung.144 Im Übrigen sei auch die vom Gesetzgeber geforderte vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu berücksichtigen.145 Nach Jäger sei diese teilweise geforderte einschränkende Auslegung daher eher auf pragmatische als systematische Erwägungen gestützt und finde weder im Wortlaut des Gesetzes noch in den Gesetzesmaterialien eine tragfähige Grundlage.146 Teilweise wird auf die Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund abgestellt.147 Nach Füllsack/Bürger spreche vor diesem Hintergrund „viel dafür“, dass derjenige, der etwa eigene Umsatzsteuern hinterzieht und gleichzeitig im für § 371 AO relevanten Berichtigungszeitraum einem anderen zu dessen Hinterziehung von Umsatzsteuern Beihilfe leiste, auch diese Taten offenbaren müsse.148 bb) Steuersubjektbezogene Definition der Steuerart Nach überwiegender Ansicht ist der Begriff „Steuerart“ in § 371 Abs. 1 AO steuersubjektbezogen definiert.149 Danach ginge es in § 371 Abs. 1 AO aus141 So etwa Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (283); Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 60; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 80. 142 Jäger/Klein § 371 Rz. 44; ebenso wohl auch Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190. 143 Beyer, NZWiSt 2016, 234 (235); Jäger/Klein § 371 Rz. 44; ebenso wohl auch Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190. 144 Klein/Jäger, § 371 Rz. 18 d. 145 Klein/Jäger, § 371 Rz. 18 d. 146 Klein/Jäger, § 371 Rz. 18 d. 147 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190. 148 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190. 149 So etwa Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (283); Beyer, AO-StB 2011, 119 (121); Durst, PStR 2012, 61 (63); Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (500 ff.); Heuel, wistra 2015, 338 (339); 67; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 60; zustimmend wohl auch Joecks nach dem viel dafür spreche die Steuerart steuersubjektbezogen zu verstehen, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 80; so wohl auch Kohler, nach dem es „sinnvoll“ sei, die Steuerart nur auf den jeweiligen Steuerpflichtigen zu

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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schließlich um die Angaben zur Hinterziehung von Steuern einer Steuerart eines Steuersubjekts.150 Zugunsten dieses Ergebnisses wird in der Literatur vielfach argumentiert, dass eine uneingeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsgebots gerade in Fällen, in denen der Tatbeteiligte etwa an einer fremden Einkommensteuerhinterziehung beteiligt war und daneben auch eigene Einkommensteuern verkürzt hat, dazu führe, dass die Abgabe einer Selbstanzeige kaum jemals möglich sein wird.151 Folglich sei die einschränkende Auslegung des Begriffs der „Steuerart“ geboten.152 Beyer nimmt auf strafverfahrensrechtliche Schwierigkeiten Bezug und weist darauf hin, dass bei uneingeschränkter Auslegung des Begriffs „Steuerart“ die Selbstanzeige des Steuerhinterziehers auch zu einer Belastung von Angehörigen führen könne, wenn zur Wirksamkeit der Selbstanzeigen bezüglich eigener Steuerhinterziehung auch noch eine Beihilfetat zugunsten des Angehörigen in der Berichtigung offenbart werden müsse.153 Dies liefe nach Beyer auf einen unzulässigen Zwang zur strafrechtlichen Belastung von Angehörigen hinaus.154 Andere stellen zur Rechtfertigung der Einschränkung des Vollständigkeitsgebots auf den Normzweck der Selbstanzeige ab, der in der Schaffung eines attraktiven Anreizes für den Steuerhinterzieher liege, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren und daneben aus fiskalischen Gründen das Steueraufkommen um bisher verborgene Steuerquellen zu vermehren.155 Nur durch die einschränkende Auslegung, dass in der Berichtigung lediglich Steuerhinterziehungen einer Steuerart eines Steuerpflichtigen zu korrigieren sind, könne der attraktive Anreiz für den Steuerhinterzieher zur Abgabe einer Selbstanzeige aufrechterhalten werden.156 beziehen, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 58; Madauß, NZWiSt 2015, 41 (43); Schwartz/Külz, PStR 2011, 249 (249); Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201); Spatschek, DB 2013, 1073 (1074); Stahl, KÖSDI 2011, 17443 Rz. 7; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 37; Wulf/Kamps, DB 2011, 1711 (1713); zur Lohnsteuer: Wulf/Talaska, PStR 2011, 175 (178). 150 So etwa: Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2001, 281 (283); Beyer, AOStB 2011, 119 (121); Heuel/Beyer, StBW 2011, 315 (318); Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201); Spatschek, DB 2013, 1073 (1074); Stahl, KÖSDI 2011, 17443 Rz. 7. 151 Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (502); vgl. auch Helml: „Die Einbeziehung der Beteiligung an den Steuerstraftaten – bezogen auf eine Steuerart – muss jedoch schon deshalb einschränkend ausgelegt werden.“, Helml, S. 45. 152 Kirbach, S. 45; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 131. 153 Beyer, AO-StB 2011, 119 (121); Helml, S. 46; Stahl, KÖSDI 2011, 17443 Rz. 7. 154 Beyer, AO-StB 2011, 119 (121); Helml, S. 46 f.; Stahl, KÖSDI 2011, 17443 Rz. 7. 155 Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (502). 156 So etwa Grötsch/Seipel, die jedoch noch weitergehend die Auffassung vertreten, der Steuerhinterzieher müsse lediglich Steuern betreffend derer er selbst Steuerschuldner ist, korrigieren, Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (501).

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2. Teil: Besonderes

Ein Teil der Literatur schränkt deshalb das Vollständigkeitsgebot an die Berichtigungserklärung des Steuerhinterziehers in dieser Fallkonstellation ein und verlangt lediglich die Nacherklärung der Angaben aus der Hinterziehung von Steuern einer Steuerart eines Steuerpflichtigen.157 Nach einem Teil der Vertreter in der Literatur bedarf es in den hier besprochenen Fällen keiner Einschränkung des Vollständigkeitsgebots.158 Vielmehr wird hier darauf abgestellt, dass das Vollständigkeitsgebot sich lediglich jeweils auf eine Person, den Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern, bezieht.159 Danach sollen die Selbstanzeigen zu Steuerhinterziehungen innerhalb unterschiedlicher Besteuerungsverhältnisse rechtlich voneinander unabhängig sein, sodass das Vollständigkeitsgebot auch jeweils separat anzuwenden ist.160 Hunsmann stellt auf den Umstand ab, dass die Berichtigungserklärung denselben Anforderungen genügen muss, denen der Steuerhinterzieher bei Erfüllung seiner Steuerpflicht hätte entsprechen müssen.161 Da die Berichtigungspflicht aus § 371 Abs. 1 AO damit an die ursprünglichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten anknüpft, könne sich das Vollständigkeitsgebot auch nur auf die jeweils unrichtige oder unvollständige Steuererklärung beziehen, deren Reichweite eben durch die Person des Steuerpflichtigen, die Steuerart und den Veranlagungszeitraum begrenzt sei.162 Dementsprechend führen Rolletschke/Roth hierzu aus, dass es sich bei Teilnahmehandlungen zu fremden Steuerhinterziehungen derselben Steuerart, der die aus dem eigenen Steuerschuldverhältnis hinterzogenen Steuern angehören, nicht um eine eigene, sondern um eine fremde Einkommensteuerhinterziehung handelte.163 Aus Sicht des Teilnehmers liege daher eine Hilfeleistung zur Hinterziehung einer „anderen Steuerart“ vor.164 Mithin müsse der Steuerhinterzieher, wenn er eine Selbstanzeige in Bezug auf seine täterschaftlich begangene Steuerhinterziehung erstatten will, keine darüber hinausgehenden Angaben bezüglich begangener Teilnahmehandlungen offenbaren.165 Im Ergebnis könne jedenfalls derjenige, der neben seiner eigenen Einkommensteuerhinterziehung noch an der Einkommensteuerhinterziehung eines anderen Steuerpflichtigen mitgewirkt hat, bereits dann eine wirksame und vollständige Selbstanzeige erstatten, wenn er lediglich innerhalb eines Besteuerungsverhält-

157 158 159 160 161 162 163 164 165

Heuel/Beyer, StBW 2011, 315 (318); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 57. Rübenstahl/Schwebach, wistra 2016, 97 (102). Rübenstahl/Schwebach, wistra 2016, 97 (102). Rübenstahl/Schwebach, wistra 2016, 97 (99). Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1483). Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1483). Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201). Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201). Heuel/Beyer, StBW 2011, 315 (318); Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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nisses Angaben berichtigt.166 Die Selbstanzeige des Tatbeteiligten entspreche damit bereits dann den Voraussetzungen von § 371 AO, wenn der Tatbeteiligte lediglich Angaben zu einer Steuerhinterziehung einer Steuerart in seinem eigenen Besteuerungsverhältnis berichtigt und die Mitwirkung an einer gleichgerichteten Steuerhinterziehung verschweigt et vice versa.167 cc) Stellungnahme Nach richtiger Ansicht umfasst der Umfang der Selbstanzeige lediglich die Berichtigung der unrichtigen Angaben eines Steuerpflichtigen. Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings entgegen der zahlenmäßig starken Ansicht in der Literatur nicht durch eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerart“, sondern durch eine einschränkende Auslegung des Begriffs der „Steuerstraftat“ in § 371 Abs. 1 AO. (1) Absage an eine teleologische Reduktion der „Steuerart“ Aus dem Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO geht jedenfalls nicht hervor, was unter einer Steuerart zu verstehen ist und ob der Begriff auch dahingehend ausgelegt werden kann, dass lediglich die Steuern einer Steuerart eines Steuerpflichtigen von der Norm umfasst werden. Weder in der AO noch in einem anderen Gesetz ist eine Legaldefinition des Begriffs „Steuerart“ enthalten. Auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz erläutert den Begriff „Steuerart“ oder wenigstens „Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO“ nicht. Dort wird lediglich auf die vollständige Offenbarung aller unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart abgestellt. Anknüpfungspunkt hierfür soll die einzelne hinterzogene Steuer sein, welche ihrerseits durch Steuerart und Besteuerungszeitraum bestimmt wird.168 In der Gesetzesbegründung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes nannte der Gesetzgeber beispielhaft die Steuerart Einkommensteuer.169 In der Gesetzesbegründung zum AOÄG 2015 wird lediglich auf Angaben zu „allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart“ 170 und den „hinterzogenen Steuern“ 171 abgestellt. 166

Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201). Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201). 168 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) vom 16.03.2011, BT-Drucks. 17/5067, S. 21. 169 BT-Drucks. 17/4802, S. 7 und 8. 170 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, BT-Drucks. 18/3018 vom 03.11.2014, S. 10. 171 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, BT-Drucks. 18/3018 vom 03.11.2014, S. 11. 167

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2. Teil: Besonderes

Gleichwohl ist der Begriff der Steuerart in der steuerrechtlichen Literatur und Rechtsprechung weit verbreitet.172 Der Begriff „Steuerart“ dient im Steuerrecht als Oberbegriff für die unterschiedlichen Steuern, die ihrerseits an unterschiedliche Verhaltensweisen, Geschehnisse oder Zustände anknüpfen.173 Dabei werden die Steuerarten in folgende Kategorien unterteilt: Direkte und indirekte Steuern; Personal- und Realsteuern; Ertrag- und Substanzsteuern; Generelle und spezielle Steuern; Gleichartige und nicht gleichartige Steuern; Periodische Steuern; Proportionale Steuern.174 Alle Steuern lassen sich in eine von drei Gruppen unterteilen: Entweder wird der Zuwachs des Einkommens einer Person, deren Vermögensbestand oder die Einkommens- bzw. Vermögensverwendung besteuert.175 Die einzelnen Steuerarten sind in den unterschiedlichen Einzelsteuergesetzen (insbesondere EStG, UStG, KStG) geregelt. Dementsprechend wird auch in der Rechtsprechung und Literatur unter dem Stichwort „Steuerart“ zwischen den Steuern, die sich nach den jeweiligen Steuergesetzen ergeben, unterschieden.176 Auch das Bundesfinanzministerium veröffentlicht regelmäßig verschiedene Übersichten, in denen die Steuerart jeweils als Oberbegriff derjenigen Steuern ausgewiesen ist, die sich nach dem jeweiligen Einzelsteuergesetz ergeben.177 Der Begriff „Steuerart“ beschreibt damit vereinfacht ausgedrückt, um was für eine Steuer es sich handelt. Es handelt sich um eine rein objektive Bestimmung, 172 BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2006 – 2 BvR 2194/99 –, BVerfGE 115, 97; BFH, Urteil vom 14. Januar 2016 – IV R 5/14, BFHE 253, 67; BestLex/Melchior Stichwort „Steuerart“; vgl. Henke, der die Steuerarten Einkommensteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer nennt, Henke DStZ A 1959, 337 (339); vgl. etwa die zahlreichen Nachweise bei Maunz/Dürig/Seiler, Art. 105 Rz. 51; zur Systematisierung des Steuerpluralismus vgl. die ausführliche Darstellung bei Tipke/Kruse/Drüen AO § 3 Rz. 56 ff. 173 Fehrenbacher, S. 33. 174 Tipke/Lang/Hey, § 7 Rz. 20 ff. 175 Fehrenbacher, S. 33. 176 Statt vieler: Das BVerfG, das zwischen den Steuerarten Vermögensteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer unterscheidet, BVerfGE, Beschluss vom 18. Januar 2006 – 2 BvR 2194/99 –, BVerfGE 115, 97; Schaumweinsteuer als Steuerart BGH, Beschluss vom 09. Dezember 2015 – 1 StR 256/15, wistra 2016, 192; Unterscheidung der Steuerarten Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer FG Köln, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 3 K 2557/11, EFG 2016, 624; ebenso unterscheidet der BFH zwischen den Steuerarten Gewerbesteuer und Einkommensteuer BFH, Urteil vom 14. Januar 2016 – IV R 5/14, BFHE 253, 67; Umsatzsteuer und Einkommensteuer als unterschiedliche Steuerarten, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 370 Rz. 723. 177 So etwa die Übersicht zu den Steuereinnahmen nach Steuerarten 2010–2014, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/ Themen/Steuern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2015-06-16-steuereinnah men-nach-steuerarten-2010-2014.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (16.06.2017); vgl. auch die Übersichten zu den kassenmäßigen Steuereinnahmen nach Steuerarten und Gebietskörperschaften für die Jahre 2014–2016, abrufbar unter http://www.bundesfinanz ministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerschaetzungen_und_ Steuereinnahmen/1-kassenmaessige-steuereinnahmen-nach-steuerarten-und-gebietskoer perschaften.html (16.06.2017).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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die jedenfalls in ihrem Grund nicht von subjektiven Verhältnissen abhängig ist.178 Eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Steuerart in dem Sinne, dass nur auf einen Steuerpflichtigen Bezug genommen wird, ist demnach nicht möglich. Die Art einer Steuer liegt unabhängig von der Person des für sie Steuerpflichtigen vor, sie setzt diese weder voraus noch bedingt sie diese. Die Steuerart richtet sich ausschließlich nach dem besteuerungspflichtigen Sachverhalt. Eine einschränkende Auslegung des Begriffs Steuerart dergestalt, dass lediglich auf einen Steuerpflichtigen Bezug genommen wird, widerspricht der Systematik des Steuerrechts und ist demnach abzulehnen. (2) Einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerstraftaten“ in § 371 Abs. 1 S. 1 AO § 371 Abs. 1 AO hat zwar normiert, zu welchen Steuerstraftaten der Steuerhinterzieher zur Erlangung der Strafbefreiung berichtigende Angaben machen muss: Es muss sich um die Hinterziehung von Steuern einer Steuerart handeln und die Berichtigung muss sich auf alle unverjährten Steuerstraftaten dieser Steuerart, mindestens auf alle Steuerstraftaten dieser Steuerart der letzten zehn Kalenderjahre, erstrecken. Der Wortlaut des Gesetzes sowie das Schweigen der Gesetzesmaterialien zu den Fällen, in denen Selbstanzeige nach Steuerstraftaten einer Steuerart in Steuerschuldverhältnissen mehrerer Steuerpflichtiger erstattet werden soll, lässt jedoch nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe eine Berichtigungspflicht des Steuerhinterziehers für Steuerhinterziehungen einer Steuerart aller Steuerpflichtigen treffen wollen.179 Dies ergibt sich bereits aus dem Ziel der Verschärfungen für die Selbstanzeige durch den Gesetzgeber seit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz: Hintergrund und ausdrückliches Ziel der Änderungen von § 371 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz war es nach Auffassung der Fraktionen der CDU/CSU im 178 Vgl. auch § 38 AO: „Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklich ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht anknüpft“. Auch hier ist die Steuerentstehung an rein objektive Kriterien geknüpft, nämlich an das Vorliegen derjenigen Voraussetzungen, an denen das Gesetz – gemeint sind die jeweiligen Einzelsteuergesetzes – eine Leistungspflicht anknüpft. Auch die Frage, nach welchem Steuergesetz der Steueranspruch des Fiskus entsteht, entscheidet sich vollkommen objektiv und insbesondere unabhängig von dem Willen des Steuerpflichtigen. Darüber hinaus ist die Person des jeweiligen Steuerschuldners in allen Steuereinzelgesetzen gesondert geregelt und damit lediglich ein weiteres Tatbestandsmerkmal für das Entstehen des Steueranspruchs. 179 Da die Lösung der vorliegenden Problematik erst seit Einführung des Vollständigkeitsgebots bei Steuerhinterziehungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz über die Wirksamkeit der Selbstanzeige entscheidet – vorher war eine strafbefreiend wirkende Teilselbstanzeige möglich – wurde auf die seit dieser Zeit erschienenen Gesetzesmaterialien zurückgegriffen.

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2. Teil: Besonderes

Rahmen der Debatten im Bundestag um die grundsätzliche Beibehaltung oder Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige und der Begründung des Gesetzentwurfs, den Missbrauch der strafbefreienden Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie zu verhindern.180 Dieses Ziel wird durch die einschränkende Auslegung des § 371 Abs. 1 AO in Form der Inbezugnahme auf die Hinterziehung von Steuern eines Steuerpflichtigen nicht konterkariert: Die Abgabe einer Selbstanzeige, die sich auf die Berichtigung der Steuerhinterziehung einer Steuerart eines Steuerpflichtigen erstreckt, ist gerade nicht Teil einer Hinterziehungsstrategie der übrigen Steuerhinterziehungen dieser Steuerart. Diese stehen mit der anzuzeigenden Steuerhinterziehung nicht in Verbindung. Weder dient die Berichtigung der Steuerhinterziehungen der Steuerart eines Steuerpflichtigen der Verdeckung der übrigen Steuerhinterziehungen dieser Steuerart anderer Steuerpflichtiger noch kann dem Steuerhinterzieher unterstellt werden, dass er lediglich Steuern einer Steuerart eines Steuerpflichtigen aufdeckt, weil er ausschließlich hinsichtlich der Steuerhinterziehungen dieser Steuerart gerade dieses Steuerpflichtigen Entdeckung befürchtet. Vielmehr ist die Beschränkung auf Angaben zu Steuern eines Steuerpflichtigen dem Umstand geschuldet, dass die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige in Mehrpersonenverhältnissen bis zur Unmöglichkeit erschwert wird.181 So birgt gerade die Steuerhinterziehung in Mehrpersonenverhältnissen die Besonderheit, dass die Tatbeteiligten aufgrund ihrer Mitwirkung oder einem etwaigen Tatplan oftmals nicht erkennen können, welcher Steuerart die hinterzogenen Steuern angehören. So wird sich etwa die Mitwirkung des Gehilfen regelmäßig auf Tätigkeiten beschränken, die nicht mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis in Verbindungen stehen, sondern eher praktischer Natur sind. Hier ist etwa an Fälle zu denken, in denen der bösgläubige Gehilfe zugunsten des Steuerpflichtigen unrichtige oder fingierte Rechnungen ausstellt. Ob die auf der Rechnung ausgewiesenen Ausgaben des Steuerpflichtigen durch diesen zur Hinterziehung von Einkommen- oder Umsatzsteuer verwendet werden sollen, ist für den Gehilfen i. d. R. nicht erkennbar. Dies gilt auch dann, wenn der Tatbeteiligte in einer Vielzahl von Fällen durch die gleiche Handlung an der Steuerhinterziehung mitgewirkt hat (wie etwa in den unter dem Schlagwort „Panama Paper“ 182 bekannt gewordenen Bankenfällen, in denen Bankmitarbeiter in vielen Fällen Steuerhinterziehern geholfen haben, Gel180 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) vom 16.03.2011, BT-Drucks. 17/5067, S. 3, 4, 18. 181 Wie hier im Ergebnis: Grötsch/Seipl, die allerdings eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerart“ befürworten, Grötsch/Seipl, NStZ 2015, 498 (500). 182 http://panamapapers.sueddeutsche.de/ (16.03.2017).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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der über anonyme Sammelkonten ins Ausland zu transferieren, mit denen keine Informationsabkommen der Bundesrepublik bestehen). Auch in solchen Fällen ist es für die mitwirkenden Tatbeteiligten nicht erkennbar und darüber hinaus wohl auch nicht von Interesse, welcher Steuerart die hinterzogenen Steuern angehören. Erschwerend kommt für den Selbstanzeigeerstatter hinzu, dass Mehrpersonenverhältnisse nicht nur im Verhältnis von Teilnehmern zum Haupttäter, sondern auch zwischen Mittätern oftmals autoritäre Strukturen aufweisen. Ohne eine Eingrenzung der Berichtigungspflicht ist die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige i. R. eines Mehrpersonenverhältnisses damit oft mit so hohen Schwierigkeiten verbunden, dass der Selbstanzeigeerstatter sich im Zweifel dagegen entscheiden wird. Damit wird die durch die Inaussichtstellung von Strafbefreiung für die Abgabe einer Selbstanzeige entscheidende Anreizwirkung des Instituts untergraben und vermag die Selbstanzeige ihren Sinn und Zweck nicht mehr zu erfüllen. Darüber hinaus führt die Ansicht, nach der die Berichtigungspflicht Angaben zu Steuerhinterziehungen einer Steuerart sämtlicher in Betracht kommender Steuerpflichtigen umfasst, auch zu der merkwürdigen Konsequenz, dass der Gehilfe, der zu Steuerhinterziehungen verschiedener Täter Beihilfe geleistet hat, (deutlich) mehr Informationen offenbaren muss als der Haupttäter der Steuerhinterziehung, der „lediglich“ im eigenen Besteuerungsverhältnis unrichtige Angaben gemacht hat. Damit berücksichtigt diese Ansicht die Besonderheiten in Mehrpersonenverhältnissen und insbesondere die unterschiedlichen Unrechtsgehalte der jeweils von den zu erstattenden Selbstanzeigen in Bezug genommenen Steuerstraftaten nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Gehilfe der Steuerhinterziehung, der nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist, eine größere Wiedergutmachungsleistung erbringen muss, als der Steuerhinterzieher, der zugleich auch Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist. Vor dem Hintergrund, dass jede Selbstanzeige, die mindestens die Person des Steuerpflichtigen, in dessen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogen wurden, ausweist, zu einer Vermehrung des staatlichen Steueraufkommens führt und mithin den fiskalischen Zweck der Selbstanzeige fördert183, ist eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Steuerstraftat“ i. S. v. § 371 Abs. 1 AO damit sogar geboten. Entscheidend für die Zulässigkeit einer Beschränkung der zu offenbarenden Steuerhinterziehungen auf Angaben zu hinterzogenen Steuern eines Steuerpflichtigen ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Instituts und die Rechtfertigung der durch § 371 AO gewährten Strafbefreiung somit, ob eine Einschränkung der Berichtigungsanforderungen in diesen Fällen eine vollständige Wiedergutmachung der angezeigten Steuerhinterziehung darstellt. In diesem Fall 183

Hierzu 1. Teil unter B. III. 1. b) aa).

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2. Teil: Besonderes

stünden der Strafbefreiung für Selbstanzeigen, die sich auf Steuerhinterziehungen eines Steuerpflichtigen beschränken, keine Einwände entgegen und die Strafbefreiung wäre ausdrücklich gerechtfertigt. Wie dargestellt, muss zur Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung bei jedem Selbstanzeigewilligen durch Erstattung der Selbstanzeige gemäß § 371 AO eine vollständige Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehungstat erfolgen.184 Eine Ausdehnung der Berichtigungspflicht auf Steuerhinterziehungen derselben Steuerart mehrerer Steuerpflichtiger wäre demnach nur dann zur Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der anzuzeigenden Steuerhinterziehungen erforderlich, wenn diese miteinander in einem sachlich und rechtlich untrennbaren Zusammenhang stünden. Dann nämlich läge bei Beschränkung der Selbstanzeige auf einen Steuerpflichtigen eine Teilselbstanzeige vor, die spätestens seit dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes185 nicht mehr zur Strafbefreiung führt. Die Annahme eines solchen untrennbaren Zusammenhangs widerspricht jedoch der Gesetzessystematik der AO: § 371 AO bezieht sich auf § 370 AO. Die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige setzt daher das Vorliegen einer Steuerhinterziehung voraus und bezieht sich damit auf die konkrete Steuerhinterziehungstat: Sowohl der Inhalt der Selbstanzeige als auch der Zeitpunkt, in dem die Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 AO nicht mehr strafbefreiend wirkt, und schließlich die Höhe einer etwaigen Nachzahlung gemäß § 371 Abs. 3 AO hängen von der jeweils in Bezug genommenen Tat nach § 370 AO ab. Nach der ganz überwiegenden Ansicht ist von unterschiedlichen Steuerstraftaten auszugehen, wenn unterschiedliche Steueransprüche, d.h. unterschiedliche Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betroffen sind.186 Folglich liegen auch nach der Rechtsprechung bei Steuerhinterziehungen in Besteuerungsverhältnissen unterschiedlicher Steuerpflichtiger unterschiedliche Steuerhinterziehungstaten vor. Selbst wenn also ein Anstifter durch eine bestimmte Handlung eine Gruppe von Steuerpflichtigen zu der Hinterziehung von Einkommensteuern bestimmt, ist dieser nicht wegen Anstiftung zu einer Steuerhinterziehungstat strafbar, sondern wegen Anstiftung zu mehreren in Tateinheit 184

1. Teil unter B. IV. 5. a). BStBl. I 2011, 676. 186 So der BGH für die Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, Urteil vom 24. November 2004 – 5 StR 220/04, wistra 2005, 56; für die Steuerhinterziehung durch Unterlassen, BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 207/14, wistra 2014, 443; ebenso: Klein/Jäger, § 370 Rz. 231; MüKo StGB/Schmitz/Wulf, § 370 Rz. 527; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes, BT-Drucks. 17/4802, S. 7. 185

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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begangenen Steuerhinterziehungen. Zwar ist in dem Beispiel die Tathandlung dieselbe, die Taterfolge unterscheiden sich jedoch erheblich voneinander: Es handelt sich um unterschiedliche Besteuerungsverhältnisse, in denen Steuern hinterzogen werden können, folglich um unterschiedliche Steuerschuldner, die Höhe der verkürzten Steuern ist unterschiedlich und auch die Besteuerungszeiträume können voneinander abweichen. Darüber hinaus können auch unterschiedliche Steuerarten betroffen sein. Genügt die Berichtigungserklärung des Anstifters den inhaltlichen Anforderungen187 und sind auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Selbstanzeige erfüllt, liegt eine vollständige Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der in Bezug genommenen Steuerstraftat vor. Bei Steuerhinterziehungen im Besteuerungsverhältnis unterschiedlicher Steuerpflichtiger handelt es sich demnach um unterschiedliche Steuerstraftaten. Einer vollständigen Wiedergutmachung der Steuerstraftat einer Steuerart eines Steuerpflichtigen steht damit die Mitwirkung an der Hinterziehung gleichartiger Steuern eines anderen Steuerpflichtigen nicht entgegen. Mit der herrschenden Ansicht in der Literatur ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die hier angesprochene Problematik schlicht übersehen hat.188 Es ist anzunehmen, dass sich deswegen weder im Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO eine klarstellende Erläuterung findet noch in den Gesetzesmaterialien eine Einschränkung des sachlichen Umfangs der Berichtigung enthalten ist. Demnach ist der Begriff der Steuerhinterziehung in § 371 Abs. 1 AO dergestalt teleologisch zu reduzieren, dass darunter lediglich die Steuerhinterziehungstaten im Rahmen der Besteuerungsverhältnisses eines Steuerpflichtigen zu verstehen sind. (3) Zwischenergebnis Der Begriff der Steuerstraftat in § 371 Abs. 1 S. 1 AO ist einschränkend einzulegen. Der Umfang der Berichtigungspflicht umfasst damit Steuerhinterziehungen einer Steuerart eines Steuerpflichtigen. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ist damit folgendermaßen zu lesen: „Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart aus einem Steuerschuldverhältnis in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft.“ 187 188

Hierzu 2. Teil unter A. II. 9. Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (283).

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2. Teil: Besonderes

b) Verknüpfung mehrerer Steuerarten durch verdeckte Gewinnausschüttung bei der Verkürzung von Körperschaftsteuern in Kapitalgesellschaften Bislang ungeklärt ist, ob mittels einer verdeckten Gewinnausschüttung miteinander verknüpfte, auf unterschiedliche Steuerarten bezogene Steuerstraftaten zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots gemeinsam erklärt werden müssen. Fallbeispiel: Eine GmbH hat „schwarze“ Einkünfte, die weder bilanziert noch in der Steuererklärung angegeben werden. Der Gesellschafter-Geschäftsführer verwendet die verkürzten Einnahmen für sich. Das Verschweigen der schwarzen Einkünfte der GmbH verwirklicht den Tatbestand der Körperschaftsteuerhinterziehung im Rahmen ihres Steuerschuldverhältnisses. Die Verwendung dieser Einnahmen durch den Gesellschafter-Geschäftsführer stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) dar.189 Zur Vermeidung von Widersprüchen zwischen den Steuererklärungen der GmbH und seiner eigenen Steuererklärung verschweigt er die so erlangten Einnahmen und begeht so eine Einkommensteuerhinterziehung. Eine vGA ist für sich genommen weder steuer- noch steuerstrafrechtlich verboten und stellt auch keine Steuerhinterziehung dar.190 Werden die aus der vGA resultierenden Verluste auf Seiten der Kapitalgesellschaft bzw. die entsprechenden Einkünfte auf Seiten des Gesellschafters jedoch nicht ordnungsgemäß in der Steuererklärung erklärt und werden hierdurch Steuern verkürzt, liegt eine Steuerhinterziehung vor. Im Beispiel liegt sowohl auf Ebene der Gesellschaft als auch auf Ebene des Gesellschafters jeweils eine Steuerhinterziehung vor. Wie Durst richtig erläutert, werden im Beispiel durch die vGA die KSt-Ebene und die ESt-Ebene miteinander verbunden.191 Sofern Durst allerdings ausführt, dass hier keine zwei zur Selbstanzeige tauglichen Ebenen vorliegen, ist ihr zu widersprechen. Erstattet der Geschäftsführer wegen der Steuerverkürzung für die GmbH Selbstanzeige, muss die Selbstanzeige jedenfalls keine Angaben zu der von ihm in seinem eigenen Steuerverhältnis begangenen Einkommensteuerhinterziehung enthalten. Es handelt sich um zwei verschiedene Steuerschuldverhältnisse mit unterschiedlichen Steuersubjekten.192 Darüber hinaus handelt es sich trotz der faktischen Verbindung durch die vGA und der Einkommensteuerhinterziehung des Gesellschafters auch um die Hinterziehung von Steuern unterschiedlicher 189 190 191 192

Beispiel von Durst, PStR 2012, 61 (64). Olfen/Plattes/Meinecke, DStR 2016, 355 (358). Durst, PStR 2012, 61 (64). Hierauf weist auch Joecks hin, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 115.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Steuerarten. Die vGA führt nicht dazu, dass die Hinterziehung von ESt im Steuerschuldverhältnis des Geschäftsführers als Hinterziehung von KSt anzusehen ist. Zur Bestimmung der Steuerart ist ausschließlich auf die Normierung der jeweiligen Steuergesetze abzustellen, sodass eine inhaltliche Verbundenheit etwa durch die Herkunft der verkürzten Einnahmen unbeachtlich ist. Steuersubjekt der Körperschaftsteuer ist ausschließlich die Körperschaft. Die Berichtigung der Körperschaftsteuerhinterziehung durch eine vGa betrifft mithin zunächst auch lediglich die Körperschaft als Steuersubjekt193 und betrifft damit ausschließlich die Steuerhinterziehung einer Steuerart im Steuerschuldverhältnis der Körperschaft.194 Folglich ist die Selbstanzeige in dem von Durst benannten Beispiel der GmbH bereits wirksam, wenn sie vollständige Angaben zu allen unverjährten Hinterziehungen von KSt der GmbH enthält. Spiegelbildlich ist auch die Selbstanzeige des Geschäftsführers wirksam, wenn sie vollständige Angaben zu allen unverjährten Hinterziehungen von ESt des Geschäftsführers enthält. Da sich jedoch durch die Nacherklärungen Verdachtsmomente in Bezug auf die jeweils in dem anderen Besteuerungsverhältnis begangenen Steuerhinterziehungen ergeben können, ist es aus Sicht des Geschäftsführers ratsam, auch in Bezug auf eigene ESt-Hinterziehungen Selbstanzeige zu erstatten. c) Mehrfach-Geschäftsführer Wie dargestellt, ist die Eigenschaft des in Bezug auf die hinterzogenen und nachzuerklärenden Steuern Steuerpflichtigen für die Bestimmung des Inhalts der Selbstanzeige von wesentlicher Bedeutung. Nur Steuerhinterziehungen einer Steuerart innerhalb eines Besteuerungsschuldverhältnisses eines Steuerpflichtigen sind im Rahmen der Berichtigung zu erklären. Gerade bei Steuerhinterziehungen i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen kann sich jedoch das Problem stellen, dass eine natürliche Person in mehreren Steuerschuldverhältnissen steuerpflichtig ist. Dies kann der Fall sein, wenn eine Person gemäß § 34 AO für die Erfüllung der Pflichten des Steuerpflichtigen in dessen Steuerschuldverhältnis verantwortlich ist. Begeht der gemäß § 34 AO in mehreren Steuerschuldverhältnissen Steuerpflichtige Steuerhinterziehungen derselben Steuerart, ist fraglich, welchen Anforderungen seine Berichtigung genügen muss, um dem Vollständigkeitsgebot zu genügen. 193

Wie hier: Joecks/Jäger/Randt/Randt, § 371 Rz. 155. Wie hier wohl auch Beckemper, nach der die Selbstanzeige nach einer Steuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung primär die Körperschaft als Steuersubjekt treffe und nur dann Auswirkungen auch auf die Einkommensteuerhinterziehung des begünstigten Gesellschafters hat, wenn dieser den Anzeigenerstatter entsprechend beauftragt habe, Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 41. 194

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2. Teil: Besonderes

Fraglich ist damit, ob eine sich auf die Steuerhinterziehungen einer Steuerart innerhalb eines Steuerschuldverhältnisses eines Steuerschuldners beschränkende Berichtigung als Teilselbstanzeige zu werten ist. Dies wäre der Fall, wenn das Vollständigkeitsgebot so auszulegen wäre, dass bei Steuerhinterziehungen einer Steuerart, die durch denselben Steuerpflichtigen in unterschiedlichen Steuerschuldverhältnissen begangen werden, sämtliche Steuerhinterziehungen dieser Steuerart berichtigt werden müssen. § 34 AO begründet für die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und Geschäftsführer nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen und Vermögensmassen ein eigenständiges Pflichtverhältnis zur Finanzbehörde.195 Der gesetzliche Vertreter oder Geschäftsführer hat mithin die Pflichten, die Steuergesetze dem Vertretenen auferlegen (d.h. insbesondere die steuerlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten), als eigene Pflichten zu erfüllen.196 Es verbleibt jedoch dabei, dass Steuerschuldner der Vertretene ist.197 Beyer ist der Auffassung, dass ein Geschäftsführer, der vorsätzlich für zwei GmbHs unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben hat, für die Steuerart Umsatzsteuer nur dann eine vollständige Berichtigungserklärung abgeben könne, wenn er beide unrichtigen Erklärungen gleichzeitig korrigiert.198 Für das Erfordernis der Einbeziehung aller Steuerhinterziehungen derselben Steuerart sämtlicher Steuerschuldner spricht, dass der Vertreter oder Geschäftsführer als Steuerpflichtiger grundsätzlich Kenntnisse über sämtliche Besteuerungsgrundlagen hat und mithin auch Zugriff auf die für die Abfertigung einer wirksamen Berichtigung erforderlichen Dokumente hat. So setzt die Pflichtenstellung des Geschäftsführers nach Auffassung des BGH voraus, dass dieser zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld befugt ist, über die Mittel der GmbH zu verfügen.199 Hieraus ergibt sich, dass ein Geschäftsführer nur dann gemäß § 34 AO steuerpflichtig ist, wenn ihm entsprechende Kompetenzen zur Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten des Steuerschuldners eingeräumt wurden. In praktischer Hinsicht dürfte es damit demjenigen Steuerhinterzieher, der in mehreren Steuerschuldverhältnissen gemäß § 34 AO steuerpflichtig ist, grundsätzlich möglich sein, in jedem dieser Besteuerungsverhältnisse eine vollständige Selbstanzeige abzugeben. Ob dieses grundsätzliche praktische Vermögen jedoch dazu führt, dass die Berichtigung eines solchen gemäß § 34 AO steuerpflichtigen Steuerhinterziehers nur dann wirksam ist, wenn sie sämtliche Besteuerungsverhältnisse umfasst, ist 195

Klein/Rüsken, AO § 34 Rz. 1. Klein/Rüsken, AO § 34 Rz. 1. 197 Klein/Rüsken, AO § 34 Rz. 1. 198 Beyer, NZWiSt 2016, 234 (235); ders., BB 2016, 2527 (2529). 199 BFH, Urteil vom 17. November 1992 – VII R 13/92 –, BFHE 170, 295; ebenso Klein/Rüsken, AO § 34 Rz. 10. 196

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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im Hinblick auf die unterschiedlichen Steuerschuldner zweifelhaft. Fraglich ist damit, ob bei der Berichtigung der Steuerhinterziehung einer Steuerart nur eines Steuerschuldners eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit durch den gemäß § 34 AO Steuerpflichtigen für den Steuerschuldner vorliegt. Hierfür spricht, dass die vom Gesetz geforderte Rückkehr in die Steuerehrlichkeit keine absolute Rückkehr ist. Der Steuerhinterzieher muss gerade nicht sämtliche von ihm im relevanten Berichtigungszeitraum begangenen Steuerhinterziehungen offenbaren, um in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Ausreichend ist die sog. Spartenlebensbeichte, d.h. die anhand der vom Gesetz vorgegebenen Kriterien beschränkte Berichtigung (nach hier vertretener Ansicht auf Steuerart und Steuerstraftat). Im Übrigen weisen die Steuerhinterziehungen i. R. unterschiedlicher Besteuerungsverhältnisse keinen inneren Zusammenhang auf. Da unterschiedliche Steuersubjekte betroffen sind, handelt es sich auch um unterschiedliche Steuerstraftaten. Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass eine entgegengesetzte Auslegung die Anreizfunktion der Selbstanzeige erheblich beschränken würde und letztlich auch der fiskalischen Zielsetzung der Norm zuwiderliefe. Die kurzfristige Abgabe einer Berichtigung wäre damit faktisch unmöglich. Gerade im Hinblick auf die Verlängerung des Berichtigungszeitraums ist die Abgabe einer Selbstanzeige mit erheblichem Aufwand verbunden. Hinzu kommt, dass eine Selbstanzeige oftmals in Zeitnot erstattet werden muss. Eine Abstimmung der Berichtigung im Rahmen unterschiedlicher Besteuerungsverhältnisse ist somit kaum möglich. Solche müssten im Übrigen auch gleichzeitig erstattet werden, um die Aufdeckung der Tat und damit die Auslösung der Sperrwirkung gemäß § 371 Abs. 2 AO zu verhindern. Im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen, die eine unwirksame Selbstanzeige mit sich bringt, ist nicht ersichtlich, weshalb dem Steuerschuldner das Risiko der zeitlichen Abstimmung mehrerer Selbstanzeigen seines Vertreters gemäß § 34 AO derselben Steuerart in unterschiedlichen Steuerschuldverhältnissen auferlegt werden sollte, insbesondere, da eine dritte Person als Vertreterin mit der Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten beauftragt wurde und der Steuerschuldner selbst (im Falle einer natürlichen Person) bzw. die übrigen Gesellschafter einer GmbH auf die Tätigkeiten des Vertreters außerhalb seiner Tätigkeit für den Vertretenen keinen Einfluss hat. Ferner sind eine Reihe von Fällen denkbar, in denen der Steuerpflichtige keinen Einfluss auf die Person seines Vertreters gemäß § 34 AO hat200 und somit noch weniger abschätzen kann, inwiefern seinen Vertreter in weiteren Steuerschuldverhältnissen steuerliche Pflichten treffen. 200 So etwa bei den Eltern des Steuerpflichtigen oder den gerichtlich bestellten Liquidator, vgl. Klein/Rüsken, § 34 Rz. 5 bis 6a.

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2. Teil: Besonderes

Damit hat die Stellung als Steuerpflichtiger in unterschiedlichen Steuerschuldverhältnissen keine Ausstrahlungswirkung auf die Vollständigkeit der Berichtigung in anderen Steuerschuldverhältnissen. d) Solidaritätszuschlag als eigene Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 AO Durch das Gesetz zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz)201 wurde der Solidaritätszuschlag zunächst befristet für die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 eingeführt. Gemäß § 1 des SolzG a. F. ist der Solidaritätszuschlag eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und betrug für Vorauszahlungen, Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer 3,75 % (§ 4 Nr. 1 SolzG a. F.) bzw. ab dem 01.07.1991 7,5 % (§ 4 Nr. 2 SolzG a. F.) der Bemessungsgrundlage dieser Steuern. Seit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 26.06.1993202 besteht der Solidaritätszuschlag unbefristet als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer i. H. v. 7,5 % (§ 4 S. 1 SolzG 1995). Seit dem 01.01.1998 beträgt der Solidaritätszuschlag 5,5 %.203 Überwiegend wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Solidaritätszuschlag als Ergänzungs- oder Annexsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer als eine eigene Steuerart anzusehen ist und damit nicht zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots miterklärt werden müsse.204 Für eine Einbeziehung des Solidaritätszuschlags in den Berichtigungsumfang einer Körperschaft- oder Einkommensteuerhinterziehung würde jedenfalls sprechen, dass der Solidaritätszuschlag nicht isoliert berechnet werden kann, sondern an die festgesetzte Einkommen- und Körperschaftsteuer anknüpft. Darüber hinaus kann der Solidaritätszuschlag auch nicht selbstständig hinterzogen werden.205 Überwiegend wird in der Literatur für entscheidend erachtet, dass der Solidaritätszuschlag in einem eigenen Gesetz (SolzG) geregelt ist und deshalb als eigene Steuerart anzusehen sei.206 Im Übrigen folge der Solidaritätszuschlag auch eigenen steuerverfahrensrechtlichen Regeln und sei auch vor diesem Hintergrund gegenüber der Körperschaft- und Einkommensteuer als eigene Steuerart zu bezeichnen.207 Darüber hinaus sei der Solidaritätszuschlag schon deswegen nicht mit zu berichtigen, da 201

BGBl. I 1991, 1318. BGBl. I 1993, 944. 203 BGBl. I 1997, 2743. 204 Beyer, BB 2016, 987 (989); Bilsdorfer, NJW 2016, 1425 (1428); MüKo StGB/ Kohler, § 371 Rz. 59; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 190; Rolletschke, S. 258. 205 MüKo StGB/Kohler, AO § 371 Rz. 59. 206 MüKo StGB/Kohler, AO § 371 Rz. 59; Rolletschke, S. 258. 207 Rolletschke, S. 258 Rz. 562; Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (200). 202

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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an die Nacherklärung keine höheren Anforderungen als an die übrige Erklärung gestellt werden könnten.208 Dies ist zutreffend. Die Berichtigungspflicht orientiert sich grundsätzlich an den steuerverfahrensrechtlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerhinterziehers und hier fehlt es gerade an einer Pflicht zur Erklärung des Solidaritätszuschlags. Auch das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen stellt in seinem Erlass vom 12.01.2016 an die Finanzverwaltung zur Vermeidung etwaiger verbleibender Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des geänderten § 371 AO durch das Jahressteuergesetz 2015 als Bearbeitungsgrundsatz auf, dass der Solidaritätszuschlag wegen seiner Qualifikation als Annexsteuer nicht im Rahmen der Berichtigung miterklärt werden müsse.209 Im Übrigen ist die Höhe des Solidaritätszuschlags bei Kenntnis der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer auch ohne Erfordernis weiterer Ermittlungen durch das Finanzamt selbstständig festsetzbar (nämlich in Höhe von 5,5 % der Bemessungsgrundlage der Körperschafts- bzw. Einkommensteuer, § 4 SolzG S. 1 1995), sodass auch vor diesem Hintergrund davon auszugehen ist, dass der Solidaritätszuschlag nicht zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots miterklärt werden muss. e) Feststellungsbescheid nach Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen als im Verhältnis zum Festsetzungsbescheid andere Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 AO? Die Besteuerungsgrundlagen von Personengesellschaften werden im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO) für alle Personengesellschafter ermittelt. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob bei einer Berichtigung des Feststellungsbescheids der Personengesellschaft gleichzeitig auch Unrichtigkeiten in den Einkommensteuerfestsetzungsbescheiden sämtlicher Personengesellschafter korrigiert werden müssen, um eine vollständige Berichtigung abzugeben. Dies wäre dann der Fall, wenn es sich hierbei um eine eigene Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 AO handeln würde. Die Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 179, 180 AO dienen der verbindlichen Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen in bestimmten Fällen. Bei diesen Verfahren werden die jeweiligen Feststellungsgegenstände festgestellt und verbindlich vorgegeben, um auf dieser Grundlage Folgebescheide erlassen zu können.210 208

Beyer, BB 2016, 987 (989). Erlass betr. Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO, Steuerstrafrecht, FM Nordrhein-Westfalen v. 26.01.2015 S 0702 – 8 f – V A 1 und v. 09.02.2015 S 0702 – 8 f – V A 1. Das Finanzministerium weist in seinem Erlass gleichzeitig darauf hin, dass der Solidaritätszuschlag bei der Berechnung der EUR 25.000-Grenze i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO gleichwohl mit einzubeziehen sei. 210 BFH, Urteil vom 21. Februar 2013 – V R 27/11, BFHE 240, 487. 209

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2. Teil: Besonderes

Grundsätzlich werden die Besteuerungsgrundlagen im Besteuerungsverfahren ermittelt und festgestellt. Gemäß § 157 Abs. 2 AO bildet die Feststellung der auf diese Weise ermittelten Besteuerungsgrundlagen einen mit Rechtsbehelfen nicht selbstständig anfechtbaren Teil des späteren Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt wurden. Das Ergebnis der Feststellung ist ein Grundlagenbescheid, der für die Steuerfestsetzung bindend ist, § 181 Abs. 1 AO. Abweichend von diesem Grundsatz werden die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 179 Abs. 1 AO durch einen Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in § 180 AO oder sonst in Steuergesetzen bestimmt ist. Ziel der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 179 Abs. 1 AO) ist die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Besteuerungsverfahrens. Dieses Verfahren soll dazu führen, dass divergierende Ermittlungsergebnisse – und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung – vermieden werden.211 Das Verfahren zur einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist dann anzuwenden, wenn die Besteuerungsgrundlagen mehreren Personen zuzurechnen sind (§ 179 Abs. 2 AO).212 Durch die einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen soll verhindert werden, dass unterschiedliche steuerliche Rechtsfolgen an ein und denselben Steuersachverhalt gegenüber mehreren Beteiligten geknüpft werden.213 Das Verfahren zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist dann durchzuführen, wenn derselbe Sachverhalt bei verschiedenen Steuerarten, in verschiedenen Veranlagungszeiträumen oder vom orts- und sachnäheren Finanzamt einmal verbindlich bestimmt wird.214 Gemäß § 179 Abs. 2 S. 2 AO wird die gesonderte Feststellung gegenüber mehreren Beteiligten dann einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO erfolgt das Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung für nach dem EStG oder KStG bezogene Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind.

211 Blesinger, wistra 2009, 294 (296 f.); Tipke/Kruse/Brandis, Vorbemerkungen zu §§ 179–184 Rz. 1. 212 Nach Auffassung der Rechtsprechung soll das Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bereits dann durchzuführen sein, wenn Zweifel bestehen, ob mehrere Beteiligte an denselben Einkünften beteiligt sind BFH, Beschluss vom 09.03.1994 – VIII S 9/93; Koenig/Koenig, AO § 179 Rz. 3; Tipke/Lang/Seer, S. 1084. 213 Tipke/Lang/Seer, S. 1085. 214 Koenig/Koenig, AO § 179 Rz. 3.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Der Feststellungsbescheid, der im Verfahren zur einheitlichen oder gesonderten Feststellung ergeht, hat als Grundlagenbescheid Bindungswirkung für sämtliche Folgebescheide (i. d. R. etwa für die jeweiligen Einkommensteuerbescheide der Feststellungsbeteiligten).215 Gleichwohl ist er ein eigenständiger Verwaltungsakt und erwächst auch eigenständig in Bestandskraft.216 Der Grundlagenbescheid steht also im Festsetzungsverfahren zeitlich vor dem Steuerbescheid. Enthält der Grundlagenbescheid Fehler, können diese zu einer späteren unrichtigen Festsetzung der Steuer führen und kausal für eine Steuerverkürzung i. S. v. § 370 AO sein.217 Wegen der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids gemäß § 182 Abs. 1 S. 1 AO darf das Finanzamt auch dann nicht von den dort verbindlich festgestellten Tatsachen abweichen oder die Unrichtigkeiten außer Acht lassen, wenn es die Unrichtigkeit des Grundlagenbescheids erkennt.218 Bislang ist ungeklärt, ob der Feststellungsbescheid der Personengesellschaft im Verhältnis zum Festsetzungsbescheid der Personengesellschafter als eigene Steuerart anzusehen ist oder ob er Teil der Steuerart „Einkommensteuer“ der verschiedenen Personen ist. Die Einordnung des Feststellungsbescheids hat erhebliche Auswirkungen auf den Umfang einer Berichtigung gemäß § 371 Abs. 1 AO. Ist er Teil der Steuerart Einkommensteuer der verschiedenen Personen, muss die Berichtigung zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots sämtliche Einkommensteuerhinterziehungen sämtlicher Feststellungsbeteiligten umfassen. Eine gesonderte Berichtigung lediglich des Feststellungbescheids könnte dann eine unwirksame Teilselbstanzeige darstellen, wenn die Berichtigungswirkung sich nicht auch auf die jeweiligen Einkommensteuererklärungen erstreckt bzw. in den anderen Einkommensteuerschuldverhältnissen weitere Einkommensteuerhinterziehungen vorliegen. Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der im Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ergehende Feststellungsbescheid als eine eigene Steuerart i. S. v. § 371 Abs. 1 AO zu verstehen sei.219 Entscheidend sei, dass im Feststellungsverfahren und Festsetzungsverfahren jeweils die Steuern unterschiedlicher Steuersubjekte veranlagt werden.220 Hiergegen wird eingewendet, dass dem Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen sei.221 Darüber hinaus spreche gegen eine solche einschränkende Auslegung des Begriffs der Steuerart, dass der Ge215

Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zu §§ 179–184 Rz. 3. Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zu §§ 179–184 Rz. 3. 217 Hierzu ausführlich Blesinger, wistra 2009, 294 (296). 218 Ebenso zu § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO a. F., Blesinger, wistra 2009, 294 (297). 219 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (283); Buse, DB 2015, 89 (89); Spatschek, DB 2013, 1073 (1074); kritisch: Joecks nachdem eine steuersubjektbezogene Auslegung der Steuerart im Feststellungs- und Festsetzungsverfahren zweifelhaft sei, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 80; Tormöhlen, AO-StB 2011, 373 (374). 220 Spatschek, DB 2013, 1073 (1074); Tormöhlen, AO-StB 2011, 373 (374). 221 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 80; nach Jäger, seien „solche Überlegungen“ in der Literatur „eher auf pragmatische als auf systematische Erwägungen ge216

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2. Teil: Besonderes

setzgeber als Grundsatz die vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit aufgestellt habe und die Beschränkung der Berichtigungspflicht auf Steuerhinterziehungen einer Steuerart hiervon die Ausnahme sei.222 Im Übrigen könne die verfahrensrechtlich der Festsetzung der Steuer vorgelagerte Feststellung schon deshalb keine selbstständige Steuerart sein, weil sie lediglich eine Grundlagenfunktion für die eigentliche Steuer habe.223 Nach Rolletschke soll im Verhältnis der Erklärung zur gesonderten Feststellung (§ 180 AO) und einer Einkommensteuererklärung dann eine Steuerart i. S. v. § 371 AO vorliegen, wenn der Steuerpflichtige in einem anderen Finanzamtsbezirk einen Betrieb unterhält und hierfür eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abgeben müsse.224 Grötsch/Seipl stellen darauf ab, dass der Gewinnfeststellungsbescheid Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid ist.225 Somit liege eine Steuerart vor und derjenige Gesellschafter einer Personengesellschaft, der vorsätzlich eine unrichtige einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung abgegeben habe, müsse für eine vollständige Berichtigung auch seine Einkommensteuer berichtigen.226 Rolletschke ist der Auffassung, dass hier zwar eine Steuerart vorliege227, es jedoch „bloße Förmelei“ wäre, wenn man vom Steuerhinterzieher die doppelte Berichtigung verlangen würde. Insofern sei zu berücksichtigen, dass eine Berichtigung der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen automatisch zu einer Berichtigung im Folgebescheid führte.228 Teilweise wird in der Literatur nach der konkreten Situation des Einzelfalls differenziert.229 Durst stellt auf den Blickwinkel des Feststellungsbeteiligten ab. So soll für denjenigen Feststellungsbeteiligten, der für die Abgabe der Gewinnfeststellungserklärung verantwortlich ist, die Gewinnfeststellung und seine eigene Einkommensteuer eine Steuerart darstellen.230 Er soll jedoch nicht verpflichtet sein, im stützt“, Klein/Jäger, § 371 Rz. 49; Stahl, kösdi 2011, 17442 (17443); Wenzel, StBW 2011, 890 (893). 222 Klein/Jäger, § 371 Rz. 49. 223 Madauß, NZWiST 2015, 41 (43); Stahl, kösdi 2011, 17442 (17443); so wohl auch Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 36; Wenzel, StBW 2011, 890 (894). 224 Rolletschke, S. 258. 225 Grötsch/Seipel, NStZ 2015, 498 (501). 226 Grötsch/Seipel, NStZ 2015, 498 (501). Grötsch/Seipel weisen darauf hin, dass für die Berichtigung unterschiedliche Finanzämter zuständig sein können, nämlich für die Berichtigung der Feststellungserklärung das Betriebsstättenfinanzamt und für die Berichtigung der Einkommensteuererklärung das Veranlagungsfinanzamt. Gleichwohl sei es wegen der Regelung in § 6 Abs. 2 AO nicht erforderlich, dass die Selbstanzeige beim örtlich zuständigen Finanzamt abgegeben wurde, Grötsch/Seipel, NStZ 2015, 498 (501). 227 Rolletschke, S. 258. 228 Rolletschke, S. 260. 229 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 58; Rolletschke, S. 258 Rz. 562. 230 Durst, PStR 2012, 61 (63).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Rahmen seiner Berichtigung auch die selbstständigen Unrichtigkeiten der anderen Feststellungsbeteiligten zu korrigieren.231 Insofern liege im Verhältnis von Gewinnfeststellung und Einkommensteuer der übrigen Feststellungsbeteiligten nur insoweit eine Steuerart vor, wie die Grundlagenfunktion des Feststellungsbescheids reiche.232 Nach den allgemeinen Grundsätzen sind die in dem Grundlagenbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen nicht bei der Berichtigung eines später ergangenen Festsetzungsbescheids gegen den Steuerschuldner zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots zu berücksichtigen. Daran ändert auch nicht, dass der festgestellte Grundlagenbescheid Bindungswirkung gegenüber dem Steuerfestsetzungsbescheid hat. So handelt es sich bei der aus der Bindungswirkung resultierenden faktischen Verbundenheit beider Bescheide um eine rein steuerverfahrensrechtliche Bindung und gerade nicht um eine strafrechtlich zu würdigende Zurechnung. Die Bindung erstreckt sich ausschließlich auf die Höhe der festgestellten Besteuerungsgrundlagen und betrifft damit rein tatsächliche Umstände, die überdies auch noch Steuern nach unterschiedlichen Steuergesetzen auslösen können. Wegen des letztgenanntem Umstands dürfte im Regelfall auch davon auszugehen sein, dass es sich bei den dem Feststellungsbescheid zugrundeliegenden angegebenen Besteuerungsgrundlagen und den dem Festsetzungsbescheid zugrundeliegenden angegebenen Besteuerungsgrundlagen um unterschiedliche Steuerarten handelt, da die Steuern oftmals entweder in unterschiedlichen Steuergesetzen geregelt sind oder aber es sich um unterschiedliche Erhebungsformen der gleichen Steuer handelt.233 Doch selbst, wenn im Feststellungsbescheid und dem hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen an diesen gebundenen Folgebescheid Steuern derselben Steuerart veranlagt würden, setzt eine vollständige Berichtigung nicht zwingend voraus, dass sämtliche Steuern dieser Steuerart in beiden Verfahren berichtigt würden. Entscheidend ist, dass der Begriff der zu berichtigenden Steuerhinterziehung nach der hier vertretenen Ansicht steuersubjektbezogen ist234 und im Feststellungsverfahren und Festsetzungsverfahren i. d. R. jeweils unterschiedliche Steuersubjekte (Körperschaft und die jeweiligen Feststellungsberechtigten) betroffen sind. Aufgrund der dem Begriff der Steuerhinterziehung immanenten steuersubjektbezogenen Bestimmung scheidet auch die Annahme einer für die Berichtigung relevanten Verknüpfung der unterschiedlichen Steuersubjekten gegenüber auf Basis des Grundlagenbescheids zustande gekommenen jeweiligen Festsetzungsbescheide aus. Auch im Verhältnis der unterschiedlichen Feststellungsberechtigten zueinander handelt es sich jeweils um unterschiedliche Steuersubjekte und damit bei Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO jeweils um die 231 232 233 234

Durst, PStR 2012, 61 (63); ebenso auch: Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 136. Durst, PStR 2012, 61 (63); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 136. Siehe hierzu auch 2. Teil unter A. II. 2. e). 2. Teil unter A. II. a).

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2. Teil: Besonderes

Korrekturen von Steuerhinterziehungen in unterschiedlichen Besteuerungsverhältnissen. Die Abgabe einer Berichtigung, die sämtliche Besteuerungsgrundlagen einer Steuerart aller Feststellungsberechtigten aufführt, ist realiter nicht möglich und würde die Anreizwirkung der Selbstanzeige untergraben. Innerhalb der jeweiligen Besteuerungsverhältnisse bleibt es dabei, dass die Berichtigung einer Steuerart vollständig sein muss. Gleichwohl können sich aufgrund eines berichtigten Grundlagenbescheids Hinweise auf entsprechende Steuerhinterziehungen im Rahmen der dem Feststellungsbescheid nachfolgenden Festsetzungsbescheide ergeben. Aus diesem Grund ist es aus Sicht der Feststellungsberechtigten ratsam, eine entsprechende Selbstanzeige zu derjenigen, in welcher die im Grundlagenbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen berichtigt werden, auch für das eigene Steuerschuldverhältnis abzugeben. Zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots der Berichtigung im Rahmen der Selbstanzeige wegen eines unrichtigen Feststellungsbescheids der Personengesellschaft ist dieses Vorgehen jedoch nicht erforderlich. 3. Der zeitliche Umfang des Vollständigkeitsgebots Der zeitliche Umfang des Vollständigkeitsgebots erstreckt sich seit dem AOÄG 2015 auf alle unverjährten Steuerstraftaten, mindestens aber auf alle Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre. Noch im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen war vorgesehen, die Verjährungsfrist für alle Fälle der Steuerhinterziehung zu verlängern.235 Insofern sollte die strafrechtliche Verjährungsfrist in § 376 E-AO für sämtliche Fälle der Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängert werden, um einen „Gleichlauf“ mit der zehn Jahre betragenden Festsetzungsverjährungsfrist für hinterzogene Steuern zu schaffen.236 Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht mit dem AOÄG umgesetzt und es bleibt bei der fünfjährigen strafrechtlichen Verjährungsfrist für einfache Steuerhinterziehungen und der zehnjährigen strafrechtlichen Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung, § 376 Abs. 1 AO. Durch die Verlängerung des Berichtigungszeitraums muss die Berichtigung nunmehr in sämtlichen Fällen der Steuerhinterziehung, d.h. auch in Fällen einfacher Steuerhinterziehung, zehn Jahre umfassen, unabhängig davon, ob bereits

235 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 27.08.2014, S. 4. 236 Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 27.08.2014, S. 4.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.237 Nach der Gesetzgebung soll die Einführung dieser „festen fiktiven Frist von zehn Jahren aus Gründen der Rechtsklarheit“ erforderlich sein.238 Ziel des Gesetzgebers bei der Ausdehnung des Berichtigungszeitraums war es, eine Übereinstimmung des Zeitraums, für den Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Berichtigung nacherklärt werden müssen, mit den steuerverfahrensrechtlichen Festsetzungsfristen zu erreichen.239 Hierdurch sollen künftig aufwendige Schätzungen und Ermittlungen des Finanzamts erübrigt werden. Zuvor mussten Selbstanzeigen für Steuerhinterziehungen einer Steuerart wegen der für einfache Steuerhinterziehungen geltenden fünfjährigen strafrechtlichen Verjährungsfrist keine weiter zurückliegenden Steuerhinterziehungen dieser Steuerart umfassen. Da aber die steuerrechtliche Festsetzungsverjährung für alle Fälle der Steuerhinterziehung zehn Jahre beträgt, § 169 Abs. 2 S. 2 AO, musste das Finanzamt die Steuern für die nicht von der Selbstanzeige umfassten zurückliegenden Kalenderjahre i. d. R. schätzen. Zu Recht weisen kritische Stimmen in der Literatur darauf hin, dass das Erreichen dieses Ziels aufgrund der unterschiedlichen Regelungen, die im Steuerverfahrensrecht und Steuerstrafrecht für den Fristbeginn gelten, zweifelhaft sei.240 Erb/Erdel weisen zutreffend darauf hin, dass ein Gleichlauf der Festsetzungs- und strafrechtlichen Verjährungsfristen schon deswegen nicht gelingen könne, weil die Festsetzungsverjährungsfrist grundsätzlich am Ende des Kalendermonats beginnt, während die strafrechtliche Verjährungsfrist taggenau die Beendigung der Tat abstellt, also grundsätzlich auf den Eintritt der Steuerverkürzung.241 In der Literatur ist darüber hinaus heftig umstritten, wie der Begriff „Kalenderjahre“ i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 2 AO auszulegen ist. Nach der Gesetzesbegründung soll die Abgabe der Selbstanzeige der Ausgangspunkt für die Berechnung 237 Die Verlängerung des Berichtigungszeitraums wurde in der Literatur überwiegend abgelehnt. Vielfach wird darauf hingewiesen, dass die Beibringung sämtlicher für die Berichtigung erforderlicher Unterlagen schon im Hinblick auf die zeitlich begrenzten Aufbewahrungspflichten bei ausländischen Banken nicht möglich sei. So etwa Michalsky, jM 2015, 22 (215). 238 BT-Drucks. 18/3018, S. 10; vgl. auch die harsche Kritik von Bilsdorfer, nach dem „der Gesetzgeber das Ziel, für Rechtsklarheit zu sorgen – wieder einmal – deutlich verfehlt hat. Das Gegenteil ist der Fall, nicht zuletzt auch und gerade durch den Hinweis auf den ,Ausgangspunkt‘ der Selbstanzeige, hat der Gesetzgeber zur Rechtsunsicherheit beigetragen. Es ist dies besonders ärgerlich, weil bereits während des Gesetzgebungsverfahrens Stimmen wie die von Rübenstahl auf genau diese Schwachstellen der geplanten Neuregelung hingewiesen hätten“, Bilsdorfer, DStR 2015, 1660 (1663) im Anschluss an Rübenstahl, WiJ 2014, 190 (192 f.). 239 BT-Drucks. 18/3018, S. 10 f. 240 Erb/Erdel, NZWiSt 2014, 327 (328), Hunsmann, NJW 2015, 113 (113); Joecks, DStR 2014, 2261 (2262); Kemper, DStR 2014, 928 (931); vgl. auch Schauf, nach dem im Ergebnis eine Annäherung des Berichtigungszeitraums an die Festsetzungsfrist, jedoch kein Gleichlauf beider Fristen erreicht werde, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 116; Michalsky, jM 2015, 211 (212). 241 Erb/Erdel, NZWiSt 2014, 327 (328).

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2. Teil: Besonderes

des Zehnjahreszeitraums sein.242 Teilweise wird vertreten, dass hiermit der Zehnjahreszeitraum gemeint sei, dessen Endpunkt der Tag der Selbstanzeige sei.243 Hiernach soll zur Ermittlung des Berichtigungszeitraums stichtagsbezogen vom Abgabezeitpunkt der Selbstanzeige genau zehn Jahre zurückzurechnen sein. Überwiegend wird darauf abgestellt, dass die Formulierung „Kalenderjahre“ darauf schließen lasse, dass die Berichtigungspflicht sich ausschließlich auf abgeschlossene oder volle Jahre beziehe.244 Danach sind volle Kalenderjahre, d.h. 01.01. bis 31.12., zu berichtigen.245 Nach einem Teil der Literatur sei dem Wortlaut in § 371 Abs. 1 S. 2 AO, der von „zurückliegenden“ Kalenderjahren spricht, zu entnehmen, dass das Jahr, in dem die Selbstanzeige erstattet wird, in die Fristberechnung nicht mit einzubeziehen sei.246 Andere wollen das Jahr der Erstattung der Selbstanzeige bei der Ermittlung des Berichtigungszeitraums mitberücksichtigen.247 Andere Stimmen in der Literatur wollen vom zeitlichen Umfang der Berichtigungspflicht jedenfalls solche Zeiträume ausnehmen, für welche bereits steuerrechtliche Festsetzungsverjährung eingetreten ist.248 Darüber hinaus ist umstritten, ob der Berichtigungszeitraum lediglich alle in diesem Zeitraum begangenen und versuchten Steuerhinterziehungen umfasst, oder aber ob auch alle Steuerhinterziehungen berichtigt werden müssen, die sich auf die letzten zehn der Selbstanzeige vorausgehenden Kalenderjahre beziehen.249 Randt ist im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers, eine „feste fiktive Frist“ zur Schaffung von Rechtsklarheit einzuführen, der Auffassung, dass es ausschließlich auf die Berichtigung der Besteuerungsgrundlagen für die letzten zehn Kalenderjahre ankomme und gerade nicht darauf, ob innerhalb von zehn Jahren eine Steuerstraftat bezogen auf weiter zurückliegende Zeiträume begangen

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BT-Drucks. 18/3018, S. 11. Rübenstahl, WiJ 2014, 190 (193); ebenso wohl auch Korn/Strahl, NWB 2015, 3606 (3612). 244 Heuel, wistra 2015, 289 (290); Hunsmann, NJW 2015, 113 (114); Joecks, DStR 2014, 2261 (2262); ebenso Klein/Jäger, § 371 Rz. 57; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 51; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 191. 245 Heuel, wistra 2015, 289 (290); Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 191. 246 Hunsmann, NJW 2015, 113 (114); Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 67; ebenso Klein/Jäger, § 371 Rz. 57; ebenso auch die Dienstanweisung für die Kindergeldkassen DA-KG, Kapitel S 6, 6.1 Abs. 1 S. 4 (S. 141) DA-KG 2016. 247 Gehm, StBW 2015, 105 (106). 248 Beneke, BB 2015, 407 (407); Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 78; Leibold, NZWiSt 2015, 74 (76); Wulf, wistra 2015, 167 (167 f.). 249 Nach Beyer spreche der Wortlaut eher dafür, dass sich die Steuerstraftaten, die sich auf die letzten zehn Kalenderjahre beziehen, erklärt werden müssen, Beyer, NWB 2015, 769 (772); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 119; Schwartz, PStR 2015, 37 (39); Wulf/Ruske wollen auf den Entstehungszeitpunkt der verkürzten Steueransprüche abstellen, Wulf/Ruske, PStR 2015, 225 (225 f.). 243

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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wurde. Der Wortlaut von § 371 AO sei aber insofern missverständlich, als dort von Steuerstraftaten innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre die Rede ist.250 Mit dem Wortlaut ist davon auszugehen, dass die Berichtigung ausschließlich die in den letzten zehn Kalenderjahren begangenen Steuerhinterziehungen umfassen muss.251 Da der Wortlaut von der Berichtigung von Steuerstraftaten einer Steuerart für die zurückliegenden Kalenderjahre spricht, ist mit der herrschenden Ansicht in der Literatur davon auszugehen, dass das Jahr, in dem die Selbstanzeige erstattet wird, bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums keine Berücksichtigung findet. 4. Ausnahmen vom Vollständigkeitsgebot Das Vollständigkeitsgebot besteht nicht absolut. So nimmt § 371 Abs. 2a AO bestimmte Anmeldesteuern vom Anwendungsbereich des Vollständigkeitsgebots aus. Überdies werden in Literatur und Rechtsprechung weitere Ausnahmen vom Vollständigkeitsgebot zugelassen. a) Ausdrückliche Ausnahme für Lohnsteueranmeldung und Umsatzsteuervoranmeldung Das AOÄG 2015252 hat die sachliche Reichweite des Vollständigkeitsgebots hinsichtlich der Lohnsteueranmeldung und Umsatzsteuervoranmeldung eingeschränkt. Gleichzeitig wurden die beiden Anmeldesteuern Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung vom Anwendungsbereich des Vollständigkeitsgebots ausgenommen. Nach der Gesetzesbegründung soll mit § 371 Abs. 2a AO eine Sonderregelung geschaffen werden, die der „besonderen Problematik der Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen“ Rechnung trägt.253 Dabei seien die Ausnahmen der Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung vom Anwendungsbereich des Vollständigkeitsgebots gemäß § 371 Abs. 2a AO im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich.254 Durch die Neuregelung solle für diese beiden Anmeldesteuern die Rechtslage, wie sie vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz bestand, wiederhergestellt werden und eine korrigierte oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Lohnsteueranmeldung wieder als wirksame Teilselbstanzeige gelten.255 250 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 236. 251 Wie hier: Heuel, wistra 2015, 289 (290); Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 191. 252 BGBl. I 2014, 2415 f. 253 BT-Drucks. 18/3018, S. 8; RefE 27.08.2014, S. 12. 254 BT-Drucks. 18/3018, S. 8. 255 BT-Drucks. 18/3018, S. 13.

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2. Teil: Besonderes

Der Vorschlag im Gesetzentwurf zur Schaffung einer weiteren Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot für die Umsatzsteuerjahreserklärung (dergestalt, dass diese künftig nicht mehr zusätzlich Berichtigungen für zurückliegende Besteuerungszeiträume enthalten müsse256) wurde nicht im Gesetz umgesetzt. Ausgangspunkt der vor Ausnahme der genannten Anmeldesteuer vom Vollständigkeitsgebot bestehenden erheblichen praktischen Schwierigkeiten bei der Erstattung einer Selbstanzeige ist die Abschaffung der wirksamen Teilselbstanzeige durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz.257 Dies führte dazu, dass die nachträgliche Korrektur unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen erheblich eingeschränkt wurde.258 Auch eine insoweit großzügige Verwaltungspraxis änderte an diesen Schwierigkeiten nichts.259 So bestimmt Nr. 132 Abs. 2 S. 1 AStBV (St), dass bei der Umsatz- und Lohnsteuer berichtigte oder verspätet abgegebene Steuer(vor)anmeldungen nur in begründeten Einzelfällen an die BuStra weiterzuleiten sind. Gemäß Nr. 132 Abs. 2 S. 2 AStBV (St) sind kurzfristige Terminüberschreitungen und geringfügige Abweichungen unschädlich, es sei denn, es bestehen zusätzliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung. Bei Vorliegen solcher Anhaltspunkte soll gemäß Nr. 132 Abs. 2 S. 3 und 4 AStBV (St) die Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuerjahreserklärung als Selbstanzeige für sämtliche unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben in den zuvor abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen dieses Jahres gewertet werden, ohne dass es einer gesonderten Korrektur des einzelnen Voranmeldungszeitraums bedürfte. Gleichwohl begründete diese Verwaltungsvorschrift keine Bindungswirkung gegenüber Staatsanwaltschaften und Gerichten und vermochte deshalb die praktischen Schwierigkeiten nicht rechtssicher zu lösen.260 Dies war von der Praxis als besonders unbefriedigend befunden worden, da es gerade in größeren Unternehmen häufig vorkommt, dass Steueranmeldungen teilweise oder mehrfach korrigiert werden müssen.261 Die Gründe hierfür liegen 256

BT-Drucks. 18/3018, S. 13. RefE 27.08.2014, S. 12; vgl. auch Joecks, nach dem die Praxis bei Selbstanzeigen bezüglich Voranmeldung überfordert war und „praeter legem“ agierte, Joecks, DStR 2014, 2261 (2264). 258 RefE 27.08.2014, S. 12; BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 279; Habammer/Pflaum, DStR 2014, 2267 (2269); Kaiser/ Schwarz, MwStR, 165 (165); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 204; Michalsky, jM 2015, 211 (213); MüKo/Kohler, § 371 Rz. 79; Wannemacher/Schmedding, S. 600; Wulf, AG 2010, 540 (542). 259 Hunsmann, NJW 2015, 113 (116). 260 Hunsmann, NJW 2015, 113 (116); Zugmaier/Kaiser, DStR 2013, 17 (18). 261 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); Joecks, DStR 2014, 2261 (2265); Spatschek, FS Schiller, S. 608 (616); Wannemacher/Schmedding, S. 600; Zugmaier/Kaiser, DStR 2013, 17 (17). 257

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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insbesondere in der Komplexität der Erklärungen, was nicht zuletzt auch auf die Vielzahl der zu berücksichtigenden Sachverhalte und die komplizierte Rechtslage zurückzuführen ist.262 Darüber hinaus ist die Umsatzsteuervoranmeldungen grundsätzlich monatlich abzugeben und die Umsatzsteuern abzuführen.263 Hintergrund der besonderen Problematik der Durchführung der Besteuerung der Umsatzsteuer ist, dass sich die Umsatzsteuerpflicht aus einer Vielzahl einheitlicher Leistungen des Unternehmens ergibt, sodass grundsätzlich auch jeder einzelne Geschäftsvorfall einzeln inhaltlich geprüft werden müsste.264 Im Hinblick auf die Vielzahl der zu berücksichtigenden Geschäftsvorfälle kann dies nur durch eine standardisierte Vorgehensweise für alle Geschäftsvorfälle bewältigt werden.265 Hinzu kommen weitere Nachweispflichten der Unternehmen und die Überprüfung aller eingehenden Leistungen auf Vorliegen eines Vorsteuerabzugsrechts.266 In Unternehmen werden diese Anmeldesteuern oftmals durch mehrere Mitarbeiter vorabberechnet und angemeldet, was zu einer besonderen Fehleranfälligkeit führt, und bereits die verspätete Abgabe der Anmeldung verwirklicht den Tatbestand der Steuerhinterziehung.267 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass in Unternehmen teilweise auch Erklärungen in dem Bewusstsein abgegeben werden, dass sie Fehler enthalten können – etwa weil erforderliche Nachweise nicht vorliegen oder bestimmte Vorgänge noch abschließend gewürdigt werden müssen – und dementsprechend später noch korrigiert werden müssten.268 In diesen Fällen liegt durch Abgabe der unzutreffenden Voranmeldung zumindest eine bedingt vorsätzliche Umsatzsteuerhinterziehung vor.269 Bei der Lohnsteueranmeldung muss der Steuerentrichtungsschuldner (Arbeitgeber) die Steuer für Rechnung eines anderen (des Arbeitnehmers) abführen und hat hierbei regelmäßig eine Vielzahl von Sachverhalten steuerlich zu würdigen, was ebenfalls zu einem erhöhten Korrekturbedarf führt.270 Mithin sind die bei

262 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); Leibold, NZWiSt 2015, 74 (77); Kaiser/Schwarz, MwStR, 165 (165); Wannemacher/Schmedding, S. 600; Wulf, AG 2010, 540 (542); Zugmaier/Kaiser, DStR 2013, 17 (17). 263 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); Kaiser/Schwarz, MwStR, 165 (165); Zugmaier/Kaiser, DStR 2013, 17 (17). 264 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); ebenso auch Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 204. 265 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); Erdbrügger, npoR 2016, 206 (206). 266 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386). 267 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); Heppmann/Hübsch/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 68; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 204. 268 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (387); Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 68; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 38. 269 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 204. 270 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 204.

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2. Teil: Besonderes

der Umsatzsteuervoranmeldung aufgezeigten Schwierigkeiten auch auf diese Anmeldesteuer übertragbar.271 Vor der Abschaffung der Teilselbstanzeige durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz war die Korrektur solcher fehlerhaften Anmeldungen unproblematisch möglich, denn entweder handelte es sich bei der Korrektur der betreffenden Steueranmeldung um eine steuerverfahrensrechtliche Berichtigung i. S. v. § 153 AO oder aber jedenfalls um eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige.272 Entsprechende Möglichkeiten bestanden bei verspätet abgegebenen Voranmeldungen.273 Zur Begründung der Einschränkung des Vollständigkeitsgebots für die Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung führt auch der Referentenentwurf zum AOÄG 2015 im Anschluss an die Kritik in der Literatur und aus der Praxis aus, dass eine korrigierte Umsatzsteuererklärung bereits eine wirksame Selbstanzeige darstellt und somit nicht noch einmal korrigiert werden könne, da durch die „erste“ Selbstanzeige bereits der Sperrgrund der Tatentdeckung der Steuerhinterziehung ausgelöst wurde.274 Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass eine vollendete Steuerhinterziehung auch dann vorliege, wenn die Abgabefrist einer Voranmeldung überschritten wurde.275 Bei einer verspäteten Abgabe der Voranmeldung liegt mithin eine strafbefreiende Selbstanzeige vor, die allerdings bei Anwendung des Vollständigkeitsgebots nur dann wirksam wäre, wenn darin auch die Unrichtigkeiten in vorhergehenden Voranmeldungen vollständig korrigiert würden.276 Damit stellt das Gesetz klar, dass es für die Wirksamkeit der Berichtigung einer unrichtigen Lohnsteuer- oder Umsatzsteuervoranmeldung nicht erforderlich sein soll, dass der Steuerhinterzieher eine den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO genügende Berichtigung (d.h. Berichtigung sämtlicher entsprechender Steuerhinterziehungen der letzten zehn Kalenderjahre) abgibt. Eine korrigierte oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Lohnsteueranmeldung bewirkt mithin als wirksame Teilselbstanzeige in dem Umfang Straffreiheit, in dem dort Angaben berichtigt werden. Nach Auffassung der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU soll die Ausnahme der Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung vom Vollständigkeitsgebot nicht ausdehnungsfähig sein, da diese ausschließlich wegen der „spe271

Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 385 (386); vgl. auch BT-Drucks. 18/3439, S. 6. Kaiser/Schwarz, MwStR 2015, 165 (166); Wannemacher/Schmedding, S. 600. 273 Wannemacher/Schmedding, S. 600. 274 RefE 27.08.2014, S. 12; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 2014; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 79; Webel, PStR 2010, 189 (190 f.). 275 RefE 27.08.2014, S. 12; ebenso Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 204. 276 RefE 27.08.2014, S. 12; ebenso auch schon Habammer/Pflaum, DStR 2014, 2267 (2269). 272

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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zifischen verwaltungstechnischen Ausgestaltung der genannten beiden Verfahren gerechtfertigt“ sei.277 Dies gelte auch hinsichtlich anderer Anmeldesteuern, da die „speziellen verwaltungstechnischen Umstände der Umsatzsteuervoranmeldung und der Lohnsteueranmeldung in anderen Fällen nicht vorliegen würden“.278 Da es maßgeblich darum gehe, ein Taktieren des Steuerhinterziehers abhängig von dem Entdeckungsrisiko der Steuerhinterziehung zu verhindern, sei auch die Umsatzsteuerjahreserklärung nicht vom Anwendungsbereich des Vollständigkeitsgebots ausgenommen.279 Im Übrigen sei eine Ungleichbehandlung der Umsatzjahressteuererklärung im Vergleich zu anderen Jahreserklärungen nicht zu rechtfertigen.280 So wird zwar die grundsätzliche Ausnahme der Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung vom Vollständigkeitsgebot in der Praxis begrüßt.281 Nach vielfach in der Literatur vertretener Auffassung sei jedoch die Ausklammerung der Umsatzsteuer- und Lohnsteuerjahreserklärung vom Anwendungsbereich des § 371 Abs. 2a AO nicht nachvollziehbar.282 Geuenich und Madauß weisen darauf hin, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung in der Praxis als Folge der Jahresabschlussarbeiten die Funktion einer sog. „13. Voranmeldung“ habe.283 So träten die praktischen Probleme, die bei der Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung zur Wiedereinführung der strafbefreienden Teilselbstanzeige geführt haben, bei den entsprechenden Jahreserklärungen ebenfalls auf.284 Nicht weniger wird die Beschränkung der Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot auf die Anmeldesteuern Umsatzsteuer und Lohnsteuer in der Literatur kritisiert.285 So bestehe die gleiche Problematik wie bei der Umsatzsteuer oder Lohn-

277

BT-Drucks. 18/3439, S. 6. BT-Drucks. 18/3439, S. 5. 279 BT-Drucks. 18/3439, S. 6. 280 BT-Drucks. 18/3439, S. 6. 281 So etwa bei Baum, NWB 2015, 498 (510); Hilbert, NWB 2014, 2984 (2984). 282 So für die Umsatzsteuerjahreserklärung Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 386 (390); Erb/Erdel, NZWiSt 2014, 327 (333); Haase, NWB 2015, 3043 (3049); Habammer/Pflaum, DStR 2014, 2267 (2269); ebenfalls kritisch: Joecks, DStR 2014, 2261 (2265); Kaiser/Schwarz, MwStR 2015, 165 (167 ff.); vgl. hierzu auch Madauß, nach dem die sachlichen Gegebenheiten bei der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht anders lägen als bei der Umsatzsteuervoranmeldung, Madauß, NZWiSt 2015, 41 (49); Tipke/ Kruse/Seer, § 371 Rz. 38. 283 Geuenich, NWB 2015, 29 (38); Madauß, NZWiSt 2015, 41 (49). 284 So für die Umsatzsteuerjahreserklärung Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 386 (390). 285 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 283; Erb/Erdel, NZWiSt 2014, 327 (333); Geuenich, NWB 2014, 2763 (2764); Habammer/Pflaum, DStR 2014, 2267 (2269); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 209; Madauß, NZWiSt 2015, 41 (49); kritisch: Rübenstahl, nach dem der „Vorschlag, sämtliche Anmeldesteuern in den Anwendungsbereich des § 371 Abs. 1 AO miteinzubeziehen, steuer278

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2. Teil: Besonderes

steuer bei allen Anmeldesteuerarten, bei denen unterjährig Steuervoranmeldungen bzw. Steueranmeldungen abzugeben seien.286 So trete das Bedürfnis nach mehrfachen Korrekturen erfahrungsgemäß und regelmäßig auch bei der Strom-, Kapitalertrag- oder Versicherungssteuer auf.287 Im Übrigen erscheine die Schaffung von „zwei Klassen“ von Anmeldesteuern unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes bedenklich.288 Erdbrügger/Jehke differenzieren zwischen den unterschiedlichen Anmeldesteuern und lehnen im Ergebnis eine Vergleichbarkeit der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Lohnsteuervoranmeldung mit den übrigen Anmeldesteuern ab. So spreche etwa gegen eine Vergleichbarkeit der praktischen Probleme bei Abgabe der Versicherungssteueranmeldung, dass die zu beurteilenden Sachverhalte „gleichförmiger und daher ein wenig leichter abzuwickeln“ seien.289 Da die Stromsteuer gemäß § 8 Abs. 2 StromStG auch jährlich abgegeben werden könne, bestünde hier als entscheidender Unterschied zur Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung nicht das Erfordernis der Durchführung von Massenverfahren.290 Gegen eine Vergleichbarkeit der Situation bei Abgabe der Kapitalertragsteuer soll nach den Autoren sprechen, dass der Besteuerungsgegenstand bei Zins- bzw. Dividendenzahlungen leichter zu ermitteln sei als bei der Umsatz- oder Lohnsteuer.291 Auch die weiteren Anmeldesteuern, die Bauabzugsteuer (§§ 48, 48a EStG) und die Quellensteuer gemäß § 50a EStG, seien nicht i. R. v. Massenverfahren anzumelden, sondern es handele sich um vergleichsweise „leicht zu administrierende Vorgänge“.292 Hintergrund der in § 371 Abs. 2a AO gesetzlich geregelten Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot sei vielmehr, solchen Steuerhinterziehern, die aus rein praktischen Gründen ihre Besteuerungsgrundlagen innerhalb der Voranmeldefrist nicht vollständig ermitteln können und aus diesem Grund unrichtige Voranmelsystematisch richtig ,sei, jedenfalls aber mit der „Ausgestaltung der strafbefreienden Selbstanzeige nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nur schwer vereinbar‘ sei“, Rübenstahl, WiJ 2014, 190 (197); vgl. ebenso die Stellungnahme des Sachverständigen Berthold Welling vom Bundesverband der Deutschen Industrie zum AOÄG 2015 Ausschuss Protokoll-Nr. 18/25, S. 10. 286 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 283; Geuenich, NWB 2014, 2763 (2764); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 209. 287 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 283; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 209; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 38; ebenso für die Ausdehnung von § 371 Abs. 2a AO auch auf Kapitalertragsteuern, Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft zum AOÄG, Ausschuss Protokoll-Nr. 18/25, S. 58 f. 288 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 283; ebenso auch Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 209; Schwartz, PStR 2015, 37 (40). 289 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 386 (390). 290 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 386 (391). 291 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 386 (391). 292 Erdbrügger/Jehke, DStR 2015, 386 (391).

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dungen abgeben, die Möglichkeit zur ggf. notwendigen Korrektur ihrer Voranmeldungen zu ermöglichen.293 Rübenstahl schlussfolgert aus der gesetzlich normierten Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot für die Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung, dass das Vollständigkeitsgebot nicht absolut bestehe, sondern dann einzuschränken sei, wenn es nicht praktikabel ist.294 Auf die Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung trifft diese Argumentation im Ergebnis zu, da Hintergrund der Schaffung dieser gesetzlichen Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot gerade auch die praktischen Schwierigkeiten der Steuerhinterzieher bei der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO waren. Gleichwohl ist der Normierung gerade nicht zu entnehmen, dass das Vollständigkeitsgebot stets bei praktischen Schwierigkeiten einzuschränken ist. Entscheidend für die Schaffung von § 371 Abs. 2a AO war, dass ansonsten eine Kriminalisierung von unternehmenstypischen Vorgängen betrieben würde und die Erstattung strafbefreiender Selbstanzeigen in bestimmten Fällen faktisch abgeschafft wurde. Damit entspricht die Ausnahme für Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung vom Vollständigkeitsgebot und die Zulässigkeit der Teilselbstanzeige auch dem Sinn und Zweck von § 371 Abs. 1 AO, die vollständige Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung durch Rückkehr in die Steuerehrlichkeit und die hierdurch bewirkte Erhöhung des Steueraufkommens mit Straffreiheit zu honorieren. Die nachträgliche Korrektur dieser Anmeldesteuern ist weder auf ein Taktieren des Steuerhinterziehers entsprechend der aus seiner Sicht drohenden Entdeckung zurückzuführen, noch war sie Teil einer von vorneherein beabsichtigten Hinterziehungsstrategie. Ohne die Möglichkeit, in diesen Fällen strafbefreiend Selbstanzeige zu erstatten, wäre die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit wegen der Periodizität dieser Steuern kaum möglich, entsprechende Steuerhinterziehungen würden nicht aufgedeckt werden und dem Fiskus weiter verschwiegen. Vor dem Hintergrund, dass der Steuerhinterzieher, der die fehlerhaft angemeldete Steuer korrigiert, das Unrecht seiner Steuerhinterziehung wiedergutmacht, ist die Ausnahme der Umsatzsteuervoranmeldung und der Lohnsteueranmeldung vom Umfang des Vollständigkeitsgebots damit sogar geboten. b) Zulässigkeit von geringfügigen Abweichungen Nach dem Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO führt jede Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Berichtigung zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige.

293 294

Habammer/Pflaum, DStR 2014, 2267 (2269). Rübenstahl/Schwebach, wistra 2016, 97 (100).

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2. Teil: Besonderes

In der Literatur und Rechtsprechung ist gleichwohl anerkannt, dass eine nur unwesentlich unvollständige oder unrichtige Berichtigung trotz geringfügiger Abweichungen als vollständig anzusehen ist.295 Daran änderte sich auch durch die Einführung des Vollständigkeitsgebots durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz nichts. So ist das Vollständigkeitsgebot zwar mit Schauf Ausdruck eines „Alles-oder-nichts-Prinzips“.296 Anhand der Entstehungsgeschichte und des Sinn und Zwecks von § 371 Abs. 1 AO zeigt sich jedoch, dass geringfügige Abweichungen in der Berichtigung nicht die Unwirksamkeit der Selbstanzeige begründen.297 So ergibt sich bereits aus den parlamentarischen Beratungen zum Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes und mithin zur Einführung des Vollständigkeitsgebots, dass geringfügige Abweichungen („Bagatellabweichungen“) nicht zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führen sollen.298 So bedeute die Formulierung „in vollem Umfang“ nicht, dass nunmehr „im praktischen Vollzug jede Selbstanzeige auf Euro und Cent genau deckungsgleich mit der am Ende des Verfahrens von der Finanzbehörde festzusetzenden Steuer sein müsse. Genau wie 295 OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 1961 – I Ss 854/61, BB 1962, 126; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 5 StR 392/98, wistra 1999, 27; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 STR 631/10, BGHSt 56, 298; Adick, HRRS 2011, 197 (199); BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 6; Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 36; Beyer, BB 2016, 987 (988); Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO 1977 § 371 Rz. 65; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 61; Hofmann, DStR 1998, 399 (400); Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 65; Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1483); Jope, NZWiSt 2012, 59 (60); Kirbach, S. 60 ff.; Klos, NJW 1996, 2336 (2337); Klein/Jäger, § 371 Rz. 27; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 221; Koops/Sensburg, DB 1999, 2183 (2184); Kuhn/Weigell/Weigell, S. 181; Leibold, NZWiSt 2015, 74 (76); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 82; Prowatke/Kelterborn, DStR 2012, 640 (641); Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 193; Randt/Schauf, DStR 2008, 489 (490); Ransiek/Hinghaus, BB 2011, 2271 (2272); Rolletschke, NZWiSt 2015, 97 (98); Schwartz/ Höpfner, PStR 2014, 170 (172); Spatschek/Höll, Stbg 2011, 561 (563); Streck, DStR 1985, 9 (10); a. A. Breyer (allerdings zur alten Rechtslage vor dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz), nach dem eine vollständige Berichtigung auch dann nicht vorliege, wenn die Unterschiede nur gering sind. Breyer stellt stattdessen auf die Frage ab, wie die nach der geringfügig unrichtigen Selbstanzeige übriggebliebene Steuerhinterziehung geringer Beträge zu ahnden sei. Insofern sei nach Breyer eine Einstellung wegen Geringfügigkeit insbesondere auf den § 153 StPO zu stützen, Breyer, S. 231 f. Breyers Lösungsvorschlag ist indes mit der Einführung des Vollständigkeitsgebots nicht mehr zu vereinbaren, da bei einer Beachtlichkeit von geringfügigen Abweichungen bei der Berichtigung die Unwirksamkeit der Erklärung insgesamt bestehen bleibt und damit auch die gesamte Strafbarkeit wegen der in Bezug genommenen Steuerhinterziehung bestehen bleibt. Eine Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO wäre vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen, vgl. auch Marschall, BB 1998, 2496 (2500); Raupach, FS Haarmann, S. 785 (797); ebenso zur alten Rechtslage vor Einführung des Vollständigkeitsgebot auch Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (392). 296 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 220. 297 Wie hier: Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 223. 298 BT-Drucks. 17/5067, S. 19.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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bisher müssten im praktischen Vollzug Unschärfen hingenommen werden.“ Dies gelte vor dem Hintergrund der Verlängerung des Berichtigungszeitraums umso mehr.299 Darüber hinaus spricht auch der Sinn und Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige dafür, bei lediglich geringfügigen Abweichungen die Strafbefreiung nicht zu verwehren. Bleiben die in der Berichtigung erklärten Angaben lediglich geringfügig hinter den tatsächlichen Angaben zurück, so kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass der Steuerhinterzieher mit der Selbstanzeige in die Steuerehrlichkeit zurückkehren wollte und eine hundertprozentig genaue Berichtigung lediglich aufgrund praktischer Schwierigkeiten (etwa wegen des Fehlens notwendiger Unterlagen oder wegen eines Rechenfehlers) unterblieben ist.300 Wann Abweichungen in der Berichtigung von der Wirklichkeit als nicht mehr geringfügig zu bewerten sind, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. In einer älteren Entscheidung des OLG Köln wurden zumindest 3,3 % als unschädliche Abweichung von der Wirklichkeit angesehen.301 Das OLG Frankfurt hält in einer älteren Entscheidung Abweichungen i. H. v. 6 % für geringfügig.302 Nach einem Teil der Lehre sollen Abweichungen i. H. v. bis zu 10 % unschädlich sein.303 Rolletschke hält unbewusste Abweichungen i. H. v. bis zu 6 % für unschädlich.304 An anderer Stelle schlägt er vor, die Geringfügigkeitsgrenze beitragsmäßig etwa in Anlehnung an die Geringfügigkeitsgrenze in § 398a AO zu beziffern.305 Die überwiegende Ansicht in der Literatur und Rechtsprechung bewertet Abweichungen i. H. v. bis zu 5 % als geringfügig.306 In der älteren Literatur wurde die Zugrundelegung eines festen prozentualen Satzes zur Ermittlung der Geringfügigkeit von Abweichungen in der Berichti299

BT-Drucks. 17/5067, S. 19. Wie hier im Ergebnis auch Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 223. 301 OLG Köln, Urteil vom 28. August 1979 – I Ss 574 – 575/79, DB 1980, 57. 302 OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 1961 – I Ss 854/61, BB 1962, 126; so wohl auch BGH, Urteil vom 14.12.1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698 (698). 303 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (284); Kamps, DB 2010, 1488 (1490); Klos, NJW 1996, 2336 (2337). 304 Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 44. 305 Rolletschke, S. 262. 306 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298; LG München II, Urteil vom 13. März 2014 – W 5 KLs 68 Js 3284/13, wistra 2015, 77; BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 237; BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 6; Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 36; Beyer, BB 2016, 987 (988); Erbs/Kohlhass/Hadamitzky/Senge, AO 1977 § 371 Rz. 15; Heidl/ Pump, NWB 2014, 2325 (2332); Geuenich, NWB 2011, 4024 (4028); Hübschmann/ Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 65; Jope, NZWiSt 2012, 59 (60); Kirbach, S. 66; Leibold, NZWiSt 2015, 74 (76); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 82; Rübenstahl, WiJ 2014, 190 (196); Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172); Spatschek/Höll, Stbg 2011; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 31. 300

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2. Teil: Besonderes

gung kritisiert.307 Leise schlägt vor, stattdessen stets auf die Schwere der Schuld abzustellen und ggf. das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.308 Der BGH ist der Auffassung, dass jedenfalls eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als fünf Prozent vom Verkürzungsbetrag i. S. v. § 370 Abs. 4 AO nicht mehr geringfügig sei.309 Abweichungen, die unter dieser Grenze liegen, seien gleichwohl nicht stets als geringfügige Differenz anzusehen.310 In diesen Fällen sei nach Auffassung des Gerichts eine Bewertung vorzunehmen, ob die Abweichungen im Verhältnis zu den von § 371 Abs. 1 AO vorausgesetzten Anforderungen an den Inhalt der Berichtigung noch als „geringfügig“ anzusehen seien.311 Danach könne auf Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls auch eine unterhalb der fünf Prozent liegende Abweichung die Versagung der Strafbefreiung rechtfertigen.312 In der Gesamtwürdigung sind dabei neben der relativen Größe der Abweichungen hinsichtlich des Verkürzungsumfangs die Hintergründe der Abweichungen zu berücksichtigen.313 Insbesondere sei zu überprüfen, ob es sich um bewusste oder unbewusste Abweichungen handele.314 Bewusst vorgenommene Abweichungen seien dabei stets – unabhängig ihrer relativen Größe – als nicht mehr geringfügig anzusehen, weil sie „nicht vom Willen zur vollständigen Rückkehr in die Steuerehrlichkeit getragen seien“.315 Auch in der Literatur wird überwiegend in Anlehnung an die zitierte Entscheidung des BGH vertreten, dass dolose Abweichungen auch bei Unterschreiten der 5 %-Grenze nicht mehr als geringfügig zu bewerten seien.316 In diesen Fällen liege keine vollständige Berichtigung vor, sodass die Strafbefreiung ausgeschlossen sei und nur noch eine Strafmilderung gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 StGB in Betracht komme.317

307

Leise, BB 1978, 698 (700). Leise, BB 1978, 698 (700). 309 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 310 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 311 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 312 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 313 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 314 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 315 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, BGHSt 56, 298. 316 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 36; Beyer, BB 2016, 987 (989); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 61; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 65; Kamps, DB 2010, 1488 (1490); Kirbach, S. 66; Klein/Jäger, § 371 Rz. 28; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 82; ebenso Rolletschke, nach dem es darauf ankomme, dass der Steuerhinterzieher sich „redlich bemüht hat, die Angaben vollumfänglich zu berichtigen oder ob er bewusst eine Toleranzspanne abgepreist hat“, Rolletschke, NZWiSt 2015, 97 (98). 317 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 36. 308

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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In der Literatur besteht keine Einigkeit über den Anknüpfungspunkt der Geringfügigkeit. Dabei ist einerseits umstritten, ob die Geringfügigkeit der Abweichung am Verkürzungsbetrag oder an den Besteuerungsgrundlagen auszurichten ist. Andererseits ist auch unklar, ob die Geringfügigkeit bezogen auf den gesamten Berichtigungsverbund oder orientiert am materiell-rechtlichen Tatbegriff festzustellen ist. Nach Auffassung des BGH und eines Teils der Literatur richtet sich die Geringfügigkeitsgrenze am Verkürzungsbetrag aus.318 Danach komme es auf das Verhältnis der erklärten Steuern zu den tatsächlich angefallenen Steuern an. Nach der Gegenauffassung, nach der sich die Geringfügigkeit an den Besteuerungsgrundlagen ausrichtet, komme es hingegen auf das Verhältnis zwischen erklärten und tatsächlich angefallenen Einkünften an.319 Die h. M. in der Literatur ist der Auffassung, dass die Bagatellgrenze auf den gesamten Berichtigungszeitraum gemäß § 371 Abs. 1 AO zu beziehen ist.320 Hierfür spreche, dass die Bagatellgrenze keine steuerrechtlich abgeleitete Grenze, sondern Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgebots sei.321 Im Übrigen gelte im Steuerstrafrecht zwar der materiell-rechtliche Tatbegriff, im Hinblick auf das mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingeführte Vollständigkeitsgebot müsse für den Anknüpfungspunkt der Geringfügigkeit jedoch etwas anderes gelten.322 Insofern sei zu berücksichtigen, dass eine Verletzung des Vollständigkeitsgebots tatübergreifende Folgen für die gesamte Selbstanzeige habe, sodass auch die Geringfügigkeitsgrenze tatübergreifend zu betrachten sei.323 Kohler weist darauf hin, dass dieser Geringfügigkeitsansatz durch die Möglichkeit der Kompensation zwischen den einzelnen Veranlagungszeiträumen auch den Anfor318

BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10 –, BGHSt 56, 298; ebenso: BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 6; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 82; kritisch Spatschek/Höll, nach denen diese Ausrichtung für den Steuerpflichtigen ungünstiger sei als die Ausrichtung der Geringfügigkeitsgrenze an den Besteuerungsgrundlagen, Spatschek/Höll, Stbg 2011, 561 (564). 319 OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 1961 – I Ss 854/61, BB 1962, 126; Klos, NJW 1996, 2336 (2337); Koops/Sensburg, DB 1999, 2183 (2184). 320 Beyer, AO-StB 2011, 119 (120); Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 381 (284); BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 6; Beyer, BB 2016, 987 (989); Bürger, BB 2012, 34 (36); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 62; Geuenich, NWB 2011, 4024 (4029); Geuenich, BB 2011, 3106 (3108); Heidl/Pump, NWB 2014, 2325 (2332); Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 77; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 229; so wohl auch MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 83; Prowatke/Kelterborn, DStR 2012, 640 (643); Spatschek/Höll, Stgb 2011, 561 (563); Spatschek, DB 2013, 1073 (1074); Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 31; ebenso auch die OFD Niedersachen Verfügung vom 09.06.2011 – S 0702 – 30 – St 131, S. 3. 321 Beyer, BB 2016, 987 (989). 322 Prowatke/Kelterborn, DStR 2012, 640 (643). 323 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 229; Prowatke/Kelterborn, DStR 2012, 640 (643).

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2. Teil: Besonderes

derungen an die Berichtigung entspreche.324 Vertretern dieser Ansicht zufolge muss die Geringfügigkeitsgrenze anhand der Summe der Verkürzungsbeträge bestimmt werden. Dabei könnten zu hohe Angaben für einzelne Veranlagungszeiträumen zu geringe Angaben für andere Veranlagungszeiträumen kompensieren.325 Erst wenn die insgesamt erklärungsgemäß anfallenden Steuern vom saldierten Verkürzungsbetrag um mehr als 5 % nach unten abwichen, liege eine unwirksame Selbstanzeige vor.326 Anderen Stimmen in der Literatur zufolge soll die Geringfügigkeit an der einzelnen Tat im materiell-rechtlichen Sinne zu messen sein, sodass bei mehreren Taten die strafbefreiende Wirkung für jede Tat gesondert zu prüfen sei.327 Vertreter dieser Ansicht stellen darauf ab, dass auch im Rahmen der Neufassung von § 371 AO durch das AOÄG 2015 die Anknüpfung der Selbstanzeige an dem materiell-rechtlichen Tatbegriff beibehalten wurde.328 Folglich sei jede Selbstanzeige „Gegenstück“ zur einzelnen Tat und erst, wenn alle gemäß § 371 Abs. 1 AO für unverjährte Steuerhinterziehungstaten einer Steuerart abzugebenden Selbstanzeigen für sich genommen wirksam sind, könne für diese Taten Straffreiheit eintreten.329 Im Übrigen entspreche dies auch der Systematik von § 371 AO, da auch die Sperrgründe tatbezogen seien.330 Im Ergebnis kommt es damit für die Geringfügigkeit der Abweichung nicht auf die Höhe der nicht erklärten Besteuerungsgrundlagen, sondern auf ihr Verhältnis zu den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen an.331 Von einem Teil der Literatur wird jedoch bezweifelt, dass eine Bagatellabweichung auch dann noch vorliegen kann, wenn es sich um absolut hohe, nicht erklärte Besteuerungsgrundlagen handelt.332 Geuenich ist der Auffassung, dass die neben der Ermittlung der prozentualen Höhe der Abweichungen der erklärten Angaben von der Realität zusätzlich stets durchzuführende wertende Betrachtung des Einzelfalls erhebliche Rechtsunsicherheit schaffen könnte.333 324

MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 83. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 229; Spatschek/Höll, Stgb 2011, 561 (563). 326 Kirbach, S. 63; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 229; Spatschek/Höll, Stgb 2011, 561 (563). 327 BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10 –, BGHSt 56, 298–320; Helml, S. 89; Jope, NZWiSt 2012, 59 (60); Klein/Jäger, § 371 Rz. 73; Leibold, NZWiSt 2015, 74 (76). 328 Klein/Jäger, § 371 Rz. 73; Rolletschke/Roth, Stbg 2011, 200 (201). 329 Jope, NZWiSt 2012, 59 (60); Klein/Jäger, § 371 Rz. 73. 330 Jope, NZWiSt 2012, 59 (60); Klein/Jäger, § 371 Rz. 73. 331 Ransiek/Hinghaus, BB 2011, 2271 (2272). 332 Nach Melchior müsse in diesen Fällen eine Prüfung des Einzelfalls erfolgen, ob noch Geringfügigkeit vorliegt oder nicht, BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 6; Ransiek/Hinghaus, BB 2011, 2271 (2272). 333 Geuenich, NWB 1011, 4024 (4029); Geuenich, BB 2011, 3019 (3018). 325

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Geuenich ist zuzugeben, dass wertende Betrachtungen stets die Gefahr divergierender Entscheidungen beinhalten. Die Rechtsunsicherheit ist jedoch angesichts der feststehenden Kriterien, die in der Abwägung zu berücksichtigen sind, überschaubar. Im Wesentlichen sollen lediglich Berichtigungen, in denen der Steuerhinterzieher bewusst unter der im Regelfall geltenden Geringfügigkeitsgrenze liegende Abweichungen erklärt, als nicht mehr geringfügig angesehen werden. Wie dargestellt, ist maßgebliches Ziel des Vollständigkeitsgebots zu verhindern, dass eine Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie abgegeben wird. Nur derjenige Steuerhinterzieher, der in die Steuerehrlichkeit zurückkehrt, d.h. das Handlungs- und Erfolgsunrecht seiner Steuerhinterziehungstat mit seiner Selbstanzeige wieder ausgleicht, soll straffrei werden. Dolose Zuwenigerklärungen sind jedoch weder vom Willen des Steuerhinterziehers zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit getragen noch vermögen diese dem Sinn und Zweck des Vollständigkeitsgebots zu genügen.334 Ob Abweichungen in der Berichtigung als geringfügig anzusehen sind, ist danach in zwei Schritten zu ermitteln. Zunächst ist zu untersuchen, ob die Angaben in der Berichtigung, bezogen auf den gesamten Berichtigungszeitraum, nicht mehr als 5 % von dem wirklichen Verkürzungsbetrag abweichen. Sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Abweichungen auch auf Grundlage einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls als „geringfügig“ zu bewerten sind. Damit lässt sich als Ergebnis festhalten, dass Angaben, die, bezogen auf den gesamten Berichtigungszeitraum, mehr als 5 % vom Verkürzungsbetrag abweichen, nicht mehr als geringfügig zu betrachten sind. Nach teilweise in der Literatur vertretener Ansicht soll es dabei keinen Unterschied machen, ob die im Rahmen der Berichtigung erklärten Angaben dolos oder undolos mehr als 5 % von der Wahrheit abweichen.335 Im Hinblick auf das Ziel des Gesetzgebers bei Einführung des Vollständigkeitsgebots, ein Taktieren des Selbstanzeigeerstatters zu verhindern, wird von der wohl überwiegenden Literatur argumentiert, dass bei einer undolosen Abweichung von mehr als 5 % jedoch gerade kein Taktieren vorliege und mithin auch nicht aus diesem Grund die Straffreiheit zu versagen sei.336 334

Wie hier: BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 6. So etwa: Adick, HHRS 2011, 197 (199); Bürger, BB 2012, 34 (37); Geuenich, NWB 2011, 1050 (1052); Madauß, NZWiSt 2014, 126 (126); Madauß, NZWiSt 2015, 41 (43); Ransiek/Hinghaus, BB 2011, 2271 (2273); Rolletschke, NZWiSt 2015, 97 (98); Spatschek, DB 2013, 1073 (1074 f.); Zanziger, DStR 2011, 1397 (1399). 336 Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, stellen darauf ab, dass das erklärte Ziel der Abschaffung des Teilselbstanzeige sei, den „Taktierer“ zu sanktionieren. Wer unbewusst eine unvollständige Erklärung abgibt, taktiere gerade nicht, Beckemper/Schmitz/Wegner/Wulf, wistra 2011, 281 (284); Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1484); ebenso auch Kamps, DB 2010, 1488 (1490); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 235; Kuhlen, S. 157. 335

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2. Teil: Besonderes

Zwar ist zutreffend, dass in den Fällen der undolos mehr als geringfügigen Abweichung der Berichtigung kein Taktieren des Steuerhinterziehers vorliegt. Gleichwohl ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass es sich bei der strafbefreienden Selbstanzeige um einen Strafaufhebungsgrund handelt und der Steuerhinterzieher, der von ihr Gebrauch macht, das Erfolgsrisiko seiner Selbstanzeige trägt. Erklärt er mithin unbewusst zu wenig und sind diese Abweichungen nicht mehr als geringfügig zu bewerten, liegen die objektiven Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige schlicht nicht vor. Die unbewusst unwirksame Selbstanzeige vermag damit keine Strafbefreiung zu bewirken und ist lediglich im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Steuerhinterziehers zu berücksichtigen. c) Zulässigkeit von Schätzungen Eine weitere Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot i. S. v. § 371 Abs. 1 AO ist die nach h. M. bestehende Zulässigkeit von Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Berichtigung.337 Unter einer steuerlichen Schätzung ist die Ermittlung des Betrags einer Besteuerungsgrundlage auf ungeklärter bzw. unaufklärbarer Tatsachengrundlage unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren (Schätzungsgrundlagen) zu verstehen.338 Die Schätzung ist ein Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts im Wege freier Beweiswürdigung339 und erfolgt durch Anwendung einer anerkannten Schätzungsmethode, wie etwa des Vorjahresvergleichs, des inneren oder äußeren Betriebsvergleichs oder der Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung.340 Im Steuerverfahren schätzt das Finanzamt die Beträge der Besteuerungsgrundlagen, wenn es die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, § 162 Abs. 1 S. 1 AO. Gründe hierfür können etwa die Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen durch Nichtabgabe einer Steuererklärung oder mangelhafte Buchführung sein.341 Überwiegend wird in der Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass grundsätzlich auch eine Berichtigung durch Angabe geschätzter Besteuerungsgrundlagen strafbefreiend wirken könne.342 Dem Steuerhinterzieher ist es daher möglich, 337 Statt vieler: Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 55; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 97; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 195. 338 BFH, Urteil vom 26. Februar 2002 – X R 59/98 –, BB 2002, 1580; Koenig/Koenig, AO § 173 Rz. 26. 339 BFH, Urteil vom 18. Mai 1993 – VII R 44/92 –, BB 1993, 2518. 340 Ausführlich hierzu Eggers/Flore/Harenberg/Voss, S. 70 ff. 341 Joecks, wistra 1990, 52 (53). 342 BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; für den Fall der falschen Lohnsteueranmeldung: OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 1996 – 1 Ws 1/96, wistra 1996, 190; Bauerle, S. 120; Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (96); Breyer, S. 201 ff.; Burkhard, PStR 2010 148 (149); Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

217

in den Fällen, in denen er etwa aufgrund seiner mangelhaften Buchführung die zur Abgabe einer vollständigen Berichtigung notwendigen Besteuerungserklärungen nicht mehr rekonstruieren kann, die Angaben in seiner Berichtigungserklärung zu schätzen.343 Eine gegenteilige Position wurde insbesondere von der älteren Rechtsprechung und Literatur vertreten. Hiernach könne derjenige, der keine den Vorschriften über eine ordnungsgemäße Buchführung entsprechende Buchführung geführt habe, auch keine Berichtigungserklärung abgeben.344 Begründet wurde dies damit, dass der Steuerhinterzieher in diesen Fällen „kein Material liefern“ könne, aufgrund welchem das Finanzamt in die Lage versetzt werden könne, die Steuern zutreffend festzusetzen.345 Diese Argumentation überzeugt nicht. Weder § 370 AO noch § 371 AO sollen dem Schutz der Buchführungsvorschriften dienen, indem sie die mangelhafte Buchführung des Steuerhinterziehers durch Androhen von Strafe bzw. durch Versagen der strafbefreienden Wirkung sanktionieren.346 Wie Theil bereits zutreffend ausgeführt hat, ist dieser Auffassung schon deshalb nicht zu folgen, weil auch im Rahmen der Verurteilung wegen der Steuerhinterziehung ausreichend sei, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzt.347 Daher muss das, was zu einer Verurteilung nach § 370 AO genüge, auch für die Erstattung der Selbstanzeige genügen, an den Steuerhinterzieher können im Rahmen von 1977 § 371 Rz. 15; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 59; Hofmann, DStR 1998, 399 (400); Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 74; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 55; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 62; Klein/ Jäger, § 371 Rz. 53; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 255; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 98; Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1974); Quedenfeld/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 195; Rolletschke, S. 261 Rz. 567; Streck, DStR 1996, 288 (289); Theil, BB 1983, 1274 (1277); Wendt/Heyn, ZfZ 1979, 231 (232 f.); Wulf, wistra 2010, 286 (288); Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (393). 343 Wohl h. M. z. B. BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; für den Fall der falschen Lohnsteueranmeldung: OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Januar 1996 – 1 Ws 1/96, wistra 1996, 190; Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (96); Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO 1977 § 371 Rz. 15; Flore/Tsambikakis/Wessing/ Biesgen, § 371 Rz. 59; Hofmann, DStR 1998, 399 (400); Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Beckemper, § 371 Rz. 75; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 62; Klein/Jäger, § 371 Rz. 21; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 255; MüKo StGB/Kohlmann, § 371 Rz. 98; Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1974); Quedenfeld/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 197; Rolletschke, S. 261 Rz. 567; Streck, DStR 1996, 288 (289); Wulf, wistra 2010, 286 (288); a. A.: OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 1957 – Ss 426/57, ZfZ 1959, 312. 344 OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 1957 – Ss 426/57, ZfZ 1959, 312; Brenner, ZfZ 1979, 140 (141). 345 Kratzsch, Grundfragen, S. 297. 346 Beckemper weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Verstoß gegen die Buchführungsvorschriften zwar nicht die Erlangung der von Strafbefreiung wegen der Steuerhinterziehung verhinderte, gleichwohl allerdings die Strafbarkeit wegen der §§ 283 ff. StGB, §§ 331 ff. HGB, Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 75; wie hier: Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 63; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 98. 347 Theil, BB 1983, 1274 (1277).

218

2. Teil: Besonderes

§ 371 AO keine höheren Anforderungen als an das Strafgericht gestellt werden.348 Wie dargestellt, verfolgt § 371 AO ausschließlich die beiden Zwecke, durch Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung eine Vermehrung des Vermögens des Fiskus zu bewirken sowie dem Steuerhinterzieher die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu ermöglichen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass § 371 AO spiegelbildlich § 370 AO gegenüber steht: Wenn schon bei einer Verurteilung wegen einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO ausreicht, dass die Höhe der hinterzogenen Steuern im Wege einer Schätzung nach § 162 AO ermittelt wird, darf für die Anforderungen an die Berichtigung nach § 371 AO nichts anderes gelten.349 Ein Teil der Lehre entnimmt diesem Grundsatz den Umkehrschluss, dass eine Vollschätzung, die auf keinen Unterlagen der Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen beruht, keine taugliche Berichtigung gemäß § 371 AO darstellen könne, da eine solche auch im Steuerstrafverfahren zur Feststellung des Vorliegens einer Tat nach § 370 AO nicht berücksichtigt werden kann.350 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass die Berichtigungshandlung sich an den ursprünglich im Steuerschuldverhältnis geschuldeten Mitwirkungs- und Erklärungshandlungen orientiert und im Ergebnis verlangt, dass der Steuerschuldner durch seine Berichtigung das Finanzamt in die Lage versetzt, die Steuer nachträglich zutreffend festzusetzen. Wie Kohlmann zutreffend ausführt, kann bei der Berichtigung grundsätzlich nicht mehr, aber auch nicht weniger gefordert werden, als dies bei Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung der Fall wäre.351 Im Steuerverfahren jedenfalls ist die Vollschätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörde eine anerkannte Methode zur Bestimmung der Beträge der Besteuerungsgrundlagen.352 Wenn also die Schätzungsmethode der Vollschätzung im Steuerverfahren dem Finanzamt selbst zusteht, ersetzt sie doch die Erbringung der von dem Steuerpflichtigen steuerverfahrensrechtlichen Erklärungs- und Mitwirkungshandlungen. Damit kann auch eine durch Vollschätzung erfolgte Bestimmung der Beträge der Besteuerungsgrundlagen zu einer zutreffenden Festsetzung i. S. der steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften führen.353 348

Theil, BB 1983, 1274 (1277). Vgl. auch Bilsdorfer, der von „Waffengleichheit im Hinblick auf die Nachlieferungspflicht des Steuerpflichtigen und den Nachweis der Steuerverkürzung“ spricht, Bilsdorfer, DStZ 1982, 298 (303); Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 314; Theil, BB 1983, 1274 (1277). 350 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298 (303); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 59; a. A. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 256. 351 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 255. 352 Statt vieler: BFH, Beschluss vom 10. März 2016 – X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042; Koenig/Cöster, AO § 162 Rn. 99. 353 Wie hier: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 75. 349

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

219

Schauf ist der Auffassung, dass die steuerlichen Schätzungsgrundsätze (insbesondere die Sicherheitszuschläge oder etwa die Orientierung an den obersten Werten der Richtsatzsammlung) nicht auf die Berichtigungserklärung übertragen werden könnten.354 Zur Begründung seiner These verweist Schauf auf den strafrechtlichen Charakter der Norm.355 Nach Schauf müsse die Schätzung deshalb denjenigen Anforderungen genügen, die eine strafprozessuale Schätzung und mithin eine Verurteilung wegen § 370 AO ermöglichen.356 Diese Auffassung ist abzulehnen. Zwar ist § 371 AO als Strafaufhebungsgrund Teil des Strafrechts. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Strafbefreiung richten sich jedoch (auch und) gerade nach dem Steuerverfahrensrecht. So dient die Berichtigung der unrichtigen Angaben, die die Strafbarkeit wegen der Steuerhinterziehung begründet haben, in erster Linie der zutreffenden Besteuerung. Lediglich der Umstand, dass durch diese steuerverfahrensrechtlich relevante Handlung des Steuerhinterziehers in Verbindung mit Erfüllung der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige das Handlungs- und Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehungstat aufgehoben wird, rechtfertigt die Strafbefreiung und erlangt damit auch in strafrechtlicher Hinsicht Relevanz. Darüber hinaus orientiert sich die Berichtigung maßgeblich an den steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten. Entscheidend für die Wirksamkeit der Berichtigung ist, dass sie eine zutreffende Besteuerung des Steuerschuldners durch das veranlagende Finanzamt ermöglicht. Maßgeblich muss damit sein, dass die geschätzten Besteuerungsgrundlagen den auch im Steuerverfahren geltenden Grundsätzen entsprechen. Es kann somit nicht darauf ankommen, dass die Schätzung auch denjenigen Maßstäben genügt, denen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Steuerstrafverfahrens zur Feststellung einer Steuerstraftat nach § 370 AO genügen muss. Dies ergibt sich ferner auch und gerade daraus, dass die Schätzungen im Steuerverfahren und im Steuerstrafverfahren vollkommen unterschiedlichen Zielsetzungen dienen und auch vollkommen unterschiedlichen Grundsätzen unterliegen. So ist das Ziel der Schätzung im Steuerverfahren, dass die Besteuerungsgrundlagen möglichst zutreffend festgestellt werden und dass das Ergebnis mit größter Wahrscheinlichkeit richtig ist.357 Insgesamt soll von dem Sachverhalt ausgegangen werden, welcher der Wirklichkeit am nächsten kommt, die Schätzung soll in sich schlüssig und ihre Ergebnisse sollen wirtschaftlich vernünftig und plausibel sein.358 Dies entspricht auch dem entscheidenden Wirksamkeitsaspekt der Berichtigung, nach dem die Berichtigung derart erfolgen muss, dass das zuständige 354 355 356 357 358

Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 257. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 257. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 257. BestLex/Melchior „Schätzung“ Rz. 3. BestLex/Melchior „Schätzung“ Rz. 3.

220

2. Teil: Besonderes

Finanzamt die Steuer zutreffend festsetzen kann, ohne erst noch eigene, langwierige Ermittlungen führen zu müssen. Im Steuerstrafverfahren hingegen haben die zulässigen Schätzungsmethoden einen vollkommen anderen Beweiswert.359 So genügen etwa freie oder griffweise Schätzungen allein im Steuerstrafverfahren nicht.360 Dies entspricht auch dem Ziel des Strafverfahrens, das Vorliegen der Steuerstraftat zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustellen. Eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen muss im Steuerstrafverfahren damit deutlich strengeren Anforderungen genügen als eine solche im Besteuerungsverfahren. In der Situation der Selbstanzeige muss jedoch das Vorliegen einer Steuerstraftat überhaupt nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden. Dies ist nämlich bereits der Fall, da eine Befreiung von Strafbarkeit bereits begriffsnotwendig voraussetzt, dass zuvor eine Strafbarkeit bestanden hat. Erst wenn damit durch das Gericht zweifelsfrei festgestellt wurde, dass eine Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung vorliegt, stellt sich die Frage nach einer möglichen Strafbefreiung mittels Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO. Damit richtet sich die Schätzung nach den steuerverfahrensrechtlichen Schätzungsgrundsätzen. Dementsprechend sind einer geschätzten Berichtigungserklärung die Schätzungsgrundlagen, wie z. B. Umsatz, Wareneinsatz, Gewinnaufschlag, Materialeinsatz, Arbeitslöhne oder eine Vermögenszuwachsrechnung beizulegen.361 Auf dieser Grundlage kann das Finanzamt die Schätzung des Steuerhinterziehers nachvollziehen und wird in die Lage versetzt, die Steuer zutreffend festzusetzen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch die geschätzten Angaben dem tatsächlichen Besteuerungssachverhalt entsprechen müssen und insbesondere allenfalls geringfügige Abweichungen zugunsten des Steuerpflichtigen enthalten dürfen.362 Eine mehr als geringfügige Abweichung zugunsten363 des Steuerpflichti359

Joecks, wistra 1990, 51 (54). Joecks, wistra 1990, 51 (54). 361 Bilsdorfer, DStZ 1982, 298 (303); ebenso auch Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1974); Rolletschke, S. 261 Rz. 567; Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (393). 362 Burkhard, PStR 2010, 148 (149); Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, AO 1977 § 371 Rz. 15; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 60; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 259; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 98. 363 Auch hier gilt, dass eine mehr als geringfügige Abweichung zu Lasten des Steuerpflichtigen strafbefreiend wirkt, vgl. BGH, Urteil vom 05. September 1974 – 4 StR 369/74, NJW 1974, 2293; Adick, HRRS 2011, 197 (199); Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (96); Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08.1998, S. 915; Kirbach, S. 57; Klein/Jäger, § 371 Rz. 21; ebenso auch Schauf, der ebenfalls empfiehlt mit Sicherheitszuschlägen zu arbeiten. Nach Schauf könne der Sicherheitszuschlag umso geringer ausfallen, je belastbarer die Schätzungsgrundlage im Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige bereits ist, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 259; vgl. auch Kohler, der empfiehlt, die Schätzung nicht nur „am oberen Rand der möglichen Schätzungen zu orientieren, sondern darüberhinausgehend mit deutlichen Sicherheitszuschlägen zu arbeiten“, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 99; Pfaff, 1977 S. 76: ebenso auch Füllsack/Bürger, nach denen „im Strafver360

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

221

gen stellt eine unwirksame Teilselbstanzeige dar und kann allenfalls im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden.364 Nach den allgemeinen Grundsätzen trägt der Steuerhinterzieher das Risiko einer Fehlschätzung.365 Folglich kann eine wirksame und vollständige Berichtigungserklärung auch bei Schätzung der gemäß § 371 Abs. 1 AO erforderlichen Angaben vorliegen. Die Zulässigkeit einer geschätzten Berichtigung stellt damit keine Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot dar. 5. Zwischenergebnis zum Vollständigkeitsgebot Sinn und Zweck des Vollständigkeitsgebots ist es, Straffreiheit nur demjenigen Steuerhinterzieher zukommen zu lassen, der vollständig in die Steuerehrlichkeit zurückkehrt. Gleichzeitig soll es verhindern, dass die strafbefreiende Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie verwendet werden kann. Der sachliche Umfang des Vollständigkeitsgebots erstreckt sich auf Steuerhinterziehungen einer Steuerart eines Steuerpflichtigen. Mit der h. M. in der Literatur ist zur Bestimmung der Steuerart von den jeweiligen Steuergesetzen und den jeweiligen Erhebungsformen auszugehen. Eine steuerverfahrensrechtliche Verknüpfung zweier Steuerarten (etwa durch verdeckte Gewinnausschüttung bei der Verkürzung von Körperschaftsteuern einer Körperschaft oder bei dem Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen) führt nicht dazu, dass die Selbstanzeige hinsichtlich beider Steuerarten vollständig sein muss. Die Steuerhinterziehung jeder Steuerart kann Gegenstand einer eigenen Selbstanzeige sein, ohne dass zugleich auch die Steuerhinterziehung der anderen Steuerart zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots miterklärt werden müsste. Der Solidaritätsbeitrag muss zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots nicht miterklärt werden. Die faktische Stellung des Steuerhinterziehers als Steuerpflichtiger im Steuerschuldverfahren verschiedener Steuersubjekte führt zu keiner Erweiterung seiner Berichtigungspflicht zur Wahrung des Vollständigkeitsgebots. Es bleibt dabei, dass die Vollständigkeit sich ausschließlich auf das jeweilige Steuerschuldverhältnis bezieht. Der zeitliche Umfang des Vollständigkeitsgebots erstreckt sich auf alle Steuerhinterziehungen einer Steuerart eines Steuerpflichtigen, die in den letzten zehn fahren aktiv mit einem angemessenen Schätzungszuschlag nachzumelden“ sei, Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 197. 364 Wie hier: Klein/Jäger, § 371 Rz. 29. 365 Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 55; vgl. auch Füllsack, der aus diesem Grund darauf hinweist, dass bei Abgabe der geschätzten Berichtigung ausschließlich die strafrechtlichen und nicht die steuerrechtlichen Konsequenzen bedacht werden sollten. Dementsprechend sei im Zweifel eine überhöhte Schätzung abzugeben und über die steuerliche Richtigkeit möglicherweise überhöhter Schätzungen könne in einem zweiten Schritt mit dem Finanzamt verhandelt werden, Füllsack, wistra 1997, 285 (287).

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2. Teil: Besonderes

Kalenderjahren begangen wurden. Das Jahr, in dem die Selbstanzeige erstattet wird, ist bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums nicht zu berücksichtigen. Das Vollständigkeitsgebot besteht nicht absolut, sondern es existiert eine Reihe von Ausnahmen. Die ausdrückliche Ausnahme von Umsatzsteuervoranmeldung und Lohnsteueranmeldung in § 371 Abs. 2a AO und die damit einhergehende Wiedereinfügung einer strafbefreienden Teilselbstanzeige ist auf den Umstand zurückzuführen, dass unternehmenstypisches Verhalten kriminalisiert würde und die Erstattung strafbefreiender Selbstanzeigen in diesen Fällen faktisch ausgeschlossen würde. Darüber hinaus entspricht sie dem Sinn und Zweck des Vollständigkeitsgebots. Entscheidend ist, dass die nachträgliche Korrektur dieser Anmeldesteuern weder auf ein Taktieren entsprechend der erwarteten Entdeckung der Steuerhinterziehungstat zurückzuführen noch Teil einer von vorneherein angelegten Hinterziehungsstrategie ist. Es erfolgt auch bei Abgabe einer solchen Teilselbstanzeige eine vollständige Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Selbstanzeige. Geringfügige366 Abweichungen der Angaben in der Berichtigung von der tatsächlich festgesetzten Steuer begründen keinen Verstoß gegen das Vollständigkeitsgebot. 6. Das Vollständigkeitsgebot und die Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen Das Vollständigkeitsgebot der Berichtigung führt insbesondere bei Selbstanzeigen, die wegen einer im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses begangenen Steuerhinterziehung abgegeben werden, zu einer Vielzahl von Schwierigkeiten. Im folgenden Kapitel soll daher untersucht werden, welche Auswirkungen die uneingeschränkte Übertragung und Geltung des Vollständigkeitsgebots für die Berichtigungserklärungen sämtlicher Tatbeteiligten hat und ob und falls ja, auf welche Art und Weise, den daraus resultierenden Schwierigkeiten begegnet werden kann. a) Problem: Das praktische Unvermögen zur Abgabe einer vollständigen Berichtigung Wie dargestellt, setzt die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO eine Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung voraus. Strafbar wegen einer Steuerhinterziehung können neben dem Haupttäter auch Mittäter, ein mittelbarer Täter oder Teilnehmer sein, sodass diesem Personenkreis auch die Möglich366 Angaben sind nach hier vertretener Ansicht „geringfügig“ wenn sie, bezogen auf den gesamten Berichtigungszeitraum, nicht mehr 5 % von dem wirklichen Verkürzungsbetrag abweichen, vgl. S. 215.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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keit zur Abgabe einer Selbstanzeige offen steht. Es kommt für die Erstattung einer Selbstanzeige auch nicht darauf an, ob der Selbstanzeigewillige in Bezug auf die angezeigten Steuern selbst steuerpflichtig ist oder gar Steuerschuldner derselben ist.367 Bereits hieraus ergeben sich die eingangs aufgeworfenen praktischen Schwierigkeiten bei der Erstattung der Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen. So wird die Erstattung der Selbstanzeige für den Alleintäter der Steuerhinterziehung, in dessen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogen wurden, trotz des mit ihr verbundenen Aufwands wenigstens potentiell und mit verhältnismäßig368 geringem Aufwand möglich sein. Schließlich handelt es sich um Angaben aus seinem eigenen Besteuerungsverhältnis und zur nachträglichen Anforderung fehlender Unterlagen zu den Besteuerungsgrundlagen oder zur Einholung weitergehende Auskünfte zur Formulierung der Erklärung ist der Steuerschuldner jedenfalls selbst befugt und kann entsprechende Aufträge (z. B. bei ausländischen Bankinstituten) selbst erteilen. Gleichwohl kann es – insbesondere in eilbedürftigen Fällen – auch beim Haupt- oder Alleintäter der Steuerhinterziehung zu dem Problem kommen, dass die exakte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht möglich ist, etwa weil die benötigten Unterlagen nicht direkt zur Verfügung stehen. Im Idealfall erstatten sämtliche Tatbeteiligten gemeinsam369 wegen ihrer gemeinsam begangenen Steuerhinterziehung Selbstanzeige und eigene Steuerhinterziehungen derselben Steuerart liegen nicht vor. Unterstellt, die Angaben in der Selbstanzeigeerklärung sind vollständig, zutreffend und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen von § 371 AO sind ebenfalls erfüllt, erlangen alle Tatbeteiligten gemeinsam Straffreiheit. In der Praxis dürfte dieser Idealfall einer Selbstanzeigesituation jedoch eher selten vorliegen. Verweigert etwa der Steuerschuldner die Mitwirkung an der Selbstanzeige, wird die Abgabe einer denselben Anforderungen wie der des Steuerschuldners genügenden Selbstanzeigeerklärung durch den Tatbeteiligten i. d. R. ausscheiden. Mangels Einblick in Besteuerungsunterlagen und fehlender Anordnungsbefugnisse zur Erlangung weitergehender Informationen wird die Erstattung einer Selbstanzeige des Tatbeteiligten, der selbst nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist, realiter ohne Mitwirkung des Steuerschuldners oft nicht möglich sein. Es ist abwegig, dass der selbstanzeigeunwillige Steuerschuldner den übrigen Tatbeteiligten freiwillig die notwendi367 Ganz herrschende Meinung, statt vieler: BGH, Urteil vom 03. Juni 1954 – 3 StR 302/53 –, BGHSt 7, 336; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 81. 368 Der verhältnismäßige geringe Aufwand ergibt sich wenigstens im Vergleich zu dem Aufwand, den der Tatbeteiligte der Steuerhinterziehung, der selbst nicht Schuldner der hinterzogenen Steuern ist, betreiben müsste. 369 Zu den Anforderungen an eine für mehrere Personen strafbefreiend wirkende Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO, vgl. 2. Teil unter C.

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2. Teil: Besonderes

gen Informationen über die hinterzogenen Steuern und Besteuerungsgrundlagen zur Verfügung stellen wird. Eine vom Steuerschuldner unabhängige Selbstanzeige hätte für diesen eine ganze Reihe gravierender strafrechtlicher und steuerrechtlicher Konsequenzen, die eine spätere, eigene Selbstanzeige ausschlössen, wie etwa die Auslösung der Sperrgründe der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO oder der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO. Darüber hinaus erlangte das Finanzamt aber durch eine solche Selbstanzeige auch Kenntnis über die Steuerhinterziehung und die daraus resultierende Unrichtigkeit vorheriger Steuerfestsetzungen, welches wiederum etwa mit der Anordnung und Durchführung von Außenprüfungen (§§ 193 ff. AO) zur Ermittlung des zutreffenden Besteuerungssachverhalts verbunden sein kann. Überdies wird das Finanzamt die noch ausstehenden Steuerzahlungen geltend machen und bei deren Nichteinbringbarkeit in das Vermögen des Steuerpflichtigen vollstrecken. Eine rechtskräftige Verurteilung des Steuerpflichtigen wegen Steuerhinterziehung schließlich ist mit erheblichen beruflichen und gesellschaftlichen Nachteilen verbunden. Die Ausgangspositionen bei der Erstattung einer Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen, bei denen lediglich ein Teil der Tatbeteiligten in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzieht, sind damit höchst unterschiedlich. Die Erstattung einer denselben Anforderungen wie der des Schuldners der hinterzogenen Steuern genügenden Selbstanzeige wird in vielen Fällen nur dann möglich sein, wenn der Steuerschuldner, in dessen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogenen wurden, an der Erstattung mitwirkt. Somit ist insbesondere das Problem des tatsächlichen Unvermögens eines Tatbeteiligten zur Erstattung einer Selbstanzeige i. S. d. § 371 Abs. 1 AO von besonderer Relevanz. Damit ist fraglich, wie diesen praktischen Schwierigkeiten im Umgang mit der Abgabe der strafbefreienden Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen begegnet werden kann. Zu untersuchen ist insbesondere jedoch auch anhand der bereits aufgeworfenen und noch aufzuwerfenden einzelnen Fragen, ob die Besonderheiten bei Selbstanzeigen, die i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen erstattet werden, nicht einer einheitlichen Bestimmung des Inhalts der Berichtigungserklärung aller Tatbeteiligten entgegenstehen und die ratio legis der Norm eine andere Lesart derselben erfordert. b) Lösungsvorschlag 1: Abgabe einer gestuften Selbstanzeige Eine denkbare Möglichkeit zur Lösung des Problems des praktischen Unvermögens zur Abgabe einer Selbstanzeige wäre die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige. In einer solchen erklärt der Steuerhinterzieher gegenüber den Finanzbehörden, dass Steuern hinterzogen worden sind, er allerdings noch nicht zur Abgabe genauerer Angaben in der Lage sei, etwa weil sich die Unterlagen derzeit noch bei einem entweder nicht herausgabebereiten Dritten befänden oder

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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weil die Anforderung der benötigten Unterlagen (z. B.) bei einem ausländischen Bankinstitut einige Zeit in Anspruch nähme. Von einem Teil der Literatur und älteren Rechtsprechung wurde zu § 371 AO a. F. (in den Fassungen vor 2011) vertreten, dass der Steuerhinterzieher eine gestufte Selbstanzeige abgeben könne.370 Eine gestufte Selbstanzeige liegt vor, wenn die Berichtigungserklärung aus mehreren, zeitlich versetzt abgegebenen Erklärungen besteht, die erst als Einheit den Anforderungen von § 371 AO genügen.371 In der ersten Stufe gibt der Steuerhinterzieher eine Selbstanzeige „dem Grunde nach“ ab und lässt die Höhe der Besteuerungsgrundlagen darin vorerst offen.372 Auf der zweiten Stufe – im Rahmen der Selbstanzeige der Höhe nach – werden die Besteuerungsgrundlagen dann nach Erhalt der benötigten Unterlagen bzw. nach korrekter Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen konkretisiert.373 Zacharias/Rinnewitz/Spahn schlagen als Lösung zu den praktischen Problemen in den Fällen, in denen sich die für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen oder des Verkürzungsbetrags benötigten Unterlagen bei einem nicht herausgabebereiten Dritten befinden, vor, dass der Steuerhinterzieher auf der ersten Stufe darlegt, dass Steuern hinterzogen wurden und die Unterlagen sich bei dem nicht herausgabebereiten Dritten befinden und er deshalb einen Antrag auf Vornahme einer Außenprüfung bei dem Dritten stelle.374 Auf der zweiten Stufe könne der Steuerhinterzieher die von der Finanzverwaltung bei der Außenprüfung ermittelten Angaben seiner Selbstanzeige zu Grunde legen und so straffrei werden.375 Nach der überwiegenden Literatur muss der Inhalt der Selbstanzeige in der ersten Teilerklärung bereits so bestimmt festgelegt sein, dass eine nachträgliche Manipulation durch den Steuerhinterzieher 370

LG Hamburg v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; Burkhard, PStR 2010, 148 (149); Hofmann, DStR 1998, 399 (400); Kamps, DB 2010, 1488 (1491); Kratzsch, Grundfragen, S. 297; Schmitz, DStR 2001, 1821 (1826); Streck, DStR 1996, 288 (288); vgl. auch der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV) in der Fassung von 1996 unter Nr. 120 Abs. 1 S. 1: „Die BuStra prüft, ob die Angaben für eine wirksame Selbstanzeige ausreichen, ggf. ob dem Täter Gelegenheit zu geben ist, die Angaben zu vervollständigen.“, AStBV BStBl. I 1996, 959; Schauf weist darauf hin, dass die AStBV diese Möglichkeit seit 2004 nicht mehr vorsehen, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 153. 371 So etwa MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 89. 372 Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen Kohler, demzufolge der Besteuerungssachverhalt bereits auf der ersten Stufe „derart individualisiert und unverwechselhaft abgesteckt“ werden müsse, dass eine nachträgliche Manipulation durch die Erklärung auf der zweiten Stufe ausgeschlossen ist, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 94; Kratzsch, Grundfragen, S. 282 (296 f.); Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1074); hierzu auch Rolletschke, wistra 2002, 17 (20); Streck, DStR 1985, 9 (10); Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (394). 373 Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1074). 374 Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (394). 375 Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (395).

226

2. Teil: Besonderes

ausgeschlossen ist.376 Erforderlich sei, dass der Besteuerungssachverhalt durch die erste Teilerklärung in seinem Rahmen so abgesteckt werde, dass er „hinreichend, d.h. unverwechselbar individualisierbar“ sei.377 Fraglich ist jedoch, ob die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige die praktischen Schwierigkeiten bei der Abgabe der Berichtigung auch unter Geltung der aktuellen Fassung des § 371 AO lösen kann. Kohler ist der Auffassung, dass der Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO auch in der Neufassung sprachlich jedenfalls derart offen sei, dass dem Sinn entsprechend die vollständige Selbstanzeige auch in mehrere Erklärungen aufgeteilt werden könne.378 Auch in der überwiegend älteren Rechtsprechung und Teilen der Literatur wurde bereits auf den Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO abgestellt: So zwinge § 371 AO gerade nicht zu einer „Anzeige una actu“ 379 und eine vollständige Berichtigungserklärung könne auch „gestreckt oder gesplittert“ abgegeben werden.380 Im Übrigen spreche für die Zulässigkeit gestufter Selbstanzeigen, dass diese den Sinn und Zweck der Norm förderten.381 Problematisch war bereits nach den damaligen Ansichten, ob – und falls ja, wann – zwischen den einzelnen Stufen ein Sperrgrund eintrete. So war insbesondere in der älteren Literatur höchst umstritten, inwieweit hier eine Ausschlusswirkung anzunehmen sei.382 Die heute wohl h. M. nimmt an, dass einem zwischenzeitlich eingetretenen Sperrgrund Ausschlusswirkung zukommt.383 Hier376

Kratzsch, Grundfragen, S. 297; Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391

(394). 377

Kratzsch, Grundfragen, S. 297. MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 94. 379 So auch LG Hamburg v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; Burkhard, PStR 2010, 148 (149); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 94; Rolletschke, wistra 2002, 18; Webel, NZWiSt 2016, 337 (338). 380 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 95; Rolletschke, wistra 2002, 17 (18); a. A. Kirbach, S. 57. 381 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 94; Zacharias/Rinnewitz/Spahn, DStZ 1988, 391 (395). 382 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 200. 383 So etwa: LG Hamburg v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; BestLex/ Melchior Selbstanzeige Rz. 8; Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 28; Breyer, S. 225; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 70; Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 50; Kamps, DB 2010, 1488 (1493); Klein/Jäger, § 371 Rz. 54; Webel, NZWiSt 2016, 337 (343); a. A. Ransiek/Hinghaus, nach denen die Annahme, dass eine Stufenselbstanzeige auf der ersten Stufe Sperrgründe auslöst, im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Selbstanzeige „viel zu rigide“ sei: „Besteht aus Sicht des Täters keinerlei Entdeckungsrisiko für die von ihm begangene Tat, ist der entscheidende Grund für das Rückgängigmachen des Hinterziehungserfolgs der erste Schritt: die Offenbarung, daß (sic!) unvollständige Angaben gemacht wurden. Es ist also dem Täter zuzurechnen, daß (sic!) der Hinterziehungserfolg wieder beseitigt wird. Es liegt damit eine Leistung vor, die honoriert werden sollte. Würde die Behörden dagegen zunächst die noch unvollständige Selbstanzeige entgegen nehmen, um dann auf der Sperrwirkung zu beharren und die Details des Sachverhalts selbst auszuermitteln, so nähmen sie einen Erfolg für sich in Anspruch, den sie nicht selbst herbeigeführt haben.“ und weiter heißt es: „Eine der378

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

227

von ausgehend, dürfte bereits die Erklärung auf der ersten Stufe zur Auslösung eines oder mehrerer Sperrgründe führen: So dürfte die Steuerstraftat durch Abgabe der Erklärung auf der ersten Stufe ganz oder teilweise entdeckt i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO worden sein. Da der Steuerhinterzieher diese Anzeige selbst abgeben hat, musste er mit der Tatentdeckung auch zumindest rechnen. Darüber hinaus ist es überwiegend wahrscheinlich, dass sich aus dieser Erklärung auch hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat ergeben, sodass das Finanzamt ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einleitet und dies gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO bekannt macht.384 Trotz der früheren großzügigen Praxis im Umgang mit gestuften Selbstanzeigen385 wird sie heute von der überwiegenden Literatur im Hinblick auf die eindeutige Rechtsprechung abgelehnt.386 Dies ist zutreffend. Allein aus einer bisherigen großzügigen Handhabung gestufter Selbstanzeigen durch die Finanzbehörden ergibt sich kein Anspruch des Steuerhinterziehers, dass diese auch weiterhin gestufte Selbstanzeigen als wirksam anerkennen.387 Entscheidend ist jedoch, dass die gestufte Selbstanzeige nicht mit dem Vollständigkeitsgebot von § 371 AO artig formalistische Auslegung des § 371 AO würde letztlich den geschickten berechnenden Täter gegenüber einem ungeschickten begünstigen“ Ransiek/Hinghaus, StV 2010, 711, (714). 384 Ebenso auch Breyer, der zusätzlich und zutreffend darauf abgestellt, dass das Finanzamt beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte sogar zum Einschreiten verpflichtet ist, Breyer, S. 225; ebenso: Klein/Jäger, § 371 Rz. 22; ebenso Rolletschke, wistra 2002, 17 (19). 385 So etwa Jäger, nach dem gestufte Selbstanzeigen teilweise toleriert würden und „nicht selten sogar gewünscht“ seien, Klein/Jäger, § 371 Rz. 22; vgl. aber auch Schauf, nach dem diese breite Akzeptanz in der Verwaltungspraxis insbesondere vor der Entscheidung des BGH vom 20.05.2010 bestand, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 153; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 94. 386 Vgl. etwa das FG Düsseldorf, wonach erst die „Selbstanzeige der Höhe nach“ als „Anzeige nach § 371“ gewertet werden könne, FG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2007 – 16 K 458/05 E G U; so etwa besonders deutlich der BGH in einer neueren Entscheidung, wonach mit einer gestuften Selbstanzeige die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 AO nicht umgangen werden könne. Nach Auffassung des Gerichts sei der Steuerhinterzieher daher daran gehalten, bereits von Anfang an, notfalls auf Grundlage einer Schätzung eine vollständige Berichtigungserklärung abzugeben, BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, BGHSt 55, 180; vgl. auch Erbs/Kohhaas/Hadamitzky/ Senge, AO 1977 § 371 Rz. 13; wohl auch: Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 54; Klein/Jäger, § 371 Rz. 54; Kirbach, S. 56; kritisch: Marschall, BB 1998, 2496 (2501); kritisch hierzu auch Kohler, der im Hinblick auf die eindeutige Rechtsprechung von der Abgabe einer gestuften Selbstanzeige warnt, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 96; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, § 371, S. 200; Pump/Krüger, DStR 2013, 1972, 1974; Raupach, FS Haarmann, S. 785 (796); Rolletschke/Roth, Stgb 2011, 200 (202); kritisch auch Theil, nach dem die Abgabe einer Berichtigung, in der der Steuerhinterzieher die Angaben im Wege der Schätzung vorläufig angibt, sicherer sei: Theil, BB 1983, 1274 (1277); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 27; Wabnitz/Janovsky/Pflaum, 20. Kapitel Rz. 284; Wegner, SteuK 2016, 115 (115). 387 Wie hier: Breyer, S. 226; ebenso auch schon Bilsdorfer, NWB Nr. 32 vom 03.08. 1998, S. 916.

228

2. Teil: Besonderes

vereinbar ist.388 So stellt die Berichtigung auf der ersten Stufe mangels Vollständigkeit der Angaben eine unwirksame Teilselbstanzeige dar.389 Teilweise wird vertreten, dass die Berichtigung auf der ersten Stufe lediglich als Ankündigung einer Selbstanzeige gewertet werden müsse.390 Eine Vereinbarung mit dem Vollständigkeitsgebot ergibt sich auch nicht dadurch, wenn die erste Teilselbstanzeige durch die zweite Selbstanzeige vervollständigt bzw. durch zusätzliche Wiederholung der bereits in der ersten Teilselbstanzeige gemachten Angaben ersetzt wird.391 Entscheidend ist, dass bereits auf der ersten Stufe eine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigung abgegeben worden sein muss.392 Die überwiegende Literatur und Rechtsprechung lehnt die Abgabe einer Stufenselbstanzeige daher zu Recht ab.393 Die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige vermag das Problem des praktischen Unvermögens des Selbstanzeigewilligen nur scheinbar zu lösen. Vielmehr ist sie mit erheblichen Risiken verbunden und nicht mit dem Vollständigkeitsgebot vereinbar. Doch selbst wenn die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige wirksam wäre, so setzt auch sie voraus, dass die Selbstanzeige auf der zweiten Stufe – die Selbstanzeige der Höhe nach – die Selbstanzeige auf der ersten – die Selbstanzeige dem Grunde nach – unter Wahrung des Vollständigkeitsgebots vervollständigt. Somit wäre die gestufte Selbstanzeige in Mehrpersonenverhältnissen von vorneherein nicht geeignet, dem Steuerhinterzieher die Berichtigung der Angaben zu ermöglichen, da diese in den meisten Fällen zur Abgabe der Erklärung auf der zweiten Stufe auch nach Gewährung einiger Zeit nicht in der Lage sein dürften. Die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige setzt nämlich immer voraus, dass der Steuer388

Wie hier: BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 8; Kirbach, S. 56. Wie hier: Bruschke, StB 2012, 39 (40); Rolletschke, NZWiSt 2015, 97 (98); Wabnitz/Janovsky/Pflaum, 20. Kapitel IV. Rz. 282. 390 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 70. 391 Helml, S. 95; Rolletschke, NZWiSt 2015, 97 (98); a. A.: BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 8; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 70; Heuel/Beyer, StBW 2011, 315 (317); ebenso auch Beckemper, nach der die Erklärung auch in zeitlich versetzten mehreren Erklärungen abgegeben werden dürfe, so lange vor Abgabe der letzten Erklärung noch kein Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 AO verwirklicht wurde, Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 4; Salditt, PStR 2010, 168 (168); Seipl/Grötsch, wistra 2016, 1 (7). 392 Wie hier: Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 36; Klein/Jäger, § 371 Rz. 54; nach Pump/Krüger müssen die Besteuerungsgrundlagen auf der ersten Stufe von vorne herein zumindest schätzungsweise angegeben werden, Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1974); Rolletschke/Roth, NZWiSt 2013, 295 (296); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 27. 393 Wie hier: Bruschke, StB 2012, 39 (40); Schauf, der dringend dazu rät, die Selbstanzeige unmittelbar auf der ersten Stufe mit einer Schätzung zu unterlegen, Kohlmann/ Schauf, § 371 Rz. 153; vgl. auch Kohler: „Ein (traditionell) gestuftes Vorgehen hat verheerende Wirkung und ist damit unbedingt zu vermeiden.“ MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 96; Wegner, SteuK 2016, 115 (115). 389

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

229

hinterzieher zumindest potentiell auf die Besteuerungsgrundlagen zugreifen kann bzw. die verkürzten Beträge in Erfahrung bringen kann. Genau dieses ist aber bei einigen der Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung i. R. eines Mehrpersonenverhältnisses nicht der Fall. Bleibt die gestufte Selbstanzeige auf der ersten Stufe „stecken“, liegt auch nach den Befürwortern dieses Vorgehens eine unwirksame Teilselbstanzeige vor, die keine Strafbefreiung gewährt, sondern allenfalls im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen ist. Damit könnte auch die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige praktische Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen für die Berichtigung nur dann lösen, wenn der Steuerhinterzieher jedenfalls potentiell auf die Besteuerungsgrundlagen zugreifen kann und es sich lediglich um ein zeitliches Problem zur Formulierung der Berichtigung handelt. Derjenige Steuerhinterzieher, der weder Kenntnis über die Art und Höhe der Besteuerungsgrundlagen und über weitere Steuerhinterziehungen der gleichen Steuerart des Steuerschuldners hat, noch sich diese Kenntnis – etwa wegen entsprechender Zugriffsrechte – verschaffen könnte, wird auch mit der Einräumung zusätzlicher Zeit zur Abgabe der Berichtigung keine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigung abgeben können. Die Abgabe einer gestuften Selbstanzeige ist damit keine geeignete Möglichkeit, die praktischen Probleme bei der Abgabe einer Berichtigung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen zu lösen. c) Lösungsvorschlag 2: Abgabe einer geschätzten Selbstanzeige Wie dargestellt, steht es der Wirksamkeit der Berichtigung nicht entgegen, dass die Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen auf einer Schätzung beruhen.394 Gleichwohl vermag auch die Möglichkeit, die Angaben in der Berichtigung zu schätzen, die praktischen Schwierigkeiten des Steuerhinterziehers nicht zu verringern. So ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen voraussetzt, dass sich der Steuerhinterzieher der steuerverfahrensrechtlich anerkannten Schätzungsmethoden bedient.395 Im Grundsatz müssen einer geschätzten Berichtigung somit auch die Schätzungsgrundlagen, d.h. Umsatz, Gewinnaufschlag, Materialeinsatz, Arbeitslöhne oder Vermögenszuwachsrechnung, beigefügt werden. Dies setzt zumindest einige Kenntnis über den Besteuerungssachverhalt voraus, wovon gerade in Mehrpersonenverhältnissen, etwa bei den Tatbeteiligten,

394 395

2. Teil unter A. II. 4. c). 2. Teil unter A. II. 4. c).

230

2. Teil: Besonderes

die weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern noch sonst in Bezug auf die hinterzogenen Steuern steuerpflichtig sind, jedenfalls nicht grundsätzlich ausgegangen werden kann. Zu berücksichtigen ist überdies, dass auch die geschätzten Angaben dem tatsächlichen Besteuerungssachverhalt entsprechen müssen und insbesondere höchstens geringfügig von den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen des Steuerschuldners zu dessen Gunsten abweichen dürfen.396 Im Falle des praktischen Unvermögens zur Abgabe einer vollständigen Berichtigung stellt die Abgabe einer geschätzten Selbstanzeige somit nur dann eine rechtssichere Alternative dar, wenn der Steuerhinterzieher zumindest konkrete Anhaltspunkte über die Höhe der Besteuerungsgrundlagen und der Schätzungsgrundlagen hat und nicht vollkommen „ins Blaue hinein schätzt“. d) Lösungsvorschlag 3: Einschränkung des Vollständigkeitsgebots der Berichtigung bei der Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen So ist zwar unbestritten, dass auch der Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung, der selbst nicht steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, strafbefreiend Selbstanzeige gemäß § 371 AO erstatten kann.397 Die Anforderungen an die Berichtigungserklärung dieser Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung sind jedoch auch nach den jüngsten Reformierungen von § 371 AO weitestgehend ungeklärt.398 In der Literatur und der bislang einzigen zu diesem Problemkreis ergangenen Entscheidung werden diese höchst unterschiedlich beurteilt. Nach dem überwiegenden Teil der Literatur unterliegt zumindest der Gehilfe im Rahmen seiner Selbstanzeige grundsätzlich oder in bestimmten Situationen nur einer eingeschränkten Berichtigungspflicht.399 Teilweise wird die eingeschränkte Berichtigungspflicht auch auf den Anstifter der Steuerhinterziehung ausgedehnt.400 Fraglich ist somit, ob den praktischen Schwierigkeiten bei Abgabe der Berichtigung durch eine ausnahmsweise Einschränkung des Vollständigkeitsgebots begegnet werden kann. Hierzu ist zunächst zu untersuchen, ob das Vollständigkeitsgebot überhaupt bei den jeweiligen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung 396

2. Teil unter A. II. 4. c). So etwa BGH, Urteil vom 03. Juni 1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336: nach Ansicht des Gerichts müsse der Teilnehmer zur Erlangung der Straffreiheit „seine Verfehlungen rechtzeitig offenbaren und die aufgrund eines Haftungsbescheides zu zahlen Steuerbeträge fristgemäß entrichten“. 398 So Jäger für die Berichtigungserklärung des Gehilfen, Klein/Jäger, § 371 Rz. 107. 399 So etwa: Kirbach, S. 46. 400 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 91; vgl. auch Joecks, nach dem sich die Situation des Gehilfen, der mangels Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht in der Lage ist, eine zutreffende Berichtigungserklärung abzugeben, auch beim Anstifter stellen kann, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 71; Kirbach, S. 46; Rolletschke, S. 267 Rz. 579. 397

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

231

eingeschränkt werden kann, welchen Anforderungen eine solche Einschränkung genügen müsste und wie ein solches eingeschränktes Vollständigkeitsgebot zu formulieren wäre. aa) Der Grundsatz: Keine Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei praktischem Unvermögen des Alleintäters der Steuerhinterziehung innerhalb des eigenen Steuerschuldverhältnisses Trotz der wegen der grundsätzlichen Zugriffsmöglichkeiten auf alle relevanten Unterlagen bestehenden potentiellen Möglichkeit des Haupt- oder Alleintäters einer Steuerhinterziehung innerhalb des eigenen Steuerschuldverhältnisses zur Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung sind eine Reihe von Fällen denkbar, in denen auch hier die Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung unmöglich sein kann. Gründe hierfür können etwa die mangelhafte Buchführung des Steuerhinterziehers, fehlende oder unvollständige Aufzeichnungen oder der Umstand, dass die Bank die für die Berichtigung erforderlichen Unterlagen dem Steuerhinterzieher nicht zeitnah genug bereitstellen kann, sein. Gerade auch durch die Verlängerung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre und des Vollständigkeitsgebots kann es dem einzelnen Steuerhinterzieher daher oftmals verwehrt sein, rechtzeitig eine vollständige Berichtigungserklärung abzugeben. bb) Überblick über den Meinungsstand und Stellungnahme Insbesondere in der älteren Literatur wurde vertreten, dass das praktische Unvermögen des Steuerhinterziehers zur Abgabe einer den Anforderungen entsprechenden Berichtigungserklärung berücksichtigt werden müsse und dem Steuerhinterzieher allein deswegen nicht die Strafbefreiung verwehrt werden dürfe. So ist etwa Hofstetter der Auffassung, dass es im Falle des praktischen Unvermögens zur vollständigen und exakten Berichtigung ausreiche, dass der Steuerpflichtige nach „bestem Willen und Können alles zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur nachträglichen Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten“ unternehme und einen Beitrag leiste, der „dem Finanzamt eine zutreffende Festsetzung des Steueranspruchs oder die Rückgängigmachung eines ungerechtfertigten Steuervorteiles ermöglicht.“ 401 Für Hofstetters Auffassung spricht, dass eine unflexible Selbstanzeigeregelung den praktischen Problemen der Rechtsanwender nicht gerecht wird. Dennoch kann das schlichte praktische Unvermögen des Allein- oder Haupttäters der Steuerhinterziehung zumindest nach der aktuellen Fassung von § 371 AO eine Reduzierung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung nicht rechtfertigen. Gerade im Hinblick auf den verlängerten Berichtigungszeitraum dürfte es ohnehin dem Regelfall entsprechen, dass der Steuerhinterzieher mehr oder weniger 401

Hofstetter, StW 1965, 169 (169).

232

2. Teil: Besonderes

erhebliche praktische Schwierigkeiten bei der Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung hat. Die Verschärfung der Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige war vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so gewollt402 und darf damit durch eine grundsätzlich restriktive Auslegung der Anforderungen an die Berichtigung nicht wieder rückgängig gemacht werden. Gegen Hofstetters Auffassung spricht ferner, dass sich die Berichtigungserklärung allein auf steuerlich erhebliche Tatsachen beziehen muss403 und die Aufdeckung der Steuerhinterziehungstat damit weder eine taugliche Berichtigung darstellen noch eine solche ersetzen kann. Beim praktischen Unvermögen zur Abgabe einer vollständigen Berichtigung soll es nach Troeger/Meyer darauf ankommen, dass der Steuerpflichtige „den nach bestem Können betätigten Willen hat, alles zur Aufklärung des Sachverhalts und zur nachträglichen Erfüllung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten beizutragen, um dem Finanzamt eine zutreffende Festsetzung des Steueranspruchs oder die Rückgängigmachung eines ungerechtfertigten Vorteils zu ermöglichen“.404 Überwiegend wird in der heutigen Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass das Erfordernis der Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung unabhängig davon besteht, ob der Steuerhinterzieher sein Unvermögen zur Erbringung der Berichtigungsleistung verschuldet hat oder nicht.405 Dies ist zutreffend, die Auffassungen von Hofstetter und Meyer sind mit der heutigen Fassung von § 371 AO nicht vereinbar, nach der es nicht auf den Willen des Steuerpflichtigen ankommt. Gegen die Auffassung von Meyer spricht darüber hinaus die Rechtsnatur der Selbstanzeige. Als Strafaufhebungsgrund kommt es für die Wirksamkeit der Selbstanzeige allein auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen an. Mithin kann auch für die Selbstanzeige gemäß § 371 AO nichts anderes gelten: Es kommt für die Wirksamkeit der Selbstanzeige allein darauf an, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.406 Der schlichte Wille des Steuerhinterziehers, eine vollständige Berichtigungserklärung abzugeben, genügt damit nicht. Folglich liegt das Risiko, eine Berichtigung gemäß § 371 Abs. 1 AO mangels Besteuerungsgrundlagen oder anderer praktischer Schwierigkeiten nicht erstatten 402 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes der Abgabenordnung vom 03.11.2015, BTDrucks. 18/3018, S. 8. 403 Vgl. hierzu auch 2. Teil unter A. I. 2. b); wie hier: Breyer, S. 174. 404 Troeger/Meyer, S. 257. 405 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – 1 StR 196/76, BB 1978, 698; LG Hamburg, Urteil vom 18. Juni 1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 28; Bublitz, wistra 1986, 117 (117); Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 66; Klein/Jäger, § 371 Rz. 26. 406 1. Teil unter B. II. 2.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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zu können, beim Haupt- oder Alleintäter der Steuerhinterziehung selbst.407 Nichts anderes gilt für das Risiko der Unwirksamkeit der Selbstanzeige.408 Für die Erlangung der Strafbefreiung kann damit auch in Einzelfällen nicht darauf verzichtet werden, dass die tatbestandliche Voraussetzung, eine Berichtigung gemäß § 371 Abs. 1 AO, erfüllt ist. Bei praktischen Schwierigkeiten verbleibt dem Allein- oder Haupttäter einer Steuerhinterziehung im eigenen Steuerschuldverhältnis damit der Versuch, die Schwierigkeiten möglichst zeitnah zu lösen und eine den Anforderungen von § 371 Abs. 1 AO genügende Berichtigung abzugeben. In diesen Fällen verbleibt dem Steuerhinterzieher die Möglichkeit, die Angaben in der Berichtigung zu schätzen. cc) Zwischenergebnis zum praktischen Unvermögen des Haupt- oder Alleintäters Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das praktische Unvermögen des Haupt- oder Alleintäters zur Abgabe einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung keine Auswirkungen auf die Anforderungen an den Inhalt der Selbstanzeige hat. Die Abgabe einer geschätzten Berichtigungserklärung kann zwar strafbefreiend wirken, allerdings nur dann, wenn sie nicht mehr als geringfügig409 zugunsten des Steuerhinterziehers abweicht. Da der Steuerhinterzieher das Risiko der Unwirksamkeit seiner Selbstanzeige trägt410, ist sie nur dann empfehlenswert, wenn der Steuerhinterzieher einigermaßen konkrete Vorstellungen hinsichtlich der Höhe der Besteuerungsgrundlagen hat. 7. Zur Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei praktischem Unvermögen eines oder mehrerer Mittäter Über die Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Mittäters wurde bislang deutlich weniger als zu denen der Teilnehmer der Steuerhinterziehung veröffentlicht. Fraglich ist, ob sich die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Mittäters nach den Maßstäben richten, die auch für den (Allein-)Täter der Steuerhinterziehung anzulegen sind, und mithin das Vollständigkeitsgebot zwingend und uneingeschränkt anzuwenden ist. 407 BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – 1 StR 196/76 –; LG Hamburg v. 18.6. 1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120. 408 Wie hier: Schauf, nach dem „der Steuerpflichtige grundsätzlich allein die Verantwortung für das Ge- oder Misslingen einer Selbstanzeige“ trage, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 260. 409 Angaben sind nach hier vertretener Ansicht „geringfügig“ wenn sie, bezogen auf den gesamten Berichtigungszeitraum, nicht mehr 5 % von dem wirklichen Verkürzungsbetrag abweichen, 2. Teil unter A. II. 4. b). 410 1. Teil unter B. II. 2.

234

2. Teil: Besonderes

Diese Frage ist deswegen von so hoher Brisanz, weil es auch dem Mittäter mangels Zugriffs auf die Besteuerungsgrundlagen verwehrt sein kann, eine vollständige Berichtigungserklärung abzugeben, wenn es sich etwa nicht um eine Steuerhinterziehung in seinem eigenen Steuerschuldverhältnis handelt. So dürfte der Mittäter, der nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer oder gemäß § 34 AO Steuerpflichtiger ist, in vielen Fällen keine „bessere“ Ausgangssituation als der Gehilfe oder Anstifter der Steuerhinterziehung haben. Die Steuerhinterziehung ist kein Sonderdelikt411 und setzt lediglich in den Unterlassensvarianten des Tatbestands eine besondere Pflichtenstellung voraus.412 Demgegenüber ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Handeln nicht begrenzt und grundsätzlich kann jeder Täter sein, der tatsächlich in der Lage ist, auf die Festsetzung, Erhebung oder Vollstreckung der gesetzlich geschuldeten Steuer zum Nachteil des jeweiligen Steuergläubigers einzuwirken.413Auch die täterschaftliche Begehung einer Steuerhinterziehung setzt nicht voraus, dass der Täter oder Mittäter Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern bzw. der ungerechtfertigt erlangten Steuervorteile ist.414 Wesentliche Besonderheit der mittäterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung ist, dass die Strafbarkeit wegen der Mittäterschaft an der Steuerhinterziehung auch und insbesondere durch die wechselseitige Zurechnung der jeweils von den Tatbeteiligten erbrachten Tatbeiträge begründet wird. Gerade wegen des arbeitsteiligen Vorgehens bei Mittäterschaft können die jeweiligen „Zuständigkeitsbereiche“ der Mittäter bei der Ausführung der Steuerhinterziehung getrennt gewesen sein. Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass ein Mittäter, der nicht zugleich auch Steuerschuldner ist, bei der Ausführung der Steuerhinterziehung dem Tatplan entsprechend überhaupt keine steuerlich relevanten Angaben gemacht hat und schon zu diesem Zeitpunkt keine vertieften Kenntnisse über den Besteuerungssachverhalt hatte. Es stellt sich damit das Problem, dass der Mittäter der Steuerhinterziehung, der sich zur Abgabe einer Selbstanzeige entschließt, oft keinen Zugriff auf die Besteuerungsgrundlagen haben wird und er so weder den Besteuerungssachverhalt aufarbeiten noch eine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigungserklärung abgeben kann. a) Überblick über den Meinungsstand Nach überwiegender Ansicht sind an die Vollständigkeit der Berichtigungserklärung des Mittäters grundsätzlich dieselben Anforderungen wie an die des Alleintäters zu stellen.415 411

Statt vieler: Klein/Jäger, § 371 Rz. 25. Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30. 413 Ebenso: Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 31. 414 Statt vieler: Klein/Jäger, § 371 Rz. 25. 415 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 70; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 188; Stahlschmidt, S. 117. 412

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

235

Randt ist der Auffassung, dass der Mittäter neben seinen eigenen Angaben auch die der übrigen Tatbeteiligten berichtigen, ergänzen oder nachholen müsse. Nach Randt soll dies allerdings nur dann gelten, soweit ihm die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Angaben der übrigen Tatbeteiligten bekannt sei.416 Nach einem Teil der Literatur richten sich die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung nach der konkreten Tatausführung der anzuzeigenden Steuerhinterziehungstat: Für Simon kommt es darauf an, ob der Mittäter an der Tat lediglich „partiell“ beteiligt war oder nicht.417 War der Mittäter an der Tat lediglich partiell beteiligt, genügt es nach Simon, wenn er Angaben entsprechend seiner Beteiligung mache.418 Sofern der Mittäter mangels Zugriffs auf die Besteuerungsgrundlagen nicht zur Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung in der Lage ist, genüge es somit, wenn er lediglich seinen Tatbeitrag inhaltlich beschreibe.419 Auch Joecks stellt zur Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen der Berichtigungserklärung des Mittäters auf dessen Beitrag zur Steuerhinterziehung ab.420 Der Mittäter421 der Steuerhinterziehung müsse mit der Selbstanzeige seinen Beitrag zur Steuerhinterziehung „eliminieren“, indem er seine Tatbeteiligung offenbare und dem Finanzamt die Ermittlung der zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ermögliche.422 Nach Rüping und Beckemper bewirken arbeitsteilig selbst verwirklichte Beiträge höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Berichtigungserklärung.423 Demgegenüber sei bei von anderen Mittätern verwirklichten und dem „Betroffenen“ nur aufgrund des gemeinsamen Tatplans zugerechneten Tatbeiträgen von geringeren Anforderungen an die Berichtigungserklärung auszugehen.424 Für Breyer kommt es zur Bestimmung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung nicht darauf an, ob der Beitrag des Tatbeteiligten als Täterschaft oder Teilnahme zu werten ist.425 Breyer schlägt ebenfalls vor, die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung von dem persönlichen

416 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 240. 417 Simon/Wagner/Simon, S. 200. 418 Simon/Wagner/Simon, S. 200. 419 Simon/Wagner/Simon, S. 200. 420 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 421 Dies gilt nach Joecks indes auch für den Teilnehmer der Steuerhinterziehung, Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 422 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72; so wohl auch: Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 69. 423 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 88; ebenso auch Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 78. 424 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 89; ebenso auch Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 78. 425 Breyer, S. 239.

236

2. Teil: Besonderes

Tatbeitrag des Steuerhinterziehers abhängig zu machen.426 Die Berichtigungserklärung müsse dabei über die Art und den Umfang des Tatbeitrags informieren, allerdings nur, sofern diese Informationen steuerlich erheblich seien.427 Schauf zufolge kommt es auf den Grund an, aus dem es dem Mittäter nicht möglich ist, eine vollständige Berichtigungserklärung abzugeben. Ist dies nur deshalb der Fall, weil ihm ein Mittäter die notwendigen Auskünfte über den steuerlich relevanten Sachverhalt verweigert, soll für die wirksame Berichtigung genügen, dass der Mittäter Art und Umfang der Steuerhinterziehung und seines Tatbeitrags so genau bezeichnet, dass dem Staat dadurch der Zugriff auf die verheimlichte Steuerquelle möglich wird.428 Unschädlich sei, wenn zur Festsetzung der zutreffenden Steuer noch weitere Ermittlungen des Finanzamts notwendig sind.429 b) Stellungnahme Für eine einheitliche Beurteilung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung bei Mittätern und Alleintätern spricht zunächst einmal der einheitliche Wortlaut von § 371 AO. Der Wortlaut von § 371 AO unterscheidet nicht zwischen der Person, die Selbstanzeige erstattet, sodass vor diesem Hintergrund angenommen werden könnte, dass jede Berichtigung an den in § 371 Abs. 1 AO normierten tatbestandlichen Voraussetzungen zu messen sei. Fraglich ist jedoch, ob für eine teleologische Reduktion von § 371 Abs. 1 AO nicht andere gewichtige Gründe sprechen oder ob eine solche sogar geboten ist. aa) Zulässigkeit von Schätzungen kein ausreichendes Entgegenkommen Die unbeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsgebots bei der Berichtigungserklärung von Mittätern ist auch mit Rücksicht auf die Zulässigkeit von Schätzungen sowie die Unschädlichkeit unvorsätzlich unterlaufener geringfügiger Abweichungen nicht geeignet, die praktischen Schwierigkeiten zu reduzieren und Selbstanzeigen auch in Mehrpersonenverhältnissen nicht nur rechtlich theoretisch, sondern auch tatsächlich zu ermöglichen. Wie dargestellt, ist eine Abweichung der in der Selbstanzeige gemachten Angaben von den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nur dann unschädlich, wenn diese nicht mehr als 5 % beträgt und auch unter Berücksichtigung des Einzelfalls als geringfügig anzusehen ist.430 So dürfte das unverschuldete praktische Unvermögen des Mittäters zur Abgabe einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung zwar regel-

426 427 428 429 430

Breyer, S. 239. Breyer, S. 240. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 191. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 191. Siehe hierzu 2. Teil unter A. II. 4. b).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

237

mäßig dazu führen, dass die Abweichung in dem konkreten Einzelfall – jedenfalls bei Unterschreiten der 5 %-Grenze – als geringfügig zu bewerten ist. Ohne Zugriff auf die Besteuerungsgrundlagen oder tiefgehende Kenntnisse über die Steuerhinterziehung dürfte eine dem Vollständigkeitsgebot entsprechende Berichtigung aber trotz dieses Spielraums für viele Mittäter nicht möglich sein. Dies gilt insbesondere für diejenigen Mittäter, die selbst nicht Steuerschuldner der verkürzten Steuern bzw. die ungerechtfertigt erlangten Steuervorteile sind und auch nicht gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 AO als gesetzlicher Vertreter einer natürlichen oder juristischen Person deren steuerliche Pflichten zu erfüllen haben. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass es dem Tatbeteiligten gelingt, die steuerliche Angaben, die noch innerhalb dieser Geringfügigkeitsgrenze liegen, zu erraten. Wie dargestellt, liegt das Risiko einer Fehlschätzung bei demjenigen, der die Selbstanzeige erstattet.431 Im Hinblick auf die erheblichen Nachteile, die mit einer unwirksamen Selbstanzeige für den Mittäter verbunden sind, ist die Abgabe einer Berichtigungserklärung „ins Blaue hinein“ höchst risikoreich, keine echte Handlungsalternative zur vollständigen Berichtigungserklärung und im Übrigen wohl auch nur als Teil einer steuerstrafrechtlichen Verteidigungsstrategie zur Hinwirkung auf ein geringeres Strafmaß vorstellbar. Auch die generelle Unschädlichkeit von Schätzungen zu Lasten des Steuerpflichtigen vermag an dieser Wertung nichts zu ändern. So steht es zwar allgemeiner Ansicht nach dem Steuerhinterzieher frei, die Angaben in seiner Berichtigungserklärung auch über die zulässige 5 %-Abweichung hinaus zu schätzen, so lange er zu Lasten des Steuerpflichtigen schätzt.432 Wie dargestellt, sind dabei auch Vollschätzungen zulässig, wenn die Angaben dazu führen, dass das Finanzamt die Steuer zutreffend festsetzen kann.433 Eine einheitliche Auslegung der Vollständigkeit der Berichtigung führte jedoch dazu, dass Mittäter in diesen Fällen stets sicherheitshalber übertrieben hohe Besteuerungsgrundlagen angeben würden, um nicht die Unwirksamkeit ihrer Selbstanzeige zu riskieren. Mit stark überhöhten Sicherheitszuschlägen erklärte Angaben versetzen das Finanzamt jedoch nicht in die Lage, die Steuern zutreffend zu veranlagen, sondern erfordern weitere und mangels Brauchbarkeit dieser Angaben auch langwierige Ermittlungen des Finanzamts zur Aufdeckung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen. Selbst wenn es die Steuer auf Grundlage der geschätzten Angaben des Mittäters in seiner Selbstanzeige festlegen sollte, würde der Steuerpflichtige, ggf. vertreten durch seinen gesetzlichen Ver-

431

Siehe 1. Teil unter B. II. 2. Vgl. MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 99 m.w. N. 433 So etwa Rüping, nach dem der Verstoß gegen Buchführungspflichten die Möglichkeit, mittels Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen nicht ausschließe, Lfg. 216 März 2012 in: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, § 371 Rz. 80; zustimmend auch Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 63. 432

238

2. Teil: Besonderes

treter nach § 34 AO, ein Einspruchsverfahren einleiten. Dabei hat die Einleitung eines Einspruchsverfahrens durch den Steuerschuldner oder gemäß § 34 AO Steuerpflichtigen keine negativen Auswirkungen auf die Strafbefreiung des Mittäters.434 Damit würde die Aufarbeitung des Sachverhalts auf beiden Seiten erhebliche organisatorische und finanzielle Anstrengungen erfordern und weder für den Fiskus noch für die Finanzverwaltung auch nur irgendeinen Vorteil gegenüber einer eingeschränkten Berichtigungspflicht des Mittäters bieten. Eine stark überhöhte Schätzung ist darüber hinaus auch im Hinblick auf § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO problematisch. Danach ist die Strafbefreiung ausgeschlossen, wenn die Höhe der verkürzten Steuern bzw. die Höhe des ungerechtfertigt erlangten Steuervorteils EUR 25.000 je Tat übersteigt. Zwar kommt es auch im Rahmen von § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO ausschließlich auf das objektive Vorliegen der Voraussetzungen dieses Sperrgrunds an und selbst die irrtümliche Annahme des Steuerhinterziehers, dass der Steuerschaden über dieser Grenze liegt, bewirkt keine Auslösung. Gleichwohl wird das Finanzamt eine Selbstanzeige, die über diese Sperrgrenze hinaus verkürzte Steuern bzw. erlangte Steuervorteile ausweist, zunächst einmal als unwirksam erachten, umfangreiche steuerliche und steuerstrafrechtliche Ermittlungen zur Aufdeckung der Steuer- und Steuerstrafsachverhalte einleiten und erst nach deren Abschluss zu einem anderen Ergebnis kommen können. Die Dauer dieser Ermittlungen ist für den Mittäter der Steuerhinterziehung nicht vorhersehbar, dürfte aber im Hinblick auf die Komplexität des Steuerrechts und des Steuerstrafrechts und den verlängerten Berichtigungszeitraum eher lang bis sehr lang sein. Gerade Steuerhinterziehungen, die aus Unternehmen heraus begangen werden, erfahren eine sehr große mediale Aufmerksamkeit, sodass trotz ggf. wirksamer Selbstanzeige die beteiligten Personen zum Gegenstand der öffentlichen Diskussion werden, die nicht selten auch öffentliche Anprangerungen enthält. Solche Diskussionen führen regelmäßig neben den Nachteilen zulasten der hinter der Steuerhinterziehung stehenden Personen auch zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Unternehmen, etwa in Form von Kurseinbrüchen an der Börse oder in Form eines drastischen Reputationsverlusts. Da der Mittäter aber auch nie ausschließen kann, die Höhe der verkürzten Steuern unwissentlich doch über die 5 % Abweichung hinaus zu gering geschätzt zu haben, ist die Abgabe einer derart frei geschätzten Berichtigungserklärung für ihn mit einer über einen unter Umständen sehr langen Zeitraum andauernden erheblichen Belastungssituation verbunden. 434 So für die Wirksamkeit der Selbstanzeige des später Einspruchserhebenden: Weinbrenner, DStR 2012, 1268 (1272); Weinbrenner weist jedoch darauf hin, dass es in diesen Fällen maßgeblich auf die Begründung des Einspruchs ankommt: So können insbesondere Tatsachenänderungen Folgen für die Wirksamkeit der Selbstanzeige haben, Weinbrenner, DStR 2013, 1268 (1272).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

239

Festzuhalten bleibt damit, dass die Möglichkeit, die steuerlichen Angaben in der Berichtigungserklärung zu schätzen, keine echte Handlungsalternative für den Mittäter der Steuerhinterziehung, der in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen hat, darstellt. Da auch bei Schätzungen zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erheblicher Ermittlungsaufwand des Finanzamts bleibt, stellt dieses Vorgehen gleichzeitig auch keine echte Erleichterung für das Finanzamt dar. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Erstattung einer Selbstanzeige durch den Mittäter der Steuerhinterziehung aufgrund der Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf sämtliche Berichtigungserklärungen werden jedenfalls nicht durch die Zulässigkeit von Schätzungen und die Unschädlichkeit geringfügiger Abweichungen relativiert. bb) Sinn und Zweck von § 371 AO sowie die Rechtfertigung der Strafbefreiung erfordern keine unbeschränkte Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärung des Mittäters Zu überlegen bleibt damit, ob das Vollständigkeitsgebot in bestimmten Fallkonstellationen mittels einer teleologischen Reduktion von § 371 Abs. 1 AO eingeschränkt werden darf, um Mittätern, die in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterziehen und damit wenigstens zum Zeitpunkt der Tathandlung keine steuerlichen Pflichten435 in Bezug auf die hinterzogenen Steuern hatten, die Möglichkeit zur Selbstanzeige nicht von vorneherein abzuschneiden. Für eine solche Möglichkeit spricht, dass das Vollständigkeitsgebot nicht absolut ist und damit einer Einschränkung nicht bereits von vorneherein entgegensteht. Entscheidend ist, dass der Sinn und Zweck des Vollständigkeitsgebots der Berichtigung mit einer einschränkenden Auslegung für solche, die von Mittätern abgegeben werden, ebenfalls erreicht werden könnte. Sinn und Zweck des Vollständigkeitsgebots ist es, Straffreiheit nur demjenigen Steuerhinterzieher, der vollständig in die Steuerehrlichkeit zurückkehrt, zukommen zu lassen.436 Gleichzeitig soll es verhindern, dass die strafbefreiende Selbstanzeige als Teil einer Hinterziehungsstrategie verwendet werden kann.437 Die Berichtigung müsste also auch bei einer einschränkenden Lesart Teil einer vollständigen Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung sein.438 435 Nach Vollendung der Steuerhinterziehung treffen alle Mittäter Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis, in dem Steuern hinterzogen wurden. So haftet gemäß § 71 Alt. 1 AO derjenige, der eine Steuerhinterziehung begeht für die verkürzten Steuern oder die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. § 33 AO stellt klar, dass die Haftungsschuldner Steuerpflichtige i. S. d. AO sind („Steuerpflichtig ist, wer für eine Steuer haftet“). 436 Siehe hierzu im 2. Teil unter A. II. 1. d). 437 Siehe hierzu im 2. Teil unter A. II. 1. d). 438 Siehe im 1. Teil unter A. IV. 5. a).

240

2. Teil: Besonderes

Wie dargestellt, führen die dargestellten typischen Schwierigkeiten nicht steuerpflichtiger Mittäter dazu, dass das Vollständigkeitsgebot gerade bei Steuerhinterziehungen i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen nicht praktikabel ist. Die fehlende Praktikabilität genügt jedoch für sich genommen nicht, eine Einschränkung des Vollständigkeitsgebots zu rechtfertigen. Die uneingeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärungen aller Mittäter führt aber auch zu dem wenig nachvollziehbarem Ergebnis, dass derjenige Mittäter, der tiefergehende Kenntnisse über die Steuerhinterziehung hat, gegenüber demjenigen Mittäter, der wenig bis kaum Kenntnisse über die Art und Höhe der verkürzten Steuern hat, bevorzugt wird. Es kann nicht überzeugen, wenn derjenige Mittäter, dessen Tatbeitrag sich im Rahmen der gemeinsamen Steuerhinterziehung auf operative Aufgaben beschränkt hat, mangels Kenntnis über die Besteuerungsgrundlagen realiter nicht Selbstanzeige erstatten kann, während derjenige Mittäter, der das gesamte Tatgeschehen planvoll überblickt hat, nicht nur potentiell, sondern im Vergleich zu den übrigen Mittätern auch relativ unproblematisch Straffreiheit erlangen kann. Wegen der Zurechenbarkeit der einzelnen Tatbeiträge zu den übrigen Mittätern sowie des Umstands, dass im Rahmen der Mittäterschaft alle erbrachten Tatbeiträge von einem gemeinsamen Tatplan gedeckt sind, muss konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass die Tatbeiträge in ihrem strafrechtlichen Unrechtsgehalt einander im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen. Bei vergleichbarem Unrechtsgehalt der Taten müssen dann aber auch die Anforderungen an die zur Strafbefreiung führende Berichtigung untereinander wenigstens vergleichbar sein. Genau dies wird aber durch eine unbeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsgebots auf alle Berichtigungserklärungen der Mittäter nicht erreicht: Zwar sind die Voraussetzungen der dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung gleich. Wegen der von vorneherein bestehenden Unmöglichkeit für einen Teil der Mittäter zur Abgabe einer solchen Berichtigungserklärung kann jedoch nur ein Teil der Mittäter realiter Straffreiheit erlangen. Wie dargelegt, besteht zwischen den unterschiedlichen, die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung begründenden Tatbeiträgen im Rahmen der gemeinsamen Tatausführung gerade kein Unterschied solcher Art, dass er eine derartige Ungleichbehandlung rechtfertigen würde. Zudem widerspricht es der Zielsetzung der strafbefreienden Selbstanzeige als Wiedergutmachungsvorschrift, wenn ein Mittäter lediglich wegen der Weigerung desjenigen Mittäters, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, Einblick in die Berichtigungsgrundlagen zu gewähren bzw. für die Formulierung einer vollständigen Berichtigungserklärung notwendige Unterlagen zu beschaffen, keine Selbstanzeige erstatten kann.439 439

So im Ergebnis auch Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 191.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Festzuhalten bleibt damit jedenfalls, dass eine einheitliche Auslegung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung dem Wesen der Mittäterschaft nicht gerecht wird. Damit bedarf § 371 Abs. 1 AO einer teleologischen Reduzierung. Fraglich ist jedoch, ob eine solche in einer einschränkenden Auslegung des Vollständigkeitsgebots gefunden werden kann. Eine solche Einschränkung des Vollständigkeitsgebots wäre nur dann zulässig, wenn auch die inhaltlich eingeschränkte Berichtigungserklärung des Mittäters zu einer vollständigen Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung führt, ob der Mittäter also das Handlungsund Erfolgsunrecht „seiner“ Tat wieder ausgleicht. Wie dargestellt, ist die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige wegen der vollständigen Wiedergutmachung der mit der Selbstanzeige in Bezug genommenen Steuerhinterziehung gerechtfertigt. Wesentliches Merkmal der Mittäterschaft ist, dass einer mittäterschaftlich begangenen Tat ein höheres Handlungsunrecht zukommt als der Tat eines Alleintäters.440 Folglich muss die Selbstanzeige des Mittäters auch dieses erhöhte Handlungsunrecht wieder ausgleichen. Dies könnte indes bereits dadurch geschehen, dass der Mittäter, der alleine bzw. nur mit einem Teil der übrigen Tatbeteiligten Selbstanzeige erstatten möchte, entgegen dem Willen der „Gruppe“ handelt und diesen gruppendynamischen Zwängen zur Aufrechterhaltung der Steuerhinterziehung und zur weiteren Geheimhaltung der Steuerquellen trotzt. Dies ist selbstverständlich nur eine mögliche Fallgestaltung. Denkbar ist auch, dass ein Mittäter nach einem Disput mit den übrigen Tatbeteiligten die Selbstanzeige „im Alleingang“ abgeben möchte, um allein in den Genuss der Strafbefreiung zu gelangen, und den übrigen Mittätern durch die Aufdeckung der Steuerhinterziehung und die damit unweigerlich verbundene Auslösung des Sperrgrunds der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO gleichzeitig schaden möchte. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass jeder Mittäter auch Tatherrschaft über die Steuerhinterziehung hatte. Sofern vertreten wird, dass die Tatherrschaft wegen der der Strafbarkeit wegen Mittäterschaft immanenten Zurechenbarkeit der Tatbeiträge im Rahmen der Selbstanzeige nicht zu beachten sei, sondern allenfalls strafrechtliche Berücksichtigung finden könne441, wird dem nicht gefolgt. Bereits wegen der Zugehörigkeit der Selbstanzeige zum Strafrecht442 und ihrer Einbettung in die Systematik der übrigen Vorschriften über die Tätige Reue443 muss auch das Vorhandensein von Tatherrschaft als wesentliches Merkmal der Mittäterschaft bei der Auslegung von § 371 Abs. 1 AO gewürdigt werden.

440 Dies zeigt sich insbesondere darin, dass Mittäterschaft i. R. d. Strafzumessung in der Regel zu Lasten des Täters berücksichtigt wird, 1. Teil unter C. II. 3. 441 Breyer, S. 240. 442 Hierzu 1. Teil unter B. IV. 5. d). 443 Hierzu 1. Teil unter B. IV. 5. d).

242

2. Teil: Besonderes

In diese Richtung geht auch die Literaturansicht, nach der das Vollständigkeitserfordernis der Berichtigungserklärung sich nach der Intensität der Tatbeiträge richtet.444 Insofern ist es vom Grundsatz im Ergebnis her überzeugend, dass der Mittäter, der im Rahmen der Ausführung der Steuerhinterziehung mehr erbracht hat, grundsätzlich auch mehr wiedergutzumachen hat, sodass auch an dessen Berichtigungserklärung höhere Anforderungen zu stellen sind. Der große Nachteil dieser Auffassung ist jedoch, dass sich auch durch dieses Entgegenkommen nichts an den praktischen Schwierigkeiten des Mittäters bei seiner Berichtigungserklärung ändert. Im Gegenteil: Eine solche flexible Regelung dürfte im Ergebnis zu mehr Unsicherheit führen und damit der Anreizwirkung der Selbstanzeige zuwiderlaufen: So dürfte es für den Mittäter bereits nicht einschätzbar sein, welche Qualität sein Tatbeitrag im Rahmen der Steuerhinterziehung hatte und ob er dementsprechend eine dem Vollständigkeitsgebot genügende Selbstanzeige abgeben muss oder nicht. Bereits die Abgrenzung, ob Täterschaft oder Teilnahme vorliegt, kann im Einzelfall sehr kompliziert sein und eine zutreffende strafrechtliche Bewertung des eigenen Verhaltens kann gerade von einem rechtlichen Laien nicht vorausgesetzt werden. Selbst bei steuerlicher oder steuerstrafrechtlicher Beratung kann eine rechtssichere Einschätzung der Intensität des Tatbeitrags und einer hieran angepassten Berichtigungserklärung nicht erfolgen. Im Übrigen wäre der Steuerhinterzieher jedoch auch faktisch verpflichtet, seiner Selbstanzeige sämtliche Details der Tatbegehung der Steuerhinterziehung zugrunde zu legen, da die Finanzbehörde nur dann nachvollziehen kann, ob die Intensität des jeweiligen Tatbeitrags sich auch in der Ausführlichkeit der Berichtigungserklärung zutreffend wiederspiegelt. Dies ist bereits im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz problematisch und widerspricht dem Grundsatz, dass die Selbstanzeige ausschließlich für die Besteuerung relevante Angaben enthalten muss. Da die Entscheidung darüber, ob ein mittäterschaftlicher Tatbeitrag als intensiv einzustufen ist, aber eine Wertungsfrage darstellt, die Entscheidung darüber hinaus von vielen verschiedenen Faktoren abhängig sein dürfte und verbindliche Entscheidungsmaßstäbe nicht existieren, sind unterschiedliche Bewertungen der Intensität eines Tatbeitrags vorprogrammiert. Wenn überhaupt eine Vorhersehbarkeit bejaht werden kann, wird dies nur in evidenten Fällen denkbar sein, also etwa wenn der jeweilige Tatbeitrag des Mittäters so mitbestimmend für die Ausführung oder den tatbestandlichen Erfolg der Steuerhinterziehung war, dass bei Zugrundelegung dieser Auffassung von der uneingeschränkten Geltung des Vollständigkeitsgebots ausgegangen werden müsste.

444 Simon/Wagner/Simon, S. 180; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 88; ebenso auch Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 78.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Im Hinblick darauf, dass jedoch gerade die Vorhersehbarkeit der Anforderungen der Selbstanzeige sowie ihre obligatorische Rechtsfolge den wesentlichen Grund für ihre Anreizwirkung zur Abgabe der Selbstanzeige und damit zur Vermehrung des Steueraufkommens durch Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung darstellt, liefe eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck von § 371 AO zuwider. Bei Unsicherheiten über die Wirksamkeit seiner Selbstanzeige wird der Mittäter sich im Zweifel gegen die Abgabe einer Selbstanzeige entscheiden oder eine solche allenfalls als Verteidigungsstrategie zur Verringerung des Strafmaßes in Erwägung ziehen (etwa, wenn bereits Sperrgründe verwirklicht wurden und der Mittäter „nichts mehr zu verlieren hat“). Hinzu kommt, dass sich auf der Grundlage dieser Ansicht bereits aus der Vollständigkeit der Selbstanzeige Rückschlüsse auf die Art und Weise der Begehung der Steuerhinterziehung ziehen lassen. Trotz des richtigen Ansatzes dieser Ansicht ist die Verknüpfung von Intensität des Tatbeitrags und Anforderungen an die Berichtigungserklärung daher abzulehnen. Eine taugliche Berücksichtigung der Tatherrschaft bei Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen an die Selbstanzeige des Mittäters ist überdies auch nicht darin zu sehen, dass dem Mittäter die Aufdeckung lediglich seines Tatbeitrags an der Steuerhinterziehung auferlegt wird. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich die Berichtigungspflicht gemäß § 371 Abs. 1 AO ausschließlich auf steuerlich erhebliche Angaben erstreckt. Eine Aufdeckung des der Steuerhinterziehung zugrundeliegenden Sachverhalts wird von der Norm nicht verlangt. Die Gleichsetzung der Berichtigungspflicht mit einer ungeschriebenen Pflicht zur Aufdeckung der eigenen Straftat ist somit weder von dem Wortlaut der Norm gedeckt noch geht dies mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB konform. Überdies wäre eine Pflicht zur Beschreibung des eigenen Tatbeitrags auch im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz zweifelhaft. Hinge die Strafbefreiung von der Selbstbelastung des Mittäters ab, läge ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz vor. Zu den bereits angesprochenen Schwächen der Auffassung, die als Berichtigungserklärung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO des Mittäters die Aufdeckung des eigenen Tatbeitrags fordert, tritt jedoch hinzu, dass es höchst zweifelhaft ist, ob auf dieser Grundlage die Steuer beim Steuerpflichtigen zutreffend festgesetzt werden kann. Denn selbst wenn der Mittäter, der in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen hat, darlegt, inwiefern (etwa durch welche Handlungen) er an der Steuerhinterziehung mitgewirkt hat, kann das Finanzamt auf dieser Grundlage keinen Steuerbescheid erlassen. Da im Rahmen der Mittäterschaft die jeweiligen Tatbeiträge den anderen Mittätern zugerechnet werden, kann sich der Tatbeitrag eines Mittäters auf rein praktische Ausführungen beziehen, ohne dass er je nähere Kenntnisse über die Be-

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2. Teil: Besonderes

steuerungsgrundlagen etwa hinsichtlich der Höhe der verkürzten Steuern bzw. der Höhe der ungerechtfertigt erlangten Steuervorteile besitzt oder erfährt. cc) Die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots ist unabhängig von dem jeweiligen Tatbeitrag des Mittäters zu beurteilen Das arbeitsteilige Vorgehen der Mittäter hat zur Folge, dass die Abgabe einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung für den einen Mittäter mit größeren praktischen Schwierigkeiten verbunden sein kann als für den anderen Mittäter. Hinzu kommt, dass die jeweiligen Tatbeiträge der unterschiedlichen Mittäter nicht immer klar abgrenzbar sind und oft nicht sinnvoll voneinander getrennt werden können. Aus der Beschreibung des Tatbeitrags eines nicht steuerpflichtigen Mittäters kann überdies nicht geschlossen werden, dass der Steuerpflichtige445 in der betreffenden Steuerart nicht noch weitere steuerliche Verfehlungen begangen hat. Folglich wird das Finanzamt den Besteuerungssachverhalt erst umfassend aufklären müssen. Damit ist aber durch die Aufdeckung des Tatbeitrags im Vergleich zu einer anderen Art der Berichtigungserklärung nichts gewonnen. Der fiskalische Zweck der Selbstanzeige wird nach der hier vertretenen Ansicht mit jeder Selbstanzeige, die die Person des Steuerschuldners und die Art der hinterzogenen Steuern nennt, erfüllt, sodass es auch unter diesem Gesichtspunkt keiner Aufdeckung des eigenen Tatbeitrags bedarf. Auch die mit § 371 AO bezweckte Wiedergutmachung der Steuerhinterziehungstat kann nicht zwangsläufig nur durch Aufdeckung des eigenen Tatbeitrags an der Steuerhinterziehung erfolgen. Entscheidend ist vielmehr, dass der Steuerhinterzieher das Handlungsunrecht seiner Steuerhinterziehung wieder ausgleicht. dd) Plädoyer für die Maßgeblichkeit der Eigenschaft als Steuerschuldner oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO Steuerpflichtigen als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots Wie dargestellt wurde, liegt das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehung in den Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO grundsätzlich darin, dass der Täter dem Finanzamt nicht wahrheitsgemäße Angaben macht.446 In den Fällen aktiver Steuerhinterziehung liegt das Handlungsunrecht in der Regel darin, dass der

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Sofern er an der anzuzeigenden Steuerhinterziehung täterschaftlich mitgewirkt

hat. 446 Lütt, S. 49 und S. 61 f.; ebenso Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30; siehe hierzu auch 1. Teil unter B. IV. 5. a).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Steuerhinterzieher überhaupt keine Angaben gemacht hat (mithin auch die Angabe richtiger Angaben unterlassen hat).447 Im Hinblick auf das entscheidende Kriterium der Anreizwirkung der Selbstanzeige, der Vorhersehbarkeit ihrer Voraussetzungen sowie ihrer festen Rechtsfolge, bietet es sich daher an, die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots von der Eigenschaft des Mittäters als Steuerschuldner oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO Steuerpflichtiger abhängig zu machen. Gemäß § 33 Abs. 1 AO ist Steuerpflichtiger, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. § 43 AO legt fest, wer Steuerschuldner und Steuerentrichtungsschuldner sind. Gemäß § 43 S. 1 1. Alt. AO bestimmen die Steuergesetze, wer Steuerschuldner ist. Damit ist Steuerschuldner derjenige, der nach den Einzelsteuergesetzen wegen der Verwirklichung des Steuertatbestands (§ 3 Abs. 1 AO) auf eigene Rechnung eine Steuer zu leisten hat.448 Steuerentrichtungspflichtiger ist nach § 43 S. 2 AO derjenige Dritte, der verpflichtet ist, die Steuer auf Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten. So ist etwa der Arbeitgeber für die Lohnsteuer entrichtungspflichtig (§§ 38 Abs. 3 S. 1, 41a Abs. 1 EStG), obwohl Steuerschuldner der Lohnsteuer der Arbeitnehmer ist und es sich damit für den Arbeitgeber um ein fremdes Steuerschuldverhältnis handelt. Bei Steuerhinterziehungen im Rahmen von Unternehmen ist i. d. R. das Unternehmen selbst steuerpflichtig i. S. d. § 33 Abs. 1 AO. § 34 Abs. 1 S. 1 AO bestimmt daher, dass die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen die steuerlichen Pflichten des Vertretenen zu erfüllen haben. § 34 Abs. 1 S. 1 AO begründet ein eigenständiges Pflichtverhältnis der genannten natürlichen Personen gegenüber der Finanzbehörde.449 Dieses Pflichtverhältnis besteht in der Erfüllung der steuerlichen Pflichten, die dem Vertreter auferlegt sind, beispielsweise zur Abgabe der Steuererklärungen, Mitwirkungs- und Auskunftspflichten im Steuerverfahren.450 Trotz ihres eigenständigen Pflichtverhältnisses werden die gemäß § 34 Abs. 1 AO Verpflichteten nicht selbst Beteiligte des Steuerschuldverhältnisses.451 Der gemäß § 34 Abs. 1 AO Verpflichtete nimmt 447

Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 30; ebenso: Breyer, S. 21 f. Koenig/Koenig, AO § 33 Rz. 27. 449 Klein/Rüsken, § 34 Rz. 1. 450 Klein/Rüsken, § 34 Rz. 1. 451 Klein/Rüsken, § 34 Rz. 1. Dies ist erst dann der Fall, wenn die Vertreter ihre durch § 34 AO auferlegten Pflichten verletzten und deshalb gemäß § 69 AO Haftungsschuldner sind, vgl. Klein/Rüsken, § 34 Rz. 1. 448

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2. Teil: Besonderes

also „lediglich“ die steuerlichen Pflichten für den Vertretenen aus dessen Steuerschuldverhältnis wahr. Inhaltlich unterscheiden sich damit die vom Steuerpflichtigen selbst bzw. durch den Vertreter gemäß § 34 Abs. 1 AO wahrzunehmenden Pflichten im Wesentlichen nicht.452 Der entscheidende Unterschied besteht allein auf Ebene der Vertretung des Steuerpflichtigen, sodass einer einheitlichen Bewertung der inhaltlichen Anforderungen der Berichtigungserklärung beider Personen nichts entgegensteht. Insbesondere ist hinsichtlich des praktischen Unvermögens zu berücksichtigen, dass die gemäß § 34 Abs. 1 AO Verpflichteten aufgrund ihrer Stellung als Organ der juristischen Person bzw. als gesetzlicher Vertreter der natürlichen Person eine exponierte Stellung haben und sich ggf. Zugang zu den benötigen Steuerdokumenten des Steuerpflichtigen beschaffen können. Auch der Verfügungsberechtigte ist gemäß § 35 AO steuerpflichtig. § 35 AO legt ihm dieselben Pflichten wie dem gesetzlichen Vertreter gemäß § 34 Abs. 1 AO auf. Für die vorliegende Untersuchung von untergeordnetem Interesse ist der Haftungstatbestand aus § 71 AO. Danach haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO. Die Haftung nach § 71 AO setzt damit voraus, dass der in Anspruch Genommene eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt.453 Es handelt sich um eine steuerliche Rechtsfolge der Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung oder -hehlerei.454 Wegen der Akzessorietät der Haftung nach § 71 AO setzt die Haftung voraus, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis noch existiert.455 Auch der Haftungsschuldner ist gemäß § 33 AO steuerpflichtig. Haftungsschuldner ist, wer kraft Gesetzes für die Schuld eines anderen mit seinem eigenen Vermögen einzustehen

452 So besteht die Pflicht aus § 34 AO zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der natürlichen oder juristischen Person grundsätzlich umfassend. Rüsken weist darauf hin, dass die Pflicht aus § 34 nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses, das die Pflichtenstellung des Vertreters nach § 34 AO begründet, beschränkt sein kann, Klein/Rüsken, § 34 Rz. 35. Indes ergeben sich auch vor diesem Hintergrund keine Unterschiede in der Bestimmung des Inhalts der Berichtigungserklärung: Sofern sich aus dem die Pflichtenstellung des Mittäters begründenden Rechtsverhältnis ergibt, dass in Bezug auf die hinterzogenen Steuern eine Pflichtenstellung gemäß § 34 AO zu bejahen ist, unterliegt die Berichtigungserklärung dem Vollständigkeitsgebot. Sofern sich aus dem Rechtsverhältnis ergibt, dass sich in Bezug auf die hinterzogenen Steuer keine Pflichtenstellung nach § 34 AO ergibt, unterliegt die Berichtigungserklärung nicht dem Vollständigkeitsgebot und entspricht der Berichtigungserklärung des nicht steuerpflichtigen Mittäters. 453 BFH, Urteil vom 15. Januar 2013 – VIII R 22/10 –, BStBl. II 2013, 526. 454 Klein/Rüsken, § 371 Rz. 16. 455 BFH, Urteil vom 15. Januar 2013 – VIII R 22/10 –, BStBl. II 2013, 526.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

247

hat. Der Haftungstatbestand kann sich aus den Einzelsteuergesetzen, aus der AO sowie aus außersteuerrechtlichen Normen, etwa § 128 HGB, ergeben.456 Sowohl den Schuldner der hinterzogenen Steuern als auch den Haftungsschuldner treffen keine steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern. Das Einstehenmüssen für die Steuerschuld aus einem fremden Besteuerungsverhältnis ergibt sich vielmehr aus außerhalb des Steuerverfahrens liegenden Gründen. Damit sind der Steuerschuldner, in dessen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogen wurden, und die gemäß §§ 34 Abs. 1 und 35 AO steuerpflichtigen Mittäter bereits vor der mittäterschaftlichen Steuerhinterziehung Adressaten der steuerlichen Pflichten gewesen und haben somit Kenntnisse von den Besteuerungsgrundlagen bzw. können sich benötigte Kenntnisse durch uneingeschränkte Zugriffsmöglichkeiten auf die relevanten Unterlagen verschaffen. Dieser Umstand ermöglicht es diesen Steuerhinterziehern, jederzeit – zumindest potentiell – auf sämtliche Unterlagen zu den Besteuerungsgrundlagen zuzugreifen bzw. durch ihre entsprechenden Befugnisse jederzeit – zumindest potentiell – sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen. Damit haben nur diese Steuerhinterzieher die realistische Möglichkeit, eine vollständige Berichtigung i. R. einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO abzugeben, ohne dass sie hierzu von dem Gutwillen anderer Personen abhängig wären. ee) Teleologische Reduktion von § 371 Abs. 1 AO im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm Die Einschränkung des Vollständigkeitsgebots mittels einer teleologischen Reduktion von § 371 Abs. 1 AO ist auch im Hinblick auf die jüngsten Reformen der Norm geboten. So unterscheidet zwar der Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO nicht danach, wer Selbstanzeige erstattet, sondern statuiert einheitliche Anforderungen an die Berichtigung. Gleichwohl ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass derjenige, der gemäß § 371 AO Selbstanzeige erstattet, auch derjenige ist, der in Bezug auf die hinterzogenen und nachzuerklärenden Steuern bereits vor der fraglichen Hinterziehungstat steuerpflichtig war. Der Gesetzgeber hat die Fallsituation, in der die Personen des Selbstanzeigeerstattenden und des in diesem Sinne Steuerpflichtigen auseinanderfallen, bei Formulierung des Berichtigungserfordernisses gemäß § 371 Abs. 1 AO nicht berücksichtigt.

456

Koenig/Koenig, AO § 33 Rz. 28.

248

2. Teil: Besonderes

(1) Beschlussempfehlungen und Bericht des 7. Finanzausschusses zur Änderung der Abgabenordnung im Vorfeld des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes In den Debatten im Bundestag vor Änderung der strafbefreienden Selbstanzeige durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde die Fallkonstellation, in der Selbstanzeigeerstatter und Steuerpflichtiger im hier besprochenen Sinne auseinanderfallen, nicht erwähnt. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Wortführer der Debatte regelmäßig die Begriffe Person des Selbstanzeigeerstattenden/Steuerhinterzieher und Steuerpflichtiger synonym verwenden.457 (2) Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat der Gesetzgeber das Vollständigkeitsgebot für die Berichtigung des Selbstanzeigeerstattenden gemäß § 371 Abs. 1 AO eingeführt.458 Doch auch hier hat der Gesetzgeber die Fallsituation, in der die Personen des Selbstanzeigeerstattenden und des bereits im Steuerverfahren Steuerpflichtigen auseinanderfallen, übersehen. Darüber hinaus scheint er auch davon auszugehen, dass die Berichtigung ausschließlich von dem bereits im Steuerverfahren steuerpflichtigen Täter der Steuerhinterziehung abgegeben wird. So heißt es in der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum sog. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz auf S. 6 (Hervorhebungen durch die Verfasserin): „Ohne die Offenbarung der Täter hätten die Steuerbeamten auch keine Ermittlungsansätze gegenüber Helfern und Mittätern. Eine vollständige Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige nähme den Finanzbehörden daher im Ergebnis Ermittlungsmöglichkeiten und verringerte das Steueraufkommen, denn Sachverhalte würden nicht mehr offenbart und damit Steuergelder nicht mehr eingenommen. Die Täter blieben unerkannt, d.h. sie blieben straffrei und behielten hinterzogenes Vermögen.“ 459

Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen des Gesetzgebers ergibt sich, dass dieser neben der Tätereigenschaft auch die bereits im Steuerverfahren bestehende ursprüngliche Steuerpflichtigkeit des Steuerhinterziehers vor Augen hatte: 457 458 459

BT-Drucks. 17/5067, S. 20 und S. 21. BT-Drucks. 17/4182. Vgl. BT-Drucks. 17/4182, S. 6.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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Ebenfalls auf S. 6 des Entwurfs heißt es nämlich: „Gleichzeitig wird mit dem Institut der Selbstanzeige demjenigen Steuerhinterzieher, der geneigt ist, seinen steuerlichen Pflichten künftig wieder vollumfänglich nachzukommen, eine verfassungsrechtlich anerkannte Brücke in die Steuerehrlichkeit geboten. In der persönlichen Strafaufhebung kommen daher auch allgemeine strafrechtliche Prinzipien zum Ausdruck wie z. B. ,Rücktritt‘ oder ,tätige Reue‘ beziehungsweise ,Wiedergutmachung‘.“460

Anschließend heißt es: „Ein an der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit interessierter Steuerhinterzieher darf jedoch – wollte er nach Begehung der Steuerhinterziehung nunmehr seinen steuerlichen Pflichten korrekt nachkommen – nicht faktisch ,gezwungen‘ sein, sich gegenüber der Steuerverwaltung selbst seiner zuvor begangenen Straftaten zu verdächtigen.“ 461

Hintergrund der mit Strafaufhebung zu würdigenden Leistung des Steuerhinterziehers soll also nach Auffassung des Gesetzgebers dessen Absicht, „seinen steuerlichen Pflichten“ zukünftig wieder nachzukommen, sein. Dies setzte aber notwendigerweise voraus, dass bereits vor der Steuerhinterziehung Steuerpflichten in Bezug auf die später hinterzogenen Steuern bestanden und der Steuerhinterzieher mithin durch seine gemäß § 371 AO anzuzeigende Steuerhinterziehung eigene steuerliche Pflichten verletzt hat. Wie dargestellt, kann dies jedoch nur dann der Fall sein, wenn der Steuerhinterzieher Steuerschuldner der verkürzten Steuer ist oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Steuerpflichtigen verantwortlich ist. Der nicht in diesem Sinne steuerpflichtige Steuerhinterzieher hat mit der angezeigten Steuerhinterziehung keine eigenen steuerlichen Pflichten verletzt, durch seine Mitwirkung an der Steuerhinterziehung tritt dieser auch nicht in das Steuerschuldverhältnis des Steuerpflichtigen mit ein. Die Abgabe der Selbstanzeige setzt die Eigenschaft als Steuerschuldner gerade nicht voraus. Vielmehr ist auch hier davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Fallkonstellation, in der die Personen des Steuerschuldner und des sich gemäß § 371 AO Anzeigende auseinanderfallen, übersehen hat. (3) Begründung des Regierungsentwurfs zum AOÄG 2015 vom 03.11.2014 Entsprechendes gilt auch für den Gesetzgeber des AOÄG 2015 vom 03.11.2014. So heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs zum AOÄG 2015 zu § 371 Abs. 1 S. 1 AO: 460 461

Vgl. BT-Drucks. 17/4182, S. 6. Vgl. BT-Drucks. 17/4182, S. 6.

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2. Teil: Besonderes

„Die steuerliche Festsetzungsfrist beträgt hingegen sowohl für Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung als auch bei einfacher Steuerhinterziehung nach § 169 Absatz 2 Satz 2 AO zehn Jahre. Da der Steuerpflichtige bislang nach § 371 Absatz 1 AO nur verpflichtet war, hinsichtlich der strafrechtlich noch nicht verjährten Taten unrichtige Angaben zu berichtigen, unvollständige Angaben zu ergänzen oder unterlassene Angaben nachzuholen, musste das Finanzamt in Fällen einfacher Steuerhinterziehung für die steuerlich noch offenen Altjahre ggf. schätzen.“ 462

Der Gesetzgeber spricht somit als Adressaten von § 371 Abs. 1 S. 1 AO ausschließlich von dem Steuerpflichtigen. Die Formulierung lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Begriff des „Steuerpflichtigen“ synonym zu dem des sich selbst nach § 371 Abs. 1 AO Anzeigenden verwendet. Mithin scheint es, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 371 Abs. 1 S. 1 AO ausschließlich den Steuerpflichtigen, der Selbstanzeige erstatten möchte, vor Augen hatte.463 Allerdings ist die Steuerpflichtigkeit gerade keine Voraussetzung zur Abgabe einer Berichtigungserklärung gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO und mithin der Erstattung einer wirksamen und strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO. Vielmehr kommt es lediglich darauf an, ob eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung vorliegt, welche ebenfalls nicht die Steuerpflichtigkeit in Bezug auf die verkürzten Steuern bzw. die ungerechtfertigt hinterzogenen Steuern voraussetzt. An anderer Stelle differenziert der Gesetzgeber. So heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs zum AOÄG 2015 zu § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO: „Durch das Ersetzen des bisherigen Begriffs des „Täters“ durch den Begriff des „an der Tat Beteiligten“ erstreckt sich zukünftig die Sperrwirkung des § 371 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a AO auch auf Anstifter und Gehilfen. Wenn z. B. einem Täter einer Steuerhinterziehung die Prüfungsanordnung nach § 196 AO für eine steuerliche Außenprüfung bekannt gegeben worden ist, kann zukünftig der Anstifter zu der Steuerhinterziehung nicht mehr eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung abgeben. Vielmehr ist auch für ihn die Selbstanzeige gesperrt.“ Hieraus ergibt sich zwar zumindest im Umkehrschluss, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass neben dem Täter der Steuerhinterziehung auch die übrigen Tatbeteiligten wirksam Selbstanzeige erstatten können. Auch vor dem Hintergrund, dass § 371 AO in Mehrpersonenverhältnissen Anwendung findet, spricht die Gesetzesbegründung als gemäß § 371 Abs. 1 AO berichtigende Person ausschließlich vom Steuerpflichtigen. Die Probleme, die sich 462

BT-Drucks. 18/3018, S. 10. Wie hier auch schon Hofstetter: „Bei der Bezeichnung der Handlungen in § 410 AO hatte der Gesetzgeber offensichtlich nur solche im Auge gehabt, die der systematischen Ausgestaltung des Steuerrechts und des Steuerverfahrensrechts entsprechend geeignet sind, dem Finanzamt nachträglich die richtige Festsetzung des verkürzten Steueranspruchs oder die Rückgängigmachung des ungerechtfertigten Steuervorteils zu ermöglichen“, Hofstetter, StW 1965, 169 (173). 463

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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aber gerade in Mehrpersonenverhältnisse bei Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige durch den nicht steuerpflichtigen Steuerhinterzieher stellen, hat der Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Es handelt sich damit um eine echte Lücke, die lediglich im Wege einer teleologischen Reduktion des § 371 Abs. 1 AO ausgefüllt werden kann. Dabei müssen auch die im Wege der teleologischen Reduktion zu ermittelnden Anforderungen an den Inhalt der Berichtigungserklärung i. R. dieser Mehrpersonenverhältnisse im Wesentlichen den gleichen strafrechtlichen Erwägungen genügen wie die Selbstanzeigeerklärung des Alleintäters: Entscheidend ist damit, dass die Selbstanzeige des Mittäters das Handlungs- und Erfolgsunrecht „seiner“ Steuerhinterziehung wieder ausgleicht und mithin eine vollständige Wiedergutmachung „seiner“ Steuerhinterziehung erfolgt. Darüber hinaus muss der Mittäter mit seiner Berichtigungserklärung einen Kausalverlauf in Gang setzen, der dem Finanzamt, ohne dass eigene langwierige Ermittlungen erforderlich würden, die zutreffende Steuerveranlagung beim Steuerschuldner ermöglicht. ff) Ausgleich des Tatunrechts der steuerverfahrensrechtlich steuerpflichtigen Mittäter im Vergleich zum Ausgleich des Tatunrechts der übrigen Mittäter Der Mittäter, der zugleich auch Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer ist, gleicht das Handlungsunrecht „seiner“ Steuerhinterziehung durch die Selbstanzeige wieder aus, indem er die von § 371 Abs. 1 AO geforderte Handlung vornimmt, d.h. sich gegenüber dem Finanzamt zu erkennen gibt und seiner ursprünglichen Pflicht, das Finanzamt über alle steuerlich relevanten Sachverhalte in Kenntnis zu setzen, nachkommt. Wie dargestellt, muss die Berichtigung den ursprünglichen steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen genügen.464 Da dem Steuerhinterzieher, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer ist noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig ist, in der Regel keine steuerverfahrensrechtlichen Mitwirkungsrechte obliegen, ist von ihm mit seiner Selbstanzeige auch nicht die Nachholung eines ursprünglich gebotenen Verhaltens zu fordern. Da ein solcher Mittäter jedoch durch seine Mitwirkung an der Steuerhinterziehung zurechenbar eine Steuerhinterziehung bewirkt hat, muss er auch mit seiner Selbstanzeige einen Kausalverlauf in Gang setzen, der zu einer zutreffenden Festsetzung der verkürzten Steuern durch das Finanzamt führt. Nach der hier vertretenen Ansicht genügt es, wenn der nicht ursprünglich im Steuerverfahren steuerpflichtige Steuerhinterzieher dem Finanzamt mitteilt, wer Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist und welcher Steuerart die im Rahmen des Mehrpersonenverhältnisses hinterzogenen Steuern angehören. Auf diese 464

Hierzu 2. Teil unter A. I.

252

2. Teil: Besonderes

Art und Weise hat das Finanzamt einen tauglichen Ausgangspunkt für die Ermittlung des Besteuerungssachverhalts und kann somit die Steuer zutreffend festsetzen. Der Selbstanzeigeerstatter hat auf diese Weise alles in seiner Macht stehende getan, um die zutreffende Festsetzung der hinterzogenen Steuern zu ermöglichen und hat einen Kausalverlauf zur richtigen Besteuerung in Gang gesetzt. Sofern die zutreffende Festsetzung der hinterzogenen Steuern im Einzelfall noch zusätzlicher langwidriger Ermittlungen durch das Finanzamt bedarf (etwa weil das Finanzamt weitere Steuerverfehlungen des Steuerschuldners der hinterzogenen Steuer vermutet), sind diese dem Selbstanzeigeerstatter nicht zuzurechnen und vermögen den Eintritt seiner Straffreiheit nicht zu versagen. Zu berücksichtigen ist insofern, dass die Angaben des Selbstanzeigeerstatters in jedem Fall dazu führen, dass sich die zur zutreffenden Besteuerung des Steuerschuldners, in dessen Steuerschuldners Steuern hinterzogen wurden, erforderliche Ermittlungsarbeit des Finanzamts reduziert, die Ermittlungen mithin „weniger lang sind“, als wenn überhaupt keine Angaben465 gemacht würden. Diese Ansicht vermeidet die Schwächen der Literaturansichten, indem für den Selbstanzeigewilligen im Vorfeld der Erstattung der Selbstanzeige klar erkennbar ist, was von ihm gefordert wird und er mithin das Risiko der Unwirksamkeit der Erklärung einigermaßen sicher einschätzen kann. Dadurch wird der Anreiz zur Abgabe der Selbstanzeigen aufrechterhalten und dem fiskalischen Zweck der Selbstanzeige genügt. Gleichzeitig erfolgt eine vollständige Wiedergutmachung der Steuerhinterziehungstat, sodass die Gewährung der Strafbefreiung auch vor diesem Hintergrund gerechtfertigt ist. Entscheidendes Kriterium dafür, ob das Vollständigkeitsgebot anwendbar ist oder nicht, ist mithin die Eigenschaft des Mittäters als Steuerschuldner oder als Steuerpflichtiger i. S. v. §§ 34 Abs. 1, 35 AO. c) Zwischenergebnis Die Berichtigungserklärung des bereits im Steuerschuldverhältnis steuerpflichtigen Mittäters unterliegt dem Vollständigkeitsgebot. Dies gilt auch für die Berichtigungserklärung der gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Steuerpflichtigen verpflichteten Personen. 465 Verlangte man von jedem Steuerhinterzieher, unabhängig davon, ob er in einem eigenen oder fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen hat bzw. in Bezug auf die hinterzogenen Steuern steuerpflichtig i. S. v. §§ 34 Abs. 1, 35 AO ist, eine das Vollständigkeitsgebot wahrende Berichtigungserklärung, würden viele Steuerhinterzieher von der Erstattung einer Selbstanzeige absehen. In diesen Fällen hätte das Finanzamt keine Informationen, auf das es seine Ermittlungen zur zutreffenden Festsetzung der Steuer stützen könnte. Im Übrigen ist gerade im Hinblick auf die hohe Dunkelziffer bei Steuerhinterziehungen unsicher, ob das Finanzamt in solchen Fällen überhaupt vor ihrer strafrechtlicher Verjährung von der Steuerhinterziehung erfährt.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

253

Das Vollständigkeitsgebot gilt jedoch nicht für diejenigen Mittäter, die nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern sind und vor der Steuerhinterziehungstat auch keine anderen steuerverfahrensrechtlichen Pflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern hatten. Auch die aufgrund ihrer Mitwirkung an der Steuerhinterziehungstat bestehende Steuerpflichtigkeit gemäß § 71 AO reicht zur Begründung der Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots nicht aus. Bei der Haftung gemäß § 71 AO handelt es sich lediglich um eine wegen der Steuerhinterziehungstat bestehende akzessorische Haftungsgrundlage, die keinerlei Bezug auf die Erfüllung steuerverfahrensrechtlicher Erklärungs- oder Mitwirkungsrechte nimmt. Mittäter, die nicht bereits im Steuerverfahren in Bezug auf die hinterzogenen Steuern steuerliche Pflichten hatten, müssen in der Berichtigung damit darauf hinweisen, dass steuerlich relevante Angaben nachzuerklären sind, wer steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist und welcher Steuerart die nachzuerklärenden Besteuerungsgrundlagen angehören. 8. Zur Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei praktischem Unvermögen des Teilnehmers Nach der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur und Rechtsprechung sind an die Berichtigungserklärung des Teilnehmers grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Selbstanzeige des (Allein-)Täters.466 Von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur werden von diesem Grundsatz verschiedene Ausnahmen zugelassen. Die unterschiedlichen Ansichten unterscheiden sich teilweise erheblich. Weitestgehend einig sind sich die Vertreter der verschiedenen Ansichten darin, dass der Tatbeteiligte, der lediglich an bestimmten Tatabschnitten mitgewirkt hat oder dessen Teilnahmehandlungen sich lediglich auf einen Teil der verkürzten Steuern bezogen haben, in seiner Selbstanzeige auch lediglich über diesen Tatbeitrag Angaben machen müsse.467 Nicht erforderlich sei, dass der Teilnehmer 466 So Bublitz ausdrücklich für die Berichtigungserklärung des Gehilfen Bublitz, wistra 1986, 117 (117 f.); vgl. auch Rolletschke, nach dem der Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung in der Selbstanzeigeerklärung grundsätzlich Angaben über die Art und Weise seiner Mitwirkung und Angaben über die Art und den Umfang der Steuern, an deren Hinterziehung er beteiligt war, machen muss, Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 53; Helml, S. 67; Jäger für die Berichtigungserklärung des Gehilfen, Jäger, wistra 2000, 347; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, Rz. 70; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 188; Leez, Steuk 2011, 339 (341); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 111; Quedenfeld/Füllsack/ Füllsack/Bürger, S. 198; Roth, NZWiSt 2012, 23 (24); Stahlschmidt, S. 117. 467 So für die Selbstanzeige des Gehilfen, BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996; vgl. auch Beckemper, nach der der Gehilfe und Anstifter die Berichtigung lediglich im Rahmen ihrer Verantwortung abgeben müssten, Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 79 und Rz. 80; Jäger, wistra 2000, 344

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2. Teil: Besonderes

auch über die Tatbeiträge der anderen Beteiligten oder über den gesamten Umfang der Steuerhinterziehungstat berichtet.468 a) Überblick über den Meinungsstand Die Auffassungen in der Literatur und Rechtsprechung zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigung des Teilnehmers und die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots gehen teilweise sehr stark auseinander. aa) Keine Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei der Berichtigung des Teilnehmers Mangels Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Beteiligten im Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO stellt ein Teil der Literatur und der Rechtsprechung darauf ab, dass auch mit der Selbstanzeige des Teilnehmers eine vollständige Berichtigung erfolgen müsse.469 Das praktische Unvermögen des Teilnehmers zur Beschaffung der hierfür benötigten Besteuerungsgrundlagen soll Vertretern dieser Ansicht zufolge unerheblich sein. Insofern sei zu berücksichtigen, dass auch der Täter, der zur Abgabe einer Berichtigung nicht in der Lage ist, strafbar bleibe, ohne dass es auf die Gründe für sein Unvermögen ankomme.470 Pütz wirft ein, dass der Bankmitarbeiter, der sich wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, im Gegenzug zu dem als Haupttäter der Steuerhinterziehung strafbaren Bankkunden nichts leisten könne, was seine Strafbefreiung rechtfertigte: So müsse der Bankkunde die Steuerquellen aufdecken und die hinterzogenen Steuern nachzahlen.471 Eine entsprechende „Gegenleistung“ des Bankmitarbeiters für die Strafbefreiung existiere nicht.472 Auch gäbe es keine besondere Schutzwürdigkeit des Teilnehmers, etwa mangels dessen „Selbstanzeigefähigkeit“, sodass für die Zulassung geringerer Anforderungen an dessen Selbstanzeige keine Rechtfertigung vorliege.473 Schließlich (348); Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72; Klein/Jäger, § 371 Rz. 107; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 192. 468 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 192: „Für den Teilnehmer ist immer ausreichend, vollständige Angaben über seinen eigenen Tatbeitrag nebst verkürzten Beträgen zu machen, nicht aber über Tatbeiträge Anderer oder den Gesamtumfang der Tat“, Leez, Steuk 2011, 339 (341). 469 LG Hamburg v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; Bublitz, wistra 1986, 117 (117); Pfaff, 1973 S. 296. 470 LG Hamburg v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120; Bublitz, wistra 1986 117, (117 f.); Ditges/Graß, BB 1998, 1978 (1980). 471 Pütz, wistra 1998, 54 (54). 472 Pütz, wistra 1998, 54 (54). 473 So Bublitz für die Selbstanzeige des Gehilfen, Bublitz, wistra 1986, 116 (117).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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stehe die Eigenschaft der strafbefreienden Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund der restriktiven Auslegung des Vollständigkeitsgebots entgegen: So werde der Steuerhinterzieher nicht wegen seines Unvermögens zur Abgabe einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigung bestraft, sondern ausschließlich wegen seiner vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung.474 Auch wegen der geringeren Qualität des Tatbeitrags des Teilnehmers im Vergleich zu dem des Täters sowie wegen des geringeren Interesses an der Steuerhinterziehungstat bedürfe es keiner restriktiven Auslegung des Vollständigkeitsgebots. Diese Umstände seien ausreichend im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt.475 Nach einem Teil der Literatur soll es jedenfalls für den Gehilfen für die Strafbefreiung genügen, dass er seine Berichtigung „in dem quantitativen Rahmen“ seiner strafrechtlichen Verantwortung abgibt476, sofern die Berichtigung dem Finanzamt ohne das Erfordernis eigener langwieriger Nachforschungen die Aufdeckung des Besteuerungssachverhalts und die zutreffende Festsetzung der Steuer ermöglicht.477 Entsprechendes soll nach Rüping für den Anstifter der Steuerhinterziehung gelten.478 Nach Pump/Krüger müsse der Teilnehmer der Steuerhinterziehung nicht nur Angaben über die Art und Weise seiner Mitwirkung machen, sondern auch Art und Umfang der Steuern, an deren Hinterziehung er beteiligt war, nennen.479 bb) Stellungnahme: Absage an eine einheitliche Auslegung der Berichtigungserklärung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen Für die einheitliche Beurteilung der Anforderungen an die Berichtigung der Selbstanzeige des Täters und des Teilnehmers spricht der Wortlaut von § 371 AO, der nicht zwischen den Personen, die Selbstanzeige gemäß § 371 AO erstatten, differenziert. Die einheitliche Bestimmung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung widerspricht jedoch der Systematik der Selbstanzeige, der Rechtfertigung der Strafbefreiung sowie dem Sinn und Zweck der Norm. (1) Zulässigkeit von Schätzungen als ausreichendes Entgegenkommen? Die ungefilterte Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärung des Tatbeteiligten ist auch im Hinblick auf die Zulässigkeit von 474

So Bublitz für den Gehilfen, Bublitz, wistra 1986, 117 (118). Bublitz, wistra 1986, 117 (117); zustimmend LG Hamburg v. 18.6.1986 – (50) 117/86 Ns, wistra 1988, 120. 476 Bublitz, wistra 1986, 117 (117); ebenso Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 89. 477 Bublitz, wistra 1986, 117, (117). 478 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 91. 479 Pump/Krüger, DStR 2013, 1972 (1973). 475

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2. Teil: Besonderes

Schätzungen sowie die Unschädlichkeit unvorsätzlich abgegebener geringfügiger Abweichungen nicht sachgerecht und insgesamt abzulehnen. Wie dargestellt, vermögen die Zulässigkeit von Schätzungen sowie die Unschädlichkeit unvorsätzlich abgegebener Abweichungen bei Mittätern nicht die praktischen Schwierigkeiten bei der Abgabe einer wirksamen Berichtigungserklärung zu vermindern.480 Dies muss umso mehr für den Teilnehmer der Steuerhinterziehung gelten, da bei diesem bereits aufgrund seiner untergeordneten Rolle bei der Tatausführung davon ausgegangen werden muss, dass dieser i. d. R. weder vertiefte Kenntnisse über noch Zugriff auf die Besteuerungsunterlagen des Steuerschuldners hat und sich diesen auch nicht eigenmächtig verschaffen kann. Zwar können die i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen abgegebenen Schätzungen der Angaben dazu führen, dass die Abweichung im Einzelfall als geringfügig zu bewerten ist, da das Unvermögen zur Abgabe exakter Angaben in der Regel nicht dem Selbstanzeigeerstattenden zuzurechnen ist, sondern außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegt. Wirksame Selbstanzeigen des Teilnehmers bei „Blindschätzungen“ dürften jedoch in den ganz überwiegenden Fällen an der Überschreitung des 5 %-Spielraums für Abweichungen scheitern. Da eine unwirksame Selbstanzeige auch für den Teilnehmer der Steuerhinterziehung erhebliche nachteilige Auswirkungen hat, wird er im Zweifel von ihrer Erstattung absehen (es sei denn, die unwirksame Selbstanzeige ist Teil einer steuerstrafrechtlichen Verteidigungsstrategie). Wie bereits im Rahmen der Berichtigungserklärung des Mittäters dargestellt, ist auch der Verweis auf die Unschädlichkeit überhöhter Schätzungen zu Lasten des Steuerpflichtigen keine geeignete Lösung dieser Problematik.481 Die dort angestellte Argumentation kann auf die Situation bei dem Teilnehmer der Steuerhinterziehung übertragen werden: So ergibt eine solche auf Seiten der Finanzverwaltung wenig Mehrgewinn im Vergleich zu einer Berichtigungserklärung ohne konkrete Zahlenangaben und vermag auch den zur Festsetzung der zutreffenden Steuer erforderlichen Ermittlungsaufwand nicht zu reduzieren.482 Überdies haben Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung i. d. R. bereits aufgrund ihres geringeren Tatbeitrags im Vergleich zu den Mittätern weniger Überblick über die Steuerhinterziehungstat sowie die für die Abgabe der Berichtigungserklärung erforderlichen Besteuerungsgrundlagen. Folglich ist das Risiko des Teilnehmers, bei Vollschätzung der Besteuerungsgrundlagen doch nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen zu schätzen, deutlich höher als bei den Mittätern der Steuerhinterziehung.

480 481 482

Hierzu 2. Teil unter A. II. 6. Hierzu 2. Teil unter A. II. 6. Hierzu 2. Teil unter A. II. 6.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

257

Festzuhalten bleibt damit, dass die Möglichkeit, die steuerlichen Angaben in der Berichtigungserklärung zu schätzen, auch für den Teilnehmer nicht die praktischen Schwierigkeiten durch die Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf dessen Berichtigungserklärung zu beseitigen vermag. (2) Widerspruch zu der Systematik von § 371 AO Die Selbstanzeige ist eine Wiedergutmachungsvorschrift im System der Vorschriften zur Tätigen Reue und dient neben ihrer fiskalischen Zielsetzung dem Ausgleich des durch die Steuerhinterziehung verwirklichten Unrechts.483 Die Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärung des Teilnehmers würde zu dem wertungsmäßig schwer nachvollziehbaren Ergebnis führen, dass der Täter der Steuerhinterziehung, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, mit geringerem Aufwand als der Teilnehmer eine Selbstanzeige erstatten könnte und insgesamt beim Täter die Erbringung einer geringeren Leistung als beim Teilnehmer zur Erlangung der Straffreiheit genügen ließe. So hat der Täter der Steuerhinterziehung, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, i. d. R. Zugriff auf sämtliche Dokumente zu den Besteuerungsgrundlagen oder ist berechtigt, diese ggf. anzufordern. Hierdurch ist es ihm möglich, eine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigungserklärung abzugeben. Der Teilnehmer der Steuerhinterziehung, der in einem fremden Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen hat, hat ohne die Mitwirkung des Täters i. d. R. weder Kenntnisse über die genaue Höhe des Hinterziehungsbetrags noch ist es ihm möglich, sich diese Kenntnis durch eigenmächtigen Zugriff auf Unterlagen zu den Besteuerungsgrundlagen die für die Abgabe einer dem Vollständigkeitsgebots genügende Berichtigung zu verschaffen.484 Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu der allgemeinen strafrechtlichen Systematik der unterschiedlichen Beteiligungsformen sowie der Vorschriften über die Wiedergutmachung und die Tätige Reue. So ist das mit der Steuerhinterziehung des Teilnehmers verwirklichte Unrecht geringer als das des Haupttäters.485 Eine undifferenzierte Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärung des Teilnehmers wird den Unterschieden zwischen den Beteiligungsformen nicht gerecht. Dies gilt auch im Recht der Wiedergutmachungs- und Tätige-Reue-Vorschriften: So nehmen die überwiegenden Wiedergutmachungsvorschriften und TätigeReue-Vorschriften zwar nicht ausdrücklich auf den Teilnehmer der Straftat Bezug, sondern enthalten eine einheitliche Regelung für sämtliche Tatbeteiligten. Gleichwohl und zutreffenderweise ist dort anerkannt, dass die fehlende Differen483 484 485

1. Teil unter B. III. 5 und 1. Teil unter B. IV. 5. d). Hierzu 2. Teil unter A. II. 6. a). 1. Teil unter C. II. 4.

258

2. Teil: Besonderes

zierung des Tätige-Reue übenden Tatbeteiligten bei der Auslegung der Norm nicht zu Lasten des Teilnehmers der Tat gehen dürfe.486 In der Literatur zur Selbstanzeige wird daher zu Recht darauf hingewiesen, dass eine undifferenzierte Anwendung von § 371 Abs. 1 AO in der Form, dass die Berichtigung sämtlicher Tatbeteiligten denselben Anforderungen genügen muss, den verschiedenen Eigenschaften von Täterschaft und Teilnahme (fehlende Tatherrschaft) bzw. Mittäterschaft (Arbeitsteilung aufgrund funktioneller Tatherrschaft) nicht gerecht werde.487 (3) Die uneingeschränkte Anwendung des Vollständigkeitsgebots bei der Berichtigungserklärung des Teilnehmers als Widerspruch zu der Rechtfertigung der Strafbefreiung durch § 371 AO Darüber hinaus erfordert auch die Rechtfertigung der über § 371 AO zu gewährenden Strafbefreiung keine einheitlichen Anforderungen an die Berichtigungshandlung. So liegt die Rechtfertigung der durch § 371 AO zu gewährenden Strafbefreiung in ihrer Anreizwirkung auf den Steuerhinterzieher zu der vollständigen Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung.488 Wie dargestellt, muss der Steuerhinterzieher das Handlungs- und Erfolgsunrecht „seiner“ Steuerhinterziehungstat wiedergutmachen, um in den Genuss der Strafbefreiung zu gelangen.489 Das Handlungs- und Erfolgsunrecht des Gehilfen ist indes weitaus geringer als das des Mittäters oder Alleintäters.490 Anders ist dies beim Anstifter: So ist dem Anstifter das verwirklichte Handlungsunrecht des Täters oder der Mittäters zuzurechnen.491 Auch das Erfolgsunrecht seiner Tat entspricht dem des Täters.492 So ergibt sich aus § 26 StGB, wonach der Anstifter „gleich einem Täter bestraft wird“, dass auch das Gesetz von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Täterschaft und Anstiftung ausgeht. Eine uneingeschränkte Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigung sämtlicher Teilnehmer bedeutete damit, dass Teilnehmer durch die voll486

Vgl. etwa Radtke zu § 266a StGB: „Die besondere Situation des Vertreters bzw. des Teilnehmers wird demnach in Abs. 6 S. 2 nicht berücksichtigt. Da dieses Versäumnis nicht zu Lasten des betroffenen Personenkreises (Vertreter, Teilnehmer) gehen darf, muss die Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 6 S. 1 zu einem obligatorischen Absehen von Strafe führen, was durch eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen dieser Regelung erreicht wird“, MüKo StGB/Radtke, § 266a Rz. 132. 487 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 114. 488 1. Teil unter B. IV. 5. f). 489 Hierzu 1. Teil unter B. IV. 5. a). 490 1. Teil unter C. II. 4. 491 1. Teil unter C. II. 2. g). 492 Vgl. SK/Hoyer, § 26 Rz. 1.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

259

ständige Wiedergutmachung des Handlungs- und Erfolgsunrechts ihrer Tat mit der Berichtigung gleichwohl keine Strafbefreiung erlangen könnten. Bei den Anforderungen an die Bestimmtheit der Berichtigungserklärung wird nach einem Teil der Literatur danach differenziert, ob der Selbstanzeige Erstattende Täter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung ist.493 Dies ist zutreffend, da nur differenzierte Anforderungen an die Berichtigungserklärung die strukturellen Unterschiede zwischen Täterschaft und Teilnahme, insbesondere die fehlende Tatherrschaft sowie die unterschiedlichen Unrechtgehalte der unterschiedlichen Tatbeiträge an der Steuerhinterziehung, berücksichtigen. So hat der Täter, der verhältnismäßig unproblematisch die von § 371 AO geforderte Berichtigungserklärung abgeben kann, als Haupttäter der Steuerhinterziehung ein weitaus größeres Tatunrecht verwirklicht als der Teilnehmer.494 Der Gehilfe oder Anstifter hat dementsprechend ein geringeres Tatunrecht verwirklicht. Kohler weist daher zu Recht darauf hin, dass es auch in Bezug auf den „objektiven Charakter“ des § 371 AO einen Unterschied mache, ob der Tatbeteiligte von Anfang an lediglich eine fremde Tat gefördert hat und „zu keinem Zeitpunkt (genaueren) Einblick in den einen anderen betreffenden Steuersachverhalt hatte oder ob es sich um das eigene Steuervergehen handelt, das der Steuerpflichtige notwendigerweise in seinen Einzelheiten kennt, und er nun lediglich aufgrund unglücklicher Umstände gehindert ist, die erforderliche Korrektur zu leisten“.495 Nach Kohler müsse dies umso mehr für die aktuelle Fassung der Selbstanzeige gelten, da der Tatbeteiligte an der Steuerhinterziehung den dort normierten „Vollständigkeitserwartungen an den Berichtigenden vielfach schon im Grundsatz nicht ausreichend genügen kann.“ 496 Es stellt somit eine ungerechtfertigte Privilegierung des Täters der Steuerhinterziehung dar, wenn dieser allein die tatsächliche Möglichkeit zur Selbstanzeige haben soll. Indem an den Teilnehmer der Steuerhinterziehung dieselben Anforderungen an die Berichtigung gestellt werden wie an die des Täters, ist jenem die Erstattung einer Selbstanzeige aus eigenem Antrieb in der Regel unmöglich und das Institut würde in diesen Fällen faktisch abgeschafft. Insofern genügt es auch nicht, den Teilnehmer auf die Möglichkeit zu verweisen, gemeinsam mit dem Täter Selbstanzeige zu erstatten. Es existieren eine Vielzahl von Fällen, in denen der Täter gerade auch im Hinblick auf die mit der Selbstanzeige für ihn verbundenen Nachteile keine Selbstanzeige erstatten möchte. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Teilnehmer ausgerechnet hier auf den guten Willen des Täters angewiesen und von diesem abhängig sein soll. 493 So etwa Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, § 371 Rz. 88, Lfg. 216 März 2012; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 114. 494 1. Teil unter C. II. 4. 495 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 114. 496 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 114.

260

2. Teil: Besonderes

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit dem gemäß § 24 StGB Zurücktretenden. Gemäß § 24 Abs. 2 S. 1 StGB wird derjenige, der mit mehreren an der Tat beteiligt ist, nicht wegen des Versuchs bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 StGB genügt für die Strafbefreiung auch das freiwillige und ernsthafte Bemühen um die Verhinderung der Vollendung der Tat, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wird oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird. Da die Rechtsgutsverletzung der Steuerhinterziehung i. d. R. im Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits eingetreten ist, kommt ein Abstellen auf die Verhinderung des Taterfolgs nicht in Betracht. Gleichwohl kommt der Rückgängigmachung des eigenen Tatbeitrags auch im Rücktrittsrecht eine erhebliche Bedeutung zu, nämlich dann, wenn der Zurücktretende sich freiwillig und ernsthaft um die Verhinderung des Eintritts des Taterfolgs bemüht hat, die Tat jedoch unabhängig von seinem Tatbeitrag von den übrigen Tatbeteiligten vollendet wird. Die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung richtet sich nach dem verwirklichten Handlungs- und Erfolgsunrecht.497 Damit muss es für die Auslegung der einzelnen Tatbestände auch auf das mit der konkreten Tat des Anzeige Erstattenden verwirklichte Handlungs- und Erfolgsunrecht ankommen. (4) Die Übertragung des Vollständigkeitsgebots als nicht vom Sinn und Zweck der Norm gedeckt Der Sinn und Zweck der Selbstanzeige besteht darin, durch die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung das Vermögen des Fiskus zu vermehren und gleichzeitig dem Steuerhinterzieher die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu ermöglichen.498 Identische Anforderungen an die Berichtigungsleistung durch pauschale Anwendung des Vollständigkeitsgebots auf sämtliche Selbstanzeigen führen dazu, dass ein Teilnehmer, ohne auf die Mithilfe des Steuerhinterziehers angewiesen zu sein, effektiv keine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung abgeben kann.499 Diese faktische Abschaffung des Instituts ist im Hinblick auf die geringere Strafwürdigkeit des Teilnehmers nicht akzeptabel.500 Da es jedoch gerade die Aussicht auf Strafbefreiung ist, die den Steuerhinterzieher zur Abgabe der Selbstanzeige motiviert501, vermindert diese unüberwindbare Hürde die Anreizwirkung der Selbstanzeige auf den Teilnehmer ganz erheblich.

497 498 499 500

1. Teil unter B. IV. 5. a). 1. Teil unter B. III. 5. Wie hier: Rolletschke, S. 267. Wie hier: MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 114; Riegel/Kruse, NStZ 1999, 325

(326). 501

1. Teil unter B. IV. 5. e) aa).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

261

Wie dargestellt, bewirkt jede Selbstanzeige eine Vermehrung des Steueraufkommens, da der Kenntniserlangung des Fiskus über das Bestehen seines Steueranspruchs ein erheblicher Vermögenswert zukommt und für diesen genauso werthaltig ist, wie sein Steueranspruch aus dem Steuerverfahren ohne die Verkürzung der Steuern war.502 Auch mit einer nicht dem Vollständigkeitsgebot genügenden Selbstanzeige des Teilnehmers wird der fiskalische Zweck der Selbstanzeige erfüllt.503 Sind die Anforderungen an den Tatbeteiligten daher unüberwindbar hoch, kann er die Selbstanzeige weder nutzen, um in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren, noch erlangt der Fiskus die Kenntnis über das Bestehen seines Steueranspruchs. Mithin bedarf es einer engen Auslegung auch nicht im Hinblick auf den Sinn und Zweck von § 371 AO.504 (5) Zwischenergebnis Die pauschale Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf die Berichtigungserklärung des Teilnehmers ist trotz des Wortlauts von § 371 Abs. 1 AO, der nicht zwischen den unterschiedlichen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung unterscheidet, abzulehnen. Die einheitliche Formulierung der Norm ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass das Gesetz lediglich den steuerpflichtigen Steuerhinterzieher vor Augen hatte und nicht berücksichtigt hat, dass die Steuerhinterziehung die von Anfang an bestehende Steuerpflichtigkeit des Steuerhinterziehers gerade nicht voraussetzt. § 371 Abs. 1 AO bedarf daher einer teleologischen Reduktion. b) Keine Berichtigungspflicht des Teilnehmers der Steuerhinterziehung? Nach einem Teil der Literatur unterliegt der Teilnehmer der Steuerhinterziehung stets oder in bestimmten Fällen keiner Berichtigungspflicht. aa) Überblick über den Meinungsstand So soll es nach einem Teil der Literatur ausreichen, dass der Teilnehmer lediglich darauf hinweist, dass bestimmte Erklärungen des Steuerpflichtigen unrichtig sind.505 502

1. Teil unter B. III. 1. b) aa). So im Ergebnis auch Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 54; für den Gehilfen Riegel/Kruse, NStZ 1999, 325 (326); Rolletschke, S. 267. 504 Vgl. auch Rolletschke, nach dem der Teilnehmer ansonsten von der Möglichkeit zur Selbstanzeige ausgeschlossen wäre, obwohl der mit der Selbstanzeige verfolgte fiskalische Zweck gerade erreicht würde, Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 54; im Ergebnis wie hier ebenso: Jäger, wistra 2000, 344 (348); wie hier im Ergebnis auch MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 114. 505 Troeger/Meyer, S. 260; Pfaff, 1977, S. 68 f. 503

262

2. Teil: Besonderes

Nach Troeger/Meyer müsse der Teilnehmer sogar stets von der Pflicht zur Berichtigung ausgenommen werden.506 Ausreichend soll sein, dass Teilnehmer dem Finanzamt mitteilen, „durch welche Handlung und zu welcher Haupttat (Steuerhinterziehung) des Täters sie Anstiftung oder Beihilfe geleistet haben, um dadurch das Finanzamt in die Lage zu versetzen, die betreffenden steuerlichen Tatbestände zu ermitteln und die Steueransprüche festzusetzen und gewährte oder belassene Steuervorteile rückgängig zu machen.507 Troeger/Meyer argumentieren, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung von § 371 AO den Teilnehmer der Steuerhinterziehung nicht im Blick hatte, sondern nur solche, die „der systematischen Auslegung des Steuerrechts und des Steuerverfahrensrechts entsprechend geeignet sind, dem Finanzamt nachträglich die richtige Festsetzung des verkürzten Steueranspruchs oder die Rückgängigmachung des ungerechtfertigten Steuervorteils zu ermöglichen.“ 508 Der Gesetzgeber habe übersehen, dass die „dazu erforderliche nachträgliche Erfüllung“ der Besteuerungspflichten nach den Steuergesetzen regelmäßig nur dem Haupttäter der Steuerhinterziehung (. . .) obliege, sodass hinsichtlich des Inhalts der Selbstanzeige in diesen Fällen „eine echte Lücke im Gesetz“ vorliege.509 Im Übrigen sei nach Troeger/Meyer zu berücksichtigen, dass die Teilnahme an der Steuerhinterziehung nicht nur durch die Verletzung steuerlicher Pflichten begangen werden könne.510 Auch nach Stahlschmidt ist ausreichend, wenn der Teilnehmer in der Berichtigungserklärung die Art und Weise seiner Mitwirkung sowie den Umfang seiner Mitwirkung genau darstelle.511 Nach Breyer müsse der Teilnehmer stets nur über die Art und den Umfang seines Beitrages Auskunft geben, soweit dieser steuerlich erheblich ist.512 Pfaff ist der Auffassung, dass derjenige, der einen anderen zu einer Steuerhinterziehung angestiftet hat, keine eigene Berichtigung abgeben müsse.513 Da der Anstifter im Rahmen der Steuerhinterziehung schon keine Angaben gegenüber dem Finanzamt gemacht hatte, reicht es für die Strafbefreiung des Anstifters nach Pfaff aus, dass der Anstifter bewirke, dass der „andere seine unrichtigen Angaben berichtigt“.514

506

Troeger/Meyer, S. 260. Troeger/Meyer, S. 260; ebenso: Pfaff, 1977, S. 69. 508 Troeger/Meyer, S. 260. 509 Troeger/Meyer, S. 261. 510 Troeger/Meyer, S. 260, ebenso: Pfaff, 1977, S. 68 f. 511 Stahlschmidt, S. 117. 512 Breyer, S. 240. 513 Pfaff, 1977, S. 70. 514 Pfaff, 1977, S. 70. Nach Pfaff sei darüber hinaus für die Strafbefreiung des Anstifters unerheblich, ob dem Finanzamt mitgeteilt wird, dass die Anzeige im Einvernehmen mit dem Anstifter erstattet wurde, Pfaff, S. 70. 507

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

263

bb) Stellungnahme Die Ansicht, wonach der nicht bereits ursprünglich steuerpflichtige Teilnehmer der Steuerhinterziehung dem Finanzamt nur mitteilen müsse, durch welche Handlung und zu welcher Haupttat (Steuerhinterziehung) des Täters er Anstiftung oder Beihilfe geleistet habe, ist abzulehnen. Eine Ersetzung der Berichtigung steuerlicher Angaben durch das Erfordernis, die eigene Steuerhinterziehung aufzudecken, ist weder vom Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO gedeckt, noch würde der Grundsatz gewahrt werden, dass sich niemand selbst einer Straftat bezichtigen muss. Nimmt man an, dass der Teilnehmer zur Erlangung der Strafbefreiung gemäß § 371 Abs. 1 AO gegenüber dem Finanzamt eine wie auch immer gestaltete Erklärung abgeben muss, muss sich eine solche ausschließlich auf steuerlich relevante Angaben beziehen. Darüber hinaus ist der vollständige Verzicht auf eine Berichtigungserklärung des Teilnehmers im Hinblick auf den Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO, den Sinn und Zweck des Rechtsinstituts der Selbstanzeige sowie die Rechtfertigung der Strafbefreiung gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO abzulehnen. So steht diese Ansicht bereits mit dem klaren Wortlaut von § 371 Abs. 1 S. 1 AO in Widerspruch, nach dem stets nur derjenige, der eine Berichtigungserklärung abgibt, straffrei wird. Darüber hinaus ist diese Ansicht aber auch mit der Systematik von § 371 AO nicht zu vereinbaren. So knüpft etwa der Zeitpunkt, ab dem die Sperrgründe gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 AO der Selbstanzeige die Strafbefreiung versagen, an den Zeitpunkt der Abgabe der Berichtigung an. Gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a bis 1e AO tritt die Straffreiheit nicht ein, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung einer der genannten Tatbestände vorliegt. Gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO tritt keine Straffreiheit ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit hätte rechnen müssen. Bei Zugrungelegung dieser Ansicht müssten konsequent auch diese Sperrgründe bei Teilnehmern der Steuerhinterziehung mangels zeitlichen Anknüpfungspunktes ins „Leere laufen“. Dies widerspricht jedoch dem Umstand, dass in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO und § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b AO auch ausdrücklich der an der Tat Beteiligte als Adressat der zum Ausschluss der Strafbefreiung führenden Sachverhalte genannt wird. Der Verzicht auf eine Berichtigungserklärung des Teilnehmers zugunsten des Erfordernisses zur Angabe des eigenen Tatbeitrags als „Berichtigungshandlung“ i. S. v. § 371 Abs. 1 AO entspricht überdies auch nicht dem Sinn und Zweck der Norm. So könnte man zwar einerseits argumentieren, dass der fiskalische (Teil-)Zweck der Selbstanzeige, bislang unbekannte Steuerquellen aufzudecken und das Vermögen des Fiskus zu vermehren, erreicht werde, wenn der Teilnehmer erklärt, „dass irgendwelche Erklärungen unrichtig“ seien. Allein auf Grundlage dieser Information kann das Finanzamt jedoch nicht ermitteln, in welchem Steuerschuldverhältnis Steuern verkürzt wurden bzw. Steuervorteile ungerechtfertigt erlangt wurden. Mithin versetzt eine solche Mit-

264

2. Teil: Besonderes

teilung das Finanzamt nicht in die Lage, die Steuern (ggf. nach Durchführung von Ermittlungen) zutreffend festzusetzen. Durch die Information über die Unrichtigkeit bestimmter Erklärungen wird das Finanzamt vielmehr erst dann in die Lage versetzt, die Steuern (ggf. nach Durchführung von Ermittlungen) zutreffend zu veranlagen, wenn es darüber hinaus auch Kenntnis von der Person erlangt, die steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist. Entscheidend für die Verfolgung des Zwecks von § 371 AO ist im Übrigen nicht nur die fiskalische Komponente, sondern vielmehr, dass die Erhöhung des Steueraufkommens durch Wiedergutmachung der Steuerhinterziehungstat erfolgt. Erst die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung rechtfertigt auch die Strafbefreiung. Eine solche liegt jedoch noch nicht in der schlichten Mitteilung an das Finanzamt, dass bestimmte Erklärungen unrichtig seien. Vielmehr muss die Selbstanzeige des Teilnehmers der Steuerhinterziehung zur Aufhebung des Handlungs- und Erfolgsunrechts seiner Steuerhinterziehungstat führen.515 Der Ausgleich des Handlungsunrechts kann indes nur durch Abgabe einer eigenen Leistung in Form einer Berichtigungserklärung erfolgen. cc) Zwischenergebnis Auf das Vorliegen einer Berichtigung kann auch bei der Selbstanzeige eines Teilnehmers zur Erlangung der Straffreiheit nach § 371 Abs. 1 AO nicht verzichtet werden. Wie dargestellt, ist hinsichtlich der Bestimmung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Teilnehmers danach zu differenzieren, ob der Teilnehmer Steuerschuldner der verkürzten Steuern oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in dem Steuerschuldverhältnis, in dem Steuern hinterzogen wurden, ist, oder nicht. Ist ersteres der Fall, muss auch der Teilnehmer der Steuerhinterziehung eine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigungserklärung abgeben. Ist er nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern und auch nicht in Bezug auf diese gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig, unterliegt die Berichtigung des Teilnehmers nicht dem Vollständigkeitsgebot. c) Regelmäßig eingeschränkte Berichtigungspflicht des Teilnehmers Nach einem Teil der Literatur unterliegt der Teilnehmer regelmäßig einer eingeschränkten Berichtigungspflicht. aa) Überblick über den Meinungsstand Vertretern dieser Ansicht zufolge umfasst die Berichtigungspflicht des Tatbeteiligten grundsätzlich Angaben über seinen eigenen Tatbeitrag sowie die Tatsa515

1. Teil unter B. IV. 5. a).

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

265

chen, die sich nach seiner Wahrnehmung ergeben.516 Hofstetter ist der Auffassung, dass die Berichtigungserklärung des Teilnehmers lediglich die Handlung, durch die Beihilfe bzw. Anstiftung zu der Haupttat des Dritten geleistet wurde, beschreiben müsse, und hierdurch das Finanzamt in die Lage versetzt werde, den Steuersachverhalt zu ermitteln und die Steuer zutreffend festzulegen517. Randt stellt zur Rückgängigmachung des Tatbeitrags des Teilnehmers darauf ab, dass der Gehilfe oder Anstifter im Rahmen der Berichtigung Angaben über die ihm bekannte Tat macht und das Ausmaß seiner Mitwirkung offenbart.518 Nach Helml seien an die Berichtigungserklärung des Teilnehmers zwar grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an die des Täters.519 Indes müsse der Teilnehmer keine genauen Angaben über die Tat des Haupttäters machen, sondern lediglich das Finanzamt über seine Mitwirkungshandlung aufklären und über Art und Umfang der hinterzogenen Steuern.520 Im Ergebnis müsse das Finanzamt durch die „Aussagen der Selbstanzeige“ des Teilnehmers in die Lage versetzt werden, die Steuer zutreffend festzusetzen.521 Ein Teil der Literatur stellt zur Bestimmung der inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Teilnehmers auf den jeweils erbrachten Beitrag zu der konkreten Steuerhinterziehung ab.522 Nach Joecks könne von dem Teilnehmer jedoch keine Berichtigung bestimmter Teilbereiche der Steuerhinterziehungstat erwartet werden, über die er keine Kenntnis hatte und die dementsprechend auch nicht in seinem Anstifter- oder Gehilfenvorsatz enthalten waren.523 In diesen Fällen sei der Teilnehmer nicht selbst für die Steuerverkürzung verantwortlich gewesen.524 Nach Joecks soll daher der Anstifter, der bei einem Dritten den Tatentschluss hervorruft, bestimmte Zahlungen an einen Sportverein steuerrechtswidrig als Spenden geltend zu machen, bereits durch die bloße Mitteilung hiervon gegenüber dem Finanzamt Selbstanzeige erstatten können.525 Auch der Gehilfe einer Ohne-Rechnung-Abrede müsse neben der Darlegung der Art und Weise seiner Mitwirkung keine Angaben über den Umfang seiner Mitwirkung machen (etwa hinsichtlich 516 Vgl. etwa: BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 240; so etwa Feldhausen, nach dem der Gehilfe Straffreiheit erlangt, wenn er der Finanzbehörde seinen Tatbeitrag vollständig schildert, Feldhausen, PStR 1998, 175 (177); so wohl für den Gehilfen: Riegel/Kruse, NStZ 325 (326). Wehrus, PStR 1998, 86 (86). 517 Hofstetter, StW 1956, 169 (173). 518 BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 240. 519 Helml, S. 67. 520 Helml, S. 67. 521 Helml, S. 67. 522 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 69; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 37. 523 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 37. 524 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 525 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72.

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2. Teil: Besonderes

der Höhe der Umsätze aus den Ohne-Rechnung-Geschäften, an denen er beteiligt war). Wegen der Parallelität zu § 24 Abs. 2 StGB sei auch bei § 371 Abs. 1 AO entscheidend, dass der Teilnehmer den Beitrag eliminiere, den er seinerzeit zur Begehung der versuchten oder vollendeten Steuerhinterziehung geleistet hat.526 Der Teilnehmer, der für die Steuerverkürzung selbst nicht verantwortlich ist, weil bestimmte Bereiche der Steuerhinterziehung seiner Tat und mithin auch seinem Vorsatz entzogen waren, müsse keine Berichtigung zu erbringen.527 Dabei soll jedoch die schlichte Anzeige der strafbaren Mitwirkung an der Steuerhinterziehung nicht genügen.528 Entscheidend sei mithin, dass der Teilnehmer durch die Offenbarung seiner Tatbeteiligung es dem Finanzamt ermöglicht, die Steuern zutreffend festzusetzen.529 Ausreichend soll allerdings nach Joecks sein, wenn der Teilnehmer „Art und Umfang seines Tatbeitrages nebst den von ihm konkret verkürzten Beträgen dem Finanzamt mitteilt“.530 Nach einem anderen Teil der Literatur müsse der Gehilfe i. d. R. lediglich seinen Tatbeitrag darstellen.531 Entsprechendes soll nach Simon auch für den Anstifter gelten, wobei dieser in einem erhöhten Maße das Risiko, eine umfassende Berichtigung nicht abgegeben zu können, tragen soll.532 Riegel/Kruse zufolge müsse der Gehilfe jedenfalls alle Fälle offenbaren, in denen er Beihilfe geleistet hat.533 Nach Wessing/Biesgen richten sich die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung nach der Schwere des Tatbeitrags des Teilnehmers: Je geringer der Tatbeitrag des Teilnehmers war, desto weniger müsse er zur Erlangung der Straffreiheit erklären.534 Entscheidend sei, dass der Teilnehmer seinen Tatbeitrag rückgängig mache.535 Hat der Teilnehmer von bestimmten Umständen oder unrichtigen Tatsachen keine Kenntnis, könne nach einem Teil der Vertreter dieser Ansicht insoweit je-

526 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72; so im Ergebnis auch Wessing/Biesgen, demzufolge jedenfalls erforderlich sei, dass der Teilnehmer wenigstens seinen Tatbeitrag rückgängig mache, Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 69. 527 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 528 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 529 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 530 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. 531 Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, § 371 Rz. 14; Simon/Wagner/Simon, S. 201. 532 Simon/Wagner/Simon, S. 180. 533 Riegel/Kruse, NStZ 1999, 325 (327). Sofern der Gehilfe sich nicht mehr an alle Fälle, in denen er Beihilfe geleistet hat, erinnern kann, sei nach Riegel/Kruse, eine Strafbefreiung in diesen Fällen nicht möglich. Nach der nunmehr geltenden Fassung der Norm dürfte es in diesen Fällen indes maßgeblich sein, ob es sich bei den offengelegten Beihilfeleistungen zu den Steuerhinterziehungen um solche innerhalb einer oder mehreren Steuerarten handelte und falls letzteres der Fall sein sollte, wie der Begriff „Steuerart“ i. S. d. § 371 Abs. 1 AO auszulegen ist, Riegel/Kruse, NStZ 1999, 325 (327); vgl. zu dieser Problematik S. 170 ff. 534 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 69. 535 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 69.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

267

doch auch keine Berichtigung verlangt werden.536 So meint etwa Theil, dass der Teilnehmer der Steuerhinterziehung zwar grundsätzlich seinen eigenen Tatbeitrag und die Tatbeiträge seiner übrigen Tatgenossen berichtigen müsse.537 Da das Gesetz jedoch nichts von ihm fordern könne, was dem Gehilfe oder Anstifter unbekannt sei, muss es in diesen Fällen genügen, dass der Teilnehmer „sein ganzes Wissen mitteilt und dadurch den Tatbetrag so genau bezeichnet, daß dem Staat dadurch der Zugriff auf die bisher verborgene Steuerquelle ermöglicht wird“.538 Nach Leez müsse es zumindest in den Fällen, in denen es dem Teilnehmer unmöglich ist, das für eine Berichtigung notwendige Material zu liefern, ausreichen, dass er Art und Umfang der Steuerhinterziehung so genau bezeichnet, dass dem Staat so der Zugriff auf bislang unbekannte Steuerquellen ermöglicht werde.539 Nach Leez besteht also die grundsätzliche Verpflichtung des Teilnehmers zur Abgabe einer Berichtigungserklärung, von der allerdings bei Unmöglichkeit des Teilnehmers abzusehen ist. bb) Stellungnahme Der Reduzierung der Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Teilnehmers ist grundsätzlich zuzustimmen, da nur so die Anreizwirkung der Selbstanzeige aufrechterhalten werden kann und damit durch Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung das Vermögen des Fiskus vermehrt werden kann. Gleichwohl ist die pauschale Entbindung der Berichtigungserklärung von Teilnehmern von dem Vollständigkeitsgebot m. E. abzulehnen. Wie dargestellt, können Teilnehmer der Steuerhinterziehung auch der Steuerschuldner selbst oder der gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO zur Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten des Steuerschuldners Verpflichtete sein. Obwohl auch diese praktische Schwierigkeiten bei der Erstattung einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Selbstanzeige haben können, haben diese Personen von Anfang an jedenfalls potentiell Zugriff über die Besteuerungsgrundlagen und Kenntnisse über ihre steuerlichen Angelegenheiten bzw. können sich solche aufgrund ihrer Position beschaffen. Auch im Hinblick auf das im Gesamtkontext der Steuerhinterziehung geringere Handlungsunrecht gibt es keine über die Situation des Täters der Steuerhinterziehung hinausgehenden Gründe, die Abgabe solcher Selbstanzeigeerklärungen zu erleichtern. 536 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 69; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 72. Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 192; Leez, SteuK 2011, 399 (341); so auch Stahlschmidt für die Erklärung des Gehilfen. Nach Stahlschmidt gelten diese Erwägungen jedenfalls „im Grundsatz auch für den Anstifter“, wobei bei diesem „das Risiko, eine Selbstanzeige nicht wirksam abgeben zu können am größten sein wird, wenn er zu einer umfassenden Richtigstellung nicht in der Lage ist“, Stahlschmidt, S. 117; Theil, BB 1983, 1274 (1276). 537 Theil, BB 1983, 1274 (1276). 538 Theil, BB 1983, 1274 (1276). 539 Leez, SteuK 2011, 399 (341).

268

2. Teil: Besonderes

Die Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung des Steuerschuldners bzw. des nach §§ 34 Abs. 1, 35 AO verpflichteten Teilnehmers zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass das Handlungsunrecht zwar ein Minus, das Erfolgsunrecht jedoch ein Plus im Vergleich zu demjenigen Steuerhinterzieher aufweist, der nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer ist und auch nicht nach §§ 34 Abs. 1, 35 AO verpflichtet ist. So ergibt sich das geringere Handlungsunrecht der zuerst genannten Teilnehmer im Vergleich zu den übrigen Tatbeteiligten aus der fehlenden Tatherrschaft sowie dem geringeren Handlungsunwert der Teilnahmehandlung. Das insgesamt höhere Erfolgsunrecht ergibt sich jedoch daraus, dass die Steuerhinterziehung in ihrem Steuerschuldverhältnis stattfindet. In ihrem Steuerverhältnis wurden Steuern verkürzt bzw. ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt. M.E. ist es daher sinnvoll, auch hier hinsichtlich der Anwendung des Vollständigkeitsgebots zunächst danach zu differenzieren, ob der sich gemäß § 371 AO anzeigende Steuerhinterzieher Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist bzw. die steuerlichen Pflichten des Steuerschuldners gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO trägt oder nicht. Sodann ist zu untersuchen, welchen Anforderungen die Berichtigungserklärung des Teilnehmers konkret genügen muss. Die pauschale Einschränkung des Vollständigkeitsgebots bei Selbstanzeigen des Teilnehmers ist jedenfalls abzulehnen. d) Eingeschränkte Berichtigungspflicht bei praktischem Unvermögen zur Abgabe einer Berichtigungserklärung Nach der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur und einer Entscheidung des OLG Hamburgs unterliegt zumindest der Gehilfe der Steuerhinterziehung dann einer eingeschränkten Berichtigungspflicht, wenn er praktisch nicht in der Lage ist, die genauen Besteuerungsgrundlagen anzugeben.540 aa) Überblick über den Meinungsstand In der einzigen bisher zu dieser Problematik ergangenen Entscheidung hat das Hanseatische OLG entschieden, dass es für die Wirksamkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige ausreichen kann, wenn der Gehilfe in seiner Berichtigung lediglich mitteilt, dass bestimmte Steuererklärungen eines Steuerpflichtigen unrichtig seien.541 540 So etwa: Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, § 371 Rz. 14; Rolletschke, für die Selbstanzeige des Teilnehmers Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 54; Hüls/ Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 80 und Rz. 263 ff.; Jäger, wistra 2000, 340 (348); Kirbach, S. 46; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 113. 541 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 21.11.1985, 1 Ss 108/85, wistra 1986, 116; zustimmend: Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 54.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

269

In der Literatur wurde diese Entscheidung überwiegend begrüßt.542 So sei es nach der wohl herrschenden Meinung ausreichend, dass der Gehilfe, der weder Kenntnis über noch Zugriff auf die Besteuerungsgrundlagen hat, die „Tatsachen der eigenen Wahrnehmung“ offenlege.543 Nach Beckemper etwa müsse der Gehilfe lediglich „im Rahmen seiner Verantwortlichkeit“ eine Selbstanzeige abgeben.544 Dabei reiche die Berichtigungspflicht des Gehilfen soweit, wie dieser den „konkreten Taterfolg erkannt und vorsätzlich gefördert hat“.545 In dem Fall, dass der Täter dem Teilnehmer Auskünfte über den tatsächlichen Besteuerungssachverhalt bzw. Einblick in die für die Berichtigung relevanten Besteuerungsgrundlagen verweigert und der Teilnehmer nur deswegen keine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigungserklärung abgeben kann, soll es nach einem Teil der Literatur zur Erlangung der Strafbefreiung ausreichen, wenn die Berichtigungserklärung Informationen über die Art und den Umfang der Hinterziehung sowie des eigenen Beitrags enthält, sofern diese Angaben die korrekte Veranlagung ermöglichen.546 Theil ist der Auffassung, dass der Gehilfe oder Anstifter zwar grundsätzlich nur dann Straffreiheit erlange, wenn seine Berichtigung nicht nur seinen eigenen Tatbeitrag, sondern auch die fehlerhaften Angaben der übrigen Tatbeteiligten offenlege. Da der Gehilfe bzw. Anstifter jedoch nicht ihm Unbekanntes offenbaren könne, könne das Gesetz dies auch nicht von ihm fordern.547 In diesen Fällen müsse es daher nach Theil genügen, wenn der Teilnehmer sein gesamtes Wissen mitteile und seinen Tatbeitrag so genau bezeichne, dass dem Staat hierdurch der Zugriff auf die bislang verborgene Steuerquelle ermöglicht werde.548 In einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2003 hat das Gericht vertreten, dass die Selbstanzeige des Steuerhinterziehers inhaltlich zwar grundsätzlich so gestaltet sein muss, dass das Finanzamt den tatsächlichen Besteuerungssachver-

542 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 113; Rolletschke, S. 268 f.; a. A. Bublitz, wistra 1986, 117, (117); vgl. auch Jäger, nach dem dieses Vorgehen nicht mit dem Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO vereinbar sei, Jäger, wistra 2000, 340 (348). 543 Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 21.11.1985, 1 Ss 108/85, wistra 1986, 116; Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 54; Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 89 f.; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 81; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 112 f.; grundsätzlich zustimmend, wobei der Gehilfe im Regelfall lediglich seinen eigenen Tatbeitrag offenlegen müsse, Simon/Wagner/Simon, S. 201. 544 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 79; ebenso bereits: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 89; Rolletschke, S. 267. 545 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 79; ebenso bereits: Hübschmann/Hepp/Spitaler/Rüping, Lfg. 216 März 2012 § 371 Rz. 89 f. 546 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 79; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 191; MüKo StGB/Kohler, § 372 Rz. 113; Stahlschmidt, S. 117. 547 Theil, BB 1983, 1274 (1276). 548 Theil, BB 1983, 1274 (1276).

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2. Teil: Besonderes

halt ohne eigene langwierige Nachforschungen aufklären könne.549 Im Hinblick auf die „faktischen Gegebenheiten“ bei der Selbstanzeige des Gehilfen sei allerdings jedenfalls erforderlich, dass der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag“ offenlege.550 Nach Jäger kommt es zur Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots bei der Berichtigung des Gehilfen auf den Zeitpunkt der Beihilfeleistung an. Wurde die Hilfeleistung des Gehilfen noch vor Entstehen des Steueranspruchs erbracht, sei es geboten, die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung für den Gehilfen im Vergleich zu denen für den Haupttäter einzuschränken.551 Nach einem Teil der Literatur seien diese Grundsätze auch auf die Berichtigung des Anstifters zu übertragen.552 Nach Beckemper seien an die Berichtigungserklärung des Anstifters geringere Anforderungen zu machen, wenn dieser den konkreten Taterfolg nicht in seine Vorstellung aufgenommen hat.553 Hat der Anstifter den Täter dazu bestimmt, Einnahmen aus Umsätzen nicht zu erklären, ohne dass der Anstifter den genauen Umfang der Umsätze und Einnahmen kennt, genüge für seine Berichtigungserklärung nach Beckemper die Mitteilung über die Anstiftung und ihren Erfolg.554 Habe der Anstifter jedoch den konkreten Taterfolg in seine Vorstellung mit aufgenommen, seien an seine Berichtigungserklärung weitergehende Anforderungen zu machen.555 bb) Stellungnahme Wie dargestellt, ist eine sinnvolle und der Strafrechtssystematik gerecht werdende Differenzierung bei der Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots nur im Hinblick danach möglich, ob der zur Selbstanzeige entschlossene Teilnehmer Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist bzw. als gesetzlicher Vertreter oder als Verfügungsberechtigter die steuerlichen Pflichten des Steuerschuldners gemäß § 34 Abs. 1, 35 AO trägt oder nicht. Auch die Abgrenzung nach der konkreten praktischen Möglichkeit des Teilnehmers ist praktisch kaum umsetzbar, wenn dieser etwa darlegen müsste, inwiefern er praktisch nicht zur Abgabe einer vollständigen Berichtigungserklärung in der Lage ist. Es ist überdies auch denkbar, dass der Steuerhinterzieher zwar prak549

BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/0, NJW 2003, 29962. BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996; in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt kam es auf den Inhalt der Selbstanzeige nicht an, da nach Ansicht des Gerichts überhaupt keine Offenbarung vorlag, vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 – 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996. 551 Jäger, wistra 2000, 344 (348). 552 So etwa Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 80; MüKo StGB/ Kohler, § 371 Rz. 113; Rolletschke, S. 267 Rz. 579; Simon/Wagner/Simon, S. 201; Stahlschmidt, S. 117. 553 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 80. 554 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 80. 555 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 80. 550

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

271

tische Schwierigkeiten bei der vollständigen Bezifferung des Hinterziehungsbeitrags und der Korrektur der Besteuerungsgrundlagen hat, die Finanzverwaltung ihm jedoch mehr Anstrengungen zumutet und der Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung im Hinblick auf das Vollständigkeitsgebot versagt. Die Entscheidung darüber, ob praktisches Unvermögen vorliegt oder nicht, ist eine Wertungsfrage und damit rechtssicher nicht vorhersehbar. Unterschiedliche Auslegungen über das praktische Unvermögen schränken aber die Vorhersehbarkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen ein und vermindern damit die Anreizwirkung der Selbstanzeige. Die überwiegenden Vertreter einer eingeschränkten Berichtigungspflicht bei praktischem Unvermögen zur Abgabe einer vollständigen Selbstanzeige verlangen als Berichtigungsleistung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO des Teilnehmers die Aufdeckung des eigenen Tatbeitrags. Dieses Erfordernis ist indes schwerlich mit dem Grundsatz vereinbar, dass die Selbstanzeige sich ausschließlich auf steuerlich erhebliche Angaben beziehen muss und eine strafrechtliche Bewertung des Verhaltens, dass eine Berichtigung der Angaben notwendig gemacht hat, nicht erforderlich ist. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb dieses beim Täter nicht notwendig sein soll und davon überwiegend sogar abgeraten wird, beim Teilnehmer, der ein geringeres Unrecht verwirklicht hat, jedoch notwendig sein soll. Selbst wenn der Teilnehmer der Steuerhinterziehung weniger „berichten“ kann als der Steuerschuldner oder der Täter der Steuerhinterziehung, erfordert dieses „Minus der Berichtigungserklärung“ kein „Plus“ bei der strafrechtlichen Aufklärung des Sachverhalts durch den Selbstanzeigeerstatter. Im Gegenteil, das „Minus“ bei den Anforderungen an die Berichtigungserklärung resultiert aus dem geringeren Unrecht, das mit der Teilnahme an der Steuerhinterziehung eines Dritten verwirklicht wurde, und der dennoch ebenso starken Werthaltigkeit seiner Selbstanzeige für den Fiskus im Vergleich zu der des Täters. Ein darüber hinausgehendes Erfordernis der strafrechtlichen oder tatsächlichen Sachverhaltsaufdeckung durch den Teilnehmer ist abzulehnen. Abzulehnen ist überdies die Ansicht Jägers, nach der hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung auf den Zeitpunkt der Beihilfeleistung abzustellen und maßgeblich sein soll, ob der Steueranspruch des Fiskus gegen den Steuerpflichtigen bereits entstanden ist.556 Zwar ist Jäger zuzugestehen, dass die vollständige Berichtigungspflicht des Gehilfen bei Hilfeleistung vor Entstehung des Steueranspruchs für den Gehilfen in den ganz überwiegenden Fällen unmöglich zu erbringen sei. Indes ist dies auch bei einer Hilfeleistung nach Entstehung des Steueranspruchs häufig der Fall. Im Hinblick auf seine fehlende Tatherrschaft und seine im Rahmen der Steuerhinterziehung lediglich untergeordnete Rolle wird es für den Gehilfen auch regel556

So Jäger, wistra 2000, 344 (348).

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2. Teil: Besonderes

mäßig nicht erkennbar sein, ob der Steueranspruch des Steuerpflichtigen bereits entstanden ist oder nicht. Aus Sicht des Gehilfen hinge es daher vom Zufall ab, welchen inhaltlichen Anforderungen an seine Berichtigungserklärung zu stellen sind. Durch Abstellen auf den Zeitpunkt der Berichtigungserklärung wäre aus Sicht des Gehilfen nicht mehr einschätzbar, ob seine Selbstanzeige wirksam ist oder nicht. Dies untergräbt die Anreizwirkung der Selbstanzeige und führt dazu, dass der Gehilfe sich im Zweifel gegen die Abgabe einer Selbstanzeige entschließt.557 Wie gezeigt wurde, erfüllt die Berichtigungserklärung auch unabhängig von dem Zeitpunkt der Hilfeleistung des Gehilfen der Steuerhinterziehung den fiskalischen und strafrechtlichen Zweck des Instituts. Auch die Ansicht Beckempers, nach der an die Berichtigungserklärung des Anstifters geringere Anforderungen zu machen seien, wenn dieser den konkreten Taterfolg nicht in seine Vorstellung aufgenommen hat558, ist im Ergebnis abzulehnen. Auch gegen diese Ansicht spricht, dass die Anwendung des Vollständigkeitsgebots an die Berichtigungserklärung des Anstifters sowie die jeweils erforderlichen inhaltlichen Voraussetzungen nicht rechtssicher vorhersehbar sind und hierdurch die Anreizwirkung der Selbstanzeige erheblich vermindert wird. So dürfte der Anstifter zwar zumindest wissen, ob er einen konkreten Taterfolg kennt oder nicht. Entscheidend für die Aufrechterhaltung der Anreizwirkung zur Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO wäre jedoch, dass der Anstifter den Taterfolg derart konkret kennt, dass sich aus seiner Kenntnis sämtliche Angaben ergeben, die er zur Abgabe einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung benötigte. Hiervon kann zumindest im Regelfall nicht ausgegangen werden, da die Anstiftung der Steuerhinterziehung zeitlich vorgelagert ist und sich die konkrete Höhe der verkürzten Steuern vor der Begehung der Steuerhinterziehung nicht rechtssicher vorhersagen lässt. So könnte der zur Tat bestimmte Steuerhinterzieher sich während der Tatausführung dazu entscheiden, in einem höheren oder einer niedrigeren Umfang Steuern zu hinterziehen. Der Anstifter kann mithin selbst dann, wenn er während seiner Anstiftungshandlung den konkreten Taterfolg in seine Vorstellung mit aufgenommen hat, nicht davon ausgehen, dass die Höhe der verkürzten Steuern der in die Vorstellung aufgenommen Steuerverkürzung entspricht. Unsicherheiten bei der Wirksamkeit der Selbstanzeige bewirken jedoch eine Verminderung der Anreizwirkung der Selbstanzeige und laufen ihrem Zweck zuwider. Doch auch wenn der Anstifter im Zeitpunkt seiner Tat die Hinterziehung bestimmter Umsätze in seine Vorstellung aufgenommen haben sollte, ist zweifel557 Wie hier etwa Wulf, nach dessen praktischer Erfahrung Selbstanzeigen nur dann abgegeben werden, wenn der Mandant sicher davon ausgehen könne, straffrei zu werden, Wulf, wistra 2000, 286 (290). 558 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 80.

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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haft, dass er diese bei Abgabe der Selbstanzeige entweder so genau weiß, dass er die Angaben ohne schädliche Abweichungen angeben kann, oder auf die notwendigen Unterlagen zur Ermittlung der exakten Angaben zurückgreifen kann. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Erstattung der Selbstanzeige verlagern sich daher bei dieser Auffassung lediglich auf einen anderen Bereich, die verminderte Anreizwirkung der Selbstanzeige für den Anstifter der Steuerhinterziehung wird jedoch nicht aufgehoben. Da diese Ansicht ebenfalls auf die Aufdeckung des eigenen Tatbeitrags hinaus läuft, ist sie auch im Hinblick auf die oben genannten Gründe abzulehnen. Damit gilt auch im Falle des praktischen Unvermögens des Teilnehmers, dass die Berichtigungserklärung des Steuerschuldners oder des gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerlich verpflichteten Teilnehmers dem Vollständigkeitsgebot genügen muss. Die Berichtigungserklärung der übrigen Teilnehmer der Steuerhinterziehung unterliegt nicht dem Vollständigkeitsgebot. Ihre Berichtigung muss sich überdies ausschließlich auf den Steuersachverhalt beziehen. Eine Beschreibung des eigenen Tatbeitrags zu der angezeigten Steuerhinterziehung ist nicht erforderlich. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen ist wegen des unterschiedlichen Unrechtsgehalts und mithin der Unterschiede hinsichtlich der Wiedergutmachung der Steuerhinterziehungstat zwischen den einzelnen Teilnahmeformen zu unterscheiden. Im Rahmen der inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Anstifters bietet sich ein Rückgriff auf den Inhalt der Berichtigungserklärung des Mittäters an. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass auch das Gesetz von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Täterschaft und Anstiftung ausgeht (vgl. z. B. den Wortlaut von § 26 StGB, nach dem der Anstifter „gleich einem Täter bestraft wird“), sodass auch das durch die Anstiftung verwirklichte Unrecht tätergleich ist.559 Beim Gehilfen sieht das Gesetz jedoch eine obligatorische Strafmilderung vor (vgl. § 27 Abs. 2 S. 2 StGB). Die höhere Bestrafung des Anstifters gegenüber dem Gehilfen ergibt sich aus dem höheren Handlungs- und Erfolgsunrecht des Anstifters. Insofern unterstützt der Anstifter nicht nur den Haupttäter, sondern nimmt auf ihn „bestimmenden“ Einfluss, ohne dabei die Grenze zur Täterschaft zu überschreiten.560 Das höhere Handlungsunrecht liegt darin, dass der Anstifter für die durch den Haupttäter begangene Tat wesentlich ursächlich ist. Schünemann spricht treffend davon, dass der Anstifter die „Initialzündung“ zur Tatbegehung gibt.561 Das höhere Erfolgsunrecht des Anstifters zur Steuerhinterziehung gegenüber dem Gehilfen liegt in dessen wesentlichem Beitrag zum Eintritt der Steuerverkürzung bzw. dem Erlangen ungerechtfertigter Steuervorteile. 559 560 561

SK/Hoyer, § 26 Rz. 1; 1. Teil unter C. 2. MüKo StGB/Joecks, § 26 Rz. 5 m.w. N. LK/Schünemann, § 26 Rz. 15; ebenso: MüKo StGB/Joecks, § 26 Rz. 5.

274

2. Teil: Besonderes

Der Anstifter, der einen anderen zu einer Steuerhinterziehung anstiftet, hat zwar i. d. R. einen besseren Überblick über die Steuerhinterziehung als der Gehilfe. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Anstifter keine Tatherrschaft im Rahmen der gemäß § 371 Abs. 1 AO anzuzeigenden Steuerhinterziehung hatte. Da auch der nicht steuerpflichtige Anstifter regelmäßig keine Kenntnis über die tatsächlichen Besteuerungsverhältnisse des Steuerpflichtigen hat und sich eine solche auch nicht verschaffen kann, ist seine Situation mit der des nicht steuerpflichtigen Mittäters vergleichbar. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ist folglich für den Anstifter der Steuerhinterziehung, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer ist noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogene Steuer ist, teleologisch zu reduzieren. Zur Erlangung der Strafbefreiung muss dieser Anstifter dem Finanzamt als Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO mitteilen, wer steuerpflichtig in Bezug auf die unrichtig, unvollständig oder nicht erklärten Steuerangaben ist und zu welcher Steuerart diese Angaben gehören. Auf diese Weise ist für den nicht steuerpflichtigen Anstifter der Steuerhinterziehung erkennbar, welchen inhaltlichen Anforderungen seine Berichtigungserklärung genügen muss, sodass die Anreizwirkung der Selbstanzeige aufrechterhalten wird. Im Hinblick auf den untergeordneten Tatbeitrag des Gehilfen sowie das geringere Handlungs- und Erfolgsunrecht seiner Beihilfe zur Steuerhinterziehung sind die inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigungserklärung des Gehilfen weiter zu reduzieren. Der Gehilfe, der nicht Steuerschuldner und auch nicht gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogene Steuer ist, muss dem Finanzamt als Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO lediglich die Person des Steuerpflichtigen, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern verkürzt wurden bzw. ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden, mitteilen. Diese Angaben kann ein solcher Gehilfe der Steuerhinterziehung nur regelmäßig realiter erbringen. Gemeinsam mit der für ihn auf diese Weise bestehenden Erkennbarkeit der inhaltlichen Voraussetzungen seiner Berichtigungserklärung wird die Anreizwirkung der Selbstanzeige auch für den Gehilfen der Steuerhinterziehung aufrechterhalten und mithin dem Sinn und Zweck der Selbstanzeige genügt. e) Zwischenergebnis zum Inhalt der Selbstanzeige des Teilnehmers Das Vollständigkeitsgebot findet nur auf den Tatbeteiligten Anwendung, der Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer ist oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist. Die Berichtigung muss sich ausschließlich auf den Steuersachverhalt beziehen. Eine Beschreibung des eigenen Tatbeitrags zu der angezeigten Steuerhinterziehung ist nicht erforderlich. Sofern der Teilnehmer der Steuerhinterziehung i. R. eines Unternehmens gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 AO steuerpflichtig ist, ist es ihm trotz seines insgesamt un-

A. Der Inhalt der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO

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tergeordneten Tatbeitrags an der Steuerhinterziehung zuzumuten, aufgrund seiner leitenden Position und Organisationsgewalt im Unternehmen eine dem Vollständigkeitsgebot entsprechende Berichtigungserklärung abzugeben. Insofern hat er die rechtliche Möglichkeit, sich notwendige Kenntnisse über die Besteuerungsgrundlagen selbst zu verschaffen bzw. Einblick in die Besteuerungsgrundlagen des Steuerpflichtigen zu nehmen. Die Berichtigungserklärung des an der Steuerhinterziehung teilnehmenden Steuerschuldners oder des gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerlich Verpflichteten muss dem Vollständigkeitsgebot genügen. Dies gilt auch im Falle des praktischen Unvermögens des steuerpflichtigen Teilnehmers zur Abgabe einer Berichtigungserklärung. Die Berichtigungserklärung des Teilnehmers, der nicht steuerpflichtig ist und auch nicht gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig ist, unterliegt nicht dem Vollständigkeitsgebot. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen für den Teilnehmer, der weder Steuerschuldner noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, ist zwischen den beiden Teilnahmeformen zu differenzieren. 9. Zwischenergebnis Nur die sichere Vorhersehbarkeit der Anforderungen an die Berichtigungserklärung wird den Besonderheiten der Selbstanzeige im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen gerecht. Demjenigen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung, der nicht Steuerschuldner oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO Steuerpflichtiger in Bezug auf die hinterzogene Steuer ist, ist es aber mangels Überblicks über die Besteuerungsgrundlagen des Steuerpflichtigen regelmäßig nicht möglich, eine dem Vollständigkeitsgebot genügende Berichtigungserklärung abzugeben. Auch die Abgabe einer geschätzten Berichtigungserklärung unter Einhaltung des für unschädlich befundenen 5 %Spielraums zugunsten des Steuerpflichtigen ist rechtssicher nicht möglich. Diese Unwägbarkeiten reduzieren die Anreizwirkung der Selbstanzeige im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen ganz erheblich, sodass zumindest die eingangs genannten Tatbeteiligten sich im Zweifel gegen die Abgabe der Selbstanzeige entscheiden werden. Vor dem Hintergrund, dass die Selbstanzeigen dieser Tatbeteiligten von ebenso großer Werthaltigkeit sind wie die des Steuerpflichtigen und auch die Wiedergutmachung der jeweiligen Steuerhinterziehungstat nicht grundsätzlich einer dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung bedarf und auch durch solche Selbstanzeigen die in Bezug genommene Steuerstraftat vollwertig wiedergutgemacht wird, ist die uneingeschränkte Übertragung des Vollständigkeitsgebots auf die Selbstanzeigen dieser Tatbeteiligten abzulehnen. Vielmehr wird es den Besonderheiten von Selbstanzeigen i. R. v. Mehrpersonen-

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2. Teil: Besonderes

verhältnissen gerecht, das Vollständigkeitsgebot im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen nicht grundsätzlich anzuwenden. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Vollständigkeitsgebots im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen ist damit allein, ob der Selbstanzeige Erstattende Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist bzw. gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist. Lediglich der bereits vor der Ausführung der Steuerhinterziehung ursprünglich oder gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtige Tatbeteiligte hat damit eine dem Vollständigkeitsgebot genügenden Berichtigungserklärung abzugeben. Die Berichtigungserklärung der übrigen Tatbeteiligten unterliegt nicht dem Vollständigkeitsgebot. 10. Der Inhalt der Berichtigungserklärung im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen § 371 Abs. 1 S. 1 AO bedarf einer teleologischen Reduktion: Der Mittäter, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, gibt eine Berichtigung i. S. d. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ab, wenn er dem Finanzamt mitteilt, in welchem Steuerverhältnis Besteuerungsgrundlagen nachzuerklären sind, wer steuerpflichtig in Bezug auf diese Steuern ist und welcher Steuerart diese Steuern angehören. Der Anstifter, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, gibt eine Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ab, wenn er dem Finanzamt mitteilt, wer die Person des Steuerpflichtigen, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern verkürzt wurden bzw. ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden, ist und zu welcher Steuerart diese Angaben angehören. Der Gehilfe, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, muss dem Finanzamt als Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO lediglich die Person des Steuerpflichtigen, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern hinterzogen wurden, mitteilen.

B. Zurechenbarkeit der Strafbefreiung eines Tatbeteiligten bei Abgabe einer Selbstanzeige? Wie dargestellt, kann jeder Tatbeteiligte einer Steuerhinterziehung wegen dieser Tat Selbstanzeige erstatten. Gerade bei der Abgabe einer Selbstanzeige i. R. eines Mehrpersonenverhältnisses ist fraglich, welche – falls überhaupt – Konsequenzen die Erlangung von

B. Zurechenbarkeit der Strafbefreiung bei Abgabe einer Selbstanzeige?

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Straffreiheit eines oder mehrerer Tatbeteiligten durch Abgabe einer den Anforderungen von § 371 Abs. 1 AO genügenden Berichtigung auf die übrigen Tatbeteiligten hat, die selbst keine solche Anzeige abgegeben haben. In diesen Zusammenhang ist zu untersuchen, ob ausnahmsweise bei Selbstanzeigen i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen eine Zurechenbarkeit der Strafbefreiung angenommen werden darf. Für eine solche Zurechnung der Strafbefreiung könnte sprechen, dass die Steuerhinterziehung im Steuerschuldverhältnis des Steuerschuldners durch die wirksame Selbstanzeige eines Tatbeteiligten aufgedeckt wurde und das Finanzamt nunmehr in die Lage versetzt wurde, die Steuern zutreffend festzusetzen. Bei einer rein fiskalischen Betrachtungsweise bedürfte es damit keiner weiteren Selbstanzeigen der übrigen Tatbeteiligten, weil das fiskalische Ziel der Selbstanzeige – die Aufdeckung unbekannter Steuerquellen – bereits mit der Selbstanzeige des einen Steuerhinterziehers erfüllt wurde und weitere keinen fiskalischen Mehrgewinn brächten. Darüber hinaus könnte eine Ablehnung der Zurechenbarkeit der Strafbefreiung zu den übrigen Tatbeteiligten dazu führen, dass der zur Selbstanzeige entschlossene Tatbeteiligte von der Abgabe der Berichtigung absieht, da er ansonsten innerhalb „seiner Gruppe“ als Verräter angesehen werden könnte. Diese Befürchtung könnte nach Brauns dazu führen, dass die mit der Aussicht auf Strafbefreiung geschaffene Anreizwirkung der Selbstanzeige in derartigen Fällen zurückgedrängt werden könnte.562 Gegen eine Zurechenbarkeit der Strafbefreiung auf die übrigen Tatbeteiligten, die keine eigene Selbstanzeige abgegeben haben, spricht jedoch gleich eine Vielzahl von Gründen. So knüpft der Wortlaut der Norm die Strafbefreiung ausschließlich an die Person an, die die Berichtigung abgibt („Wer . . . berichtigt, ergänzt, nachholt, . . . wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht bestraft“). Die Erlangung der Strafbefreiung ist also an die Vornahme der von § 371 Abs. 1 S. 1 AO statuierten Handlungen geknüpft.563 Eine Zurechenbarkeit der Strafbefreiung ist damit nicht vorgesehen. Darüber hinaus steht einer Zurechenbarkeit der Strafbefreiung auch die Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlicher Strafaufhebungsgrund entgegen. Dies bedeutet, dass die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ausschließlich demjenigen Steuerhinterzieher zugute kommt, der die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm in eigener Person erfüllt. Nach einem Teil

562

Brauns, wistra 1985, 171 (174). So bereits Hofstetter: „Das Gesetz knüpft die Strafbefreiung an eine bestimmte Handlung des Steuerpflichtigen die darin besteht, daß (sic!) er für die Besteuerung bedeutsame Erklärung, die er bis dahin überhaupt nicht oder unrichtig abgegeben hatte, nachholt oder richtigstellt. Der straffällig Gewordene muß (sic!) also, wenn er Straffreiheit erlangen will, zur Wiedergutmachung eine persönliche Leistung erbringen: er (sic!) muß (sic!) die unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben, durch die das Steuervergehen verursacht worden ist, berichtigen oder ergänzen oder nachholen.“ Hofstetter, StW 1965, 156 (156). 563

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2. Teil: Besonderes

der Literatur ist die automatische Zurechnung der Wirkungen der Selbstanzeige eines Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten wegen § 29 StGB abzulehnen.564 Gemäß § 29 StGB wird jeder Tatbeteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld der übrigen Tatbeteiligten nach seiner persönlichen Schuld bestraft. Als persönlicher Strafaufhebungsgrund kann die Rechtsfolge der Selbstanzeige, die Strafbefreiung, daher ausschließlich bei demjenigen Tatbeteiligten eintreten, der sämtliche Voraussetzungen von § 371 AO in eigener Person erfüllt.565 Im Ergebnis ist dieser Ansicht zuzustimmen. Vorzugswürdig dürfte es jedoch sein, zur Verneinung einer automatischen Zurechnung der Strafbefreiung nicht auf § 29 StGB sondern auf den Gedanken des § 28 Abs. 2 StGB abzustellen. So ist § 29 StGB nach h. M. ausschließlich auf Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe (§§ 19 ff., 17, 35, 33 StGB) anwendbar566, § 371 AO lässt jedoch nicht die Schuld des Steuerhinterziehers entfallen, sondern hebt dessen Strafe auf. Zwar ist die Selbstanzeige kein Strafausschließungsgrund, sondern ein Strafaufhebungsgrund567, sodass sie kein persönliches Merkmal, dass die Strafe ausschließt, darstellt. Gleichwohl unterscheiden sich Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe lediglich darin, dass der Strafausschließungsgrund die Strafbarkeit von vorneherein nicht entstehen lässt, während der Strafaufhebungsgrund die Strafbarkeit nachträglich beseitigt.568 In beiden Fällen kommt es damit trotz eines an sich tatbestandsmäßigen, vorsätzlichen und schuldhaften Verhaltens des Täters oder Teilnehmers zu keiner Bestrafung. Kirbach kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die strafbefreiende Selbstanzeige des einen Tatbeteiligten keine strafbefreiende Wirkung für die übrigen Tatbeteiligten habe, da eine „abgeleitete Straffreiheit“ nicht bestehe.569 Wie dargestellt, liegt die Rechtfertigung der Strafbefreiung durch die Selbstanzeige darin, dass der Steuerhinterzieher mit der Abgabe einer den Anforderungen von § 371 Abs. 1 AO genügenden Berichtigung das Handlungs- und Erfolgsunrecht der in Bezug genommenen Steuerhinterziehung ausgleicht. Dies bedeutet jedoch, dass es zwingend eines eigenen, ihm zurechenbaren Verhaltens des jeweiligen Steuerhinterziehers bedarf. Entscheidend ist nicht, dass das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehungstat, an der alle Tatbeteiligten mitgewirkt haben, durch die Selbstanzeige des jeweiligen Steuerhinterziehers rückgängig gemacht wurde. Dies ist zwar der Fall, da durch die Berichtigung des Steuerhinterziehers die verborgenen Steuerquellen aufgedeckt wurden und die ursprüngliche und un-

564 Beyer, BB 2016, 2527 (2527); Bilsdorfer, NWB Nr. 32, Fach 13, S. 912 – 2555 –; Stahlschmidt, S. 110. 565 Stahlschmidt, S. 110. 566 Statt vieler: Schönke/Schröder/Heine/Weißer, § 29 Rz. 4 m.w. N. 567 1. Teil unter B. II. 2. 568 1. Teil unter B. II. 2. 569 Kirbach, S. 47.

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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richtige Steuerfestsetzung nun nachträglich durch das Finanzamt richtig erfolgen kann bzw. zu Unrecht gewährte Steuervorteile nun nachträglich wieder entzogen werden können. Gleichwohl bleibt es dabei, dass das Handlungsunrecht der Steuerhinterziehungstaten der übrigen Steuerhinterzieher bestehen bleibt. Nur derjenige Steuerhinterzieher, der die von § 371 Abs. 1 AO statuierte Voraussetzung erfüllt, d.h. selbst eine Berichtigung abgibt, gleicht das Handlungsunrecht seiner eigenen und seine Strafbarkeit begründenden Steuerhinterziehungstat aus. Damit scheidet eine Zurechenbarkeit der Strafbefreiung eines Tatbeteiligten, die dieser aufgrund einer wirksamen Selbstanzeige erlangt hat, zu den übrigen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung aus. Dies bedeutet, dass in den Fällen, in denen ein Tatbeteiligter einer Steuerhinterziehung allein wirksam Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO erstattet, dieser auch allein straffrei wird. Die übrigen Tatbeteiligten bleiben nicht nur strafbar wegen ihrer Steuerhinterziehung. Da dem Finanzamt infolge der Selbstanzeige des einen die Tat der übrigen Tatbeteiligten nunmehr bekannt ist, ist diesen vielmehr auch die Abgabe einer eigenen strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO nunmehr versperrt. Aus diesem Grund wird in der Literatur vielfach vertreten, dass bei einer Selbstanzeige, die im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses abgegeben wird, dringend eine vorherige Abstimmung erfolgen solle (sog. koordinierte Selbstanzeige).570

C. Die Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO § 371 AO ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund. Dies bedeutet, dass er grundsätzlich auch nur für denjenigen Steuerhinterzieher wirkt, der selbst Selbstanzeige erstattet. Dabei kann jeder Tatbeteiligte unabhängig von den anderen Tatbeteiligten Selbstanzeige erstatten. Er ist also zur Erlangung der Strafbefreiung weder verpflichtet, sich mit den übrigen Tatbeteiligten hinsichtlich der Abgabe einer Selbstanzeige zu verständigen, noch hat das Fehlen einer solchen Abstimmung der übrigen Tatbeteiligten Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige oder die Erlangung von Strafbefreiung durch den Selbstanzeigeerstatter.571 Gleichwohl kann sich eine Verpflichtung zur Informierung über die Abgabe einer Selbstanzeige aus anderen Rechtsgründen mit unterschiedlichen Konsequenzen für den eigenmächtigen Selbstanzeigeerstatter ergeben.572 570 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (95); Bilsdorfer, NWB Nr. 32, Fach 13, S. 912; zur koordinierten Selbstanzeige ausführlich im 2. Teil unter F. 571 Wie hier: Marschall, BB 1998, 2496 (2497). 572 Hierzu 2. Teil unter D.

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2. Teil: Besonderes

Die Strafbefreiung in § 371 Abs. 1 AO knüpft jedenfalls nicht an die höchstpersönliche, also eigenhändige Berichtigung des Steuerhinterziehers an.573 Damit kann unter bestimmten Voraussetzungen auch einer der Tatbeteiligten oder auch eine dritte Person mit strafbefreiender Wirkung für die übrigen Steuerhinterzieher Selbstanzeige erstatten. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob eine Berichtigung durch einen oder mehrere Steuerhinterzieher auch anderen Personen, die an der gemeinsam begangenen Steuerhinterziehung beteiligt waren, zugerechnet werden kann. Insbesondere ist zu untersuchen, ob der tatbeteiligte Selbstanzeigeerstatter unter erleichterten Voraussetzungen strafbefreiende Selbstanzeige auch für die übrigen Tatbeteiligten erstatten kann.

I. Automatische Zurechenbarkeit der Selbstanzeige bei Abgabe durch die übrigen Tatbeteiligten? Bei der Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen sind mehrere Personen an der Steuerhinterziehungstat beteiligt. Wie dargestellt, können der Kenntnisstand über die Besteuerungsgrundlagen und die Zugriffsmöglichkeiten auf entsprechende Unterlagen zwischen den verschiedenen, an der Steuerhinterziehungstat Beteiligten erheblich divergieren, sodass einem Teil der Tatbeteiligten die Abgabe der Berichtigungserklärung in der Regel leichter fallen wird, als den übrigen.574 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, wie der Umstand rechtlich zu würdigen ist, dass eine Selbstanzeige lediglich von einem oder einem Teil der Tatbeteiligten abgegeben wurde, insbesondere hinsichtlich der hieraus resultierenden Konsequenzen für die übrigen Tatbeteiligten. 1. Keine strafbefreiende Fremdanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO bei Selbstanzeige eines Tatbeteiligten Erstattet ein Tatbeteiligter einer Steuerhinterziehung, die von mehreren Personen gemeinsam begangen wurde, Selbstanzeige, handelt es sich nicht um eine zugunsten der übrigen Tatbeteiligten strafbefreiend wirkende Fremdanzeige i. S. v. § 371 Abs. 4 AO. Gemäß § 371 Abs. 4 S. 1 AO wird ein Dritter, der die in § 153 AO bezeichneten Erklärungen nicht, lediglich unrichtig oder unvollständig abgeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, wenn die in § 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet wird und dem Dritten oder seinem Vertreter vorher noch nicht die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekanntgegeben wurde. Sowohl eine direkte als auch eine entspre573 So bereits das RG, Urteil vom 11.05.1922 – RGSt 76, 385; ebenso auch Lohmeyer, DStR 1964, 446 (446); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15. 574 2. Teil unter A. II. 6.

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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chende Anwendung von § 371 Abs. 4 AO muss von vorneherein ausscheiden, weil es sich bei der strafbefreienden Selbstanzeige in diesen Fällen nicht um eine Erklärung nach § 153 AO handelt.575 2. Zurechnung über eine Geschäftsführung ohne Auftrag, rückwirkende Genehmigung oder Stellvertretung im mutmaßlichen Willen Insbesondere in der älteren Literatur wurde vertreten, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige eines Mittäters oder Teilnehmers der Steuerhinterziehung stets für die übrigen Tatbeteiligten wirke.576 Franzen ist der Auffassung, dass eine Selbstanzeige eines von mehreren Tatbeteiligten zugleich stets als Fremdanzeige zum Vorteil der anderen Tatbeteiligten wirke, auch dann, wenn diese einen besonderen Auftrag zur Abgabe der Berichtigung auch in ihrem Namen nicht erteilt hätten.577 So würde der fiskalische Zweck der Selbstanzeige, dem Staat eine bisher unbekannte Steuerquelle zu eröffnen, auch dann erreicht werden, wenn von mehreren Tatbeteiligten lediglich einer berichtigende Angaben mache.578 Nach Franzen soll es damit genügen, wenn die Abgabe der Berichtigung dem mutmaßlichen Willen entspreche.579 Oftmals nähmen die Anzeigeerstattenden ohnehin irrtümlich an, dass eine Selbstanzeige ohne Weiteres auch zugunsten der übrigen an der Steuerhinterziehung beteiligten Personen wirke.580 Nach Franzen begründe das Erfordernis einer besonderen Vollmacht oder eines besonderen Auftrags gar eine „besondere Härte“, falls Täter und Teilnehmer zueinander in einem rechtlichen oder tatsächlichen Über-Unterordnungsverhältnis stünden.581 Dies sei nach Franzen etwa im Verhältnis zwischen Unternehmer und an der Tat beteiligten Arbeitnehmern oder Eltern und ihren an der Tat beteiligten Kindern der Fall.582 Nach Franzen soll deshalb das Erfordernis eines besonderen Auftrags zur Abgabe der Selbstanzeige auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen der Anzeigeerstatter nicht an der in Bezug genommenen Tat beteiligt war.583 In den Fällen der Selbstanzeige eines Mittäters oder Teilnehmers einer gemeinsam begangenen Steuerhinterziehung soll nach Franzen die Möglichkeit einer „Geschäftsführung ohne Auftrag“ 575

Wie hier im Ergebnis auch BestLex/Melchior „Selbstanzeige“ Rz. 31. So etwa Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 57. 577 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 57; wohl auch Mösbauer, nach dem für die Berichtigung grundsätzlich auch ein Handeln des Geschäftsführers ohne Auftrag genüge, Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326). 578 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 57. 579 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 60. 580 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 57. 581 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 57. 582 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 57. 583 Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 59. 576

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2. Teil: Besonderes

analog § 677 BGB und einer „Genehmigung der Abgabe der Selbstanzeige“ analog § 184 Abs. 1 BGB anerkannt werden.584 Damit können auch Tatbeteiligte, die die Selbstanzeige weder mit abgeben haben, noch überhaupt Kenntnis über die Abgabe der Selbstanzeige hatten, straffrei werden.585 Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, dass eine Selbstanzeige, die lediglich vom mutmaßlichen Willen des Steuerhinterziehers getragen sei und von welcher der Steuerhinterzieher mithin im Zeitpunkt der Abgabe der Berichtigung nichts wisse, ebenfalls strafbefreiend wirken könne.586 Nach einem Teil der Literatur soll es darauf ankommen, ob die Selbstanzeige, die von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegeben wurde, von dem Vertretenen gemäß § 177 Abs. 1 BGB auch nach Abgabe der Berichtigung bis zu dem Zeitpunkt genehmigt werde, ab dem die Tat gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO entdeckt ist.587 Der BGH hat in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Selbstanzeige eines Geschäftsführers einer GmbH auch zugleich zugunsten eines Mitgesellschafters wirken solle.588 Besonderheit dieses Falls war jedoch der Umstand, dass die Selbstanzeige des Anzeigeerstatters wegen einer gemeinsam mit dem Mitgesellschafter der GbR begangenen Lohnsteuerhinterziehung erstattet wurde und der BGH aufgrund der besonderen Sachlage davon ausging, dass die Selbstanzeige der Gesellschaft und mithin beiden Gesellschaftern diene.589 Hintergrund der Zurechnung der Berichtigung war dabei die interne Arbeitsteilung zwischen beiden Gesellschaftern – nach der entgegen dem in § 714 BGB normierten Grundsatz der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter einer GbR – ein Gesellschafter sich ausschließlich um die steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft kümmern sollte. Da der Anzeigeerstatter nach den ersten Lohnsteuerhinterziehungen von dem Mitgesellschafter aufgefordert wurde, „seinen Kram“ – gemeint waren nach Auffassung des BGH die steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft – „in Ordnung zu bringen“, entnahm der BGH dieser Aufforderung auch das Interesse des Mitgesellschafters an der Abgabe einer Berichtigung der Lohnsteuererklärung.590 Aus diesem Grund habe die Selbstanzeige der Gesellschaft und mithin beiden Gesellschaftern gedient.591 In der Entscheidung hat der BGH jedenfalls ausdrücklich offen gelassen, ob eine wirk584

Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 59. Franzen/Gast/Samson/Franzen, 1985 § 371 Rz. 60. 586 Simon/Wagner/Simon, S. 180. 587 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 40; Klein/Jäger, § 371 Rz. 35. 588 BGH, Urteil vom 24.10.1984 – 3 Str 315/84 – wistra 1985, 74; ebenso Blumers, nach dem der BGH in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Sachverhalt zu Recht von einer ausreichenden Bevollmächtigung des nicht von der Selbstanzeige ausdrücklich umfassten Gesellschafters ausgegangen sei, Blumers, wistra 1985, 85 (89). 589 BGH, Urteil vom 24.10.1984 – 3 Str 315/84 – wistra 1985, 74. 590 BGH, Urteil vom 24.10.1984 – 3 Str 315/84 – wistra 1985, 74. 591 BGH, Urteil vom 24.10.1984 – 3 Str 315/84 – wistra 1985, 74. 585

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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same Selbstanzeige auch durch eine Person erfolgen kann, deren Handeln nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag dem mutmaßlichen Willen des Steuerhinterziehers entsprach.592 Die automatische Zurechnung der Berichtigung im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag, einer rückwirkenden Genehmigung oder aufgrund einer Vertretung im mutmaßlichen Willen des Steuerhinterziehers wird in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend abgelehnt.593 Mangels persönlicher Leistung im Falle einer Abgabe der Selbstanzeige ohne Wissen und Auftrag des Steuerhinterziehers fehle es auf Seiten des Steuerhinterziehers an dem „sehr wichtigen Erfordernis der Freiwilligkeit“, sodass Hofstetter eine strafbefreiende Wirkung in diesen Fällen nicht anerkennt.594 Entscheidend für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist indes nicht, ob der Steuerhinterzieher freiwillig oder aufgrund einer anderen bestimmten Motivation handelt.595 Hofstetter ist aber zuzustimmen, dass die Abgabe einer Selbstanzeige ohne Wissen oder Auftrag des Steuerhinterziehers im Hinblick auf das Erfordernis einer eigenen Leistung zur Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung in Form des Ausgleichs des Handlungsunrechts seiner Steuerhinterziehung problematisch ist. Nach Marschall sei eine rückwirkende Genehmigung durch den Steuerhinterzieher nicht vom eindeutigen Wortlaut des § 371 AO gedeckt.596 Lohmeyer argumentiert, dass der Steuerhinterzieher eine eigene Tätigkeit, gerichtet auf die Unschädlichmachung der unrichtigen Erklärung, erbringen müsse.597 Da eine solche eigene Leistung des Täters bei einer rückwirkenden Genehmigung oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorlege, seien die entsprechenden Vorschriften des BGB nicht anwendbar.598 Auch Beckemper lehnt eine Zurechnung der Selbstanzeige eines Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten im Wege des Abstellens auf den mutmaßlichen Willen ab. So sei eine solche Lösung mit dem abschließenden Anwendungsbereich von § 371 Abs. 4 AO für auftragslose 592

BGH, Urteil vom 24.10.1984 – 3 Str 315/84 – wistra 1985, 74. KG, Beschluss vom 24.11.2016 – (4) 121 Ss 169/16 (195/16), NStZ-RR 2017, 215; Bauerle, S. 120; BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 232; Bilsdorfer, NWB Nr. 32 Fach 13, Seite 912; Flore/Tsambikakis/ Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 32; Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 AO Rz. 15; Hofstetter, StW 1965, 169 (169); Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); Pfaff, 1973, S. 296; Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 185; Rolletschke, S. 254; Stahlschmidt, S. 110. 594 Hofstetter, StW 1965, 169 (169). 595 Wie hier: Blumers, wistra 1985, 85 (85). 596 Marschall, BB 1998, 2496 (2498); ebenso auch schon Bilsdorfer: „Es gibt keine nachträgliche Genehmigung“, Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94). 597 Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); ebenso auch Pfaff, 1973, S. 296. 598 Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); Pfaff, 1973, S. 296. 593

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2. Teil: Besonderes

Fremdanzeigen nicht vereinbar.599 Dies soll nach Beckemper auch für den Fall gelten, dass sich die verschiedenen Tatbeteiligten untereinander nicht auf die Erstattung einer Selbstanzeige einigen können.600 Es soll ihr zufolge dabei bleiben, dass ein Tatbeteiligter nur dadurch im Wege der Selbstanzeige für sich Strafbefreiung bewirken könne, dass er den oder die übrigen Tatbeteiligten mit seiner Selbstanzeige durch die durch sie bewirkte Tatentdeckung i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO der Bestrafung aussetzt.601 Füllsack/Bürger bejahen hingegen das Bestehen eines rechtspolitischen Bedürfnisses für eine sog. Stellvertretung im mutmaßlichen Willen in den Fällen, in welchen ein Tatbeteiligter eine Selbstanzeige abgibt und diese gleichzeitig als Strafanzeige gegenüber anderen Tatbeteiligten wirkt.602 Gleichzeitig sei jedoch das Erfordernis der Rechtsklarheit zu beachten.603 Insofern dürfen Ausnahmen von dem Grundsatz, wonach die Strafbefreiung nur derjenige Steuerhinterzieher erlange, der sich selbst anzeigt, auf „eine überprüfbare Weise beschränkt sein“.604 Ansonsten bestünde nach Füllsack/Bürger die Gefahr, dass im Nachgang von Selbstanzeigen sämtlichen im weitesten Sinne an der Steuerhinterziehung beteiligten Personen Straffreiheit zugebilligt werden müsste.605 Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die Selbstanzeige gleichwohl regelmäßig dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der anderen Tatbeteiligten entsprechen dürfte, etwa wenn alle zur Selbstanzeige entschlossen waren und davon ausgingen, dass die Selbstanzeige auch zugunsten der anderen wirke.606 Stahl ist der Auffassung, dass die nachträgliche Genehmigung einer Berichtigung durch einen Steuerhinterzieher sich häufig als nachträgliche Artikulation einer von vornherein bestehenden Vollmacht herausstelle.607 Rolletschke führt zu Recht aus, dass das Fehlen eines Auftrags oder einer Vollmacht in der Praxis nur schwer feststellbar sei, da weder die Beauftragung noch die Bevollmächtigung formbedürftig seien.608 Mösbauer ist zwar der Auffassung, dass eine auftragslose Selbstanzeige eines Mittatbeteiligten keine Wirkung für die übrigen Tatbeteiligten habe, sofern es sich bei dem Selbstanzeigeerstatter nicht um den satzungs599

Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 38. Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 38. 601 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 38. 602 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 185 f. 603 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 186; so auch schon Bilsdorfer. Bilsdorfer zufolge solle daher der Auftrag zur Erstattung der Selbstanzeige an einen Bevollmächtigten zur Sicherheit und zur Beweisklarheit schriftlich erteilt werden, Bilsdorfer, NWB Nr. 32, Fach 13, S. 912. 604 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 185. 605 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 186. 606 Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 186. 607 Stahl, S. 97 f. 608 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94); Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, § 371 Rz. 16; Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Rolletschke, S. 255. 600

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mäßigen oder gesetzlichen Vertreter handele. Da das Fehlen einer Zustimmung zur Abgabe der Berichtigung jedoch regelmäßig nicht nachgewiesen werden könne, erscheine das auftragslose Handeln des Selbstanzeigeerstatter – jedenfalls widerlegbar – als Geschäftsführung ohne Auftrag.609 Teilweise wird in der Literatur in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass in derartigen Fällen ohnehin regelmäßig ein Handeln in verdeckter Stellvertretung angenommen werden müsste, weil das Finanzamt das Fehlen eines entsprechenden Auftrags zur Abgabe einer Selbstanzeige nicht beweisen könne.610 An anderer Stelle wird in der Literatur vertreten, dass in allen Fällen, in denen ein Tatbeteiligter eine Selbstanzeige wegen einer i. R. eines Mehrpersonenverhältnisses begangenen Steuerhinterziehung erstatte, in dubio pro reo grundsätzlich zu vermuten sei, dass die tatbeteiligten Dritten den Selbstanzeigeerstatter mit der Abgabe der Berichtigung wirksam beauftragt hätten.611 3. Zwischenergebnis: Keine automatische Zurechnung der Selbstanzeige eines Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten Da es sich bei der strafbefreienden Selbstanzeige um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handelt, ist für die Zurechenbarkeit einer Berichtigung durch einen anderen Tatbeteiligten notwendig, dass sie als eigenes Handeln des Tatbeteiligten gewertet werden kann. Hieran fehlt es jedoch bei einer automatischen Zurechnung der Selbstanzeige des einen Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten. Eine Strafbefreiung auch der nicht selbst die Selbstanzeige erstattenden Tatbeteiligten kann nur dann erfolgen, wenn ihnen die Abgabe der Selbstanzeige ebenfalls zuzurechnen ist, was erst dann angenommen werden kann, wenn ein entsprechender Auftrag hierzu abgegeben wurde. Fraglich ist jedoch, ob dem Umstand, dass der Selbstanzeige eine Steuerhinterziehung, die i. R. eines Mehrpersonenverhältnisses begangen wurde, nicht bereits eine von Anfang bestehende gesonderte Beauftragung zur Mitabgabe einer etwaigen strafbefreienden Selbstanzeige entnommen werden könnte. So ließe sich überlegen, dass derjenige Tatbeteiligte, der gemeinsam mit anderen Tatbeteiligten Steuern hinterzieht, von vorneherein mit der Selbstanzeige eines anderen Tatbeteiligten – vor allem im 609

Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326). Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 92; Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 43; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 186. 611 So der BGH für die Erstreckung der Berichtigung eines Ehemanns auf dessen ebenfalls an der Steuerhinterziehung beteiligten Ehefrau, BGH, Urteil vom 13.11.1952 – 3 StR 398, 52 – BGHSt 3, 373; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 32; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 42; Rolletschke, S. 255; Stahlschmidt, S. 110; vgl. auch Theil, nach dem die Behauptung des nicht in der Berichtigung aufgenommenen Tatbeteiligten, dass ein entsprechender Auftrag zur Abgabe der Berichtigung vorgelegen hätte, nicht als bloße Schutzbehauptung behandelt werden könne, so lange nicht das Gegenteil bewiesen sei, Theil, BB 1983, 1274 (1276). 610

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2. Teil: Besonderes

Hinblick auf die für ihn gravierenden nachteiligen Folgen einer Selbstanzeige eines anderen Tatbeteiligten – einverstanden ist, so lange diese eben auch für ihn abgegeben würde. Gegen die Annahme einer konkludent mit der gemeinsamen Ausführung der Steuerhinterziehung abgegebenen Einverständniserklärung oder gar Beauftragung der übrigen Tatbeteiligten spricht jedoch, dass die Tatbeteiligten im Zeitpunkt der Tatausführung jedenfalls nicht bereits zu diesem Zeitpunkt die spätere Abgabe einer Selbstanzeige vor Augen hatten. Gerade wegen der inhaltlichen Hürden und der finanziell nachteiligen Auswirkungen der Selbstanzeige ist es unwahrscheinlich, dass die Tatbeteiligten bereits im Zeitpunkt der Steuerhinterziehungstat davon ausgingen, später Selbstanzeige zu erstatten. Naheliegender ist die Annahme, dass die Tatbeteiligten im Zeitpunkt der Tatbegehung davon ausgingen, dass ihre Tat nicht entdeckt würde. Darüber hinaus aber genügt ein lediglich konkludentes Billigen einer späteren Selbstanzeige auch nicht den Anforderungen an eine wirksame Beauftragung eines Tatbeteiligten mit der Abgabe der Selbstanzeige. Hierin liegt keine eigene Leistung, die auf Rückgängigmachung des eigenen Tatbeitrags zu der Steuerhinterziehung in Form der Wiedergutmachung des verwirklichten Handlungs- und Erfolgsunrechts gerichtet ist und die mithin gemäß § 371 Abs. 1 S. 1 AO mit Strafbefreiung zu honorieren ist. Fraglich ist, ob von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden kann, wenn ein Tatbeteiligter keine Kenntnis von der Selbstanzeige der anderen Steuerhinterzieher hat. Dieses Problem wird insbesondere in den Fällen relevant, in denen ein lediglich untergeordnet tätig gewordener Tatbeteiligter keine Kenntnis über die Abgabe einer Selbstanzeige durch den tatnäheren Tatbeteiligten hat, etwa weil er nicht über die Absichten des oder der anderen Tatbeteiligten informiert wurde. Dies kann insbesondere bei aus einem Unternehmen ausgeschiedenen Mitarbeitern, die während des Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses gemeinsam mit anderen Mitarbeitern zugunsten des Unternehmens oder eines Vorgesetzten Steuern hinterzogen haben, relevant werden. Hier muss noch nicht einmal eine böse Absicht der übrigen Selbstanzeigeerstattenden vorliegen, den ausgeschiedenen Mitarbeiter nicht mit in den Umfang der Selbstanzeige einzubeziehen. Es sind auch Fälle denkbar, in denen der Mitarbeiter etwa wegen eines zwischenzeitlichen Umzugs unbekannt verzogen ist und nicht erreicht werden kann. Gleichzeitig ist die zeitige Abgabe der Selbstanzeige zur Vermeidung der Auslösung von Sperrgründen notwendig, sodass fraglich ist, ob in solchen Fällen eine Ausdehnung des Schutzumfangs der Selbstanzeige mittels Zurechenbarkeit der Berichtigung auch auf nicht erreichbare Steuerhinterzieher erfolgen kann. Richtigerweise wird man auch in diesen Fällen nicht von einer automatischen Zurechnung der Strafbefreiung ausgehen können, da es auch hier an einer eigenen Leistung dieser Steuerhinterzieher fehlt. Insbesondere vor dem Hintergrund der eingeschränkten Berichtigungspflichten für Steuerhinterzieher, die an einer Steuerhinterziehung in einem für sie fremden Steuerschuldverhältnis mitgewirkt haben, ist auch dem Personenkreis der ausgeschiedenen Mitarbeiter die Abgabe

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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einer eigenen Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO möglich und zumutbar. Damit besteht auch kein rechtspolitisches Bedürfnis nach einer Ausdehnung der Strafbefreiung eines Tatbeteiligten auf die übrigen an der Steuerhinterziehung beteiligten Personen. Insoweit gelten i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen keine Besonderheiten gegenüber anderen Selbstanzeigen.

II. Zurechenbarkeit der Selbstanzeigeerklärung durch einen Tatbeteiligten oder Dritten Trotz der Rechtsnatur der strafbefreienden Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund muss die Selbstanzeige nicht höchstpersönlich abgeben werden, sondern kann unter bestimmten Voraussetzungen für den Steuerhinterzieher wirken. Obwohl also eine Zurechnung der Strafbefreiung ausscheidet, steht einer Vertretung bei der Abgabe der Berichtigung nichts entgegen. 1. Stellvertretung Überwiegend wird in der Literatur vertreten, dass die Berichtigung auch durch einen Vertreter i. S. d. §§ 164 ff. BGB, durch einen satzungsmäßigen oder gesetzlichen Vertreter mit strafbefreiender Wirkung für den Steuerhinterzieher abgegeben werden könne.612 Insofern stehe die Rechtsnatur der Selbstanzeige als Strafaufhebungsgrund einer Abgabe der Berichtigung durch einen Vertreter nicht entgegen, da es ausschließlich darauf ankomme, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 371 AO in der eigenen Person des Steuerhinterziehers erfüllt seien.613 Dabei müsse die Berichtigung unter Wahrung des Offenkundigkeitsprinzips äußerlich erkennbar im Namen des Vertretenen abgegeben werden.614 612 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94); Bilsdorfer, NWB Nr. 32, Fach 13, S. 912 – 2554 –; Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 40; Buschmann/Luthmann, S. 92; Ehlers, DStR 1974, 695 (695); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 29; Graf/Jäger/Wittig/ Rolletschke, § 371 AO Rz. 14; Hofstetter, StW 1965, 169 (169); Hübschmann/Hepp/ Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 32; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 82; Jäger/Birke, PStR 2004, 182 (182); Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; Lelewer, S. 80; Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 184; Marschall, BB 1998, 2496 (2497); Rolletschke, S. 254; Schmitz, DStR 2001, 1821 (1822); Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 53; Spatschek, DB 2013, 1073 (1079); Stahlschmidt, S. 110; Süße/Urban/Püschel, Newsdienst-Compliance 2014, 71005 (71005); Theil, BB 1983, 1274 (1276); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15; Troeger/Meyer, S. 158. 613 BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52 –, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74; BGH, Beschluss vom 06. Juni 1990 – 3 StR 183/90, wistra 1990, 308; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 84; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 184. 614 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 41; vgl. auch Mösbauer, nach der die Person, der „die Rechtswohltat Straffreiheit zukommen soll“ erkennbar sein müsse, Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326).

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2. Teil: Besonderes

Überwiegend wird weitergehend festgestellt, dass die Selbstanzeige nur dann Wirksamkeit für einen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung entfalten könne, wenn dieser dem Selbstanzeigeerstatter hierzu eine „spezielle Vollmacht“ erteilt habe.615 Insbesondere die ältere Literatur und Rechtsprechung argumentieren, dass es – da es eines eigenen Beitrags des Steuerhinterziehers zur Abgabe der Selbstanzeige bedürfe – auch eines gesonderten Auftrags des Steuerpflichtigen, gerichtet auf die Unschädlichmachung der unrichtigen Steuererklärung, bedürfe.616 Eine allgemeine Vollmacht, etwa i. R. eines bereits bestehenden Mandatsverhältnisses des Steuerhinterziehers zu einem Steuerberater oder Rechtsanwalt zur Wahrnehmung sämtlicher steuerlicher Angelegenheiten sei nicht ausreichend.617 Dies gilt nach Beckemper entsprechend für interne Organisationsstrukturen, nach denen etwa ein Tatbeteiligter oder ein Dritter mit der Erledigung sämtlicher Steuerangelegenheiten betraut wurde.618 Dabei müsse die Vollmacht zur Abgabe der Selbstanzeige nach der Tat und mit Rücksicht auf die Beseitigung der Folgen der unrichtigen Angaben erteilt worden sein.619 Eine spezielle Vollmacht liegt vor, wenn sie eigens für die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige erteilt wurde. Entscheidend sei, dass der Vertreter die Berichtigung nicht nur i. R. seiner nach außen wirksam bestehenden Vertretungsmacht abgegeben hat, sondern hierzu auch nach innen aufgrund einer entsprechenden Geschäftsführungsbefugnis beauftragt wurde.620

615 RG, Urteil vom 11. Mai1922 – III Ss 142/22, RGSt 56, 385; BGH, Urteil vom 13. November 1952 – 3 StR 398/52, BGHSt 3, 373; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74; BeckStbHB/Randt, o. Steuerstrafrecht und Steuerfahndung c) Selbstanzeige Rz. 232; Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94); Ehlers, DStR 1974, 695 (696); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 29; Hüls/Reichling/Hüls/ Reichling, § 371 Rz. 82; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 84; Lohmeyer, DStR 1964, 446 (446); Marschall, BB 1998, 2496 (2497); Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326); Schmitz, DStR 2001, 1821 (1822); Spatschek, DB 2013, 1073 (1079); Stahlschmidt, S. 110; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15; ebenso auch Troeger/Meyer, S. 158. 616 RG, Urteil vom 11. Mai 1922 – III Ss 142/22, RGSt 56, 385; Hofstetter, StW 1965, 169 (169). 617 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94); Ehlers/Lohmeyer, S. 44; Hofstetter, StW 1965, 169 (169); Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 32; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; Lelewer, S. 80; Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15. 618 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 33. 619 RG, Urteil vom 11. Mai 1922 – III Ss 142/22, RGSt 56, 385; Ehlers/Lohmeyer, S. 44; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 29; Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Beckemper, § 371 Rz. 32; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 82; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; ebenso auch: Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 84; Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326); Süße/Urban/Püschel, NewsdienstCompliance 2014, 71005 (71005); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15; Troeger/Meyer, S. 158. 620 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 42; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 32.

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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Gegen oder ohne den Willen des vertretenen Steuerhinterziehers kann damit auch nicht von einem ansonsten rechtmäßig bevollmächtigten Vertreter wirksam eine Berichtigung abgegeben werden und mithin wirksam für diesen Strafbefreiung herbeigeführt werden.621 Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur ist die Vollmacht nicht formbedürftig und kann dementsprechend auch mündlich erteilt werden.622 Gleichwohl wird vielerorts darauf hingewiesen, dass sich aus Beweisgründen die Schriftform empfehle.623 Dies ist zutreffend. Durch Erteilung der speziellen Vollmacht in Bezug auf die bereits begangene Steuerhinterziehung zur Abgabe der Berichtigung an den Dritten hat der Steuerhinterzieher nicht nur eine eigene Leistung, gerichtet auf Rückgängigmachung der Steuerhinterziehung, erbracht, er hat auch den entscheidenden Kausalverlauf zur Wiedergutmachung der Steuerhinterziehung in Gang gesetzt. Damit liegt auch in diesen Fällen, unterstellt, dass die durch den Dritten abgegebene Berichtigung den inhaltlichen Anforderungen an die Berichtigung genügt, eine wirksame Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO vor. 2. Das „Veranlasserprinzip“ Nach dem sog. Veranlasserprinzip kommt es für die Zurechenbarkeit der Berichtigung eines Tatbeteiligten oder eines Dritten zu den übrigen Tatbeteiligten als eigene Erklärung darauf an, ob die Abgabe der Selbstanzeige auf dem Willen des jeweiligen Steuerhinterziehers beruht und von diesem veranlasst wurde.624 Das Veranlasserprinzip beschreibt die wesentlichen Voraussetzungen, die einer wirksamen Vertretung bei Abgabe der Berichtigung zu Grunde liegen. Die Veranlassung durch den Steuerhinterzieher zur Abgabe der Berichtigung stellt dabei den notwendigen eigenen Handlungsbeitrag dar, den der Steuerhinterzieher zur Wiedergutmachung des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung erbringen muss. Bei Veranlassung eines Dritten oder eines Tatbeteiligten zu der Abgabe der Berichtigung liegt nämlich in der Person des Steuerhinterziehers die Erbringung 621

Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 42; Stahlschmidt, S. 110. Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 29; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 85; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447). 623 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 29; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 85; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; Süße/Urban/Püschel, Newsdienst-Compliance 2014, 71005 (71005). 624 BGH, Urteil vom 27. April 1988 – 3 StR 55/88, wistra 1988, 308; BGH, Beschluss vom 06. Juni 1990 – 3 StR 183/90, wistra 1990, 308; BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136; KG, Beschluss vom 24.11.2016 – (4) 121 Ss 169/16 (195/16), NStZ-RR 2017, 215; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 32; Jäger/Birke, PStR 2004, 182 (182); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 83; vgl. auch Lohmeyer, nach dem der Steuerhinterzieher die Berichtigung veranlasst haben müsse und diese mithin von ihm ausgehen müsse, Lohmeyer, DStR 1964, 446 (447); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 108; Schwarz/Pahlke/Webel, § 371 Rz. 56; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15. 622

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2. Teil: Besonderes

einer Handlung vor, die auf die Rückgängigmachung der Steuerhinterziehung gerichtet ist, und werden damit die Anforderungen gewahrt, die aufgrund der Rechtsnatur der Selbstanzeige als persönlichen Strafaufhebungsgrund an die zur Strafbefreiung führende Handlung zu stellen sind. 3. Nachträgliche Genehmigung der Berichtigung Ein großer Teil der Literatur ist der Auffassung, dass eine Genehmigung oder „sonstige Billigung“ einer bereits durch einen anderen eingereichten Berichtigung zwar grundsätzlich wirksam sein kann, sodass die Berichtigung auch für den nicht selbst anzeigeerstattenden Tatbeteiligten wirken könne.625 Vertretern dieser Ansicht zufolge soll eine solche Genehmigung oder Billigung jedoch ausschließlich ex nunc wirken, sodass eine Strafbefreiung des Genehmigenden – vorausgesetzt, die übrigen Voraussetzungen von § 371 AO sind erfüllt – nur dann in Betracht kommt, wenn zwischenzeitlich keine Sperrgründe gemäß § 371 Abs. 2 AO eingetreten sind.626 Entscheidend für die Wirksamkeit der Berichtigung soll damit in diesen Fällen nicht der Zeitpunkt der Abgabe durch den Selbstanzeigeerstatter, sondern der Zeitpunkt der Genehmigung der Abgabe der Berichtigung durch den Steuerhinterzieher sein.627 Bei einer erst nachträglich erfolgenden Genehmigung einer Berichtigung fehlt es damit im Zeitpunkt der Abgabe der Berichtigung an einer eigene Wiedergutmachungsleistung des Steuerhinterziehers. Ab dem Zeitpunkt seiner Genehmigung jedoch liegt ein eigener Beitrag vor, sodass es sachgerecht ist, auf diesen Zeitpunkt zur Bestimmung der Wirksamkeit der Berichtigung abzustellen. 4. Verdeckte Stellvertretung Nach der wohl herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur ist auch die Abgabe einer Berichtigung in verdeckter Stellvertretung zulässig und vermag für den verdeckt vertretenen Steuerhinterzieher ebenfalls Strafbefreiung wegen der in der Selbstanzeige in Bezug genommenen Steuerstraftat zu bewirken.628 Eine Stellvertretung erfolgt dabei dann verdeckt, wenn nach außen nicht 625 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 32; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 83; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 113; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; ebenso: MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 108; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 15. 626 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 40; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 32; Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 83; wohl auch Beckemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 43; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 113; ebenso MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 108; Stahlschmidt, S. 110; Tipke/ Kruse/Seer, § 371 Rz. 15. 627 Ehlers, DStR 1974, 695 (695 f.); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 32; Pfaff, DStZ 1982, 361 (361 f.). 628 KG, Beschluss vom 24.11.2016 – (4) 121 Ss 169/16 (195/16), NStZ-RR 2017, 215; BGH, Urteil vom 05. Mai 2004 – 5 StR 548/03 –, BGHSt 49, 136; Bayerisches

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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erkennbar wird, dass der unmittelbar Handelnde (auch) für einen anderen handelt.629 Vertretern dieser Ansicht zufolge muss die Selbstanzeige bei Abgabe daher nicht erkennen lassen, dass sie im Auftrag eines Dritten erfolgt.630 Eine spätere Nennung des Vertretenen soll genügen631, ist aber auch erforderlich.632 Mösbauer zufolge kommt es bei der zulässigen verdeckten Stellvertretung darauf an, dass in der Berichtigung die Person, der die Rechtswohltat der Strafbefreiung zukommen soll, erkennbar wird.633 Entscheidend für die Wirksamkeit einer solchen Selbstanzeige sei dabei, dass der verdeckt vertretene Steuerhinterzieher „hinter der Anzeige steht“ und diese – entsprechend dem zuvor besprochenen Veranlasserprinzip – mitveranlasst hat.634 Teilweise wird darauf abgestellt, dass der Selbstanzeigeerstatter im Innenverhältnis mit der erforderlichen speziellen Vollmacht zur Abgabe der Selbstanzeige handeln müsse und den Finanzbehörden die Person des Vertretenen bekannt werden müsse – sofern dieser zu eigenen Gunsten Steuern hinterzogen hat –, damit jene diese dem Steuerhinterzieher eine Frist gemäß § 371 Abs. 3 AO setzen könne.635 Die Nennung des Vertretenen soll jedoch in den Fällen der Selbstanzeige zur Strafbefreiung wegen einer versuchten Steuerhinterziehung entbehrlich sein, weil es hier noch nicht zu einer Steuerverkürzung gekommen sei bzw. keine ungerechtfertigten Steuervorteile erlangt worden seien und es mithin keiner Fristsetzung gemäß § 371 Abs. 3 AO bedürfe.636

Oberstes Landesgericht, Urteil vom 27. April 1972 – RReg 4 St 26/72, DStZ/B 1972, 287; Alvermann, stbg 2008, 546 (546 ff.); Brauns, wistra 1985, 171 (174); Graf/Jäger/ Wittig/Rolletschke, § 371 AO Rz. 14; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 31; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 35; Hüls/Reichling/Hüls/ Reichling, § 371 Rz. 84; Jäger/Birke, PStR 2004, 182 (182); Jäger, NStZ 2005, 552 (560); Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 41; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 110; Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172); Spatscheck/Alvermann, INF 2001, 23 (25); Spatscheck DB 2013, 1073 (1079); Stahlschmidt, S. 110; Streck, DStR 1996, 288 (289); Theil, BB 1983, 1274 (1276); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 16; ebenso bereits Troeger/Meyer, S. 258; a. A.: Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 41. 629 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 110. 630 BayObLG, Urteil, vom 07.10.1953 – 1 St 41/53, NJW 1954, 244 f.; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 31; Marschall, BB 1998, 2496 (2498); Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 185; ebenso Spatschek, der jedoch zusätzlich verlangt, dass der Name des Vertretenen vorher in einem Protokoll festgehalten wurde, Spatschek, DB 2013, 1073 (1079). 631 Marschall, BB 1998, 2496 (2498). 632 Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186. 633 Mösbauer, DStZ 1985, 325 (326). 634 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 110; nach Füllsack/Bürger sei maßgebend, dass überhaupt ein Auftrag oder ein Einverständnis des vertretenen Steuerhinterziehers vorliege, Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 185. 635 BGH, Beschluss vom 21. Juni 1994 – 5 StR 105/94, ZfZ 1995, 218; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 31; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 16. 636 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 31.

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2. Teil: Besonderes

Hoyer weist darauf hin, dass eine verdeckte Stellvertretung mit Wirkung für und gegen den verdeckt bleibenden Geschäftsherrn weder der Systematik des Zivilrechts noch der des Steuerstrafrechts entspreche.637 Als Beispiel für die Systemwidrigkeit der verdeckten Stellvertretung im Rahmen der Abgabe der Berichtigung verweist Hoyer auf die in § 371 Abs. 3 AO geregelte erforderliche Zahlungsfrist.638 Aus dem Umstand, dass sich aus dem Wortlaut der Norm ergibt, dass eine Fristsetzung gegenüber dem verdeckten Vertreter nicht ausreichend ist, sondern gegenüber dem „wahren“ Berichtigenden erfolgen muss, schlussfolgert Hoyer, dass das Gesetz offenbar davon ausgehe, dass der Finanzbehörde die Person des Berichtigenden aufgrund der Berichtigung bekannt sein müsse.639 So könne zwar aus der Erklärung des verdeckten Vertreters die Person des Geschäftsherrn hervorgehen, dass dieser jedoch auch zugleich als Berichtigender und mithin tauglicher Adressat der Frist gemäß § 371 Abs. 3 AO aufzufassen sei, ergebe sich daraus jedoch gerade nicht.640 Ähnlich wie Hoyer argumentiert auch Beckemper, dass der Finanzbehörde die Person des Steuerhinterziehers wenigstens nachträglich bekannt werden muss, damit diese die Frist gemäß § 371 Abs. 3 AO setzen könne.641 Nach Jäger/Birke bedürfe es nur dann keiner Nennung der Person des Vertretenen, wenn eine Fristsetzung und Zahlung von hinterzogenen Steuern nicht in Betracht kommt.642 Dies sei etwa der Fall bei einer auf unberechtigte Steuererstattung gerichteten versuchten Steuerhinterziehung, bei der durch die Angaben in der Selbstanzeige ohne Weiteres feststehe, dass ein Steuererstattungsanspruch nicht bestehe und eine weitere Gefährdung des Steueraufkommens deshalb ausgeschlossen sei.643 Die Kritik an der Zulässigkeit der Berichtigung in verdeckter Stellvertretung ist berechtigt. So ist zwar zutreffend, dass in den Fällen, in denen die Setzung einer Frist gemäß § 371 Abs. 3 AO mangels eigennützig hinterzogener Steuern nicht in Betracht kommt, nicht ersichtlich ist, weshalb die Berichtigung auch den Namen solcher Steuerhinterzieher enthalten muss. Indes ist an der Ausklammerung solcher Steuerhinterzieher problematisch, dass es umstritten ist, wann Steuern – insbesondere solche in fremden Steuerschuldverhältnissen – als zu eigenen Gunsten hinterzogen gelten.644 Eine eindeutige Bestimmung fehlt also. Ohne Nennung des Selbstanzeigeerstatters kann das Finanzamt nicht überprüfen, ob 637

Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 41. Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 41. 639 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 41. 640 Beermann/Gosch/Hoyer, § 371 Rz. 41. 641 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 35. 642 Jäger/Birke, PStR 2004, 182 (182). 643 Jäger/Birke, PStR 2004, 182 (182). 644 Vgl. hierzu mit zahlreichen weiteren Nachweisen Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 142 ff. 638

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

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dieser Steuern zu eigenen Nutzen hinterzogen hat und dessen Steuerbefreiung u. U. noch von der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern und der Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO abhängt. Damit verbleibt auch aus Sicht des Selbstanzeigeerstatters das Risiko, trotz der in verdeckter Stellvertretung abgegebenen Selbstanzeige nicht straffrei zu werden. Entscheidend muss sein, dass das Finanzamt den zu eigenen Gunsten hinterziehenden Steuerhinterzieher, ohne weitere Ermittlungstätigkeiten durchführen zu müssen, zur Zahlung der hinterzogenen Steuern nebst der Hinterziehungszinsen innerhalb einer angemessenen Frist bestimmen kann. Damit ist die Nennung des Steuerhinterziehers, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuer noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogene Steuer ist, kein für die wirksame Berichtigung konstitutives Merkmal, sodass die Abgabe der Berichtigung in verdeckter Selbstanzeige den Anforderungen nach § 371 Abs. 1 AO genügt. Die Nennung des Vertretenen ist jedoch für die Erfüllung der sich aus § 371 Abs. 3 AO ergebenden Zahlungsverpflichtung notwendig, da das Finanzamt nur dann den eigennützigen Steuerhinterzieher eine angemessene Zahlungsfrist setzen kann, wenn es seine Identität kennt. Zur Vermeidung der Versagung der Strafbefreiung wegen des Fehlens der innerhalb einer angemessenen gesetzten Frist erfolgenden Nachzahlung gemäß § 371 Abs. 3 AO und damit zur Minimierung von Unwirksamkeitsrisiken ist es jedoch unbedingt erforderlich, dass das Finanzamt die Namen der Personen, die hinter der verdeckt abgegebenen Selbstanzeige stehen, möglichst zeitnah erfährt und ggf. von sich aus den Steuerhinterzieher zur Zahlung der hinterzogenen Steuern inkl. der Hinterziehungszinsen gemäß § 371 Abs. 3 S. 1 AO bestimmen kann.

III. Gleichzeitige Abgabe der Berichtigung gemäß § 371 Abs. 1 AO durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater für mehrere Tatbeteiligte der Steuerhinterziehung Gemäß § 146 S. 1 StPO darf ein Verteidiger nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen. Gleichwohl verstößt die Abgabe der Berichtigung für mehrere Tatbeteiligte einer Steuerhinterziehung nach h. M. nicht gegen das Verbot der Mehrfachvertretung, da die Abgabe der Selbstanzeige noch als Steuerberatung und nicht schon als Strafverteidigung anzusehen sei.645 Im Übrigen spreche für die Zulässigkeit dieses Vorgehens, dass es sich bei der Berichti645 Bilsdorfer, NWB Nr. 32, Fach 13, S. 912; Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 30; Hübschman/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 38; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 86; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 186; Quedenbeck/Füllsack/Füllsack/Bürger, S. 184; Stahlschmidt, S. 110; Theil, BB 1983, 1274 (1276); Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 16.

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2. Teil: Besonderes

gung gemäß § 371 Abs. 1 AO nicht um eine Prozesserklärung handele, die etwa zurückgewiesen werden könne.646 Dies ist zutreffend, etwas anderes wird man nur dann annehmen können, wenn die Selbstanzeige lediglich als Teil einer Verteidigungsstrategie abgegeben wird, um i. R. einer möglichst für den Steuerhinterzieher positiven Abwägung der Gesamtumstände der Tat und des Nachtatverhaltens des Täters gemäß § 46 Abs. 2 StGB auf die Verhängung einer möglichst niedrigen Strafe hinwirken zu können.

IV. Keine automatische Zurechnung der Berichtigung für eine Personen- oder Kapitalgesellschaft zu den Gesellschaftern Nach der h. M. in der Literatur soll die Selbstanzeige, die wegen einer mittels verdeckter Gewinnausschüttung verwirklichten Körperschaftsteuerhinterziehung zugunsten der Kapitalgesellschaft abgegeben wird, ausschließlich für die in Bezug genommene Körperschaft und den in diesem Zusammenhang tätig gewordenen gesetzlichen Vertreter der Körperschaft wirken.647 Die Berichtigung ist nur dann dem Gesellschafter, zu dessen Gunsten die verdeckte Gewinnausschüttung erfolgte und der – bei Verschweigen der auf diese Weise erzielten Einkünfte – eine Einkommensteuerhinterziehung begangen hat, zuzurechnen, wenn dieser dem Anzeigeerstatter einen entsprechenden Auftrag zur Abgabe der Berichtigung erteilt hatte.648 Schauf verlangt zusätzlich, dass der Gesellschafter, für den die Berichtigung zugunsten der Gesellschaft wirken soll, auch ausdrücklich in die Selbstanzeige mit einbezogen wird. Dem ist indes zu widersprechen, da die ausdrückliche Einbeziehung des Gesellschafters im Hinblick auf die Zulässigkeit von verdeckter Stellvertretung jedenfalls bei Abgabe einer Selbstanzeige wegen einer in einem für den Selbstanzeigeerstatter fremden Steuerschuldverhältnis, in welchem er auch nicht gemäß § 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig ist, nicht grundsätzlich erforderlich ist und für unterschiedliche Behandlungen von Selbstanzeigen zugunsten natürlicher oder juristischer Personen kein Anlass besteht. Auch bei einer Personengesellschaft wirkt die Berichtigung einer Einkommensteuerhinterziehung der Gesellschafter wegen Steuerhinterziehung in Bezug auf die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung nur zugunsten desjenigen Steuerhinterziehers, der die Berichtigung selbst abgibt.649 Gleichwohl soll nach Auffassung von Wessing/Biesgen wegen der Bindungswir646

Theil, BB 1983, 1274 (1276). Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 33; Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Beckemper, § 371 Rz. 41. 648 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 33; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 104. 649 Wie hier: Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 106. 647

C. Zurechenbarkeit der Berichtigung nach § 371 Abs. 1 AO

295

kung des aufgrund der Selbstanzeige des einen Personengesellschafters zu ändernden Grundlagenbescheids eine weitere Berichtigung der übrigen Gesellschafter nicht erforderlich sein.650 Entsprechendes soll nach Wessing/Biesgen auch für den Gewerbesteuermessbescheid und Gewerbesteuerbescheid gelten.651 Die Ansicht von Wessing/Biesgen ist abzulehnen, soweit sie eine automatische Zurechnung der Berichtigung eines Feststellungsberechtigten zu den übrigen Feststellungsberechtigten annimmt. Es bleibt auch im Verhältnis der Personengesellschafter untereinander bei dem Grundsatz, dass eine Berichtigung nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen Vollmacht im Zeitpunkt der Abgabe bzw. im Wege einer Genehmigung des Gesellschafterhandelns ex nunc für die übrigen Feststellungsberechtigten wirkt. Anderes gilt jedoch für die Umsatzsteuer, für welche die Personengesellschaft selbst steuerpflichtig ist. Hier genügt es, wenn ein Vertreter der Gesellschaft i. S. v. § 34 AO, d.h. i. d. R. ein Geschäftsführer oder ein Gesellschafter, für die Gesellschaft eine Selbstanzeige erstattet.652 Geht die Umsatzsteuerhinterziehung der Personengesellschaft mit einer Einkommensteuerhinterziehung der Gesellschafter einher, hat die Selbstanzeige für die Gesellschaft keine Wirkung für diese Steuerhinterziehungen. Hier gilt entsprechendes wie bei einer Einkommensteuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung bei einer Kapitalgesellschaft: Die Berichtigung ist nur dann den einkommensteuerhinterziehenden Gesellschaftern zuzurechnen, wenn diese entweder eine eigene Berichtigung abgeben oder aber dem Anzeigeerstatter einen entsprechenden Auftrag zur Abgabe der Berichtigung erteilt hatten.

V. Zwischenergebnis Eine Zurechnung der Strafbefreiung eines Tatbeteiligten, die dieser durch Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige gemäß § 371 AO erlangt hat, zu den übrigen Tatbeteiligten der angezeigten Steuerhinterziehung scheidet aus. Erforderlich ist stets eine eigene, den jeweiligen Tatbeteiligten zurechenbare Selbstanzeige, da nur so ein Ausgleich des Handlungsunrechts der eigenen Straftat erfolgt. Eine Zurechnung der Berichtigung eines Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten der angezeigten Steuerhinterziehung ist grundsätzlich möglich. Die Anforderungen an die Zurechnung der Berichtigung entsprechen denjenigen, die an die Zurechnung der Berichtigung durch einen Dritten zu stellen sind.

650

Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 33. Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 33. 652 Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 42; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 109. 651

296

2. Teil: Besonderes

Eine Zurechnung der Berichtigung eines Tatbeteiligten mittels Geschäftsführung ohne Auftrag, einer nachträglichen Genehmigung oder der sog. Stellvertretung im mutmaßlichen Willen ist nicht möglich, da es hier an einer eigenen Leistung des Steuerhinterziehers fehlt. Eine höchstpersönliche Abgabe der Berichtigung ist nicht erforderlich. Der Steuerhinterzieher kann sich wirksam bei der Abgabe vertreten lassen, wenn er den Anzeigeerstatter hierzu zuvor besonders beauftragt hat. Die Stellvertretung kann auch verdeckt erfolgen. Die Nennung des Vertretenen hat damit keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der für sie abgegebenen Selbstanzeigeerklärung gemäß § 371 Abs. 1 AO. Zur Vermeidung des Risikos einer wegen fehlender Nachzahlung gemäß § 371 Abs. 3 AO unwirksamen Selbstanzeige ist es jedoch ratsam, die Namen der Steuerhinterzieher, für die die Berichtigung in verdeckter Stellvertretung abgegeben wurde, dem Finanzamt zeitnah zu übermitteln, damit das Finanzamt gegenüber denjenigen Steuerhinterziehern, die zu eigenen Gunsten Steuern hinterzogen haben, ihnen gegenüber eine angemessene Frist zur Nachzahlung der hinterzogenen Steuern inkl. Hinterziehungszinsen bestimmen kann. Auch die nachträgliche Genehmigung einer bereits abgegebenen Berichtigung bewirkt nur eine ab dem Zeitpunkt der Genehmigung für die Zukunft wirkende Zurechnung zu dem genehmigenden Steuerhinterzieher. Eine ex tunc-Wirkung der Genehmigung ist ausgeschlossen, da die Abgabe der Berichtigung nicht von dem später Genehmigenden veranlasst wurde und eine dem Selbstanzeigeerstatter eigene Leistung gerichtet auf die Berichtigung der Steuerhinterziehung erst im Zeitpunkt der Genehmigung der bereits abgegebenen Berichtigung vorliegt. Die Abgabe der Berichtigung durch einen Rechtsanwalt für mehrere Tatbeteiligte steht einer wirksamen Berichtigung nicht entgegen. Eine Zurechnung der Berichtigung, die für eine Personen- oder Kapitalgesellschaft abgegeben wurde, zu den übrigen Gesellschaftern, die eine mit der Steuerhinterziehung der Personen- oder Kapitalgesellschaft inhaltlich zusammenhängende Steuerhinterziehung begangen haben, ist abzulehnen.

D. Pflichten des Steuerhinterziehers im Zusammenhang mit der Abgabe der Selbstanzeige Wie dargestellt, hängt die Wirksamkeit der Selbstanzeige eines Steuerhinterziehers, der im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses Steuern hinterzogen hat, nicht von einer Verständigung mit den übrigen Tatbeteiligten wegen der Abgabe einer Selbstanzeige ab. Eine strafrechtliche Pflicht zur Informierung über die geplante Abgabe einer Selbstanzeige gegenüber den übrigen Tatbeteiligten besteht damit nicht. Gleichzeitig liegen vielen Steuerhinterziehungen, die im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen begangen wurden, rechtliche Sonderverbindungen zu Grun-

D. Pflichten des Steuerhinterziehers bei Abgabe der Selbstanzeige

297

de, sodass sich hieraus entsprechende Pflichten ergeben könnten. An dieser Stelle ist mithin zu untersuchen, welche Pflichten hier in Betracht kommen könnten und welche Auswirkungen ein etwaiger Verstoß gegen diese Pflichten haben könnte.

I. Die Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung in Unternehmen durch mehrere Mitarbeiter Wurden in einem Unternehmen durch mehrere Mitarbeiter zugunsten des Unternehmens Steuern hinterzogen, kann zwar jeder Tatbeteiligte für sich strafbefreiend Selbstanzeige erstatten. Die Selbstanzeige kann jedoch auch durch einen Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO des Unternehmens erfolgen, sofern diese die jeweiligen Steuerhinterzieher mit in ihren Umfang aufnimmt. Wie dargestellt, „beseitigt“ die Selbstanzeige stets die Strafbarkeit des die Selbstanzeige erstattenden bzw. des in ihren Umfang aufgenommenen Steuerhinterziehers. Sofern ein Vertreter des Unternehmens i. S. v. § 34 AO davon erfährt, dass in dem von ihm vertretenen Unternehmen steuerliche Erklärungen unrichtig oder unvollständig abgegeben wurden, ist er gemäß § 153 AO verpflichtet, diese Unrichtigkeiten anzuzeigen und zu berichtigen. Kommt er dieser steuerrechtlichen Pflicht nicht nach, ist er wegen einer eigenen Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten des Unternehmens strafbar, welche ebenfalls tauglicher Gegenstand einer Selbstanzeige ist. 1. Keine automatische Erstreckung auf sämtliche an der Steuerhinterziehung beteiligten Mitarbeiter des Unternehmens Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass die Selbstanzeige des Organs einer Gesellschaft nach einer Steuerhinterziehung in einem Unternehmen selbst dann für die übrigen an der Steuerhinterziehung beteiligten Personen wirkt, wenn diese in der Selbstanzeige nicht ausdrücklich genannt wurden.653 Wie gezeigt wurde, bedarf es jedoch für eine Zurechenbarkeit der Wirkung der Berichtigung stets eines ausdrücklichen Auftrags des vertretenen Steuerhinterziehers, sodass eine automatische Zurechnung abzulehnen ist. Dies bedeutet nicht, dass sämtliche Mitarbeiter in der Berichtigung namentlich mit aufzunehmen sind, da wie gezeigt wurde, auch die verdeckte Stellvertretung zulässig ist. Bei Mitarbeitern, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie die Steuerhinterziehung zu eigenen Gunsten begangen haben, sollte von der Abgabe einer Selbstanzeige in verdeckter Stellvertretung indes abgesehen werden und bereits aus anwaltlicher Vorsicht eine namentliche Nennung mit oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Berichtigung erfolgen. So ist die Selbstanzeige gemäß 653

Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172).

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2. Teil: Besonderes

§ 371 Abs. 3 AO nur dann wirksam, wenn diejenigen Steuerhinterzieher, die zu eigenen Gunsten Steuern hinterzogen haben, die hinterzogenen Steuern nebst Hinterziehungszinsen innerhalb der ihnen von dem Finanzamt bestimmten angemessenen Frist entrichten. Wie dargestellt, bedarf es hierfür notwendigerweise eine Kenntnis des Finanzamts vom Adressaten dieser Fristbestimmung. Stellt sich nachträglich hinaus, dass einer der verdeckt von der Selbstanzeige in Bezug genommenen Mitarbeiter doch zu eigenen Gunsten Steuern hinterzogen hat, bleibt zwar seine Berichtigungserklärung wirksam. Da eine Fristsetzung des Finanzamts jedoch nicht von sich aus erfolgen konnte, sind nicht sämtliche Voraussetzung der Selbstanzeige gemäß § 371 AO erfüllt und erlangt der Mitarbeiter mithin keine Strafbefreiung. Schwartz/Höpfner raten zu Recht dazu, sämtliche Mitarbeiter, die an der Erstellung und Abgabe der unrichtigen Steuererklärung mitgewirkt haben, vorsorglich ausdrücklich mit in den „Schutzbereich der Selbstanzeige“ einzubeziehen.654 Wulf/Kamps schlagen hierzu vor, in einem internen Protokoll festzuhalten, dass die Selbstanzeige auch für die im Protokoll namentlich genannten Personen erklärt wird.655 Die Autoren verweisen übereinstimmend auf die Möglichkeit zur Unterzeichnung einer sog. Anschlusserklärung durch die jeweiligen Mitarbeiter, bei der die Mitarbeiter erklären, dass ihnen die Selbstanzeige für die Gesellschaft bekannt sei und dass diese auch für sie gelten solle.656 2. Pflicht zur Aufnahme sämtlicher beteiligter Steuerhinterzieher bei Abgabe der Selbstanzeige? Fraglich ist, ob bei nachträglich bekannt gewordenen Steuerhinterziehungen, die durch Mitarbeiter eines Unternehmens zugunsten des Unternehmens begangen wurden und in Bezug auf welche Selbstanzeige erstattet werden soll, eine Pflicht des Unternehmens gegenüber den als Steuerstraftäter identifizierten Mitarbeitern besteht, diese in den Umfang der Selbstanzeige namentlich mit aufzunehmen. Haase ist der Auffassung, dass das Unternehmen nicht aufgrund arbeitsvertraglicher Schutzpflichten verpflichtet sei, Mitarbeiter, die zugunsten des Unternehmens Steuern hinterzogen haben, dadurch zu schützen, dass durch das Unternehmen selbst eine wirksame Selbstanzeige erstattet wird und die jeweiligen Mitarbeiter in den Schutzumfang der Selbstanzeige einbezogen werden.657 Haase legt seiner Auffassung eine Fallkonstellation zu Grunde, in der dem Unternehmen das Vorliegen einer Steuerhinterziehung sowie die Identifikation der Steuerhinterzieher erst nachträglich aufgrund der Durchführung von internen 654 655 656 657

Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172). Wulf/Kamps, DB 2011, 1711 (1712). Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (172); Wulf/Kamps, DB 2011, 1711 (1712). Haase, NWB 2015, 3043 (3044 f.).

D. Pflichten des Steuerhinterziehers bei Abgabe der Selbstanzeige

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Ermittlungen (etwa durch Auswertung dienstlicher E-Mails oder Aussagen von Mitarbeitern) bekannt wurde. Für das Bestehen einer arbeitsvertraglichen Pflicht zur Informierung über bzw. zur Einbeziehung eines Arbeitnehmers in den Umfang einer Selbstanzeige ist m. E. danach zu differenzieren, ob ein Organ des Unternehmens oder ein anderer Vorgesetzter den Mitarbeiter angewiesen hat, die steuerlichen Angaben unrichtig zu erklären bzw. auf andere Weise an der Steuerhinterziehung mitzuwirken, oder ob der Mitarbeiter eigenmächtig Steuern zugunsten des Unternehmens hinterzogen hat. Letzteres wäre etwa denkbar, wenn der Mitarbeiter Steuern hinterzogen hat, um hierdurch einen höheren Gewinn für das Unternehmen zu generieren und letztendlich höhere Bonuszahlungen erhalten zu können. In der letztgenannten Fallkonstellation ist Haase zuzustimmen und eine arbeitsvertragliche Pflicht des Unternehmens gegenüber dem Mitarbeiter zu verneinen. Im Gegenteil: Das Begehen von Straftaten ist auch dann eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten eines Mitarbeiters gegenüber seinem Arbeitgeber, wenn solche in der Absicht begangen wurden, dem Arbeitgeber einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. So können Straftaten, die sich nicht gegen den Arbeitgeber oder andere Mitarbeiter des Unternehmens richten, sogar die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn die Straftat das Arbeitsverhältnis belastet und Zweifel an der Zuverlässigkeit des Mitarbeiters begründet.658 Da Steuerstraftaten, die innerhalb eines Unternehmens begangen wurden und bekannt werden, einen erheblichen Reputationsschaden verursachen können, ist in diesen Fällen grundsätzlich eine Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen, die u. U. die fristlose außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben kann, begründez. Zur Sicherheit sollten Unternehmen interne Regelungen zur Vermeidung von Steuerstraftaten aufstellen und diese allen Mitarbeitern gegenüber bekannt geben. Es empfiehlt sich, solche Regelungen zur Verpflichtung aller Arbeitnehmer zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und zur Nichtbegehung von Straftaten entweder direkt in den Arbeitsvertrag mit aufzunehmen oder als Zusatz zum Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Hatte das Unternehmen oder der Vorgesetzte des Mitarbeiters jedoch Kenntnis von dessen Steuerhinterziehung und wurde diese wenigstens stillschweigend gebilligt, ist das Unternehmen aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten verpflichtet, den Mitarbeiter über die Abgabe einer Selbstanzeige zu informieren und diesen in den Umfang der Selbstanzeige miteinzubeziehen. Aus der arbeitsrechtlichen Treuepflicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer lässt sich somit nicht ohne weiteres eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur vorherigen Abstimmung über die Erstattung einer Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung zugunsten des Unternehmens des Arbeitgebers entnehmen. Die arbeitsvertragliche Treuepflicht besagt, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtun658

Hierzu mit weiteren Nachweisen ErfK/Niemann, § 626 Rz. 85.

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2. Teil: Besonderes

gen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so wahrzunehmen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren hat, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und den Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann.659 Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht verpflichtet den Arbeitnehmer, vom Betrieb, mithin auch vom Arbeitgeber als Betriebsinhaber, Schäden abzuwenden, soweit dies dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist.660 Auf der anderen Seite beinhalten die arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers auch Hinweis- und Aufklärungspflichten.661 So hat der Arbeitgeber zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen seiner Arbeitnehmer wahrzunehmen.662 Aus seiner Fürsorgepflicht ergibt sich jedoch, dass er seine Arbeitnehmer unaufgefordert über alle Umstände informieren muss, die diesen unbekannt, aber für Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Arbeitsverhältnisses erheblich sind.663 Das Arbeitsverhältnis ist geprägt von einem Subordinationsverhältnis zwischen den Beteiligten. Wegen der sozialen Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber, seiner fehlenden Organisationsherrschaft, des i. d. R. fehlenden Zugriffs auf die Besteuerungsgrundlagen und des Umstands, dass er bei einer Steuerhinterziehung zugunsten des Unternehmens des Arbeitgebers nicht Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern ist, ist er in größerem Maße schutzwürdig und auf die Miteinbeziehung in eine Selbstanzeige des Arbeitgebers angewiesen. So ist es dem Arbeitnehmer zwar wegen des eingeschränkten Berichtigungsmaßstabs, der für Selbstanzeigen bei Steuerhinterziehungen in fremden Steuerschuldverhältnissen gilt, möglich, auch ohne genaue Kenntnis der Besteuerungsgrundlagen strafbefreiende Selbstanzeige zu erstatten. Gleichwohl wird er wegen der sozialen Abhängigkeit von seinem Arbeitgeber sowie des Umstands, dass ein Verlust seines Arbeitsplatzes seine wirtschaftliche Existenz bedrohen kann, eher von der Erstattung einer Selbstanzeige absehen, als seinen Arbeitgeber davon in Kenntnis zu setzen, dass dieser entweder mit ihm gemeinsam Selbstanzeige erstatten könne oder er ansonsten alleine Selbstanzeige erstatten werde. Anders liegt die Sache bei einer Selbstanzeige nach einer gemeinsamen Lohnsteuerhinterziehung durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer, da sich hier die Beteiligten als gleichrangig gegenüberstehen. In diesen Fällen stellt eine eigenmächtige Selbstanzeige durch eine Partei eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht dar. 659 660 661 662 663

Schaub/Koch, „Treuepflicht (Nebenpflicht des Arbeitnehmers)“. Schaub/Koch, „Treuepflicht (Nebenpflicht des Arbeitnehmers)“. Schaub/Koch, „Fürsorgepflicht“. Schaub/Koch, „Fürsorgepflicht“. Schaub/Koch, „Fürsorgepflicht“.

D. Pflichten des Steuerhinterziehers bei Abgabe der Selbstanzeige

301

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls fraglich, ob eine Pflicht des Mitarbeiters, der wegen einer Steuerhinterziehung, die er gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des Unternehmens zugunsten des Unternehmens begangen hat, nun Selbstanzeige erstatten möchte, besteht, die übrigen Mitarbeiter über seine Absicht zu informieren. Richtigerweise muss es auch hier auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommen. Eine arbeitsvertragliche Pflicht scheidet dann aus, wenn der Mitarbeiter zur Begehung der Steuerhinterziehung gedrängt wurde. Der Mitarbeiter kann auch nicht verpflichtet sein, das Bestehen seines Arbeitsverhältnisses durch den Versuch einer Abstimmung zur Abgabe einer gemeinsamen Selbstanzeige zu gefährden. Hatten seine Vorgesetzten oder Organe des Unternehmens keine Kenntnis von Steuerstraftaten ihrer Mitarbeiter, besteht eine arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Organe des Unternehmens über diese Steuerstraftaten aufzuklären. Dies muss schon deshalb gelten, weil die nachträgliche Korrektur bereits festgesetzter Steuern zu erheblichen Steuernachzahlungen führen kann und in den Bilanzen des Unternehmens sowie bei der wirtschaftlichen Planung des Unternehmens für die nächsten Jahre berücksichtigt werden muss. Auch nach Weigell kann die eigenmächtige Abgabe einer Selbstanzeige, ohne gleichzeitig den anderen die Möglichkeit zu gewähren, sich ihr anzuschließen, Schadensersatzansprüche und Kündigungsgründe auslösen.664 So bedürfe es zwar zur Rechtfertigung einer außerordentlichen oder ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer erheblichen Pflichtverletzung, die wohl nicht in der reinen eigenmächtigen Selbstanzeigeerstattung gesehen werden dürfte. Aus den Umständen des Einzelfalls kann sich jedoch anderes ergeben, etwa wenn zwischen den einzelnen Beteiligten ein fester gemeinsamer Abgabetermin anvisiert wurde, ein einzelner Steuerhinterzieher sich an diese Abrede aber nicht hält und mittels seiner eigener Selbstanzeige und der hiermit verbundenen Tatentdeckung die Strafbefreiung der übrigen Steuerhinterzieher verhindert. In solchen Fällen mögen Schadensersatzansprüche und sogar der Ausspruch einer Kündigung gerechtfertigt sein. Diese Konsequenzen gelten allerdings ausschließlich im Verhältnis der jeweiligen Parteien und betreffen allein die zivilrechtliche Ebene. An der Wirksamkeit der Selbstanzeige des eigenmächtig handelnden Mitarbeiters ändern diese zivilrechtlichen Konsequenzen jedoch nichts und verhindern insbesondere auch nicht dessen Strafbefreiung. 3. Zwischenergebnis Als Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass keine grundsätzliche Verpflichtung des Unternehmens oder des Mitarbeiters besteht, sich vor Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO mit den übrigen Beteiligten abzustimmen. Eine solche arbeitsvertragliche Pflicht besteht jedoch dann, wenn ein Mitarbeiter entweder durch Organe des Unternehmens oder andere Vorgesetzte zur Begehung 664

Kuhn/Weigell/Weigell, S. 187; Streck, DStR 1996, 228 (291).

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2. Teil: Besonderes

der Steuerstraftat gedrängt wurde oder aber wenn der Mitarbeiter ohne Kenntnis seiner Vorgesetzten eigenmächtig allein oder gemeinsam mit anderen Mitarbeitern Steuerstraftaten zugunsten des Unternehmens begangen hat.

II. Die Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung mehrerer Gesellschafter Auch bei Gesellschaftern, die zugunsten der Gesellschaft Steuern hinterzogen haben, ist eine Pflicht zur vorherigen Informierung der übrigen Gesellschafter über die Abgabe einer Selbstanzeige zu bejahen. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verpflichtet die Gesellschafter als Förderungs- und Loyalitätspflicht dazu, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und insbesondere nicht durch gesellschaftsschädliches Verhalten zu beeinträchtigen.665 Diese Treuepflicht verpflichtet auch die Gesellschafter untereinander.666 Wegen der Gleichrangigkeit der Gesellschafter untereinander sind die Gesellschafter daher verpflichtet, die übrigen Gesellschafter vor Schäden zu bewahren, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft stehen. Mithin sind die übrigen Gesellschafter vor Abgabe einer eigenen Selbstanzeige eines Gesellschafters über das geplante Vorhaben zu informieren und es ist ihnen die Möglichkeit zu geben, sich der Selbstanzeige anzuschließen. Es kommt jedoch nicht darauf an, dass der Steuerhinterzieher die Berichtigung höchstpersönlich abgibt.667 Damit kann unter den oben unter 2. Teil unter C. II. genannten Voraussetzungen (wirksame Stellvertretung bzw. bei eigennützig handelnden Steuerhinterziehern auch in verdeckter Stellvertretung) auch einer der Tatbeteiligten oder auch eine dritte Person mit strafbefreiender Wirkung für die übrigen Steuerhinterzieher Selbstanzeige erstatten.

III. Die Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung eines Ehegatten bei gemeinsam veranlagten Ehegatten In den Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten geben beide Ehegatten gemeinsam eine Einkommensteuererklärung ab. Hat ein Ehegatte in der Einkommensteuererklärung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht bzw. gebotene Angaben pflichtwidrig nicht gemacht und kam es hierdurch zu einer Steuerverkürzung oder der Gewährung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils, begeht er hierdurch eine Steuerhinterziehung. Der andere Ehegatte, der lediglich seine Unterschrift unter die gemeinsame Einkommensteuererklärung gesetzt hat, 665

Spindler/Stilz/Würthwein, AktG § 243 Rz. 159. Spindler/Stilz/Würthwein, AktG § 243 Rz. 159. 667 RG, Urteil vom 11.05.1922 – III Ss 142/22, RGSt 56, 385; ebenso auch Lohmeyer, DStR 1964, 446 (446). 666

E. Selbstanzeige bei rechtlichen Kollisionslagen des Vertragspartners

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ist mangels Vorsatzes nicht strafbar.668 Folglich muss (und kann) auch nur derjenige Ehegatte, dem die unrichtigen oder unvollständig erklärten Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen sind, eine strafbefreiende Selbstanzeige erstatten.669 Das OLG Schleswig hat entschieden, dass die Ehefrau, die nach der Trennung von ihrem Ehemann Selbstanzeige wegen einer gemeinsamen Steuerhinterziehung erstattet, im Rahmen der ehelichen Solidarität verpflichtet sei, bei einer Selbstanzeige den Ehemann vorab zu informieren, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich dieser anzuschließen.670 Das Gericht entschied, dass die klagende Ehefrau wegen der eigenmächtigen Selbstanzeige und ihres weiteren Gesamtverhaltens (insbesondere wegen der Erstattung unberechtigter Strafanzeigen gegen ihren Ehemann) gemäß § 1579 Nr. 5 BGB ihren Anspruch auf Erhalt von Trennungsunterhalt verwirkt habe.671

IV. Zwischenergebnis Zivilrechtliche Sonderverbindungen zwischen den Steuerhinterziehern haben keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige und auf die Erlangung der Strafbefreiung. Ggf. können durch eigenmächtige Selbstanzeigen Schadensersatzansprüche der übrigen Tatbeteiligten oder andere für den Selbstanzeigeerstatter nachteilige Folgen entstehen.

E. Die Selbstanzeige bei rechtlichen oder tatsächlichen Kollisionslagen des Beraters oder Vertragspartners Um sich nicht selbst dem Risiko einer Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehungstat auszusetzen, sind steuerliche Berater dazu gehalten, neue Mandate, bei denen der Verdacht einer Steuerstraftat des Mandanten besteht, entweder nur unter dem Vorbehalt einer unmittelbaren Selbstanzeige des Mandanten wegen dieser Steuerstraftat anzunehmen oder die Mandatierung unverzüglich abzulehnen.672 668

Burkhard, DStZ 1998 829 (832); Heuel, wistra 2015, 338 (340). Wie hier: Beyer, NZWiSt 2016, 234 (236). 670 Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. Dezember 2012 – 10 UF 81/12, PStR 2012, 202. 671 Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. Dezember 2012 – 10 UF 81/12, PStR 2012, 202. 672 Dieser Hinweis findet sich in zahlreichen Handbüchern und anderen Veröffentlichungen für steuerliche Berater, so z. B. bei Hölscheidt, NWB 2011, 1898 (1908); Bilsdorfer, INF 1998, 330 (333); ebenso auch Burkhard, INF 2002, 278 (279). Zusätzlich zeigt Burkhard weitere Vorsichtsmaßnahmen auf, die steuerliche Berater ergreifen sollten, z. B. Hinzuziehung von Zeugen bei ausdrücklichen Abraten von strafrechtlich rele669

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2. Teil: Besonderes

Der steuerliche Berater von Personen, die einzeln oder gemeinsam Steuern hinterzogen haben, kann hinsichtlich der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige wegen rechtlicher oder tatsächlicher Kollisionslagen aus unterschiedlichen Gründen diversen Risiken ausgesetzt sein.

I. Die Selbstanzeige des steuerlichen Beraters bei Weigerung des Mandanten zur Erstattung einer Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung Fraglich ist, welche Auswirkungen das Vorliegen eines Beratungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrags auf die Selbstanzeige des steuerlichen Beraters hat, wenn dieser gemeinsam mit dem Mandanten eine Steuerhinterziehung begangen hat oder an einer solchen beteiligt war. Während der Abgabe einer gemeinsamen Berichtigung mit dem tatbeteiligten Mandanten für den steuerlichen Berater keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, ist fraglich, wie die Weigerung des Mandanten, an einer gemeinsamen Selbstanzeige mitzuwirken, oder die eigenmächtige Selbstanzeige des steuerlichen Beraters rechtlich zu würdigen sind. So könnte einer eigenmächtigen Selbstanzeige durch den steuerlichen Berater § 203 StGB entgegenstehen. Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigtem oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Überwiegend wird zu diesem Problem in der Literatur vertreten, dass der Berater jedenfalls weder im Hinblick auf die Mandantentreue noch aufgrund seiner Verschwiegenheitsverpflichtung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB an der Erstattung einer eigenen Selbstanzeige gehindert ist.673 Daran soll weder das bestehende oder vergangene Mandatsverhältnis noch der entgegenstehende Wille des Mandanten etwas ändern.674 Überwiegend wird hierzu ausgeführt, dass es für

vanten Steuergestaltungen und die entsprechende Sensibilisierung aller Mitarbeiter des steuerlichen Beraters, Burkhard, INF 2002, 306 (308 f.). 673 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94); Burkhard, INF 2002, 437 (440); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 34; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 37; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 114; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 102; Kuhn/Weigell/Weigell, S. 187; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 118; Tipke/Kruse/Seer, § 371 Rz. 19. 674 Burkhard, INF 2002, 437 (440); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 118.

E. Selbstanzeige bei rechtlichen Kollisionslagen des Vertragspartners

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den steuerlichen Berater unzumutbar wäre, wenn er die Interessen eines „uneinsichtigen“ Mandanten vorziehen und hierdurch die Gefahr einer eigenen Strafbarkeit in Kauf nehmen müsse.675 Zwar ist es zutreffend, dass das Vorliegen oder Fehlen einer Abstimmung mit den Mandanten keine Auswirkungen auf die Anforderungen an die bzw. auf die Wirksamkeit einer eigenen Selbstanzeige des steuerlichen Beraters hat. Gleichwohl macht sich der steuerliche Berater, der ohne Informierung seines Mandanten wegen einer gemeinsamen Steuerhinterziehung Selbstanzeige erstattet, wegen Verletzung seiner Treuepflichten aus dem Mandatsverhältnis u. U. gegenüber seinem Mandanten schadensersatzpflichtig. Nach richtiger Auffassung muss der steuerliche Berater, der zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige entschlossen ist, daher zur Wahrung der Mandantentreue seinen Mandanten über das Vorhaben, Selbstanzeige erstatten zu wollen, informieren und diesem die Abgabe einer gemeinsamen Selbstanzeige anbieten.676 In diesem Zusammenhang muss der steuerliche Berater seinen Mandanten auch auf die Rechtsfolgen der Abgabe einer ausschließlich eigenen Selbstanzeige hinweisen und ihm insbesondere mitteilen, dass der Mandant aufgrund dessen wegen des Auslösens des Ausschließungsgrund der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO an der Abgabe einer eigenen, späteren Selbstanzeige mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert sein dürfte. Erst wenn sich der Mandant bei dieser Sachlage weigert, gemeinsam Selbstanzeige zu erstatten, kann es dem Berater nicht zugemutet werden, die Abgabe einer Selbstanzeige zu unterlassen.677

II. Die Selbstanzeige eines Bankmitarbeiters nach Mitwirkung an der Steuerhinterziehung eines Bankkunden Auch der Bankmitarbeiter, der an der Steuerhinterziehung eines Bankkunden mitgewirkt hat, kann grundsätzlich für sich selbst wirksam Selbstanzeige erstatten. Die Wirksamkeit der Selbstanzeige hängt nicht davon ab, ob der Bankkunde mit ihm gemeinsam Selbstanzeige erstattet oder über die Selbstanzeige des Bankmitarbeiters informiert wurde. Der Bankmitarbeiter muss auch nicht gleichzeitig mit seiner Selbstanzeige sämtliche weiteren gleichgelagerten Steuerhinterziehungen in anderen Steuerschuldverhältnissen offenbaren, da die gemäß § 371 Abs. 1 675 Bilsdorfer, wistra 1984, 93 (94); Bilsdorfer, INF 1998, 330 (333); Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 34; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 114; Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 102; Marschall, BB 1998, 2496 (2498); MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 118. 676 Durst, PStR 2008, 235 (238); Höpfner/Schwarz, PStR 2014, 61 (67); wie hier auch Schauf, nach dem der steuerliche Berater dem Mandanten Gelegenheit geben muss, sich an der Selbstanzeige zu beteiligen, Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 102. 677 Wie hier auch: Marschall, BB 1998, 2496 (2498).

306

2. Teil: Besonderes

S. 1 AO zu berichtigende Steuerhinterziehung, wie dargestellt, steuersubjektbezogen zu verstehen ist. Problematisch an einer solchen Vorgehensweise ist jedoch, dass die Steuerstraftat des Bankkunden bei eigenmächtiger Selbstanzeigeerstattung aufgedeckt würde. Bilsdorfer ist der Auffassung, dass sich der Bankmitarbeiter jedenfalls nicht gegenüber dem Bankkunden schadensersatzpflichtig mache, wenn der Bankmitarbeiter ohne vorherige Abstimmung Selbstanzeige erstatte.678 Hintergrund hierfür sei, dass die Banken keine steuerstrafrechtlichen Beratungspflichten gegenüber dem Kunden hätten.679 Klar sind Fälle, in denen zwischen den Parteien entsprechende vertragliche Informationspflichten statuiert wurden. In diesen Fällen ist unproblematisch eine Schadensersatzpflicht des Bankmitarbeiters anzunehmen. Auf der anderen Seite kann es dem Bankmitarbeiter auch nicht zugemutet werden, bei Weigerung des Bankkunden eine eigene Selbstanzeige zu unterlassen. Wenn schon der steuerliche Berater bei Weigerung seines Mandanten eine eigenmächtige Selbstanzeige erstatten kann, muss dies umso mehr für den fachfremderen Bankmitarbeiter gelten. Gleichwohl besteht auch zwischen dem Bankmitarbeiter und dem Bankkunden eine vertragliche Beziehung, aufgrund derer beide Parteien verpflichtet sind, sich so zu verhalten, dass Schäden an den Rechtsgütern der jeweils anderen Partei vermieden werden, § 241 Abs. 2 BGB. Vor diesem Hintergrund bestehen zumindest nebenvertragliche Informationspflichten, aufgrund derer der Bankmitarbeiter den Bankkunden über die Absicht, eine Selbstanzeige erstatten zu wollen, informieren muss und ihm wenigstens die Möglichkeit geben muss, eine eigene Selbstanzeige zu erstatten oder sich der Selbstanzeige des Bankmitarbeiters anzuschließen.

III. Die Selbstanzeige bei Mandatskonflikten Fraglich ist jedoch, wie es sich auswirkt, wenn ein steuerlicher Berater als Mandant eine juristische Person mit mehreren vertretungsberechtigten Gesellschaftern oder eine Personengruppe, die gemeinsam an einer Steuerhinterziehung mitgewirkt haben, vertritt und es zu Konflikten zwischen den jeweiligen Mandaten kommt. Nach einer gemeinsamen Steuerhinterziehung und dem Entschluss nur eines Teils dieser Personenmehrheit zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO können sich gleich eine Reihe von Problemen für den steuerlichen Berater stellen. 678 679

Bilsdorfer, INF 1995, 6 (11). Bilsdorfer, INF 1995, 6 (11).

E. Selbstanzeige bei rechtlichen Kollisionslagen des Vertragspartners

307

Hierzu ein Beispiel:680 A und B sind Gesellschafter einer OHG. Die OHG, A und B werden von demselben Steuerberater vertreten. Nach einer gemeinsamen Steuerhinterziehung geraten A und B in Streit. A beauftragt den Steuerberater mit der Abgabe einer Selbstanzeige wegen der gemeinsam mit B begangenen Steuerhinterziehung. Gleichzeitig weist er den Steuerberater an, den B nicht über sein Vorhaben zur Abgabe der Selbstanzeige zu unterrichten. Daraufhin legt der Steuerberater sein Mandat gegenüber B nieder (nicht jedoch das der OHG) und erstattet wirksam für A Selbstanzeige. A wird straffrei, B jedoch wird bestraft, weil für ihn keine Selbstanzeige abgegeben wurde. Daraufhin verklagt B den Steuerberater und A auf Schadensersatz. Nach Streck soll der Steuerberater im Verhältnis der Gesellschafter untereinander im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht den Gesellschafter B über die Selbstanzeige des A informieren müssen, sodass eine Schadensersatzpflicht des Steuerberaters jedenfalls dem Grunde nach bestehe.681 Weiterhin nimmt Streck auch eine Verpflichtung des Steuerberaters zur Unterrichtung des B über die Selbstanzeige des A wegen der gemeinsamen Steuerhinterziehung, trotz des ausdrücklichen, entgegenstehenden Willen des B an.682 So müsse der Mandant sich darauf verlassen können, dass ihn sein Berater auch über „Gefahren“, die ihm aus anderen Mandaten drohen und eine existenzbedrohende Wirkung für ihn haben, unterrichte.683 Auch durch eine Niederlegung des Mandats könne der Steuerberater sich seiner Pflichten aus dem Mandatsverhältnis nicht entlegen, da in solchen Fällen auf nachvertragliche Pflichten abzustellen sei.684 Auch hier nimmt Streck mithin eine Schadensersatzpflicht des Steuerberaters dem Grunde nach an.685

IV. Zwischenergebnis Auch rechtliche oder tatsächliche Kollisionslagen des Selbstanzeigeerstatters haben keinen Einfluss auf die Anforderungen an die Berichtigung noch auf die Erlangung der Strafbefreiung. Vielmehr verdeutlichen auch solche Konstellationen einmal mehr die Vielfältigkeit der verschiedenen Situationen, in denen Selbstanzeigen im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen erstattet werden, und die erheblichen praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Erstattung solcher Selbstanzeigen. 680

Angelehnt an das Beispiel bei Streck, DStR 1985, 9 (12). Streck, DStR 1985, 9 (12). 682 Streck, DStR 1985, 9 (12). 683 Streck, DStR 1985, 9 (12). 684 Streck, DStR 1985, 9 (12). 685 Dabei könne der Schadensersatz nach Streck indes nicht in einer Übernahme der Strafe liegen, da der Grund für die Bestrafung nicht die unterlassende Unterrichtung über bzw. nichterstattete Selbstanzeige war, sondern in der Steuerhinterziehung liege, Streck, DStR 1985, 9 (12). 681

308

2. Teil: Besonderes

F. Die koordinierte Selbstanzeige als taugliches Mittel für die Abgabe einer Selbstanzeige i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen? Über die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer koordinierten, konzentrierten oder kollektiven Selbstanzeige wurde insbesondere im Zusammenhang mit den Bankenfällen und Bankdurchsuchungen in den 1990er Jahren diskutiert.686 Die Abgabe einer koordinierten Selbstanzeige ist gleichwohl nicht auf Bankenfälle beschränkt.687 Bei jeder Steuerhinterziehung, an der mehrere Personen beteiligt waren, kann die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige zwischen mehreren selbstanzeigewilligen Tatbeteiligten abgesprochen werden.688 So sind typische Fälle auch Selbstanzeigen im Verhältnis Arbeitgeber- Arbeitnehmer für den Fall einer Einbindung des Arbeitnehmers in die Selbstanzeige des Arbeitgebers wegen einer Lohnsteuerhinterziehung und der daraus resultierenden Einkommensteuerverkürzung durch den Arbeitnehmer.689 Ein solches Vorgehen bietet sich insbesondere zur Vermeidung von inhaltlichen Abweichungen zwischen den einzelnen Berichtigungen an. Im Übrigen hat ein solches Vorgehen den Vorteil, dass durch eine einheitliche Abgabezeit der Berichtigung aller oder eines Teil der Tatbeteiligten inhaltliche Abweichungen zwischen den jeweiligen Erklärungen vermieden werden und der vorzeitigen Auslösung von Sperrgründen durch einzelne früher erstattete Selbstanzeigen entgegenwirkt wird.690 Ditges/Graß sind der Auffassung, dass die Abgabe einer koordinierten Erklärung lediglich in den Fällen sinnvoll sei, in denen der Kreis der Tatbeteiligten überschaubar ist, da die Beteiligten hier wissen könnten, ob und in welchem Umfang eine Hinterziehung vorliege und wer welche zu korrigierenden Tatbeiträge erbracht habe.691 Von der koordinierten Selbstanzeige zu unterscheiden, ist das sog. Monheimer Modell.692 Das Monheimer Modell geht auf Feldhausen zurück693 und ist im Ergebnis ein Modell zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerfahndungsmaßnahmen in Bankinstituten. In diesen – überwiegend als „Bankenfälle“ bezeichneten – Fällen soll eine Einbeziehung der Bankkunden in die Selbstanzeige der Bank bzw. ihrer Mitarbeiter wegen deren Beihilfe zur Steuerhinterziehung der Kunden erfolgen. 686

Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 195; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 115. MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 115; Plewka/Heerspink, BB 1998, 1338 (1338). 688 Kirbach, S. 47; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 115. 689 Flore/Tsambikakis/Wessing/Biesgen, § 371 Rz. 84. 690 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 115. 691 Ditges/Graß, BB 1998, 1978 (1980). 692 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 117; wie Kohler zu Recht hinweist, wird das Monheimer Modell missverständlich regelmäßig mit dem Institut der koordinierten Selbstanzeige gleichgesetzt, MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 116. 693 Feldhausen, PStR 1998, 175 (175). 687

F. Die koordinierte Selbstanzeige als taugliches Mittel

309

Dem Monheimer Modell liegt dabei folgende Ausgangssituation zugrunde: Erfährt der Vorstand einer Bank von einer bevorstehenden Durchsuchung von der Steuerfahndung oder Staatsanwaltschaft, so informiert er diese darüber, dass seine Mitarbeiter die in Betracht kommenden Kunden über die Möglichkeit zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige informieren.694 Dabei lag es in den überwiegenden Fällen sogar so, dass die Beamten der Steuerfahndung oder der Staatsanwaltschaft bereits bei der Bank zur Prüfung in einem auch gegen die Mitarbeiter der Bank gerichteten Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung erschienen waren.695 In der Regel haben die Steuerfahndungsbeamten dem betreffenden Vorstand der Bank zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahmen mitgeteilt, wie viele Kunden sie zu enttarnen beabsichtigen.696 Dabei schließen sich die Mitarbeiter der Bank den durch die Kunden abgegebenen Selbstanzeigen „höchst vorsorglich“ an, um auf diese Weise im Falle einer eigenen Strafbarkeit wegen Beteiligung an den Steuerhinterziehungen des Kunden straffrei werden zu können.697 Joecks ist der Auffassung, dass die Banken jedenfalls ihre Kunden darüber informieren dürfen, dass die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige noch möglich sei.698 Sofern der Kunde Selbstanzeige erstattet, sei nach Joecks für die Strafbefreiung nur noch entscheidend, ob die Selbstanzeige des Kunden bereits wegen des Auslösen eines Sperrgrundes gemäß § 371 Abs. 2 AO gesperrt sei, was allenfalls bei namentlich bekannten Kunden der Fall sein dürfte.699 Im Übrigen sei alles andere „eine Frage des Standes der Ermittlungen“.700 Dies ist zutreffend. Die Selbstanzeige des Bankkunden ist bei die Mitteilung der Bank in der Regel noch nicht gesperrt, da die Tat noch nicht entdeckt i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO ist. Vielmehr ist die Tat des Bankkunden erst dann entdeckt, wenn dessen Bankunterlagen durch die Fahndungsbeamten durchgesehen wurden und bei Vergleich mit seiner Einkommensteuererklärung die Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung positiv festgestellt wurde.701 Die Aus694 Helml, S. 93; vgl. hierzu auch Bilsdorfer, der der Aufassung ist, dass die unterlassene Mitteilung der Bankkunden über die bevorstehende Durchsuchung der Bank mangels steuer-(strafrechtlicher) Beratungspflichten jedenfalls keine Schadensersatzansprüche der Bankkunden begründen könne, Bilsdorfer, INF 1998, 362 (366). 695 Simon/Vogel/Simon, S. 168. 696 Feldhausen, PStR 1998, 175 (176). 697 Helml, S. 93; Plewka/Heerspink, BB 1998, 1338 (1338). 698 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 117; MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 116. 699 Helml, S. 94; Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 117. 700 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 117. Joecks weist jedoch darauf hin, dass bei einem Beamten der Fahndung oder Strafsachenstelle, der sich auf ein „Moratorium“ einlasse und in dieser Phase des Anfangsverdachts weitergehende Ermittlungen unterlässt, der Vorwurf der Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) nicht fern liege, Joecks/ Jäger/Randt/Joecks, § 371 Rz. 117. 701 Hofmann, DStR 1998, 399 (401); Wehrus, PStR 1998, 86 (86).

310

2. Teil: Besonderes

lösung des Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. d AO (Erscheinen eines Amtsträgers zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit) scheidet zumindest in der Person des Bankkunden aus, da die Steuerfahndungsbeamten nicht bei ihm, sondern bei der Bank erschienen sind. Gegen eine Auslösung von Sperrgründen spricht ferner, dass die Steuerfahndungsbeamten bei Erscheinen bei der Bank noch nicht mit der Durchsuchung der Bank und Sichtung der Kontenunterlagen, die Aufschluss über eine Steuerhinterziehungstat der betreffenden Kunden geben könnten, begonnen haben und i. d. R. keine positive Kenntnis über die Kontobewegungen einzelner Bankkunden und mithin über hiermit in Zusammenhang stehende Steuerhinterziehungen haben können. In dem Moment der Mitteilung durch die Bankmitarbeiter über die bevorstehende Durchsuchung der Bank mussten die Bankkunden also nicht davon ausgehen, dass ihre Tat bereits entdeckt wurde. Plewka/Heerspink bezweifeln, dass sämtliche Bankmitarbeiter, die sich der Berichtigung der Bankkunden anschließen, sich überhaupt wegen Teilnahme an der Steuerhinterziehung der Bankkunden strafbar gemacht hätten.702 Im Übrigen sei eine Massenselbstanzeige aber bereits im Hinblick auf die Vielzahl der beteiligten Personen riskant. Besonders wegen einer etwaigen Auslösung des Sperrgrundes der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO sei die Abgabe einer solchen koordinierten Selbstanzeige risikoreich. So müsse nur ein Tatbeteiligter umfassend Selbstanzeige erstatten und – vorausgesetzt, dass die übrigen Tatbeteiligten mit der Selbstanzeige eines anderen Tatbeteiligten rechnen mussten – es käme zu einer Kenntniserlangung des Finanzamts von der Steuerhinterziehung i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO.703 Dies ist zutreffend, da die Bankmitarbeiter nach Mitteilung der bevorstehenden Durchsuchung jedenfalls davon ausgehen müssen, dass einzelne Kunden eigenmächtig Selbstanzeige erstatten. Allerdings genügt für die Auslösung des Sperrgrundes nicht lediglich die Vorstellung über oder das Fürmöglichhalten der Tatentdeckung. Vielmehr muss hinzukommen, dass die Tat auch entdeckt wurde. Dies wird indes nur dann der Fall sein, wenn sich aus der Selbstanzeige des Bankkunden ergibt, dass und welche Mitarbeiter der Bank an der Steuerhinterziehungstat mitgewirkt haben. Die Bankkunden sollten daher sinnvollerweise in ihrer Selbstanzeige keine Namen von Bankangestellten nennen.704 Die Angabe dieser Namen wäre schon im Hinblick darauf, dass es sich hierbei nicht um für die zutreffende Besteuerung notwendige Informationen handelte, auch nicht notwendig. Nach Beckemper ist bei einer koordinierten Selbstanzeige zur Minimierung des Risikos der Auslösung des Sperrgrunds der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO nach einer Selbstanzeige erforderlich, dass sämtliche Erklärungen gleichzeitig abge702 703 704

Plewka/Heerspink, BB 1998, 1338 (1338). Plewka/Heerspink, BB 1998, 1338 (1339). Wie hier: Wehrus, PStR 1998, 87 (88).

F. Die koordinierte Selbstanzeige als taugliches Mittel

311

geben werden.705 Darüber hinaus weisen Plewka/Heerspink richtigerweise darauf hin, eine Berichtigung eines Bankmitarbeiters habe nur dann strafbefreiende Wirkung auch für die beteiligten Bankmitarbeiter, wenn der Anzeigeerstatter hierzu vor Erstattung der Selbstanzeige wirksam beauftragt worden sei.706 Dies ist zutreffend, da, wie gezeigt, die nachträgliche Genehmigung einer Berichtigung wirkungslos ist und die bereits abgegebene Berichtigung mithin nicht rückwirkend auch für den Bankmitarbeiter Wirksamkeit entfalten kann.707 Nach Simon ist insbesondere der kollektive Entscheidungsdruck, der auf den einzelnen Bankkunden lastet, problematisch.708 Im Übrigen besteht nach Simon die Gefahr, dass das Finanzamt die Auswirkungen der kollektiven Selbstanzeige auf den einzelnen Bankkunden nicht mit der erforderlichen Sorgfalt beurteile, sondern pauschal abhandele.709 Da die Verwaltung nach Abgabe einer Selbstanzeige „in aller Regel wie selbstverständlich“ davon ausgehe, dass eine Steuerhinterziehung vorgelegen habe, könne die Selbstanzeige erhebliche Folgen für den Bankkunden – insbesondere die zehnjährige Festsetzungsfrist mit entsprechenden Hinterziehungszinsen – haben.710 Ditges/Graß sind der Auffassung, dass die Abgabe einer solchen Massenselbstanzeige in der Praxis schon deswegen untauglich sei, weil die Berichtigung an den Geboten der Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit scheitere.711 Im Ergebnis stellen Ditges/Graß darauf ab, dass die Bank einerseits schon gar nicht ermitteln könne, welche Kunden unter Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen Steuern hinterzogen haben, und andererseits die Fehlquote einer solchen Selbstanzeige „zwingend erheblich“ sein werde.712 So wisse der Kundenberater ebenso wenig, weshalb der Kunde etwa im Auslandszahlungsverkehr bar zahle oder weswegen er Gelder ins Ausland transferiere, noch, welche Hintergründe die Anmietung eines Schließfachs durch den Kunden habe.713 Folglich könnten die Mitarbeiter der Bank schon nicht einschätzen, welche Kunden auf diesem Weg Steuern hinterzogen haben.714 Im Übrigen sei auch eine Befragung aller Kunden hinsichtlich ihrer Motivationslage bei Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen durch die Bank wenig erfolgversprechend.715 Ditges/Graß stellen darauf ab, dass der Kunde keinen Grund habe, auf die Abgabe einer eigenen Selbstanzeige zu verzichten, und weisen auf weitere, praktische Schwierigkeiten bei der Abgabe 705 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715

Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beckemper, § 371 Rz. 49. Plewka/Heerspink, BB 1998, 1338 (1339). Wie hier: Plewka/Heerspink, BB 1998, 1338 (1339). Simon/Wagner/Simon, S. 179. Simon/Wagner/Simon, S. 179. Simon/Wagner/Simon, S. 179. Ditges/Graß, BB 1998 1978 (1980); ebenso im Ergebnis auch Helml, S. 94. Ditges/Graß, BB 1998 1978 (1980). Ditges/Graß, BB 1998 1978 (1980). Ditges/Graß, BB 1998 1978 (1980). Ditges/Graß, BB 1998 1978 (1980).

312

2. Teil: Besonderes

einer solchen Selbstanzeige hin (etwa auf Kunden, die unbekannt verzogen und mithin nicht von der Bank erreicht werden können, aufgrund eines Umzugs ins Ausland gar nicht (mehr) im Inland steuerpflichtig sind, irrigerweise annehmen, nicht steuerpflichtig zu sein, die ihre Besteuerungsgrundlagen nicht mehr ermitteln können oder zur Nachzahlung der hinterzogenen Steuern nicht imstande sind).716 Dem ist indes entgegen zu halten, dass in den Fällen, in denen der Mitarbeiter der Bank schon keine Kenntnis von dem Hintergrund bestimmter Buchungen der Bankkunden hat, auch eine eigene Strafbarkeit wegen Teilnahme an einer Steuerhinterziehung dieses Bankkunden ausscheidet. In diesen Fällen fehlt es nämlich unabhängig von der Frage, ob im Hinblick auf die berufsneutrale Handlung des Bankmitarbeiters überhaupt eine Strafbarkeit wegen Beihilfe gegeben ist, jedenfalls am doppelten Gehilfenvorsatz, der sich auch auf die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat des Bankkunden erstrecken muss. Mangels Kenntnis von den Hintergründen der Buchung und mithin dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung scheidet eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung aus. Die Annahme, der Bankmitarbeiter habe in solchen Fällen noch Tatherrschaft, ist nicht haltbar. Nur der Bankmitarbeiter, der überhaupt positive Kenntnis von der Steuerhinterziehungstat hat und der positiv weiß, dass er etwa durch Vornahme bestimmter Umbuchungen auf (ausländische) Konten des Steuerpflichtigen bzw. ihm zurechenbarer Briefkastenfirmen diese Steuerhinterziehungstat fördert, ist strafbar wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Ausschließlich in solchen Konstellationen kann sich mithin die Abgabe einer eigenen Selbstanzeige des Bankmitarbeiters überhaupt stellen. Da der beihilfeleistende Bankmitarbeiter jedoch ursprünglich vor seiner Tat keinerlei steuerverfahrensrechtliche Pflichten in Bezug auf die hinterzogenen Steuern hatte und es sich um Steuern aus einem für ihn fremden Steuerschuldverhältnis handelt, trifft ihn ohnehin lediglich eine eingeschränkte Berichtigungspflicht. Er ist nicht verpflichtet, eine Berichtigung abzugeben, die den allgemeinen Anforderungen an die Berichtigung des Steuerschuldners entspricht und mithin angelehnt an die ursprünglichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerschuldners der hinterzogenen Steuern ist. Ausreichend für die Abgabe einer vollständigen Berichtigung des Bankmitarbeiters ist mithin, dass er die Person des Steuerschuldners der hinterzogenen Steuern, mithin die Person des Bankkunden nennt. Auf dieser Grundlage kann das Finanzamt die hinterzogenen Steuern zahlenmäßig berechnen und die zutreffende Besteuerung durchführen. Selbst in dem Fall, in dem der Bankmitarbeiter mit dem Bankkunden gemeinsam eine mittäterschaftliche Steuerhinterziehung begangen hat, bleibt es bei einer lediglich eingeschränkten Berichtigungspflicht, da der Bankmitarbeiter i. d. R. nicht im eigenen Besteuerungsverhältnis Steuern hinterzogen hat. Ausreichend ist deshalb, dass er dem Finanzamt mitteilt, in wessen Steuerschuldverhältnis Be716

Ditges/Graß, BB 1998 1978 (1980).

F. Die koordinierte Selbstanzeige als taugliches Mittel

313

steuerungsgrundlagen nachzuerklären sind, wer steuerpflichtig in Bezug auf diese Steuern ist und welcher Steuerart diese Steuern angehören.717 Helml weist darauf hin, dass aufgrund der mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz normierten „Sparten-Lebensbeichte“ ein Vorgehen nach dem Monheimer Modell wenig erfolgversprechend sei.718 Insbesondere den steuerhinterziehenden Bankkunden, die auch noch bei anderen Banken Schwarzgeld deponiert haben, helfe dieses Vorgehen nicht weiter.719 Solche Kunden würden nicht sofort, nachdem sie von der bevorstehenden Durchsuchung einer Bank erfahren haben, alle anderen Banken kontaktieren und auf diese Weise eine Selbstanzeige erstatten.720 Sobald die Durchsuchung dann tatsächlich stattfindet, werde seine Tat mit aller Wahrscheinlichkeit entdeckt, sodass die Möglichkeit zur Selbstanzeige entfalle.721 Dies ist zwar zutreffend, da die Bankkunden spätestens ab der Mitteilung über die bevorstehende Durchsuchung der Bank nach Verstreichenlassen der Möglichkeit zur Abgabe einer eigenen Selbstanzeige mit der Entdeckung ihrer Tat rechnen mussten und spätestens bei Durchsicht der Kontounterlagen dieser Steuerhinterzieher und des Abgleichs dieser Unterlagen mit den abgegebenen Steuererklärungen durch die Steuerfahndungsbeamten Tatentdeckung i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO eingetreten ist und die Bankkunden mit einer eigenen späteren Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehungen dieser Steuerart ausgeschlossen sind. Gleichwohl spricht allein die mögliche Weigerung einiger Bankkunden, eine Selbstanzeige zu erstatten, weder für noch gegen das Monheimer Modell, da auch bei allen anderen Steuerhinterziehungen kein Steuerhinterzieher gezwungen ist, strafbefreiende Selbstanzeige zu erstatten, und er auch das Recht hat, auf die Abgabe einer solchen zu verzichten. Im Übrigen hindert auch die Weigerung des Bankkunden zur Abgabe einer Selbstanzeige nicht die wegen Beihilfe zur oder Mittäterschaft an der Steuerhinterziehung des Bankkunden strafbaren Bankmitarbeiter, eine eigene Selbstanzeige abzugeben. Aufgrund des für Selbstanzeigen, die Steuerhinterziehungen in fremden Steuerschuldverhältnissen betreffen, lediglich eingeschränkten Berichtigungsmaßstabs, sind die Bankmitarbeiter auch nicht auf weitergehende Informationen ihrer Bankkunden, etwa hinsichtlich weiterer, dieselbe Steuerart betreffender Steuerhinterziehungen, angewiesen. Damit bestehen im Hinblick auf den Inhalt der Selbstanzeigen der unterschiedlichen Beteiligten beim Monheimer Modell keine höheren Risiken als bei anderen Selbstanzeigen, die innerhalb von Mehrpersonenverhältnissen abgegeben werden. Problematisch ist hingegen, ob die Bankmitarbeiter mit der Abgabe einer eigenen Selbstanzeige bereits ab Eintreffen der Steuerfahndungsbeamten ausge717 718 719 720 721

2. Teil unter A. II. 9. Helml, S. 94. Helml, S. 94. Helml, S. 94. Helml, S. 94.

314

2. Teil: Besonderes

schlossen sind. So vertritt Simon die Auffassung, dass in den Fällen, in denen Steuerfahnder oder Staatsanwaltschaft bereits in der Bank erschienen sind, schon gar keine Selbstanzeige der Bankmitarbeiter mehr möglich sei, da hierdurch bereits der Sperrgrund gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO eingetreten sei.722 Die Frage, ob die Bankmitarbeiter tatsächlich mit der Abgabe einer eigenen Selbstanzeige ausgeschlossen sind, muss jedoch nach dem jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. So kann der Mitteilung, dass eine Durchsuchung der Bank bevorstehe und den Mitarbeitern Zeit zur Informierung ihrer Bankkunden und zur Abgabe einer eigenen Berichtigung gegeben wird, jedenfalls nicht unmittelbar und zwangsläufig das Auslösen eines Sperrgrundes entnommen werden.723 Kohler ist der Auffassung, dass solche Konstellationen im Hinblick auf das „neue Selbstanzeigeverständnis“ in der Rechtsprechung und der geänderten Gesetzesfassung „ohnehin nicht mehr anzutreffen“ seien.724 Nach Schauf hingegen lasse sich in der Praxis auch ein „Stillhalteabkommen“ mit der Finanzbehörde aushandeln. Hierfür sei allerdings Voraussetzung, dass noch keine Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO eingetreten ist.725 Ein solches Stillhalteabkommen biete sich nach Schauf insbesondere in den Fällen konzentrierter Beratung, in denen die jeweiligen Steuerpflichtigen bundesweit verteilt seien und daher Zeit zur sachgerechten Information aller Beteiligten und Erstellung der Selbstanzeigen benötigt werde, an.726 Darüber hinaus ist ungeklärt, inwiefern die Bank bei Kenntniserlangung über die Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO durch den Bankkunden oder über eine bevorstehende Selbstanzeige und über eine wahrscheinliche Steuerhinterziehung des Kunden verpflichtet ist, eine Geldwäscheverdachtsanzeige gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 GwG zu erstatten, und welche Auswirkungen die Verdachtsanzeige auf die Wirksamkeit einer späteren Selbstanzeige hat. Teilweise wird hierzu vertreten, dass eine Geldwäscheverdachtsanzeige den Sperrgrund der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO auslösen könnte.727 Eine andere Frage ist jedoch, ob das Monheimer Modell aus Sicht der „auf der anderen Seite stehenden“ Fahndungsbeamten tragbar ist. So könnte in der Ankündigung der zukünftig bevorstehenden Durchsuchung der Bank eine Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StGB gesehen werden, da den Bankmitarbeitern hierdurch nicht nur Gelegenheit zur Abgabe strafbefreiender Selbstanzeigen, son722

Simon/Wagner/Simon, S. 178. Damit ist letztendlich entscheidend, ob ein Sperrgrund gemäß § 371 Abs. 2 AO ausgelöst wurde. 724 MüKo StGB/Kohler, § 371 Rz. 116; ebenso: Helml, S. 94; zustimmend auch: Hüls/Reichling/Hüls/Reichling, § 371 Rz. 88. 725 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 195. 726 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 195. 727 Löwe-Krahl, PStR 2014, 238 (238), a. A. Park, NZWiSt 2015, 59 (61). 723

G. Zurechenbarkeit von Fehlern bei der Abgabe der Selbstanzeigeerklärung

315

dern auch zur nachträglichen Vernichtung von Beweismitteln gegeben wird. Zumindest bei Vorliegen eines Anfangsverdachts sind die Fahndungsbeamten verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten, § 152 Abs. 2 StPO (Legalitätsprinzip). Ihnen steht insofern auch kein Ermessen zur Verfahrenseinleitung zu.728 Ein Anfangsverdacht liegt bei der Erlangung von Kenntnis über Tatsachen vor, aus denen nach der Lebenserfahrung (kriminalistischer Erfahrung) auf das Vorliegen einer Steuerstraftat geschlossen werden kann.729 Haben die Fahndungsbeamten mithin Kenntnisse über konkrete Steuerhinterziehungen einzelner, individualisierter Steuerhinterzieher, ist eine Informierung der Bank über geplante Ermittlungsmaßnahmen hinsichtlich dieser Steuerstraftaten im Hinblick auf das Legalitätsprinzip nicht zulässig.730 Aus Sicht der Bankmitarbeiter und der Bankkunden stehen der Abgabe einer koordinierten Selbstanzeige damit keine einen Sperrgrund begründenden Bedenken entgegen. Beide Parteien können auch unter Anwendung dieses Modells straffrei werden. Gleichwohl ergeben sich aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen beteiligten Personen enorme praktische Schwierigkeiten. Insbesondere die verfrühte Auslösung von Sperrgründen lässt das Monheimer Modell zu einem riskanten Weg zur Erlangung von Straffreiheit werden.

G. Die Zurechenbarkeit von Fehlern bei der Abgabe der Selbstanzeigeerklärung gemäß § 371 Abs. 1 AO Überwiegend wird in der Literatur und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass Fehler eines Dritten bei Abgabe der Berichtigung zu Lasten des Vertretenen gehen.731 Dabei soll nach einem Teil der Literatur unerheblich sein, ob der Dritte vorsätzlich oder fahrlässig eine fehlerhafte Berichtigung abgegeben hat. Bereits das Reichsgericht vertrat in einer Entscheidung von 1924 die Auffassung, dass dem Verschulden eines Dritten bei Abgabe der Selbstanzeige keine andere Bedeutung zukommt wie dem des Steuerhinterziehers selbst.732 So könne sich der Steuerhinterzieher nach Schauf nicht darauf berufen, dass Dritte, die er mit der Erstattung der Selbstanzeige beauftragt hat, die Berichtigungserklärung entgegen dem erteilten Auftrag falsch übermitteln, da der Steuerhinterzieher grundsätzlich allein die Verantwortung für das Ge- und Misslingen einer Selbst-

728

Madauß, NZWiSt 2014, 296 (297). Madauß, NZWiSt 2014, 296 (297). 730 Indes weist Rolletschke darauf hin, dass das Monheimer Modell in der Praxis vielfach zur Anwendung gekommen sei, ohne dass zugleich Ermittlungsverfahren gegen Beamte der Steuerfahndung bekannt geworden seien, Rolletschke, S. 577. 731 Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 260; so Marschall etwa für die Zurechenbarkeit von Fehlern des steuerlichen Beraters bei Abfassung oder Übermittlung der Selbstanzeige an den Mandanten, Marschall, BB 1998, 2496 (2496). 732 RG, Urteil vom 04. Februar 1924 – III 1178/23, RGSt 58, 83. 729

316

2. Teil: Besonderes

anzeige trage733 Um vermeiden zu können, dass eine Vielzahl solcher Fälle zu beobachten sei und um die Attraktivität und das Ziel der Selbstanzeige zu erhalten, befürwortet Spatschek eine Rückkehr zum Gesetzeszustand vor dem 03.05. 2011 und fordert mithin die Wiedereinführung der wirksamen Teilselbstanzeige.734 Spatschek merkt an, dass der Steuerpflichtige in den Fällen, in denen die steuerlichen Berater sich in den „Wirrungen des § 371 AO“ verstrickt hätten, alles getan habe, um eine wirksame Selbstanzeige abzugeben.735 Insofern gleiche die Situation derjenigen bei Abgabe der Steuererklärung, bei welcher der Steuerpflichtige ebenfalls auf die korrekte Subsumtion durch seine Berater vertrauen dürfe.736 Grötsch differenziert danach, ob sich dem Steuerhinterzieher die Fehler seines steuerlichen Beraters bei Formulierung der Selbstanzeige aufdrängen mussten oder nicht.737 Entscheidend sei, dass der Steuerhinterzieher seinen Berater wirksam zur Erstattung der Selbstanzeige beauftragt und ihm alle relevanten Unterlagen übergeben hat bzw. diesen zur Anforderung aller benötigten Unterlagen ermächtigt hat.738 Drängen sich dem Steuerhinterzieher bei Abgabe der Selbstanzeige keine Fehler seines Beraters auf, so soll die Selbstanzeige auch dann wirksam sein, wenn die Fehler des Beraters zu einer Überschreitung der 5 %-Toleranzschwelle führen.739 Für die Zurechenbarkeit von Fehlern Dritter spricht, dass die Berichtigung der Wiedergutmachung des Handlungsunrechts der Steuerhinterziehung dient und zu ihrer Wirksamkeit vom Steuerhinterzieher zumindest ausdrücklich veranlasst worden sein muss. Da sich der Steuerhinterzieher denjenigen, den er mit der Abgabe der Selbstanzeige beauftragt, i. d. R. auch selbst aussuchen kann, sind ihm dessen Fehler bei Abgabe auch grundsätzlich zuzurechnen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Steuerhinterzieher das Risiko einer Bestrafung bereits mit Vornahme seiner Steuerhinterziehungstat in die Welt gesetzt hat und ihm deshalb auch zuzumuten ist, das Risiko, durch Unwirksamkeit einer Berichtigung nicht die Voraussetzungen für die Strafaufhebung zu erfüllen, im Grundsatz auch zuzurechnen ist. Gleichwohl kann dies nicht in den Fällen gelten, in denen der Selbstanzeigeerstatter vorsätzlich fehlerhafte Angaben übermittelt, um dem Steuerhinterzieher zu schaden und dessen Strafbefreiung zu vereiteln. In diesen Fällen hat der Steuerhinterzieher zwar aus seiner Sicht alles getan, um das Handlungsunrecht und das Erfolgsunrecht seiner Tat wieder auszugleichen. Mit dem eigenmächtigen Handeln musste der Steuerhinterzieher auch nicht rechnen. In diesen Fällen

733 734 735 736 737 738 739

Kohlmann/Schauf, § 371 Rz. 260. Spatschek, FS Schiller, 608 (619). Spatschek, FS Schiller, 608 (619). Spatschek, FS Schiller, 608 (619). Grötsch, wistra 2017, 92 (96). Grötsch, wistra 2017, 92 (96). Grötsch, wistra 2017, 92 (96).

H. Thesen

317

liegt auch kein Taktieren des Steuerhinterziehers vor, sodass eine Versagung der Strafbefreiung aus diesem Grund gerechtfertigt wäre. Gleichwohl führt die fehlende Zurechenbarkeit des Fehlers bei der Berichtigung nicht zu einer Strafbefreiung des Steuerhinterziehers. In diesen Fällen liegt nämlich überhaupt keine Berichtigung der unrichtigen Angaben vor, sondern eine Anzeige der Steuerhinterziehung durch den vermeintlichen Selbstanzeigeerstatter. Durch die unwirksame Selbstanzeige des Selbstanzeigeerstatters hat die Finanzbehörde in diesen Fällen gleichwohl von der Tat Kenntnis erlangt, sodass einer weiteren Selbstanzeige des Steuerhinterziehers die Auslösung des Sperrgrundes gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO entgegensteht. Bei einem eigenmächtigen Dazwischentreten des Selbstanzeigeerstatters liegt jedoch der Wille des Steuerhinterziehers zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit und zur Rückgängigmachung des Handlungsund Erfolgsunrechts der Steuerhinterziehung vor. Gleichzeitig hat er darauf vertraut, Selbstanzeige erstatten zu können. Insgesamt sind solche Umstände daher zu seinen Gunsten strafmildernd zu berücksichtigen.

H. Thesen 1. Die fehlende Berücksichtigung der Besonderheiten von Mehrpersonenverhältnissen im Wortlaut von § 371 Abs. 1 AO läuft dem Sinn und Zweck der Norm zuwider und ist im Hinblick auf die Rechtfertigung der durch § 371 Abs. 1 AO gewährten Strafbefreiung auch nicht erforderlich. 2. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ist teleologisch zu reduzieren und das Vollständigkeitsgebot ist wie folgt einzuschränken: Der Mittäter, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, gibt eine Berichtigung i. S. d. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ab, wenn er dem Finanzamt mitteilt, in welchem Steuerverhältnis Besteuerungsgrundlagen nachzuerklären sind, wer steuerpflichtig in Bezug auf diese Steuern ist und welcher Steuerart diese Steuern angehören. Der Anstifter, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern noch gemäß §§ 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, gibt eine Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO ab, wenn er dem Finanzamt mitteilt, wer steuerpflichtig in Bezug auf die unrichtig, unvollständig oder nicht erklärten Steuerangaben ist und welcher Steuerart diese Angaben angehören. Der Gehilfe, der weder Steuerschuldner der hinterzogenen Steuern noch gemäß § 34 Abs. 1, 35 AO steuerpflichtig in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, muss dem Finanzamt als Berichtigung i. S. v. § 371 Abs. 1 S. 1 AO lediglich die Person des Steuerpflichtigen, in dessen Steuerschuldverhältnis Steuern verkürzt wurden bzw. ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden, mitteilen.

318

2. Teil: Besonderes

3. Eine Zurechenbarkeit der Strafbefreiung eines Tatbeteiligten, die dieser aufgrund einer wirksamen Selbstanzeige erlangt hat, zu den übrigen Tatbeteiligten der Steuerhinterziehung ist nicht möglich. 4. Auch eine automatische Zurechnung der Berichtigung eines Tatbeteiligten zu den übrigen Tatbeteiligten, die an der angezeigten Steuerhinterziehung mitgewirkt haben, scheidet aus. Dies gilt auch dann, wenn ein Tatbeteiligter nicht erreicht werden kann, etwa weil es sich bei ihm um einen aus einem Unternehmen ausgeschiedenen und unbekannt verzogenen Mitarbeiter handelt. 5. Zivilrechtliche Sonderverbindungen der Steuerhinterzieher untereinander haben keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Selbstanzeige und keinen Einfluss auf die Erlangung der Strafbefreiung. Ggf. können durch sie jedoch Schadensersatzansprüche ausgelöst werden. Solche kommen insbesondere aufgrund eines Arbeitsverhältnisses oder eines Gesellschaftsverhältnisses in Betracht. 6. Auch aufgrund des Mehrpersonenverhältnisses bestehende, ggf. einer eigenmächtigen Abgabe einer Selbstanzeige entgegenstehende rechtliche Pflichten eines Tatbeteiligten haben keinen Einfluss auf die Anforderungen an seine Berichtigung und die Erlangung der Strafbefreiung. 7. Fehler bei der Berichtigung durch einen Dritten gehen zu Lasten des Vertretenen. Sind diese Fehler dem Vertretenen im Falle einer vorsätzlichen Abgabe einer fehlerhaften oder unvollständigen Berichtigung des Drittens dem Vertretenen nicht zurechenbar, können die unwirksame Selbstanzeige und die Umstände ihrer Erstattung lediglich im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt werden.

I. Abschließende Bemerkungen zur Untersuchung Der Anwendungsbereich der Selbstanzeige wird sich künftig infolge der stetigen Verschärfungen des Steuerrechts und Steuerstrafrechts verringern. Gerade vor dem Hintergrund neu geschlossener Informationsaustauschabkommen zwischen den Staaten740 wird die Selbstanzeige für Sachverhalte, bei denen Zinseinkünfte auf ausländischen Konten verschwiegen wurden, zunehmend an Bedeutung verlieren, da in solchen Fällen etwaigen Selbstanzeigen nun künftig die Auslösung des Sperrgrunds der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO entgegenstehen dürfte. Damit erledigt sich jedoch der Anwendungsbereich der Selbstanzeige keinesfalls. Im Gegenteil, gerade in Unternehmenssachverhalten ist die Selbstanzeige nach wie vor ein wichtiges und bewährtes Instrument zur Aufdeckung und Beseitigung steuerlicher Unregelmäßigkeiten. Folglich wird die Selbstanzeige künftig 740

Hierzu ausführlich Happe/Aschwanden/Giger, BKR 2016, 194 (194 f.).

I. Abschließende Bemerkungen zur Untersuchung

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gerade für Steuerhinterziehungen, die im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen begangen wurden, weiterhin bedeutsam bleiben, während andere Anwendungsbereiche an Bedeutung verlieren werden. Dabei bietet die Beibehaltung der Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige gerade auch für Steuerhinterziehungen, die im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses begangen wurden, für die Gesellschaft neben dem Ausgleich des Steuerschadens auch weitere wertvolle Vorteile. Wie Nell/Schlüter etwa gezeigt haben, ist die Selbstanzeige gemäß § 371 AO gleichzeitig auch ein wirkungsvolles Instrument bei der Bekämpfung von Korruptionsdelikten.741 Während der fast zweijährigen Arbeit an der Untersuchung, ergaben sich fast wöchentlich immer wieder neue, unterschiedliche Mehrpersonenverhältnisse und dementsprechend auch immer wieder neue rechtliche und tatsächliche Probleme, die sich bei der Selbstanzeige aufgrund einer gemeinsamen Steuerhinterziehung ergeben können. Diese Arbeit hat nicht den Anspruch, sämtliche Schwierigkeiten, die sich bei der Abgabe einer Selbstanzeige wegen einer im Rahmen eines Mehrpersonenverhältnisses begangenen Steuerhinterziehung für den Rechtsanwender stellen können, abschließend darzustellen und zu lösen. Im Hinblick auf die Vielfältigkeit der zu untersuchenden Sachverhalte wäre dies auch nicht erbringbar. Gleichwohl hat die Bearbeiterin die Hoffnung, dass sich aus der Untersuchung Anhaltspunkte für die Auslegung von § 371 Abs. 1 AO im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen ergeben, die für die Lösung weiterer Schwierigkeiten als Grundlage dienen können.

741

Nell/Schlüter, NJW 2008, 1996 (1998 f.).

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Stichwortverzeichnis Abweichungen, geringfügige 209–216 Analogieverbot 43–44 Anstiftung – Strafgrund 138–141 – Voraussetzungen 137 AOÄndG 35–38, 176–177, 249–251

Historie – der strafbefreienden Selbstanzeige AO 25–39 – des Vollständigkeitsgebots 170–178 in dubio pro reo 44 Inhalt der Selbstanzeige siehe auch Berichtigung; siehe auch Vollständigkeitsgebot – Gegenstand der Selbstanzeige 149 – Inhalt der Berichtigung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen 276 – Überblick über die Selbstanzeigehandlungen 149–168

Bankmitarbeiter, eigene Selbstanzeige 305–306 Beihilfe – Strafgrund 138–141 – Voraussetzungen 137 Berichtigung – Inhalt der Berichtigung i. R. v. Mehrpersonenverhältnissen 276 – Überblick über die Anforderungen 148–155 – wesentliche Merkmale 148–168

Koordinierte Selbstanzeige 308–315 Korrektur unrichtiger Erklärung, § 153 AO, Abgrenzung 39–41

Disziplinarrechtliche Konsequenzen 45

Lohnsteueranmeldung 203–209

Ehegatten, Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung 302–303

Materiallieferungstheorie 151 Mehrpersonenverhältnisse 134–146 Mittäterschaft – Strafgrund 141–142 – Voraussetzungen 136–137

Genehmigung – der Berichtigung 290 – Rückwirkung 290 Geringfügige Abweichungen siehe Abweichungen Geschäftsführung ohne Auftrag 281–287 Gesellschafter – Selbstanzeige nach gemeinsamer Steuerhinterziehung 302 – Zurechenbarkeit einer Selbstanzeige für eine Personen- oder Kapitalgesellschaft 294–205

Pflichten im Zusammenhang mit der Abgabe der Selbstanzeige – Ehegatten 302–303 – Gesellschafter 302 – im Unternehmen 297–302 Rechtfertigung – außerstrafrechtlich 64–72

Stichwortverzeichnis – gemischt fiskalisch-kriminalpolitisch 72–74 – kriminalpolitisch 75–77 – strafrechtlich 78–134 – verfassungsrechtlich 77–78 Rechtlicher Berater; eigene Selbstanzeige 304–305 – Abgabe der Selbstanzeige für mehrere Tatbeteiligte 293–294 – Mandatskonflikt 306–307 Rechtsnatur 41–45 Schwarzgeldbekämpfungsgesetz – Überblick 34–35 – Vollständigkeitsgebot 172–176 Selbstanzeige – Historie 25–39 – Konsequenzen – disziplinarrechtlich 45 – strafverfahrensrechtlich 44 – nach Steuerhinterziehung im Unternehmen 297–302 – Aufnahmepflicht hinsichtlich aller Tatbeteiligten 298–301 – Erstreckung auf übrige Mitarbeiter 297–298 Selbstanzeigebeschluss 170–171 Sinn und Zweck – eigener Ansatz 64 – fiskalisch 45–54 – gemischt fiskalisch-kriminalpolitisch 59–64 – kriminalpolitisch 54–59 – strafrechtlich 62–64 Stellvertretung – im mutmaßlichen Willen 281–287 – offen 287–189 – verdeckt 290–293 Steuerart – Definition 179–189

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– Feststellungsbescheid nach einheitlicher und gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 195–200 – Solidaritätszuschlag 194–195 Steuerhinterziehung 143–146 Systematische Einordnung 120 Tätige Reue – Rechtfertigung 109–110 – Selbstanzeige als Tätige Reue-Vorschrift 119 – Überblick 108–109 Teilnahme – Strafgrund 138–142 – Voraussetzungen siehe Anstiftung und Beihilfe Thesen – 1. Teil 146 – 2. Teil 317–318 Umsatzsteuervoranmeldung 203–209 Unvermögen 222–279 – des Mittäters 233–253 – des Täters 231–233 – des Teilnehmers 253–275 Veranlasserprinzip 289–290 Verdeckte Gewinnausschüttung 190–191 Vollständigkeitsgebot – Ausnahmen 203–222, 276 – Einschränkung i. R. v. Mehrpersonenverhätnissen 222–279 – Historie 170–178 – sachlicher Umfang 178–200 – zeitlicher Umfang 200–203 Wiedergutmachung – der Steuerhinterziehung 79–86 – Erfolgsunrecht 80–81 – Handlungsunrecht 82–85 – Wiedergutmachungsvorschriften 97– 108

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Stichwortverzeichnis

Zurechenbarkeit – der Berichtigung 279–296 – bei Abgabe durch einen Tatbeteiligten 280–287 – bei Abgabe durch einen Tatbeteiligten oder einen Dritten 287–293

– bei Abgabe einer Selbstanzeige für eine Personen- oder Kapitalgesellschaft 294–295 – der durch § 371 AO bewirkten Strafbefreiung 276–279 – von Fehlern 315–371