Die Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverstößen im Rahmen mandatierter Friedensmissionen der Vereinten Nationen [1 ed.] 9783428534609, 9783428134601

Julia-Pia Schütze beschäftigt sich mit der Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverletzungen bei Friedensmissionen, die zwar

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Die Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverstößen im Rahmen mandatierter Friedensmissionen der Vereinten Nationen [1 ed.]
 9783428534609, 9783428134601

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel

Band 178

Die Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverstößen im Rahmen mandatierter Friedensmissionen der Vereinten Nationen Von

Julia-Pia Schütze

Duncker & Humblot · Berlin

JULIA-PIA SCHÜTZE

Die Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverstößen im Rahmen mandatierter Friedensmissionen der Vereinten Nationen

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel In der Nachfolge von Jost Delbrück herausgegeben von T h o m a s G i e g e r i c h und A l e x a n d e r P r o e l ß Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht

178

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Christine Chinkin London School of Economics

Eibe H. Riedel Universität Mannheim

James Crawford University of Cambridge

Allan Rosas Court of Justice of the European Communities, Luxemburg

Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Rainer Hofmann Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt a.M. Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Bruno Simma International Court of Justice, The Hague Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Die Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverstößen im Rahmen mandatierter Friedensmissionen der Vereinten Nationen

Von

Julia-Pia Schütze

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-13460-1 (Print) ISBN 978-3-428-53460-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83460-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2009/2010 von der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen worden. Die berücksichtigte Rechtsprechung und Literatur befinden sich im Wesentlichen auf diesem Stand. Für die Veröffentlichung habe ich mich jedoch bemüht, ausgewählte neuere Entwicklungen bis einschließlich September 2010 einfließen zu lassen. Diese Arbeit konnte nur durch viele schicksalhafte Begegnungen und Umstände entstehen, in deren Mittelpunkt stets das Walther-Schücking-Institut in Kiel mitsamt seiner wechselnden Besetzung steht. Bereits relativ zu Beginn meines Studiums ermöglichte mir die Teilnahme am Philip C. Jessup Moot Court eine erste intensivere Beschäftigung mit dem Völkerrecht. Seitdem habe ich stets persönliche und fachliche Unterstützung durch das Institut erfahren und konnte nach meinem LL.M.-Studium am Irish Centre of Human Rights in Galway, Irland als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach Kiel zurückkehren. Der mittlerweile große Kollegenkreis eröffnete mir zahlreiche Möglichkeiten der Diskussion und des Austauschs zwischen „Leidgenossen“. Insbesondere hervorheben und danken möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Zimmermann, der trotz oder gerade wegen seiner unkomplizierten Art der Betreuung immer ein offenes Ohr für mich hatte. Mein Dank gebührt ebenfalls Prof. Dr. Giegerich, der die Erstellung des Zweitgutachtens übernommen hat. Ihnen, sowie Prof. Dr. Proelß danke ich ebenfalls für die Aufnahme in die Schriftenreihe des Walther-Schücking-Instituts sowie für die Bewilligung eines Druckkostenzuschusses aus den Mitteln der Gesellschaft zur Förderung der Forschung und Lehre am WaltherSchücking-Institut. Daneben gibt es viele Menschen, die mich während der zwei Jahre der Entstehung der Arbeit begleitet und beeinflusst haben und somit unbemerkt ihren Teil beigetragen haben. Andere haben sich in Gesprächen wiederum direkt mit meinen Gedanken befasst oder sie haben mir durch das Korrekturlesen der Arbeit einen großen Dienst erwiesen. Namentlich hervorheben und danken möchte ich an dieser Stelle Sara Jötten, Björn Elberling, Julia Bartholm, Felix Mai und Tobias Thienel. Schließlich danke ich auch meinen Eltern, die ich von meinem Vorhaben zwar erst überzeugen musste, die mich aber stets und ohne Zweifel unterstützt haben. Meinen Brüdern danke ich dafür, dass sie so sind wie sie sind. Kiel, im November 2010

Julia-Pia Schütze

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Kapitel 1 Mandatierte Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen

19

A. Die von der UN-Charta vorgesehenen Mechanismen zur Aufrechterhaltung des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Der Friedensbegriff des Art. 39 UN-Charta im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Sanktionen des Sicherheitsrats unterhalb der Schwelle militärischer Gewalt . . . . 23 III. Militärische Sanktionen im Sinne des Art. 42 UN-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Friedenssicherung unter Führung der Vereinten Nationen in der Praxis . . . . . . . . . . . . 26 I. Entwicklungen der UN-Friedenssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Traditionelles Peacekeeping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Die ONUC-Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Friedensmissionen der Zweiten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4. Friedensmissionen der Dritten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Die Testfälle im ehemaligen Jugoslawien und in Somalia . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Heutige Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5. Friedensmissionen der Vierten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Errichtung und Kontrolle UN-geführter Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Organkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Aufgaben vor der Einsetzung der Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Kommandostruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

8

Inhaltsverzeichnis

C. Friedensmissionen außerhalb der Führungsstruktur der Vereinten Nationen . . . . . . . . 37 I. Rechtsgrundlage der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Autorisierung durch den Sicherheitsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Theorie der Delegation von Kompetenzen des Sicherheitsrats . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Inhaltliche Grenzen der Kompetenzübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Grenzen durch das Kollektivsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Auswirkungen auf die Zurechnung nach der Rechtsprechung des EGMR . . . . . 42 4. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Militärische Zwangsmaßnahmen im Sinne des Kapitels VII UN-Charta . . . . . . . . 43 1. Korea 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Irak 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Rhodesien 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4. Abzulehnende Fälle der jüngeren Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Multilaterale Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Rechtswirkung des UN-Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Einsätze von Einzelstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Einsätze von Ad hoc-Staatenbündnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Somalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Ruanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Haiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 d) Albanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 e) Zentralafrikanische Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 f) Osttimor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 g) Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Einsätze von Regionalorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Die Einbindung regionaler Organisationen in die Friedenssicherung . . . . . . 55 b) NATO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 aa) Die Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Koordination der Einsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Inhaltsverzeichnis

9

cc) Friedenssichernde Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 dd) UN-mandatierte Friedenseinsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (1) IFOR/SFOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (2) KFOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (3) ISAF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Entstehung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik . . . 62 bb) Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 cc) Militärische Friedenseinsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Operation Concordia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (2) Operation Artemis und EUFOR RD Congo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (3) EUFOR Tchad/RCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (4) EUFOR Althea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Maßnahmen zur Bekämpfung von Piraterie am Horn von Afrika . . . . . . . . . 66 aa) Das Mandat des Sicherheitsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Die EU-Operation Atalanta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Militäroperationen der NATO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 dd) Militäroperationen weiterer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 e) Westeuropäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 f) Afrikanische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Die Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Friedenssichernde Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 g) ECOWAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 h) OAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 i) Sonstige Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5. Bewertung der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Kapitel 2 Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten und Internationalen Organisationen

76

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

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Inhaltsverzeichnis II. Einfluss des modernen Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Begriff der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IV. Die Kodifikationsbemühungen der ILC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Rechtliche Qualität der Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 V. Elemente einer völkerrechtswidrigen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Zurechnung der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Zurechnungsregeln für Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Zurechnungsregeln für Internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Definition Internationale Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Grenzen der Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Grundsätze der Art. 4 – 7 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 VI. Rechtsfolgen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Kapitel 3 Die Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen nach Völkergewohnheitsrecht

96

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I. Völkerrechtskommission (ILC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen . . . . 97 2. Anwendbarkeit auf UN-mandatierte Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Klarstellung des Sonderberichterstatters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Internationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Internationaler Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis

11

2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Zulässigkeitsentscheidung Behrami und Saramati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Folgeurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Zulässigkeitsentscheidung Kasumaj v. Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Zulässigkeitsentscheidung Gajic v. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Zulässigkeitsentscheidung Beric und andere v. Bosnien und Herzegowina 108 dd) Zulässigkeitsentscheidung Stephens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Nationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Verantwortlichkeit nach dem Human Rights Act 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Attorney-General v. Nissan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Bici & Anor v. Ministry of Defence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Immunität der Vereinten Nationen vor niederländischen Gerichten . . . . . . . 116 b) Verantwortlichkeit für DUTCHBAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5. Sonstige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Zusammenfassung der Zurechnungslage nach der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 121 V. Position des Menschenrechtsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VI. Venedig-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 VII. Stellungnahmen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 VIII. Stellungnahmen von Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Gegenüber der ILC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Gegenüber dem EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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Inhaltsverzeichnis IX. Entschädigungspraxis bei Völkerrechtsverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Jurisdiktionsimmunität Internationaler Organisationen als Ausgangslage . . . . . 127 2. Streitbeilegung bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . 128 a) Streitbeilegungsklauseln in Statusabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Streitbeilegung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Streitbeilegung bei UN-mandatierten Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Regionalorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Staatenbündnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Bedeutung für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 X. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Friedensmissionen unter Führung der UN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Friedensmissionen mit einem UN-Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Besonderheiten bei multidimensionalen Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . 137

B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Kapitel 4 Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

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A. Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Formaler oder flexibler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Indizien der effektiven Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Kommandostrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Command and Control im militärischen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Der rechtliche Kontrollbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Regelmäßiger Inhalt der UN-Kommandogewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Full Command Authority . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Operational Control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Organschaftliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Auswirkungen auf die effektive Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Inhaltsverzeichnis

13

B. UN-mandatierte Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Effektive Kontrolle der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Ultimate Authority and Control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Inhalt nach Behrami und Saramati . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Inhalt nach Al-Jedda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Die Mehrheit des House of Lords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Lord Brown of Eaton-under-Heywood . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Lord Rodger of Earlsferry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Analyse des Ultimate Authority and Control-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Die Unterscheidung zwischen Delegation und Autorisierung . . . . . . . . . . . . 158 aa) IGH-Gutachten als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Delegationsfähigkeit des Sicherheitsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Vermengung von internem UN-Recht und völkerrechtlichen Sekundärnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Bewertung und Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Erklärungsversuche für die EGMR-Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Overall Control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 IV. Leitung und Kontrolle im Sinne der ILC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 C. Der Begriff der effektiven Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Recht der Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Auslegung nach der IGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Definition des Nicaragua-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Der Inhalt des effective control-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Vergleich mit der ILC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

14

Inhaltsverzeichnis 2. Der overall control-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Entscheidung des Zurechnungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Kompetenz des ICTY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Die Vorgesetztenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Rechtsnatur der Vorgesetztenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Übertragbarkeit auf UN-mandatierte Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 III. Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Effektive Kontrolle als Voraussetzung der extraterritorialen Anwendung . . . . . 185 2. Maßstab zur Bestimmung der effektiven Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 IV. Humanitäres Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Kapitel 5 Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

189

A. Anwendung des Tests der effektiven Kontrolle auf ausgewählte UN-mandatierte Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. KFOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Kommandostruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Command and Control der NATO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Command and Control der Entsendestaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Nationales Verständnis der Befehlskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Weitere Kontrollmöglichkeiten des Entsendestaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Rules of Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) UNMIK-Regulations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Vergleich mit UN-geführten Friedensmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

Inhaltsverzeichnis

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4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II. Mission Atalanta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Besonderheiten der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Effektive Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. ISAF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 B. Sonder- und Grenzfälle zurechenbaren Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Mehrfache Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Die Zurechnung von Ultra Vires-Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Die Zurechnung von Off-Duty-Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 C. Abgeleitete Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 II. Besondere Regeln bei der Beteiligung internationaler Organisationen . . . . . . . . . 205 1. Verantwortlichkeit der internationalen Organisation für ihre Entscheidungen . . 205 2. Mitgliedstaatliche Verantwortlichkeit für die Übertragung von Hoheitsgewalt . 206 a) Anwendbarkeit auf UN-mandatierte Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Durchgriffswirkung auf Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D. Die Verletzung Positiver Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Kapitel 6 Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit bei UN-mandatierten Friedensmissionen

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A. Sinn und Zweck effektiver Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 B. Derzeitige Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Durchsetzungsmöglichkeiten des Einzelnen gegen den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

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Inhaltsverzeichnis II. Durchsetzungsmöglichkeiten des Einzelnen gegen internationale Organisationen . 218 III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Gaststaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

C. Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Menschenrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Überprüfungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Einleitung Eine Vielzahl von Staaten und internationalen Organisationen operiert heute weltweit in Krisensituationen im Namen des Friedens. Internationale Friedensmissionen nehmen hierbei immer komplexere bis hin zu originär staatlichen Aufgaben wahr, wie etwa im Kosovo. Außerdem greifen sie zur Durchsetzung ihrer Ziele in immer größerem Umfang auf militärische Mittel zurück, so dass fast schon zwangsläufig Verletzungen völkerrechtlicher Normen erfolgen. Insbesondere wenn Normen mit subjektivem Gehalt wie Menschenrechte oder humanitäres Völkerrecht betroffen sind, finden sich Opfer häufig in der paradoxen Situation, dass ihnen keine rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, um von ihren vermeintlichen Friedensbringern die Einhaltung ihrer Rechte einzufordern. Hierbei spielen rechtliche und tatsächliche Prozesshindernisse eine Rolle, die zum einen auf völkerrechtlich anerkannten oder vertraglich vereinbarten Immunitätsregeln basieren, sich zum anderen aber auch aus der Nichtexistenz beziehungsweise Unzugänglichkeit bestehender Rechtsschutzmechanismen ergeben. Der dringende Nachbesserungsbedarf in diesem Bereich ist offensichtlich. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist, Klarheit über den Verursacher des völkerrechtlichen Delikts zu schaffen. Sind an Friedensmissionen verschiedene Akteure beteiligt, kann diese Frage nicht mehr eindeutig durch die anerkannten Zurechnungsregeln des Völkerrechts beantwortet werden. Als Zurechnungssubjekt kommen sowohl die beteiligten Staaten als auch internationale Organisationen in Betracht. Aus den vorangestellten Gründen hat die Frage in der Rechtsprechungspraxis bisher wenig Beachtung gefunden, doch ist sie für den speziellen Bereich von Friedensmissionen auch in der Völkerrechtswissenschaft eher stiefmütterlich behandelt worden. Ins Zentrum der juristischen Aufmerksamkeit ist die Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverletzungen durch UN-mandatierte Missionen erst durch die Zulässigkeitsentscheidung des EGMR im Verfahren Behrami und Saramati gerückt worden.1 Der weiteren Öffentlichkeit ist die Brisanz des Themas schließlich durch die sogenannte Kunduz-Affäre vor Augen geführt worden, in der auch nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein2 die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Raum steht. Der EGMR hat sich gegen einen wirksamen Menschenrechtsschutz entschieden und die Handlungen von UNMIK- und KFOR-Personal nicht ihrem jeweiligen Heimatstaat als Vertragspartei der EMRK, sondern allein den Vereinten Natio1

EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743. 2 Vgl. die Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft vom 19. 04. 2010: http://www. generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=12&newsid=360.

18

Einleitung

nen zugerechnet. Ob diese Einschätzung mit dem geltenden Recht vereinbar ist, soll unter anderem im Rahmen des dieser Arbeit zugrunde liegenden weiteren Gesamtkontexts der Zurechnungsproblematik bei UN-mandatierten Missionen geklärt werden.

Kapitel 1

Mandatierte Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen Um die eigentliche Frage der Zurechenbarkeit von Handlungen bei von den Vereinten Nationen mandatierten Friedensmissionen beantworten zu können, bedarf es zunächst einer klaren Positionierung solcher Operationen im System der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen. Schwierigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, dass die Charta der Vereinten Nationen ein Sicherheitssystem vorsieht, das mit dem heute existierenden wenig gemein hat. Dieses hat zur Folge, dass sich viele Maßnahmen einer klaren rechtlichen Einordnung entziehen und darüber hinaus, weder in der Praxis noch in der Völkerrechtslehre, begrifflich einheitlich gekennzeichnet sind. Ziel dieses einleitenden Kapitels ist es daher, das von der UN-Charta ursprünglich vorgesehene System kollektiver Sicherheit und seine tatsächliche Umsetzung darzustellen. Auf diese Weise treten die Ursachen der Entstehung mandatierter Missionen zu Tage und die Unterschiede zu UN-geführten Missionen werden deutlich. Die Beschäftigung mit der Praxis beider Arten von Missionen dient einerseits der Abgrenzung, soll hauptsächlich aber die Basis bilden, um später die Zurechnungslage vergleichen und hieraus Rückschlüsse auf die Behandlung UN-mandatierter Friedensmissionen ziehen zu können.

A. Die von der UN-Charta vorgesehenen Mechanismen zur Aufrechterhaltung des Friedens Als die Satzung der Vereinten Nationen am 26. Juni 1945 in San Francisco von den Repräsentanten der 50 Gründungsnationen verabschiedet wurde, geschah dieses unter der Euphorie des Kriegsendes in Europa und dem damit absehbaren Ende des Zweiten Weltkrieges. Die an die Gründung der Vereinten Nationen anknüpfende Hoffnung war daher, vergleichbare zwischenstaatliche Konflikte und daraus resultierendes Leiden der Opfer zu verhindern. Das in Art. 2 Abs. 4 UN-Charta normierte Gewaltverbot gilt als Meilenstein in der Entwicklung des Völkerrechts.1

1 Randelzhofer, in: Simma, Art. 2 (4), Rn. 11 – 12; Bothe, in: Vitzthum, 645, Rn. 9; Delbrück, Ind. L. J. 1993, 705, 707 – 708.

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

Die gegenüber dem Völkerbund weiterreichenden Ziele werden sowohl in der Präambel als auch in den Grundsatz-Bestimmungen des Art. 1 UN-Charta deutlich. Gemäß der Präambel wollen die Mitgliedstaaten „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges“ bewahren und zu diesem Zwecke ihre Kräfte vereinen, „um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“. Dieses Primärziel der Vereinten Nationen wird in Art. 1 Abs. 1 UN-Charta wiederholt und konkretisiert und findet sich darüber hinaus in vielen Vorschriften der Satzung, wobei Art. 24 UNCharta die Hauptverantwortung zur Wahrung des Weltfriedens dem Sicherheitsrat überträgt.2 Zur Durchsetzung des Friedens sollte ein System kollektiver Sicherheit gegründet werden, in dem ein mit weit reichenden Kompetenzen ausgestatteter Sicherheitsrat das Monopol zur Gewaltanwendung gegen Aggressoren, sowohl von innen als auch von außen innehat. Die bedeutendste Weiterentwicklung zum System des Völkerbundes besteht darin, dass nicht die einzelnen Mitgliedstaaten sondern der Sicherheitsrat zentral über Kollektivmaßnahmen entscheidet. Basierend auf dieser Idee steht auch das „naturgegebene“ Recht zur Selbstverteidigung gemäß Art. 51 UNCharta in einem Subsidiaritätsverhältnis zu Maßnahmen des Sicherheitsrates.3 Die von der UN-Charta vorgesehen Mechanismen zur Wahrnehmung dieser Ziele sind in Kapitel VI und VII näher ausgestaltet. Kapitel VI enthält als notwendige Ergänzung des Gewaltverbots die Verpflichtung für Mitgliedstaaten und UN-Organe, ihre internationalen Streitigkeiten friedlich beizulegen. Daneben ist das Gebot der friedlichen Streitbeilegung als allgemeiner Grundsatz in Art. 2 Abs. 3 UN-Charta festgeschrieben, der anerkanntermaßen eine Rechtspflicht beinhaltet.4 Beteiligt sich der Sicherheitsrat an der Beilegung von Streitigkeiten, befolgt er in der Regel nicht die genauen und teils komplizierten Verfahrensvorgaben der Art. 34 – 38 UNCharta, sondern gibt Empfehlungen ohne Bezug auf eine bestimmte Vorschrift ab.5 Bereits hier wird deutlich, dass Chartavorschriften in der Praxis flexibel gehandhabt werden. Kapitel VII normiert das eigentliche System der kollektiven Sicherheit, das nach dem Willen der Gründungsväter zum zentralen Element der Friedenssicherung werden sollte. Die Kompetenz des Sicherheitsrates, verbindliche Maßnahmen zu ergreifen, wird gemäß Art. 39 UN-Charta durch die Feststellung einer Friedensbedrohung, eines Friedensbruches oder einer Angriffshandlung eröffnet.6 Auf der Rechtsfolgenseite hat der Sicherheitsrat die Möglichkeit, in abgestufter Weise mit vier unterschiedlichen Maßnahmen zu regieren. Er kann Empfehlungen zur Beilegung nach Art. 39 2

Präambel, Art. 1 Abs. 1; 2 Abs. 3; 2 Abs. 6; 11 Abs. 1 – 3; 12 Abs. 2; 15 Abs. 1; 18 Abs. 2; 23 Abs. 1; 24 Abs. 1; 26; 33 Abs. 1; 34; 37 Abs. 2; 39; 42; 43 Abs. 1; 47; 48 Abs. 1; 51; 52 Abs. 1; 54; 73; 76; 84; 99; 106 UN-Charta. 3 Randelzhofer, in: Simma, Art. 51, Rn. 41. 4 Fischer, in: Ipsen, § 62, Rn. 2. 5 Malanczuk, 386. 6 Gowlland-Debbas, in: Byers, 277, 287; Hilaire, 6.

A. Von UN-Charta vorgesehene Mechanismen zur Aufrechterhaltung des Friedens

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UN-Charta geben, vorläufige Maßnahmen erlassen (Art. 40 UN-Charta), nicht-militärische Zwangsmaßnahmen beschließen (Art. 41 UN-Charta) oder militärische Zwangsmaßnahmen gemäß Art. 42 UN-Charta durchführen.

I. Der Friedensbegriff des Art. 39 UN-Charta im Wandel Bis 1990 hat der Sicherheitsrat nur 24 Resolutionen verabschiedet, die entweder Kapitel VII direkt oder aber seine Voraussetzungen erwähnen.7 Dagegen gehört die Inanspruchnahme von Kapitel VII heute zur gängigen Praxis und stellt damit eine der auffälligsten Entwicklungen der Sicherheitsratspraxis dar. Damit einher geht die veränderte praktische Bedeutung des Kapitels VII, die sich insbesondere am Wandel des Friedensbegriffs festmachen lässt. Ursprünglich gedacht als militärischer Angriff eines Staates gegen einen anderen, ist der Sicherheitsrat von diesem engen Verständnis vor 1990 nur in wenigen Fällen abgewichen. Humanitäre Gesichtspunkte innerhalb der Staatsgrenzen spielten insbesondere bei den Sanktionen gegen Rhodesien und Südafrika eine Rolle.8 Da beide Fälle aber untrennbar mit dem Verbrechen der Apartheid verbunden sind, eignen sie sich nur eingeschränkt für Rückschlüsse auf andere Menschenrechtsverletzungen.9 Seit der Golfkrise 1990 hat der Verweis auf Kapitel VII aber schrittweise seine traditionelle Bindung zum System der kollektiven Sicherheit verloren und sich zu einem allgemeinen Handlungsinstrument des Sicherheitsrates entwickelt. Hieraus folgt, dass der Sicherheitsrat heute als wichtiger Akteur der internationalen Politik und des internationalen Rechts tätig wird. Als Wendepunkt gilt Resolution 688, die den durch Menschenrechtsverletzungen im Nordirak ausgelösten Flüchtlingsstrom als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit einstuft, hierbei allerdings noch explizit auf die grenzüberschreitenden Auswirkungen hinweist.10 In der Folge hat der Sicherheitsrat eine Friedensbedrohung wiederholt für schwere Menschenrechtsverletzungen,11 große Flüchtlingsströme,12 humanitäre Krisen13 aber 7

Chesterman, 121. SR Res. 221 vom 9. April 1966; SR Res. 253 vom 29. Mai 1968; SR Res. 418 vom 4. November 1977. 9 Delbrück, Ind. L. J. 1992, 887, 894; Franck, RdC 1993, 9, 204; Lillich, ZaöRV 1993, 557, 565. 10 SR Res. 688 vom 5. April 1991. 11 SR Res. 757 vom 30. Mai 1992, SR Res. 787 vom 16. November 1992 (Jugoslawien), SR Res. 940 vom 31. Juli 1994 (Haiti); SR Res. 1072 vom 30. August 1996 (Burundi); SR Res. 1355 vom 15. Juni 2001 (DRC) vgl. auch SR Res. 1314 vom 11. August 2000: „Notes that the deliberate targeting of civilian populations or other protected persons, including children, and the committing of systematic, flagrant and widespread violations of international humanitarian and human rights law […] may constitute a threat to international peace and security.“ 12 SR Res. 794 vom 3. Dezember 1992; SR Res. 814 vom 26. März 1993 (Somalia); SR Res. 918 vom 17. Mai 1994 (Ruanda); SR Res. 954 vom 4. November 1994 (Somalia). 8

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

auch für Bürgerkriege14 und Terrorismus15 festgestellt. Den Auswirkungen für die Stabilität der Region wurde zunehmend weniger Gewicht beigemessen16 und schließlich ganz auf sie verzichtet.17 Mittlerweile ist es daher Konsens, dass auch interne Konflikte eine Situation nach Art. 39 UN-Charta auslösen können.18 Insbesondere bei schweren Menschenrechtsverletzungen ist eine andere Auffassung mit dem derzeitigen Stand des Völkerrechts auch unvereinbar. Solche Verletzungen sind ihrer Natur nach mit dem in der Charta niedergelegten Verständnis von Frieden und Sicherheit unvereinbar und können daher keine Angelegenheiten sein, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates im Sinne des Art. 2 Abs. 7 UN-Charta gehören.19 Unabhängig von der positiven Wirkung eines aktiveren Sicherheitsrats und der damit verbundenen Stärkung der Menschenrechte ist die Ausweitung des Friedensbegriffs auch mit rechtlichen Unsicherheiten verknüpft. Da der Sicherheitsrat nach dem Wortlaut des Art. 39 UN-Charta allein seinem Ermessen unterworfen ist, stellen sich Fragen im Hinblick auf den rechtlichen Gehalt des Friedensbegriffs,20 die Grenzen seiner Feststellungskompetenz sowie der Möglichkeit seiner Kontrolle.21 Es ist bisher kein einheitliches Muster festzustellen, wann der Sicherheitsrat eine Situation als relevant im Sinne des Art. 39 UN-Charta qualifiziert.22 Entsteht dadurch der Eindruck, dass der Sicherheitsrat willkürlich vorgeht, besteht die Gefahr eines nachhaltigen Vertrauensverlusts. Erste Anzeichen hierfür konnten beobachtet werden, als der Sicherheitsrat sich trotz zuverlässiger Berichte über massive Menschenrechtsverlet-

13 SR Res. 864 vom 15. September 1993 (DRC); SR Res. 918 vom 17. Mai 1994; SR Res. 929 vom 22. Juni 1994 (Ruanda); SR Res. 1132 vom 8. Oktober 1997 (Sierra Leone); SR Res. 1199 vom 23. September 1998 (Kosovo); SR Res. 1566 vom 30. Juli 2004 (Darfur). 14 SR Res. 733 vom 23. Januar 1992 (Somalia); SR Res. 864 vom 15. September 1993 (Angola); SR Res. 1101 vom 28. März 1997 (Albanien); SR Res. 1341 vom 15. Februar 2001 (DRC). 15 SR Res. 731 vom 21. Januar 1991; SR Res. 748 vom 31. März 1992 (Libyen); SR Res. 1054 vom 26. April 1996 (Sudan); SR Res. 1267 vom 15. Oktober 1999; SR Res. 1368 vom 12. September 2001; SR Res. 1373 vom 28. September 2001 (Afghanistan); SR Res. 1540 vom 28. April 2004. 16 Stein/von Buttlar, 309, Rn. 860; Frowein/Krisch, in: Simma, Art. 39, Rn. 20; Troost, 132. 17 Erstmalig während des Konflikts in Somalia in: SR Res. 794 vom 3. Dezember 1992. 18 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-AR72, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction vom 2. Oktober 1995, para. 30; Stein/von Buttlar, 309, Rn. 860; Chesterman, 155; Gazzini, 32 – 33; Fink, MD. J. Intl L.&Trade 1995, 1, 7; Franck, 42 – 43. 19 Delbrück, Ind. L. J. 1992, 887, 900. 20 Schäfer, 25 ff.; Arntz, 22 ff.; Wolfrum, in: Simma, Art. 1, Rn. 9; Gowlland-Debbas, EJIL 2000, 361, 365 – 366. 21 De Wet, 25 ff.; Martenczuk, EJIL 1999, 517 ff.; Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 299 – 302; Nolte, in: Byers, 315 ff. 22 Nasu, AustYBIL 2007, 87, 94; Chesterman, 161.

A. Von UN-Charta vorgesehene Mechanismen zur Aufrechterhaltung des Friedens

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zungen in Darfur nicht auf verbindliche Maßnahmen einigen konnte23 und hierfür massive Kritik gerade aus der Zivilgesellschaft erfuhr. Auch bei den jüngsten internationalen bewaffneten Konflikten, die sich im traditionellen Anwendungsbereich des Systems der kollektiven Sicherheit bewegen, hat der Sicherheitsrat eine überwiegend passive Rolle gespielt. Zu denken ist hier etwa an den Libanonkrieg im Sommer 2006, die anhaltenden Konflikte in der Region um die Afrikanischen Großen Seen oder den Kaukasus-Konflikt 2008 zwischen Russland und Georgien.

II. Sanktionen des Sicherheitsrats unterhalb der Schwelle militärischer Gewalt Während auf der einen Seite die Einstufung einer Situation nach Art. 39 UN-Charta in extensiver Auslegung der Charta vorgenommen und der Anwendungsbereich des Kapitels VII somit eröffnet wird, korreliert diese Entwicklung nicht mit der Rechtsfolgenseite. Als Mittel der untersten Stufe kann der Sicherheitsrat Empfehlungen nach Art. 39 UN-Charta abgeben. Obwohl diese unter Kapitel VII ergehen, verdeutlicht bereits die Wortwahl, dass sie keine bindende Wirkung für die Adressaten haben.24 Im Unterschied zu Empfehlungen unter Kapitel VI können sie aber dahingehend eine zwingende Wirkung entfalten, dass ihre Nichteinhaltung zur Ausschöpfung der weiteren Möglichkeiten unter Art. 41 oder 42 der UN-Charta führt.25 Vorläufige Maßnahmen im Sinne des Art. 40 UN-Charta ergreift der Sicherheitsrat entweder als Vorstufe oder aber zur Unterstützung der intensiveren Maßnahmen nach Art. 41 und 42 UN-Charta. Typischerweise beinhalten diese die Aufforderung zur Einstellung der Feindseligkeiten oder zum Rückzug der Truppen.26 Die Frage der rechtlichen Bindungswirkung vorläufiger Maßnahmen war lange Zeit umstritten. Ursächlich ist, dass Art. 40 UN-Charta nur von einer „Aufforderung“ spricht, die der Sicherheitsrat für „notwendig oder erwünscht“ erachtet. Der Begriff der „Aufforderung“ lässt sich logisch jedoch weder der in Art. 39 UN-Charta enthaltenen „Empfehlung“ (recommendation) noch einer zwingenden „Maßnahme“ (measure) zuordnen. Überwiegend wurde daraus geschlossen, dass es dem Sicherheitsrat überlassen ist, welche rechtliche Bindungswirkung er den einzelnen Eilmaßnahmen beimisst.27 Konnte bislang die bindende Wirkung sowohl von Maßnahmen nach Art. 40 UNCharta als auch deren Bezug zu Art. 39 UN-Charta nur in einigen Fällen aus der Praxis

23 Report of the International Commission of Inquiry on violations of international humanitarian law and human rights law in Darfur, UN Doc. S/2005/60 vom 25. Januar 2005. 24 Gill, NYIL 1995, 33, 46. 25 Frowein/Krisch, in: Simma: Art. 39, Rn. 29; Fischer, in: Ipsen, § 60, Rn. 13. 26 Ibid., Rn. 12; Rao, Indian JIL 1997, 62, 74; Verdross/Simma, § 236. 27 Krisch, 77; Gill, NYIL 1995, 33, 47; Kooijmans, FS de Waart, 289, 298 – 300.

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

hergeleitet werden,28 hat der Sicherheitsrat diesen eher akademischen Streit jüngst beigelegt. In einer Resolution bezüglich der Nichtverbreitung von Atomwaffen heißt es: „Acting under Article 40 of the Charta of the United Nations in order to make mandatory the suspension required by the IAEA.“29 Als Handlungsinstrument der nächst höheren Stufe stehen dem Sicherheitsrat nicht-militärische Sanktionen wie in dem nicht-abschließenden Katalog des Art. 41 UN-Charta enthalten zur Verfügung. Nach Art. 25, 48 UN-Charta entfaltet der Beschluss, eine Maßnahme nach Art. 41 UN-Charta zu ergreifen, für alle in der Resolution angeführten Mitgliedstaaten bindende Wirkung.30 Bis zum Ende des Kalten Krieges wurden diese Sanktionsmaßnahmen nur sehr spärlich genutzt.31 In der Folgezeit entwickelten sie sich jedoch zu einem häufig und in verschiedensten Situationen verwendeten Handlungsinstrument des Sicherheitsrats zur Konfliktbewältigung.32 Neben Embargo-Maßnahmen wurden zum Beispiel unter Rückgriff auf Art. 41 UN-Charta auch die internationalen Strafgerichte für Jugoslawien und Ruanda gegründet,33 Staaten zur Auslieferung von Terroristen aufgefordert34 und quasi-legislatorische Entscheidungen getroffen.35 Insbesondere die Zulässigkeit letzterer wird bis heute kritisch betrachtet.36 Die Art und Weise der Sanktionen hat sich in den letzten Jahren jedoch geändert. Hat der Sicherheitsrat zunächst umfassende wirtschaftliche Blockaden verhängt,37 nutzt er nun smart sanctions. Diese gezielten Maßnahmen sollen einen Staat nicht mehr in allen Bereichen treffen, sondern sich auf einige Wirtschaftszweige oder sonstige Bereiche beschränken, um ausschließlich die Verantwortlichen des die Staatengemeinschaft schädigenden Verhaltens zu treffen.38 Zu typischen Maßnahmen entwickelten sich beispielsweise Restriktionen zum Handel mit Diamanten oder das Ein28 Vgl. z. B. unter Erwähnung von Art. 40: SR Res. 54 vom 10. Juli 1948 und SR Res. 59 vom 19. Oktober 1948 zum Konflikt in Palästina sowie SR Res. 660 vom 2. August 1990 zum Irak-Konflikt. 29 SR Res. vom 1696 vom 31. Juli 2006. 30 Verdross/Simma, § 238; Fischer, in: Ipsen, § 60, Rn. 14. 31 Wirtschaftssanktionen gegen Rhodesien: SR Res. 232 vom 16. Dezember 1966; SR Res. 253 vom 29. Mai 1968; SR Res. 277 vom 15. März 1970; Waffenembargo gegen Südafrika: SR Res. 418 vom 4. November 1977. 32 Dinstein, 300; Gray, 265; Bothe, in: Vitzthum, 675. 33 SR Res. 827 vom 25. Mai 1993 (Jugoslawien), SR Res. 955 vom 8. November 1994 (Ruanda). 34 SR Res. 748 vom 31. März 1992 (Libyen); SR Res. 1267 vom 15. Oktober 1999 (Afghanistan). 35 SR Res. 1373 vom 28. September 2001; SR Res. 687 vom 3. April 1991. 36 Wagner, ZaöRV 2003, 879, 906 ff.; Zimmermann/Elberling, VN 2004, 71 – 73. 37 So insbesondere im Irak (SR Res. 661 vom 6. August 1990; SR Res. 670 vom 25. September 1990), dem ehemaligen Jugoslawien (SR Res. 713 vom 25. September 1991; SR Res. 757 vom 30. Mai 1992) und Haiti (SR Res. 851 vom 16. Juni 1993; SR Res. 917 vom 6. Mai 1994). 38 Gray, 270 f.; Frowein/Krisch, in: Simma: Art. 41, Rn. 5.

A. Von UN-Charta vorgesehene Mechanismen zur Aufrechterhaltung des Friedens

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frieren von Regierungskonten.39 Grund für dieses Umdenken war, dass Wirtschaftsblockaden neben dem gewünschten Druck auf die Regierungen auch negative Folgen für die Zivilbevölkerung auslösten. Insbesondere im Irak haben internationale Sanktionen zum Zusammenbruch der Volkswirtschaft beigetragen, was wiederum zu hohen Lebensmittelpreisen, Mangelernährung und einer ungenügenden gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung führte.40 Daraufhin wurde zunehmend die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit der Satzung und sonstigem Völkerrecht hinterfragt, wobei in erster Linie auf den Widerspruch zu Menschenrechten hingewiesen wurde, deren Schutz neben der Konfliktbewältigung ebenfalls zu den Aufgaben der Vereinten Nationen gehört.41

III. Militärische Sanktionen im Sinne des Art. 42 UN-Charta Nach dem System des Kapitels VII ist der Sicherheitsrat zur Ergreifung militärischer Mittel nach Art. 42 UN-Charta befugt, wenn nach seiner Abwägung eine Änderung der schädigenden Verhaltensweise des Mitgliedstaats nicht durch Sanktionen nach Art. 41 UN-Charta erreicht werden kann. Aus den travaux prparatoires geht hervor, dass der Sicherheitsrat militärische Maßnahmen unter seiner Führung und mit eigenen, ihm nach Art. 43 UN-Charta von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Truppen vornehmen sollte.42 Bereits aufgrund der Tatsache, dass die vorgesehenen Sonderabkommen über Streitkräfte nie zustande gekommen sind, scheidet eine direkte Anwendung des Art. 42 UN-Charta in Übereinstimmung mit den Ideen der Gründungsväter der Vereinten Nationen aus. Darüber hinaus führte der bald nach Gründung der Vereinten Nationen entstandene ideologische und politische Konflikt der Großmächte zu einer Blockadepolitik innerhalb des Sicherheitsrates. Als Folge lagen die Möglichkeiten des Kapitels VII für vier Jahrzehnte weitgehend brach und die Staatengemeinschaft war gezwungen, auf alternative Lösungen zurückzugreifen, wobei in erster Linie das UN-Peacekeeping zu nennen ist. Ob der Sicherheitsrat darüber hinaus auch Staaten zu Zwangsmaßnahmen gegen einen Aggressor, wie sie ursprünglich von Art. 42 UN-Charta vorgesehen waren, ermächtigt hat, wird erst im Zusammenhang mit friedenssichernden Tätigkeiten ohne direkte Beteiligung von UN-Organen behandelt.43

39

Ibid., Rn. 15. Reisman/Stevick, EJIL 1998, 86, 101 – 107. 41 Cortright/Lopez/Gerber-Stellingwerf, Oxford UN Handbook, 349, 350; Bothe, in: Vitzthum, 675; Otte, 205 ff.; Craven, EJIL 2002, 43, 50. 42 Blokker, EJIL 2000, 541, 542; Gazzini, 17 – 18. 43 Vgl. Kapitel 4, C. 40

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

B. Friedenssicherung unter Führung der Vereinten Nationen in der Praxis Schon ein quantitativer Vergleich zwischen Kapitel VII-Maßnahmen und UNPeacekeeping-Operationen zu Zeiten des Kalten Krieges verdeutlicht das Gewicht. Wenigen Einsätzen, die sich möglicherweise unter Kapitel VII verorten lassen, stehen dreizehn Missionen gegenüber, die zu den traditionellen Friedensmissionen gezählt werden.44 Die Phase nach dem Ende des Ost-West-Konflikts war dann geprägt von einem weiteren starken quantitativen Anstieg der Peacekeeping-Missionen. So wurde die Zahl der Friedensmissionen der ersten vier Jahrzehnte des Bestehens der Vereinten Nationen bereits im Januar 1992 erreicht.45 Daneben fand bald auch eine Änderung qualitativer Natur statt, die sich in den geänderten Aufgaben sowie in der Erweiterung des Kreises möglicher Peacekeeping-Akteure zeigt. Damit ging der Verzicht der UN auf ihre Führungsrolle einher und der Weg für UN-mandatierte Missionen war geebnet. In diesem Kapitel wird diese Entwicklung skizziert, um in einem nächsten Schritt UN-mandatierten Missionen gegenüber gestellt zu werden.

I. Entwicklungen der UN-Friedenssicherung Seit 1990 haben sich die Aufgaben und Anforderungen an UN-Friedensmissionen deutlich verändert. Die Ursachen hierfür liegen hauptsächlich in der veränderten Form der Konflikte.46 An die Stelle zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen traten innerstaatliche, die entweder in direktem Zusammenhang mit dem Fall des eisernen Vorhangs wie etwa in Jugoslawien standen, oder aber zumindest durch die Auflösung der rivalisierenden Blöcke und damit verbundener Interessen begünstigt wurden. Auf die Entwicklung der Friedenssicherungspraxis der Vereinten Nationen wird im Folgenden anhand der verschiedenen „Peacekeeping Generationen“ eingegangen. Hierbei handelt es sich um keine lineare Entwicklung, sondern um die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten in einer bestimmten Situation. Diese Kasuistik ist zwar weitgehend künstlich, doch hat sie sich überwiegend durchgesetzt und ist verstanden als rein politisches Modell gleichwohl hilfreich, um sich einen Überblick zu verschaffen. 1. Traditionelles Peacekeeping Obwohl es notwendig an einer rechtsverbindlichen und im Gründungsvertrag niedergelegten Definition fehlt, weisen Peacekeeping-Operationen, beginnend mit dem ersten Einsatz von mit militärischen Aufgaben ausgestatteten Truppen in Ägypten 44 Boutros-Ghali, Report of the Secretary-General, An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peacekeeping, UN Doc. A/47/277 vom 17. Juni 1992. 45 Ibid., para. 47. 46 Vöneky/Wolfrum, ZaöRV 2002, 569, 573.

B. Friedenssicherung unter Führung der VN in der Praxis

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(UNEF I), bis zum Ende des Kalten Krieges relativ einheitliche Merkmale auf. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Gründe der Stationierung bereits zu Beginn höchst unterschiedliche waren. Sie bewegten sich von der Überwachung von Waffenstillstandsabkommen über klassische Pufferfunktionen bis hin zu der Übergangsverwaltung von Gebieten in West-Neuguinea.47 Es lassen sich drei Grundvoraussetzungen für traditionelle Peacekeeping-Operationen extrahieren. Der bestehende Blockgegensatz machte es notwendig, dass Peacekeeping-Truppen Neutralität gegenüber den kriegsführenden Parteien wahrten. Eine Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten war ausgeschlossen. Traditionelle Peacekeeper bildeten vielmehr einen Puffer, der den aktuellen Status aufrechterhalten und eine Möglichkeit zur Konfliktlösung auf diplomatischer und politischer Ebene schaffen sollte.48 Der Einsatz von UN-Streitkräften bedurfte weiter der Zustimmung des Gaststaates sowie aller übrigen am Konflikt beteiligten Parteien.49 Schließlich waren Peacekeeping-Einsätze durch das Verbot der Gewaltanwendung gekennzeichnet, das nur im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des individuellen Selbstverteidigungsrechts eine Ausnahme erfuhr.50 Zu diesem Zwecke war eine Ausstattung der Truppen mit nur leichten Waffen charakteristisch. 2. Die ONUC-Mission Innerhalb der frühen Phase des Peacekeepings nimmt die ONUC-Operation im Kongo eine Sonderrolle ein. Im Jahr 1960 ins Leben gerufen, stellte sie nach UNEF I erst die zweite Entsendung bewaffneter Truppen dar, auf die die soeben herausgestellten Merkmale aber keine Anwendung finden. Dieses verdeutlicht bereits zu einem frühen Zeitpunkt der UN-Peacekeeping Geschichte, dass die traditionellen Elemente des Peacekeepings komplexen Konfliktsituation nicht gerecht werden und sie vielmehr nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Friedenspolitik zu Zeiten der Blockpolitik darstellen. Die Mission erinnert in Art, Umfang der Truppenstärke und Mandat an spätere Einsätze. So ist sie nach überwiegender Ansicht als Mission im traditionellen Sinne eingesetzt worden, durch eine schrittweise Erweiterung des Mandats aber schließlich unter Kapitel VII UN-Charta zu verorten.51 Während zunächst nur der Verweis auf Art. 25 und 49 UN-Charta ein Tätigwerden unter Kapitel VII vermuten ließ,52 wird die Resolution 161 A vom 21. Februar 1961 deutlicher. Ohne jedoch Art. 39 UN-Charta ausdrücklich zu benennen, stellt der Sicherheitsrat eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit fest. Im Folgenden autori47

Durch, 3; Hufnagel, 21. Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 7; Hufnagel, 22. 49 Goulding, Int. Aff. 1993, 451, 454; McCoubrey/White, 69 – 70; Eisele, Praxishandbuch UNO, 27, 31. 50 Lüder, 14; Zwanenburg, 17 f. 51 Schmalenbach, 167; Chesterman, 117. 52 SR Res. 146 vom 9. August 1960. 48

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

siert er eine über die Grenzen der Selbstverteidigung hinausgehende Anwendung von Gewalt als äußerstes Mittel zur Verhinderung eines Bürgerkrieges im Kongo.53 Während durch diesen Schritt der Einsatz von ONUC vereinzelt als Zwangsmaßnahme nach Kapitel VII gewertet wurde,54 ist diese Position zumindest nach heutigen Maßstäben nicht mehr haltbar.55 Zu keinem Zeitpunkt haben die UN-Truppen sanktionierende Maßnahmen ergriffen, sondern primär versucht, auf Einladung einer souveränen Regierung einen internen Konflikt zu beruhigen. Obwohl ONUC die Situation im Kongo zumindest vorübergehend beruhigen konnte, wird die Mission zumeist negativ bewertet.56 Die Unstimmigkeiten über das Mandat führten zu einem Streit um die gemeinsame Finanzierung nach Art. 17 Abs. 2 UN-Charta und lösten damit eine beispiellose Krise der Vereinten Nationen in politischer und finanzieller Hinsicht aus.57 Für die folgenden Missionen besann man sich dann auch wieder auf die Kriterien des traditionellen Peacekeepings. 3. Friedensmissionen der Zweiten Generation Friedensmissionen der zweiten Generationen fallen zumeist in die frühe Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges. Charakteristisch ist, dass sie mehrere Dimensionen einschließen. Während den Truppen klassischerweise eine Pufferfunktion nach Beendigung des Konflikts zukam, sollten sie nun Voraussetzungen in einem Land schaffen, die es den Konfliktparteien ermöglichten, den Frieden eigenständig und dauerhaft aufrecht zu erhalten.58 Insbesondere in von Bürgerkriegen zerrütteten Ländern wurden außerdem mit Zustimmung des Gaststaates vermehrt zivile Komponenten vorgenommen, die traditionell in die Zuständigkeit des Staates als Souverän fallen und damit ein gewisses Konfliktpotential bergen.59 Die Aufgaben reichen von der Überwachungen von Wahlen über die Reform des Polizeiapparates bis hin zu wirtschaftlichen Umstrukturierungen. Gemeinsames Ziel dieser Maßnahmen ist immer der Wiederaufbau einer Infrastruktur, die auch den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereich der Gesellschaft betrifft.60 Als typische Beispiele gelten ONUSAL in El Salvador von 1991 – 1995, UNAVEM II in Angola von 1991 bis 1995,

53

SR Res. 161 A vom 21. Februar 1961. Seyerstedt, BYIL 1961, 351, 446; Bothe, 122 ff. 55 IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 166; Chesterman, 117; Higgins, Peacekeeping 1946 – 1967, 56; Stellungnahme des Generalsekretärs, UN Doc. A/ C.5/864 vom 17. April 1961. 56 Shaw, 1110; Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 21. 57 Higgins, Peacekeeping 1946 – 1967, 274. 58 Vöneky/Wolfrum, ZaöRV 2002, 569, 575; Meyer, 50. 59 Goulding, Int. Aff. 1993, 451, 457 – 458; Eisele, Praxishandbuch UNO, 27, 31; Durch, 11. 60 Doyle/Sambanis, Oxford UN Handbook, 323, 327. 54

B. Friedenssicherung unter Führung der VN in der Praxis

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UNTAG in Kambodscha von 1992 – 1993 oder ONUMOZ in Mosambik von 1992 – 1994.61 Da diese Friedensmissionen zumeist erfolgreich waren, versuchte man sich auf gangbare Alternativen zwischen traditionellem Peacekeeping und militärischen Zwangsmaßnahmen festzulegen. Mit dem Ziel, in Zukunft angemessen auf Konflikte reagieren zu können, formulierte Boutros Boutros-Ghali 1992 ein grundlegendes Positionspapier für eine ambitionierte Rolle der Vereinten Nationen für Frieden und Sicherheit im Sinne der Satzung.62 Die „Agenda für den Frieden“ zeigt sowohl Schwierigkeiten als auch die mögliche Reichweite moderner Peacekeeping-Einsätze auf, führte zunächst aber zu keinen wesentlichen Reformen. Der Generalsekretär propagierte die Notwendigkeit der Einbeziehung friedenskonsolidierender Maßnahmen, um traditionellem Peacekeeping und Bemühungen zur friedlichen Streitbeilegung zum Erfolg zu verhelfen.63 Sein Konzept kombinierte die verschiedenen Instrumente der UN-Friedenssicherung, Friedensverhandlungen auf der einen Seite des Spektrums und kriegsähnliche Durchsetzung auf der anderen. Obwohl er weiterhin für eine organisatorische Trennung zwischen Friedenssicherung und Friedensdurchsetzung eintrat, wurde infolge der Zueinanderführung der beiden Konzepte in Theorie und Praxis eine Unterscheidung zunehmend schwieriger.64 Nach dem Scheitern der UN bei der Konfliktlösung in Jugoslawien, Somalia und Ruanda kehrte der Generalsekretär 1995 zu einer traditionelleren Sichtweise zurück. Er betonte mit Nachdruck die unterschiedlichen Ausgangspunkte von Peacekeeping und Zwangsmaßnahmen, deren strikte Trennung für Akzeptanz und Sicherheit der Friedenmissionen notwendig sei.65 4. Friedensmissionen der Dritten Generation Friedensmissionen der dritten Generation sind von einer noch weitergehenden Ausdehnung des Aufgabenbereiches gekennzeichnet, der die ursprünglichen Voraussetzungen von Peacekeeping-Operationen, Zustimmung der Konfliktparteien, Gewaltfreiheit und Neutralität deutlich übersteigt. Bezeichnend für diese robusten Missionen ist daher auch ein Mandat, welches auf Kapitel VII UN-Charta gestützt ist. Anders als die zuvor vollzogene Entwicklung zu einem dynamischen Modell der Konfliktlösung bedeutet die bewusste Integration militärischer Bestandteile in den Einsatz von Friedenstruppen eine entscheidende Änderung der bis dahin geltenden politischen und militärischen Gesetze des Peacekeepings.66 Allerdings wird Kapi61

Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 77. Boutros-Ghali, Report of the Secretary-General, An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peacekeeping, UN Doc. A/47/277 vom 17. Juni 1992. 63 Ibid., para. 55. 64 White, J. Confl. & Sec. L. 2001, 127, 130; Gray, 281 f. 65 Boutros-Ghali, Report of the Secretary-General, Supplement to an Agenda for Peace: Position Paper of the Secretary-General on the Occasion of the Fiftieth Anniversary of the United Nations, UN Doc. A/50/60 vom 3. Januar 1995, para. 35. 66 Kühne, in: Kühne, 55 – 57. 62

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

tel VII hier nicht auf die klassische Weise angewandt, sondern dient als allgemeines Instrument der Krisenbewältigung innerhalb der Missionen.67 Der Einsatz möglicher Gewalt durch Friedenstruppen richtet sich nicht gegen einen bestimmten Aggressor, sondern dient lediglich dazu, jeglichen Widerstand, der sich konträr zu zuvor vereinbarten Abkommen oder dem Mandat verhält, zu brechen.68 Auch wenn es zu Kampfhandlungen kommen mag, werden die UN nicht zur Konfliktpartei im eigentlichen Sinne, sondern behalten ihre neutrale Rolle als Vermittlerin bei.69 Militärische Mittel flankieren also die Durchsetzung des Mandats und können beispielsweise nötig werden, wenn die Konfliktparteien eine vereinbarte Demilitarisierung oder Entwaffnung verweigern, der Ablauf demokratischer Wahlen behindert wird, Völkermord oder andere groß angelegte Menschenrechtsverletzungen versucht oder humanitäre Hilfsleistungen behindert werden.70 a) Die Testfälle im ehemaligen Jugoslawien und in Somalia Die ersten Einsätze mit einem robusten Mandat wie in Jugoslawien und Somalia waren von Misserfolg gekennzeichnet. Hierzu trugen insbesondere unklare und sich stetig verändernde Mandate bei, die dazu führten, dass die Friedensmissionen in einer Grauzone zwischen klassischem Peacekeeping und militärischer Durchsetzung operierten. UNPROFOR wurde im Februar 1992 als Mission der traditionellen Form eingesetzt,71 bereits Resolution 770 verdeutlichte aber, dass die Mittel der Friedenstruppen nicht ausreichen, um eine Situation in Übereinstimmung mit dem Mandat herbeizuführen, die geeignet ist, die Krise zu lösen. Der Sicherheitsrat autorisierte dann Mitgliedstaaten gemäß Kapitel VII UN-Charta, alle notwendigen Mittel zur Sicherung der humanitären Hilfsleistungen der Vereinten Nationen zu ergreifen.72 Als UNPROFOR mit der Durchsetzung dieser Resolution betraut wurde, verwandelte sich auch ihr Mandat in eines unter Kapitel VII.73 Ähnliche Probleme prägten die Einsätze in Somalia. Nachdem ein, wenn auch fragiler, Waffenstillstand vereinbart worden war und die Konfliktparteien sich zur Kooperation mit den Vereinten Nationen bekannten, wurde UNOSOM I im April 1992 zur Sicherung des Friedens in Mogadischu und zur Überwachung von humanitären Hilfsleistungen entsandt.74 Bald darauf wandten sich die Bürgerkriegsparteien aber gegen die Friedenstruppen, der Konflikt eskalierte und hinterließ ein Land ohne Re67

Pugh, Oxford UN Handbook, 370, 373. Ibid., Payandeh, HuV-I 2005, 253, 255; Findlay, 6. 69 Schmalenbach, 171; Kühne, in: Kühne, 55. 70 Findlay, 377. 71 SR Res. 743 vom 21. Februar 1992. 72 SR Res. 770 vom 13. August 1992. 73 Gray, Duke J. Comp. & Int.L. 1996 – 1997, 241, 259; vgl. z. B. für einen ausdrücklichem Bezug auf Kapitel VII: SR Res. 807 vom 19. Februar 1993; SR Res. 847 vom 30. Juni 1993; SR Res. 869 vom 30. September 1993. 74 SR Res. 751 vom 24. April 1992. 68

B. Friedenssicherung unter Führung der VN in der Praxis

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gierungsgewalt.75 Als die Zustimmung des Gaststaates endgültig zurückgezogen wurde, ermächtigte der Sicherheitsrat auf Grundlage des Kapitels VII die Entsendung von Streitkräften der Mitgliedstaaten unter Führung der Vereinigten Staaten.76 Der Operation Restore Hope (UNITAF) gelang es, die Situation soweit zu beruhigen, dass sie im Mai 1993 wieder durch eine Friedensmission unter der Autorität des Sicherheitsrates, UNOSOM II, ersetzt werden konnte. Neben klassischen Peacekeeping Aufgaben übernahmen diese Truppen auch in weiten Teilen das UNITAF Mandat.77 Die Friedentruppen wurden in Kämpfe mit den Parteien verwickelt, erlitten viele Verluste und zogen sich im März 1995 endgültig zurück, ohne die Mission abgeschlossen oder zumindest bedeutende Erfolge erzielt zu haben. b) Heutige Umsetzung Mittlerweile hat sich das Konzept des robusten Peacekeeping neben den traditionelleren Formen etabliert und fast alle Missionen werden, sei es auch nur präventiv, mit einem Kapitel VII-Mandat ausgestattet. In der Praxis ist es allerdings häufig der Fall, dass komplexere und gewaltintensivere Aufgaben nicht von Missionen der Vereinten Nationen durchgeführt werden, sondern an Staaten oder Regionalorganisationen übertragen werden. Diese Entwicklung wird auch von der durch Kofi Annan eingesetzten Kommission zur Analyse der Möglichkeiten effektiven Peacekeepings durch die Vereinten Nationen unterstützt. Die vorgeschlagenen Reformen gehen von der Prämisse aus, dass es Peacekeeping-Truppen möglich sein muss, in angemessener Weise auf Herausforderungen wie in Ruanda und Srebrenica reagieren zu können.78 Zwar soll es bei den traditionellen Vorraussetzungen der Friedenssicherung bleiben, doch müssten diese unter Anpassung an die heutige Realität und den notwendig robusteren Mandaten neu interpretiert werden.79 Selbstverteidigung umfasse daher nicht mehr nur den Schutz der Beteiligten, sondern müsse auf die Ziele des Mandats und den Schutz der Zivilbevölkerung ausgedehnt werden. Unparteilichkeit könne nicht mehr absolute Neutralität zwischen den Parteien bedeuten, sondern müsse die Grundsätze von Charta und Mandat berücksichtigen. Für das Erfordernis der Zustimmung zur Stationierung internationaler Truppen soll ein generelles Einverständnis ausreichen, das eine Zustimmung zu jeder Handlung nicht notwendig umfasse. Schließlich müsse das Mandat selbst in allen Bereichen wie Truppenstärke, Ausstattung und Ziel deutlich formuliert und realisierbar sein.80

75

Fink, 712 – 713; Hufnagel, 159. SR Res. 794 vom 3. Dezember 1993. 77 SR Res. 814 vom 26. März 1993. 78 Brahimi, Letter dated 17 August 2000 from the Chairman of the Panel on United Nations Peace Operations to the Secretary-General, UN Doc. A/55/305 vom 21. August 2000. 79 Report of the Panel on United Nations Peace Operations (Brahimi Report), UN Doc. A/ 55/305 vom 21. August 2000, para. 48 ff. 80 Ibid., para. 56 ff. 76

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

5. Friedensmissionen der Vierten Generation Zur Beschreibung der Kompetenzen der Präsenzen im Kosovo (UNMIK/KFOR) und in Ost-Timor (UNTAET) sind die bisher vorgenommenen Einordnungen erneut zu eng, so dass hier zunehmend von Friedensmissionen der vierten Generation gesprochen wird.81 Sie stellen sich als vielschichtige Operationen dar, die mehrere Elemente des modernen Peacekeepings auf sich vereinen. Friedenstruppen im Kosovo und in Ost-Timor nehmen, wie auch für Operationen der zweiten Generation charakteristisch, nicht-militärische Funktionen wahr, sind darüber hinaus aber auch mit einem robusten Mandat unter Kapitel VII ausgestattet.82 Ihr wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist jedoch die Ausübung von Regierungsgewalt und damit verbunden die Übernahme umfassender Verantwortung für das entsprechende Gebiet und seine Bevölkerung. Während Ablehnung von Regierungshandeln zuvor durch beispielsweise Waffenembargos ausgedrückt wurde, nehmen die Vereinten Nationen politischen Veränderungen nunmehr in die eigene Hand.83 In Form einer Übergangsverwaltung nehmen die Vereinten Nationen Hoheitsgewalt wahr, die ursprünglich dem staatlichen Souverän vorbehalten war und Elemente des internationalen Treuhandsystems nach Art. 75 ff. UN-Charta in sich trägt.84

II. Völkerrechtliche Grundlagen Uneinigkeit besteht noch immer über die genaue rechtliche Einordnung von Peacekeeping-Operationen. Obwohl die Rechtmäßigkeit heute außer Zweifel steht, soll auf die unterschiedlichen Begründungen zur Verbandskompetenz der Vereinten Nationen kursorisch eingegangen werden. Dem Einsatz einer Peacekeeping-Truppe liegt stets eine Konfliktsituation zugrunde, die entweder von Kapitel VII oder zumindest von Kapitel VI UN-Charta erfasst ist. Keines dieser Kapitel legt aber eine Lösung im Sinne des Peacekeepings nahe.85 Die potentielle Anwendung von Gewalt, auch zu Selbstverteidigungszwecken, schließt eine Anwendbarkeit von Kapitel VI UN-Charta weithin aus.86 Die Grundsätze des Peacekeepings, Konsens der Stationierung, Gewaltlosigkeit und Neutralität widersprechen hingegen der Natur von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII UN-Charta. Sie dienen vielmehr gerade der Abgrenzung von friedenssichernden Maßnahmen und Zwangsmaßnahmen. Dennoch wurden und vereinzelt werden auch noch immer etliche Vorschläge gemacht, die Zulässigkeit von Peacekeeping-Missionen auf ein rechtlich gesichertes Fundament innerhalb der 81 Marauhn, AVR 2002, 480, 484; Kühne, Blätter für deutsche und internationale Politik 2000, 1355; Payandeh, HuV-I 2005, 253, 256. 82 Marauhn, AVR 2002, 480, 486; Payandeh, HuV-I 2005, 253, 256. 83 Zimmermann/Stahn, NJIL 2001, 423, 441. 84 Ibid., 460; Meyer, 132 ff. 85 Hufnagel, 26. 86 Zwanenburg, J. Confl. & Sec. L. 2006, 483, 484.

B. Friedenssicherung unter Führung der VN in der Praxis

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Charta zu stützen. In diesem Zusammenhang werden alle Handlungsmöglichkeiten des Sicherheitsrates unter Kapitel VII von Art. 40 bis 42 UN-Charta als Rechtsgrundlage genannt, sowie aus Kapitel VI insbesondere Art. 36 UN-Charta.87 Allerdings vermag keine dieser Möglichkeiten in überzeugender Weise einen allgemein gültigen Rechtssatz für die Zulässigkeit von Friedensmissionen aufzustellen. Anstatt auf eine spezielle Norm ist daher auf das System der Vereinten Nationen im größeren Zusammenhang zurückzugreifen. Der IGH hat bereits 1962 die Zulässigkeit sowohl von UNEF I als auch von ONUC bestätigt, wobei er sich nicht auf eine konkrete Norm festlegte. Er charakterisierte die Operationen aber explizit als keine Zwangsmaßnahmen,88 weshalb die konstitutionelle Basis seitdem zumeist zwischen den beiden Kapiteln verortet oder mit den Worten des ehemalige Generalsekretärs Dag Hammarskjöld als Maßnahme nach „Kapitel VI 1/2“ UN-Charta beschrieben wird.89 Diesen formalen Schwierigkeiten entgeht die Lehre der so genannten implied powers, indem sie aus der Summe der Befugnisse des Sicherheitsrats folgert, dass das übergeordnete Chartaziel der Aufrechterhaltung der Sicherheit und des Friedens die Aufstellung von Friedenstruppen durch die Vereinten Nationen notwendig mache, die deshalb erlaubt sein müsse.90 Teilweise wird die Frage nach der Rechtsgrundlage auch über einen Verweis auf bestehendes Völkergewohnheitsrecht beantwortet. Die UNCharta sei völkergewohnheitsrechtlich derart fortentwickelt worden, dass sie Peacekeeping-Einsätze nunmehr erlaube.91 Auch dieser Ansatz erscheint aus heutiger Sicht zulässig.

III. Errichtung und Kontrolle UN-geführter Friedensmissionen Es ist gerade diese Führungsfunktion, die das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen UN-Missionen und solchen darstellt, die lediglich mit einem Mandat ausgestattet sind. Aus diesem Grund werden an dieser Stelle die grundsätzlichen operativen Strukturen UN-geführter Friedensmissionen dargestellt. Da Peacekeeping als Instrument der Friedenssicherung in der Satzung der Vereinten Nationen nicht vorgesehen ist, fehlen folglich auch Regelungen zur Errichtung und Kontrolle. Der in Art. 46 UN-Charta erwähnte und gemäß Art. 47 UN-Charta einzusetzende Generalstabsausschuss zur Unterstützung des Sicherheitsrates in militärischen Fragen ist in seiner vorgesehenen Funktionsweise wiederum abhängig von Art. 43-Abkommen der Mitgliedstaaten. Zwar besteht der Ausschuss und hält regelmäßige Treffen ab, seine praktische Bedeutung ist aber gering. Er hat noch niemals 87 Zwanenburg, J. Confl. & Sec. L. 2006, 483, 486; Orakhelashvili, VJIL 2003, 485, 490 ff.; Lüder, 155 ff.; Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 83 ff. 88 IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 166. 89 Stopford, U.Det.Mercy L.Rev. 1996, 499, 502; Chesterman, 118; Schmalenbach, 169. 90 McCoubrey/White, 44, Stein/von Buttlar, 315, Rn. 867; Bothe, in: Vitzthum, 677, Rn. 50. 91 Bothe, 86; Tomuschat, in: Koch, 45, 49.

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

seine beratenden oder unterstützenden Aufgaben gegenüber UN-Truppen wahrgenommen.92 Begründet wird dieses damit, dass die Vorschriften der Art. 43 – 47 UN-Charta ausschließlich für militärische Zwangsmaßnahmen entwickelt worden seien und insoweit nicht auf UN-Friedenseinsätze anwendbar seien.93 Aus dieser Situation heraus hat sich daher eine eigene Praxis entwickelt. 1. Organkompetenz Die Kompetenz des Sicherheitsrats zur Aufstellung von Friedenstruppen ist, wenn auch vorbehaltlich ihrer exakten rechtlichen Einordnung, mittlerweile anerkannt. Ob der Generalversammlung daneben eine subsidiäre Zuständigkeit zukommt, ist hingegen seit der Errichtung der ersten UN-Friedensmission UNEF I umstritten. Als der Sicherheitsrat sich damals nicht auf Maßnahmen zur Lösung der Suez-Krise einigen konnte, wurde die Angelegenheit nach der Uniting for Peace-Resolution94 an die Generalversammlung überwiesen. Diese verabschiedete dann eine Resolution, auf deren Grundlage es zur Entsendung der bewaffneten Blauhelme kam.95 Obwohl der IGH die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens bestätigte, wird es unter Verweis auf Art. 11 Abs. 2 UN-Charta bezweifelt. Demnach hat die Generalversammlung dem Sicherheitsrat solche Fragen zu überweisen, die „Maßnahmen“ erforderlich machen. Während in diesem Wortlaut vielfach ein Verbot zur Durchführung jeder tatsächlichen Handlung gesehen wird,96 bezieht der IGH nur solche Maßnahmen ein, die unter Kapitel VII fallen.97 Des Weiteren vertritt er die Auffassung, dass Art. 14 UN-Charta eine von Art. 11 Abs. 2 UN-Charta unabhängige Rechtsgrundlage zur Empfehlung der Entsendung von Peacekeeping Truppen darstelle, die lediglich den rechtlichen Grenzen des Art. 12 UN-Charta unterworfen sei.98 Mit der Auslegung dieser Vorschrift befasste der IGH sich im Mauer-Gutachten und gelangte zu dem Ergebnis, dass sich das Verständnis von Art. 12 UN-Charta gewandelt habe und eine parallele Beschäftigung von Sicherheitsrat und Generalversammlung immer häufiger stattfinde.99 Damit hat der IGH die theoretische Möglichkeit der Generalversammlung zur Entsendung von Peacekeeping-Truppen nochmals gestärkt. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass es zu einem Testfall kommen wird. Hiergegen spricht zunächst die gesicherte Praxis, in der sich ausschließlich der Si92

Bryde/Reinisch, in: Simma, Art. 47, Rn. 18. Sarooshi, AustYBIL 2007, 279, 289; Boutros-Ghali, Report of the Secretary-General, An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peacekeeping, UN Doc. A/47/277 vom 17. Juni 1992, para. 43. 94 GA Res. 377 (V) vom 3. November 1950. 95 GA Res. 998 (ES-1) vom 4. November 1956. 96 Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 89; Hufnagel, 23. 97 IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 165. 98 Ibid., 172. 99 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, 136, 149, para. 27. 93

B. Friedenssicherung unter Führung der VN in der Praxis

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cherheitsrat mit Friedensmissionen und ihrer Durchführung beschäftigt. Die Generalversammlung hat neben UNEF I mit UNTEA im Jahre 1962 nur noch ein weiteres Mal eine Friedensmission entsandt.100 Auch beschäftigt sich das Special Committee on Peacekeeping Operations, obwohl durch die Generalversammlung ins Leben gerufen,101 ausschließlich mit vom Sicherheitsrat gegründeten Friedensmissionen.102 Damit gehört der Bereich des Peacekeepings heute zu den Kernfunktionen des Sicherheitsrates, und Art. 24 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 UN-Charta sperrt, unabhängig von einer engen oder weiten Auslegung, den Rückgriff auf eine mögliche Kompetenz der Generalversammlung. 2. Aufgaben vor der Einsetzung der Mission Durch die Resolution zur Einsetzung einer Friedensmission überträgt der Sicherheitsrat dem Generalsekretär regelmäßig die Aufgabe, die beschlossene Mission zu gründen, sie seinem Befehl zu unterstellen und dem Sicherheitsrat regelmäßig zu berichten.103 Zur besseren Wahrnehmung dieser operativen Aufgaben des Generalsekretärs wurde im Jahr 1992 die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (Department of Peacekeeping Operations, DPKO) gegründet. Ihre Aufgabe besteht in der Planung, Durchführung und Unterstützung der Missionen. Obwohl das Bestehen einer separaten Hauptabteilung für Friedensmissionen und die Einbindung in das Sekretariat der Vereinten Nationen als eines ihrer Hauptorgane insgesamt begrüßenswert ist, steht die Effektivität des DPKO häufig in der Kritik.104 So macht der Brahimi-Report auf die schlechte personelle Ausstattung des DPKO aufmerksam und beurteilt die Aufstockung des Personals als eine der dringendsten Reformen auf dem Gebiet des UN-Peacekeeping.105 Trotz der unternommenen Bemühungen hat der Generalsekretär 2007 erneut auf Reformbedarf hingewiesen, und die Generalversammlung hat schließlich eine Resolution mit dem Titel „Strenghtening the capacity of the United Nations to manage and sustain peacekeeping operations“ verabschiedet.106 Bereits im Vorfeld des formellen Beschlusses des Sicherheitsrats werden aber zahlreiche Vorbereitungshandlungen getroffen. Auf diplomatischer Ebene verhandelt das Sekretariat der Vereinten Nationen mit dem zukünftigen Gaststaat und potentiell an einer Friedensmission teilnehmenden Staaten über die Möglichkeit und die Voraussetzungen der Einsetzung. Typischerweise bedarf es hierzu eines Waffenstillstandsabkommens, und es muss auf die Zustimmung des Gaststaates zur Stationie100

GA Res. 1752 (XVII) vom 21. September 1962. GA Res. 2006 (XIX) vom 18. Februar 1965. 102 Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 91. 103 Sarooshi, AustYBIL 2007, 279, 280. 104 Eisele, VN 1998, 1, 2. 105 Report of the Panel on United Nations Peace Operations (Brahimi Report), UN Doc. A/ 55/305 vom 21. August 2000, para. 34. 106 GA Res. 61/279 vom 1. August 2007. 101

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

rung von Blauhelmen als elementarer Bestandteil des UN-Peacekeepings hingewirkt werden.107 Daneben entwirft der Generalsekretär einen ausführlichen Plan zur Einsetzung der Mission, der bereits Angaben über Größe und Finanzierung enthält und auf den sich die eigentliche Resolution zur Gründung der Mission bezieht.108 Nach der Verabschiedung der entsprechenden Resolution vereinbart der Generalsekretär mit den Mitgliedstaaten Abkommen zur Bereitstellung nationaler Truppenkontingente. Obwohl dieses mit jedem Staat auf individueller Ebene geschieht, sind die Eckdaten unter Zugrundelegung der Staatenpraxis in einem Model Agreement festgelegt.109 Des Weiteren werden die Beziehungen zwischen dem Gaststaat und der Friedensmission in einem Status of Force Agreement (SOFA) näher ausgestaltet und festgelegt. Auch für diese Art von Abkommen besteht ein Model SOFA, welches sich an der bestehenden Praxis orientiert.110 In Einzelfällen kann aus tatsächlichen Gründen ein SOFA mit dem Gaststaat aber nicht abgeschlossen werden. Dieses ist zum Beispiel der Fall, wenn, wie in Somalia, eine effektive Regierungsgewalt nicht mehr besteht.111 In anderen Fällen wird ein SOFA erst nach der Stationierung beschlossen. Während vor 1990 und damit vor der Existenz des Model SOFAs vorgeschlagen wurde, die Grundsätze bereits bestehender SOFAs als allgemeine Prinzipien des Völkerrechts anzuwenden,112 hat die Generalversammlung 1998 empfohlen, dass Model SOFA bis zur Klärung der Situation übergangsweise anzuwenden.113 Auf diese Weise wurde beispielsweise in Äthiopien und Eritrea verfahren, als der Sicherheitsrat die Stationierung von UNMEE im September 2000 bis zum 15. März 2001 beschloss, Eritrea das SOFA aber erst am 23. März 2001 unterzeichnete.114

3. Kommandostruktur Befinden sich die Truppen vor Ort, ist die Kommandostruktur innerhalb einer Friedensmission komplex und nicht einheitlich, so dass nur die wesentlichen und regelmäßig auftauchenden Elemente dargestellt werden können. Da die vom Sicherheitsrat beschlossene Mission dem Generalsekretär untersteht, ist dieser der Ausgangspunkt der Befehlsstrukturen und -ketten innerhalb der Mission.115 Er delegiert die 107

Handbook on UN Multidimensional PKO, 3. Vgl. z. B. SR Res. 1778 vom 25. September 2007, Präambel, Zif. 5 (Tschad und die Zentralafrikanische Republik). 109 Model Agreement between the United Nations and Member States Contributing Personnel and Equipment to United Nations Peace-keeping Operations, 23. Mai 1991, UN Doc. A/ 46/185. 110 Model Status-of-Forces-Agreement for Peace-keeping Operations, 9. Oktober 1990, UN Doc. A/45/594. 111 Zwanenburg, 37. 112 Suy, NILR 1988, 318, 320. 113 GA Res. 52/12B vom 9. Januar 1998, para. 7. 114 Zwanenburg, 37. 115 Handbook on UN Multidimensional PKO, 9. 108

C. Friedensmissionen außerhalb der Führungsstruktur der VN

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volle Verantwortlichkeit für Operationen an den Untergeneralsekretär für friedenserhaltende Operationen, der als Leiter des DPKO fungiert.116 Bei umfangreicheren Missionen nicht rein militärischen Charakters, ernennt der Generalsekretär außerdem mit Zustimmung der Generalversammlung einen Sonderbeauftragten des Generalsekretärs (Special Representative of the Secretary General, SRSG), dessen Hauptaufgabe in der politischen Leitungsfunktion vor Ort besteht.117 Weiterhin obliegt es ihm, den Untergeneralsekretär für friedenserhaltende Operationen über den aktuellen Stand und die Entwicklungen der Mission zu informieren. Als Head of Mission stellt er ein wichtiges Bindeglied zwischen den Parteien vor Ort, den beteiligten Truppen und den Verantwortlichen in New York dar.118 Zum Zwecke der militärischen Führung des Einsatzes ernennt der Generalsekretär weiter einen Force Commander, dem die Mitgliedstaaten ihre nationalen Kontingente unterstellen.119 Die Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Force Commander und Sonderbeauftragtem wird in der Praxis durch ein internes Dokument geregelt. Das für die Zurechnung entscheidende Beziehungsgeflecht zwischen Vereinten Nationen und Mitgliedstaat wird an anderer Stelle noch genauer beleuchtet.120

C. Friedensmissionen außerhalb der Führungsstruktur der Vereinten Nationen Neben einer Ausweitung des Aufgabenfeldes von Peacekeeping-Operationen hat auch eine Dezentralisierung stattgefunden. Momentan greift ungefähr die Hälfte aller UN-geführten Friedensmissionen auf die eine oder andere Art der Kooperation mit Regionalorganisationen zurück.121 Daneben finden auch Friedensmissionen statt, die vollständig aus den Führungsstrukturen der Vereinten Nationen herausgelöst sind. Dabei handelt es sich entweder um unilateral vorgenommene Friedensmissionen oder um Operationen, bei denen der Sicherheitsrat die Durchführung des Einsatzes auf einen anderen internationalen Akteur überträgt. Diese UN-mandatierten Missionen stehen daher nicht unter der Führung der Vereinten Nationen, leiten ihre Aufgaben aber von einem Mandat ebendieser ab.122 Der Sicherheitsrat ermächtigt andere Rechtssubjekte, die durch eine Resolution genauer bestimmten Sicherheitsaufgaben auf freiwilliger Basis selbständig durchzuführen.

116

Seit 2008 bekleidet dieses Amt der Franzose Alain Le Roy (Stand: September 2010). Faust, 131. 118 Handbook on UN Multidimensional PKO, 10 ff. 119 United Nations Peacekeeping Operations: Principles and Guidelines (2008), 68 (Capstone Doctrine). 120 Vgl. Kapitel 4, A. 121 Griep, VN 2008, 147. 122 Bothe, in: Simma: Peacekeeping, Rn. 144. 117

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

Dieses kann aus zwei verschiedenen Gründen erfolgen. Entweder möchte der Sicherheitsrat von militärischen Zwangsmaßnahmen im Sinne des Art. 42 UN-Charta Gebrauch machen, ist hierfür aber auf handlungsfähige Mitgliedstaaten angewiesen, oder es handelt sich um üblicherweise robuste Friedensmissionen, deren Führung er zwar übernehmen könnte, darauf aus welchen Gründen auch immer aber verzichtet. In beiden Fällen folgt das Mandat demselben rechtlichen Muster, doch unterscheiden sich Wirkungsweise und Zielrichtung der jeweiligen Friedensmission. Peacekeeping in jeglicher Ausprägung richtet sich nicht primär gegen einen „Gegner“ des Systems und weist stärkere konsensuale Aspekte als die nach Art. 42 UN-Charta vorgesehenen Maßnahmen auf.123 Der Begriff der „internationalen Friedensmissionen“ verhält sich daher neutral zu der Frage, ob eine Maßnahme im Einvernehmen oder gegen den Willen des adressierten Staates vorgenommen wurde.124

I. Rechtsgrundlage der Ermächtigung Es wurde vertreten, dass jede UN-gesteuerte Gewaltanwendung abhängig von Art. 43 UN-Charta ist und Kapitel VII-Mandate daher satzungswidrig und damit völkerrechtswidrig sind.125 Staaten werde so das Recht zur offensiven Kriegsführung zurückgegeben, das durch die Charta gerade abgeschafft werden sollte.126 Angesichts der etablierten Praxis ist diese Position heute aber nicht mehr aufrecht zu erhalten. Ferner lässt sie sich nicht mit der Rechtsprechung des IGH vereinbaren, der bereits 1962, allerdings ausschließlich in Bezug auf Peacekeeping-Operationen, klarstellte, dass der Sicherheitsrat auch ohne eigene Streitkräfte zur Durchsetzung des Friedens mit Zwang fähig bleiben muss.127 Die grundsätzliche Kompetenz des Sicherheitsrats zur Autorisierung von Mitgliedstaaten besteht damit unzweifelhaft.128 Allerdings kann je nach Verständnis der Rechtsgrundlage, diese bereits eine Entscheidung über die Zurechnung der Verletzungshandlung treffen. Denn erblickt man in dem Mandat die Delegation von Sicherheitsratskompetenzen, folgt aus einem rechtmäßigen Mandat die Zurechnung an die deligierende Einheit. Aus diesem Grund werden die zwei divergierenden Ansichten mitsamt ihren Auswirkungen im 123

IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 166. So auch: Vöneky/Wolfrum, ZaöRV 2002, 569, 572. Der Begriff wird ebenfalls vom Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Verteidigung verwendet. Vgl z. B.: http:// www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/InternatOrgane/VereinteNationen/DundVN /VN-Friedensmissionen-Grafik.html. 125 Kelsen, 748 ff.; Menk, 129 ff.; Weston, AJIL 1991, 516, 519. 126 Menk, 137. 127 IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 167: „It cannot be said that the Charter has left the Security Council impotent in the face of an emergency situation when agreements under Article 43 have not been concluded.“ 128 Higgins, 263 ff.; Fischer, in: Ipsen, § 60, Rn. 20; Blokker, EJIL 2000, 541, 567 ff.; Wilson, Int. Peacekeeping 2003, 89, 91; Gowlland-Debbas, EJIL 2000, 361, 369; Bothe, in: Vitzthum, 660. 124

C. Friedensmissionen außerhalb der Führungsstruktur der VN

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Folgenden dargestellt. Da die eigentliche Ermächtigung in beiden Fällen aber rechtmäßig ist, werden die Optionen an dieser Stelle noch nicht bewertet.129 1. Autorisierung durch den Sicherheitsrat Anders als das reine Peacekeeping ist die Anwendung militärischer Gewalt explizit in Art. 42 UN-Charta vorgesehen, so dass nur fraglich ist, ob diese Vorschrift auf UN-Streitkräfte begrenzt ist oder auch Ermächtigungen als alternative Handlungsform erfasst sind. Letzteres wird teils unter Verweis auf den Wortlaut angenommen, der nicht zwingend vorschreibe, um welche Streitkräfte es sich handeln müsse.130 Insbesondere Art. 48 UN-Charta zeige, dass nicht alle Handlungen von Streitkräften des Sicherheitsrats durchgeführt werden müssten.131 Der einzige Unterschied zum lediglich favorisierten Szenario der Charta sei dementsprechend, dass der Sicherheitsrat Streitkräfte nicht obligatorisch anfordern könne, sondern Mitgliedstaaten zur Bereitstellung ersuchen müsse.132 Dagegen wird eingewendet, dass die zwingende Verbindung zwischen Art. 42 und 43 UN-Charta sich jedenfalls aus dem als Übergangsbestimmung bis zum Abschluss der Sonderabkommen gedachten Art. 106 UN-Charta ergebe.133 Die Zulässigkeit der Autorisierung wird dann aufgrund einer teleologisch-funktionellen Auslegung der Charta angenommen. Die veränderten Bedingungen dürften nicht zu einer Lähmung der Eckpunkte des Systems der kollektiven Sicherheit führen.134 Dieses gelte insbesondere, weil der Verzicht auf Sonderabkommen keine Entscheidung gegen Kollektivmaßnahmen, sondern lediglich eine für die eigene Souveränität bedeute.135 Wenn der Sicherheitsrat selbständig Zwangsmaßnahmen ergreifen könne, müsse er a maiore ad minus diese erst recht empfehlen dürfen.136 Ferner wird die Kompetenz der Vereinten Nationen wiederum aus der implied powers-Regel abgeleitet und darauf verwiesen, dass kein Widerspruch zur Charta bestehe.137

129

Vgl. dazu Kapitel 4, B.II.3. Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 297; Franck, 26 – 27; Greenwood, MLR 1992, 153, 167 – 168; Frowein/Krisch, in: Simma, Art. 42, Rn. 20. 131 Frowein/Krisch, in: Simma, Art. 42, Rn. 20. 132 Hafner, in: Hummer, 55, 75; Greenwood, MLR 1992, 153, 168; Franck, 27. 133 Schaefer, 131. 134 Ibid.; Gill, NYIL 1995, 33, 57. 135 Troost, 110 – 111, 171; Lobel/Ratner, AJIL 1999, 124, 126. 136 Gray, 259; Leiß, 53; Gill, NYIL 1995, 33, 58. 137 Blokker, EJIL 2000, 541, 549 – 552; Troost, 172 ff.; Bothe, in: Vitzthum, 677. 130

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

2. Theorie der Delegation von Kompetenzen des Sicherheitsrats Daneben existiert eine rechtswissenschaftliche Strömung, die Ermächtigungen zu Kapitel VII-Handlungen als Delegation von Sicherheitsrats-Kompetenzen ansieht. Dieses so genannte Delegationsmodell ist in seiner heutigen Form hauptsächlich zurückzuführen auf eine Monographie Danesh Sarooshis aus dem Jahr 1999 mit dem Untertitel The Delegation by the UN Security Council of its Chapter VII Powers. Es beinhaltet den Versuch, Ermächtigungshandlungen des Sicherheitsrats rechtlich so zu erfassen, dass ihre Rechtmäßigkeit nicht von einer speziellen Rechtsgrundlage nach der Satzung abhängig ist.138 Delegation bedeutet in diesem Zusammenhang den Transfer eigener Kompetenzen auf ein anderes Rechtssubjekt im Einklang mit den Regeln internationaler Organisationen.139 Auf diese Weise rückt das ermächtigte Subjekt dann an die Stelle des Delegierenden und nimmt dessen Aufgaben als eigene wahr.140 Abzugrenzen sei die Delegation von einer Autorisierung, die in ihrem Umfang begrenzter sei und einem anderen Akteur die Durchführung von Kapitel VIIMaßnahmen lediglich erlaube, das Recht selbst aber nicht übertrage.141 Da die autorisierte Person die Handlungsbefugnis nicht selber besitze, bedürften nur ihre Handlungen einer gesonderten Erlaubnis nach der Satzung. Weiterer Zweck des Delegationsmodells ist es, die Rechtmäßigkeit von Ermächtigungen durch den Sicherheitsrat zu bestimmen und diesen Grenzen zu setzen.142 So kann eine Übertragung von Kompetenzen, die einen Verstoß gegen allgemeine Prinzipien des Völkerrechts darstellt, nicht rechtmäßig sein. Hier sind zwei Ebenen denkbar, entweder kann die Kompetenz an sich bereits nicht übertragungsfähig sein oder die Art und Weise der Auslagerung widerspricht geltendem Recht. a) Inhaltliche Grenzen der Kompetenzübertragung Als Grundvoraussetzung muss das übertragende Organ die entsprechende Kompetenz innehaben. Die hier relevanten Kapitel VII-Maßnahmen zur Durchführung internationaler Friedensmissionen sind dem Sicherheitsrat vorbehalten. Da er derzeit aber nicht in der Lage ist, Zwangsmaßnahmen selbständig durchführen, könnte eingewendet werden, dass es ihm an der für eine Delegation notwendigen Position fehle. Dem wird die Unterscheidung zwischen der Kompetenz selber und der Fähigkeit sie auszuüben entgegengehalten.143 Deshalb sei der geschriebene Art. 42 UN-Charta und

138 139 140 141 142 143

Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 278. Ibid.; Sarooshi, 5. Hafner, in: FS Bothe, 103, 113. Sarooshi, 13; De Hoogh, YB Peace Operations 7, 1, 13. Larsen, EJIL 2008, 509, 521; Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 279. Sarooshi, 143 – 145; Blokker, EJIL 2000, 541, 549.

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die dadurch implizierte Zuständigkeit ausreichend, um von einer eigenen Kompetenz auszugehen.144 Weiter sind Kapitel VII-Maßnahmen immer abhängig von einer Friedensbedrohung oder einem Friedensbruch nach Art. 39 UN-Charta. Trotz des weiten Ermessensspielraums besitzt der Sicherheitsrat aber keine „carte blanche“ für Entscheidungen über Kapitel VII-Maßnahmen.145 Die Grenzen sind im Einzelnen umstritten, ergeben sich aber jedenfalls aus der UN-Charta selbst und hier insbesondere aus Art. 24 UN-Charta. Aus der Pflicht, im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Organisation zu handeln, ergibt sich, dass auch der Sicherheitsrat an ius cogens gebunden ist.146 Als Folge sind daher, wenn auch in der Praxis eher nicht relevante Extremfälle wie die Ermächtigung zu Völkermord von der Übertragungsfähigkeit ausgeschlossen.147 b) Grenzen durch das Kollektivsystem Ein vollständiger Kontrollverlust über die Durchführung von Kapitel VII-Handlungen verstößt gegen das Charta-Prinzip der zentralisierten Friedenssicherung durch den Sicherheitsrat. Der Sicherheitsrat müsse sich daher gewisse Kontrollmöglichkeiten vorbehalten und dürfe seine overall authority and control nicht aufgeben.148 Mit dieser Kontrolle gehe die völkerrechtliche Verantwortlichkeit einher, die nicht übertragungsfähig sei und bei der Einheit verbleibe, der die Kompetenz ursprünglich zugeteilt worden sei.149 Auch wenn sich diese Grenze nicht statisch bestimmen lässt, wird hierzu in erster Linie auf ein präzises Mandat verwiesen, das die Grenzen der Ermächtigung erkennen lässt, ein Zeitlimit enthält und ein Berichtssystem vorsieht.150 Hierdurch soll verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten über die Ziele des Sicherheitsrats hinausgehen oder sie unterschiedlich auslegen und ihm so seine Kontrolle nehmen.151 Teilweise wird eine Berichtspflicht der autorisierten Staaten aus einer Analogie zu Art. 54 oder Art. 51 UN-Charta gefolgert, da nur ein über die Vorgänge informierter Sicherheitsrat seiner Rolle als hauptverantwortliches Organ für Frieden und Sicherheit gerecht werden könne.152 Ob eine solche Verpflichtung trotz der regelmäßig nur als Aufforderung gefassten Formulierung („to request“) besteht, musste noch keinem 144

De Hoogh, YB Peace Operations 7, 1, 16 ff. Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 300. 146 Orakhelashvili, EJIL 2005, 59, 63; Manusama, 59; Akande, ICLQ 1997, 309, 322. 147 Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 302. 148 Sarooshi, 35; Abass, 78; White/Ülgen, NILR 1997, 378, 386; De Wet, 296; Delbrück, in: Delbrück, 153. 149 Sarooshi, 163 ff. 150 Ibid., 155 ff.; De Wet, 268 ff.; Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 305 ff.; id., Int. Peacekeeping 2003, 89, 91; Blokker, EJIL 2000, 541, 561. 151 Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 308. 152 De Wet, 272; Sarooshi, 161 f. 145

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

Praxistest unterzogen werden, da die Staaten ihren Berichtsaufgaben regelmäßig nachkommen. Dabei erwecken sie häufig den Anschein, als würden sie sich hierzu verpflichtet fühlen.153 In jüngster Zeit konnte jedenfalls in Übereinstimmung mit den Forderungen der Literatur eine Tendenz zu detaillierten Mandaten festgestellt werden.154 Eine zeitliche Begrenzung wurde erstmals in das Mandat für den französischen Einsatz in Ruanda aufgenommen und gehört seit 1997 zur gängigen Praxis.155 Der unbefristete KosovoEinsatz nach Resolution 1244 stellt daher eine Ausnahme dar. Auch die Zahl der Mandate, die ein Berichtssystem vorsehen, ist stetig gestiegen. Die Vorgaben des Sicherheitsrats sind dabei aber uneinheitlich und reichen von Aufforderungen zu regelmäßigen oder periodischen Berichten156 bis zu genauen Zeitangaben wie zweiwöchentlich, monatlich oder vierteljährig.157 Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch das Negativbeispiel der Resolution 678, die Staaten ohne weitere Vorgaben zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit im Zusammenhang mit dem Golfkrieg von 1991 ermächtigte.158 Auch wenn aus der Diskussion im Sicherheitsrat hervorging, dass Ziel des Einsatzes ausschließlich die Befreiung Kuwaits war, wurde der unklare Wortlaut zur Rechtfertigung weiterer Angriffe benutzt und selbst noch 2003 als Rechtsgrundlage für die US-geführte Invasion herangezogen.159

3. Auswirkungen auf die Zurechnung nach der Rechtsprechung des EGMR Bei der Abgrenzung zwischen Autorisierung und Delegation handelte es sich bis zur Entscheidung des EGMR in Behrami und Saramati um einen rein akademischen Diskurs zur rechtlichen Erfassung der Ermächtigungspraxis des Sicherheitsrats. Der EGMR hat seine Entscheidung für die Zurechnung von KFOR-Handlungen zu den Vereinten Nationen aber gerade von einer rechtmäßigen Delegation abhängig gemacht und damit das Delegationsmodell sowie seine Rechtsfolgen übernommen.160 Hierfür hat er zunächst die Begriffe dergestalt definiert, dass bei einer Delegation die ermächtigte Person die Befugnisse des Sicherheitsrats ausübt, während sie bei 153

De Wet, 272; id., Nordic JIL 2002, 1, 19 f. Blokker, EJIL 2000, 541, 560 ff.; Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 309; Hafner, in: FS Bothe, 103, 115. 155 Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 311; Blokker, EJIL 2000, 541, 563. 156 SR Res. 794 vom 3. Dezember 1992; SR Res. vom 1484 vom 30. Mai 2003; SR Res. 1386 vom 20. Dezember 2001. 157 SR Res. 1080 vom 15. November 1996; SR Res. 1101 vom 28. März 1997; SR Res. 1125 vom 6. August 1997; SR Res. 1216 vom 21. Dezember 1998, SR Res. 1247 vom 18. Juni 1999; SR Res. 1546 vom 8. Juni 2004. 158 SR Res. 678 vom 29. November 1990. 159 Bothe, in: Vitzthum, 660; De Wet, 284; Hafner, in: Hummer, 55, 76. 160 Krieger, JIPC 2009. 159, 169; Breitegger, ICLR 2009, 155, 167 f.; Larsen, EJIL 2008. 509, 521; Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 278 f. 154

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einer Autorisierung Handlungen ausführt, die der Sicherheitsrat selber nicht wahrnehmen kann.161 Dann stellte er fest, dass die Ermächtigungshandlung in Form der Resolution 1244162 rechtmäßig war und gelangte zu folgendem Ergebnis: In such circumstances, the Court observes that KFOR was exercising lawfully delegated Chapter VII powers of the UNSC so that the impugned action was, in principle, „attributable“ to the UN within the meaning of the word outlined […] above.163

4. Bedeutung Die Auffassung des EGMR muss im Laufe der Untersuchung noch genauer analysiert werden. Zu diesem Zeitpunkt ist lediglich relevant, dass der Sicherheitsrat Staaten und andere Völkerrechtssubjekte ermächtigen kann und dieses entweder durch eine Autorisierung oder aber eine Delegation geschieht. Zunächst werden daher die verschiedenen Anwendungsbereiche der Ermächtigungspraxis dargestellt.

II. Militärische Zwangsmaßnahmen im Sinne des Kapitels VII UN-Charta Die ersten Fälle von Ermächtigungen an Staaten betrafen nicht, wie heute üblich, komplexe Aufgabe der Friedenssicherung, sondern Maßnahmen, die dem Willen der betroffenen Staaten entgegenstanden.164 Hierbei könnte es sich um die Umsetzung militärischer Zwangsmaßnahmen nach Art. 42 UN-Charta und damit um den Gebrauch der weitgehendsten Kompetenz des Sicherheitsrats gehandelt haben. Da der Sicherheitsrat sich in aller Regel – häufig wohl beabsichtigt165 – nicht auf einen bestimmten Artikel beruft, kann die Natur eines Einsatzes nicht ausschließlich nach formalen Kriterien bestimmt werden. Eine ergiebige Analyse der Sicherheitsratspraxis muss stattdessen über die engen Grenzen der Systematik der Charta hinausgehen.166 Als Ausgangspunkt kann nur die Wirkungsweise der Beschlüsse dienen. Art. 42 UN-Charta stattet den Sicherheitsrat mit einer Monopolstellung aus, das allgemeine Gewaltverbot zu durchbrechen. Sinn und Zweck seiner Handlung muss daher quasi eine erlaubte Kriegsführung mit dem Ziel der Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit sein.167 161 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 43. 162 SR Res. 1244 vom 10. Juni 1999. 163 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 141. 164 Pugh, Oxford UN Handbook, 370, 372; Gray, 264; Findlay, 7. 165 Nasu, AustYBIL 2007, 87, 92. 166 Gowlland-Debbas, ICLQ 1994, 55, 56. 167 Pugh, Oxford UN Handbook, 370, 371; Fleck, Handbook of IHL, 639, Rn. 1301.

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Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich insbesondere zu dem Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 UN-Charta. Beide Ausnahmen des allgemeinen Gewaltverbots erfahren ihre Legitimation allerdings aus unterschiedlichen Quellen. Nach dem System der Charta ist das Selbstverteidigungsrecht dem Kollektivsystem untergeordnet und erlischt, sobald der Sicherheitsrat seinen Aufgaben aus Art. 39 ff. UNCharta nachkommt.168 Eine Gewaltanwendung durch Mitgliedstaaten kann also nach beiden Vorschriften gerechtfertigt sein, die Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung findet jedoch außerhalb des Kollektivsystems statt und ist für die folgende Untersuchung mandatierter Missionen daher irrelevant.

1. Korea 1950 Als nordkoreanische Truppen in Gebiete der Republik Korea eingedrungen waren, hat der Sicherheitsrat Resolution 83 verabschiedet, deren entscheidender Absatz lautet: [The Security Council] Recommends that the Members of the United Nations furnish such assistance to the Republic of Korea as may be necessary to repel the armed attack and to restore international peace and security.169

Bis heute wird die Resolution entweder als Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen oder als Bestätigung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 UNCharta interpretiert. Von beiden Seiten wird in erster Linie auf den Wortlaut verwiesen. Die Verwendung des Begriffs „bewaffneter Angriff“ aus Art. 51 UN-Charta spreche genau wie die Beschränkung auf die Rückschlagung eben dieses Angriffs für eine bloße Empfehlung zur Ausübung kollektiver Selbstverteidigung.170 Obwohl diese nicht notwendig sei, stehe es dem Sicherheitsrat frei, die Selbstverteidigung für die Staaten zu organisieren und sie so zu mobilisieren.171 Andererseits sei der Anwendungsbereich des Art. 39 UN-Charta eröffnet gewesen,172 und die Vornahme von Kollektivmaßnahmen stelle logisch den nächsten Schritt dar. Deshalb verweise Resolution 83 auch auf den Zweck der „Wiederherstellung des internationalen Friedens und der Sicherheit“. Eine Lösung über dieses Wortlautargument ist daher nicht möglich.173 Ebenfalls zu keiner Lösung führt die Wortwahl der „Empfehlung“ sowie die Entstehungsgeschichte der Resolution. Denn während aus den Diskussionen im Vorfeld teilweise auf eine Zwangsmaßnahme geschlossen wurde,174 scheint dieses durch die politischen Umstände ausgeschlossen gewesen zu sein.175 168

Krisch, 173; White, Int. Rel. 1994, 75, 80; Randelzhofer, in: Simma, Art. 51, Rn. 41. SR Res. 83 vom 27. Juni 1950. 170 Frowein/Kirsch, in: Simma, Art. 39, Rn. 30; Troost, 28 f.; Dinstein, Austrian J. Publ. Intl. L. 1995, 1, 12; Hilaire, 9. 171 Frowein/Kirsch, in: Simma, Art. 39, Rn. 30; Troost, 28. 172 SR Res. 82 vom 25. Juni 1950. 173 Fink, 233. 174 Ibid., 233 ff. 169

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Letztlich kann eine Entscheidung nur nach Sinn und Zweck der Resolution getroffen werden. Dieser bestand darin, die nordkoreanischen Truppen zurückzudrängen, und beinhaltet somit eine aktive Entscheidung gegen einen Mitgliedstaat. Da die entsprechenden Voraussetzungen vorgelegen haben, deutet dieses auf eine Zwangsmaßnahme hin. Denn wäre die Intention des Sicherheitsrates die Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrem Recht auf Selbstverteidigung gewesen, hätte er diese, für den Sicherheitsrat sachfremde Aufgabenwahrnehmung deutlicher hervorheben müssen. Damit hat der Sicherheitsrat bereits 1950 erstmalig Staaten mit einem Mandat zur Gewaltanwendung ausgestattet.176 2. Irak 1990 Der Sicherheitsrat verurteilte die Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen am Tag nach dem Einmarsch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 39, 40 UNCharta und forderte den Rückzug der Truppen.177 Der Irak kam dieser Aufforderung nicht nach, und als Reaktion erfolgten umfangreiche, auf Kapitel VII UN-Charta gestützte Embargomaßnahmen.178 Mit Resolution 665 rief der Sicherheitsrat die mit Kuwait kooperierenden Staaten dann auf, die Fracht der ein- und auslaufenden Schiffe zur Durchsetzung der Embargomaßnahmen zu kontrollieren.179 Schließlich setzte der Sicherheitsrat dem Irak ein Ultimatum. Falls er seine Truppen nicht bis Mitte Januar abziehe, würden die in den vorangegangenen Resolutionen beschlossenen Ziele „mit allen Mitteln“ umgesetzt werden.180 Die daraufhin unter amerikanischem Kommando ausgeführte Operation Desert Storm führte zum Rückzug der irakischen Einheiten. Auch hier basieren die Resolutionen 665 und 678 entweder auf dem kollektiven Recht auf Selbstverteidigung, oder sie können als Zwangsmaßnahme interpretiert werden. Im Zusammenhang mit Resolution 665 ist problematisch, dass sie weder Art. 39 ff. UN-Charta noch Art. 51 UN-Charta oder ihre Voraussetzungen erwähnt. Indem sie aber Bezug auf die Resolutionen 660 und 661 nimmt, wird zumindest indirekt eine Verbindung zu Kapitel VII hergestellt. Da eine Blockade ausdrücklich in Art. 42 UN-Charta vorgesehen ist, sprechen auch hier die Umstände für einen Lösungsweg über eine Zwangsmaßnahme.181 Allerdings entspricht die Zielrichtung nicht dem ursprünglichen Konzept des Kollektivsystems. Der Sicherheitsrat hat hier keine militärischen Maßnahmen gegen einen Staat empfohlen, sondern sich nur effektiveren Mitteln zur Durchsetzung eines Embargos bedient. Damit liegt 175

Dinstein, Austrian J. Publ. Intl. L. 1995, 1, 12. I. E. so auch: Fischer, in: Ipsen, § 60, Rn. 19; Franck, 24; Gill, NYIL 1995, 33, 58; Pugh, Oxford UN Handbook, 370, 371; Gowlland-Debbas, EJIL 2000, 361, 366; Fink, MD. J. Intl L. & Trade 1995, 1, 16; Blokker, EJIL 2000, 541, 543; Fink, 236; White, Int. Rel. 1994, 75, 80; Chesterman, 116. 177 SR Res. 660 vom 2. August 1990. 178 SR Res. 661 vom 6. August 1990. 179 SR Res. 665 vom 25. August 1990. 180 SR Res. 678 vom 29. November 1990. 181 Lavalle, NYIL 1992, 3, 22. 176

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zwar eine kollektive Gewaltanwendung vor, sie reicht aber nicht zu einer erlaubten „Kriegshandlung“ wie sie als ultima ratio in Art. 42 UN-Charta vorgesehen ist.182 Die entscheidende Passage in Resolution 678 lautet: 2. Authorizes Member States co-operating with the Government of Kuwait […] to use all necessary means to uphold and implement resolution 660 and all subsequent relevant resolutions to restore international peace and security.183

Aus dem weiten Wortlaut, der sich daraus ergebenden Handlungsfreiheit der Staaten sowie der Tatsache, dass der Wille Kuwaits bei der Entscheidung berücksichtigt wurde, wird teilweise die Bestätigung des kollektiven Rechts auf Selbstverteidigung geschlossen.184 Andererseits wird ausdrücklich auf Kapitel VII verwiesen, das in der Praxis zuvorderst auf Handlungen des Systems der kollektiven Sicherheit hinweist.185 Im Übrigen ist die ersuchte Umsetzung weiterer Resolutionen des Sicherheitsrats auch nicht mit dem Recht auf Selbstverteidigung und seinen engen Grenzen der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren.186 Auch das Wort „authorizes“ spricht gegen Selbstverteidigung, denn dieses verwendet der Sicherheitsrat regelmäßig, um einen Einsatz zu autorisieren. Diese Mandate stehen häufig auch im Zusammenhang mit internen Konflikten, in denen das Recht auf Selbstverteidigung nach dem aktuellen Stand des Völkerrechts tatbestandlich ausgeschlossen ist.187 Im Ergebnis stellt Resolution 678 daher die bis heute umfassendste Ermächtigung von Staaten zur Gewaltanwendung dar.188 In Übereinstimmung mit der ursprünglichen Intention der Charta richtete sich diese auch unmittelbar gegen den Irak als Aggressor. 3. Rhodesien 1966 Teilweise wird angenommen, dass auch die Ereignisse in Rhodesien einen Anwendungsfall militärischer Zwangsmaßnahmen im Sinne des Kapitels VII UN-Charta betreffen.189 Der Sicherheitsrat verurteilte die Unabhängigkeitserklärung der weißen Minderheitsregierung Südrhodesiens und forderte die Mitgliedstaaten auf, das „ille182 Ibid.; Hilaire, 257; Fink, 587; Frowein/Krisch, in: Simma, Art. 42, Rn. 22; Dinstein, Austrian J. Publ. Intl. L. 1995, 1, 8; Gowlland-Debbas, ICLQ 1994, 55, 89, Fn. 133. 183 SR Res. 678 vom 29. November 1990, Zif. 2. 184 Rostow, AJIL 1991, 506, 508 – 509; Schachter, AJIL 1991, 452, 457 ff.; Klein, AVR 1991, 421, 429 ff.; Bothe, in: Vitzthum, 659, Rn. 24. 185 Z. B.: SR Res. 418 vom 4. November 1977; SR Res. 757 vom 30. Mai 1992; SR Res. 875 vom 16. Oktober 1993; SR Res. 1132 vom 8. Oktober 1997; SR Res. 1298 vom 17. Mai 2000. 186 Frowein/Krisch, in: Simma, Art. 42, Rn. 22; Fink, AVR 1991, 452, 474; Heinz/Philipp/ Wolfrum, VN 1991, 121, 126. 187 Troost, 64; IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, 136, 194, para. 139. 188 Bothe, in: Vitzthum, 659, Rn. 24; Chesterman, 164. 189 Fawcett, BYIL 1965 – 66, 103, 118 f.; Gowlland-Debbas, 365 ff.; Fink, 338 ff.

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gale Regime“ weder anzuerkennen noch zu unterstützen.190 Resolution 217 erwähnte die Gefahr einer zukünftigen Bedrohung des Friedens und der Sicherheit191 und kann daher nicht als Autorisierung zu einer Zwangsmaßnahme verstanden werden.192 Erst Resolution 221 verweist ausdrücklich auf eine Friedensbedrohung und fordert Großbritannien auf, notfalls durch die Anwendung militärischer Gewalt, solche Handelsschiffe aufzuhalten, die für Rhodesien bestimmtes Öl an Bord haben.193 Die Ermächtigung geht damit über nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen hinaus und ist formal als Zwangsmaßnahme einzuordnen.194 Allerdings geht es auch hier, wie in der Resolution 221 nachgebildeten Resolution 665 zum Golfkrieg von 1990,195 um die effektive Durchsetzung des Embargos und nicht um eine umfassende militärische Maßnahme gegen einen Staat.196 4. Abzulehnende Fälle der jüngeren Vergangenheit Auch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stand die Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen als Rechtfertigungsgrund für die militärischen Aktionen gegen das Taliban-Regime in Afghanistan im Raum. Als Argument dient der Wortlaut der Resolutionen 1368 beziehungsweise dessen Wiederholung in Resolution 1373, der es nicht ausschließt, auch militärische Maßnahmen zu ergreifen.197 Der Sicherheitsrat hat Terrorismus als eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beschrieben und sich entschlossen gezeigt „to combat by all means threats to international peace and security“ und „to take all necessary steps to respond to the terrorist attacks of 11 September 2001 […]“.198 Hiergegen ist aber einzuwenden, dass das Bekenntnis zur Terrorismusbekämpfung immer nur im Zusammenhang mit dem Sicherheitsrat selbst genannt wird. Staaten werden nicht zur Gewaltanwendung aufgefordert, sondern lediglich zu einer engeren Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung. Der Verweis auf Art. 39 UN-Charta eröffnet lediglich die Möglichkeit, die Maßnahmen des Systems der kollektiven Sicherheit auszuschöpfen. Weiter beinhaltet Resolution 1373 einen Katalog mit nur nicht-militärischen Pflichten.199

190

SR Res. 216 vom 12. November 1965. SR Res. 217 vom 20. November 1965. 192 Fink, 323 ff., 342; Troost, 37 f. 193 SR Res. 221 vom 9. April 1966. 194 Simma/Verdross, § 238; Frowein/Kirsch, in: Simma, Art. 42, Rn. 21; Fink, 353. 195 Lapidoth, AVR 1992, 114, 118; Gowlland-Debbas, EJIL 2000, 361, 371; McLaughlin, J. Confl. & Sec. L. 2007, 389, 392; Blokker, EJIL 2000, 541, 543. 196 Gray, 257; Pugh, Oxford UN Handbook, 370, 372. 197 Schmidt-Radefeldt, HuV-I 2005, 245, 248; Heintschel v. Heinegg/Gries, AVR 2002, 145, 150; Cassese, EJIL 2001, 993, 996. 198 SR Res. 1368 vom 12. September 2001; auch SR Resolution 1373 vom 28. September 2001. 199 Heintschel v. Heinegg/Gries, AVR 2002, 145, 151. 191

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Die besseren Gründe sprechen daher dafür, dass die Resolutionen 1368 und 1373 das Recht auf Selbstverteidigung für die konkrete Situation nach dem 11. September bestätigen.200 Obwohl weder der Berechtigte noch das Ziel des Selbstverteidigungsrechts genannt werden, ergeben die Umstände, dass nur die USA gemeint sein können, die ein militärisches Vorgehen unter Bezugnahme auf Art. 51 UN-Charta bereits angekündigt hatten.201 Diese Einschätzung gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Selbstverteidigungsrechts tatsächlich vorgelegen haben. Ebenso wird keine Aussage darüber getroffen, ob auch die Operation Enduring Freedom, die mittlerweile für den Kampf gegen den Terror in verschiedenen Regionen der Welt steht, von den genannten Resolutionen oder aber Art. 51 UN-Charta gedeckt ist.202

III. Multilaterale Friedensmissionen Wie gezeigt sind die Grundsätze des Art. 42 UN-Charta nur in wenigen Fällen in Form einer Ermächtigung an Mitgliedstaaten durch den Sicherheitsrat angewendet worden. Nach dem Kalten Krieg scheint die Staatengemeinschaft darin übereingekommen zu sein, dass Kapitel VII auch unter den neuen politischen Umständen nicht von den UN als eigenes Instrument der Friedenssicherung genutzt werden soll, die Ermächtigungspraxis aber vielfältige Möglichkeiten eröffnet, mit militärischen Mitteln zur Lösung unterschiedlicher Probleme beizutragen.203 Wie bei robusten Missionen unter Führung der Vereinten Nationen, greifen auch diese UN-mandatierten Operationen zur Umsetzung ihres Mandats auf gewaltsame Mittel zurück, den Charakter von Zwangsmaßnahmen erreichen sie aber nicht. Typische Situationen betreffen interne Konflikte, in denen der Gaststaat der Friedensmission seine Zustimmung erteilt oder sie sogar erbeten hat,204 sowie Einsätze zur Unterstützung und Stärkung klassischer UN-geführter Friedensmissionen. Diese modernen UN-mandatierten Friedensmissionen, die sich häufig als Miteinander verschiedener Akteure darstellen, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. In Hinblick auf Wortlaut und Adressat folgen die Mandate keinem einheitlichen Muster. Zur Klassifizierung wird im Folgenden zwischen Einsätzen von Einzelstaaten, Staatenbündnissen und regionalen Abkommen unterschieden. Während die beiden ersten Fallgruppen strukturell den Ermächtigungen nach Art. 42 UN-Charta ähneln, wirft letztere weitere Fragen bezüglich der Rolle regionaler Organisationen bei der Friedenssicherung und ihrer rechtlichen Beziehungen zu den Mitgliedstaaten auf. Daneben fällt auf, dass internationale Akteure aus unterschiedlichen Gründen vermehrt auf 200

Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161, 164; Gray, 199. Frowein, ZaöRV 2002, 879, 885; Schrijver, NILR 2001, 271, 284. 202 Dazu z. B. Schmidt-Radefeldt, HuV-I 2005, 245 ff.; Preiser, YB Peace Operations 2002, 213 ff.; Krajewski, AVR 2002, 183 ff. 203 Chesterman, 165 ff.; Nasu, AustYBIL 2007, 87, 91 ff. 204 Gray, 328 ff. 201

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eigene Initiative in Konflikte eingreifen, ohne dass sie den Sicherheitsrat zuvor mit der Materie befasst hätten. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Einsätze von Regionalorganisationen, die von der internationalen Gemeinschaft geduldet und häufig sogar positiv aufgenommen werden.205 Bevor die verschiedenen multilateralen Einsätze, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, überblicksartig dargestellt und so ihr derzeitiges Gewicht deutlich wird, ist daher die Funktionsweise des Mandats zu klären. 1. Rechtswirkung des UN-Mandats a) Erforderlichkeit Grundsätzlich beinhalten alle Friedensmissionen Einsätze auf einem fremden Staatsgebiet, so dass ohne einen Rechtfertigungsgrund ein Verstoß gegen das allgemeine Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 UN-Charta vorliegt. Der Rückgriff auf Art. 53 UN-Charta zeigt jedoch, dass Einsätze regionaler Organisationen erst einer Ermächtigung bedürfen, wenn sie Zwangsmaßnahmen enthalten. In Ermangelung eines zwingenden Elements wird daher angenommen, dass klassische Peacekeeping-Operationen von ihnen auch unilateral durchgeführt werden können.206 Dieses muss auch für Einsätze von Staatenbündnissen und Einzelstaaten gelten, denn aufgrund der staatlichen Souveränität muss es dem Gaststaat überlassen bleiben, andere Staaten zur Intervention einzuladen und auf diese Art und Weise innerstaatliche Eruptionen zu bekämpfen.207 Im Ergebnis lassen einige Friedensmissionen die Regeln der UN zum Einsatz bewaffneter Gewalt also unberührt. Aufgrund der Entwicklung hin zu robusteren Einsätzen gilt dieses heute aber nur noch für wenige Einsätze. Den Widerspruch zwischen einem in der Theorie notwendigen Mandat und der steigenden Anzahl von Operationen ohne ein solches nimmt Hakimi zum Anlass, zu argumentieren, dass in Wirklichkeit zwei Rechtssysteme nebeneinander bestünden. Während die Vorschriften der Charta eine Ermächtigung für Regionalorganisationen nach Art. 53 UN-Charta voraussetzen, könnten nach dem zweiten operational system Abweichungen toleriert oder geduldet werden.208 Nur durch letzteres System sei es der Staatengemeinschaft möglich, ihre übergeordneten Interessen durchzusetzen und ihr Vorgehen zumindest als legitim zu betrachten.209 Dieser Argumentation ist jedoch zu entgegnen, dass eine Vermengung von Rechtmäßigkeit und politischer 205

Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 163 f.; Hakimi, Vanderbilt J. Transnat. L. 2007, 643, 652 ff.; Harrell, Yale JIL 2008, 417, 424 ff.; vgl. im Gegensatz dazu aber auch die Kritik von Wissenschaft und Öffentlichkeit zur Kosovo-Intervention 1999, Irak 2003 und der Operation Enduring Freedom. 206 Walter, 336 ff.; Durward, Int. Peacekeeping 2006, 350, 352; Zwanenburg, J. Confl. & Sec. L. 2006, 483, 490. 207 Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 161; Byers, ICLQ 2002, 401, 403; Zwanenburg, J. Confl. & Sec. L. 2006, 483, 491. 208 Hakimi, Vanderbilt J. Transnat. L. 2007, 643, 647. 209 Ibid., 678 ff.

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

Legitimität neben dem Missbrauchspotenzial die stete Gefahr birgt, auf längere Sicht die Werte der Charta zu unterlaufen und sie so außer Kraft zu setzen. Auch wenn die Grenze zwischen Recht und Moral teilweise nur schwierig zu ziehen ist,210 ist demnach an dem Erfordernis eines Mandats festzuhalten. b) Zeitpunkt Weiter umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt das Mandat erteilt werden muss. Der Wortlaut des Art. 53 UN-Charta, der Ermächtigungen für Regionalorganisationen behandelt und auf dessen Inhalt deshalb zurückgegriffen werden könnte, ist in dieser Hinsicht offen. Die Ermächtigung könnte sich demnach auf eine Vorab-Erlaubnis beziehen, schließt eine nachträgliche Genehmigung aber auch nicht aus. Zwangsmaßnahmen befänden sich bei ihrer Durchführung dann in einem rechtlichen Schwebezustand, der erst durch das spätere Urteil des Sicherheitsrates aufgelöst werden würde. Hierdurch verlöre der Sicherheitsrat aber seine zentrale Rolle im System der kollektiven Sicherheit, und er könnte das Eingreifen anderer Akteure nicht mehr kontrollieren.211 Eine ex post facto Ermächtigung wird daher mit Verweis auf eine teleologische Auslegung der Charta häufig als unzulässig angesehen.212 Andererseits ist die Praxis nicht eindeutig. Der Sicherheitsrat zeigt in vielen Fällen keine Reaktion, verurteilt nur wenige Operationen und begrüßt oftmals den Einsatz einer Regionalorganisation oder eines Staates auf die eine oder andere Weise. Auch der High Panel Report scheint eine nachträgliche Autorisierung zumindest nicht per se auszuschließen.213 Unter engen Voraussetzungen muss daher auch eine nachträgliche Ermächtigung möglich sein, insbesondere der Ermächtigungscharakter muss hierfür aber deutlich werden.214 Eine neutrale oder sogar positive Reaktion des Sicherheitsrats ist somit noch nicht mit einer konkludenten Ermächtigung gleichzusetzen. Es muss vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob der Sicherheitsrat die entsprechende Operation tatsächlich unter seine Schirmherrschaft bringen wollte und auf welchen Zeitpunkt er hierbei abstellt 2. Einsätze von Einzelstaaten Friedensmissionen von Einzelstaaten sind insgesamt rar. Selbst Hegemone bevorzugen gemeinsame Aktionen mit entweder einem Staatenbündnis oder Regionalor210 Vgl. hierzu zur Kosovo Intervention 1999: The Independent International Commission on Kosovo, Kosovo Report (2000), 4; Henkin, AJIL 1999, 824, 826 – 827, Cassese, EJIL 1999, 23; Simma, EJIL 1999, 1, 22. 211 Akehurst, BYIL 1967, 162, 175 ff. 212 Ress/Bröhmer, in: Simma, Art. 53, Rn. 20. 213 Report of the Secretary-Generals High-level Panel on Threats, Challenges and Change, UN Doc. A/59/565 vom 2. Dezember 2004, 71, para. 272 (High Penal Report). 214 De Wet, 296; Zwanenburg, J. Confl. & Sec. L. 2006, 483, 506 f.

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ganisationen. Als wenige Beispiele sind Einsätze des Vereinigten Königreichs und Frankreichs in ihren ehemaligen Kolonien Sierra Leone beziehungsweise der Zentralafrikanischen Republik und der Elfenbeinküste sowie der Einsatz Südafrikas in Burundi zu nennen.215 In keinem der Fälle lag allerdings eine vorherige Ermächtigung des Sicherheitsrats vor, er hat die Einsätze später aber auf die eine oder andere Weise willkommen geheißen. Am deutlichsten ist dieses im Fall der französischen Truppen in der Elfenbeinküste geschehen, so dass jedenfalls dieser Einsatz auch die Anforderungen an eine nachträgliche Mandatierung durch den Sicherheitsrat erfüllt. Nach einem Putschversuch im Jahre 2002 wurden ECOWAS-Truppen in das Land geschickt, und die französische Präsenz wurde mit Zustimmung der Regierung aufgestockt. Resolution 1464 drückte die Zustimmung des Sicherheitsrats zu dem Einsatz aus und ermächtigte unter Berufung auf Kapitel VII unter anderem zum Schutz der Zivilbevölkerung.216 Nachdem mit UNOCI eine UN-geführte Friedensmission installiert worden war, änderte sich das Mandat dahingehend, dass Frankreich mit „allen notwendigen Mitteln“ UNOCI bei seiner Arbeit unterstützen sollte.217 3. Einsätze von Ad hoc-Staatenbündnissen Häufiger und in größerem Umfang werden Friedensmissionen seit den 1990ern aber von ad hoc-Staatenbündnissen oder Coalitions of the Willing durchgeführt. Beide Begriffe beschreiben hier lediglich den Zusammenschluss von Staaten, um gemeinsam in einer bestimmten Krise aktiv zu werden. Die vereinzelt getroffene Unterscheidung, dass Coalitions of the Willing im Gegensatz zu Staatenbündnissen ohne Mandat des Sicherheitsrats handeln, wird hier nicht übernommen. UN-mandatierte Friedensoperationen durch lose Staatenbündnisse haben bisher stattgefunden in Somalia, Ruanda, Haiti, Albanien, der Zentralafrikanischen Republik, Osttimor und Afghanistan. a) Somalia Die erste Mission dieser Kategorie war UNITAF in Somalia von 1992 – 1993. Ihre Aufgabe war es, nach dem Scheitern von UNISOM I durch den Einsatz militärischer Mittel bessere Voraussetzungen für eine weitere Friedensmission unter Führung der Vereinten Nationen zu schaffen, die im Mai 1993 mit UNOSOM II schließlich eingesetzt wurde. Das Mandat selbst bereitete den Weg für die nachfolgende Friedenssicherungspraxis der Vereinten Nationen. Zum ersten Mal ermächtigte der Sicherheitsrat Mitgliedstaaten zur Anwendung von Gewalt, die sich nicht gegen einen Staat richtete, sondern humanitäre Ziele verfolgte.218 Hierzu handelte er unter Kapitel VII UN-Charta und wählte die später häufig wiederkehrende Formel „with all 215 216 217 218

Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 167 f. SR Res. 1464 vom 4. Februar 2003. SR Res. 1528 vom 27. Februar 2004. Welsh, in: Lowe et al., 535, 541; Gray, 287.

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necessary means“.219 Adressat der Resolution waren die Mitgliedstaaten im Allgemeinen, wobei aus mehreren Formulierungen aber deutlich wird, dass der Einsatz unter der Führung einer bereits ernannten Nation stehen sollte. Mehrfach wird auf das Angebot eines „Mitgliedstaates“ zur Schaffung einer entsprechenden Mission verwiesen, welches von den Vereinigten Staaten unterbreitet wurde.220 Im Folgenden stellten die USA auch den Großteil der Einsatzkräfte. Die Bewertung der Mission fällt je nach Perspektive unterschiedlich aus. Beschränkt man das Ziel der Somalia-Einsätze auf Hilfe für die Zivilbevölkerung, so haben alle drei Missionen zumindest eine vorübergehende Verbesserung der Lage erreicht. Interpretiert man die Ziele jedoch so, dass sie auch die weitere Befriedung der Region umfassen, so zählt Somalia sicherlich zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte der Friedenssicherung. b) Ruanda Die Schwierigkeiten in Somalia führten zu einem nur zögerlichen Eingreifen der Vereinten Nationen in Ruanda, was ihnen bis heute Kritik einbringt, die bis zu dem Vorwurf einer Mitverantwortung für den Völkermord reicht.221 Die UN setzten zur Überwachung des Friedensabkommens (Arusha-Abkommen) zwischen den Bürgerkriegsparteien eine Friedensmission der traditionellen Art (UNAMIR) mit einem eingeschränkten Mandat unter Kapitel VI UN-Charta ein.222 Spätestens mit dem Einsetzen des Völkermordes im April 1994 stießen diese Truppen an die Grenzen ihrer Effektivität. Auf Vorschlag Frankreichs wurde dann ein militärischer Einsatz für den Zeitraum von zwei Monaten nach Kapitel VII UN-Charta autorisiert.223 Operation Turquoise wurde von Frankreich mit der Unterstützung einiger afrikanischer Staaten durchgeführt und zunächst von Kritik bezüglich der Motivation Frankreichs aufgrund ihrer engen Kontakte zu der Hutu Regierung begleitet.224 c) Haiti Das nächste Beispiel zur Ermächtigung von Mitgliedstaaten zu einer Kapitel VIIMaßnahmen einschließenden Friedensmission folgte bereits einen Monat später und betraf Haiti. Nachdem der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes JeanBertrand Aristide gestürzt worden war, verurteilten die UN den Coup und verhängten 1993 schließlich ein Öl- und Waffenembargo.225 Eine daraufhin zwischen der de facto-Regierung und Aristide geschlossene Vereinbarung sah die Rückkehr des Prä219 220 221 222 223 224 225

SR Res. 794 vom 3. Dezember 1992, Zif. 10. Ibid., 8, 10, 12. Wilson, Int. Peacekeeping 2003, 89, 94; Welsh, in: Lowe et al., 535, 544. SR Res. 872 vom 5. Oktober 1993. SR Res. 929 vom 22. Juni 1994. Gray, 334. SR Res. 841 vom 16. Juni 1993.

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sidenten an die Macht und die Stationierung einer UN-Friedenstruppe (UNMIH) vor, die aber aufgrund der Situation in Haiti nicht eingesetzt werden konnte. Resolution 940 autorisierte schließlich eine multinationale Truppe, die Rückkehr des Präsidenten „with all necessary means“ zu ermöglichen.226 Die US-geführte Truppe konnte ihr Mandat friedlich erfüllen, da die Militärjunta bereits bei ihrem Eintreffen zurücktrat und ihre Aufgaben ab März 1995 wieder planmäßig von UNMIH übernommen werden konnten. In rechtlicher Hinsicht wurde Kapitel VII erstmals zur Unterstützung einer Regierung sowie der demokratischen Entwicklung im Land in Anspruch genommen. Der Gehalt des Art. 39 UN-Charta wurde damit, trotz Betonung des besonderen Falles, noch weiter ausgedehnt.227 Zehn Jahre später fand das Geschehen praktisch eine Wiederholung, wobei Diskussionen über die Anwendbarkeit des Art. 39 UN-Charta beziehungsweise über einen diesbezüglichen Ausnahmefall aber ausblieben.228 Es brachen erneut gewaltsame Machtkämpfe aus, und Präsident Aristide, der die Unterstützung durch die USA verloren hatte, verließ das Land. Der Sicherheitsrat autorisierte Mitgliedstaaten unter Kapitel VII UN-Charta, um für einen Zeitraum von nicht mehr als drei Monaten zu einem sicheren und stabilen Umfeld beizutragen und die Verteilung von Hilfsgütern zu erleichtern.229 Diese Mission wurde dann durch eine UN-geführte Friedensmission (MINUSTAH) mit Resolution 1542 vom 30. April 2004 abgelöst. d) Albanien Auch in Albanien rief 1997 eine innerstaatliche Krise einen UN-mandatierten Einsatz unter Kapitel VII UN-Charta hervor. Der Einsatz fand unter italienischer Führung und mit Zustimmung des Gaststaates statt. Das italienische Engagement lässt sich teilweise auch mit der Angst vor weiteren Flüchtlingsströmen erklären, dem sich insbesondere Italien als geographisch nächst gelegener westlicher Staat ausgesetzt sah.230 Die Resolution erwähnte zwar die Bedeutung einer stabilen Region, formulierte als Ziel aber das Ermöglichen schneller humanitärer Hilfe und ein sicheres Umfeld für Missionen internationaler Organisationen.231 Das eigentliche Mandat unter Kapitel VII war begrenzt darauf, die Sicherheit und Freizügigkeit des Personals der Friedensmission sicherzustellen. Weiter war der Einsatz zunächst auf drei Monate begrenzt und sah Berichte an den Sicherheitsrat im Abstand von maximal zwei Wochen vor. Resolution 1114 erweiterte das Mandat der sogenannten Operation Alba auf den Schutz einer OSZE Mission zur Wahlbeobachtung für 45 Tage und wurde nach dem Ablauf dieser Zeit beendet.232 226 227 228 229 230 231 232

SR Res. 940 vom 31. Juli 1994. Chesterman, 151 f.; Welsh, in: Lowe et al., 535, 541 f. Gray, 330. SR Res. 1529 vom 29. Februar 2004. Wilson, Int. Peacekeeping 2003, 89, 94. SR Res. 1101 vom 28. März 1997. SR Res. 1114 vom 19. Juni 1997.

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e) Zentralafrikanische Republik Auf ähnliche Weise wie in Albanien autorisierte der Sicherheitsrat im gleichen Jahr eine Friedensmission in der Zentralafrikanischen Republik. Auch hier hatten Umsturzversuche gegen die Regierung das Land destabilisiert. Zur Überwachung und Umsetzung des im Januar 1997 geschlossenen Bangui-Abkommens wurden Truppen verschiedener afrikanischer Staaten beauftragt (MISAB). Auf Anfrage der Regierung wurden MISAB und die unterstützenden Staaten dann vom Sicherheitsrat mit einem Mandat ausgestattet, dessen Kapitel VII-Passage wiederum auf die Gewährleistung von Sicherheit und Freizügigkeit des Personals beschränkt war.233 Das zunächst auf drei Monate begrenzte Mandat wurde mehrfach verlängert, als Frankreich seine Unterstützung aber einstellte, wurde MISAB im April 1998 durch MINURCA, einer UN-geführten Friedensmission ersetzt.234 f) Osttimor Das erste Jahrzehnt UN-mandatierter Friedensmissionen wurde abgeschlossen durch den Einsatz von INTERFET in Osttimor. Zu diesem ist es gekommen, nachdem Indonesien nach Jahrzehnten der Unterdrückung den Bewohnern Osttimors die Möglichkeit gab, mit einem Referendum über ihre Unabhängigkeit zu entscheiden. Die UN-Mission UNAMET wurde mit der Überwachung der Wahl beauftragt,235 wurde in weiten Teilen aber abgezogen, als es nach dem eindeutigen Ergebnis für eine Unabhängigkeit zu Unruhen, ausgelöst durch pro-indonesische Kräfte, kam. Auf Ersuchen Indonesiens mandatierte der Sicherheitsrat mit Resolution 1264 dann eine multinationale Streitmacht unter Führung Australiens. Zu ihrem Mandat unter Kapitel VII UN-Charta gehörte die Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit, der Schutz UNAMETs und, soweit möglich, die Unterstützung von humanitären Hilfsoperationen.236 Außerdem sollte INTERFET den Weg für eine neue UN-Mission bereiten, die im Oktober schließlich in Form der Übergangsverwaltung UNTAET beschlossen und eingesetzt wurde.237 g) Afghanistan Nach der Jahrtausendwende haben die Vereinten Nationen vermehrt auf Kooperationen mit verschiedenen Regionalorganisationen gesetzt. Einzig die ISAF-Mission in Afghanistan wurde unter wechselnder Führung der teilnehmenden Staaten eingesetzt, bevor sie 2003 von der NATO übernommen wurde.238 Durch den Führungs233 234 235 236 237 238

SR Res. 1125 vom 6. August 1997. SR Res. 1159 vom 27. März 1998. SR Res. 1246 vom 11. Juni 1999. SR 1264 vom 15. September 1999. SR Res. 1272 vom 25. Oktober 1999. SR Res. 1386 vom 20. Dezember 2001.

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wechsel versprach man sich festere Strukturen, höhere Stabilität, Kohärenz und Transparenz. Diese Punkte werden auch regelmäßig als Argumente gegen Friedensmissionen unter der Verantwortlichkeit einzelner Staaten angeführt. Da ein Eingreifen in dieser Konstellation stets abhängig von der Initiative eines Staates sei, bestehe die Gefahr, dass Krisengebiete je nach Interessenlage der militärischen Großmächte oder stärkeren Nachbarländern selektiv behandelt würden und die Glaubwürdigkeit der Missionen bei der Bevölkerung häufig schwerer zu vermitteln sei.239 4. Einsätze von Regionalorganisationen Neben Maßnahmen zur Wahrung von Frieden und Sicherheit durch die Vereinten Nationen direkt sieht Kapitel VIII UN-Charta auch solche von Regionalorganisationen vor. Bereits aus diesem Grund liegt die Regionalisierungsoption vordergründig näher als ein Mandat zur Durchführung von Friedensmissionen an ad hoc-Staatenbündnisse. Auch hat der Generalsekretär bereits zu Beginn der Ermächtigungspraxis eine stärkere Einbeziehung von Regionalorganisationen gefordert und damit die Entwicklung angestoßen. Er wies auf das bis dahin ungenutzte Potenzial regionaler Organisationen im Rahmen von Friedensmissionen hin, verzichtete aber bewusst auf Vorschläge zu möglichen Formen der Kooperation.240 a) Die Einbindung regionaler Organisationen in die Friedenssicherung Gemäß Art. 53 Abs. 1 UN-Charta kann entweder der Sicherheitsrat bei Bedarf eine Regionalorganisation zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen in Anspruch nehmen, oder die Regionalorganisation ersucht gegebenenfalls den Sicherheitsrat um eine Ermächtigung zur Vornahme von Zwangsmaßnahmen. Die Möglichkeit der Gewaltanwendung durch Regionalorganisationen besteht demnach nach der Charta nur vorbehaltlich der Zustimmung des Sicherheitsrats.241 Normenhierarchisch werden hierdurch keine zusätzlichen Kompetenzen geschaffen, sondern Art. 53 UNCharta erweitert lediglich die Durchsetzungsmöglichkeiten der dem Sicherheitsrat nach Kapitel VII zustehenden Befugnisse.242 Bis zum Ende des Kalten Krieges hat es praktisch keine Kooperation zwischen den verschiedenen Regionalorganisationen und den Vereinten Nationen gegeben. Bei den wenigen unilateralen Einsätzen von Regionalorganisationen wurde daher die Rechtmäßigkeit bezweifelt.243

239

Wilson, Int. Peacekeeping 2003, 89, 93 ff. Boutros-Ghali, Report of the Secretary-General, An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peacekeeping, UN Doc. A/47/277 vom 17. Juni 1992, para. 64. 241 Harrell, Yale JIL 2008, 417, 421 f. 242 Ress/Bröhmer, in: Simma, Art. 53, Rn. 2; Sarooshi, 248. 243 Gray, 370 f.; Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 161 f. 240

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Den ursprünglich vorgesehenen Anwendungsbereich des Kapitels VIII präzise zu bestimmen, ist schon deshalb nicht möglich, weil bewusst auf eine Definition des Schlüsselbegriffs der „regionalen Abmachungen und Einrichtungen“ verzichtet wurde.244 Aus der in Art. 52 UN-Charta enthaltenen Beschreibung von Organisationen als solchen, die sich mit der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit befassen, wurden nur einige Minimalanforderungen abgeleitet. So sollte das Haupttätigkeitsfeld der Organisationen in der Friedenssicherung innerhalb des geographischen Geltungsbereichs des Gründungsvertrags der Organisation liegen.245 Typischerweise traf dieses zu für die Arabische Liga, die OAS (Organization of American States) und den Vorgänger der Afrikanischen Union, die OAU (Organization of African Unity). Bündnisse zur kollektiven Selbstverteidigung wie zum Beispiel die NATO, deren Möglichkeiten zur Gewaltanwendung sich nach ihrem ursprünglichen Konzept auf Aggressoren von außen beschränkten, gehören daher nicht zu den Organisationen nach Kapitel VIII UN-Charta. Diese definitorischen Unterscheidungen und engen Voraussetzungen des Kapitels VIII sind durch die Praxis der vergangenen Jahre gleichwohl als weitgehend überholt anzusehen. Einerseits führen Regionalorganisationen eine nicht geringe Anzahl ihrer, die Anwendung von Gewalt einschließenden Operationen ohne eine Ermächtigung des Sicherheitsrats durch, andererseits verzichten auch die Vereinten Nationen auf die formellen Mechanismen des Kapitels VIII.246 Die fehlende Definition von Regionalorganisationen im Sinne des Kapitels VIII bietet die notwendige Flexibilität, dass jegliche geeigneten Zusammenschlüsse von Staaten zur Wahrung von Frieden und Sicherheit beitragen könnten.247 Zwar benennt der Sicherheitsrat Kapitel VIII oder seine Einzelvorschriften nur in seltenen Fällen, doch ergibt sich bereits zu Beginn des NATO-Engagements im ehemaligen Jugoslawien aus dem Kontext der Resolutionen, dass der Sicherheitsrat sich auf die NATO bezieht, wenn er von Regionalorganisationen spricht.248 Ob eine Regionalorganisation sich nach den Grundsätzen des Kapitels VIII UN-Charta gegründet hat oder sich als eine solche versteht, kann weiter aufgrund der modernen Ermächtigungspraxis des Sicherheitsrats keine praktische Rolle mehr spielen. Der Sicherheitsrat spricht Ermächtigungen an Einzelstaaten und Staatengruppen basierend auf seinen Kompetenzen unter Kapitel VII UNCharta aus. Im Unterschied dazu besteht für Regionalorganisationen eine ausdrückliche Ermächtigungsvorschrift in Kapitel VIII UN-Charta. Erfüllt eine Organisation die Voraussetzungen des Kapitels VIII UN-Charta nicht, muss der Sicherheitsrat sie aber genau wie andere Akteure mit einem Kapitel VII-Mandat ausstatten können.249 244

Hummer/Schweitzer, in: Simma, Art. 53, Rn. 14 ff. Bothe, in: Vitzthum, 677, Rn. 51; Fischer, in: Ipsen, § 60, Rn. 32. 246 Abass, 64. 247 Boutros-Ghali, Report of the Secretary-General, An Agenda for Peace: Preventive Diplomacy, Peacemaking and Peacekeeping, UN Doc. A/47/277 vom 17. Juni 1992, para. 61. 248 Ress/Bröhmer, in: Simma, Art. 53, Rn. 9. 249 Wilson, Int. Peacekeeping 2003, 89, 96; Gray, 386. 245

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Diese mandatierten Missionen mit Beteiligung einer Regionalorganisation stehen im Zentrum der Beschäftigung mit der Zurechnung völkerrechtswidrigen Verhaltens. Einerseits handelt es sich um die mittlerweile häufigste Form der mandatierten Friedenssicherung, durch die Beteiligung von mindestens drei Völkerrechtssubjekten darüber hinaus auch um die vielschichtigste. Aus diesem Grund werden Aufbau und Praxis der beiden wichtigsten Regionalorganisationen auf diesem Gebiet, NATO und EU, auch bereits an dieser Stelle ausführlicher beleuchtet wird. b) NATO aa) Die Organisation Die NATO wurde 1949 als Verteidigungsbündnis gegen die vom sowjetischen Block drohende Gefahr gegründet. Gemäß Art. 5 NATO-Vertrag löst ein bewaffneter Angriff gegen einen Mitgliedstaat die Verpflichtung aus, dem angegriffenen Partner bei der Ausübung des Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 UN-Charta beizustehen. Art und Umfang der Beistandsverpflichtung werden dabei vom Ermessen der unterstützenden Staaten gesteuert. Die Entstehung der NATO ist weiterhin den 1949 bereits deutlich werdenden Schwächen des Sicherheitsrats aufgrund des Blockgegensatzes geschuldet.250 Dieser Umstand erklärt, warum die NATO sich nicht als regionales Abkommen im Sinne des Kapitels VIII UN-Charta sehen wollte, sondern vielmehr das Recht auf Selbstverteidigung in den Mittelpunkt des Organisationszwecks stellte.251 Andernfalls hätte sie zum Tätigwerden auf militärischem Terrain der vorherigen Genehmigung des Sicherheitsrats nach Art. 53 UN-Charta bedurft und wäre an die aus Art. 54 UN-Charta folgende Berichtspflicht gebunden gewesen.252 Unabhängig davon, ob diese Rechtsauffassung der NATO zutreffend war,253 hat sie in der Phase bis zum Ende des Kalten Krieges keine Bedeutung erfahren, da es zu keinem Einsatz bewaffneter Gewalt gekommen ist. Wurde der Sinn des Weiterbestandes der NATO zu Beginn der 1990er noch in Zweifel gezogen, hat sie ihre Aufgaben bald neu definiert und sich zu dem wichtigsten regionalen Akteur im Bereich der Friedenssicherung entwickelt. Die veränderte Selbstwahrnehmung wird durch eine Gegenüberstellung ihrer Strategie-Papiere von 1991 und 1999 deutlich. 1991 wurde die veränderte und innerhalb der NATO-Mitgliedstaaten verbesserte sicherheitspolitische Situation anerkannt. Die Einbeziehung von Krisenmanagement und Konfliktprävention wurde als vorsichtige Möglichkeit der Ausweitung militärischer Mittel über Art. 5 NATO-Vertrag hinausgehend verstanden.254 Dennoch bestätigte der Nordatlantikrat, dass das strategische Konzept 250

Zwanenburg, in: Blokker/Schrijver, 189, 190 ff. US Außenminister Dulles, Department of State Bulletin (1956), 925; Britische Regierung vor dem House of Commons, Hansard (Sess. 1948 – 49), vol. 464, cols. 2018 – 19. 252 Chesterman, 177. 253 Vgl. dazu etwa: Kelsen, AJIL 1951, 162. 254 Zwanenburg, in: Blokker/Schrijver, 189, 198; Bothe/Martenczuk, VN 1999, 125. 251

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der Allianz unverändert in ihrer Verteidigung liege. Keine ihrer Waffen würden jemals benutzt, außer im Falle der Selbstverteidigung.255 Bereits im Juni 1992 erklärte der Nordatlantikrat aber seine Bereitschaft und Fähigkeit, auf Einzelfallbasis Peacekeeping-Operationen unter der Autorität der damaligen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)256 zu unterstützen.257 Sechs Monate später weitete er diese Absichtserklärung auch auf Peacekeeping-Missionen unter Führung der Vereinten Nationen aus.258 Schließlich haben die Staats- und Regierungschefs auf einer Tagung anlässlich des 50jährigen Jubiläums der NATO Satzung in Washington 1999 ein so genanntes neues strategisches Konzept unterzeichnet. Hierin richtet die NATO ihre Ziele prinzipiell neu aus. In der Kernpassage heißt es, dass die NATO „im Zuge ihrer Politik der Friedenserhaltung, der Kriegsverhütung und der Stärkung von Sicherheit und Stabilität – wie in den grundlegenden Sicherheitsaufgaben dargelegt – […] in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen darum bemüht sein [wird], Konflikte zu verhüten oder, sollte eine Krise auftreten, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu deren wirksamer Bewältigung beitragen [wird], einschließlich durch die Möglichkeit der Durchführung von nicht unter Art. 5 fallenden Kriseneinsätzen“.259 bb) Koordination der Einsätze Der Nordatlantikrat ist das wichtigste Entscheidungsgremium innerhalb der NATO-Struktur und als einzige Institution ausdrücklich in Art. 9 NATO-Vertrag vorgesehen. Ihm gehören ständige Vertreter aller Mitgliedstaaten an, deren Stimmen gleichberechtigt nebeneinander stehen. Bei den Ratsbeschlüssen handelt es sich um Konsensentscheidungen.260 Für militärische Fragen ist der Militärausschuss zuständig, der als Bindeglied zu den politischen Entscheidungen des Rates fungiert. Bei der Durchführung von Militäroperationen gilt außerdem der need to knowGrundsatz. Nach diesem erhält ein an einer militärischen Operation teilnehmender Mitgliedstaat nur die Informationen, die zu seiner Aufgabenerfüllung notwendig sind. Diese Besonderheit der Einsatzführung erlangte Bedeutung in dem Verfahren um individuelle zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik 255 The Alliances Strategic Concept agreed by the Heads of State and Government participating in the meeting of the North Atlantic Council, 8. November 1991, para. 35. 256 Mit Wirkung zum 1. Januar 1995 wurde die KSZE in Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unbenannt. 257 Final communique of the Ministerial meeting of the North Atlantic Council, 4. Juni 1992, para. 11. 258 Final communique of the Ministerial meeting of the North Atlantic Council, 17. Dezember 1992, para. 4. 259 The Alliances Strategic Concept Approved by the Heads of State and Government participating in the meeting of the North Atlantic Council, 24. April 1999; abgedruckt in: Bulletin Nr. 24 vom 3. Mai 1999 (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), 222 – 232. 260 NATO Handbook, 33.

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Deutschland für die Zerstörung einer Brücke in Varvarin während der Kosovo-Operation. Der BGH entschied, dass unabhängig davon, ob ein Amtshaftungsanspruch für Völkerrechtsverletzungen besteht, die Pflichtverletzung im zu entscheidenden Fall mangels Kenntnis des Einsatzzieles dem deutschen Staat nicht zurechenbar war.261 cc) Friedenssichernde Tätigkeiten Der Beginn der militärischen Aktivität der NATO ist eng mit dem JugoslawienKonflikt verknüpft. Noch vor ihrem Bekenntnis zur Stärkung des Peacekeeping unter Leitung der OSZE und der UN haben durch die Mitgliedstaaten der NATO zur Verfügung gestellte Truppen ab Juli 1992 das durch den Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo262 gegen die Bundesrepublik Jugoslawien überwacht.263 Ab 1993 weitete sich die Beteiligung der NATO in Jugoslawien entscheidend aus. Unter der Operation Deny Flight wurden drei verschiedene Stufen eines Einsatzes zusammengefasst: de Luftüberwachung des Luftraumes Bosnien-Herzegowinas als Durchsetzung der Resolution 816 vom 31. März 1993, die Unterstützung aus der Luft für die im Rahmen von UNPROFOR stationierten Friedenstruppen264 sowie mit den UN abgestimmte Luftangriffe gegen ausgesuchte Ziele zum Schutze der UN-Schutzzonen.265 Parallel dazu kam es im Sommer 1995 zum ersten Kampfeinsatz, der Operation Deliberate Force. Auslöser für diese fast drei Wochen intensiver Angriffe auf Ziele bosnischer Serben war ein Anschlag auf einen belebten Markt in Sarajevo. Auch dieser Einsatz wurde gemeinsam von UN und NATO geführt und innerhalb der so genannten „dual key“ Politik wurden die Ziele der Angriffe festlegt.266 Er führte schließlich zum Abschluss des Friedensvertrags von Dayton im November 1995 und damit zum offiziellen Ende des Bosnienkrieges. Neben Bosnien-Herzegowina war die NATO im Verlaufe des Konflikts auch in Mazedonien, Albanien und vor allem im Kosovo präsent. Die Einsätze in Albanien 1999 und in Mazedonien von 2001 – 2003 stellen klassische Peacekeeping-Missionen dar, die von den Regierungen der jeweiligen Staaten erbeten wurden.267 Im Vorfeld der Operation Allied Force war die NATO an einer unbewaffneten Beobachtungs- und Verifikationsmission der OSZE im Kosovo beteiligt (KVM), die durch Resolution 1203 vom 24. Oktober 1998 vom Sicherheitsrat unterstützt wurde. Militärischer Höhepunkt war dann der umstrittene Einsatz im Kosovo 1999. Der Sicherheitsrat hatte das Vorgehen Jugoslawiens zwar als ethnische Säuberung bewertet und es auf Grundlage von Kapitel VII UN-Charta verurteilt, nicht aber andere Staaten zur Ergreifung 261 262 263 264 265 266 267

BGH, JZ 2007, 532, 535. SR Res. 713 vom 25. September 1991; SR Res. 757 vom 30. Mai 1992. SR Res. 878 vom 16. November 1992. SR Res. 836 vom 4. Juni 1993. Bothe, in: Simma, Peacekeeping, Rn. 47. Zwanenburg, in: Blokker/Schrijver, 189, 200. Gazzini, J. Confl. & Sec. L. 2003, 231, 233.

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militärischer Maßnahmen ermächtigt.268 Diese „humanitäre Intervention“ hat vielschichtige Debatten über die Zulässigkeit von Militäroperationen ohne ein Mandat des Sicherheitsrats ausgelöst.269 dd) UN-mandatierte Friedenseinsätze Bei den früheren Mandaten an die NATO fällt auf, dass die Organisation selber keine Erwähnung findet. Vielmehr ermächtigt der Sicherheitsrat Mitgliedstaaten zur Durchführung des Einsatzes „acting through regional arrangements“. Zu den Gründen dieser Praxis wird vorgebracht, dass es einer Organisation nach ihren Gründungsverträgen nicht gestattet sein könnte, das Mandat zu erfüllen, und eine allgemeine Ermächtigung daher mehr Rücksicht auf interne Strukturen der Organisation nehme.270 Andererseits ist, wenn es zum Abschluss einer Resolution kommt, die Planung des Einsatzes bereits so weit fortgeschritten, dass die Führung und die interne Zusammensetzung feststehen und organisationsspezifische Besonderheiten geklärt worden sein sollten. Außerdem ist die NATO in der Friedenssicherung mittlerweile so etabliert, dass interne Probleme nicht mehr gegen ihre direkte Benennung im Mandat sprechen. Aktuelle Mandate haben von dieser Praxis daher auch Abschied genommen.271 (1) IFOR/SFOR Nach den anfänglichen NATO-Einsätzen in Jugoslawien zur Embargoüberwachung beziehungsweise militärischen Aktionen in enger Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, stellt die Friedensumsetzungstruppe (Peace Implementation Force – IFOR) die erste UN-mandatierte Friedensmission einer Regionalorganisation im engeren Sinne dar.272 IFOR löste am 20. Dezember 1995 UNPROFOR in BosnienHerzegowina ab. Der Mission liegt Resolution 1031 zu Grunde, die Mitgliedstaaten ermächtigt, eine Friedenstruppe durch oder in Kooperation mit den im Anhang des Friedensvertrags genannten Organisationen zu bilden und die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung und Einhaltung des Friedensvertrags von Dayton zu treffen.273 IFOR wurde Ende 1996 durch die ebenfalls NATO-geführte Schutztruppe SFOR abgelöst.274 Diese Mission existierte bis Dezember 2004 und wurde dann durch die EUMission EUFOR ALTHEA ersetzt.

268 SR Res. 1160 vom 31. März 1998; SR Res.1199 vom 23. September 1998; SR Res. 1203 vom 24. Oktober 1998. 269 Z. B. Cassese, EJIL 1999, 23; Harhoff, Nordic JIL 2001, 65; Simma, EJIL 1999, 1. 270 Sarooshi, in: Lowe et al., 226, 231. 271 SR Res. 1833 vom 22. September 2008. 272 Bothe/Martenczuk, VN 1999, 125, 126; Oertel/Varvick, VN 2008, 160, 163. 273 SR Res. 1031 vom 15. Dezember 1995. 274 SR Res. 1088 vom 12. Dezember 1996.

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(2) KFOR Im Unterschied zu dem Engagement in Bosnien-Herzegowina rief der auch unter Führung der NATO stehende KFOR-Einsatz im Kosovo viele kritische Reaktionen aufgrund des engen Zusammenhangs mit den nicht autorisierten Angriffen im Rahmen der Operation Allied Force hervor. Die Angriffe wurden erst beendet, nachdem Jugoslawien in diplomatischen Verhandlungen mit der EU und Russland einer internationalen Sicherheitspräsenz zugestimmt hatte. Daraufhin verabschiedete der Sicherheitsrat am 10. Juni 1999 mit Resolution 1244 die rechtliche Grundlage des KFOR Einsatzes. Die Resolution ermächtigt die Mitgliedstaaten und „relevant international organizations“, eine Sicherheitspräsenz dergestalt zu errichten wie sie in dem als Annex beigefügten so genannten Athissaari-Tschernomyrdin-Dokument vorgesehen ist, also unter einheitlicher Führung und starker Beteiligung der NATO.275 Eine zeitliche Grenze sieht das Mandat nicht vor, die Mission soll so lange bestehen bleiben, bis der Sicherheitsrat eine andere Entscheidung trifft.276 Die Hauptaufgabe der KFOR besteht in der Wahrnehmung militärischer Aufgaben. Sie soll ein sicheres Umfeld schaffen, um so unter anderem die Rückkehr von Flüchtlingen zu ermöglichen. Daneben besteht eine UN-geführte internationale zivile Präsenz (UNMIK), die für die Übergangsverwaltung des Kosovo zuständig ist. Beide Missionen operieren unabhängig voneinander und stehen gleichrangig nebeneinander.277 (3) ISAF Die Terroranschläge vom 11. September in New York und Washington bedeuten einen weiteren Schritt für die Entwicklung der NATO in Richtung eines Militärbündnisses. Erstmals in ihrer Geschichte riefen sie den Bündnisfall nach Art. 5 ihres Gründungsvertrages aus. Die unmittelbaren militärischen Konsequenzen waren allerdings gering, da die USA für Kampfhandlungen in Afghanistan auf ihre eigens gebildete Koalition zurückgriffen.278 Gleichzeitig nahmen die lang anhaltenden Diskussionen um die geographische Reichweite des NATO-Vertrags durch die Ausweitung der Tätigkeit auf Gebiete außerhalb Europas ein Ende.279 2003 hat die NATO schließlich die Führung der UN-mandatierten ISAF-Mission (International Security Assistance Force – Internationale Sicherheitsunterstützungsgruppe) in Afghanistan übernommen, die zuvor einem oder mehreren Mitgliedstaaten oblag. Der Einsatz geht zurück auf Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001 und dient in erster Linie der Verbesserung der Sicherheitslage und der Unterstützung der afghanischen Regierung. Das Operationsgebiet wurde stetig erweitert und erstreckt sich mittlerweile auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans. 275 276 277 278 279

SR Res. 1244 vom 10. Juni 1999, Zif. 4 i.V.m. Annex 2, Zif. 4. SR Res. 1244 vom 10. Juni 1999, Zif. 19. Dreist, NZwehrr 2001, 1, 5. Mayr-Harting, in: Hummer, 99, 101. Zwanenburg, in: Blokker/Schrijver, 189, 207.

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c) Europäische Union aa) Entstehung der Gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik Seit 2003 nimmt auch die EU eine aktive Rolle bei internationalen Friedensmissionen wahr. Die Wurzeln der Zusammenarbeit zwischen EU und UN liegen in der Petersberg-Erklärung der Westeuropäischen Union (WEU) aus dem Jahr 1992. Hierin heißt es, dass militärische Einheiten der WEU-Mitgliedstaaten auch für humanitäre Maßnahmen, friedenserhaltende Aufgaben sowie für Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen eingesetzt werden können. Die Bedeutung für die EU ergibt sich daraus, dass die WEU als ausschließliches Handlungselement im militärisch-operativen Bereich der durch den Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union als zweite Säule eingeführten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vorgesehen war.280 Die praktische Bedeutung dieser Fortentwicklung fiel zunächst jedoch gering aus. Bei der Krise im ehemaligen Jugoslawien bewies sich die EU im militärischen Bereich als weitgehend handlungsunfähig. Obwohl sich der Konflikt vor ihrer „Haustür“ abspielte, waren es hauptsächlich die NATO und die USA, die friedenssichernd eingriffen. Als sich das Bild einige Jahre später im Kosovo wiederholte, beschlossen Großbritannien und Frankreich auf einer bilateralen Konferenz, ihre traditionelle Haltung hinsichtlich der alleinigen Verantwortlichkeit der NATO für Frieden und Sicherheit in Europa aufzugeben.281 Hierdurch wurde der Weg für den Entschluss des Europäischen Rates in Köln 1999 geebnet, nach dem eine einheitliche Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) als integraler Bestandteil der GASP festgelegt wurde. In weiteren Ratsgipfeln wurde die Übernahme der Petersberg-Aufgaben durch EU-geführte Komponenten beschlossen, und die operativen Aufgaben der WEU wurden somit weitgehend in die EU integriert. Mit dem Vertrag von Nizza wurde die ESVP samt ihrer Aufgaben auch in den EU-Vertrag aufgenommen.282 Grundlegende Neuerungen der EU-Strukturen, die auch die GASP betreffen, brachte dann der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon.283 So wurde in institutioneller Hinsicht das Drei-Säulen-Modell aufgelöst, so dass die GASP nunmehr einen Politikbereich der mit den Europäischen Gemeinschaften verschmolzenen Europäischen Union darstellt. Ihre gesteigerte Bedeutung wird ferner durch die Schaffung des Amtes des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik deutlich, der gleichzeitig auch Vizepräsident der Europäischen Kommission ist.284 Im Rahmen der Vertrags280

Hummer, in: Hummer, 129, 140. Neuhold, in: Hummer, 21, 49. 282 Art. 17 EUV a.F. 283 Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), ABl. C 115 vom 9. Mai 2008, 1; umgesetzt durch das Gesetz zum Vertrag von Lissabon, BGBl. 2008 II, 1038. 284 Zur ersten Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik wurde am 1. Dezember 2009 Cathrine Ashton ernannt. 281

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änderung ist die ehemalige ESVP außerdem in Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) unbenannt worden. Als wichtige inhaltliche Änderung wurde in Art. 42 Abs. 7 EUV eine wechselseitige Beistandsklausel festgeschrieben. Eine solche hatte im europäischen Rechtsraum bislang nur im NATO- und im WEU-Vertrag existiert und somit endgültig die Aufgaben der WEU, mit der Folge ihrer Auflösung, in denen der EU aufgehen lassen. Die Grundlage des militärischen Tätigwerdens der EU bildet das sogenannte Helsinki Headline Goal von Dezember 1999, welches die ESVP-Ziele umsetzen sollte. Nach diesem sollte spätestens ab 2003 eine 60000 Soldaten umfassende schnelle Eingreiftruppe der EU (European Rapid Reaction Force) innerhalb von 60 Tagen einsatzbereit und in der Lage sein, das gesamte Spektrum der Petersberg-Aufgaben für den Zeitraum von einem Jahr abzudecken. Um die Gründung einer einheitlichen europäischen Armee geht es hierbei aber nicht, vielmehr soll es sich um eine multinationale Truppe, bestehend aus Soldaten der Mitgliedstaaten handeln, auf die die EU bei Bedarf zurückgreifen kann.285 Trotz „Einschränkungen und Zwänge[n] aufgrund anerkannter Lücken“, die vornehmlich in der Flexibilität und bei kampfeinschließenden Einsätzen liegen, erklärte der Rat im Juni 2003, dass die EU nun in der Lage sei, die Petersberg-Aufgaben abzudecken.286 Eine Aktualisierung beziehungsweise Anpassung an die Europäische Sicherheitsstruktur sowie an die Ziele der ESVP nach dem bald darauf gescheiterten Verfassungsvertrag erfolgte 2004 mit dem Headline Goal 2010. Als weiteren wichtigen Punkt im Hinblick auf die Entwicklung der militärischen Handlungsfähigkeit der EU enthält das Headline Goal 2010 den Aufbau von sogenannter Battlegroups.287 Hierbei handelt es sich um mobile Kampfverbände in der Stärke eines Batallions (ca. 1500 Mann), die besonders schnell einsatzbereit sind, primär zu Beginn einer Militäroperation und insbesondere, aber nicht ausschließlich, auf Anfragen der Vereinten Nationen eingesetzt werden. Als vorläufigen Zwischenstand beliefen sich die militärischen Komponenten der EU Ende 2008 auf etwa 100000 Soldaten und zwei Battlegroups, die seit Anfang 2007 einsatzbereit gehalten werden und die innerhalb von zehn Tagen im Einsatzgebiet operieren können.288 Ob die EU im Rahmen ihrer GSVP-Tätigkeiten als regionale Abmachung nach Kapitel VIII UN-Charta zu qualifizieren ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Da sich die EU mittlerweile aber als Peacekeeping-Akteur etabliert hat und von den Vereinten Nationen als solcher anerkannt wird, kommt der Frage auch keine große praktische Relevanz zu. Dafür spricht in erster Linie die Integration der WEU, einer klassischen Kapitel VIII-Organisation, in die EU. Andererseits fehlte es der EU lange Zeit an der Binnenausrichtung ihrer Sicherheitspolitik, da diese 285

Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Helsinki), SN 300/99, para. 27. Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Thessaloniki), Dok. Nr. 11638/03, para. 56. 287 Headline Goal 2010, Dok. Nr. 6309/6/04, para. 4 ff. 288 Gareis, VN 2008, 154, 156. 286

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sich ausschließlich auf Gebiete außerhalb der EU erstreckte.289 Durch die Kodifizierung der Bündnispflicht im Falle eines militärischen Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates durch den Vertrag von Lissabon ist dieses Argument jedoch weitgehend relativiert worden. bb) Beschlussfassung Als Teil der GASP unterliegt die GSVP, ausgenommen ihrer speziellen Regeln in Art. 42 – 46 EUV, den Vorschriften der Art. 23 – 41 EUV. Besonderheiten bestehen aber auch dahingehend, dass beispielsweise alle Beschlüsse mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen einstimmig vom Rat gefasst werden.290 Die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik hat diesbezüglich ein Vorschlagsrecht. Um den neuen Anforderungen an die Verteidigungspolitik gerecht zu werden, sind aber auch einige spezielle Institutionen entstanden. Wichtigstes Gremium und zuständig für alle Bereiche der GASP ist das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK), dem die politische Kontrolle und strategische Leitung der Einsätze übertragen ist. Aber auch die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sorgt nunmehr gem. Art. 43 Abs. 2 EUV unter Aufsicht des Rates und in engem und ständigem Benehmen mit dem PSK für die Koordinierung der zivilen und militärischen Aspekte der Missionen. Wie auch der Nordatlantikrat tagt das PSK in der Regel auf Botschafterebene, es kann aber auch bestehend aus den politischen Direktoren der Außenministerien zusammentreten.291 Zusätzlich und ausschließlich um Aufgaben der GSVP wahrzunehmen, wurden nach dem Vorbild der NATO weitere militärische Strukturen wie der Militärausschuss, der Militärstab oder die Europäische Verteidigungsagentur geschaffen.292 Als erste zivile Peacekeeping-Operation der EU wurde am 1. Januar 2003 die Polizeimission EUPM in Bosnien und Herzegowina eingesetzt. Seitdem weitet die EU ihre Tätigkeiten stetig aus und ist mittlerweile auch in Asien und im Nahen Osten präsent, geographischer Schwerpunkt ihrer Einsätze ist aber nach wie vor Afrika und der Balkan.293 cc) Militärische Friedenseinsätze Bisher wurden sechs militärische Operationen durch die EU im Rahmen der ESVP beziehungsweise GSVP durchgeführt, von denen zwei noch andauern. Hierbei handelt sich um Operation EUFOR Althea, die seit 2004 in Bosnien-Herzegowina operiert und das SFOR-Mandat übernommen hat, sowie Operation Atalanta zur Bekämpfung von Piraterie vor der Küste Somalias. Zuvor hat die EU bereits Operation Concordia in Mazedonien von März bis Dezember 2003 durchgeführt. Dreimal ist sie auf 289

Kleine, 177 f.; Hummer, in: Hummer, 129, 135. Art. 31 Abs. 4 EUV. 291 Jopp, in: Weidenfeld/Wessels, 233, 235. 292 Kleine, 152 ff. 293 Vgl. die Übersicht abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/showPage.aspx? id=268&lang=EN. 290

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dem afrikanischen Kontinent tätig geworden, 2003 und 2006 jeweils in der Demokratischen Republik Kongo und von 2008 bis 2009 im Tschad. (1) Operation Concordia Operation Concordia löste die NATO-Mission Allied Harmony ab und wurde auf Ersuchen der mazedonischen Regierung eingesetzt. Eine ausdrückliche Resolution des Sicherheitsrats lag dem Einsatz nicht zugrunde, allerdings hat der Sicherheitsrat das Bemühen von OSZE, EU und NATO zur Stabilisierung des Landes sowie die Kooperation mit Mazedonien ausdrücklich begrüßt, so dass die Rechtmäßigkeit des Einsatzes unterstellt werden kann.294 Die Durchführung der robusten Mission wurde erst durch das kurz vor Beginn des Einsatzes beschlossene Berlin-Plus-Abkommen ermöglicht. Dieses gewährt der EU Rückgriff auf Ressourcen und Fähigkeiten der NATO für den Fall, dass diese nicht selber eingreift und regelt so gleichzeitig die Hierarchie zwischen EU und NATO Einsätzen.295 (2) Operation Artemis und EUFOR RD Congo Operation Artemis im Kongo war dann die erste autonom und ohne jegliche Unterstützung der NATO durchgeführte Peacekeeping-Mission der EU. Sie stand unter französischem Kommando und basierte auf einem Mandat des Sicherheitsrats. Nachdem die ethnischen Unruhen im Kongo eskalierten, autorisierte der Sicherheitsrat mit Zustimmung der kongolesischen Regierung für den Zeitraum bis zum 1. September 2003 eine multinationale Truppe (IEMF) in der Provinzhauptstadt Bunia mit einem Kapitel VII-Mandat, um in enger Zusammenarbeit mit MONUC unter anderem die Sicherheitslage und die humanitäre Situation zu verbessern.296 Zu einer weiteren EUgeführten Peacekeeping Operation im Kongo (EUFOR RD Congo) kam es im Jahr 2006, als die Vereinten Nationen die EU baten, als erneute Unterstützung für MONUC die Wahlen im Kongo abzusichern. Nach Zustimmung des Gaststaates erteilte der Sicherheitsrat unter ausdrücklicher Nennung der EU ein bis Ende November 2006 befristetes Mandat auf Grundlage des Kapitels VII UN-Charta.297 Der Rat der Europäischen Union beschloss daraufhin die Entsendung der Truppe.298 (3) EUFOR Tchad/RCA Zwischen März 2008 und 2009 war die EU schließlich für zwölf Monate in einer Friedensmission im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) aktiv. In den Grenzregionen zu Darfur bestand einerseits die Gefahr, dass sich der Konflikt noch weiter als bisher über die Grenzen des Sudans hinaus ausbreitet, andererseits 294 295 296 297 298

SR Res. 1371 vom 26. September 2001. Mace, Int. Peacekeeping 2004, 474, 481. SR Res. 1484 vom 30. Mai 2003. SR Res. 1671 vom 25. April 2006. Council Joint Action 2006/319/CFSP vom 27. April 2006.

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wurde die gesamte Region durch massive Flüchtlingsströme destabilisiert. Zur Verbesserung dieser Situation autorisierte der Sicherheitsrat im September 2007 nach der Zustimmung beider Gaststaaten eine multidimensionale UN-Mission im Tschad und der ZAR (MINURCAT). Gleichzeitig stattete er die EU mit einem Kapitel VIIMandat für ein Jahr ab Beginn ihrer Einsatzbereitschaft aus, um die UN-Mission zu unterstützen und deren Aufbau zu sichern.299 Konkret sollte EUFOR Tchad/ RCA Zivilpersonen schützen, humanitäre Hilfsleistungen durch eine Stabilisierung der Sicherheitslage unterstützen und das UN-Personal sowie deren Ausrüstung und Einrichtungen schützen.300 Da es Ziel des Einsatzes war, die Zeit bis zur vollständigen und endgültigen Operationsfähigkeit der UN-Mission zu überbrücken, wird diese Form der Zusammenarbeit zwischen EU und UN häufig als „bridging model“ oder eben „Überbrückungsoperation“ beschrieben.301 Durch Resolution 1861 vom 14. Januar 2009 wurde die Übernahme der EU-Mission durch militärische Einheiten von MINUCRAT beschlossen. (4) EUFOR Althea Im Dezember 2004 übernahm EUFOR Althea die SFOR-Mission der NATO, deren Ziel weiterhin die Umsetzung des Abkommens von Dayton ist. Bei der letztmaligen Verlängerung des SFOR Mandats um weitere sechs Monate hat der Sicherheitsrat den Entschluss der EU, eine weitere Mission in Bosnien- Herzegowina zu installieren, begrüßt.302 Schließlich hat er EUFOR Althea als Rechtsnachfolger der SFOR anerkannt und sie so mit einem ausdrücklichen Mandat ausgestattet.303 In operativer Hinsicht handelt es sich auch hier wieder um eine Zusammenarbeit zwischen der EU und NATO auf Grundlage des Berlin-Plus-Abkommens. d) Maßnahmen zur Bekämpfung von Piraterie am Horn von Afrika In den letzten Jahren haben Überfälle auf Schiffe vor der Küste Somalias stark zugenommen. Hierdurch werden einerseits die Hilfslieferungen für die Bevölkerung, die überwiegend auf dem Seewege transportiert werden, behindert. Andererseits handelt es sich beim Golf von Aden auch um die wichtigste Schifffahrtslinie für den Seehandel zwischen Europa und Asien. Da die somalische Übergangsregierung zur Bekämpfung der Piraterie nicht in der Lage ist, wurden seit 2008 internationale Maßnahmen eingeleitet, die auf den Schultern mehrerer Akteure verteilt sind. Piraterie und ihre Bekämpfung nimmt im Völkerrecht eine Sonderrolle ein. So dürfen nach dem auch völkergewohnheitsrechtlich geltenden Art. 105 des UN-Seerechtsübereinkom299 300 301 302 303

SR Res. 1778 vom 25. September 2007. Ibid., Zif. 6. Ehrhart, Integration 2008, 145, 148; Gareis, VN 2008, 154, 158. SR Res. 1551 vom 9. Juli 2004. SR Res. 1575 vom 22. November 2004.

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mens von 1982 (SRÜ) Seeräuberschiffe auf Hoher See aufgebracht, Piraten von dem jeweiligen Staat festgenommen sowie die an Bord befindlichen Vermögensgüter beschlagnahmt werden.304 Damit handelt es sich um eine der wenigen Taten für die das Weltrechtsprinzip unzweifelhaft gilt.305 Zu beachten ist allerdings, dass die Befugnisse allesamt auf die Hohe See beschränkt sind und so im Falle der Piraterie vor Somalia keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine wirksame Bekämpfung bieten. An dieser Stelle ist der Sicherheitsrat eingeschritten und hat mit seinem Mandat unter anderem den territorialen Anwendungsbereichs dieser Regeln erweitert. aa) Das Mandat des Sicherheitsrats Als Rechtsgrundlage für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie innerhalb Somalias gelten die Resolutionen 1814, 1816, 1838, 1846 und 1851. Derzeit ist der Einsatz bis Ende 2010 begrenzt. Im Mai 2008 hat der Sicherheitsrat zunächst in einer Resolution, die eigentlich der zukünftigen Rolle AMISOMs galt, wiederholt seine Unterstützung für die Beiträge einiger Staaten zum Schutz der Schiffskonvois des Welternährungsprogramms ausgedrückt. Weiter forderte er Staaten und Regionalorganisationen auf, in Abstimmung miteinander, dem Generalsekretär und der Übergangsregierung Maßnahmen zum Schutz von Schiffen zu ergreifen, die humanitäre Hilfsleistungen nach Somalia transportieren.306 Mit Resolution 1816 bestätigte der Sicherheitsrat, dass die seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfälle auf Schiffe in den Küstengewässern Somalias und auf Hoher See eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Region bedeuten und dehnte sodann endgültig die Befugnis zur Bekämpfung auf die Küstengewässer aus. Diese Ermächtigung gilt für Staaten, die mit der Übergangsregierung zusammenarbeiten und über deren Einsatz der Generalsekretär zuvor durch die Übergangsregierung notifiziert worden ist.307 Während Resolution 1846 den Einsatz auf zwölf Monate ab Verabschiedung der Resolution verlängerte,308 enthält Resolution 1851 eine weitere inhaltliche Ausweitung des Mandats.309 Es fehlt die Begrenzung auf die Küstengewässer Somalias. Stattdessen ermächtigt der Sicherheitsrat die betroffenen Staaten und internationalen Organisationen, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen in Somalia zu ergreifen, um Akte von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen zu bekämpfen.310 Zwar ist diese Resolution in Reaktion auf französische Vorstöße auf dem somalischen Festland verabschiedet worden, doch lässt sich bislang kein Trend ausmachen, die militärischen Operationen auf See weiter auszudehnen. 304 305 306 307 308 309 310

Treves, EJIL 2009, 399, 401 f. Fischer-Lescano, NordÖR 2009, 49, 50. SR Res. 1814 vom 15. Mai 2008, Zif. 11. SR Res. 1816 vom 2. Juni 2008, Zif. 7. SR Res. 1846 vom 2. Dezember 2008, Zif. 10. Treves, EJIL 2009, 399, 401; Fischer-Lescano, NordÖR 2009, 49, 51. SR Res. 1851 vom 16. Dezember 2008, Zif. 6.

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Fraglich ist allerdings, ob das Mandat des Sicherheitsrats die Mitgliedstaaten überhaupt mit Rechten ausstattet, die über das allgemeine Völkerrecht hinausgehen. Hier ist festzustellen, dass die Aktionen auf Hoher See bereits durch das Völkergewohnheitsrecht beziehungsweise das SRÜ abgedeckt sind und diejenigen im Küstengewässer mit der ausdrücklichen Zustimmung Somalias stattfinden. Insoweit verleiht der Sicherheitsrat der Operation also nur zusätzliche Legitimität, legalisiert sie aber nicht. Die üblicherweise mit einem Kapitel VII-Mandat einhergehende Ermächtigung zum Einsatz von Waffengewalt ist vorliegend problematisch, da die Piraten keine Staatshandlungen vornehmen, der Sicherheitsrat aber nur gegenüber Mitgliedstaaten verbindlich handeln kann.311 Die Resolutionen setzen damit die bereits im Rahmen der Terrorismusbekämpfung eingeschlagene Linie fort, auch Individualhandeln zu sanktionieren. Damit geht aber keine Erlaubnis zu Tötungshandlungen einher. Eine solche besteht nur für Kombattanten im humanitären Völkerrecht, das auf die Pirateriebekämpfung aber keine Anwendung findet. Piraten sind nach der Wertung des humanitären Völkerrechts damit Zivilisten und ihre Tötung ist nur zur Selbstverteidigung erlaubt.312 In der Praxis wird bisher nach diesen Grundsätzen verfahren und auch die Formulierungen des Mandats sprechen für eine Beschränkung der Anwendung von Gewalt innerhalb ihrer üblichen Grenzen.313 So verweist der Sicherheitsrat regelmäßig auf Mittel, die mit dem einschlägigen Völkerrecht vereinbar sind.314 bb) Die EU-Operation Atalanta Auf die Aufforderung des Sicherheitsrats hin beschloss die EU im September 2008, zur Unterstützung einzelner Staaten eine eigene Mission zu entsenden. Diese Bemühungen wurden durch den Sicherheitsrat ausdrücklich willkommen geheißen und ihre Umsetzung empfohlen.315 Auf Seiten der EU wurde EU NAVFOR Somalia durch einen Beschluss des Rats der Europäischen Union vom 10. November 2008 ermöglicht und am 8. Dezember 2008 schließlich eingesetzt.316 cc) Militäroperationen der NATO Auch die NATO führt zur Umsetzung des Mandats eigene militärische Operationen durch. Bis zur vollständigen Einsatzbereitschaft der Operation Atalanta hat sie auf Bitten des Generalsekretärs Schiffe des Welternährungsprogramms acht Wochen lang eskortiert und geschützt. Seit März 2009 bemühen sich erneut ständige maritime Einsatzverbände der NATO um die Sicherheit des Schiffsverkehrs in der Region. 311

Fischer-Lescano, NordÖR 2009, 49, 51. Ibid. 313 Treves, EJIL 2009, 399, 412 f. 314 SR Res. 1846 vom 2. Dezember 2008, Zif. 10 b); SR Res. 1851 vom 16. Dezember 2008, Zif. 7. 315 SR Res. 1838 vom 7. Oktober 2008; SR Res. 1846 vom 2. Dezember 2008. 316 Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP vom 10. November 2008. 312

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dd) Militäroperationen weiterer Staaten Neben den beiden Regionalorganisationen beteiligen sich noch weitere Staaten an der Bekämpfung der Piraterie. Dieses sind einerseits Staaten, die ebenfalls auf Grundlage des UN-Mandats handeln, nicht aber in die Führungsstrukturen der EU-Mission eingegliedert sind. So operieren beispielsweise Staaten wie Russland, Indien, Japan aber auch Frankreich mit Schiffen unter eigenem nationalem Kommando. Andererseits sind auch US-amerikanische Streitkräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom vor der Küste Somalias aktiv. e) Westeuropäische Union Auch die WEU wurde als System kollektiver Sicherheit 1954 gegründet, konnte neben der NATO aber nie an eigenständiger Bedeutung gewinnen. Wie bereits dargelegt, ist sie bereits vor Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon weitgehend in die ESVP integriert worden. In der aktiven Friedenssicherung hat sie deshalb auch keine wichtige Rolle gespielt. Nennenswert ist hier lediglich die Unterstützung der Seeblockade gegen Jugoslawien in der Adria und auf der Donau.317 Im Jahre 2010 ist die WEU aufgelöst worden. f) Afrikanische Union aa) Die Organisation Im Zusammenhang mit Friedensmissionen von Regionalorganisationen ist weiterhin die Afrikanische Union (AU) zu nennen, die 2002 aus der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) hervorgegangen ist. Die entscheidende Entwicklung besteht in der Ersetzung des strikten Nicht-Interventionsgebots der OAU durch eine pro-aktivere Rolle in der Friedenssicherung durch die AU. Die Friedenssicherungspraxis der OAU war durch überwiegend schlechte Erfahrungen geprägt, so dass die vollständige Transformation in die AU auch einen Neuanfang symbolisieren sollte. So war es neben den Vereinten Nationen vor allem die OAU, der es nicht gelang, durch militärische Beobachter die Situation in Ruanda 1994 zu stabilisieren und der deshalb ein Versagen bei der Verhinderung des Völkermordes nachgesagt wird.318 Erst danach versuchte die OAU mit Mitteln der kollektiven Sicherheit selber Verantwortung zu übernehmen, doch reichten ihre Möglichkeiten nicht aus, um Peacekeeping-Missionen selber durchzuführen.319 Als einziges Instrument enthält die Gründungsakte der AU ausdrückliche Regelungen zu militärischen und nicht-militärischen Zwangsmaßnahmen aufgrund einer humanitären Notlage. Art. 4(h) kodifiziert das Recht der Union, nach einem Be317 318 319

Sands/Klein, 197, Rn. 6-079. Abass, NILR 2007, 415, 416. Rechner, Vanderbilt J. Transnat. L. 2006, 543, 555.

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schluss der Versammlung in einem Mitgliedstaat zu intervenieren, wenn es dort zu Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder einer ernsthaften Bedrohung der legitimen Ordnung eines Staates kommt. Ob diese Vorschrift praktische Konsequenzen hat, wie sie von den Mitgliedstaaten ausgelegt wird und ob das Spannungsfeld zu Art. 2 Abs. 4 und 7 UN-Charta gelöst werden kann, wird sich erst in der Zukunft zeigen.320 Als Gremium zur Durchführung von Friedensmissionen wurde der Friedens- und Sicherheitsrat eingerichtet. Er orientiert sich am Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, doch ergeben sich Besonderheiten aus der Beziehung zu der Versammlung als höchstes Entscheidungsgremium der AU. Während die Entscheidungskompetenz über Zwangsmaßnahmen nach Art. 23 der Gründungsakte bei der Versammlung verbleibt, steht die Durchführung friedenssichernder Maßnahmen gemäß Art. 7 b-c PPSC321 alleine im Ermessen des Friedensund Sicherheitsrats. Allerdings muss der Rat entweder im Einverständnis mit dem betroffenen Staat oder auf Grundlage einer Kapitel VII-Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen handeln, so dass die Regeln des internationalen Rechts gewahrt sind.322 .

bb) Friedenssichernde Tätigkeiten Die AU hat seit ihrer Gründung drei Peacekeeping-Einsätze durchgeführt, von denen aber nur die Mission in Somalia auf ein eindeutiges Mandat des Sicherheitsrats zurückzuführen ist. Der erste Testfall für die neue AU fand 2003 in Burundi statt. Auf Bitten der Übergangsregierung autorisierte die AU für den Zeitraum von einem Jahr eine Friedensmission in Burundi (AMIB), die bis zum Einsatz einer im Friedensabkommen vorgesehen UN-Friedensmission Bestand haben sollte. Der Sicherheitsrat begrüßt die Bemühungen der AU mehrfach und hat in Resolution 1545 vom 21. Mai 2004 schließlich die Übernahme der Operation durch ONUB im Juni 2004 zugesichert. Aus diesen Gründen wird AMIB in aller Regel als rechtmäßig bewertet.323 Vor einer weitaus schwierigeren Aufgabe stand AMIS in der Darfur-Region. Als die Rebellen und die sudanesische Regierung im April 2004 einen Friedensvertrag unterzeichnet hatten, beschloss der Friedens- und Sicherheitsrat der AU in Abstimmung mit den Konfliktparteien die Entsendung von Truppen. Diese zeigten sich aber durch die Struktur und das Ausmaß des Konflikts, das beschränkte Mandat sowie durch die fehlende Unterstützung der Regierung überfordert. Die UN selber waren aufgrund sudanesischen Widerstandes und interner Unstimmigkeiten nicht in der Lage, selber in den Konflikt einzugreifen, befürworteten aber die Stationierung 320

Abass, NILR 2007, 415, 421 ff.; Kindiki, Afr. HRLJ 2003, 97, 105 ff. Protocol Relating to the Establishment of the Peace and Security Council of the African Union vom 9. Oktober 2002, in Kraft seit: 26. Dezember 2003. 322 Rechner, Vanderbilt JTl L 2006, 543, 555. 323 Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 190. 321

C. Friedensmissionen außerhalb der Führungsstruktur der VN

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von AMIS und forderten andere Staaten zur logistischen Unterstützung auf.324 2006 gelang es, das Mandat der im südlichen Sudan eingesetzten UN-Mission (UNMIS) dahingehend zu erweitern, dass es die Unterstützung der AMIS Kräfte erlaubte.325 Als wichtiger Schritt hin zu einem UN-Engagement gelang am 31. Juli 2007 die Verabschiedung von Resolution 1769, die eine „hybride“ Mission in Form einer von UN und AU gemeinsam getragenen Peacekeeping Mission (UNAMID) vorsieht.326 Mit einem schnellen Erfolg dieser Mission ist derzeit nicht zu rechnen. Die Mission hat ihre geplante Einsatzstärke noch nicht erreicht, es bestehen Abstimmungsprobleme in den Kommandostrukturen beider Organisationen, die Ausrüstung ist mangelhaft und die Ziele des Mandats gelten als kaum erfüllbar.327 Der erste Einsatz von AU Friedenstruppen mit vorangegangener ausdrücklicher Ermächtigung durch eine Resolution des Sicherheitsrats fand in Somalia statt. Hier beabsichtigte die AU den Grundstein für eine längerfristige Wiederaufbaumission unter Führung der Vereinten Nationen zu legen.328 Hintergrund des Einsatzes war die Kriegserklärung Äthiopiens an die Islamic Court Union und der daraufhin erfolgte Einmarsch unter ausdrücklicher Billigung der Übergangsregierung in Somalia. Durch diese Ereignisse spannte sich die Lage in der Region weiter an, und der Friedens- und Sicherheitsrat der AU entschloss sich wenige Wochen nach dem Einmarsch der äthiopischen Truppen für die Mandatierung einer Friedenstruppe.329 Anders als bei dem Vorgehen im Sudan setzte er aber nicht ausschließlich auf eine Vereinbarung mit den Konfliktparteien, sondern bat den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die AU zu unterstützen und die rechtlichen Grundlagen zu überprüfen. Mit Resolution 1744 vom 20. Februar 2007 autorisierte dieser schließlich die Mitgliedstaaten der AU zum Aufbau einer Mission in Somalia mittels einer Kapitel VII-Konstruktion (AMISOM). Auch diese Mission hat mit massiven personellen, finanziellen und logistischen Problemen zu kämpfen, und die AU hat deshalb die UN gebeten, die Aufgaben zu übernehmen, was vom Generalsekretär unter den derzeitigen Bedingungen aber abgelehnt wurde.330 Ursprünglich sollte die Mission als IGASOM unter maßgeblicher Beteiligung der umliegenden IGAD-Staaten (Intergovernmental Authority on Development) disloziert werden. Aufgrund der schlechten Beziehungen der Mitgliedstaaten zu Somalia wurde hiervon aber Abstand genommen. IGAD, zu deren Aufgaben nach der Satzung auch die Friedenssicherung in der Region gehört, hat damit aktiv noch keine militärischen Friedensmissionen durchgeführt.

324

Z. B. SR Res. 1556 vom 30. Juli 2004. SR Res. 1706 vom 31. August 2006; UNMIS selbst basiert auf SR Res. 1590 vom 24. März 2005. 326 Abass, NILR 2007, 415, 432 ff. 327 Krohn, VN 2008, 167, 168. 328 SR Res. 1744 vom 20. Februar 2007 unter Kenntnisnahme von PSC/PR/COMM LXIX 19. 01. 2007 Nr. 14. 329 PSC/PR/COMM LXIX 19.01.2007. 330 Gray, 380; Krohn, VN 2008, 167, 169. 325

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

g) ECOWAS Weiter ist die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) als subregionale Organisation aktiv in der Friedenssicherung auf dem afrikanischen Kontinent tätig. Allerdings weisen gerade diese Operationen häufig Zweifel im Hinblick auf ihre Konformität mit der UN-Charta auf. Gegründet als Wirtschaftsgemeinschaft, dehnte ECOWAS ihre Tätigkeiten schon früh auf Sicherheitsfragen aus und versteht sich mittlerweile selber als regionale Abmachung im Sinne des Kapitels VIII UN-Charta.331 Eine ausdrückliche und vor Beginn der Einsätze erteilte Mandatierung durch den Sicherheitsrat, entweder nach Kapitel VII oder VIII UN-Charta, hat bisher noch nicht stattgefunden.332 Dennoch weisen die bisher durchgeführten ECOMOG-Einsätze333 zumeist Berührungspunkte mit den Vereinten Nationen auf. Der erste friedenssichernde Einsatz ab August 1990 stand im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Liberia. ECOWAS handelte nicht auf Einladung und ersuchte keine Autorisierung durch den Sicherheitsrat.334 Dennoch hat der Sicherheitsrat, nach einer Phase längeren Schweigens, in seiner ersten offiziellen Reaktion das Vorgehen von ECOWAS willkommen geheißen.335 Der zweite ECOWAS-Einsatz in Sierra Leone (1997 – 2000) erfolgte nach einem ähnlichen Muster. Nachdem die Folgen eines Bürgerkrieges Sierra Leone 1997 im Chaos versinken ließen, beschloss ECOWAS, Sanktionen zu verhängen und diese durch ECOMOG gewaltsam durchzusetzen. Allerdings hatte der Sicherheitsrat die Situation bereits verurteilt, und auch die OAU hatte eindringlich an ECOWAS appelliert, friedenssichernd einzugreifen.336 Weiter legte ECOWAS bald nach ihrem eigenen Beschluss die Maßnahmen dem Sicherheitsrat vor, der im Oktober 1997 die Sanktionen unter Bezug auf Kapitel VII bestätigte und gleichzeitig ECOWAS unter Verweis auf Kapitel VIII und Art. 53 UN-Charta zur Durchsetzung ermächtigte.337 1998 installierten die Vereinten Nationen dann parallel zu ECOMOG eine Beobachtermission (UNOMSIL), die 1999 durch eine größere und bewaffnete Peacekeeping Truppe abgelöst wurde (UNAMSIL).338 Eine besonders enge Verbindung zu den Vereinten Nationen weisen die ECOWAS-Einsätze in der Elfenbeinküste und abermals in Liberia auf. In der Elfenbeinküste kam es 2002 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Streit über die zukünftige Führung des Landes. ECOWAS beschloss im September 2002, mit Peacekeeping331

Abass, 35. Wilson, Int. Peacekeeping 2003, 89, 97. 333 Bei ECOMOG (Economic Community Monitoring Group) handelt es um eine von ECOWAS gegründete militärische Einheit für Friedenseinsätze. 334 Gestri, in: Bothe/OConnell/Ronzitti, 211, 219; Hakimi, Vanderbilt J. Transnat. L. 2007 643, 666 f. 335 SR Res. 788 vom 22. Januar 1991. 336 Gestri, in: Bothe/OConnell/Ronzitti, 211, 239. 337 SR Res. 1132 vom 8. Oktober 1997. 338 SR Res. 1181 vom 13. Juli 1998; SR Res. 1270 vom 22. Oktober 1999. 332

C. Friedensmissionen außerhalb der Führungsstruktur der VN

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Truppen einzugreifen, und begann, diese Anfang Januar 2003 zu stationieren, nachdem es unter französischer Verhandlungsführung zu einem Friedensabkommen zwischen den Konfliktparteien gekommen war. Das ECOWAS-Vorhaben wurde unterstützt durch französische Soldaten, die bereits aufgrund bilateraler Abkommen im Land stationiert waren. Auf Seiten der Vereinten Nationen wurden die Bemühungen der ECOWAS zunächst durch ein Presidential Statement willkommen geheißen.339 Im Februar 2003 verabschiedeten sie weiter eine Resolution, die einerseits die durchgeführten Einsätze der ECOWAS und Frankreichs begrüßte und sie andererseits mit einem Kapitel VII-Mandat ausstattete.340 Am 4. April 2004 übernahm dann die UNgeführte Mission UNOCI alle Verantwortlichkeiten der ECOWAS.341 Zu einer weiteren Intervention in Liberia kam es, als 2003 der Bürgerkrieg gegen das Regime Charles Taylors erneut aufflammte. Die Vereinten Nationen reagierten dieses Mal umgehend und autorisierten bereits einen Tag nach dem ECOWAS-Beschluss den Einsatz einer multinationalen Truppe.342 Als Taylor wenig später außer Landes floh, kam es zu einem Friedensabkommen zwischen den Parteien. Der Sicherheitsrat verabschiedete am 19. September 2003 Resolution 1509 als Rechtsgrundlage eines Einsatzes unter UN-Führung. UNMIL übernahm die Friedensmission der ECOWAS schließlich am 1. Oktober 2003.343 h) OAS Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) versteht sich nach Art. 1 ihres Gründungsvertrages selbst als Regionalorganisation im Sinne des Kapitels VIII UN-Charta.344 Sie hat eine umfassende militärische Geschichte aufzuweisen, ist bisher aber nicht durch den Sicherheitsrat zur Durchführung von Friedensmissionen mandatiert worden. Die OAS hat vielmehr während des Kalten Krieges in mehreren Fällen militärische und nicht-militärische Zwangsmaßnahmen durchgeführt und hiermit Diskussionen im Sicherheitsrat und der Völkerrechtswissenschaft über die Auslegung von Art. 53 UN-Charta herbeigeführt.345 Zu nennen ist hier insbesondere die Intervention in der Dominikanischen Republik im April 1965 durch amerikanische Streitkräfte, die nach intensiven Protesten durch Truppen unter der Schirmherrschaft der OAS ersetzt wurden.346 .

339 340 341 342 343 344 345 346

Security Council Presidential Statement, UN Doc. S/2002/42 vom 20. Dezember 2002. SR Res. 1464 vom 23. Februar 2003. SR Res. 1528 vom 27. Februar 2004. SR. Res. 1497 vom 1. August 2003. SR Res. 1529 vom 19. September 2003. Charter of the Organization of American States, 30. April 1948, UNTS 119, 3, 48. Wolfrum, ZaöRV 1993, 576, 583; Walter, 158 ff. Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 162.

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Kap. 1: Friedensmissionen im System der kollektiven Sicherheit der VN

Anders als andere Organisationen hat die OAS ihre friedenssichernden Aktivitäten in den letzten Jahren nicht ausgeweitet. Der Grund ist wohl die dominierende Rolle der Vereinigten Staaten, die es vorziehen, entweder unilateral zu handeln, oder auf eine Kooperation mit der NATO setzen und so ihre militärisch und politisch stärkeren Verbündeten einbeziehen. Nennenswerte Überschneidungen der OAS- und UN-Tätigkeit gab es bisher nur in Haiti. Nach dem Sturz von Präsident Aristide hatte die OAS wirtschaftliche Sanktionen gegen die neue Militärdiktatur verhängt, die von der UN und auf Anfrage der Exilregierung übernommen wurden.347 1993 kam es dann zu einer gemeinsamen zivilen Mission von UN und OAS auf Haiti. Nachdem kurz darauf ein Friedensabkommen geschlossen wurde, sind UN-Friedenstruppen unter verschiedenen Mandaten in Haiti aktiv.348 i) Sonstige Organisationen Neben den genannten Organisationen haben noch weitere regionale Organisationen Peacekeeping-Operationen durchgeführt. In Art und Umfang waren diese Missionen allerdings weniger bedeutsam, und keine von ihnen ist auf ein ausdrückliches Mandat des Sicherheitsrats zurückzuführen. Hierzu gehören unter anderem die Einsätze des Commonwealth of Independent States (CIS) in Tadschikistan, der Southern African Development Community (SADC) in Lesotho oder der Economic and Monetary Community of Central African States (CEMAC) in der Zentralafrikanischen Republik und dem Kongo.349 5. Bewertung der Entwicklung Es hat sich gezeigt, dass eine UN-mandatierte Mission sich aufgrund der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht präzise bestimmen lässt. Dem typischen Fall, in dem der Sicherheitsrat Staaten oder internationale Organisationen zur Durchführung eines Einsatzes ersucht, stehen zahlreiche Operationen gegenüber, die sich in einer Grauzone bewegen. Entweder macht der Sicherheitsrat nicht deutlich, ob er eine Mission unter sein Mandat stellt, oder es ist unklar, ob ein solches für die konkreten Aufgaben überhaupt notwendig ist. Allerdings ist die Auslagerung von Aufgaben zur Friedenssicherung mittlerweile so dominant, dass sie nicht mehr umkehrbar ist. UN-geführten und UN-mandatierten Missionen ist gemein, dass sie gleichermaßen vom politischen Willen der Mitgliedstaaten abhängen. Blauhelme der UN werden aber immer noch als neutrale und übergeordnete Einheiten wahrgenommen, die mit der Unterstützung der Staatengemeinschaft handeln. Demgegenüber werden nationale Kontingente, unabhängig von ihrem Auftrag und Auftreten, eher mit einer 347

SR Res. 841 vom 16. Juni 1993. UNMIH (1993 – 1996); UNSMIH (1996 – 1997); UNTMIH (1997); MIPONUH (1997 – 2000); MINUSTAH (seit 2004). 349 Bellamy/Williams, Int. Sec. 2005, 157, 172. 348

D. Zusammenfassung

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klassischen Konfliktpartei assoziiert. Unter Effektivitätsgesichtspunkten jedoch schneiden UN-mandatierte Missionen häufig besser ab. Sie sind flexibler und finden häufig mit der Beteiligung und Ausrüstung starker Militärnationen statt, die ihre Truppen nur sehr zögerlich dem Kommando der Vereinten Nationen unterstellen.

D. Zusammenfassung Anhand dieser Darstellung wird zunächst deutlich, dass eine effektive Friedenssicherung nicht durch die antiquierten Vorschriften der Charta betrieben werden kann. Einerseits wird der Sicherheitsrat noch immer von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs kontrolliert, die weder das geographische noch das geopolitische Mächteverhältnis der heutigen Welt widerspiegeln. Die jüngsten Reformbestrebungen bezüglich der personellen Zusammensetzung des Sicherheitsrates sind im Jahr 2005 vorerst gescheitert.350 Andererseits entwickelten und etablierten sich schon früh Alternativen. Unterschied man zunächst zwischen Peacekeeping und Zwangsmaßnahmen, deren Durchführung durch ein Mandat an die Mitgliedstaaten übertragen werden musste, haben sich diese Mittel im Laufe der Zeit vermengt. Friedensmissionen enthalten nun auch zwingende Elemente und werden sowohl durch den Vereinten Nationen zur Verfügung gestellte Truppen als auch durch mandatierte Truppen der Mitgliedstaaten durchgeführt. Tendenziell werden Operationen, die starke militärische Elemente aufweisen und in deren Zusammenhang es deshalb auch schneller zu Völkerrechtsverletzungen kommen kann, eher in die Zuständigkeit anderer internationaler Organisationen oder Staaten gestellt. Neben der kritisch zu betrachtenden steigenden Anzahl unilateraler Friedensmissionen sind die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten UN-mandatierter Missionen deutlich geworden. Im Unterschied zu UN-Friedensmissionen folgen sie keiner klaren Organisationsstruktur und entziehen sich deshalb einer präzisen Definition. Hieraus resultieren die Schwierigkeiten bei der Bewertung ihrer Zurechnungslage, die deshalb nicht allgemeingültig vorgenommen werden kann, sich aber aufgrund der vergleichbaren Aufgaben an UN-geführten Friedensmissionen orientieren muss.

350 Vgl. hierzu die Reformvorschläge in: Kofi Annan, Report of the Secretary-General, In Larger Freedom: Towards Development, Security and Human Rights for all, UN Doc. A/59/ 2005 vom 21. März 2005. Hierzu auch z. B.: Strydom, South African YBIL 2006, 95; Pleuger, Praxishandbuch UNO, 683.

Kapitel 2

Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten und Internationalen Organisationen Internationale Friedensmissionen werden von nationalen Kontingenten der Mitgliedstaaten durchgeführt. Grundsätzlich stellen nationale Streitkräfte neben der Regierung und der Verwaltung einen eigenständigen Ausschnitt der Exekutivgewalt eines Staates dar.1 In ihrer Funktion als Streitkräfte handeln sie stets hoheitlich, so dass ihre Handlungen als solche des Staates gelten und daher prinzipiell dem Heimatstaat zuzurechnen sind.2 Die entscheidende Frage lautet daher, ob sich diese Stellung durch die Eingliederung in eine internationale Friedensmission ändert und ob anstelle oder neben dem Staat ein weiteres Völkerrechtssubjekt als Zurechnungssubjekt in Betracht kommt. Da weder die Zurechnung noch die Verantwortlichkeit exklusiv bei einem Völkerrechtssubjekt bestehen muss,3 kann sich eine Lösung sowohl aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit als auch aus dem der Verantwortlichkeit internationaler Organisationen ergeben. Aus diesem Grund werden die Entstehung und der Inhalt beider Rechtsregime zunächst dargestellt.

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit I. Historische Entwicklung Es besteht seit langer Zeit Einigkeit darüber, dass ein Verstoß gegen das Völkerrecht die Verantwortlichkeit des Verursachers begründet. Bereits der Ständige Internationale Gerichtshof erkannte als allgemeinen Rechtsgrundsatz an, dass der Verstoß gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung die Pflicht zur Wiedergutmachung auslöst.4 Dieser generelle Grundsatz folgt aus der Rechtsqualität der Völkerrechtsordnung und bildet das Gegenstück völkerrechtlicher Verhaltenspflichten. Eine Negierung ist also nur unter Aberkennung des rechtlichen Charakters zwischenstaatlicher Beziehungen möglich.5 Auch die staatliche Souveränität eignet sich nicht als Deck1

Brownlie, 140; Larsen, EJIL 2008, 509, 518. Lüder, 58. 3 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/541 vom 2. April 2004, 3, para. 6 ff. 4 StIGH, Factory at Chorzw, Series A, No.17 (1928), 1, 29. 5 Stein/von Buttlar, 400, Rn. 1103; Epiney, 35. 2

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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mantel für völkerrechtliche Verantwortlichkeit, sondern bildet im Gegenteil ihre Grundlage.6 Selbst nach dem klassischen – und heute überkommenen – Verständnis von Souveränität war diese zweigeteilt. Intern umfasste sie die absolute Rechtssetzungsmacht gegenüber dem Staatsvolk, auf externer Seite beinhaltete sie das Recht, keinem anderen Souverän Folge leisten zu müssen.7 Eine Verletzung einer völkerrechtlichen Norm führt aber zur Beschränkung der externen nationalen Souveränität eines anderen Staates und damit, ohne Ausgleichsanspruch, zu einer dauerhaften Verletzung der souveränen Gleichheit. Der Grundsatz völkerrechtlicher Verantwortlichkeit ist ferner auf die übrigen Subjekte des Völkerrechts übertragbar. Denn wer Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist, kann diese in gleicher Weise wie ein Staat auch verletzen. Die größte Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang internationalen Organisationen zu, die aufgrund des stetig wachsenden internationalen Rechtsverkehrs als zwischenstaatliche Akteure weiter an Bedeutung gewinnen. Ihre Rechtssubjektivität leitet sich aus der Ermächtigung seitens der Mitgliedstaaten als originäre Subjekte des Völkerrechts ab und ist in ihrem Umfang hierauf beschränkt.8 Diese Konstruktion der partiellen Völkerrechtssubjektivität ergibt sich notwendig aus der Erweiterung der Teilnehmer am völkerrechtlichen Verkehr und wurde vom IGH bereits im BernadotteGutachten aus dem Jahr 1949 bestätigt.9 Obwohl dieses Gutachten ausschließlich die Vereinten Nationen behandelte, erachtete man die Aussage für universell auf alle internationalen Organisationen anwendbar. Spätestens seit diesem Zeitpunkt galt die Lehre vom Staat als einziges Völkerrechtssubjekt, die auch von der sozialistischen Völkerrechtslehre vertreten wurde, als überholt.10 Später wiederholte der Gerichtshof seine Aussage in einem generelleren Zusammenhang und befand, dass internationale Organisationen Völkerrechtssubjekte sind und als solche an das Völkerrecht gebunden sind.11

II. Einfluss des modernen Völkerrechts Allerdings könnte man darüber nachdenken, ob Entwicklungen des modernen Völkerrechts in der Lage sind, die Bedeutung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit zu verringern. Hier ist insbesondere an das Völkerstrafrecht zu denken, das entgegen dem ursprünglichen Verständnis von Völkerrecht eine individuelle Verantwortlich-

6

Ibid., 36 f.; Ziegler, 86. Malanczuk, 17. 8 Eagleton, RdC 1950, 323, 386; Hailbronner, in: Vitzthum, 168, Rn. 9; Schmalenbach, 61. 9 IGH, Reparations for Injuries Suffererd in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 174, 179. 10 Epping, in: Ipsen, § 4, Rn. 2. 11 IGH, Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt, ICJ Reports 1980, 73, 89 – 90, para. 37. 7

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

keit für bestimmte Verstöße gegen Normen des Völkerrechts begründet.12 Daraus folgt, dass ein Völkerrechtssubjekt und ein Individuum für einen Völkerrechtsverstoß parallel verantwortlich sein können.13 Begreift man Staatenverantwortlichkeit aber nur als Ersatz für die fehlende Bestrafungsmöglichkeit des eigentlichen Täters, könnte man gegen diese Lösung der parallelen Verantwortlichkeit einwenden, dass ein wirksames Völkerstrafrecht die Staatenverantwortlichkeit als überkommene Idee der kollektiven Schuld überflüssig macht. Unterstützung für diese Ansicht findet sich im Nürnberg-Urteil, das als Grundlage des modernen Völkerstrafrechts gilt, und in dem es heißt, dass Völkerrecht nur durch die Bestrafung des Einzelnen durchgesetzt werden kann, da auch Verstöße von Menschen und nicht von Staaten begangen werden.14 Auch die IGH-Richter Vereshchetin und Shi erklärten, dass sie nicht den IGH, sondern das Jugoslawien-Tribunal für die geeignete Instanz halten, um über den Völkermord in Bosnien zu urteilen.15 Die besseren Gründe sprechen aber für eine strikte Trennung und damit eine parallele Anwendung der Verantwortlichkeitsregime. Sie verfolgen weder die gleichen Ziele, noch decken sie das gleiche Unrecht ab. Staatenverantwortlichkeit ergibt sich bereits als Kehrseite der Souveränität und wirft dem Staat vor, die Handlung erleichtert, nicht verhindert oder den Täter nicht bestraft zu haben.16 Die übergeordneten Ziele des Völkerstrafrechts sind dagegen weniger klar zu bestimmen, doch geht es im Ergebnis ausschließlich um die Bestrafung eines Täters für eine bestimmte Tat.17 Die Behandlung einer Völkerrechtsverletzung ausschließlich nach Völkerstrafrecht würde auch das häufige Zusammenwirken zwischen Staat und Einzelnem ignorieren.18

III. Begriff der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Trotz der Verbreitung des Begriffs der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit wird sein Inhalt nicht immer einheitlich verstanden. In der deutschen Rechtsterminologie wird häufig auch von völkerrechtlicher Haftung gesprochen, ohne dass auf das Verhältnis der beiden Begriffe untereinander eingegangen wird. So werden Verantwort12

Nollkaemper, ICLQ 2003, 615, 617. Ibid., 618 f.; Rome Statute of the International Criminal Court, UN Doc. A/CONF.183/9, Art. 25 Abs. 4 (Rom-Statut); ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, GA Res. 56/83 vom 12. Dezember 2001, Art. 58; ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, Art. 63. 14 France v. Goering et al., (1946) 22 IMT 203, 406 (Hervorhebung durch Verfasser). 15 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro) (Preliminary Objections), ICJ Reports 1996, 595, Joint Declaration of Judge Shi and Judge Vereshchetin, 2. 16 Jennings/Watts, 501. 17 ICTY, The Prosecutor v. Plavsˇic´, Case No. IT-00-39&40/1-S-T, Sentencing Judgement vom 27. Februar 2003, para. 79 – 81; Bantekas/Nash, 10. 18 Nollkaemper, in: Koufa, 55, 57 ff. 13

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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lichkeit und Haftung teilweise synonym verwendet,19 größtenteils aber differenziert betrachtet.20 Stellt man ihnen die Begriffe des internationalen Sprachgebrauchs gegenüber fällt auf, dass die drei englischen Begriffe der „responsibility“, „liability“ und „accountability“ in Betracht kommen, das Französische aber ausschließlich „responsabilit“ kennt. Rechtsterminologisch ist die Beziehung zwischen „responsibility“ und „liability“ aber ebenso ungeklärt wie die zwischen Verantwortlichkeit und Haftung.21 Während Verantwortlichkeit mit „responsibility“ korreliert, wird „liability“ zumeist mit Haftung übersetzt. Letzteres Begriffspaar ist aber nicht zwingend, da „liability“ sowohl im internationalen Vertragsrecht, also auch in der Literatur für unterschiedliche Konstellationen gebraucht wird. Im internationalen Umweltrecht steht „liability“ teilweise für eine Haftung nach nationalem Recht,22 während die Völkerrechtskommission „liability“ auf die Wiedergutmachung von durch völkerrechtsgemäße Handlungen verursachte Schäden bezieht.23 „Accountability“ hingegen fehlt es an einem deutschen Äquivalent. Es handelt sich um einen allgemeinen Oberbegriff, der im englischsprachigen Schrifttum allerdings zunehmend an Bedeutung gewinnt und,24 der neben Verantwortlichkeit und Haftung auch eher politische Erwägungen wie zum Beispiel Fragen von good governance umfasst.25 Aufgrund der verschiedenen Nuancen, die in den Begriffen Verantwortlichkeit, responsibility, Haftung und liability enthalten sind, empfiehlt es sich, sie auf eine einfache und allgemeingebräuchliche Ebene zu reduzieren. Demnach ist Verantwortlichkeit im Einklang mit der ILC in einem tatsächlichen Sinne zu verstehen und ordnet die Verletzung einer primären Verpflichtung einem Völkerrechtssubjekt zu. Im Unterschied dazu ist Haftung enger; sie setzt erst als Folge ein und verpflichtet das Völkerrechtssubjekt zur Wiedergutmachung eben der Verletzungshandlung.26 Haftung ist daher, anders als Verantwortlichkeit, auch ein reiner Rechtsbegriff.27 Dieser Interpretation folgt in weiten Teilen auch die UN-Seerechtskonvention, wenn sie zum Beispiel bestimmt, dass „ein Vertragsstaat oder eine internationale Organisation für einen Schaden [haftet], der auf das Versäumnis zurückzuführen ist, die ihnen aus die-

19

Ipsen, in: Ipsen, § 39, Rn. 2. Wolf, 37 ff.; Schmalenbach, 40. 21 Boyle, ICLQ 1990, 1, 8 ff.; Pinto, NYIL 1985, 17, 24 ff.; Horbach, LJIL 1991, 47, 48 ff.; Goldie, NYIL 1985, 175, 179 ff. 22 Paris Convention on Third Party Liability in the Field of Nuclear Energy, 29. Juli 1960, BGBl. 1976 II, 310, UNTS 956, 251; Vienna Convention on Civil Liability for Nuclear Damage, 21. Mai 1963, UNTS 1063, 265; International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage, 29. November 1969, BGBl. 1975 II, 301, UNTS 973, 3. 23 YBILC 1973 I, 211, para. 37; YBILC 1980 II/1, 253, para. 20 f., ILC Report 2002, 229. 24 Curtain/Nollkaemper, NYIL 2005, 3, 4; Brune, NYIL 2005, 21, 22; Stephens, Wisconsin ILJ 2003, 527; Reinisch, GYIL 2001, 270. 25 Curtain/Nollkaemper, NYIL 2005, 3, 4; Zwanenburg, 63; Schermers/Blokker, § 1582. 26 Goldie, NYIL 1985, 175, 180; Boyle, ICLQ 1990, 1, 9; Schmalenbach, 40. 27 Wolf, 43; Lüder, 45. 20

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

sem Teil erwachsenden Verantwortlichkeiten zu erfüllen“.28 Obwohl daraus folgt, dass beide Rechtsregime miteinander verknüpft sind, geht es im Folgenden um die Verantwortlichkeit für völkerrechtswidrige Handlungen im soeben beschriebenen weiteren Sinne.

IV. Die Kodifikationsbemühungen der ILC Im Unterschied zur bloßen Existenz völkerrechtlicher Verantwortlichkeit ergeben sich in der Ausgestaltung dieses Grundsatzes wesentlich größere Probleme. Denn anders als Individuen in Privatrechtsverhältnissen handelt eine juristische Person nicht selber, sondern entscheidend ist, ob und warum sie für das in Frage stehende tatsächliche Geschehen verantwortlich ist. Geht es im Fall nationaler Kontingente UN-mandatierter Missionen für die Staatenverantwortlichkeit also um die Verbindung von Individuum und Staat, kommt bei der Verantwortlichkeit internationaler Organisationen eine weitere Ebene dazu. Jedes Teil des Kontingents ist immer auch mit seinem Heimatstaat verbunden. Weiterhin fraglich ist, welche Folgen sich aus einer Rechtsverletzung und der damit verbundenen Verantwortlichkeit ergeben. Diesen Fragen widmete sich unter anderem die Völkerrechtskommission, deren umfangreiche Arbeiten in Bedeutung und Gewicht die übrigen Ansätze derart überwiegen, dass im Folgenden eine Konzentration auf diese erfolgt. 1. Staatenverantwortlichkeit Sowohl Bedeutung als auch die Schwierigkeiten einer Kodifikation des Rechts der Staatenverantwortlichkeit werden schon durch einen Blick auf die Dauer der Bemühungen deutlich. Bereits in ihrer ersten Sitzung im Jahre 1949 nahm die ILC das Recht der Staatenverantwortlichkeit in ihre Liste der zu kodifizierenden Rechtsgebiete auf. Abgeschlossen wurde dieses Vorhaben erst 2001 durch die Verabschiedung der Artikelentwürfe, welche die ILC der Generalversammlung zur Kenntnisnahme vorlegte und die sich als Annex in Resolution 56/83 befinden.29 Nachdem die Generalversammlung 1953 die ILC ersuchte, mit der Kodifikation zu beginnen, sobald sie dieses für zweckmäßig erachte,30 wurde 1955 der erste Berichterstatter F.V. Garca Amador ernannt. Er legte insgesamt sechs Berichte vor, denen aber weder innerhalb der ILC noch in der Praxis große Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Zurückzuführen ist dieses hauptsächlich auf die thematische und methodische Herangehensweise Amadors.31 Er beschränkte sich auf die Verantwortlichkeit von Staaten für die Behandlung fremder Staatsangehöriger, die sich auf ihrem Staats28 Art. 139 Abs. 2, Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, 10. Dezember 1982, BGBl. 1994 II, 1799, UNTS 1833, 3. 29 GA Res. 56/83 vom 12. Dezember 2001. 30 GA Res. 799 (VII) vom 7. Dezember 1953. 31 Epiney, 23 f.

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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gebiet aufhalten. Darüber hinaus konzentrierte er sich auf die materiellen Aspekte eben dieses klassischen Fremdenrechts mit der Folge, dass es an allgemein gültigen Regeln über die Voraussetzungen völkerrechtlicher Verantwortlichkeit fehlte. Für das Recht der Staatenverantwortlichkeit war diese erste Periode der ILC-Tätigkeit daher wenig ergiebig.32 Seine umfangreichen Arbeiten zum Fremdenrecht waren aber dennoch nicht vergeblich. So bilden sie den Ausgangspunkt für die ILC-Tätigkeit zum diplomatischen Schutz33 und haben einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung und Stärkung der internationalen Menschenrechte geleistet.34 Eine grundlegende Wende leitete die Entscheidung der Kommission ein, sich zunächst mit allgemeinen Regeln der Staatenverantwortlichkeit zu beschäftigen. Der neue Sonderberichterstatter wurde 1963 Roberto Ago, unter dessen Federführung ein Grundkonzept entstand, das sich auch im endgültigen Entwurf durchgesetzt hat. Entscheidend war die strikte Trennung zwischen primären und sekundären Normen des Völkerrechts, wobei sich die ILC ausschließlich der Bestimmung letzterer zuwandte. Während primäre Normen die Verhaltensregeln für Völkerrechtssubjekte ausgestalten, greifen sekundäre Normen erst bei einem Normenverstoß ein. Aus den Verletzungen der Primärnormen entsteht ein neues Rechtsverhältnis, in dem die Wiederherstellung der rechtmäßigen Situation neben oder an die Stelle des Interesses zukünftig völkerrechtskonformen Handelns tritt.35 Sekundärnormen regeln die neue Beziehung zwischen Verletzer und Verletztem beziehungsweise Dritten, indem sie Voraussetzungen und Inhalt festlegen.36 Die Durchsetzung der Normen wird teilweise als Tertiärebene bezeichnet.37 Im Jahr 1980 mündeten die Arbeiten Agos, der 1979 zum Richter am IGH berufen wurde, in die Annahme des ersten Teils der Draft Articles betreffend „the origins of state responsibility“ in erster Lesung durch die ILC.38 Seine Nachfolger Willem Riphagen und Gaetano Arangio-Ruiz legten weitere Berichte zu den Teilen zwei und drei des Konventionsentwurfes vor, die sich mit Inhalt und Form der Staatenverantwortlichkeit beziehungsweise ihrer Durchsetzung und der Streitbeilegung widmeten.39 32 Crawford, EJIL 1999, 435, 436; Mohamed Bennouna, Preliminary Report on Diplomatic Protection, UN Doc. A/CN.4/484 vom 4. Februar 1998, para. 58. 33 Milano, NYIL 2004, 85, 91; Wiessner, in: Koufa, 245, 246. 34 Ziegler, 80 f. 35 Ipsen, in: Ipsen, § 39, Rn. 7; Simma, AVR 1986, 357, 362. 36 ILC Report 2001, 31; Epiney, 25; Rauschning, BDGVR 1984, 7, 9. 37 Ziegler, 84. 38 YBILC, 1980 II/2, 26. 39 Riphagen, Preliminary Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/CN.4/330 vom 1. April 1980; id., Second Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/CN.4/344 vom 1. Mai 1981; id., Third Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/CN.4/354 und Add. 1 und 2 vom 5. Mai 1982; id., Fourth Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/CN.4/366 und Add. 1

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

1996 wurde die erste Lesung des Konventionsentwurfs schließlich abgeschlossen. Eine neue Dynamik erhielt das mittlerweile über 40 Jahre alte Projekt durch die Ernennung James Crawfords zum Sonderberichterstatter. Trotz zahlreicher Änderungen des ersten Entwurfs gelang es nach nur vier Berichten und vier Jahren 2001 die Draft Articles on State Responsibility in zweiter Lesung zu verabschieden.40 Die beibehaltene Trennung zwischen Primär- und Sekundärnormen wurde teilweise als künstlich und zu defensiv kritisiert,41 ist gleichzeitig aber für die weite Akzeptanz verantwortlich, den der Entwurf in den wenigen Jahren seines Bestehens erfahren hat. Obwohl die Draft Articles bisher nur als Annex einer Resolution der Generalversammlung existieren und somit keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen, beeinflussen sie die rechtlichen Beziehungen zwischen Staaten in einer Weise, die über das Gewicht vieler multilateraler Verträge hinausgeht.42 Mittlerweile beziehen sich sowohl internationale43 als auch nationale44 Gerichte auf den Entwurf, ohne dessen fehlende Rechtsverbindlichkeit zu thematisieren. Die Frage, ob und in welcher Form die vom 14. und 15. April 1983; id., Fifth Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/CN.4/380 vom 4. April 1984; id., Sixth Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/CN.4/389 vom 2. April 1985; id., Seventh Report on the Content, Forms and Degrees of International Responsibility (Part 2 of the Draft Articles), UN Doc. A/ CN.4/397 und Add. 1 vom 4. März und 23. April 1986; Arangio-Ruiz, Preliminary Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/416 und Add. 1 vom 18. und 27. Mai 1988; id., Second Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/425 und Add. 1 vom 9. und 22. Juni 1989; id., Third Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/440 und Add. 1 vom 19. Juli 1991; id., Fourth Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/444 und Add. 1 – 3 vom 12. und 25. Mai und 1. und 17. Juni 1992; id., Fifth Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/ 453 und Add. 1 – 3 vom 12. und 28. Mai und 8. und 24. Juni 1993; id., Sixth Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/461 und Add. 1, 2 vom 9. und 26. April, 14 Juni und 21. Juli 1994; id., Seventh Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/469 und Add. 1, 2 vom 9., 24. und 29. Mai 1995; id., Eighth Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/476 und Add. 1 vom 14. Mai 1996. 40 Crawford, First Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/490 vom 24. April 1998; id., Second Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/498 vom 17. März 1999; id., Third Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/507 vom 15. März 2000; id., Fourth Report on State Responsibility, UN Doc. A/CN.4/517 vom 2. April 2001. 41 Vgl. Epiney, 26 ff. 42 Caron, AJIL 2002, 857, 858. 43 Vgl. u. a. IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007; para. 385 ff.; IGH, Gabcˇkovo-Nagymaros Project, ICJ Reports 1997, 7, 39, para. 48 ff.; EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 28 ff.; EGMR, IlasÅu and others v. Russia and Moldova, Reports 2004–VII, para. 320; ICSID, CompaÇa de Aguas del Aconquija SA and Vivendi Universal v. Argentine Republic, Case No. ARB/97/3, Entscheidung vom 3. Juli 2002, para. 17. 44 BVerfG, Urteil vom 8. Mai 2007 – 2 BvM 1/03; Court of Cassation Italien, Ferrini v. Federal Republic of Germany, Decision No. 5044/2004, Entscheidung vom 11. März 2004, ILR 128, 658; House of Lords, Jones v. Saudi-Arabia, [2007] 1 AC 270, [2006] 2 WLR 1424, [2007] 1 All ER 113.

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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Artikelentwürfe in einen völkerrechtlichen Vertrag aufgenommen werden sollten, hat die Generalversammlung auf die vorläufige Agenda der Sitzung 2010 gesetzt.45 Im Lichte der bereits bestehenden Akzeptanz der Artikelentwürfe ist der Nutzen einer Kodifikation allerdings fraglich. Einerseits entfaltet ein Vertrag rechtliche Verbindlichkeit und garantiert das Fortbestehen der Artikelentwürfe, andererseits begrenzt er die dynamische Fortentwicklung von Normen.46 Eine gewisse Flexibilität ist aber den abstrakten Regelungen geschuldet, die eine Trennung von Primär- und Sekundärnormen notwendig macht. Obwohl lex specialis Regeln durch Art. 55 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit von der Anwendbarkeit ausgeschlossen sind, besteht die Möglichkeit, dass Verstöße gegen komplexe materielle Vorschriften einer Lösung über starre Sekundärnormen unzugänglich sind.47 Darüber hinaus stellen weite Teile des Entwurfs Gewohnheitsrecht dar und erlangen bereits dadurch rechtliche Geltung. Durch einen Vertrag, der möglicherweise nur durch wenige Vertragsparteien ratifiziert wird, könnte daher die Stellung des Gesamtsystems der sekundären Normen der Staatenverantwortlichkeit geschwächt werden.

2. Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen Seit dem im Jahr 1963 erfolgten Entschluss über die endgültige Vorgehensweise der ILC wurde die Verantwortlichkeit anderer Völkerrechtssubjekte, insbesondere internationaler Organisationen, aus dem Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit bewusst ausgeklammert. So heißt es in Art. 57 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, dass die vorliegenden Artikel die Verantwortlichkeit internationaler Organisationen und die Verantwortlichkeit von Staaten für das Handeln internationaler Organisationen unberührt lassen. Aus diesen Gründen wurden die Regeln der Staatenverantwortlichkeit durch die Literatur bisher sinngemäß auf internationale Organisationen angewendet.48 Im Jahr 2002 wurde die Frage nach der Verantwortlichkeit internationaler Organisationen schließlich auf die Tagesordnung der Völkerrechtskommission gesetzt. Seitdem sind jährlich Berichte des Sonderberichterstatters Giorgio Gaja erschienen,49 die in Aufbau und Struktur soweit möglich dem Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit folgen. Beide Rechtsregime sind in ihrer Anwendung aber 45

GA Res. 62/61 vom 6. Dezember 2007. Crawford/Peel/Olleson, EJIL 2001, 963, 969. 47 Aust, GYIL 2006, 165, 168. 48 Schermers/Blokker, § 1583; Pitschas, 43 ff.; Zwanenburg, 70; Frank, 115. 49 Gaja, First report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/532 vom 26. März 2003; id., Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/541 vom 2. April 2004; id., Third report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/553 vom 13. Mai 2005; id., Fourth report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/564 vom 28. Februar 2006; id., Fifth report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/583 vom 2. Mai 2007; id., Sixth report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/597 vom 1. April 2008; id., Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/610 vom 27. März 2009. 46

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

strikt voneinander zu trennen. Lediglich bei der im weiteren Verlauf der Untersuchung noch anzusprechenden möglichen Inanspruchnahme der hinter einer Organisation stehenden Mitgliedstaaten kommt es zu Überscheidungen. Der siebte Bericht von 2009 soll nach dem Wunsch des Sonderberichterstatters die Grundlage für die Annahme des Artikelentwurfs in erster Lesung durch die ILC darstellen. Neben den vier abschließenden Art. 61 – 64 beschäftigt sich dieser Bericht daher auch hauptsächlich damit, die noch offenen Fragen der vorangegangenen Berichte zu beantworten und den bisherigen Text unter Berücksichtigung der Reaktionen zu überprüfen.50 3. Rechtliche Qualität der Entwürfe Nach Art. 1 ILC-Statut gehört die Förderung der fortschreitenden Entwicklung des Völkerrechts und seine Kodifikation zu den Aufgaben der Völkerrechtskommission.51 Der gewohnheitsrechtliche Status der teilweise auf eine lange Tradition zurückgehenden Grundsätze des Rechts der Staatenverantwortlichkeit gilt heute als gesichert. Hierzu zählt auch das Gros der Zurechnungsregeln, während einige Vorschriften des zweiten und dritten Teils des Entwurfs wohl als Weiterentwicklung des geltenden Rechts entstanden sind.52 Der Rechtsstatus des Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen ist dagegen zweifelhafter. Die Rechtssubjektivität internationaler Organisationen hat sich im Verhältnis zu Staaten erst spät entwickelt. Es existiert wenig Praxis, die darüber hinaus kein einheitliches Bild abzeichnet. Auch ist der ILC-Entwurf bisher weder abgeschlossen noch von der Generalversammlung angenommen, so dass der überwiegende Teil zum jetzigen Zeitpunkt nicht dem Gewohnheitsrecht zugerechnet werden kann.53

V. Elemente einer völkerrechtswidrigen Handlung Der Begriff der völkerrechtswidrigen Handlung stellt den Ausgangspunkt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit dar. So heißt es in Art. 1 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit, dass jede völkerrechtswidrige Handlung eines Staates die völkerrechtliche Verantwortlichkeit dieses Staates zur Folge hat. Der parallele Art. 3 Abs. 1 des ILC-Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen legt eben dieses für internationale Organisationen fest. Insbesondere in Bezug auf internationale Organisationen wirkt dieser Grundsatz etwas verkürzt, da gemäß Art. 1 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler 50 Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, para. 1 ff. 51 Statut der Völkerrechtskommission, GA Res. 174 (II) vom 21. November 1947. 52 Schröder, in: Vitzthum, 585, Rn. 7. 53 Larsen, EJIL 2008, 509, 518; Hafner, in: FS Bothe, 103, 119.

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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Organisationen auch solche Fragen der Staatenverantwortlichkeit in den Anwendungsbereich des Entwurfs fallen, die notwendig mit dem völkerrechtswidrigen Verhalten von internationalen Organisationen verbunden und daher auch gemäß Art. 57 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit von diesem ausgelassen worden sind. Nach der Ansicht der ILC trifft diese grundsätzliche und simplifizierte Vorschrift aber keine Aussagen über die weitere Verantwortlichkeit anderer juristischer Personen, so dass kein Grund bestand, von der Formulierung zur Staatenverantwortlichkeit abzuweichen.54 Weiterhin stellen beide Vorschriften im Umkehrschluss klar, dass weder die zivilrechtliche Haftung noch Fragen der Verantwortlichkeit für völkerrechtskonformes Verhalten Gegenstand der Bestimmungen sind. Die Elemente einer völkerrechtswidrigen Handlung werden in Art. 2 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit beziehungsweise in Art. 3 Abs. 2 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen weiter ausgestaltet. Eine völkerrechtswidrige Handlung eines Staates [einer internationalen Organisation] liegt vor, wenn ein Verhalten in Form eines Tuns oder Unterlassens (a) dem Staat [der internationalen Organisation] zurechenbar ist und (b) eine Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung des Staates [einer internationalen Organisation] darstellt. Diese Zweiteilung einer völkerrechtswidrigen Handlung in Zurechnung und Pflichtverletzung zeigt, dass völkerrechtliche Verantwortlichkeit unter der Bedingung zwei unterschiedlicher und voneinander unabhängiger rechtlicher Bewertungen besteht. Es gehört zur etablierten völkerrechtlichen Praxis, dass untersucht wird, ob ein relevantes Verhalten überhaupt ein Staatshandeln darstellt und ob dieses weiter im Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen steht.55 1. Zurechnung der Handlung In Übereinstimmung mit der auch von der ILC eingeschlagenen Reihenfolge werden in diesem Abschnitt die Grundregeln der Zurechenbarkeit als Voraussetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit, differenziert zwischen Staaten und internationalen Organisationen, aufgezeigt. Die Reihenfolge der Unrechtselemente ist nicht zwingend, aber durchaus schlüssig, da andernfalls eine Völkerrechtsverletzung im Raum stünde, für die es aber keine Verletzungshandlung gibt. Die Zurechnung einer Handlung zu einem Völkerrechtssubjekt ist daher das Bindeglied zwischen Verletzung und Verantwortlichkeit. Als Zurechnungssubjekt kommen solche Rechtsper54

Gaja, First report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/532 vom 26. März 2003, para. 38. 55 Dickson Car Wheel Company, UNRIAA IV, 669, 678 (1931), StIGH, Phosphates in Morocco, Series A/B, No. 74, 10, 28 (1938); IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, ICJ Reports 1980, 3, 29, para. 56; IGH. Military and Paramilitary Action in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, 117 – 118, para. 226.

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

sonen in Betracht, die potenziell Täter und Opfer völkerrechtswidriger Handlungen sein können, also deliktsfähig sind. Diese Rechtsterminologie ist im deutschen Sprachgebrauch fest verankert und beschreibt ein „mehr“ an Rechtspersönlichkeit. Während Rechtssubjektivität als rein passive Eigenschaft verstanden wird, bedeutet Deliktsfähigkeit als eine Ausprägung der Handlungsfähigkeit die Fähigkeit, selbst deliktische Handlungen vorzunehmen oder Opfer einer solchen zu werden.56 Aufgrund ihrer universalen Völkerrechtsfähigkeit handelt es sich bei Staaten um die primären Zurechnungssubjekte. Aber auch internationale Organisationen nehmen am Rechtsverkehr teil und können daher Zurechnungssubjekt völkerrechtswidriger Handlungen sein. a) Zurechnungsregeln für Staaten Ausgangspunkt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten ist immer das tatsächliche Verhalten und seine Beziehung zum Staat. Hierbei lautet die Grundregel, dass Handlungen von Organen dem Staat zurechenbar sind, Handlungen von Privaten hingegen nicht. Diese Prinzip ist staatstheoretisch unumgänglich, da ein Staat nicht selber, sondern nur durch seine Organe handeln kann. Dieser in Art. 4 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit niedergelegte Grundsatz gehört daher auch zu den völkergewohnheitsrechtlich gesicherten Normen.57 Die Art. 4 – 11 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit konkretisieren, unter welchen Umständen ein Handeln als ein solches des Staates zu bewerten ist. Ausgehend von der Grundregel, dass jedenfalls Organverhalten dem Staat zurechenbar ist, wird der Begriff des Organs zunächst näher bestimmt. Demnach ist die Organstellung unabhängig von Art und Rang der ausgeübten Hoheitsgewalt, sowie von der Stellung innerhalb des Staatsaufbaus.58 Zu bewerten ist die Organstellung gemäß Art. 4 Abs. 2 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit nach innerstaatlichem Recht. Der Kommentar schränkt diesen Grundsatz aber dahingehend ein, dass bei lückenhaften oder fehlenden nationalen Regeln auf faktisches Verhalten zurückgegriffen werden muss.59 Auch Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, der de facto-Organe behandelt, zeigt, dass innerstaatliches Recht nicht uneingeschränkt gilt, sondern auf völkerrechtliche Normen als Korrektiv zurückgegriffen werden kann.60 Die übrigen Zurechnungsregeln der Art. 4 – 11 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit füllen die Grundregel der ausschließlichen Zurechnung von Organver56

Schmalenbach, 41 f. Claims of Italian Nationals Resident in Peru, UNRIAA XV, 399 (1901); IGH, Difference Relating to Immunity from legal process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, ICJ Reports 1999, 62, 87, para. 62; Lüder, 55; Epiney/Egbuna-Joss, SZIER/RSDIE 2007, 215, 220. 58 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 4 Abs. 1. 59 ILC Report 2001, 42, para. 13. 60 Ziegler, 101 f. 57

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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halten mit Inhalt, indem sie eine Richtschnur für solches Verhalten vorgeben, das sich an der Schnittstelle zwischen staatlichem und privatem befindet. Art. 5 – 7 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit knüpfen an die Organfunktion an. So ist hoheitliches Handeln auch dann zurechenbar, wenn es von Personen, die nicht die Voraussetzungen eines Staatsorgans nach Art. 4 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit erfüllen, oder von fremden Staatsorganen, die dem Gaststaat zur Verfügung gestellt wurden, ausgeführt wird.61 Art. 7 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit stellt klar, dass auch ultra vires-Handlungen die Verantwortlichkeit des Staates nicht ausschließen. Art. 8 – 11 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit beschäftigen sich mit Fällen, in denen äußerlich private Handlungen dennoch eine Zurechenbarkeit zu dem Staat begründen. Diese betreffen de facto-Organe, Kontrolle über das Staatsgebiet und Handlungen, die ein Staat als sein eigenes anerkennt. b) Zurechnungsregeln für Internationale Organisationen Der Kodifikationsentwurf der Verantwortlichkeit internationaler Organisationen soll, nach Abschluss der Arbeiten, unabhängig neben den Regeln zur Staatenverantwortlichkeit stehen. Da viele Fragen sich in paralleler Weise aber für Staaten und internationale Organisationen stellen, dient der Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit insoweit als Leitfaden, als dass von seinem Inhalt und seiner Struktur nur abgewichen werden soll, wenn es hierfür spezifische Gründe gibt.62 aa) Definition Internationale Organisation Anders als bei der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten erachtete die Völkerrechtskommission es notwendig, einen Artikel über die Verwendung des Begriffs der internationalen Organisation im Sinne des Entwurfs einzufügen. Er sollte eine angemessene und präzisere Definition ermöglichen als dies durch einen, häufig praktizierten, schlichten Verweis auf die Zwischenstaatlichkeit möglich ist.63 Der erste Definitionsversuch Gajas in Art. 2 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen lautete:64

61

ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 5 und 6. Gaja, First report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/532 vom 26. März 2003, 6, para. 11. 63 ILC Report 2001, 141, para. 2.; Art. 2(1)(i) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 23. Mai 1969, UNTS 1155, 331; Art. 2(1)(n) Wiener Konvention über die Nachfolge in völkerrechtliche Verträge, 23. August 1978, UNTS 1946, 3; Art. 2(1)(i) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen oder zwischen Internationalen Organisationen, 21. März 1986, A/CONF.129/15; Art. I(1)(1) Wiener Konvention über die Vertretung der Staaten in ihren Beziehungen zu Internationalen Organisationen mit universellem Charakter, 14. März 1975, abgedruckt in: AJIL 1975, 730. 64 Gaja, First report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/532 vom 26. März 2003, 18, para. 34. 62

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten For the purposes of the present draft articles, the term „international organization“ refers to an organization which includes States among its members insofar it exercises in its own capacity certain governmental functions.

Diese Formulierung hat umfassende Kritik im Sixth Committee of the General Assembly erfahren und ist daher bereits im ILC Report 2003 folgendermaßen umformuliert worden:65 For the purposes of the present draft articles, the term „international organization“ refers to an organization established by treaty or other instrument governed by international law and possessing its own international legal personality. International organizations may include as members, in addition to States, other entities.

Nicht in den Anwendungsbereich fallen damit Organisationen, die ausschließlich nach nationalem Recht gegründet worden sind. Indem als weiteres Kriterium nur die eigene Völkerrechtssubjektivität der internationalen Organisation angeführt wird, ist noch keine endgültige Entscheidung über die objektive Rechtspersönlichkeit internationaler Organisation getroffen worden.66 Diese könnte im Unterschied zur partikulären Völkerrechtssubjektivität auch nicht-anerkennenden Drittstaaten entgegengehalten werden.67 Andernfalls ist die Völkerrechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation im Verhältnis zu einem Staat stets abhängig von dessen Anerkennung. Die ILC beruft sich darauf, dass es im Rahmen der Definition der Rechtspersönlichkeit nicht notwendig sei, diese zu definieren und verzichtet daher auf eine Stellungnahme zu dieser umstrittenen Frage.68 Das Merkmal der Ausübung von governmental functions aus dem Recht der Staatenverantwortlichkeit ist nicht in den ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen übernommen worden. Es ist allerdings implizit enthalten in Art. 2 Satz 2 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, welcher die Rolle von Staaten innerhalb internationaler Organisationen betont. Es sind Staaten, die bestimmte Teile ihrer Hoheitsgewalt auf internationale Organisationen übertragen, so dass internationale Organisationen nur in diesem, wiederum durch Staaten, begrenzten Umfang hoheitlich handeln können.69 Sonderberichterstatter Gaja schlägt in seinem siebten Bericht außerdem vor, Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen um einen zweiten Absatz zu erweitern. Die Definition der Regeln einer internationalen Organisation soll von ihrem jetzigen Standort in Art. 4 Abs. 4 in Art. 2 ILC-Entwurf

65

ILC Report 2003, 33. Ibid., 42, para. 9. 67 Vgl. dazu: Schmalenbach, 63 ff.; Dold, 22 ff. 68 Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, para. 13. 69 ILC Report 2003, 43, para. 11 m.V.a. IGH, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, ICJ Reports 1996, 66, 78, para. 25. 66

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen verschoben werden, um zu verdeutlichen, dass sie sich allgemein auf den gesamten Entwurf bezieht.70 bb) Grenzen der Rechtspersönlichkeit Auch wenn die ILC bewusst darauf verzichtet hat, die Völkerrechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation zu definieren, muss ihre Reichweite spätestens für die Frage der Haftung bestimmt werden. Teilweise wird angenommen, dass die Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation grundsätzlich doppelt beschränkt ist, und zwar in Bezug auf den Organisationszweck und auf das Verhältnis zu ihren Mitgliedstaaten. Erst die Anerkennung der Organisation durch Drittstaaten ließe sie daher als Völkerrechtssubjekt auch gegenüber diesen entstehen.71 Da völkerrechtliche Handlungen einer internationalen Organisation sich stets aber auch auf Nichtmitglieder auswirken können, ist es schlüssiger anzunehmen, dass ihre Rechtspersönlichkeit unabhängig von der Anerkennung bereits durch den Gründungsakt entsteht.72 Die eigentliche Frage ist daher, ob die Völkerrechtspersönlichkeit Dritten entgegengehalten werden kann. Dieses wäre der Fall nach einem objektiven Verständnis der Rechtspersönlichkeit. Hierfür wird angeführt, dass internationale Organisationen von der Willensbildung ihrer Mitgliedstaaten unabhängig sind und dass ihre völkerrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber jedermann genau wie bei Staaten Ausfluss ihrer Völkerrechtssubjektivität sei.73 Für die Vereinten Nationen hat der IGH bereits im Bernadotte-Gutachten die objektive Rechtspersönlichkeit gegenüber dem NichtMitglied Israel anerkannt.74 Hieraus leitet die ILC ab, dass der IGH die Ansicht einer objektiven Rechtspersönlichkeit zu bevorzugen scheint, betont aber gleichzeitig, dass dieses nicht für alle Organisationen gelten könne, die auf dem Papier existierten.75 Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit einer internationalen Organisation wird aber erst durch den Gründungsvertrag ermöglicht, der für Dritte eine res inter alios acta darstellt.76 Da dieses sich erst mit der Anerkennung ändert, können haftungsrechtliche Folgen gegenüber dem Drittstaat auch erst ab diesem Zeitpunkt eintreten. Einzig die Vereinten Nationen nehmen hier nach überwiegender Ansicht eine Sonderrolle 70

Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, para. 10 ff. 71 Stein/von Buttlar, 121, Rn. 383; Seidl-Hohenveldern, 46, Rn. 0321. 72 Pitschas, 37; Gaja, First report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/532 vom 26. März 2003, 11, para. 19. 73 Köck/Fischer, 388; Pernice, AVR 1988, 406, 425; Seyersted, Indian JIL 1964, 1, 53; Dold, 24 ff. 74 IGH, Reparations for Injuries Suffererd in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 174, 185. 75 IILC Report 2003, 42, para. 9. 76 Klein, in: Vitzthum, 312, Rn. 104; Pitschas, 37; Schmalenbach, in: MPEPIL online edition, Rn. 23.

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

ein.77 Die Anerkennung selber kann zwar qualifiziert werden, geschieht dieses aber nicht ausdrücklich, impliziert die Aufnahme völkerrechtlicher Beziehungen mit einer internationalen Organisation die Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit in vollem Umfang.78 Im Falle internationaler Friedensmissionen erfolgt eine Anerkennung der beteiligten internationalen Organisationen durch den Gaststaat daher spätestens, wenn dieser der Einsetzung der Operation zustimmt. Nur wenn weder eine solche Zustimmung noch eine anderweitige Anerkennung vorliegen, kann es also zu der Situation kommen, dass der verletzte Staat direkt die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des für die Organisation handelnden Staates einfordern kann. Die Rechtspersönlichkeit der internationalen Organisation besteht gegenüber ihm dann nicht.

cc) Grundsätze der Art. 4 – 7 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen Die Grundregel für zurechenbares Handeln befindet sich wie im Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit in Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen. Während bei der Verantwortlichkeit von Staaten aber nur Staatsorgane relevant sind, nennt Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen neben Organen auch sonstige Vertreter (agents) der Organisation. Gemäß Art. 2 Abs. 2 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen umfasst agents alle Beamten und sonstige Personen und Einheiten, durch welche die internationale Organisation handelt. Zur Begründung verweist der Kommentar in erster Linie auf die Rechtsprechung des IGH. Dieser hat festgestellt, dass es für die Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen nur darauf ankomme, dass die zurechenbare Handlung durch eine Person ausgeführt werde, die auf irgendeine Weise von einem Organ der Organisation betraut worden sei, für die Organisation tätig zu werden.79 Im Jahr 2009 ist auf Wunsch einiger internationaler Organisationen dieser Wortlaut auch als zusätzliche Qualifikation in die Definition des Art. 2 Abs. 2 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen übernommen worden. Entscheidend ist also die funktionelle Bindung der Person zur Organisation und nicht ihr offizieller Status, was für andere internationale Organisationen genauso gilt, wie für die vom IGH behandelten Vereinten Nationen.80 Hintergrund ist, dass die offiziellen Organe einer internationalen Organisation in ihren Gründungsdokumen77

Klein, in: Vitzthum, 312, Rn. 104; Schmalenbach, in: MPEPIL online edition, Rn. 25; Meng, ZaöRV 1985, 324, 327 f.; Schermer/Blokker, 980, § 1568; Dupuy, RdC 1960, 461, 555. 78 Meng, ZaöRV 1985, 324, 327; Seidl/Hohenveldern, 91, Rn. 0709 ff.; Sands/Klein, 476, Rn. 16-016. 79 IGH, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, 174, 177; vgl. auch: IGH, Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, ICJ Reports 1989, 177, 194, para. 48; Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, ICJ Reports 1999, 62, 88, para. 66. 80 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 10, para. 18; ILC Report 2004, 106, para. 4.

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

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ten mitsamt möglichen Unterorganen festgelegt werden,81 bei der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgaben aber weitere natürliche und juristische Personen involviert werden. Voraussetzung ist aber, dass sie ausschließlich für die internationale Organisation handeln.82 Nationale Kontingente UN-mandatierter Friedensmissionen gelten deshalb nicht als agents im Sinne des Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, da sie nicht ausschließlich für eine internationale Organisation handeln, sondern gleichzeitig noch mit ihrem Heimatstaat verbunden sind. Diese allgemeine Lösung ist beanstandet worden, weil sie die zwei verschiedenen Kategorien von Organen internationaler Organisationen unberücksichtigt lasse.83 Einerseits können Organe aus organisationseigenen Vertretern bestehen, die unabhängig von ihrem Heimatstaat Funktionen ausschließlich im Interesse der Organisation wahrnehmen und damit mit förmlich ermächtigten Staatsorganen zu vergleichen sind (internationale Beamte).84 Andererseits wird ein Teil der Vertreter in Organen internationaler Organisationen von ihren Heimatstaaten entsandt, die in der Folge weisungsgebunden sind.85 Ob und in welchen Fällen Handlungen letzterer Vertreter der Organisation, dem Entsendestaat oder beiden Rechtssubjekten zuzurechnen sind, ist im Einzelnen umstritten.86 Die besseren Argumente sprechen jedoch für die Organisation. Die Willensbildung innerhalb eines Organs findet trotz Weisungsgebundenheit der Vertreter durch einen Dialog statt, in dessen Verlauf neben den Interessen des vertretenen Mitglieds auch solche anderer Mitgliedstaaten berücksichtigt und in einen Ausgleich gebracht werden müssen.87 Die Entscheidung des Organs spiegelt also niemals den Willen nur eines Mitglieds wider.88 Weiter ist eine Entscheidung über die Behandlung von mit weisungsgebundenen Vertretern besetzten Organen innerhalb des Artikelentwurfs auch nicht zwingend. Für die zu kodifizierende sekundärrechtliche Ebene der Verantwortlichkeit ist die Frage, wer als „organ or agent“ einer internationalen Organisation zu qualifizieren ist zwar relevant, doch handelt es sich gedanklich um eine Vorfrage, die sich auch nach den internen Strukturen der jeweiligen Organisation beurteilt. Auch die übrige Struktur der Zurechnungsregeln weicht teilweise von denen der Staaten ab. Anstelle von acht Vorschriften enthält der Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen nur vier Regeln. Handlungen von de-facto Organen sowie der Rechtsgedanke des Art. 5 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, dass auch das Verhalten von Nicht-Staatsorganen eine zurechenbare Handlung be81 82 83 84 85 86 87 88

Vgl. Art. 7, 22 und 29 UN-Charta. ILC Report 2004, 110, para. 1. Dold, 88 ff. Vgl. Art. 100 UN-Charta für den Generalsekretär und IGH-Richter. Dold, 88 f. Vgl. ibid., Fn. 352 – 355. Pitschas, 51. Ginther, 79; Butkiewicz, Pol YBIL 1981/82, 117, 126.

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

gründen kann, sind bereits in der weiteren Definition des Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen enthalten.89 Weiterhin wurde auf parallele Regelungen zu Art. 9 und 10 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit verzichtet, die an die Kontrolle über das Staatsgebiet anknüpfen. Obwohl die Vereinten Nationen derzeit Staatsgewalt zum Beispiel im Kosovo ausüben, hielt man einen derartigen Fall für nicht typisch genug, um ihm eine eigene Regelung einzuräumen.90 Stattdessen soll es hier zu einer analogen Anwendung der Regeln zur Staatenverantwortlichkeit kommen.91 Somit verblieben aus dem Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit nur noch Fälle der Organleihe, ultra vires Handlungen und die Anerkennung von Handlungen als eigene, die dann auch in Art. 5 – 7 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen ihren Niederschlag fanden. Die Zurechnung nationaler Kontingente bei Friedensmissionen wird hierbei durch Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen berücksichtigt und im Folgenden noch ausführlich behandelt.92 2. Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht Zur Begründung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Staates oder einer internationalen Organisation muss die zurechenbare Handlung auch gegen für sie geltendes Völkerrecht verstoßen. Die Rechtsverletzung ist also immer nur in Bezug auf eine konkrete Primärnorm zu bestimmen, weshalb die ILC-Entwürfe hierüber keinen weiteren Aufschluss geben können. Bei Friedensmissionen ist hier insbesondere an Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte zu denken. Mittlerweile ist anerkannt, dass beide Regelungsbereiche sich gegenseitig ergänzen und auch parallel zur Anwendung gelangen können.93 Die Einzelheiten der Anwendbarkeit auf internationale Friedensmissionen sind allerdings umstritten und werden für die Zwecke dieser Arbeit daher als gegeben vorausgesetzt. Grob skizziert ist der Anwendungsbereich des humanitären Völkerrechts eröffnet, sobald ein bewaffneter Konflikt stattfindet. Ist diese Schwelle überschritten, sind Staaten innerhalb ihrer jeweiligen Verpflichtungen an das humanitäre Völkerrecht gebunden. Agieren die einzelnen Kontingente einer internationalen Friedensmission als Staatsorgane der Mitgliedstaaten, gilt das humanitäre Völkerrecht dann also unzweifelhaft auch für sie. Schwieriger gestaltet sich die Behandlung von Truppen internationaler Organisationen. Sie können nicht Vertragspartei des kodifizierten humanitären Völkerrechts werden. Als Völkerrechtssubjekte sind sie aber 89

Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 28 f., para. 65 f. 90 Ibid., 29, para. 67 f. 91 Ibid., 28, para. 64. 92 s. u. Kapitel 3, A.I.1. 93 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, 136, 178, para. 106.

A. Grundsätze völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

93

insoweit an Völkergewohnheitsrecht gebunden wie es nach Sinn und Zweck auf sie anwendbar ist. Werden Organe einer internationalen Organisation also wie Kombattanten in einen bewaffneten Konflikt involviert, sind sie nach überwiegender Ansicht an die gewohnheitsrechtlichen Standards94 gebunden.95 Allerdings sind nach der Position der Vereinten Nationen ihre Einheiten zwar dem humanitären Völkerrecht verpflichtet, handeln aber für die internationale Gemeinschaft und können daher nicht als Konfliktpartei im Sinne der Vertragswerke betrachtet werden.96 Die praktische Bedeutung dieser Aussage ist aber spätestens seit dem Bulletin des Generalsekretärs aus dem Jahr 1999 überholt, in dem er in nicht abschließender Weise auf die für UN-Truppen anwendbaren Grundprinzipien und Grundregeln des humanitären Völkerrechts eingeht.97 In Bezug auf die Bindung an Menschenrechte ist die Situation für internationale Organisationen weitgehend mit dem humanitären Völkerrecht vergleichbar.98 Allerdings enthält bereits die Charta ein klares Bekenntnis zu den Menschenrechten, aus dem sich gewisse Verpflichtungen ableiten lassen können.99 Handeln Friedenstruppen als Staatsorgane, könnte der Schutz über dem des gewohnheitsrechtlichen Mindeststandards liegen. Dazu müssten vertragliche Menschenrechtsverpflichtungen auch extraterritorial anwendbar sein, was unter gewissen Voraussetzungen zumindest möglicherscheint.100 Am weitesten fortgeschritten ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des EGMR, der einige Kriterien anerkannt hat und diese stetig weiter entwickelt.101 Auch für den IBBürg ist sowohl durch den Menschenrechtsausschuss als auch durch den IGH anerkannt, dass er in Ausnahmefällen auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten gilt.102 Nach dem Ausschuss kommt es hierbei auf die

94 Vgl. hierzu die umfangreiche, 161 Regeln erfassende Studie des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, Henckaerts/Doswald-Beck (eds.). 95 Bothe, in: Vitzthum, 687 f., Rn. 62; Shraga, Int. Peacekeeping 1998, 64, 76; Glick, Mich.JIL 1995 – 1996, 53, 106; Murphy, CLF 2003, 153, 181; Schwendimann, 50. 96 Murphy, CLF 2003, 153, 174. 97 Secretary-Generals Bulletin on Observance by United Nations forces of international humanitarian law, UN Doc. ST/SGB/1999/13, reprinted in: ILM 1999, 1656. 98 Stoltenberg, ZRP 2008, 111, 112; Zwanenburg, LJIL 1998, 229, 233 ff. 99 Schwendimann,145. 100 Hierzu z. B. Lorenz, 7 ff.; Frank; Stoltenberg, ZRP 2008, 111, 112; Coomans/Kamminga. 101 EGMR, Loizidou v. Türkei (Merits), Reports of Judgments and Decisions 1996-VI, 2216, EGMR, Zypern v. Türkei, Reports of Judgments and Decisions 2001-IV; EGMR, Bankovic´ u. a. v. Belgien und 16 weitere NATO Staaten, Reports of Judgments and Decisions 2001-XII; EGMR, Issa v. Türkei, 41 EHRR 567; EGMR, Ilas¸cu v. Moldawien und Russland, ECHR 2004VII, 179. 102 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, 136, 180, para. 111; UN Human Rights Committee, General Comment 31 [80]: Nature of the Genaral Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 (2004), para. 10.

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Kap. 2: Völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten

effektive Kontrolle an, die auch durch Peacekeeping und Peace-enforcement Operationen sowie durch NATO-Einsätze entstehen könnte.103

VI. Rechtsfolgen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Der Inhalt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ist in weitgehend übereinstimmender Form in Art. 28 – 41 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit beziehungsweise in Art. 31 – 45 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen niedergelegt. Es entsteht ein neues Rechtsverhältnis zwischen dem verantwortlichen und dem verletzten Völkerrechtssubjekt, das den Erfüllungsanspruch in Bezug auf die verletze Primärnorm unberührt lässt und daher neben das ursprüngliche Rechtsverhältnis tritt.104 Aus dem fortbestehenden ursprünglichen Rechtsverhältnis folgt als logische Konsequenz die Pflicht zur Beendigung beziehungsweise Nichtwiederholung der Verletzung.105 Als weitere Hauptpflicht löst völkerrechtliche Verantwortlichkeit die Pflicht zur Wiedergutmachung aus. Diese kann in Form von Restitution, Schadensersatz oder Genugtuung geschuldet werden und ist in erster Linie abhängig von den Umständen im Einzelfall sowie dem Inhalt der verletzten Primärnorm.106 Während ein Staat sich niemals auf sein innerstaatliches Recht berufen kann, um die Nichterfüllung seiner Pflicht zu rechtfertigen, gilt dieser Grundsatz für internationale Organisationen nur in Bezug auf Nicht-Mitglieder. Für die Verantwortlichkeit gegenüber Mitgliedern kann durchaus das interne Recht der internationalen Organisation gelten, welches als spezielleres Recht die Ausgestaltung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit modifiziert.107 Ebenfalls in beiden Entwürfen der ILC finden sich besondere Folgen für die Verletzung von ius cogens Normen.108 Obwohl die Differenzierung zwischen den Normen teilweise kritisiert wird, hat die ILC auch im Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisation hieran festgehalten, ohne darauf einzugehen. Zur Durchsetzung der aus der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit entstehenden Ansprüche kann ein Staat nach den engen Voraussetzungen der Art. 49 – 54 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit eine Gegenmaßnahme ergreifen. Bei einer Gegenmaßnahme handelt es sich um eine an sich völkerrechtswidrige Handlung, die aber durch Ziel und Zweck gerechtfertigt ist.109 Ob und insbesondere gegen wen 103

Concluding Observations on Belgium vom 12. August 2004, CCPR/CO/81/BEL, para. 6. 104 IGH, Gabcˇkovo-Nagymaros Project, ICJ Reports 1997, 7, 68, para. 114; ILC Report 2001, 214, para. 2 f.; Felder, 100. 105 ILC Report 2001, 216, para. 1; ILC Report 2007, 202, para. 1. 106 ILC Report 2001, 235, para. 2 f. 107 ILC Report 2007, 205, para. 3 f. 108 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 40 – 41; ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen, Art. 44 – 45. 109 Schröder, in: Vitzthum, 593, Rn. 31; Felder, 106.

B. Ergebnis

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auch internationale Organisationen Gegenmaßnahmen ergreifen können, wird nicht einheitlich beantwortet. Auch wenn die Kommission einen vollständigen Ausschluss von Gegenmaßnahmen für unwahrscheinlich hielt, verzichtete sie zunächst auf eine allgemeine Vorschrift, die wie Art. 22 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit die Rechtswidrigkeit einer Handlung im Falle einer Gegenmaßnahme ausschließt.110 Diese sollte im Anschluss an die Erörterung der Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit und der damit zusammenhängenden Bedingungen zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen nachgeholt werden.111 In Art. 52 legte der Redaktionsausschuss sich darauf fest, dass sowohl ein Staat als auch eine internationale Organisation Gegenmaßnahmen gegen eine völkerrechtswidrig handelnde Organisation ergreifen können, sofern dieses nicht im Widerspruch zu den Regeln einer der beteiligten internationalen Organisationen steht. Diese Einschränkung spiegelt nunmehr auch die allgemeine Vorschrift über Gegenmaßnahmen gemäß Art. 19 Abs. 2 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen wider.112

B. Ergebnis Gemäß den dargestellten Grundsätzen kann also sowohl ein Staat als auch eine internationale Organisation völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Verletzungen ihrer jeweiligen Verpflichtungen innerhalb UN-mandatierter Friedensmissionen eingehen. Der Inhalt ihrer Verantwortlichkeit ist allerdings auf ihre völkerrechtlichen Pflichten gegenüber anderen Völkerrechtssubjekten beschränkt und berührt daher nicht direkt die Rechte Einzelner, denen durch die Handlungen von Friedenstruppen Schaden entstanden ist.113 Individuelle Rechte können einerseits aber auf dem Wege des diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat als eigene Rechtsverletzung geltend gemacht werden. Andererseits werden die Zurechnungsregeln auch außerhalb des Bereichs der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit verwendet und geben daher insgesamt Aufschluss über den Verursacher einer Völkerrechtsverletzung. Im Folgenden wird als Ausgangspunkt daher auch immer wieder auf die Regeln der ILC zurückgegriffen.

110 Gaja, Fourth report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 564 vom 28. Februar 2006, 8, para. 22 ff. 111 ILC Report 2006, 259, Fn. 563. 112 Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, 22, para. 66. 113 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 33; ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, Art. 36.

Kapitel 3

Die Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen nach Völkergewohnheitsrecht Mangels eines völkerrechtlichen Vertrages, der die Verantwortlichkeit bei internationalen Friedensmissionen regelt, muss die Zurechnungslage nach den übrigen Rechtsquellen des Völkerrechts bewertet werden. Hierzu zählt in erster Linie das Gewohnheitsrecht, dessen Nachweis durch eine allgemeine Übung (state practice) und der Anerkennung dieser als rechtsverbindlich (opinio iuris) geführt wird.1 Die Zurechnungslage beinhaltet zwei Aspekte, denn neben der Bestimmung eines Zurechnungssubjekts geht es auch um die Regeln, nach denen die Zurechnung erfolgt. Hier ist die Rolle der Zurechnung im Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit als Verbindungselement zwischen Handlung und Verantwortlichkeit zu beachten. So trifft die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für sich genommen stets auch immer eine Aussage über das Zurechnungssubjekt, nicht aber über den Zurechnungsmaßstab. Die Untersuchung der Zurechnungslage ist nicht auf UN-mandatierte Missionen beschränkt, sondern folgt einem weiten Ansatz, da der Einsatz von Streitkräften im Ausland mit Zustimmung des Sicherheitsrats charakteristisch für alle internationalen Friedensmissionen ist und sich daher Parallelen ergeben könnten.

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel Gesichert ist, dass Völkergewohnheitsrecht sich durch das objektive Element der Staatenpraxis und eine Rechtsüberzeugung auf der subjektiven Seite konstituiert. Demgegenüber vage ist allerdings die genaue Abgrenzung beider Merkmale sowie ihr Verhältnis untereinander. So kann jedes staatliche Verhalten Staatenpraxis begründen.2 Gleichzeitig kann dieses aber auch zum Nachweis der opinio iuris verwendet werden.3 Ebenfalls kann eine breite Rechtsüberzeugung den Nachweis einer ausreichenden Übung vereinfachen.4 Im Folgenden werden beide Kriterien daher auch nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern als Gesamtschau ausgehend von ihrer Quelle dargestellt. Auf mögliche Probleme wird dann im Einzelfall eingegangen. 1 Art. 38 IGH-Statut; IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, 97; IGH, North Sea Continental Shelf, ICJ Reports 1969, 3, 44. 2 Shaw, 82; Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, § 16, Rn. 6. 3 Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, § 16, Rn. 34. 4 Stein/von Buttlar, 41, Rn. 131.

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel

97

I. Völkerrechtskommission (ILC) Die Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen könnte von der ILC sowohl im Recht der Staatenverantwortlichkeit als auch im Recht der Verantwortlichkeit internationaler Organisationen behandelt worden sein. Bei den Arbeiten der ILC handelt es sich um keine Primärquelle des Völkergewohnheitsrechts, in Teilen aber zumindest um ein Abbild von diesem, da neben der Weiterentwicklung von Völkerrecht auch die Kodifizierung von Gewohnheitsrecht zu ihren Aufgaben gehört.5 Im Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit finden sich allerdings keine Hinweise auf den Umgang mit internationalen Friedensmissionen. Dieses ist der Tatsache geschuldet, dass zumindest auch die Verantwortlichkeit der beteiligten internationalen Organisationen zu prüfen ist und diese vollständig von dem Entwurf ausgenommen worden ist. Bislang wurden derartige Fälle daher überwiegend mit einer Analogie zur völkerrechtlichen Organleihe im Recht der Staatenverantwortlichkeit gelöst,6 vereinzelt wurde aber auch auf die Parallele zu de facto-Organen eines Staates verwiesen.7 Anstatt eine Analogie zu bilden, kann jetzt aber primär auf den spezielleren Entwurf der ILC zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zurückgegriffen werden. Hier kommt in erster Linie Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen in Betracht, der auf die spezielle Situation militärischer Einsätze zugeschnitten scheint. Eine Lösung über die übrigen Zurechnungsnormen der Art. 4 – 7 ILC-Entwurf schiede dann aus.

1. Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen Die Idee des Art. 6 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, dass Staatsorgane auch auf eine die Zurechnung begründende Weise einem anderen Staat zur Verfügung gestellt werden können, findet sich in etwas anderer Form in Art. 5 des Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen wieder:8 The conduct of an organ of a State or an organ or agent of an international organization that is placed at the disposal of another international organization shall be considered under international law an act of the latter organization if the organization exercises effective control over that conduct.

Hierbei geht es nicht um solche Fälle der Organleihe, in denen Organe eines Staates oder einer internationalen Organisation einer anderen internationalen Organisation zur alleinigen Verfügung gestellt werden. In diesem Fall wären die fremden Organe bereits organs or agents der letztgenannten internationalen Organisation im Sinne des Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisatio5 6 7 8

Statut der Völkerrechtskommission, GA Res. 174 (II) vom 21. November 1947, Art. 1. Lüder, 77 ff.; Glick, Mich. JIL 1995 – 96, 53, 100. Sarooshi, 163, Fn. 85. ILC Report 2004, 111, para. 3.

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Kap. 3: Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen

nen.9 Stattdessen geht es um Fälle, in denen ein Organ nicht ausschließlich für die eine oder die andere Person handelt. Als typisches Beispiel hierfür werden Friedensmissionen angeführt, da die Straf- und Disziplinargewalt stets bei den Entsendestaaten verbleibt. Auch der Großteil der Praxis, auf die die ILC sich bezog, setzt sich aus dieser Fallkonstellation zusammen.10 Von einer speziellen Norm über die Zurechenbarkeit von Handlungen bei Peacekeeping-Missionen hat man deshalb Abstand genommen, weil ein solches Vorgehen einerseits einen Bruch mit dem angestrebten parallelen Muster des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit bedeutet hätte und sich der Begriff des Peacekeepings andererseits nicht exakt definieren lässt.11 Dieser Ansatz der ILC liegt nahe, da eine spezielle Zurechnungsnorm für Friedensmissionen mit einer zumindest für die Zwecke der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit bindenden Begriffsbestimmung des Peacekeepings hätte einhergehen müssen. Mittlerweile überwiegt aber die Erkenntnis, dass verschiedene Friedensmissionen ihrem Zweck und ihrer Struktur nach so unterschiedlich sind, dass sie sich exakten juristischen Kriterien entziehen. Auch durch die zahlreichen Versuche der Völkerrechtswissenschaft, Peacekeeping zu definieren und zu kategorisieren, konnte bisher kein allgemeingültiger Konsens erzielt werden. Peacekeeping-Einsätze sollten daher nur grob nach ihrem Mandat, beziehungsweise ihrer Organisationsstruktur nach UN-geführten Einsätzen und UN-mandatierten Missionen unterschieden werden. Nach Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen ist die Zurechenbarkeit eines Verhaltens zu den Vereinten Nationen also von zwei Voraussetzungen abhängig. Es muss ihr ein Organ eines Staates oder einer anderen internationalen Organisation zur Verfügung gestellt worden sein und sie muss die effektive Kontrolle über die relevante Handlung ausüben. Obwohl die organschaftliche Zuordnung zu den Vereinten Nationen für Friedensmissionen unter ihrer Führung gerade charakteristisch ist, hat dieses aber niemals eine vollständige Organleihe zur Folge. Denn dann wären die Mitgliedstaaten völkerrechtlich verpflichtet, ihre Truppen so den Vereinten Nationen zu unterstellen, dass sie auf ihre Befehlsgewalt und die damit verbundenen Kontrollmöglichkeiten vollständig verzichten.12 Aus diesem Grund ist die Entscheidung, ob die Verletzungshandlung der ausgegliederten Kontingente in Ausübung einer Funktion der UN oder des Entsendestaats ausgeübt worden ist, stets von der effektiven Kontrolle über die Handlung abhängig.13 Während die Vereinten Nationen davon ausgehen, dass sie als Inhaber des ausschließlichen command and control über ihre Unterorgane auch als alleiniges Zurechnungssubjekt ein9

Ibid., 110, para. 1. Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 16, para. 34. 11 Ibid., 16, para. 34. 12 Risse, 145. 13 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 19 f., para. 40; ILC Report 2004, 113 f., para. 7. 10

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel

99

treten zu haben,14 möchte die ILC das faktische Element gegenüber dem der formalen Bindung stärken. Aus den weiteren Ausführungen ergibt sich jedoch, dass auch die ILC die Zurechnung zu den Vereinten Nationen als Grundregel betrachtet, die andernfalls widerlegt werden muss. Dadurch wird es möglich, die Regel bei entsprechenden Anhaltspunkten der tatsächlichen Situation anzupassen. So zweifelt die Kommission an der Zurechenbarkeit einiger Bestandteile von UNOSOM II zu den Vereinten Nationen, da nationale Kontingente teilweise darauf bestanden hätten, Befehle von ihrem Heimatstaat zu erhalten, bevor sie den Befehlen des Force Commanders nachgekommen seien.15 Als Folge seien weite Teile der Mission jeglicher Kommandogewalt und Kontrolle der Vereinten Nationen entzogen gewesen.16 Bestehen diese internen Probleme also nicht, folgt aus dem Umkehrschluss die Zurechnung zu den UN. Dieser Ansatz setzt sich fort in Bezug auf joint operations, bei denen eine weitere Friedensmission neben und in Absprache mit den Vereinten Nationen handelt. Soweit möglich, ist zwischen den Bereichen einer Mission zu unterschieden, in denen entweder die Vereinten Nationen oder der truppenstellende Staat die Kontrolle ausübt.17 Die Möglichkeit einer parallelen Verantwortlichkeit von internationaler Organisation und Entsendestaat für Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte wird durch die Völkerrechtskommission in Betracht gezogen, aber nicht weiter ausgeführt.18

2. Anwendbarkeit auf UN-mandatierte Friedensmissionen Die Anwendung von Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen auf moderne UN-mandatierte Missionen wurde von der ILC zunächst nicht explizit thematisiert. Bereits daraus könnte man schließen, dass derartige Friedensmissionen zu den Fällen gehören, in denen eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen ausgeschlossen ist. In der Einleitung zum ILC Bericht 2004 stellte die Kommission fest, dass sie nur positive Zurechnungskriterien erfasst und somit nicht auf Fälle verweist, in denen eine Zurechnung nicht stattfindet. Als Beispiel für einen solch negativen Fall nennt sie Handlungen von Truppen eines Staates oder einer internationalen Organisation, die aufgrund einer Ermächtigung des Sicherheitsrats stattfinden, sich aber außerhalb der UN-Befehlsstrukturen bewegen.19 Ferner stellt der Sonderberichterstatter fest, dass Kontingente klassischer autorisierter Militärinterventionen wie etwa in Korea nicht den Vereinten Nationen zur Ver14

ILC Report 2004, 111 f., para. 5. Ibid., 113 f., para. 7; Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/541 vom 2. April 2004, 19 f., para. 40. 16 Ibid. 17 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 20, para. 41. 18 Ibid., 20, para. 42. 19 ILC Report 2004, 102, para. 5. 15

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Kap. 3: Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen

fügung gestellt sind und damit außerhalb des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen liegen.20 Die stattdessen von den Vereinten Nationen angenommene Zurechnung zu den an der Operation beteiligten Einzelstaaten sei von diesen akzeptiert worden.21 Aufgrund der gleichen Organisationsstruktur von Art. 42 UN-Charta-Maßnahmen und multidimensionalen Friedensmissionen folgt bereits hieraus, dass zumindest die Vereinten Nationen nicht als Zurechnungssubjekt in Betracht kommen. Dieses wird schließlich dadurch bestätigt, dass die Zurechnungsprobleme im Zusammenhang mit Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen sich laut Kommission daraus ergeben, dass Friedensmissionen als Unterorgane der Vereinten Nationen gelten, gleichzeitig aber aus Staatsorganen der Mitgliedstaaten bestehen.22 Bei UN-mandatierten Missionen liegt diese Konstellation gerade nicht vor. Der Sicherheitsrat erteilt lediglich die Legitimation zur Durchführung einer Friedensmission, die von den begünstigten Personen dann eingesetzt wird, ohne dass ihr die rechtliche Position eines Unterorgans eingeräumt wird. 3. Klarstellung des Sonderberichterstatters Da der EGMR trotz dieser Ausgangslage Handlungen von KFOR den Vereinten Nationen zurechnete, nutzte Sonderberichterstatter Gaja die Gelegenheit, sich während der Revision der Artikelentwürfe im Hinblick auf die erste Lesung klarstellend zur bisherigen Rechtsprechung zu Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zu äußern. Der EGMR habe sich gegen den effective control-Test des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen entschieden. Hätte er ihn angewendet, wäre die Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen aber ausgeschlossen gewesen.23 Da durch den ultimate authority-Test des EGMR eine Zurechnung an die Vereinten Nationen auf zu breiter Basis erfolge, sei er nicht überzeugend, und trotz des Gewichts dieser Rechtsprechung sei Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen unverändert beizubehalten.24 Diese Entscheidung werde weiter durch die positiven Reaktionen etlicher Staaten auf das gewählte Zurechnungskriterium der effektiven oder faktischen Kontrolle gestärkt. 4. Zusammenfassung Nach der Ansicht der ILC sind Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen diesen grundsätzlich zurechenbar. Nur wenn es im Einzelfall an der effek20

Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 15, para. 33. 21 Ibid. 22 Ibid., 17, para. 35. 23 Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, 12, para. 30. 24 Ibid., 14, para. 38.

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel

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tiven Kontrolle, etwa aufgrund elementar gestörter Kommandostrukturen fehlt, kann diese Vermutung widerlegt werden. UN-mandatierte Missionen sind dagegen nicht von Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen erfasst; dennoch lassen die Arbeiten der ILC Rückschlüsse auf ihre Behandlung zu. So ist die Frage der Zurechnung immer nach dem Kriterium der effektiven Kontrolle zu entscheiden.25 Da die Vereinten Nationen die von ihnen mandatierten Missionen jedenfalls nicht tatsächlich kontrollieren, scheidet eine Zurechnung an diese aus, und es muss weiter gefragt werden, ob die notwendige Kontrolle vom truppenstellenden Staat oder einer eventuell beteiligten anderen internationalen Organisation ausgeübt wurde. Kommt nach diesem Grundsatz die Zurechnung zu einem Staat in Betracht, richtet sich diese allerdings nicht nach Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, denn Art. 1 Abs. 2 beschränkt den Anwendungsbereich auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Staates für völkerrechtliche Delikte einer internationalen Organisation. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten bewertet sich ausschließlich nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit und ist im Einzelnen davon abhängig, ob die an einer internationalen Friedensmission beteiligten nationalen Truppen weiterhin als Organe ihres Heimatstaates handeln.26 Insgesamt kann bei den Arbeiten der ILC in diesem Bereich aber noch nicht von einem völkergewohnheitsrechtlich etablierten Rechtssatz gesprochen werden.27 Die Untersuchung ist vielmehr auf weitere Quellen auszudehnen.

II. Internationale Rechtsprechung Die internationale Rechtsprechung urteilt aufgrund von bestehendem Völkerrecht und kann daher selber kein Gewohnheitsrecht erzeugen.28 Gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. d IGH-Statut können gerichtliche Entscheidungen aber als Hilfsmittel zur Feststellung einer Völkerrechtsregel herangezogen werden und beeinflussen so die Staatenpraxis. Trotz dieser eigentlich nur subsidiären Rolle hat insbesondere die Rechtsprechung des IGH entscheidend zur Entwicklung des heutigen Völkerrechts beigetragen.29

1. Internationaler Gerichtshof Die Zurechnung von Völkerrechtsverletzungen durch internationale Friedenstruppen war noch nicht Gegenstand der materiellrechtlichen Rechtsprechung des IGH. Da der IGH als einziges Gericht aber grundsätzlich zuständig ist, über alle Fra25 26 27 28 29

Ibid., 12, para. 30; ILC Report 2004, 111, para. 3. ILC Report 2003, 36, para. 8. Lüder, NZWehrR 2001, 107, 111; Hirsch, 185; Larsen, EJIL 2008, 509, 518. Stein/von Buttlar, 40, Rn. 126. Shaw, 109 ff.

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gen des Völkerrechts zu entscheiden, könnten derartige Fälle ihm in Zukunft angetragen werden. Gemäß Art. 36 IGH-Statut hängt die Gerichtsbarkeit aber stets von der gesonderten Zustimmung der streitbeteiligten Parteien ab. So hat Deutschland in seiner im April 2008 abgegebenen Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut Streitigkeiten über den Einsatz von Streitkräften im Ausland von der Gerichtsbarkeit ausgenommen.30 Aus der bisherigen Rechtsprechungspraxis des IGH zu erwähnen ist die Klage Jugoslawiens31 gegen die Angriffe der NATO-Staaten im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg 1999. Eine Entscheidung in der Sache wäre nicht frei von Konsequenzen für die im Kosovo operierenden internationalen Friedensmissionen gewesen. So geht der jugoslawische Schriftsatz beispielsweise explizit von der Zurechenbarkeit von KFOR-Handlungen zu den Einzelstaaten aus: Acts of KFOR are imputable to the Respondent […]. The general rule on attribution of an act to a State is that a State is responsible for an act committed under guidance and control of its organ as well as for an act endorsed by its organ.32

Allerdings hat der IGH sich für unzuständig erklärt und seine Entscheidung damit begründet, dass die Voraussetzungen des Art. 35 IGH, Vertragspartei des Statuts und damit Mitglied der Vereinten Nationen zu sein, zum Zeitpunkt der Klageerhebung für Jugoslawien nicht vorgelegen hätten.33 2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte a) Zulässigkeitsentscheidung Behrami und Saramati Die Große Kammer des EGMR hat am 2. Mai 2007 über die in der Folgezeit viel beachteten Fälle Behrami und Saramati entschieden.34 Beide Fälle basieren auf Individualbeschwerden, die das Verhalten von Mitgliedern der einerseits UN-geführten Friedensmission UNMIK und andererseits der UN-mandatierten Mission KFOR betreffen. Die Beschwerden wurden durch Beschluss vom 13. Juni 2006 verbunden und 30 Der englische Übersetzung der deutschen Erklärung vom 30. April 2008 ist abrufbar unter: http://www.icj-cij.org/jurisdiction/index.php?p1=5&p2=1&p3=3&code=DE. 31 Anmerkung zur Begrifflichkeit: Das heutige Serbien nannte sich nach dem Auseinanderbrechen der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien von 1992 bis zum 4. Februar 2003 Bundesrepublik Jugoslawien und vom 4. Februar 2003 bis zum 3. Juni 2006 Serbien und Montenegro. Nach der Unabhängigkeitserklärung Montenegros setzte es unter dem Namen Serbien die alleinige Rechtspersönlichkeit der Bundesrepublik Jugoslawiens und Serbien und Montenegros fort. 32 IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v Netherlands), Memorial of the Federal Republic of Yugoslavia vom 5. Januar 2000, 327 f. 33 IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v Belgium and other NATO States), ICJ Reports 2004, 279, 314, para. 91. 34 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743.

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nach Art. 30 EMRK in Verbindung mit Art. 72 VerfO EGMR an die Große Kammer abgegeben. Im Ergebnis erklärte sich der EGMR unzuständig ratione personae, da das in Frage stehende Handeln den Vereinten Nationen und nicht den Konventionsstaaten zurechenbar sei und sich daher einer Überprüfung an den Maßstäben der EMRK entziehe. Bei der Entscheidung handelt es sich um die erste Befassung eines überstaatlichen Gerichts mit der Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverletzungen durch internationale Friedensmissionen. Obwohl die materiellrechtliche Zuständigkeit des EGMR auf die Feststellung von Verletzungen der EMRK beschränkt ist, greift er zur Entscheidungsfindung auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zurück. aa) Sachverhalt Den Hintergrund beider Fälle bildet das militärische Eingreifen der NATO-Staaten in den Kosovokrieg 1999. Dieses hatte begonnen, nachdem Resolutionen des Sicherheitsrat, die Serbien zur Abstandnahme von Gewalt gegen die albanische Zivilbevölkerung im Kosovo aufforderten, keine Wirkung zeigten, der Sicherheitsrat sich, hauptsächlich aufgrund des Widerstands der russischen Seite, aber nicht auf kollektive Maßnahmen einigen konnte.35 Die Angriffe endeten erst, als die Bundesrepublik Jugoslawien ein Militärisch-Technisches Abkommen (MTA) mit der NATO unterzeichnete, in dem sie sich zum Rückzug aus dem Kosovo bereit erklärte und der Stationierung einer internationalen Schutztruppe zustimmte. Der Sicherheitsrat verabschiedete dann Resolution 1244, die einerseits den Generalsekretär zur Errichtung einer zivilen Übergangsverwaltung (UNMIK) und andererseits Mitgliedstaaten und zuständige Internationale Organisationen zur Bildung einer internationalen Sicherheitspräsens (KFOR) autorisierte.36 Dabei sollte KFOR unter substantieller Beteiligung der NATO, aber unter gemeinsamen Oberbefehl disloziert werden. Während des Einsatzes werden die KFOR-Kontingente in mehrere multinationale Brigaden aufgeteilt, die unter Führung einer Leitnation für die Sicherung eines Teilbereichs des Kosovos zuständig sind. Die Sachverhalte der beiden Fälle stellen sich wie folgt dar. Gemeinsam mit anderen Kindern spielten die Söhne Agim Behramis auf den Hügeln außerhalb der Stadt Mitrovica, die im Jahr zuvor von der NATO bombardiert wurde. Dabei kam es zur Explosion einer Cluster Bombe, die Gadaf Behrami tötete und Bekir Behrami schwer verletzte. Zu diesem Zeitpunkt stand die für Mitrovica zuständige KFOR-Brigade unter Führung Frankreichs. Eine Beschwerde Agim Behramis bei der Schadensregulierungsstelle der KFOR (KFOR Kosovo Claims Commission), die eine Verletzung von Bestimmungen der Sicherheitsratsresolution 1244 durch Frankreich zum Gegenstand hatte, blieb erfolglos. Zur Begründung verwies die Behörde darauf, dass nicht KFOR, sondern UNMIK für die Überwachung der Minenräumung zustän-

35 36

SR Res. 1199 vom 23. September 1998. SR Res. 1244 vom 10. Juni 1999, Zif. 6, 7.

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dig ist.37 Agim und der überlebende Bekir Behrami klagten daraufhin vor dem EGMR unter Berufung auf Art. 2 EMRK gegen Frankreich. Der Sachverhalt im Fall Saramati betrifft ähnliche Rechtsfragen, stellt sich in tatsächlicher Hinsicht aber unterschiedlich dar. Wegen versuchten Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes wurde Saramati am 24. April 2001 von der UNMIK-Polizei festgenommen. Eine Untersuchungshaft wurde angeordnet, doch beschwerte Saramati sich hiergegen erfolgreich und wurde nach einem Beschluss des Obersten Gerichts am 4. Juni 2001 aus der Haft entlassen. Im Juli wurde er erneut durch einen norwegischen KFOR-Offizier festgenommen und mit der Begründung, er stelle eine Gefahr für die Sicherheit dar, inhaftiert.38 Im Januar 2002 wurde er wegen versuchten Mordes verurteilt, wobei der Oberste Gerichtshof des Kosovo das Urteil am 9. Oktober 2002 aber aufhob, den Fall an das Tatsachengericht zurückverwies und die Haftentlassung Saramatis anordnete. Gegen die Inhaftierung durch und auf Befehl der KFOR legte Saramati Beschwerde vor dem EGMR ein und rügte die Verletzung von Art. 5, 6 und 13 EMRK.39 Neben Norwegen und Frankreich, das in der Zwischenzeit das KFOR-Kommando in der Region übernommen hatte, richtete sich die Klage zunächst auch gegen Deutschland. Da die behauptete Beteiligung eines deutschen KFOR-Offiziers indes nicht bewiesen werden konnte, wurde diese Klage zurückgenommen.40 bb) Entscheidungsgründe Der Gerichtshof legte zunächst fest, dass er seine Zuständigkeit aus der Perspektive ratione personae erläutern wird. Da der Kosovo sich zum Zeitpunkt der Handlungsvornahme unter effektiver Kontrolle der beiden internationalen Präsenzen befunden habe, gehe es weniger um die Frage der Ausübung extraterritorialer Hoheitsgewalt als Voraussetzung des Art. 1 EMRK, sondern vielmehr darum, ob das Gericht überhaupt zuständig ist, die Beiträge von Mitgliedstaaten zu internationalen Friedensmissionen zu überprüfen.41 Diese Frage hat der Gerichtshof in einem Dreischritt beantwortet. Er untersuchte, in wessen Zuständigkeitsbereich die in Frage stehenden Handlungen beziehungsweise Unterlassungen fallen, ob sie den Vereinten Nationen oder den Konventionsstaaten zuzurechnen sind und schließlich ob der Gerichtshof zuständig ist, ratione personae über sie zu entscheiden. Den ersten Aspekt entschied der Gerichtshof nach Begutachtung der Resolution 1244 und anderer Dokumente dahingehend, dass die im Fall Saramati entscheidende Anordnung von Haftmaßnahmen Teil des KFOR-Mandats sei, während die von Behrami gerügte Überwachung der Mi-

37 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 7. 38 Ibid., para. 9. 39 Ibid., para. 62. 40 Ibid., para. 64 f. 41 Ibid., para. 70 – 72.

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nenräumung dem UNMIK Mandat unterfalle.42 Zur Beantwortung des zweiten und entscheidenden Aspekts der Zurechenbarkeit untersuchte der Gerichtshof, ob KFOR und UNMIK auf Grundlage des Kapitels VII UN-Charta operierten und für den Fall, dass dieses zutrifft, ob ihre Handlungen im Grundsatz den Vereinten Nationen zuzurechnen seien. Der Sicherheitsrat habe durch Resolution 1244 im Rahmen des Kapitels VII UN-Charta, wenn auch ohne sich auf eine bestimmte Norm zu stützen, die Befugnis zum Aufbau einer Sicherheitspräsenz auf Mitgliedstaaten und internationale Organisationen delegiert. In gleicher Weise habe der Sicherheitsrat seine Befugnisse der zivilen Verwaltung UNMIK, einem vom Generalsekretär geschaffenem Unterorgan, übertragen.43 Obwohl Resolution 1244 nicht den Begriff der „Delegation“, sondern schlicht „to authorize“ gebraucht, knüpft die große Kammer bestimmte Rechtswirkungen an ihre Einschätzung der Delegation von Kompetenzen. Der Sicherheitsrat übertrage durch eine Delegation die Befugnis zur Ausübung eigener Aufgaben, während er bei der von einer Delegation abzugrenzenden Ermächtigung eine andere Einheit mit solchen Funktionen ausstatte, die er selber nicht wahrnehmen könne.44 Damit eine Zurechnung der KFOR-Truppen zu den Vereinten Nationen stattfinden könne, sei es neben der Kapitel VII-Grundlage der Befugnisübertragung von weiterer Bedeutung, dass die Übertragung derart begrenzt sei, dass sie mit dem von der Charta vorgesehenen Maß an Zentralisierung des Systems der kollektiven Sicherheit vereinbar ist.45 Diese Grenze sei entscheidend, um einen angemessenen Ausgleich zwischen der vorgesehenen zentralen Rolle des Sicherheitsrates und ihrer tatsächlichen Umsetzung zu finden. Mangels eigener Streitkräfte sei der Sicherheitsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben auf Staaten angewiesen, denen aufgrund der Komplexität ihrer Missionen auch ein gewisses Maß an Befehlsgewalt übertragen werden müsse.46 Entscheidend sei daher, ob dem Sicherheitsrat weiter die letztinstanzliche Autorität und Kontrolle (ultimate authority and control) über KFOR zukam, so dass nur von der Übertragung des operativen Kommandos (operational command) auszugehen sei.47 Hierfür sprächen in erster Linie die folgenden Aspekte: Erstens sei es dem Sicherheitsrat gestattet, seine Befugnisse an andere Einheiten zu übertragen. Zweitens handele es sich bei den in Abrede stehenden Handlungen um übertragbare Befugnisse. Drittens sehe das Mandat die Befugnis zu Inhaftierungen ausdrücklich vor. Viertens bestimme das Mandat die Aufgaben in präziser Weise und schließlich habe die Führung der Sicherheitspräsenz eine Berichtspflicht gegenüber dem Sicherheitsrat.48 Weiter sei entgegen dem Vorbringen der Kläger die effek42 43 44 45 46 47 48

Ibid., para. 127. Ibid., para. 129. Ibid. Ibid., para. 132. Ibid. Ibid., para. 133. Ibid., para. 134.

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tive Kommandogewalt der NATO nicht durch die bei den truppenstellenden Staaten verbliebenen Befugnisse beeinflusst worden.49 Die Handlungen seien daher grundsätzlich den Vereinten Nationen und nicht KFOR zurechenbar. Zu dem gleichen Ergebnis gelangte der Gerichtshof auch für das Unterlassen der UNMIK, wobei die Begründung aber eine andere, direktere war. Da als Unterorgan der Vereinten Nationen eingesetzt, seien die Handlungen von UNMIK diesen im Grundsatz auch zurechenbar.50 Danach geht der Gerichtshof zum dritten Schritt und damit der Zuständigkeit ratione personae über. Obwohl die Handlungen den Vereinten Nationen und keinem Vertragsstaat der EMRK zugerechnet worden sind, beschäftigte der Gerichtshof sich mit der Überprüfbarkeit der Handlungen in personeller Hinsicht. Im Bosphorus-Urteil hatte der Gerichtshof festgestellt, dass Mitgliedstaaten auch bei Übertragung ihrer Hoheitsgewalt auf eine internationale Organisation für die Handlungen ihrer Organe nach Art. 1 EMRK verantwortlich bleiben. Schütze die Organisation die Grundrechte aber in vergleichbarer Weise wie die EMRK, so gelte die widerlegbare Vermutung, dass eine Verletzung der EMRK nicht vorliege.51 Für den Gerichtshof stellte sich daher die Frage, ob er befugt ist, solche Handlungen zu überprüfen, die Mitgliedstaaten im Auftrag der Vereinten Nationen vorgenommen haben, und sich somit im weitesten Sinne zu dem Verhältnis der Konvention und Kapitel VII UNCharta zu äußern.52 Kapitel VII UN-Charta gewähre dem Sicherheitsrat einzigartige Befugnisse, die Ziele der Vereinten Nationen, zu denen der Schutz der Menschenrechte einen wesentlichen Beitrag leiste, durchzusetzen.53 Im Fall des Kosovos hätten Umstände vorgelegen, die den Sicherheitsrat zur Verabschiedung von Resolution 1244 berechtigten, so dass die dadurch geschaffenen Friedensmissionen einen wesentlichen Beitrag zu internationalem Frieden und Sicherheit als Hauptziel der Vereinten Nationen leisteten. Eine Überprüfung von Handlungen, die von Kapitel VIIResolutionen gedeckt seien, sei daher nicht zulässig, sie würde einen Eingriff in die Kernaufgaben der Vereinten Nationen darstellen und sogar die effektive Durchführung von Friedensmissionen gefährden.54 Schließlich unterschied der Gerichtshof den vorliegenden Fall von Bosphorus anhand der Tatsache, dass die beschwerdegegenständliche Handlung im letzteren Fall auf nationalem Hoheitsgebiet stattgefunden habe und die Behörden aufgrund einer Entscheidung des zuständigen Ministers gehandelt hätten. Daher hätte im Unterschied zu Behrami und Saramati die Verantwortlichkeit des Vertragsstaates nach Art. 1 EMRK sowie die Zuständigkeit ratione

49

Ibid., para. 139. Ibid., para. 142 f. 51 EGMR, Bosphorus Hava Yollari v. Ireland, Urteil vom 30. Juni 2006, para. 153 – 156. 52 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 146. 53 Ibid., para. 148. 54 Ibid., para. 149. 50

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personae unzweifelhaft vorgelegen.55 Nachdem der Gerichtshof zu diesem Ergebnis gelangt war, hielt er eine weitere Beschäftigung mit Fragen der Zulässigkeit für verzichtbar und präzisierte demnach auch nicht, wie vielfach erwartet wurde, seine Rechtsprechung zur Zuständigkeit ratione loci.56 b) Folgeurteile Der Gerichthof hat seine Rechtsprechung bereits mehrfach und in kurzem Abstand zur Behrami und Saramati-Entscheidung bestätigt. Es scheint daher, als habe sich der EGMR auf eine allgemeine Rechtsprechungslinie festgelegt, die jedenfalls für Handlungen internationaler Friedensmissionen im Zusammenhang mit Gebieten unter internationaler Verwaltung auf unbestimmte Zeit Bestand haben wird. Auf die Umstände der weiteren Entscheidungen wird im Folgenden kurz eingegangen. aa) Zulässigkeitsentscheidung Kasumaj v. Griechenland Dieser Fall betraf ebenfalls das Verhalten von KFOR-Soldaten im Kosovo. Der Beschwerdeführer berief sich auf eine Verletzung seiner Konventionsrechte, da griechische KFOR-Soldaten sein zu landwirtschaftlichen Zwecken benutztes Land im Juni 1999 besetzt und dort ihr Hauptquartier errichtet hatten. Der Beschwerdeführer hat keine Entschädigung erhalten und darf sein Land seitdem weder betreten noch nutzen. Der Gerichtshof erklärte das Begehren ratione personae für unzulässig und verwies zur Begründung nur kurz auf seine Entscheidung im Verfahren Behrami und Saramati.57 bb) Zulässigkeitsentscheidung Gajic v. Deutschland Ein deutsches KFOR-Kontingent hatte von Juni 1999 bis 2004 eine Wohnung genutzt, die der Beschwerdeführer bis zu seiner Flucht aus dem Kosovo bewohnt hatte. Da dieser seine Eigentümerposition aber nicht beweisen konnte, verweigerte die KFOR die Entrichtung eines Mietzinses. Vor dem EGMR machte der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf Achtung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sowie seines Rechts auf Eigentum gem. Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK geltend, da er die Wohnung weder benutzen konnte noch eine Mietzahlung erhalten hatte. Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung Behrami und Saramati stellte der Gerichtshof erneut fest, dass Handlungen der KFOR grundsätzlich den Vereinten Nationen zuzurechnen seien.58 Selbst wenn die Handlungen im vorliegenden Fall Deutschland zuzurechnen seien, entzögen sie sich aber der Über-

55 56 57 58

Ibid., para. 151. Ibid. EGMR, Ilaz Kasumaj v. Griechenland, Entscheidung vom 5. Juli 2007. EGMR, Slavisa Gajic v. Deutschland, Entscheidung vom 28. August 2007.

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prüfbarkeit durch den Gerichtshof, da der Beschwerdeführer den innerstaatlichen Rechtsweg nicht erschöpft habe.59 cc) Zulässigkeitsentscheidung Beric und andere v. Bosnien und Herzegowina Hintergrund dieses Falles sind die Beschwerden von 26 Staatsangehörigen Bosnien-Herzegowinas gegen eine Entscheidung des Hohen Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina. Die Errichtung dieses Amtes basiert auf einem auf Kapitel VII gestützten Mandat des Sicherheitsrats.60 Die Beschwerdeführer waren durch die streitgegenständliche Entscheidung ihrer öffentlichen und politischen Ämter im Teilstaat Republika Srpska enthoben sowie von der Kandidatur für politische Ämter ausgeschlossen worden. Als Begründung wurde angeführt, dass die Beschwerdeführer zu einem institutionellen Versagen beigetragen hätten, das es vom Jugoslawien-Tribunal angeklagten Personen ermögliche, sich der internationalen Gerichtsbarkeit zu entziehen.61 Dem Muster aus Behrami und Saramati folgend führte der Gerichtshof zunächst aus, dass der Sicherheitsrat eine Friedensbedrohung nach Art. 39 UN-Charta festgestellt habe und daher befugt gewesen sei, eine Zivilverwaltung in Bosnien und Herzegowina zu installieren und die Umsetzung der Maßnahme an einzelne Mitgliedstaaten zu delegieren. Die Kernfrage sei daher, ob der Sicherheitsrat effective overall control behalten habe.62 Der Gerichtshof zitierte als Nachweis für diese Fragestellung Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen sowie seine Entscheidung im Fall Behrami und Saramati. Dieses verwundert deshalb, weil weder die ILC noch die Große Kammer diesen Zurechnungsstandard benutzt haben, der sich bisher ausschließlich in Loizidou gegen die Türkei findet.63 In Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen heißt es stattdessen effective control, während in Behrami und Saramati Handlungen den Vereinten Nationen aufgrund ihrer ultimate authority and control zugerechnet wurden. Darüber hinaus legt die Fußnote den zweifelhaften Schluss nahe, dass Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen einerseits anwendbar und andererseits auch Behrami und Saramati auf dieser Grundlage entschieden worden sei. In den eigentlichen Entscheidungsgründen folgt der Gerichtshof aber dem bisherigen Argumentationsmuster. Resolution 1031 übertrage nur das operative Kommando, bringe die Delegation in der notwendig begrenzten Form explizit zum Ausdruck 59

Ibid. SR Res. 1031 vom 15. Dezember 1995. 61 EGMR, Dusˇan Beric´ v. Bosnien-Herzegowina, Entscheidung vom 16. Oktober 2007. 62 Ibid., para. 27. 63 EGMR, Loizidou v. Türkei (Merits), Reports of Judgments and Decisions 1996-VI, 2216, para. 56. 60

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und lege dem Hohen Repräsentanten eine Berichtspflicht gegenüber dem Sicherheitsrat auf. Aus diesen Gründen übe der Hohe Repräsentant rechtmäßig delegierte Befugnisse des Sicherheitsrates aus, und die Handlungen seien grundsätzlich den Vereinten Nationen zuzurechnen.64 Auch für die Frage, ob Bosnien wegen der Übertragung seiner Hoheitsgewalt dennoch für die Handlungen verantwortlich sei, verweist der Gerichtshof auf seine Begründung in der Behrami und Saramati-Entscheidung und kommt zu dem Schluss, dass die Beschwerden ratione personae nicht mit der Konvention vereinbar seien.65 dd) Zulässigkeitsentscheidung Stephens Im Dezember 2008 hatte der EGMR die Möglichkeit, sich auch zu der Zurechnungslage bei traditionellen Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen zu äußern. In dem Verfahren gegen die Türkei, Zypern und die Vereinten Nationen rügte die Beschwerdeführerin, dass ihr Haus 1974 während eines Gefechts um die Vorherrschaft auf Zypern schwer beschädigt worden sei und ihr seitdem der Zutritt zu dem sich in der UN-Pufferzone befindlichen Haus verwehrt werde.66 Hinsichtlich der Beschädigung des Hauses erklärte der Gerichthof sich unzuständig ratione personae, da die Beschwerdeführerin 1974 noch kein Eigentum an dem Haus besessen habe. Auch bezüglich des zweiten Teils der Klage verwies das Gericht auf seine personelle Unzuständigkeit. Der Türkei und Zypern mangele es aufgrund der speziellen Lage des Hauses an effektiver Kontrolle. UNFICYP verfüge zwar über die notwendige Kontrolle, doch sei die Mission ein Unterorgan der Vereinten Nationen, das unter der Charta entstanden sei und sich unter ausschließlichem command and control der UN befinde. Die Handlungen seien daher den Vereinten Nationen zuzurechnen, und der Gerichthof sei zur Prüfung nicht befugt. c) Zusammenfassung Der EGMR rechnet Handlungen der von ihm behandelten UN-mandatierten und UN-geführten Missionen den Vereinten Nationen zu. Hierfür verweist er bei Operationen unter Führung der Vereinten Nationen wie UNMIK und UNFICYP auf ihre Position als Unterorgane sowie das command and control der UN. Bei mandatierten Missionen macht er die Zurechnung von dem Kriterium der ultimate authority and control abhängig.

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EGMR, Dusˇan Beric´ v. Bosnien-Herzegowina, Entscheidung vom 16. Oktober 2007, para. 28. 65 Ibid., para. 30. 66 EGMR, Stephens v. Cyprus, Turkey and the United Nations, Entscheidung vom 11. Dezember 2008.

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III. Nationale Rechtsprechung Nationale Gerichte können als Ausdruck staatlichen Handelns direkten Einfluss auf die Staatenpraxis als objektives Element des Völkergewohnheitsrechts haben.67 Dieses kann freilich aber nur gelten, wenn sie sich auf einen Rechtssatz des Völkerrechts beziehen. 1. Vereinigtes Königreich a) Verantwortlichkeit nach dem Human Rights Act 1998 Die Frage der Anwendbarkeit von EMRK-Verpflichtungen auf britische Soldaten im Irak stellte sich seit dem Einmarsch 2003. Insbesondere nach der Entscheidung des EGMR in der Sache Behrami und Saramati wurden die Urteile des House of Lords mit Spannung erwartet. Denn auch wenn das House of Lords als nationales Gericht die Menschenrechtskonvention nicht direkt anwendet, sind seine Urteile aufgrund der von Großbritannien gewählten Implementierungsmethode auch auf völkerrechtlicher Ebene von Bedeutung. Der Verfassungstradition folgend gab es in Großbritannien lange Zeit keinen geschriebenen Grundrechtekatalog. Um die innerstaatliche Wirksamkeit der EMRK zu verbessern, trat 1998 der Human Rights Act in Kraft.68 Dieser sieht die innerstaatliche Verbindlichkeit der angeführten EMRK Rechte vor und ermöglicht es, Bürgern ihre Rechte aus der Konvention vor britischen Gerichten geltend zu machen, anstatt sich mit einer Klage nach Straßburg zu wenden. Die Rechte der EMRK und die des Human Rights Act 1998 werden weiter aber verschiedenen Gruppen zugeordnet, da nur letztere Teil des Rechts des Vereinigten Königreichs sind.69 Die innerstaatlichen Gerichte sind verpflichtet, die Entscheidungen des EGMR zu berücksichtigen; eine rechtliche Bindungswirkung (binding authority) geht von ihnen aber nicht aus.70 Vor diesem Hintergrund erließ das House of Lords 2007 zwei Urteile, in denen die Kläger die Verletzung ihrer Rechte aus der EMRK behaupteten. In Al-Skeini ging es um die extraterritoriale Anwendbarkeit des Human Rights Act 1998, die sich nach den gleichen Regeln bemisst wie die extraterritoriale Anwendbarkeit der EMRK im internationalen Kontext.71 Die Mehrheit des House of Lords entschied gegen eine grundsätzliche Anwendbarkeit der EMRK im Irak, ließ eine Ausnahme in Analogie zu Botschaften und Konsulaten72 jedoch für ein britisches Militärgefängnis zu,

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Kempen/Hillgruber, 93, Rn. 101. Human Rights Act 1998 (c.42). 69 In re McKerr [2004] UKHL 12, [2004] 1 WLR 807, § 25 (per Lord Nicholls). 70 Grote, ZaöRV 1998, 309, 339. 71 R (Al-Skeini) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 26, [2007] 3 WLR 33, [2007] 3 All ER 685, §§ 59 (per Lord Rodger), § 96 (per Lord Carswell). 72 EGMR, X v. Deutschland, YBECHR 12 (1965), 158; EGMR, X v. Vereinigtes Königreich (1977), 12 DR 73; EGMR, M v. Dänemark, (1992) 73 DR 193. 68

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in dem einer der Kläger zu Tode gekommen war.73 Al-Jedda beschäftigte sich endlich mit Zurechnungsfragen. b) R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence Kläger war ein irakisch-britischer Doppelstaatsbürger, der durch britische Truppen inhaftiert worden war und ohne Anklage, allein aufgrund des Verdachts in terroristische Tätigkeiten verwickelt zu sein, seit Oktober 2004 in Haft gehalten wurde.74 Aufgrund des ähnlichen Sachverhalts wie in Behrami und Saramati argumentierte die britische Regierung unter Berufung auf den EGMR, dass die Inhaftierung Al-Jeddas allein den Vereinten Nationen zurechenbar sei. Das House of Lords beschäftigte sich wie der EGMR zunächst mit der personellen Zuständigkeit und führte zur Begründung an, dass sich im Falle einer negativen Antwort die Frage der Zuständigkeit ratione loci, über deren Grundsätze er bereits in Al-Skeini geurteilt hat, nicht mehr stelle.75 Die weit reichenden Konsequenzen einer Entscheidung zugunsten der Regierung verdeutlichte Lord Bingham zu Beginn seines Urteils, als er lapidar feststellte: „It has not, to my knowledge, been suggested that the treatment of detainees at Abu Ghraib was attributable to the UN rather than the US.“76 Es erscheint daher nicht überraschend, dass sich die Mehrheit der Lords für eine Zurechenbarkeit der Inhaftierung zu dem Vereinigten Königreich aussprach und eine Parallele zu Behrami und Saramati verneinte. Bekanntlich griffen im April 2003 von den USA geführte Streitkräfte, nach überwiegender Ansicht unter Verstoß gegen das Völkerrecht,77 den Irak an. Der rechtliche Status der Besatzung hat durch Resolution 1511, die mit Resolution 154678 bestätigt wurde und die in weiten Teilen Parallelen zu Resolution 1244 aufweist, aber eine Änderung erfahren, deren Wirkung von entscheidender Bedeutung für das Urteil des House of Lords war. Resolution 1511 ermächtigt („authorizes“) mit ausdrücklichem Bezug auf Kapitel VII UN-Charta eine multinationale Truppe unter einer gemeinsamen Führung, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Stabilität im Irak beizutragen. Weiter fordert sie Mitgliedstaaten auf, diese multinationale Truppe im Rahmen des Mandats zu unterstützen. Sie enthält eine Aufforderung an die Vereinigten Staaten, mindestens halbjährlich über den Fortschritt Bericht zu erstatten.79 Obwohl die Koalition also mindestens seit Oktober 2003 mit der Billigung der UN operierte, könnten die Vereinten Nationen nach An73 R (Al-Skeini) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 26, [2007] 3 WLR 33, [2007] 3 All ER 685, § 132 (per Lord Brown). 74 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31. 75 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 64 (per Lord Bingham). 76 Ibid., § 23 (per Lord Bingham). 77 Vgl. dazu nur Bothe, EJIL 2003, 227, 234 ff.; Tomuschat, Leviathan 2003, 450, 463. 78 SR Res. 1546 vom 8. Juni 2004. 79 SR Res. 1511 vom 16. Oktober 2003, Zif. 13 f., 25.

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sicht Lord Binghams realistischerweise nicht als Zurechnungssubjekt der Handlungen britischer und amerikanischer Soldaten im Irak dienen. Die Vereinten Nationen hätten die Koalition nicht entsendet und sind an der Gründung der zivilen Übergangsverwaltung nicht beteiligt gewesen.80 Mit Resolution 1511 habe der Sicherheitsrat keine eigenen Befugnisse im Sinne des Verständnisses des EGMR in Behrami und Saramati delegiert, sondern habe Staaten lediglich ermächtigt, Aufgaben wahrzunehmen, die er selber nicht ausüben könne.81 Daher unterscheide sich die Situation im Irak von der im Kosovo auch in fast jedem Punkt. Die multinationale Truppe im Ira sei nicht auf Geheiß der Vereinten Nationen eingesetzt worden, agiere nicht unter ihrer Schirmherrschaft, stelle, anders als UNMIK, kein Unterorgan der Vereinten Nationen dar und übe schließlich auch keine durch den Sicherheitsrat delegierten Befugnisse aus.82 Die in beiden Fällen bestehende Berichtspflicht gegenüber dem Sicherheitsrat mache keine Aussage über die effektive Kontrolle, sondern weise nur auf das Interesse am Schutz der Menschenrechte und an der Befolgung der Regeln des humanitären Völkerrechts hin, das im Übrigen zu den Aufgaben des Sicherheitsrats gehöre.83 Dieser Argumentation schlossen sich zwei der Lord Richter uneingeschränkt an.84 Lord Rodger und Lord Brown hingegen beurteilten die Situation unterschiedlich. Sie sahen keinen Unterschied zwischen der Situation im Irak und im Kosovo, der es rechtfertige, einmal von delegierten Befugnissen und einmal nur von einer Ermächtigung auszugehen.85 Stattdessen setzten sie für die Abgrenzung von Behrami und Saramati direkt bei den fünf vom EGMR entwickelten Kriterien an, durch die eine letzte Autorität und Kontrolle des Sicherheitsrats über KFOR nachgewiesen wurde. Nach Lord Brown, der das Urteil zwar mitträgt, in seiner Urteilsbegründung aber abweicht, lägen alle bis auf die dritte Voraussetzung auch in Al-Jedda vor. Der entscheidende Unterschied liege in dem Merkmal, dass die übertragene Befugnis weder mutmaßlichen noch stillschweigenden Charakter haben dürfe, sondern bereits in der Resolution ausdrücklich vorgesehen sein müsse.86 Während UNMIK und KFOR durch Resolution 1244 unter der Schirmherrschaft der UN gegründet worden seien, gelte dieses im Irak ausschließlich für UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq). Resolution 1511 habe die Besatzungsmächte lediglich als bereits bestehende Sicherheitspräsenz anerkannt, die notwendige letzte Autorität und Kontrolle könne hierdurch aber nicht auf den Sicherheitsrat übergegangen sein.87 80 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 23 (per Lord Bingham). 81 Ibid. 82 Ibid., § 24 (per Lord Bingham). 83 Ibid. 84 Ibid., § 124 (per Baroness Hale), § 131 (per Lord Carswell). 85 Ibid., § 143 (per Lord Brown), §§ 85 – 91 (per Lord Rodgers). 86 Ibid., § 145 (per Lord Brown). 87 Ibid., § 148 (per Lord Brown).

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Lord Rodgers geht in seinem abweichenden Urteil vom Vorliegen aller fünf Voraussetzungen aus. Die Befugnis zur Inhaftierung liege ausdrücklich vor, da sie Teil einer Aufgabenliste sei, die in Form eines Briefes Colin Powells an Resolution 1546 angehängt sei.88 Wenn ein Unterschied in dem Umfang der Kontrolle des Sicherheitsrats über die Truppen im Irak und die KFOR im Kosovo bestehe, dann liege dieser darin, dass Resolution 1546 weitergehende Kontrollmöglichkeiten gewähre. Resolution 1244 fordere nur den Generalsekretär auf, regelmäßig über die Umsetzung des Mandats sowie über die Berichte der Befehlshaber der Militärpräsenz dem Sicherheitsrat zu berichten, während Resolution 1546 direkte Berichte der Vereinigten Staaten als Führungsnation der multinationalen Truppe an den Sicherheitsrat vorsehe.89 Resolution 1546 enthalte außerdem eindeutigere Vorschriften über die Beendigung des Mandats.90 Genau wie KFOR übe die multinationale Truppe daher rechtmäßig delegierte Befugnisse des Sicherheitsrats aus, so dass nach dem Urteil der Großen Kammer in beiden Fällen die Handlungen grundsätzlich den Vereinten Nationen zugerechnet werden müssten. Somit spricht sich das Urteil mit einer Mehrheit von 4:1 Stimmen für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Vereinigten Königsreich aus. Trotz dieses Ergebnisses scheiterte die Klage Al-Jeddas vor dem House of Lords, da gemäß Art. 103 UN-Charta die Verpflichtungen aus Art. 5 EMRK hinter die der Charta zurücktreten müssten.91 Der Begriff der „Verpflichtung“ in Art. 103 UN-Charta umfasse auch Ermächtigungen des Sicherheitsrats, denn obwohl die endgültige Entscheidung zur Umsetzung bei den Mitgliedstaaten liege, würden die Ziele des Kapitels VII UNCharta andernfalls umgangen.92 c) Attorney-General v. Nissan Zwei weitere Fälle vor britischen Gerichten verlangen im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit für internationale Friedensmissionen noch Erwähnung. Dieses sind einerseits Attorney-General v. Nissan und andererseits Bici & Anor v. Ministry of Defence. Ersterer betrifft unter anderem Schadensersatzforderungen eines britischen Staatsangehörigen gegen die Regierung für durch britische Soldaten im Rahmen des UNFICYP-Einsatzes auf Zypern verursachte Schäden an einem vom Kläger gepachteten Hotel. Das erstinstanzliche Gericht sowie das Berufungsgericht urteilten, dass Großbritannien keine Verantwortung treffe, sondern die Handlungen den Vereinten Nationen zurechenbar seien. Sie hätten ihre Befugnisse nicht von der Krone abgeleitet, sondern ausschließlich als Vertreter der Vereinten Nationen gehan88

Ibid., § 94 (per Lord Rodgers). Ibid., § 97 (per Lord Rodgers). 90 Ibid., § 98 f. (per Lord Rodgers). 91 Ibid., § 35 (per Lord Bingham), § 126 (per Baroness Hale), § 131 (per Lord Carswell), § 151 f. (per Lord Brown). 92 Ibid., § 33 (per Lord Bingham), § 115 (per Lord Rodgers), § 125 (per Baroness Hale), § 135 (per Lord Carswell). 89

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delt.93 Sobald britische Truppen nämlich zu einem Teil der UN-Mission werden, fallen ihre Handlungen auf die Vereinten Nationen und nicht mehr auf den Staat zurück.94 In letzter Instanz wurde das Urteil durch das House of Lords aber aufgehoben mit der Folge, dass der Klage Nissans gegen Großbritannien stattgegeben wurde. Lord Pearce stellte entscheidend auf die bei den Staaten verbleibenden Kontrollmöglichkeiten ab. Zwar nehme die Truppe ausschließlich internationale Funktionen wahr, doch unterstützten die anwendbaren nationalen Disziplinarregeln sowie die verbleibende Position als nationale Streitkräfte die Ansicht, dass es sich bei den fraglichen Handlungen um solche des Vereinigten Königreichs handele.95 Für die Herleitung einer völkergewohnheitsrechtlichen Zurechnungsregel ist dieses Urteil aus zwei Gründen nur von sehr eingeschränktem Nutzen. Einerseits handelt es sich bei dem Urteil um ein zivilrechtliches Urteil nach nationalem Recht, das damit keinen direkten Bezug zu völkerrechtlichen Zurechnungsregeln aufweist. Nationale Rechtsansichten können bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht nur eine Indizwirkung haben,96 sind als eigenständige Quelle aber ungeeignet.97 Weiter ist hier eine Besonderheit des englischen Rechts beziehungsweise des common law zu beachten. Dieses kennt den Staat nicht als Zurechnungssubjekt privater Handlungen und sieht folglich auch keinen Staatshaftungsanspruch vor, bei dem das Verhalten eines Amtsträgers direkt auf den Staat übergeleitet wird. Stattdessen werden Ansprüche gegen den Staat nach den üblichen zivilrechtlichen Regeln gelöst, der Staat haftet dabei für fremdes Verschulden (vicarious liability).98 Darüber hinaus ist das letztinstanzliche Urteil nach heutigen Standards auch materiell nicht überzeugend. Denn geht man mit dem House of Lords davon aus, dass aufgrund der bei dem Heimatstaat verbleibenden Straf- und Disziplinargewalt dieser für die Handlungen seiner Soldaten verantwortlich ist, gelangt man zu dem fragwürdigen Ergebnis, dass eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen per se ausscheidet. Die Straf- und Disziplinargewalt verbleibt bei Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen stets bei den Staaten und ist zumeist Gegenstand des SOFA zwischen den Vereinten Nationen und dem Aufenthaltsstaat. Auch das Model SOFA kennt eine entsprechende Bestimmung.99 Weiter ist es typisch, dass nationale Verbände zwar in die organschaftlichen Züge der Vereinten Nationen eingeordnet werden, gleichzeitig aber ihre rechtliche Stellung als Organe des Sendestaates beibehalten. Grund dieser Praxis ist schlicht, dass die Vereinten Nationen keine Möglichkeit 93

Nissan v. Attorney-General (Queens Bench Division), [1967] 2 All ER 200, 220. Nissan v. Attorney-General (Court of Appeal), [1967] 2 All ER 1238, 1247. 95 Attorney-General v. Nissan (House of Lords), [1969] 1 All ER 629, 647. 96 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, para. 36. 97 Zwanenburg, 109. 98 Chagos Islanders v Attorney General [2004] EWCA Civ 997, para. 20. 99 Model Status-of-Forces-Agreement for Peace-keeping Operations, 9. Oktober 1990, UN Doc. A/45/594, para. 8, 24. 94

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haben, Mitglieder ihrer Truppen zur Rechenschaft zu ziehen und diese Aufgabe deshalb den Mitgliedstaaten überlassen. Das Urteil ist daher auch auf wenig Zustimmung gestoßen. Bemängelt wurde insbesondere, dass nicht auf das Zurechnungskriterium der effektiven Kontrolle eingegangen wurde.100 Der Streit selbst ist schließlich durch eine außergerichtliche Zahlung der britischen Regierung beigelegt worden. Danach versuchte Nissan, weiter Ansprüche aus der Besetzung des Hotels gegen die Vereinten Nationen geltend zu machen. Diese wurden aber unter Verweis auf das Statusabkommen und ohne das Urteil des House of Lords zu erwähnen abgelehnt.101 Aus dieser Behandlung leitet Schmalenbach die Einschätzung durch die Vereinten Nationen als „eklatantes Fehlurteil“ ab.102 Bezeichnenderweise findet Nissan auch in späteren Urteilen des House of Lords keine Erwähnung. d) Bici & Anor v. Ministry of Defence In Bici ging es um Verfehlungen nationaler Soldaten als Teil der KFOR-Mission im Kosovo. Der High Court gab einer Klage statt, die den Tod beziehungsweise die Verletzung dreier Kosovo-Albaner betraf, deren Auto unter Beschuss der britischen KFOR-Soldaten geriet, ohne dass von ihnen eine Gefahr ausgegangen war. Trotz der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen habe Großbritannien das Kommando über die Handlungen behalten und sei daher verantwortlich.103 Trotz des ähnlichen Sachverhalts bestritt der EGMR jegliche Auswirkung auf die Sache Behrami und Saramati. Die Beschwerdeführer hatten die Bici-Entscheidung als einen Aspekt für die einzelstaatliche Verantwortung der Mitgliedstaaten angeführt. Nach der Ansicht der Großen Kammer komme es für die Zurechnung zu den Vereinten Nationen nach dem ultimate authority and control-Standard weiter darauf an, dass NATO das effektive operative Kommando behalten habe.104 Das Bici-Urteil demonstriere aber lediglich, dass individuelle Ansprüche Dritter je nach truppenstellendem Staat unterschiedlich behandelt werden könnten und unterscheide sich daher nicht von anderen nationalen Besonderheiten wie der Straf-und Disziplinargewalt über die eigenen Kontingente. Die operative Kommandogewalt der NATO könne hierdurch nicht beeinflusst werden.105 Für die Bedeutung des Urteils als Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel gilt gleiches wie für Nissan. Es handelt sich um ein zivilrechtliches Urteil ohne direkten Bezug zum Völkerrecht. Im Übrigen konnte der Fall nur aufgrund einer Ver100 Hirsch, 76 f.; Schmalenbach, 420; Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/541 vom 2. April 2004, para. 40. 101 Schmalenbach, 421. 102 Ibid. 103 Bici & Anor v. Ministry of Defence, [2004] EWHC 786, para. 2. 104 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 138. 105 Ibid., para. 139.

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einbarung der Parteien entschieden werden, nach der das englische Recht zur Anwendung gelangen sollte. Da mit einem Urteil immer aber auch eine Wertung einhergeht, kann es zumindest als Abwägungskriterium eine völkerrechtliche Norm beeinflussen. So sieht Großbritanniens sich hier verantwortlich für die Handlungen seiner Truppen, auch wenn die Zurechnung nicht über die Regeln der Staatenverantwortlichkeit sondern über nationales Recht erfolgt. 2. Niederlande a) Immunität der Vereinten Nationen vor niederländischen Gerichten In den Niederlanden haben mehrere Prozesse vor dem Landgericht in Den Haag, die im Zusammenhang mit dem Völkermord von Srebrenica stehen, für internationales Aufsehen gesorgt. In einem ersten Fall hatten zehn Hinterbliebene sowie die sich für die Opfer des Massakers einsetzende Organisation „Mütter Srebrenicas“ gegen die UN und den niederländischen Staat wegen ihrer Versäumnisse beim Fall der Enklave und die daraus resultierenden Tötungen geklagt. Sie verlangten ein Schuldeingeständnis der Beklagten und Schadensersatz in Geld.106 Die UN äußerten sich nicht zu den Vorwürfen, sondern beriefen sich auf ihre Immunität. Das Gericht stimmte aber zu, dass die Interessen der UN vor Gericht von dem niederländischen Staat als UN-Mitglied und Mitglied der Konvention über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen107 vorgebracht werden können.108 Das Gericht bejahte erwartungsgemäß die Immunität der Vereinten Nationen und erklärte die Klage folglich für unzulässig. Für diese Bewertung bezog das Gericht sich auf völkerrechtliche Vorschriften und legte zunächst Art. 105 Abs. 1 UN-Charta in Verbindung mit Art. 2 § 2 UN-Immunitätenkonvention aus. Dem Argument der Kläger, das Handeln und Unterlassen in Srebrenica falle nicht unter die Immunitätsregeln, da es nicht notwendig zur Verwirklichung der UN-Ziele im Sinne des Art. 105 Abs. 1 UN-Charta sei, folgte das Gericht nicht. Die Bewertung, ob eine Handlung „erforderlich“ sei, liege nicht im Ermessen eines nationalen Gerichts und würde in seiner Konsequenz dem Sinn und Zweck der Immunitätsregeln widersprechen.109 Auch die fehlende Umsetzung eines eigenen Streitbeilegungssystems, wie in Art. 8 § 29 der UN-Immunitätenkonvention vorgesehen, könne Art. 105 Abs. 1 UN-Charta nicht umgehen und die Immunität der UN in

106 Writ of Summons vom 4. Juli 2007, abrufbar unter: http://www.vandiepen.com/upload/ file/srebrenica/srebrenica-writ_of_summons.pdf. 107 Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, 13. Februar 1946, UNTS 1, 15 (UN-Immunitätenkonvention). 108 District Court The Hague, Case No. 295247/HA ZA 07-2973, Urteil vom 10. Juli 2008, para. 5.5. 109 Ibid., para. 5.14.

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die Hände eines nationalen Gerichts legen.110 Dann ging das Gericht auf das weitere Argument der Kläger ein, Art. 105 Abs. 1 UN-Charta sei unvereinbar mit zwingenden Normen des Völkerrechts, die sich unter anderem aus der Völkermordkonvention, Art. 14 IPBürg und Art. 6 EMRK ergäben. Im Ergebnis lehnte es daraus folgende Einschränkungen für die Immunität der Vereinten Nationen aber ab.111 Die aus der EGMR-Rechtsprechung stammende Einschränkung, dass die Gründung internationaler Organisationen nur vorbehaltlich eines vergleichbaren Rechtsschutzes gegen Menschenrechtsverletzungen mit Art. 6 EMRK vereinbar sei,112 hielt das niederländische Gericht für nicht einschlägig. Die UN nehme aufgrund ihrer zeitlich vor Inkrafttreten der EMRK geschehenen Gründung sowie ihrer fast universellen Mitgliedschaft eine Sonderrolle ein, was der EGMR im Übrigen selber in Behrami und Saramati bestätigt habe.113

b) Verantwortlichkeit für DUTCHBAT Bei der zweiten Konstellation handelt es sich genau genommen um zwei parallele Fälle, die beide am 10. September 2008 veröffentlicht wurden und welche die Verantwortlichkeit für DUTCHBAT in Srebrenica betrafen. In der entscheidenden Frage der Zurechenbarkeit kamen sie zu einem identischen Ergebnis. Die Kläger machten die Niederlande für das Verhalten der in Srebrenica stationierten DUTCHBAT-Truppen, also dem niederländischen Beitrag zur UN-geführten UNPROFOR-Mission, verantwortlich. Bei den Klägern handelt es sich einerseits um Hinterbliebene eines Elektrikers, der für DUTCHBAT arbeitete und getötet wurde, nachdem er zum Verlassen des Camps gezwungen worden war.114 Andererseits um einen Übersetzer, der als örtlicher Angestellter im Gegensatz zu seinen Angehörigen im DUTCHBAT-Camp verbleiben durfte und diese in der Folge verlor.115 Das Gericht folgte der Verteidigung, die argumentierte, dass DUTCHBAT-Handlungen nicht dem Staat, sondern allein den Vereinten Nationen zurechenbar seien, da sie den operativen Befehl und die Kontrolle (operational command and control) ausübten. Bei der Bewertung der Frage entschied das Gericht zunächst, dass internationales Recht anwendbar sei, da es um die Verletzung einer Hauptpflicht aus dem Mandat des Sicherheitsrats gehe.116 Die grundsätzliche Zurechnung des Verhaltens zu den Vereinten Nationen ergebe sich aus drei Gesichtspunkten. Nach einer analogen Anwendung des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit könne auch eine internationale Organisation für das Verhalten der ihr unter110

Ibid., para. 5.15. Ibid., para. 5.26. 112 EGMR, Waite & Kennedy v. Germany, ECHR 1999-I, 393, para. 67. 113 District Court The Hague, Case No. 295247/HA ZA 07-2973, Urteil vom 10. Juli 2008, para. 5.24. 114 District Court The Hague, Case No. 265618/HA ZA 06-1672, Urteil vom 10. September 2008. 115 Ibid. 116 Ibid., para. 4.8. 111

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stellten Einheiten verantwortlich sein. Den hierfür notwendigen operativen Befehl und die Kontrolle hätten die Niederlande auf die Vereinten Nationen übertragen und da der Kläger nicht Teil von DUTCHBAT gewesen sei, zähle sein Schutz auch nicht zu den Befugnissen in personeller Hinsicht, die bei den truppenstellenden Staaten verbleiben.117 Dann diskutierte das Gericht mögliche Ausnahmen des Grundsatzes. Das Argument der Kläger, dass Verletzungen relevanter völkerrechtlicher Verträge weiterhin überprüfbar sein müssten, lehnte es ab, da der Staat nach Übergabe der Befehlsgewalt an die Vereinten Nationen gar nicht mehr selber handele. Im Übrigen lehnte es hilfsweise auch die Anwendbarkeit der EMRK ratione loci ab.118 Weiterhin könne auch grobe Fahrlässigkeit nicht zu einer Abkehr des Grundsatzes führen und den Staat in die Verantwortlichkeit rücken. Ausführlicher diskutierte das Gericht, ob der Staat die Kommandostrukturen der UN willentlich durchbrochen habe. Ein solches Verhalten führe zum Wegfall der Grundlage des Zurechnungstests und biete daher Raum für eine Zurechnung des Verhaltens zum Staat.119 Im Ergebnis reichten die teils ambivalenten Handlungen aber nicht aus, um sie als Umgehung der UN-Strategie zu sehen. Die Handlungen von DUTCHBAT waren daher nicht den Niederlanden zuzurechnen und die Klagen wurden abgewiesen.120 Das Urteil zeigt deutlich das rechtliche Vakuum, das durch die fehlende Verantwortlichkeit des Staates bei gleichzeitiger Immunität der Vereinten Nationen entsteht und eine gerichtliche Durchsetzung von Menschenrechtsverletzungen unmöglich macht. Die Reaktionen der Öffentlichkeit fielen dementsprechend kritisch aus, doch entspricht das Ergebnis in rechtlicher Hinsicht den Erwartungen. Allerdings schlägt das Landgericht Den Haag für DUTCHBAT einen anderen Lösungsweg als der EGMR für die ebenfalls unter Führung der Vereinten Nationen stehende Zivilverwaltung UNMIK ein. Der EGMR stellt umfassend das relevante Recht des Falles dar, wobei er den Schwerpunkt auf Art. 5 des ILC-Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen legt. Die eigentliche Zurechnung von UNMIK zu den Vereinten Nationen entscheidet er aber bereits aufgrund der formalen Position als Unterorgan ohne direkt auf Art. 5 ILC-Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zurückzukommen.121 In dem niederländischen Urteil finden die Arbeiten der ILC zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen dagegen keinerlei Beachtung, sondern es werden stattdessen die Regeln der Staatenverantwortlichkeit analog angewendet. Nicht klar wird allerdings, auf welche Vorschrift das Gericht genau Bezug nimmt. Zunächst verweist es, ohne den Artikel zu nennen, auf die Voraussetzungen des Art. 6 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, führt dann aber weiter aus, dass es nach dieser Regel darauf ankomme, dass die fremden Staats117

Ibid., para. 4.10 – 4.13. Ibid., para. 4.14.2. 119 Ibid., para. 4.16.1. 120 Ibid., para. 4.17. 121 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 29 ff.; 142 f. 118

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organe „under direction and control“ des anderen Staates handelten.122 Dieses ist aber wiederum der Wortlaut des Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, der sich nicht mit der Organleihe, sondern mit staatlicher Kontrolle über privates Handeln befasst. Das aufgrund der IGH-Rechtsprechung zu Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit dann nahe liegende Kriterium der effektiven Kontrolle123 findet aber keine Erwähnung. Stattdessen rechnet das niederländische Gericht den Vereinten Nationen die Handlungen der UNPROFOR-Kontingente aufgrund von operational command and control zu und greift somit eher auf die Idee der Kontrolle als Leitbild der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit als auf eine spezielle Norm zurück. Das Gericht argumentierte, dass bereits die alleinige Verantwortlichkeit des Sicherheitsrats für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit nach der Charta impliziere, dass die Mitgliedsstaaten diese Kommandogewalt über ihre nationalen Streitkräfte bei Teilnahme an UN-geführten Kapitel VII-Missionen auf die UN übertragen hätten.124 Erst wenn diese Annahme widerlegt sei, komme eine Zurechnung zu den Entsendestaaten in Betracht. Diese Sichtweise legt nahe, dass die niederländische Justiz internationale Friedensmissionen, die nicht unter UN-Führung stehen, nicht den Vereinten Nationen zurechnet, da sie der Indizwirkung von Kapitel VII-Handlungen entgegenstehen. Denn wenn die Vereinten Nationen auf ihr Kommando verzichten, ist die Annahme, dass Hoheitsgewalt auf die UN übertragen wurde, positiv widerlegt. 3. Österreich Auch vor österreichischen Gerichten ist bereits über Schadensersatzansprüche, geltend gemacht auf dem Wege der Amtshaftung, für Handlungen von Soldaten während UN-Einsätzen entschieden worden. Das Oberlandesgericht Wien gelangte in N.K gegen Österreich zur Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen und begründete seine Entscheidung mit der sogenannten Organtheorie. Für die Passivlegitimation des Amtshaftungsanspruches sei nicht entscheidend, wem der Amtsträger organisatorisch zuzuordnen sei, sondern für wen er zum entscheidenden Zeitpunkt funktionell handelte.125 Während der schadensverursachenden Handlung habe der österreichische Soldat der UNDOF-Mission (United Nations Disengagement Observer Force), die auf den Golanhöhen eingesetzt war, als Organ der Vereinten Nationen gehandelt, so dass eine Klage gegen Österreich ausgeschlossen sei.126 122 District Court The Hague, Case No. 265618/HA ZA 06-1672, Urteil vom 10. September 2008, para. 4.10. 123 IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 115. 124 District Court The Hague, Case No. 265618/HA ZA 06-1672, Urteil vom 10. September 2008, para. 4.11. 125 Oberlandesgericht Wien 14 R 31/79, Entscheidung vom 26. Februar 1979, ÖZöR 1980, 310, 312. 126 Ibid., 314.

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Diese Rechtsauffassung hat durch ein Urteil aus dem Jahre 1996 des Obersten Gerichtshofs Österreichs weitere Facetten erhalten, was bis heute in weiten Teilen der Literatur aber unbemerkt geblieben zu sein scheint.127 Auch hier ging es um Handlungen eines Offiziers, der dem der UNDOF-Mission unterstellten österreichischen Bataillon AUSBATT auf den Golanhöhen angehörte. Während einer Dienstfahrt kam es zu einem Unfall, für den die Klägerin Schadensersatz gegen den Staat Österreich begehrte. Das Gericht hielt die Auslegung des funktionellen Organbegriffs durch das unterinstanzliche Gericht aufrecht und entschied, dass österreichisches Amtshaftungsrecht zur Anwendung komme, wenn der Schaden in einem hinreichenden Zusammenhang zu den Aufgaben stehe, mit denen das Organ durch die Einheit betraut sei.128 Seien Hoheitsträger ermächtigt, Staatsakte im Ausland zu setzen, träten sie als Träger österreichischer Hoheitsgewalt auf und der Bund bleibe in organisatorischer und funktioneller Hinsicht ihr Rechtsträger.129 Die Klage scheiterte letztendlich aber an einem absoluten Prozesshindernis aus dem nationalen Recht. 4. Deutschland In Deutschland ist bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zur Verantwortungslage bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ergangen. In dem bisher einzigen Urteil zu den NATO-Luftangriffen ging es um individuelle Ansprüche aus der Verletzung humanitären Völkerrechts. Der BGH hielt im Grundsatz an seiner Rechtsauffassung, keine völkerrechtlichen Schadensersatzansprüche für Individuen, fest, relativierte sie aber dahingehend, dass aufgrund der Stärkung der Menschenrechte bei jedem völkerrechtlichen Vertrag durch Auslegung ermittelt werden müsse, ob und welche Rechte er für Individuen bereithalte.130 5. Sonstige Entscheidungen Belgische Gerichte lehnten Schadensersatzansprüche für durch ONUC verursachte Schäden ab, die dem Kläger allerdings durch äthiopische Kontingente entstanden waren. Die Klage gegen die Vereinten Nationen scheiterte an ihrer Immunität.131 Die Klage gegen den Staat basierte auf einer Verletzung seiner Schutzpflichten. Sie war zulässig, aber unbegründet.132 Außerhalb des eigentlichen Streitgegenstandes stellte 127

Lorenz, 267 f.; Schmalenbach, 420 f.; Zwanenburg, 91. OHG Österreich, Entscheidung vom 27. Februar 1997, IPRax 1997, 345, 347. 129 Ibid. 130 BGH, Urteil vom 2.11.2006 – III ZR 190/05, JZ 2007, 532, 533. 131 Civil Tribunal of Brussels, Manderlier v. United Nations and Belgium, Urteil vom 11. Mai 1966, ILR 45, 446; Court of Appeals Brussels, Manderlier v. United Nations and Belgium, Urteil vom 15. September 1969, ILR 69, 139. 132 Civil Tribunal of Brussels, Manderlier v. United Nations and Belgium, Urteil vom 11. Mai 1966, ILR 45, 446. 128

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das erstinstanzliche Gericht weiter klar, dass es sich bei den fraglichen Handlungen nicht um solche belgischer Organe handelte, und verneinte somit hilfsweise die Zurechenbarkeit im Verhältnis zwischen den beiden nationalen Kontingenten.133 Auch in Kanada hatte die Familie eines angeblich durch kanadische Truppen der UNOSOM zu Tode gefolterten Somaliers erfolglos Schadensersatzansprüche gegen den Staat geltend gemacht.134 Ob das Gericht dabei aber von einer Zurechnung der Handlungen zu den Vereinten Nationen ausgegangen ist, ergibt sich aus dem Urteil aber nicht eindeutig.135

IV. Zusammenfassung der Zurechnungslage nach der Rechtsprechung Trotz der Vielzahl von Friedensmissionen sind gerichtliche Entscheidungen über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit auf internationaler Ebene rar, genauer gesagt erst seit der Entscheidung Behrami und Saramati sowie den Folgeentscheidungen des EGMR überhaupt existent. Für UN-mandatierte Missionen wählte der EGMR die Vereinten Nationen als Zurechnungssubjekt, während nach der britischen Rechtsprechung in Al-Jedda und Bici Handlungen nationaler Kontingente im Irak und im Kosovo dem Vereinigten Königreich zuzurechnen sind. Trotz dieser unterschiedlichen Ergebnisse akzeptierte die Mehrheit des House of Lords in Al-Jedda aber den Zurechnungsstandard ultimate authority and control und grenzte die Fälle nur auf tatsächlicher Ebene ab. In Bici aus dem Jahr 2004 und damit zeitlich vor Behrami und Saramati entschieden, stellte das Gericht dagegen nur auf die beim Staat verbliebene Kontrolle ab. In Bezug auf das Zurechnungssubjekt bei Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen lässt sich eine klare Tendenz in Richtung Zurechnung zu diesen erkennen. In jüngster Zeit rechnete der EGMR Handlungen von UNMIK und UNFICYP den Vereinten Nationen zu, und auch das Landgericht Den Haag ist für DUTCHBAT zu diesem Ergebnis gelangt. Gleiches gilt für das Oberlandesgericht Wien in N.K. gegen Österreich im Jahre 1979. In anderen Fällen scheiterten Klagen gegen truppenstellende Staaten, wobei in der Regel allerdings unklar blieb, ob die Richter im Umkehrschluss von einer Zurechenbarkeit zu den Vereinten Nationen ausgingen. Das einzige Urteil in der Sache, das Handlungen nationaler Kontingente dem Staat zurechnet, in der Argumentation aber nicht überzeugen kann, ist demnach das im Fall Nissan vor dem House of Lords. Die angewendete Zurechnungsregel variiert hingegen. Der EGMR verweist auf die rechtliche Position der Kontingente als Unterorgane der UN sowie auf command 133

Ibid., 453. Ontario Superior Court of Justice, Abukar Arone Rage et al. v. The Attorney General of Canada, Urteil vom 6. Juli 1999, zitiert in: Wickremasinghe/Verdirane in: Scott, 465, 474. 135 Wickremasinghe/Verdirane, in: Scott, 465, 486 f. 134

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and control eben dieser. Das Landgericht in Den Haag vermutet widerlegbar, dass die Vereinten Nationen aufgrund des von den truppenstellenden Staaten übertragenen Kommandos verantwortlich sind. Schließlich verweist das österreichische Gericht auf die Organtheorie.

V. Position des Menschenrechtsausschusses Der Überwachungsausschuss nach dem IPBürg geht von der extraterritorialen Anwendbarkeit des Paktes aus. Er legt Art. 2 Abs. 1 IPBürg so aus, dass er auch außerhalb des Staatsgebiets gilt, sobald der Vertragsstaat die effektive Kontrolle ausübt, und zwar unabhängig davon, wie diese Kontrolle erwirkt wurde.136 Neben Peacekeeping- und Peace-enforcement-Operationen nennt der Ausschuss in diesem Zusammenhang auch NATO-Einsätze.137 Über die Zurechenbarkeit von Verletzungen des IPBürg bei Friedensmissionen liegen bisher keine ausdrücklichen Aussagen vor. Der Ausschuss war 2004 aber mit einer Mitteilung von zwei Kosovo-Albanern befasst, die sich gegen die Behandlung durch spanisches UNMIK-Personal richtete. Spanien argumentierte, dass die Verantwortlichkeit nicht den Staat, sondern UNMIK treffe.138 Der Menschenrechtsausschuss ging auf dieses Vorbringen nicht ein, sondern erklärte den Fall schon mangels Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges für unzulässig.139 Für die Ansicht, dass der Ausschuss hierdurch implizit die Handlungen Spanien zugerechnet habe, da er andernfalls unzuständig wäre und nicht über die Rechtswegerschöpfung hätte entscheiden müssen, ergeben sich jedenfalls keine ausreichenden Anzeichen. Wollte der Ausschuss seine Position in diesem Punkt verdeutlichen, könnte er den personellen Anwendungsbereich des Pakts in Form eines weiteren General Comments kommentieren. Rückschlüsse können allerdings auch aus den Staatenberichten gezogen werden. So verlangt der Ausschuss von den Staaten immer auch Informationen über Auslandseinsätze, unabhängig davon, ob sie individuell oder im Rahmen multilateraler Operationen stattfinden. Es liegt daher nahe, dass der Ausschuss derartiges Handeln den Staaten zurechnet, da er andernfalls Auskunft über fremdes Handeln verlangen würde. Der Kosovo ist in dieses Überprüfungssystem dergestalt eingebunden, dass

136 UN Human Rights Committee, General Comment 31 [80]: Nature of the Genaral Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 (2004), para. 10. 137 Concluding Observations on Belgium vom 12. August 2004, CCPR/CO/81/BEL, para. 6. 138 Comm. No. 1374/2005, Azem Kurbogaj und Ghevdet Kurbogaj v. Spain (Ansicht vom 11. August 2006), CCPR/C/87/D/1374/2005, para. 3.1. 139 Ibid., para. 6.1 ff.

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UNMIK die Berichtsaufgaben im Jahr 2006 wahrgenommen hat.140 Ein nächster Bericht ist frühestens 2011 zu erwarten. Hieraus könnte man entnehmen, dass der Ausschuss UNMIK als Zurechnungssubjekt betrachtet. Im Umkehrschluss würde die fehlende Aufforderung an KFOR dann bedeuten, dass die Verantwortlichkeit bei den Entsendestaaten verbleibt. Ohne weitere Begründung durch den Ausschuss und aufgrund der speziellen Situation im Kosovo kann diese Folgerung aber nicht vollständig von ihrem spekulativen Charakter befreit werden. UNMIK agiert als Übergangsregierung und nimmt daher Staatsaufgaben in weit größerem Umfang als andere Missionen, einschließlich KFOR wahr.

VI. Venedig-Kommission Die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) beschäftigte sich in einem Gutachten mit der Menschenrechtssituation im Kosovo. Sie stellte fest, dass der Anwendungsbereich der EMRK für UNMIK-Handlungen nicht eröffnet sei.141 Die Situation in Bezug auf KFOR beschrieb sie als sehr komplex, wobei die Hauptschwierigkeit aber darin bestehe zu entscheiden, ob die Handlungen der NATO oder den truppenstellenden Staaten zugerechnet werden müssten. Die Möglichkeit der Vereinten Nationen als Zurechnungssubjekt lehnte sie hingegen eindeutig ab: KFOR, unlike UNMIK, is not a UN peacekeeping mission. Therefore, although KFOR derives its mandate from UN SC Resolution 1244, it is not a subsidiary organ of the United Nations. Its acts are not attributed in international law to the United Nations as an international legal person.142

Aufgrund der Vernetzung der Befehlsketten könnten außerdem nicht alle Handlungen entweder der NATO oder den Mitgliedstaaten zugerechnet werden. Besondere Schwierigkeiten würden bestehen, wenn etwa ein Soldat auf Befehl seines nationalen Kommandeurs handele, der Befehl selber aber nur teilweise eine Ausführung eines KFOR-Befehls darstelle, da gleichzeitig auch von dem bei den nationalen Kontingenten verbliebenen Ermessen Gebrauch gemacht worden sei.143 Diese Argumentation legt den Schluss nahe, dass Handlungen dann der NATO zurechenbar sind, wenn sie in direkter Umsetzung eines KFOR-Befehls erfolgen. Die Tatsache, dass der Be-

140 Report submitted by the United Nations Interim Administration in Kosovo to the Human Rights Committee on the Human Rights Situation in Kosovo since 1999 vom 7. Februar 2006, CCPR/C/UNK/1. 141 European Commission for Democracy through Law, Opinion on Human Rights in Kosovo: Possible Establishment of Review Mechanisms; Gutachten No. 280/2004 vom 11. Oktober 2004, para. 78. 142 Ibid., para. 79. 143 Ibid.

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Kap. 3: Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen

fehl immer erst durch den nationalen Kommandeur umgesetzt werden muss,144 spielt für die Zurechnung demnach keine Rolle.

VII. Stellungnahmen der Vereinten Nationen Die Vereinten Nationen haben in ihrer Stellungnahme, mit der sie der Aufforderung der ILC nachgekommen sind, ihre Meinung zur Reichweite der Zurechenbarkeit während Peacekeeping-Missionen darzulegen, eine eindeutige Position bezogen. Aus Gründen der Einheitlichkeit und Effektivität ihrer Missionen haben sie ein Interesse an einer möglichst weit reichenden Kontrolle, mit der die Zurechnung und infolgedessen auch die völkerrechtliche Verantwortlichkeit einhergeht. Sie beanspruchen daher die alleinige Führung und die Kontrolle über die ihnen zur Verfügung gestellten nationalen Kontingente. Den UN-Standpunkt hat das Sekretariat folgendermaßen zusammengefasst: The principle of attribution of the conduct of a peacekeeping force to the United Nations is premised on the assumption that the operation in question is conducted under United Nations command and control, and thus has the legal status of a United Nations subsidiary organ. In authorized chapter VII operations conducted under national command and control, the conduct of the operation is imputable to the State or States conducting the operation. In joint operations, namely, those conducted by a United Nations peacekeeping operation and an operation conducted under national or regional command and control, international responsibility lies where effective command and control is vested and practically exercised.145

In eindeutigen Worten wird hier eine Position ausgedrückt, die von der ILC übernommen worden zu sein scheint, nicht jedoch explizit formuliert wurde. Handlungen von UN-Missionen werden diesen zugerechnet, mandatierte Missionen und Zwangsmaßnahmen den ausführenden Staaten. Anders als vorherige Aussagen der UN bezieht sich diese unzweifelhaft gerade auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Friedensmissionen. Aber auch aus früheren Stellungnahmen wird bereits deutlich, dass die Vereinten Nationen von ihrer eigenen Verantwortlichkeit ausgehen, sobald ein Kontingent in die formale Struktur der Organisation eingebunden ist und ihre eigenen Kommandostrukturen somit die Grenze der Zurechenbarkeit beschreiben. So sei eine Verantwortlichkeit für UNITAF-Truppen nicht gegeben, da sie außerhalb des Kommandos der Vereinten Nationen operierten.146 Derselbe Tenor wird auch in ihrer differenzierenden Meinung zu joint operations wie beispielsweise der Kooperation in Somalia zwischen UNOSOM II und der Quick Reaction Force (UNITAF) deutlich. Hier gehen die UN davon aus, dass Verantwortlichkeit mit der operativen Kontrolle zusammenfällt. Daher möchten sie zum Nachweis dieser primär die Vereinbarungen zwischen den Vereinten Nationen und der kooperierenden Truppe untersuchen. Führe 144

Ibid., para. 14. UN Sekretariat, UN Doc. A/CN.4/545 vom 25. Juni 2004, 18. 146 Unveröffentlichter Brief, wiedergegeben in: Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/541 vom 2. April 2004, 16, para. 33. 145

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel

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dieses zu keiner Lösung, sei die effektive Kontrolle über die einzelne Handlung entscheidend.147 Dass die UN an dieser Auffassung trotz der entgegenstehenden Rechtsprechungspraxis des EGMR festhalten, verdeutlicht folgende Aussage des Generalsekretärs: „It is understood that the international responsibility of the United Nations will be limited to the extent of its effective control.“148

VIII. Stellungnahmen von Staaten In Bezug auf die Bewertung der Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen durch Staaten können insbesondere ihre Stellungnahmen zu den Arbeiten der ILC und zu dem Verfahren in Behrami und Saramati Aufschluss geben. 1. Gegenüber der ILC Die ILC hat in ihrem Bericht 2003 Staaten aufgefordert, ihre Sichtweise in Bezug auf die Zurechenbarkeit von Handlungen durch Peacekeeping-Truppen zu entweder den Entsendestaaten oder den Vereinten Nationen abzugeben. Gemäß der auf Friedensmissionen unter Führung der UN beschränkten Fragestellung beziehen sich auch die Stellungnahmen hauptsächlich auf diese Konstellation. Die Demokratische Republik Kongo bringt vor, dass die Zurechnung prinzipiell zu den Vereinten Nationen zu erfolgen habe, da der Sicherheitsrat das nationale Kommando, von dem Befehle an die Soldaten ausschließlich ausgingen, kontrolliere.149 Aufgrund der besonderen Situation von Peacekeeping-Missionen soll die Verantwortlichkeit aber vorzugswürdig durch individuelle Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und dem Gaststaat bestimmt werden.150 Mexiko führt zwei Kriterien zur Bewertung der Zurechnung an, die Befolgung des Mandats und ein „zur Verfügung stellen“ nationaler Kontingente im Sinne einer hierarchischen Unterordnung. Demnach finde eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen statt, sofern die Mission unter ihrer Kontrolle steht und die Verletzungshandlungen sich innerhalb des Mandats bewegen.151 Polen ist zurückhaltender und fordert zunächst eine ausführlichere Untersuchung der Materie unter Einbeziehung der Praxis.152 Auch macht es auf das Problem aufmerk147

Report of the Secretary-General on Administrative and Budgetry Aspects of the Financing of United Nations Peacekeeping Operations, UN Doc. A/51/389, 11, para. 44. 148 Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, UN Doc. S/2008/354 vom 12. Juni 2008, para. 16. 149 ILC, Responsibility of international organizations – Comments and observations received from Governments and international organizations, 12. Mai 2005, UN Doc. A/CN.4/ 556, 29. 150 Ibid. 151 ILC, Responsibility of international organizations – Comments and observations received from Governments, 6. August 2004, UN Doc. A/CN.4/547, 8 f. 152 Ibid., 10.

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sam, dass der Begriff „Peacekeeping“ unterschiedliche Tätigkeiten unter unterschiedlichen Kommandostrukturen und Mandaten erfasst. Nach einer rein theoretischen Analyse sei die Verantwortlichkeit einer internationalen Organisation für Peacekeeping-Missionen aber auf Fälle unter ihrem Kommando beschränkt. Allerdings sei die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten nicht auszuschließen, wenn die Streitkräfte für einen Staat handelten oder durch nationale Befehlshaber kontrolliert würden.153 In Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen wurde schließlich das Zurechnungskriterium der effektiven Kontrolle aufgenommen. Dieses finde laut Sonderberichterstatter Gaja überwiegend Zuspruch und nur einige Staaten hätten eine Konkretisierung gefordert.154 2. Gegenüber dem EGMR In dem Verfahren Behrami und Saramati vor dem EGMR haben sich nicht nur die beschwerdegegnerischen Staaten zu ihrer von den Klägern vorgetragenen Verantwortlichkeit nach der Konvention geäußert, sondern sich auch Drittstaaten beteiligt. Zwar betreffen die Stellungnahmen ausschließlich die Zuständigkeit des Gerichts, doch können die Argumente teilweise auch auf die Zurechnungslage nach allgemeinem Völkerrecht übertragen werden. Im Ergebnis stimmten alle Staaten darin überein, dass die Beschwerde unzulässig ratione personae sei.155 So verweist Frankreich zwar auf Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, bezeichnet die relevante Kontrolle aber als overall effective control. Dieses ist aber nicht der Zurechnungsstandard der ILC, sondern in einigen Fällen der Test des EGMR für den Nachweis der extraterritorialen Anwendbarkeit der EMRK.156 Da die Befehlskette der französischen Autorität vollständig entzogen sei, liege eine solche Kontrolle seitens des Staates nicht vor.157 Die einzelnen Truppen unterstünden dem Kommando eines Offiziers der Führungsnation, der dem KFOR-Befehlshaber gegenüber verantwortlich sei und dieser wiederum über die NATO-Befehlskette mit dem Sicherheitsrat und damit den Vereinten Nationen verbunden sei. Da Resolution 1244 des Sicherheitsrats die Rechtsgrundlage für die Aufstellung und Führung von KFOR durch die NATO bilde, übten die Vereinten Nationen overall effective control aus.158 Auch die anderen Staaten lehnten mit ähnlichen Argumenten die Hoheits153

Ibid., 9. Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, 9, para. 25 und Fn. 30. 155 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 67. 156 EGMR, Issa v. Türkei, 41 EHRR 567, para. 74 f. 157 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 83. 158 Ibid. 154

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gewalt der Staaten über die Beschwerdeführer ab.159 Isoliert zur Zurechenbarkeit äußerten sich nur Deutschland und Großbritannien. Nach deutscher Ansicht scheitere die Zulässigkeit der Klage selbst bei bestehender Jurisdiktion gemäß Art. 1 EMRK an der Zurechenbarkeit der Handlung. Diese würde bei UN-Friedenstruppen nach der ILC stets zu den Vereinten Nationen erfolgen.160 Schließlich befand Großbritannien, dass es aufgrund der fehlenden Hoheitsgewalt nicht auf die Zurechenbarkeit der Handlungen ankomme.161

IX. Entschädigungspraxis bei Völkerrechtsverstößen Als Erklärung für die geringe Anzahl von Klagen gegen Handlungen von Peacekeeping-Einheiten auch vor prima facie zuständigen nationalen Gerichten wird häufig die weit reichende Entschädigungspraxis der Vereinten Nationen angeführt.162 Obwohl diese Entschädigungen auf freiwilliger Basis erfolgen, können sie gleichwohl Auskunft über die rechtlichen Bedingungen einer Friedensmission geben. Denn auch hier liegt es nahe, dass nur solche Folgen primärer Rechtsverletzungen auf tertiärer Ebene abgegolten werden sollen, für die eine Verantwortlichkeit besteht, die zumeist mit der Zurechenbarkeit einhergeht. 1. Jurisdiktionsimmunität Internationaler Organisationen als Ausgangslage Für Staaten ergibt sich bereits aus ihrer souveränen Gleichheit und dem daraus abzuleitenden Rechtsgedanken par in parem non habet iurisdictionem, dass sie immun gegenüber der Gerichtsbarkeit anderer Staaten sind. Internationale Organisationen erfüllen jene staatlichen Aufgaben, zu denen sie von den Mitgliedstaaten ermächtigt sind, ohne dass ihnen, ähnlich wie Staaten, automatisch Immunität zugestanden würde. Um eine effektive Erfüllung der stetig ansteigenden Aufgaben und Tätigkeiten zu gewährleisten, ist ein Schutz vor der Gerichtsbarkeit anderer Staaten aber ebenso sinnvoll wie für Staaten und gehört daher zum völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht. Häufig befindet sich dieser Gedanke zusätzlich im Gründungsvertrag einer internationalen Organisation oder ist durch ein spezielles Abkommen kodifiziert.163 So bestimmt Art. 105 Abs. 1 UN-Charta, dass die Organisation die Vorrechte und Immunitäten genießt, die zur Verwirklichung ihrer Ziele notwendig sind. „Organisation“ erfasst in diesem Zusammenhang alle Haupt- und Nebenorgane der Vereinten Natio159

Ibid., para. 85 ff. Ibid., para. 107. 161 Ibid., para. 112. 162 Lorenz, 268. 163 Z. B. Übereinkommen über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals, 20. September 1951, UNTS 200, 3. 160

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nen und damit auch UN-geführte Friedensmissionen.164 Ergänzt wird diese Vorschrift durch die UN-Immunitätenkonvention, die in Übereinstimmung mit Art. 105 Abs. 3 UN-Charta von der Generalversammlung vorgeschlagen wurde. Sie wiederholt den allgemeinen Tenor, dass die UN, ihre Mitarbeiter und ihr Vermögen von allen nationalen Gerichtsverfahren befreit werden. In der Praxis wird der genaue Umfang der Immunität in den Statusabkommen mit den Gaststaaten näher beschrieben. Auf gewohnheitsrechtlicher Ebene hat sich diesbezüglich aber noch keine präzise Regel herausgebildet. Mindestens erfasst werden nach dem funktionellen Sinn und Zweck der Immunität jedoch mandatserfüllende Handlungen.165 2. Streitbeilegung bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen Um geschädigte Personen nicht schutzlos zu lassen, sieht Art. 8 § 29 der UN-Immunitätenkonvention vor, dass: The United Nations shall make provisions for appropriate modes of settlement of: (a) Disputes arising out of contracts or other disputes of a private law character to which the United Nations is a party; (b) Disputes involving any official of the United Nations who by reason of his official position enjoys immunity, if immunity has not been waived by the Secretary-General.

Eine Umsetzung hat diese Vorschrift bisher aber nicht erfahren, so dass auf andere Lösungen zurückgegriffen wird, um Geschädigten ein Mindestmaß an Schutz zu gewähren. Es ist nicht anzunehmen, dass die mangelnde Umsetzung zu einem Verlust oder einer Aufweichung der Organisationsimmunität führt.166 a) Streitbeilegungsklauseln in Statusabkommen Ihre Verpflichtung aus der UN-Immunitätenkonvention setzen die Vereinten Nationen in den Statusabkommen mit den Gaststaaten um. Ältere SOFAs enthalten in der Regel einen Verweis auf Standing Claims Commissions (ständige Kommissionen für Entschädigungsansprüche), die in der Praxis aber nie entstanden sind.167 Stattdessen wurden Ansprüche von Claims Review Boards behandelt, die alternativ zu diesen Zwecken eingesetzt wurden. Während letzteres organisatorisch ein Verwaltungsorgan der Vereinten Nationen ist, sollten die Standing Claims Commissions als paritätisch besetztes Schiedsgericht nach dem Vorbild der Mixed Claims Commissions agieren, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa nach dem ersten Weltkrieg oder zwi164

Gerster/Rotenberg, in: Simma, Art. 105, Rn. 12. Schmalenbach, 98. 166 District Court The Hague, Case No. 295247/HA ZA 07-2973, Urteil vom 10. Juli 2008, para. 5.15. 167 Shraga, AJIL 2000, 506, 509. 165

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schen Mexiko und den Vereinigten Staaten eingesetzt wurden.168 Angesichts der Tatsache, dass eine Standing Claims Commissions bereits im Statusabkommen für UNEF I von 1957 mit Ägypten vorgesehen war, in den darauf folgenden Jahren jedoch nie zum Einsatz kam, überrascht es, dass auch das Model SOFA von 1990 hieran festhält. Der deswegen beanstandete Art. 51 Model SOFA bestimmt, dass privatrechtliche Streitigkeiten oder Ansprüche, bei denen die Vereinten Nationen oder eines ihrer Mitglieder Streitpartei ist und die Gerichtsbarkeit des Gastsstaates ausgeschlossen wurde, von einer solchen Standing Claims Commission geregelt werden.169 Inhaltlich sind die Verfahren nach dem Wortlaut des Model SOFAs wie auch der UN-Immunitätenkonvention auf zivilrechtliche Ansprüche beschränkt. Schäden aus militärisch notwendigen Aktionen werden nicht erfasst. Der Ausschluss völkerrechtlicher Ansprüche verdeutlicht, dass auch der Gaststaat den Vereinten Nationen in einem möglichen Verfahren als Privater gegenübersteht, andernfalls steht ihm nur der traditionelle Weg der internationalen Streitbeilegung offen.170 b) Streitbeilegung in der Praxis Die Informationsbeschaffung über die Praxis der Streitbeilegung stellt sich mangels der Veröffentlichung von Entscheidungen schwierig dar. Eine Dokumentation erfolgt nur durch Materialien, die erst nach Ablauf einer Sperrfrist von zwanzig Jahren in den Archiven eingesehen werden können. Soweit möglich hat Schmalenbach diese untersucht und als umfangreichen Nachweis über die Haftungspraxis der Vereinten Nationen veröffentlicht.171 Bis zu den komplexer werdenden Missionen der 1990er Jahre war die Anzahl der durch die Local Claims Review Boards geregelten Verfahren relativ gering; administrativer und finanzieller Aufwand hielten sich in Grenzen.172 Als sich dieses änderte, erachtete die Generalversammlung eine Haftungsbegrenzung der Organisation für notwendig und beauftragte den Generalsekretär, einen entsprechenden Bericht zu verfassen. Die Generalversammlung verabschiedete schließlich eine Resolution, die Ansprüche sowohl zeitlich als auch in Bezug auf ihre Höhe beschränkt.173 Bei der ONUC-Mission im Kongo wählten die UN einen anderen Weg der Streitbeilegung. Zwar entschied auch hier ein Claims Review Board über Ansprüche Geschädigter, doch gab es insbesondere eine große Anzahl belgischer Staatangehörige, die mit ihrem Vorbringen keinen Erfolg hatten. Sie konnten entweder die Beteiligung der ONUC-Truppen an der schädigenden Handlung nicht beweisen oder ihre Schäden

168 169 170 171 172 173

Schmalenbach, 228. Ibid., 457 ff. Ibid., 231. Ibid., 166 – 513. Shraga, AJIL 2000, 506, 509. GA Res. 52/247 vom 17. Juli 1998.

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stammten aus Kriegshandlungen, für die die UN keine Verantwortung übernahm.174 Als Belgien die im Statusabkommen vorgesehene Errichtung eines Schiedsgerichts verlangte, bevorzugten die UN aus Sorge um ihre Reputation die Zahlung einer Globalentschädigung („lump sums“). Nach umfangreichen Verhandlungen schlossen sie ein Abkommen mit Belgien,175 dem in der Folgezeit vergleichbare Verträge mit weiteren Staaten folgten.176 Neue Wege der Streitbeilegung wurden im Kosovo beschritten. Hier wurde zunächst eine Ombudsperson eingesetzt, um Menschenrechtsverletzungen von UNMIK-Handlungen zu überwachen. Der Vorschlag der Venedig-Kommission, einen Menschengerichtshof im Kosovo zu errichten, wurde nicht umgesetzt, jedoch existiert seit 2006 das Human Rights Advisory Panel, das die Ombudsperson ersetzt und den menschenrechtlichen Schutz verbessern soll.177 Diese Änderung bedeutet zwar einen wichtigen Schritt in Richtung Menschenrechtsschutz, doch verfügt das Panel nicht über effektive Rechtsmittel, um Menschenrechtsverletzungen in ähnlicher Weise wie der EGMR oder ein vergleichbares Gericht auszugleichen.178

3. Streitbeilegung bei UN-mandatierten Missionen a) Regionalorganisationen Aufgrund der geringeren Praxis und der lückenhaften Dokumentation ist die Regulierungspraxis regionaler Organisationen noch schwieriger nachzuvollziehen als die der Vereinten Nationen. Letztere haben bei UN-mandatierten Friedensmissionen jedenfalls keine Ausgleichszahlungen geleistet. Als aktivste Regionalorganisation im Bereich der Friedenssicherung weist die NATO auch die umfangreichste Schadensregulierungspraxis auf. Im Grundsatz folgt sie dabei bei allen Missionen, ISAF ausgenommen, einem einheitlichen Muster, das an die Praxis der Vereinten Nationen angelehnt ist. Allerdings ist die Zusammenarbeit mit den Aufenthaltsstaaten stärker ausgeprägt. Bereits das Abkommen von Dayton sah auf Drängen Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens gemeinsame Regulierungsverfahren vor.179 Im Unterschied zur Praxis der UN ist eine Standing Claims Commission dann nicht nur in die Abkommen mit den Aufenthaltsstaaten aufgenommen, sondern auch eingerichtet worden.180 Ob die 174

Schmalenbach, 309 ff. Abkommen zwischen den UN und Belgien vom 20. Februar 1965, UNTS 535, 191. 176 Abkommen zwischen den UN und Griechenland vom 20. Juli 1965, UNTS 565, 3; Abkommen zwischen den UN und der Schweiz vom 3. Juli 1966, UNTS 564, 193; Abkommen zwischen den UN und Luxemburg vom 28. Dezember 1966, UNTS 585, 147; Abkommen zwischen den UN und Italien vom 18. Januar 1967, UNTS 5, 3. 177 Krieger, JIPC 2009. 159, 161. 178 Knoll/Uhl, EHRLR 2007, 534; Krieger, JIPC 2009. 159, 161. 179 General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina, ILM 1996, 89, Annex A-I, Appendix B, para. 15. 180 Schmalenbach, 557 f. 175

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Zahlungen aus Mitteln der NATO oder der Entsendestaaten bestritten werden, soll je nach Sachlage entschieden werden.181 Ein Geschädigter kann sich nach den neueren Verfahrensregeln aber erst an die Standing Claims Commission wenden, wenn sein Ersatzanspruch durch den Entsendestaat negativ beschieden wurde. Zur Errichtung solch eigener Streitbeilegungsverfahren haben die teilnehmenden Staaten sich gegenüber der Friedensmission verpflichtet. Deutschland etwa wendet auf derartige Fälle den Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB analog an, betont aber wie die übrigen Entsendestaaten, dass sie im Außenverhältnis keine Rechtspflicht zur Zahlung treffe.182 Nach der Entscheidung der Claims Commission ist noch die Berufung zu einem Schiedsgericht möglich, dessen Strukturen anders als die vorherigen Gremien gerichtlichen Charakter aufweisen.183 Diese Situation gilt auch für den Kosovo, da das Human Rights Advisory Panel ausschließlich für UNMIK und nicht für KFOR zuständig ist. Die Regulierungspraxis der EU-Missionen erfolgt ebenfalls nach dem bereits für die UN und die NATO erläuterten Grundsatz. Schäden aus operativen Handlungen sind von der Haftung ausgeschlossen, und für die übrigen ist eine gemischte Kommission zuständig. Ihre Entscheidungen sind allerdings unverbindlich, da sie vorbehaltlich der Zustimmung des Entsendestaates beziehungsweise des operativen Mechanismus im Sinne des Statusabkommen ergehen.184 Folgen für den Geschädigten entstehen hieraus in aller Regel aber nicht, da sich die Entsendestaaten im Innenverhältnis gegenüber der EU zur Zahlung verpflichtet haben.185 b) Staatenbündnisse Werden ad hoc-Staatenbündnisse vom Sicherheitsrat autorisiert, stehen die Vereinten Nationen nicht für Entschädigungszahlungen ein. Diese Grundhaltung wird besonders anschaulich durch den Somalia-Einsatz demonstriert. Die Vereinten Nationen hatten während des UNOSOM-Einsatzes die üblichen Claim Review Boards errichtet, die erst nach der erneuten Übernahme des Kommandos durch UNSOSOM II wieder aktiviert wurden. Zur Schadensregulierung von UNITAF-Schäden zeigten sich die Vereinigten Staaten beziehungsweise die einzelnen Entsendestaaten aufgrund eines Abkommens mit den Vereinigten Staaten verantwortlich.186 Auch die UNOSOM II Claim Review Boards verwiesen durch UNITAF geschädigte Personen an die zuständigen US-amerikanischen Stellen in Somalia.187 181

Erberich, 134 f. Schmalenbach, 558. 183 Ibid., 560. 184 Ibid., 573 f. 185 Ibid., 574. 186 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 16, para. 33. 187 Report of the Secretary-General on Administrative and Budgetary Aspects of the Financing of United Nations Peacekeeping Operations, UN Doc. A/51/389, 6, para. 19. 182

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4. Bedeutung für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit Bei der Regulierungspraxis ist insgesamt zu beachten, dass sie keine direkte Wirkung für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit erzeugen können. Die Mechanismen sind allesamt begrenzt auf zivilrechtliche Ansprüche, und die belangten internationalen Organisationen und Staaten verweisen stets auf den freiwilligen Charakter der Zahlungen. Dennoch werden Claims Commissions und Local Claims Review Boards teilweise eine große Indizwirkung für das Bestehen einer völkerrechtlichen Regel zugestanden. Überwiegend wird jedoch auf die Eigenständigkeit der Völkerrechtsordnung verwiesen, und die Ansprüche werden ähnlich wie innerstaatliche Rechtsmittel betrachtet, deren Erschöpfung notwendig ist, damit der Heimatstaat des Anspruchstellers den Anspruch auf die internationale Ebene heben kann.188 Die durch die Ausschüsse oder Kommissionen bestätigte zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen impliziert also höchstens, dass auch eine Entscheidung nach internationalem Recht den gleichen Zurechnungsgrundsätzen gefolgt wäre.189 Komplexer erscheint die Lage bei Betrachtung der im Kongo eingegangenen Globalentschädigungsabkommen. Das Abkommen mit Belgien enthält den Passus: The United Nations has stated that it would not evade responsibility where it was established that United Nations agents had in fact caused unjustifiable damage to innocent parties.190

Weiter heißt es in einem Brief des Generalsekretärs bezüglich der Abkommen: „It has always been the policy of the United Nations […] to compensate individuals who have suffered damages for which the Organization was legally liable.“191 Anders als bei den Entscheidungen der Claims Review Boards basiert das Abkommen zwischen Belgien und den UN auf Völkerrecht. Es stellt die Konsequenz der Ausübung diplomatischen Schutzes für seine Staatsangehörigen durch Belgien dar. Es liegt daher nahe, die Stellungnahmen der Vereinten Nationen als Eingeständnis ihrer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zu verstehen.192 Den Ausdruck „legally liable“ als bloße moralische Verantwortung zu erfassen ist nur schwer mit den völkerrechtlichen Auslegungsmethoden in Übereinstimmung zu bringen. Vielmehr spiegelt er den Wandel des Standpunktes der Vereinten Nationen bezüglich ihrer Haftung wider.193 Die Vereinten Nationen haben bereits früh für Schäden, resultierend aus dem Einsatz der Friedenstruppen, Verantwortung übernommen und auch Entschädi-

188

Amrallah, REDI 1976, 57, 75 f.; Zwanenburg, 108. Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 17 f., para. 36. 190 Abkommen zwischen den UN und Belgien vom 20. Februar 1965, UNTS 535, 191. 191 Letter of 6 August 1965 from the Secretary-General addressed to the Acting Permanent Representative of the Union of Soviet Socialist Republics, UN Doc. S/6589. 192 Lüder, 71 f.; Hirsch, 70; Ginther, 168 ff.; Amerasinghe, 402. 193 Ginther, 170. 189

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gungen gezahlt. Hierbei verwiesen sie aber stets darauf, dass sie keine rechtliche Verantwortung treffe und ihre Zahlungen ex gratia Natur seien.194 Insgesamt folgt die Haftungspraxis der Vereinten Nationen aber erkennbar dem Bild, das sie auch für ihre völkerrechtliche Verantwortlichkeit zeichnen. Sie stehen für ihre eigenen Missionen ein, nicht aber für bloß autorisierte Einsätze. Dieses wird auch dadurch bestätigt, dass bei mandatierten Missionen eigene Entschädigungsmechanismen geschaffen werden und die Vereinten Nationen nicht beteiligt sind. Bei diesen besteht allerdings die Besonderheit, dass bei Beteiligung einer internationalen Organisation allgemeine Regeln häufig durch organisationsinterne Haftungsübernahmeabreden überlagert werden. Deshalb ist im Verhältnis Staat und Regionalorganisation nicht klar, ob auch hier Kontrolle und finanzieller Ausgleich stets in einer Person liegen.

X. Literatur Gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. d IGH-Statut können auch Lehrmeinungen als Hilfsmittel zur Feststellung völkerrechtlicher Normen herangezogen werden. Darüber hinaus beeinflussen sie auch die allgemeine Rechtsüberzeugung in Bezug auf eine völkergewohnheitsrechtliche Norm.195 Deshalb werden zusammenfassend auch die Literaturansichten zur Zurechenbarkeit von Völkerrechtsverletzungen bei internationalen Friedensmissionen betrachtet. 1. Friedensmissionen unter Führung der UN Die Literatur stimmt weitgehend darin überein, dass Peacekeeping-Missionen unter Führung der Vereinten Nationen grundsätzlich auch diesen zuzurechnen sind und die truppenstellenden Staaten in der Folge keine völkerrechtliche Verantwortlichkeit trifft.196 So sprachen sich bereits die ersten umfassenden und wegweisenden Studien zu Streitkräften der Vereinten Nationen für die Zurechnung zur internationalen Organisation aus.197 Seyersted, in einem Beitrag aus dem Jahre 1961, stellte für die Operationen in Ägypten (UNEF) und im Kongo (ONUC) zusammenfassend fest, dass sie aufgrund der Errichtung durch die UN und deren ausschließliche operative Kon194

Ibid., 170 ff.; Hartwig, 233. Heintschel v. Heinegg, in: Ipsen, § 21, Rn. 5. 196 Seyersted, BYIL 1961, 351, 428 – 429; Hirsch, 64 ff.; Amerasinghe, 403; Bothe, 40; Bowett, 121; Shraga, Int. Peacekeeping 1998, 64, 71; Wickremasinghe/Verdiran,e in: Scott, 465, 474; Irmscher, GYIL 2001, 353, 356; Perez Gonzales, RGDIP 1988, 63, 83 f.; Schmalenbach, 249; Amrallah, REDI 1976, 57, 66; Frank, 195; Klein, 379 f.; Lüder, 105; Krieger, ZaöRV 2002, 669, 687; Butkiewicz, Polish YIL 1981 – 1982, 117, 134 f.; Ginther, in: EPIL, 1336 f.; Ritter, AFDI 1962, 427, 442; Zwanenburg, EJIL 1999, 124, 128; Hartwig, 232; Blokker, EJIL 2000, 541, 546; Peck, Syracuse JIL & Comm. 1995, 283, 292 f.; Paulus, in: Bothe, Art. 29, 542, Rn. 9. 197 Bowett, 121 ff.; Seyersted, 119; Bothe, 37 ff. 195

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Kap. 3: Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen

trolle richtigerweise als Unterorgane der Vereinten Nationen gelten. Als solche seien sie Teil des unabhängigen Rechtssubjekts der Vereinten Nationen mit der logischen („logical“) Folge, dass die UN für sie auf die gleiche Weise völkerrechtlich verantwortlich seien wie für ihre anderen Organe.198 Auch für die Begründung der Zurechnungslage haben sich die von ihm benutzten Argumente, Eingliederung als Unterorgan in die Strukturen der Vereinten Nationen und Übertragung der operativen Kontrolle bis heute durchgesetzt.199 Teilweise wird der eine oder andere Gesichtspunkt in den Mittelpunkt gerückt, wie die folgenden Zitate verdeutlichen: Den Vereinten Nationen ist das Handeln der Peace-keeping-Soldaten zuzurechnen, da sie während des Einsatzes unter dem operativen Kommando der Vereinten Nationen stehen.200 Clearly, where the act in question has been committed by a UN agent or a member of a UN force which itself is a subsidiary organ of the organisation, in the course of his or her duties, there is little difficulty in imputing the act to the Organisation.201

Neben dieser rein formalen Begründung besteht aber noch eine differenzierende Sichtweise, die nur dann ein Verhalten den Vereinten Nationen zurechnet, wenn dieses auch tatsächlich unter ihrer Kontrolle stattgefunden hat. Entscheidend sei also, wer die effektive Kontrolle über die rechtswidrige Handlung ausübe.202 Dieses wird teilweise so ausgelegt, dass die eigentliche rechtliche Zuordnung der nationalen Kontingente nur als untergeordnetes Kriterium dient, wenn Zweifel über die Verteilung der tatsächlichen Kontrolle in einer bestimmten Situation bestehen.203 Überwiegend wird aber wie in Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen davon ausgegangen, dass die operativen Befugnisse die Vermutung der Zurechnung zu den Vereinten Nationen begründen.204 Damit sind nur Extremfälle wie nationale Anweisungen an die eigenen Truppen, einen völkerrechtwidrigen Akt vorzunehmen, von der Zurechnung an die Vereinten Nationen ausgeschlossen.205 Daneben werden Verletzungshandlungen im Bereich der Disziplinargewalt oder logistischen Verantwortlichkeit, auf die sich die operative Kontrolle der UN nicht erstreckt, weiter den Entsendestaaten zugerechnet.206 So weit ersichtlich, wird von niemandem die alleinige Zurechnung an die truppenstellenden Staaten begründet. Eine parallele Haftung von Vereinten Nationen und Sendestaaten wurde früher vereinzelt aufgrund des innerstaatlichen Akts der Bereit198 199 200 201 202 203 204 205 206

Seyersted, BYIL 1961, 428 – 429. U. a. Paulus, in: Bothe, Art. 29, 542, Rn. 9; Hartwig, 230 f. Schmalenbach, 249. Wickremasinghe/Verdirane, in: Scott, 465, 474. Amrallah, REDI 1976, 57, 66; Hirsch, 64 f.; Frank, 195. Hirsch, 64 f. Breitegger, ICLR 2009, 155, 172. Hirsch, 67; Frank, 195. Lüder, 105.

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel

135

stellung von Truppen an die UN vertreten.207 Diese Auffassung konnte sich aber nicht durchsetzen. Allerdings soll eine parallele Zurechnung zu den UN und den Einzelstaaten bei gemeinsamer Ausübung des operativen Kommandos, wie bei den joint operations in Somalia oder dem ehemaligen Jugoslawien, stattfinden können.208 Jüngst wurde argumentiert, dass die Prinzipien der joint operations grundsätzlich für alle UN-Friedensmissionen zu übernehmen seien. Der steigende Einfluss der Staaten auf die Ausgestaltung der Peacekeeping-Operationen zeige die fehlende effektive Kontrolle der UN.209 Stattdessen stünden die einzelnen Kontingente unter gemeinsamer Kontrolle der UN und der Entsendestaaten. Ausschlaggebend für diese Wertung sei, dass die Mitgliedstaaten über die Einzelheiten der Dislozierung mitentscheiden, die Entwicklung der Operation und der Einsatzregeln beeinflussen und die Zustimmung zu jeder Änderung der Strukturen erteilen müssen.210 2. Friedensmissionen mit einem UN-Mandat Die Zurechnungslage bei UN-mandatierten Missionen wird überwiegend abweichend von UN-geführten Missionen gelöst. Bereits bei den frühen Zwangsmaßnahmen nach Art. 42 UN-Charta galten die UN nicht als Zurechnungssubjekt für die von Truppen ihrer Mitgliedstaaten verursachten Schäden.211 Als Begründung wird auf dieselben Kriterien wie bei Missionen unter Führung der UN verwiesen. Durch die Autorisierung von Mitgliedstaaten verzichteten die UN auf ihre operativen Kontrollbefugnisse, und die Friedensmissionen könnten nicht als Nebenorgane im System der Vereinten Nationen operieren.212 Diese Ansicht hat sich auf der Grundlage entwickelt, dass die Vereinten Nationen niemals die rechtliche Verantwortlichkeit für die Truppen unter amerikanischem Befehl in Korea übernommen haben. Diese Einstellung unterstreiche die rechtliche Wertung, dass Zurechnung nur soweit reichen könne, wie eine effektive Kontrolle bestehe.213 Trotz der inhaltlichen Bindung der Handlungen zu den Vereinten Nationen, ausgedrückt durch die Entscheidung des Sicherheitsrats und im Falle Koreas sogar durch die Benutzung von Namen und Emblemen der Vereinten Nationen, verbleibe die eigentliche Kontrolle bei den Mitgliedstaaten, die daher auch nur als Zurechnungssubjekt in Frage kommen.214 Diese Ansicht wird auch auf moderne UN-mandatierte Friedensmissionen übertragen, die sich zwar hinsichtlich ihrer Intention, nicht aber in ihrer rechtlichen Aus207

De Visscher, ADSP 1963, 134, 136. Shraga, Int. Peacekeeping 1998, 64, 72; Hirsch, 65; Amrallah, REDI 1976, 57, 66. 209 Leck, MelbJIL 2009, 346, 359. 210 Ibid. 211 Seyersted, BYIL 1961, 352, 431; Peck, Syracuse JIL & Comm. 1995, 283, 293; Wickremasinghe/Verdirane, in: Scott, 465, 474; Amrallah, REDI 1976, 57, 74; Frank, 195. 212 Bothe, in: Bothe, Peacekeeping, 699, Rn. 145; Amerasinghe, 403. 213 Hirsch, 68. 214 Seyersted, BYIL 1961, 352, 431; Amrallah, REDI 1976, 57, 74; Frank, 195. 208

136

Kap. 3: Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen

gestaltung unterscheiden. Unabhängig von der genauen Zurechnungslage im Einzelfall findet jedenfalls keine Zurechnung zu den Vereinten Nationen statt.215 Die Ermächtigung des Sicherheitsrats beziehe sich ausschließlich auf die Entsendung von Truppen, berühre aber nicht die militärische Leitung.216 Durch den Verzicht auf die Befehlsgewalt gebe die UN ihre Kontrollmöglichkeit aus der Hand, ihre Beziehung zu den Friedenstruppen hingegen reiche nicht für eine Zurechnung. Nur vereinzelt, wenn auch mit steigender Tendenz, wird dieser Wertung widersprochen. So nimmt Tomuschat an, dass es durch eine Mandatierung zwar grundsätzlich an der notwendigen effektiven Kontrolle der Vereinten Nationen fehle, die Organisation sich aber so stark in die Mission einbringen könne, dass sie dennoch als Zurechnungssubjekt gelte.217 Für die noch extremere Position, die regelmäßige Zurechnung zu den Vereinten Nationen, wird angeführt, dass die Ermächtigung der Mitgliedstaaten ein Auftrags- und Treuhandverhältnis mit dem Sicherheitsrat begründe, durch welches die Staaten als Beliehene der allein dem Sicherheitsrat zustehenden militärischen Zwangsgewalt agierten.218 Andere gehen davon aus, dass bei UN-mandatierten Missionen ein niedrigerer Zurechnungsstandard anzulegen ist, der keine effektive, sondern nur overall control voraussetzt und so in der Regel ebenfalls zu einer Zurechnung an die Vereinten Nationen führt.219 Sarooshi, der, soweit ersichtlich, lange Zeit als einziger für eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen eingetreten ist, führt aus, dass die Ausübung des operational command and control bei der Bestimmung des verantwortlichen Rechtssubjekts keine Rolle spiele.220 Stattdessen sei die overall authority and control entscheidend, die nach dem Verantwortlichkeitssystem der Charta auch nach einer Delegation von Kompetenzen durch den Sicherheitsrat bei diesem fortbestehen müsse. Die Staaten verfolgten ein Ziel der Charta, welches durch den Sicherheitsrat bestimmt worden sei und ihn deshalb verpflichte, eine angemessene Ausführung auf Seiten der Staaten zu gewährleisten.221 Eine Ausnahme von der Zurechnung zur UN bestehe nur dann, wenn Staaten ihre übertragenen Kompetenzen überschritten, also ultra vires handelten.222

215

Sari, HRLR 2008, 151, 165; Mole, EHRLR 2001, 280, 296; Donner, HuV-I 1997, 63, 67; Krieger, ZaöRV 2002, 669, 678; Bothe, in: Bothe, Peacekeeping, 699, Rn. 145 ff.; Williams/ Shah, EHRLR 2002, 775, 781; Häußler, HuV-I 2007, 238, 240 f.; Wickremasinghe/Verdirane, in: Scott, 465, 474 f.; Amerasinghe, 403. 216 Krieger, ZaöRV 2002, 669, 678; Lüder, NZWehrR 2001, 107, 114. 217 Tomuschat, MelbJIL 2008, 391, 394. 218 Kempen/Hillgruber, 221, Rn. 57. 219 White/MacLeod, EJIL 2008, 965, 975. 220 Sarooshi, 163. 221 Ibid., 164 f. 222 Ibid., 165.

A. Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Regel

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3. Besonderheiten bei multidimensionalen Friedensmissionen Komplexer wird die akademische Debatte um das richtige Zurechnungssubjekt, wenn eine Regionalorganisation wie die NATO in die Friedenmission einbezogen wird. Neben den Vereinten Nationen und den Entsendestaaten kommt hier auch eine Verantwortlichkeit der zwischengeschalteten internationalen Organisation in Betracht. Bis zum Behrami und Saramati-Urteil konzentrierte sich die Rechtswissenschaft auf eben diesen Problemkreis. Dabei spielten die Vereinten Nationen als mögliches Zurechnungssubjekt praktisch keine Rolle.223 Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass die Zurechnung nicht pauschal und nach den formalen Kriterien der Organstellung oder des operational command and control beantwortet werden kann, da diese je nach Einsatz unterschiedlich ausgestaltet werden können. Deshalb wird auch hier zumeist eine Gesamtbetrachtung vorgenommen, die nach der Kontrolle im Einzelfall entscheidet und somit nur eine Regellösung kennt. Die Bewertung der gleichen Situation erfolgt aber dennoch nicht einheitlich. So wird für KFOR aufgrund der effektiven Kommandostrukturen teilweise eine Zurechnung im Verhältnis zur NATO angenommen,224 mit gleicher Begründung aber auch das Gegenteil, nämlich die Zurechnung zu den truppenstellenden Staaten.225 In den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Behrami und Saramati-Urteil ist diese Frage von einigen bewusst offen gelassen geworden.226 Die Mehrheit der Autoren gelangt für die gegenwärtigen Konstellationen von Friedensmissionen mit Beteiligung einer Regionalorganisation aber für den Regelfall zu einer Verantwortlichkeit der Entsendestaaten für ihre nationalen Kontingente.227 Begründet wird dieses damit, dass die jeweilige internationale Organisation die Operation nicht eigenständig durchführen kann, sondern auf unabhängige Entscheidungen ihrer Mitgliedstaaten angewiesen sei.228 Nationale Kontingente operierten nach staatlichen rules of engagement und seien nicht als Unterorgane der internationalen Organisation eingesetzt. Weiter werden die äußeren Umstände der jeweiligen Friedensmission angeführt. Die nationalen Kontingente trügen nationale Uniformen, der truppenstellende Staat schließe eigene Verträge mit dem Gaststaat und begleiche in der Praxis zivilrechtliche Schäden.229 Insgesamt fänden UN-mandatierte Friedensmissio223

Stein, in: Tomuschat, 181 ff.; Pellet, in: Tomuschat, 193, 197 f.; Lüder, NZWehrR 2001, 107, 114 ff. 224 Häußler, HuV-I 2007, 238, 240. 225 Breitegger, ICLR 2009, 155, 170 f.; Krieger, JIPC 2009, 159, 167; Cerone, EJIL 2001, 469, 486; Stein, in: Tomuschat, 181 ff.; Stoltenberg, ZRP 2008, 111, 113. 226 Sari, HRLR 2008, 151, 165; Hafner, in: FS Bothe, 103, 119. 227 Krieger, ZaöRV 2002, 669, 682; Cerone, EJIL 2001, 469, 486; Fleck, J. Confl. & Sec. L. 2006, 179, 196; Lüder, NZWehrR 2001, 107, 114 ff.; Donner, HuV-I 1997, 63, 67 f.; Stein, in: Tomuschat, 181 ff.; Lorenz, 285. 228 Fleck, J. Confl. & Sec. L. 2006, 179, 196. 229 Breitegger, ICLR 2009, 155, 170 f.; Krieger, ZaöRV 2002, 669, 681 f.; id., JIPC 2009. 159, 172 f.

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Kap. 3: Zurechnungslage bei internationalen Friedensmissionen

nen daher nicht unter der Schirmherrschaft einer Regionalorganisation statt, sondern diese diene eher als Organisationsforum der beteiligten Staaten.230

B. Ergebnis Die Analyse der verschiedenen Quellen erzeugt ein klares Bild für die Behandlung des Zurechnungssubjekts bei UN-geführten Friedensmissionen. Dieses wird einheitlich, wenn teilweise auch gemeinsam mit dem Entsendestaat in den Vereinten Nationen gesehen. In Bezug auf die Zurechnungsregel sind allerdings zwei Grundpositionen zu unterscheiden. Entweder gilt aufgrund der operativen Kontrolle die durch das Kriterium der effektiven Kontrolle widerlegbare Vermutung, dass Handlungen den UN zurechenbar sind, oder eine solche wird bereits aus formellen Gründen wie der Übertragung von Kommandogewalt in Form von operational command and control oder der Stellung als UN-Unterorgan angenommen. Umgekehrt würde diese Argumentation dazu führen, dass UN-mandatierte Missionen nicht den Vereinten Nationen zuzurechnen sind. Die nationalen Kontingente handeln nicht als Unterorgan, und das operative Kommando und die Kontrolle wird von den Mitgliedstaaten nicht auf die Vereinten Nationen übertragen. Dieses war auch lange Zeit das fast ausschließliche Verständnis der Zurechnungslage bei allen Operationen mit einem UN-Mandat. Durch das Behrami und Saramati-Urteil hat diese Regel aber eine gewichtige Gegenstimme erhalten, die zumindest im Ergebnis zunehmend auf Zustimmung in der Literatur stößt und Handlungen UN-mandatierter Friedensmissionen den Vereinten Nationen zurechnet. Als Zurechnungsregel hat der EGMR den ultimate authority and control-Test eingeführt, der zuvor in der Praxis unbekannt war und anstatt auf die tatsächliche Kontrolle auf die Rechtmäßigkeit des Mandats und seine Umsetzung abstellt. Aufgrund der angewendeten weiten Kriterien ist anzunehmen, dass er seine Rechtsprechung auch auf Situationen ausdehnen würde, die nicht von Resolution 1244 oder 1035 erfasst sind. Selbst wenn man die Lösung des EGMR ablehnt, ergibt sich aber kein eindeutiges Bild für die Behandlung multidimensionale Friedensmissionen. Die Kontrolle wird unterschiedlich gewichtet, so dass sich bisher keine eindeutige Staatenpraxis oder opinio iuris für die Bewertung der Zurechnung zu entweder den Entsendestaaten oder der zwischengeschalteten internationalen Organisation erkennen lässt. Nach Auswertung der Rechtsquellen beziehungsweise in erster Linie ihrer Hilfsund Erkenntnisquellen ist einerseits festzustellen, dass die opinio iuris die Staatenpraxis deutlich überwiegt. Entgegen dem klassischen Verständnis der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ist es aber möglich, eine entsprechend gefestigte Überzeugung stärker zu gewichten.231 Daraus ergibt sich dann die völkergewohnheitsrechtli230 231

Krieger, ZaöRV 2002, 669, 682. Stein/von Buttlar, 41, Rn. 131; Kaculevski, 50.

B. Ergebnis

139

che Regel, dass Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen diesen zugerechnet werden, während sich eine entsprechende Regel für UN-mandatierte Missionen noch nicht herausgebildet hat. Die Zurechnungskriterien werden in beiden Fällen nicht einheitlich bewertet.

Kapitel 4

Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards Die Untersuchung des Völkergewohnheitsrechts hat hinsichtlich einer einheitlichen Zurechnungsregel für UN-mandatierte Missionen zu keinem Ergebnis geführt. Es stehen sich grundsätzlich zwei Positionen gegenüber. Es werden entweder die gleichen Kriterien wie bei UN-geführten Friedensmissionen angewendet,1 oder die Bewertung folgt aufgrund der übergeordneten Verantwortlichkeit des Sicherheitsrats für Frieden und Sicherheit eigenen Regeln.2 Um zu einer Entscheidung gelangen zu können, werden beide Grundhaltungen zunächst differenziert und bezogen auf die jeweilige Art der Friedensmission dargestellt. Denn auch bei UN-geführten Missionen wird die Zurechnung zwar überwiegend, nicht jedoch einheitlich nach der effektiven Kontrolle beurteilt. Nachdem eine Entscheidung über den richtigen Zurechnungsstandard getroffen worden ist, soll in einem nächsten Schritt versucht werden, diesen weiter zu konkretisieren.

A. Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen I. Formaler oder flexibler Ansatz Bei UN-geführten Friedensmissionen ist fraglich, ob eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen bereits aufgrund der Übertragung der Kommandogewalt oder einer Organleihe an die Vereinten Nationen angenommen werden kann oder ob daneben auch tatsächliche Umstände berücksichtigt werden müssen. Genau genommen handelt es sich hier nicht um verschiedene Zurechnungstests, sondern lediglich um unterschiedliche Stufen der Intensivität. Dabei führt ein flexibler Ansatz zu genaueren Ergebnissen, die auch eher mit dem grundsätzlichen Einzelfallansatz der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit übereinstimmen. Eine solche Regel könnte allerdings unpraktikabel sein, wenn eine Friedensmission als solch homogene Einheit auftritt, dass sich die Frage nach der Kontrolle einer Bewertung von außen entzieht. Diese Schwie1 Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/610 vom 27. März 2009, 12, para. 30; Sari, HRLR 2008, 151, 164; Bothe, in: Bothe, Peacekeeping, 699, Rn. 145 ff. 2 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 133; Sarooshi, 163.

A. Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen

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rigkeiten lassen sich aber umgehen, wenn man mit der Völkerrechtskommission und der überwiegenden Anzahl der Rechtsquellen die Zurechenbarkeit zu den Vereinten Nationen bei entsprechender Kommandogewalt vermutet und nur bei offensichtlich mangelnder Kontrolle von der Grundregel abweicht.3 Daher ist die Zurechnung bei UN-geführten Friedensmissionen flexibel zu handhaben, die genannten Kriterien gelten vielmehr nur als Indiz der Kontrolle. Dieses entspricht auch dem Test der effektiven Kontrolle nach Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, der daher zu übernehmen ist. Nur in Einzelfällen ist es möglich, die Zurechnungslage bereits definitiv durch einen Verweis auf die Unterorganstellung der Mission zu entscheiden.4 So nehmen die Friedensmissionen der vierten Generation wie UNMIK im Kosovo eine Sonderrolle ein. Die Vereinten Nationen sind für die Aufgaben der internationalen Verwaltung nicht auf Truppen der Mitgliedstaaten angewiesen, sondern handeln durch eigenes Personal.5 Das UNMIK-Zivilpersonal ist damit von seinem Heimatstaat unabhängig und bereits als organ or agent im Sinne des Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen den Vereinten Nationen zuzurechnen. Aufgrund der fehlenden Kontrollmöglichkeiten der internationalen Beamten fehlt es der Zurechnung an die Mitgliedstaaten bereits an der Grundlage.

II. Indizien der effektiven Kontrolle Die Merkmale der Kommandogewalt und die organschaftliche Stellung einer Friedensmission als Indizien der Zurechnung nach dem Maßstab der effektiven Kontrolle bedingen sich gegenseitig. Bei der Organleihe spielt die Übertragung von Hoheitsgewalt eine Schlüsselrolle, zu dessen ursprünglichster Form auch die Befehlsgewalt über die Streitkräfte zählt.6 Da die nationalen Kontingente internationaler Friedensmissionen aber niemals vollständig in die Vereinten Nationen eingegliedert werden, sondern die Straf- und Disziplinargewalt bei den Staaten verbleibt, geben in erster Linie die Kommandostrukturen Auskunft über die organschaftliche Zuordnung.7

3 ILC Report 2004, 113, para. 7; District Court The Hague, Case No. 265618/HA ZA 061672, Urteil vom 10. September 2008, para. 4.16 ff.; Larsen, EJIL 2008. 509, 517; Hirsch, 67. 4 Irmscher, GYIL 2001, 353, 356. 5 Lorenz, 272. 6 Lüder, 82. 7 Erberich, 64.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

1. Kommandostrukturen a) Terminologie Allgemein lassen sich vier Ebenen der Kommandogewalt unterscheiden. Auf der obersten Ebene definiert die Regierung die politischen Ziele (policy command), deren Umsetzung auf der höchsten militärischen Ebene geplant wird (strategic command). Hierarchisch darunter befindet sich die operative Ebene, auf der ein Befehlshaber die konkrete Ausführung plant, die dann von Streitkräften durchgeführt werden, die unter direkter Kontrolle des tactical command und damit der untersten der vier Kommandoebenen stehen.8 Einigkeit besteht darüber, dass Kommandobefugnisse über die Kontrolle einer Friedensmission und damit über die Zurechnung entscheiden. Allerdings variieren die Begriffe und ihr genauer Inhalt ist häufig unklar. Neben operational command and control werden command and control, operational control oder operational command benutzt. Fraglich ist daher, ob diese Begriffe unterschiedliche Bedeutungen transportieren oder zumindest für unterschiedliche Nuancen der Kommandogewalt und Kontrolle stehen. Der Oberbegriff des command and control ist dem militärischen Zusammenhang entnommen. Für eine Begriffsbestimmung ist daher zwischen einer militärischen und einer rechtlichen Ebene zu unterscheiden, da Kontrolle je nach Bezugsrahmen unterschiedlich besetzt sein könnte. aa) Command and Control im militärischen Sinne Die NATO-Terminologie unterscheidet präzise vier verschiedene Ebenen von command und control, die in aufsteigender Reihenfolge als tactical control, tactical command, operational control und operational command bezeichnet werden. Der Inhalt der einzelnen Befehls- und Kommandobefugnisse ist im NATO-Glossar definiert als: Tactical Control: The detailed and, usually, local direction and control of movements or manoeuvres necessary to accomplish missions or tasks assigned. Tactical Command: The authority delegated to a commander to assign tasks to forces under his command for the accomplishment of the mission assigned by higher authority. Operational Control: The authority delegated to a commander to direct forces assigned so that the commander may accomplish specific missions or tasks which are usually limited by function, time, or location; to deploy units concerned, and to retain or assign tactical control of those units. It does not include authority to assign separate employment of components of the units concerned. Neither does it, of itself, include administrative or logistic control. Operational Command: The authority granted to a commander to assign missions or tasks to subordinate commanders, to deploy units, to reassign forces, and to retain or delegate operational and/or tactical control as the commander deems necessary.9 8 9

Bantekas, AJIL 1999, 573, 578. NATO Glossary of Terms and Definitions, Doc. AAP-6 (2007).

A. Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen

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Ein vergleichbares Dokument der Vereinten Nationen existiert nicht. Dennoch werden auch im Zusammenhang mit UN-Friedensmissionen regelmäßig die Begriffe des command and control verwendet. Allerdings werden sie teils unterschiedlich verstanden, so dass häufig im Einzelfall bestimmt werden muss, welche Befugnisse genau erfasst sind.10 Auch ist die Übertragung von Kommandogewalt auf die UN von einem nationalen Verständnis beeinflusst, das nicht notwendig mit der völkerrechtlichen Terminologie korreliert. Die Unterscheidung zwischen operativem und taktischem Kommando, also der Leitungs- und Ausführungsebene ist aber jedenfalls anerkannt. Insgesamt bezeichnen die übertragenen nationalen Befugnisse aber immer nur Ausschnitte des full commands, im Sinne einer umfassenden nationalen Befehlsund Kommandogewalt.11 Da diese vollständig beim Entsendestaat verbleibt, bedeutet Kommando im internationalen Sprachgebrauch immer ein weniger an Kontrolle als im nationalen Sprachgebrauch.12

bb) Der rechtliche Kontrollbegriff Auch Literatur und Praxis beschreiben die zurechnungsrelevanten Kommandostrukturen anhand der militärischen Begriffe des command and control. Teilweise wird aber bereits Kommandogewalt im Allgemeinen mit der Zurechnung gleichgesetzt und eine differenzierte Betrachtung der Kommandostufen findet nicht statt. Häufiger wird aber auf die operative Kontrolle der Vereinten Nationen verwiesen.13 So heißt es auch in dem Urteil des Landgerichts in Den Haag, dass die Teilnahme an Kapitel VII-Missionen der Vereinten Nationen die Übertragung von operational command and control impliziere und eine mitgliedstaatliche Verantwortung deshalb im Regelfall ausscheide.14 Diese operativen Befugnisse werden nicht einheitlich definiert, beziehen sich aber stets auf die wirksame Leitung einer Operation, die unterhalb der politischen Ebene liegt, die den Einsatz konstitutiv beschließt.15 Insbesondere die unterschiedlichen NATO-Begriffe des operational control und des umfassenden operational command werden zumeist aber nicht übernommen. Auch Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen übernimmt die militärische Terminologie nicht, sondern verwendet das übergeordnete Kriterium der effektiven Kontrolle. Kommission und Sonderberichterstatter verweisen aber ausdrücklich auf die synonyme Bedeutung von effective control und 10

Zwanenburg, 39 f.; Leck, MelbJIL 2009, 346, 352 ff. NATO Glossary of Terms and Definitions, Doc. AAP-6 (2007): The military authority and responsibility of a commander to issue orders to subordinates. It covers every aspect of military operations and administration and exists only within national services. 12 Fleck, Handbook Visiting Forces, 33, 40; Nolte/Krieger, in: Nolte, 18, 121. 13 Seyersted, BYIL 1961, 351, 369 f.; Bothe, 87; Amrallah, REDI 1976, 57, 65 f.; Shraga, Int. Peacekeeping 1998, 64, 70; Peck, Syracuse JIL & Comm. 1995, 283, 293. 14 District Court The Hague, Case No. 265618/HA ZA 06-1672, Urteil vom 10. September 2008, para. 4.11. 15 Schmalenbach, 109; Bantekas, AJIL 1999, 573, 578. 11

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

dem in der Rechtswissenschaft gebräuchlichen operational control.16 Somit stimmen die Ansichten, die eine Entscheidung für die Zurechnung zu den Vereinten Nationen von dessen Kommando sowie operativer Kontrolle abhängig machen, mit dem Ansatz der ILC überein. Es geht stets um die Einflussmöglichkeiten auf die Verletzungshandlungen. Operational control im Rechtssinne wird demnach als reines Zurechnungskriterium verstanden, das nicht notwendig den exakten Inhalt des militärischen Begriffs widerspiegelt. Für die Zurechnung kommt es daher lediglich darauf an, dass effektives command and control, also durchsetzbare Kommandostrukturen bestehen.17 b) Regelmäßiger Inhalt der UN-Kommandogewalt Nur wenn der Umfang der Kommandogewalt der Vereinten Nationen also zur tatsächlichen Kontrolle über die Operation führt, ist die Indizwirkung für die Zurechnung gegeben. Es wurde aber bereits festgestellt, dass die Vereinten Nationen nach Völkergewohnheitsrecht für den Regelfall als Zurechnungssubjekt feststehen. Die Darstellung der üblichen Kommandostrukturen dient daher dem Ziel, einen Vergleichsmaßstab für die Anwendung des effective control-Tests auf UN-mandatierte Missionen zu schaffen. Als Ausgangspunkt gilt, dass nationale Kontingente dem Force Commander unterstellt werden, ein jedes Kontingent aber weiterhin über einen eigenen Kommandeur verfügt.18 Rückschlüsse auf die Kommandobefugnisse der UN lassen sich unter anderem aus den Resolutionen des Sicherheitsrats, Überstellungsverträgen und den SOFAs einer jeden Mission herleiten. aa) Full Command Authority Zu Beginn der Peacekeeping-Aktivität hat der Generalsekretär darüber hinaus Regulations für einzelne Missionen erlassen.19 Diese beinhalteten für die erste bewaffnete Mission UNEF I etwa die Durchgriffswirkung des von den UN abgesandten Oberbefehlshabers auf den einzelnen Soldaten sowie seine umfassende Befehlsgewalt: No. 6: The members of the Force, although remaining in their national service, are, during the period of their assignment to the Force, international personnel under the authority of the United Nations and subject to the instructions of the commander through the chain of command.

16 Gaja, Giorgio: Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/ CN.4/541 vom 2. April 2004, 19, Fn. 64; ILC Report 2004, 113, Fn. 297. 17 Breitegger, ICLR 2009, 155, 159. 18 Stein, in: Tomuschat, 184 f.; Lorenz, 272. 19 Erberich, 64.

A. Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen

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No. 11: The commander has full command authority over the Force. He is operationally responsible for the performance of all functions assigned to the Force by United Nations, and for the deployment and assignment of troops placed at the disposal of the Force.20

Es wird deutlich, dass es nach dem Verständnis der UN alleiniger Inhalt des Mandats ist, ihre eigenen Aufgaben zu erfüllen. Nationale Befehle stellen demnach nur einen Punkt in der durchgehenden Kommandokette dar, die ein Mitspracherecht der Mitgliedstaaten in operativer Hinsicht ausschließt.21 Ausgehend von dieser Praxis wird gefolgert, dass eine etablierte Praxis bestehe, nach der Mitgliedstaaten umfassende Kommandobefugnisse über ihre Kontingente auf die UN zur Durchführung ihrer Friedensmissionen übertragen.22 Es ist allerdings eine deutliche Tendenz zu einer eingeschränkteren Übertragung der Kommandobefugnisse zu beobachten.23 Die tatsächlichen Befugnisse der Vereinten Nationen stimmen nicht mehr mit denen überein, wie sie aus den Regulations hervorgehen. Nationale Kontingente wurden niemals vollständig den Vereinten Nationen unterstellt und zumindest bei modernen Friedensmissionen kann nicht mehr von einer full command authority des UNOberbefehlshabers gesprochen werden. bb) Operational Control In jüngerer Zeit werden förmliche Überstellungsverträge nur noch ausnahmsweise geschlossen. Die bei den Vereinten Nationen bestehende Befehlsgewalt ist daher nur schwierig nachzuvollziehen. Zwar enthält das Modell-Abkommen zwischen den UN und den truppenstellenden Staaten eine allgemeine Bestimmung über das Kommando der Vereinten Nationen, doch wird dieses nicht näher definiert.24 Viele Staaten übertragen explizit nur noch operational control, wobei aufgrund der divergierenden Terminologie auf verschiedenen Ebenen der genaue Inhalt aber im Einzelfall zu bestimmen ist.25 So heißt es exemplarisch in einem Schreiben Deutschlands an den Generalsekretär zur Überstellung von Truppen für die UNSOSOM II-Mission in Somalia: The commander of UNOSOM II will have, as customarily, operational control, the authority of operational command will rest with the Federal Minister of Defence.26

Es stellt sich also die Frage, ob im Sinne der NATO-Terminologie nur eingeschränkte Befugnisse übertragen worden sind oder ob die Begriffe außerhalb der 20

Abgedruckt in: Siekmann, 38. Erberich, 79 f. 22 Hartwig, 230; Zwanenburg, LJIL 1998, 229, 231; Krieger, JIPC 2009, 159, 168. 23 Lüder, 75; Leck, MelbJIL 2009, 346, 352 ff. 24 Model Agreement between the United Nations and Member States Contributing Personnel and Equipment to United Nations Peace-keeping Operations, 23. Mai 1991, UN Doc. A/ 46/185, Bestimmung V. 7. 25 Zwanenburg, 39 f. 26 Abgedruckt in: Dau/Wöhrmann, 609. 21

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

NATO mit einer anderen Bedeutung besetzt sind, wofür der Verweis auf gewohnte Praxis („as customarily“) sprechen könnte. Grundsätzlich kann das NATO-Schema nicht uneingeschränkt auf die UN und ihre Peacekeeping-Einsätze übertragen werden. Die Begriffe sind in Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig definiert und auch im UN-Zusammenhang werden ausschließliche Befugnisse teils auch als operational control bezeichnet.27 Allerdings ist immer auch der Wille der Parteien zu beachten, denn individuell vereinbarte Absprachen müssen es ermöglichen, von der bewährten Praxis und der damit einhergehenden ausschließlichen Befehlsgewalt des Oberbefehlshabers abzuweichen. Für den Fall der deutschen Beteiligung am Somalia-Einsatz gilt, dass für ein Verständnis Deutschlands im Sinne der NATO-Terminologie bereits spricht, dass Deutschland die NATO-Begriffe und Bedeutungen in ihre zentrale Dienstvorschrift übernommen hat.28 Mangels exakter Korrespondenz in der deutschen Sprache werden die englischen Begriffe selbst benutzt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat auf eine Übersetzung verzichtet.29 Darüber hinaus weist die Art und Weise der Ausführung des Mandats durch das deutsche Kontingent ebenfalls auf weite staatliche Kommandobefugnisse hin.30 Diese Entwicklung zur begrenzten Übertragung von Kommandogewalt scheint mittlerweile auch vom DPKO akzeptiert worden zu sein. So heißt es in der Capstone-Doktrin von 2008: In the case of military personnel provided by Member States, these personnel are placed under the operational control of the United Nations Force Commander or head of military component, but not under United Nations command.31

27

Fleck, Handbook Visiting Forces, 33, 43. Zitiert nach BVerfGE 90, 286, 308: – Operational Control: Die einem Befehlshaber/Kommandeur übertragene Befugnis, assignierte Kräfte so zu führen, daß er bestimmte Aufgaben oder Aufträge durchführen kann, die im allgemeinen nach Art, Zeit und Raum begrenzt sind; ferner die betreffenden Truppenteile zu dislozieren und die Tactical Control über diese Truppenteile selbst auszuüben oder zu übertragen. Der Begriff umfaßt weder die Befugnis, den gesonderten Einsatz von Teilen dieser Truppenteile anzuordnen, noch sind im Allgemeinen truppendienstliche oder logistische Führungsaufgaben mit eingeschlossen. – Operational Command: Die einem Befehlshaber/Kommandeur übertragene Befugnis, nachgeordneten Befehlshabern bzw. Kommandeuren Aufgaben zuzuweisen oder Aufträge zu erteilen, Truppenteile zu dislozieren, die Unterstellung von Kräften neu zu regeln sowie Operational Control und/oder Tactical Control je nach Notwendigkeit selbst auszuüben oder zu übertragen. Die truppendienstliche Befehlsbefugnis oder die logistische Verantwortlichkeit ist im Allgemeinen nicht darin eingeschlossen. 29 BVerfGE 90, 286. 30 Erberich, 104. 31 United Nations Peacekeeping Operations: Principles and Guidelines (2008), 68 (Capstone Doctrine). 28

A. Friedensmissionen unter Führung der Vereinten Nationen

147

Dass hiermit tatsächlich eine veränderte Auffassung der Kommandogewalt einhergeht, wird aus einem Vergleich zu älteren UN-Dokumenten deutlich. So heißt es 1994 noch, dass die Vereinten Nationen innerhalb des vereinbarten Rahmens full authority über alle operativen Belange ausüben und es nationalen Kommandeuren unzulässig sei, von UN-Befehlen abzuweichen.32 Dagegen akzeptieren die Vereinten Nationen heute gewisse Beschränkungen und versuchen eine möglichst genaue Umsetzung ihrer Befehle durch weite Mitspracherechte der Mitgliedstaaten bei der operativen Ausgestaltung einer jeden Friedensmissionen zu erreichen.33 Die Gründe für den Verzicht auf das operative Kommando liegen in dem Konfliktpotenzial zu nationalem Recht, das häufig eine Unterstellung unter einen ausländischen Befehlshaber verbietet. In diesem Fall müssen schon deshalb die Befehle des Force Commanders in der Praxis durch einen nationalen Kommandeur übermittelt werden.34 2. Organschaftliches Handeln Als weiteres Indiz für die Zurechnung zu den Vereinten Nationen bei Friedensmissionen unter ihrer Führung wurde die Zuordnung als Nebenorgan der Vereinten Nationen ausgemacht. Eine derartige Formulierung findet sich teilweise auch in den Regulations der frühen Friedensmissionen.35 Mehr als auf diese formale Vereinbarung muss es aber auf wertende Gesichtspunkte ankommen. Hierzu zählt in erster Linie die Organisation des operativen Kommandos, was die Wechselbeziehung beider Punkte nochmals verdeutlicht.36 Daneben kann aber auch das Auftreten nach außen, die Regulierung von Einsatzschäden, die Natur der Immunitätsregeln oder die Kostentragung Aufschluss über die organschaftliche Zuordnung geben.37 Ergibt sich aus diesen Aspekten die Eingliederung in die Strukturen der UN, stellt die Friedensmission ein Unterorgan der UN dar.38 Gleichzeitig behalten die nationalen Kontingente aber ihre rechtliche Stellung als Organe des Sendestaats und nehmen somit eine doppelte Organstellung ein. Anders als im Fall einer sonstigen völkerrechtlichen Organleihe, in denen Organe vollständig aus einer Einheit ausgegliedert werden, um ausschließlich für ein anderes Völkerrechtssubjekt tätig zu werden, muss bei internationalen Friedensmissionen die effektive Kontrolle über die Zuordnung im Einzelfall entscheiden. In diesem Sinne handelt es sich nach der ILC trotz der Bezeichnung als UN-Neben32 Report of the Secretary-General on command and control of United Nations peacekeeping operations,UN Doc. A/49/681 vom 21. November 1994, para 6 f. 33 Leck, MelbJIL 2009, 346, 354 f. 34 Ibid., 352 f. 35 Vgl. für die Bezeichnung als Organ: UNEF Regulations, 6; ONUC Regulations, 5 (b) and 6; UNFICYP Regulation, 6. 36 Amerasinghe, 403; Shraga, Int. Peacekeeping 1998, 64, 70. 37 Erberich, 78 ff. 38 IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 176; Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/541 vom 2. April 2004, 17, para. 35.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

organ bei den die Friedensmission ausmachenden nationalen Kontingenten auch niemals um Organe der Vereinten Nationen gemäß Art. 4 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen. 3. Auswirkungen auf die effektive Kontrolle Zur Durchführung von Friedensmissionen übertragen die Mitgliedstaaten mindestens operational control über ihre nationalen Kontingente auf die Vereinten Nationen. Trotz des steigenden Einflusses der Mitgliedstaaten bei der Einsatzplanung geht hiermit in der Regel keine effektive Kontrolle im Sinne des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen einher. Die einzelnen Kontingente führen immer noch rein internationale Aufgaben auf Anordnung des Force Commander aus. Sie werden darüber hinaus unverbindlich angewiesen, nicht auf nationalen Befehl zu handeln und die Befehlskette zum Force Commander aufrecht zu erhalten.39 Dringt der UN-Befehl demnach unverändert bis zur Ausführungsebene durch, hat auch der eingeschränkte Transfer von Befehlsgewalt zu einer durch die UN kontrollierten Handlung geführt. Dem Ansatz, dass die Verantwortlichkeit der UN auf einer politisch erwünschten Haftungsübernahme statt auf einer rechtlich relevanten Zurechnung basiert,40 kann daher nicht gefolgt werden. Wird die Kommandokette allerdings durch den nationalen Kommandeur unterbrochen und erfährt sie eine inhaltliche Änderung, ist die Vermutung der effektiven Kontrolle durch die Vereinten Nationen widerlegt, und die Handlung ist dem jeweiligen Mitgliedstaat zuzurechnen.

B. UN-mandatierte Friedensmissionen Um den geeigneten Zurechnungsstandard für UN-mandatierte Missionen festzustellen, wird zunächst der Test der effektiven Kontrolle angewendet. Im Anschluss findet dann eine Auseinandersetzung mit den vorgeschlagenen Alternativlösungen statt.

I. Effektive Kontrolle der Vereinten Nationen Bei UN-mandatierten Friedensmissionen wird den Vereinten Nationen keine Kommandogewalt übertragen, und es erfolgt deshalb auch keine Eingliederung als UN-Organ. Der Einfluss der Vereinten Nationen ist beschränkt auf Gründung und Beendigung der Mission, während Entscheidungen über die Einzelheiten des Einsatzes bei den Staaten verbleiben. Die nationalen Kontingente sind den Vereinten Nationen nicht im Sinne des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Orga39 United Nations Peacekeeping Operations: Principles and Guidelines (2008), 68 (Capstone Doctrine). 40 Lorenz, 288.

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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nisationen zur Verfügung gestellt, und eine Zurechnung zu diesen findet nach dem Kriterium der effektiven Kontrolle daher in aller Regel nicht statt.41 Greift man weiter auf die Grundsätze des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zurück, ergibt sich für von Einzelstaaten durchgeführte Operationen, dass die Zurechnung nach den aufgestellten Kriterien nun widerlegbar zu diesen vermutet wird. Bei den gewöhnlichen Fallgruppen eines Mandats an entweder ad hocStaatenbündnisse oder Missionen unter Beteiligung einer Regionalorganisation liegt der Fall aufgrund des komplexen Beziehungsgeflechts der Akteure untereinander jedoch weniger eindeutig. Für die Zurechnung auf entweder die beteiligte Regionalorganisation oder den Entsendestaat wäre die Zurechnungslage bei UN-geführten Missionen nur übertragbar, wenn die Rolle der beteiligten internationalen Organisation der der Vereinten Nationen entspräche. Ihre Führungsrolle müsste sich also aus der Übertragung umfassender Kommandogewalt und der Eingliederung in die entsprechende internationale Organisation als Unterorgan ergeben. Schon aufgrund der unterschiedlichen Funktion von UN und Regionalorganisation wird dieses in aller Regel nicht der Fall sein. Die Vereinten Nationen sind originärer Inhaber der Kapitel VII-Kompetenzen, während eine Regionalorganisation wie ein Staat nur ermächtigt wird, das Mandat auszuführen. Daher muss anhand der effektiven Kontrolle im Einzelfall festgestellt werden, zu welcher Einheit die Zurechnung erfolgt. Dabei ist zu beachten, dass die Umsetzung des Mandats von Einsatz zu Einsatz individuell ausgestaltet werden kann. Schon aus diesem Grund kann keine allgemeine Regel über die Zurechnung einer Verletzung zu entweder truppenstellendem Staat oder internationaler Organisation existieren.42 Ob ähnlich wie bei UN-geführten Missionen eine Vermutungsregel in die eine oder andere Richtung besteht, kann daher nur unter Einbeziehung der konkreten Organisationsregeln erfolgen. Die Vereinten Nationen scheiden als Zurechnungssubjekt aber jedenfalls aus.

II. Ultimate Authority and Control Einen anderen Lösungsweg hat der EGMR eingeschlagen. Seit der Entscheidung in Behrami und Saramati beurteilt er die Zurechnungslage bei den von ihm behandelten UN-mandatierten Missionen nach dem Kriterium der ultimate authority and control. Diesen Test hat auch das House of Lords in Al-Jedda angewendet, wobei allerdings noch zu klären ist, ob die Situationen im Kosovo und im Irak tatsächlich zu einem unterschiedlichen Ergebnis bei Anwendung des gleichen Tests führen können.

41 Krieger, JIPC 2009. 159, 169; Donner, HuV-I 1997, 63, 67; Krieger, ZaöRV 2002, 669, 682; Lüder, NZWehrR 2001, 107, 114 f. 42 European Commission for Democracy through Law, Opinion on Human Rights in Kosovo: Possible Establishment of Review Mechanisms; Gutachten No. 280/2004 vom 11. Oktober 2004, para. 78.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

1. Inhalt nach Behrami und Saramati Die Große Kammer führte in Bezug auf das Zurechnungskriterium aus: The Court considers that the key question is whether the UNSC retained ultimate authority and control so that operational command only was delegated.43

Der EGMR macht hier deutlich, dass es ihm entgegen der sonstigen Ansichten nicht auf die Kontrollmöglichkeiten über die Verletzungshandlung, hier die Inhaftierung Saramatis, ankommt. Während das operative Kommando sonst als Indiz für die Zurechnung bewertet wird,44 bestehen nach der Rechtsprechung des EGMR ultimate authority and control und operational command bei zwei verschiedenen Rechtssubjekten. Denn auch wenn unklar bleibt, wie der EGMR operational command genau versteht, er also nach dem militärischen Verständnis die höchste Ebene der Kommandogewalt umfasst, beziehen sich operative Befugnisse stets auf die Ausführungsebene.45 Auch der Begriff ultimate authority and control wird nicht definiert und lässt sich daher nicht zweifelsfrei bestimmen.46 Rückschlüsse auf seinen Inhalt ergeben sich aber dennoch aus dem Urteil selbst. So führt der Gerichtshof fünf Kriterien an, welche die notwendige Kontrolle des Sicherheitsrats untermauern sollen. Hierzu zählt, dass der Sicherheitsrat nach Kapitel VII UN-Charta zur Delegation seiner Kompetenzen befugt ist, die übertragenen Vollmachten delegierbar sind und im Mandat ausdrücklich benannt sowie hinreichend begrenzt werden.47 Diese ersten vier Kriterien betreffen keine Kontrolle im eigentlichen Sinne des Wortes, nämlich als Beherrschen einer Handlung, sondern beziehen sich auf die Rechtmäßigkeit der Ermächtigungshandlung. Als weitere Anforderung an ein rechtmäßiges Mandat wird auf regelmäßige Berichte an den Sicherheitsrat verwiesen.48 Auch diese Funktion geht nicht über eine Art Aufsichtsfunktion hinaus. Zwar kann der Sicherheitsrat den Einsatz als ultima ratio beenden, übt ansonsten aber keine Kontrollfunktion über die Operation aus. Bei KFOR besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass ihr Einsatz keiner Zeitbeschränkung unterliegt. Während die Verlängerung des Mandats bei anderen autorisierten Einsätzen also der Mehrheit im Sicherheitsrat bedarf, kann KFOR nach Ziffer 19 der Resolution 1244 nur durch eine Mehrheitsentscheidung beendet werden. Angesichts der Veto-Rechte der ständigen Mitglieder ist die Kontrolle des Sicherheitsrats gegenüber anderen Fällen daher noch weiter reduziert.49 43 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 133. 44 Krieger, JIPC 2009, 159, 167. 45 Bantekas, AJIL 1999, 573, 578. 46 Häußler, HuV-I 2007, 238, 244. 47 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 134. 48 Ibid. 49 Larsen, EJIL 2008, 509, 523.

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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Neben dem rechtmäßigen Mandat betrifft das zweite Element des ultimate authority and control-Tests die tatsächliche Kontrolle über die Verletzungshandlung. Diese muss bei der ermächtigten Einheit bestehen und darf nicht weiter übertragen werden.50 Nur so ist zu erklären, weshalb der Gerichtshof, nachdem er bereits festgestellt hatte, dass eine rechtmäßige Delegation an die NATO vorliegt, weiter ermittelt hat, ob die NATO tatsächliche Kontrolle über die Verletzungshandlung ausübt.51 Erst dann kam er zu dem Ergebnis: [T]he Court finds that the UNSC retained ultimate authority and control and that effective command of the relevant operational matters was retained by NATO.52

2. Inhalt nach Al-Jedda Das House of Lords gelangte zu einem anderen Ergebnis als der EGMR und rechnete Handlungen der Multinationalen Truppe im Irak (MNF) dem Heimatstaat und nicht den Vereinten Nationen zu. Die Parteien des Verfahrens stimmten darin überein, dass Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen die zur Lösung des Falles entscheidenden Grundsätze enthält.53 Dennoch verweist das Urteil auf den ultimate authority and control-Test des EGMR, so dass fraglich ist, welchen Zurechnungsstandard die Lord-Richter benutzt haben und wie sie diesen angewendet haben. a) Die Mehrheit des House of Lords Aus den Urteilen der Mehrheit geht nicht eindeutig hervor, ob sie nach dem Kriterium der effektiven Kontrolle und damit gemäß Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen entschieden oder ob sie den ultimate authority and control-Test des EGMR übernommen haben. Lord Bingham gelangt zu der Verantwortlichkeit des Vereinigten Königreichs indem er fünf Fragen stellt, die er allesamt negativ beantwortet: Were UK forces placed at the disposal of the UN? Did the UN exercise effective control over the conduct of UK forces? Is the specific conduct of the UK forces in detaining the appellant to be attributed to the UN rather than the UK? Did the UN have effective command and control over the conduct of UK forces when they detained the appellant? Were the UK forces part of a UN peacekeeping force in Iraq?54 .

50

Krieger, JIPC 2009, 159, 167; Breitegger, ICLR 2009, 155, 170. EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 135 ff. 52 Ibid., para. 140. 53 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 5 (per Lord Bingham). 54 Ibid., § 22 (per Lord Bingham). 51

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

Während durch die erste und letzte Frage ausgeschlossen werden soll, dass es sich um eine UN-geführte Friedensmission handelt, spiegeln die übrigen Fragen den effective control-Test wider. Lord Bingham scheint die Zurechnung von der tatsächlichen Kontrolle und wirksamen Kommandostruktur innerhalb der Mission abhängig zu machen. Auf den Ansatz des EGMR und damit auf die Frage nach einer rechtmäßigen Ermächtigung als Voraussetzung der Zurechnung geht er an dieser Stelle nicht ein. Umso mehr verwundert es, dass er in einem nächsten Schritt nicht ausführlicher die Verteilung von command and control untersucht, sondern die Situation im Irak von der im Kosovo abgrenzt. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass aufgrund der unterschiedlichen Mandate in Resolution 1511 und Resolution 1244 der Sicherheitsrat keine Kompetenzen an die MNF delegiert, sondern Mitgliedstaaten lediglich autorisiert hat. Indem er Resolution 1511 dieser Prüfung unterzieht, erkennt er indirekt auch die Existenz des Delegationsmodells sowie die Gültigkeit des vom EGMR entwickelten ultimate authority and control-Tests an.55 Zur Begründung seines Ergebnisses führt er an: „The analogy with the situation in Kosovo breaks down […] at almost every point.“56 Insbesondere argumentiert er, dass die beiden Friedensmissionen im Kosovo auf Geheiß der Vereinten Nationen eingerichtet worden seien, unter ihrer Schirmherrschaft agierten und dass mit UNMIK ein Unterorgan der UN beteiligt sei.57 Weiter hält Lord Bingham das in beiden Fällen bestehende Berichtssystem für ungeeignet, um effektive Kontrolle zu begründen, sondern wertet sie als Ausdruck des berechtigten Interesses der UN am Schutz von Menschenrechten und der Einhaltung des humanitären Völkerrechts.58 Unabhängig davon, ob diese Einschätzung richtig ist, entspricht sie jedenfalls nicht dem EGMR, der durch eben dieses Kriterium ultimate authority and control nachgewiesen hatte.59 Hier wird endgültig deutlich, dass Lord Bingham effektive Kontrolle als relevantes Zurechnungskriterium betrachtet. Um sich aber nicht offen gegen den EGMR zu stellen, gelangt er erst über den Umweg der Abgrenzung zu seinem gewünschten Ergebnis. Dieser Bewertung der Zurechnungslage schlossen sich Baroness Hale und Lord Carswell an, ohne nochmals auf die einzelnen Merkmale einzugehen.60 Insgesamt stellt sich die Position der Mehrheit in Al-Jedda daher ambivalent dar. Formal übernehmen sie den ultimate authority and control-Test, fragen dann aber nicht, ob die Resolution, mittels derer die Truppen im Irak autorisiert worden sind, den fünf Kriterien des EGMR entspricht, sondern differenzieren ihren Fall von Beh55

Smyth, EHRLR 2008, 606, 612. R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 24 (per Lord Bingham). 57 Ibid. 58 Ibid. 59 Larsen, EJIL 2008. 509, 526. 60 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 124 (per Baroness Hale), § 131 (per Lord Carswell). 56

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rami und Saramati anhand des Kriteriums der effektiven Kontrolle. Lord Bingham hat dem Urteil im Übrigen ein Postskriptum zugefügt, in dem er Zweifel über seine Bewertung der Zurechnungsfrage bekannt gibt. b) Lord Brown of Eaton-under-Heywood Lord Brown stimmt mit dem Lösungsweg der Mehrheit nicht überein. Stattdessen wendet er den ultimate authority and control-Test direkt an und fragt, ob die fünf Schlüsselfaktoren auch hier für eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen sprechen.61 Er differenziert die Situation im Irak vom Kosovo anhand des dritten Kriteriums und findet den wesentlichen Unterschied in den Umständen des ursprünglichen Mandats. Im Wesentlichen geht es ihm hier um die Entstehung der KFOR under UN auspices. Da die MNF sich bereits vor Verabschiedung der Resolution 1511 im Irak befunden hätten, könne die Operation nicht unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen gegründet worden sein, und auch Resolution 1546 habe sie nicht der UNKontrolle unterstellt.62 Zur weiteren Begründung seines Ergebnisses führt er an, dass nicht jede Autorisierung durch den Sicherheitsrat seine ultimate authority and control begründen könne. c) Lord Rodger of Earlsferry Lord Rodger orientiert sich für sein Urteil noch stärker an der Behrami und Saramati-Entscheidung des EGMR. Indem er darauf abstellt, wie der EGMR den vorliegenden Fall entscheiden würde, scheint er aber die EGMR-Rechtsprechung fälschlicherweise als bindenden Präzedenzfall zu verstehen.63 Unter Hinweis auf den EGMR lehnt er daher auch die Anwendung des Kriteriums der effektiven Kontrolle aus Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen bewusst ab. Denn obwohl die effektive Kontrolle wie auch in diesem Fall nicht bei den Vereinten Nationen gelegen habe, rechnete der Gerichtshof diesen die Inhaftierung Saramatis zu.64 Im Folgenden beschäftigt er sich dann mit den Argumenten der übrigen LordRichter. Auch Lord Rodgers sieht den wesentlichen Unterschied zwischen der Situation im Irak und im Kosovo in dem Zeitpunkt der Mandatierung. Während die KFORTruppen erst aufgrund des Mandats im Kosovo stationiert worden seien, hätten die MNF-Truppen sich bei der Verabschiedung von Resolution 1511 bereits seit sechs Monaten im Irak befunden.65 Da es in beiden Fällen aber um die außergerichtlichen Inhaftierungen gehe, spiele es nur eine Rolle, ob die entsprechenden Resolutionen zu 61

Ibid., § 144 (per Lord Brown). Ibid., § 145 ff. (per Lord Brown). 63 Messineo, NILR 2009, 35, 46. 64 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 65 (per Lord Rodgers). 65 Ibid., § 59 (per Lord Rodgers). 62

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diesem Zeitpunkt vorgelegen hätten. Dieses sei zum einen durch Resolution 1244 und zum anderen durch Resolution 1546 als Nachfolge von Resolution 1511 sichergestellt gewesen.66 Für die Beurteilung von KFOR und der MNF könne es ferner keine Rolle spielen, ob mit UNMIK eine Übergangsverwaltung der UN eingesetzt ist oder die Regierungsgewalt in der Hand des Staates liege und lediglich durch eine Friedensmission (UNAMI) unterstützt werde.67 Auch geht Lord Rodgers davon aus, dass beide Mandate den gleichen Inhalt transportieren, so dass in beiden Fällen von einer Delegation auszugehen sei.68 Auf die Worte under UN auspices könne es nicht ankommen, da der Gerichtshof sie im Zusammenhang mit der Zurechnung nicht einmal erwähne. Daher stellt er fest: „[…] for the present purposes there appears to be no relevant legal difference between the two forces.“69 Im direkten Vergleich mit dem EGMR gelangt er deshalb auch zu dem Ergebnis: „Certainly, I can see no reason in the circumstances of the present case why, in the light of the decision of the Grand chamber in Behrami, the European Court would hold otherwise.“70 Schließlich erfülle Resolution 1546 alle vom EGMR aufgestellten Kriterien zum Nachweis der ultimate authority and control seitens der Vereinten Nationen.71 d) Bewertung Die Analyse der einzelnen Urteile hat gezeigt, dass die Richter keinen einheitlichen Zurechnungsstandard verwenden. Während die Mehrheit sich nur formal auf ultimate authority and control bezieht, beurteilt sie die Zurechnung in Wirklichkeit nach der effektiven Kontrolle. Lord Brown und Lord Rodgers wenden hingegen den ultimate authority and control-Test an, kommen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. In Anbetracht dieser divergierenden Ergebnisse, die sich aber alle auf den ultimate authority and control-Test des EGMR berufen, ist zu klären, zu welche Wirkung tatsächlich von ihm ausgehen würde. Lord Rodgers hat überzeugend demonstriert, dass die fünf Kriterien des ultimate authority and control-Tests auch für die MNF-Truppen im Irak vorliegen.72 Bezüglich des Kritikpunkts Lord Browns verweist er auf den Anhang zu Resolution 1546, der explizit die Befugnis zu Inhaftierungen auflistet.73 Darüber hinaus ist zu der unterschiedlichen originären Legitimation der Missionen anzumerken, dass ein Mandat zwar vorzugswürdig vor Beginn des Einsatzes zu erteilen ist, in Ausnahmefällen jedoch auch eine nachträgliche Ermächtigung möglich ist, die sich allerdings explizit 66 67 68 69 70 71 72 73

Ibid., § 61 (per Lord Rodgers). Ibid., § 63 (per Lord Rodgers). Ibid., §§ 85 ff. (per Lord Rodgers). Ibid., § 87 (per Lord Rodgers). Ibid., § 91 (per Lord Rodgers). Ibid., §§ 92 ff. (per Lord Rodgers). Ibid., § 94 f. (per Lord Rodgers). SR Res. 1546 vom 8. Juni 2004, Annex.

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aus der Resolution ergeben muss.74 Resolution 1511 „autorisiert“ die bereits im Irak befindlichen MNF-Truppen ausdrücklich mit einem Kapitel VII-Mandat zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität beizutragen.75 Außerdem forderte der Sicherheitsrat Mitgliedstaaten zur Unterstützung der MNF auf, die auch militärische Mittel einschließen sollte,76 so dass die Voraussetzungen eines ausdrücklichen Mandats erfüllt sind. Dieses wird auch im Vergleich zu vorangegangenen Resolutionen deutlich, in denen der Sicherheitsrat noch zum Ausdruck brachte, dass die alleinige Kontrolle und Verantwortlichkeit bei den beteiligten Staaten liegt und sie an die Regeln des Besatzungsrechts gebunden sind.77 Dennoch ist es möglich, die Wirkungsweise der Resolution 1511 in drei verschiedene Richtungen zu interpretieren. Entweder wird das gesamte Handeln der MNF im Irak rückwirkend autorisiert, die Truppen handeln ab dem Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution unter einem im vollem Umfang gültigen Mandat oder es existiert noch eine dritte Kategorie, in der das Mandat nur eingeschränkt wirkt. Mit der ersten Option würde einhergehen, dass die ursprünglich rechtswidrigen, weil gegen das Gewaltverbot verstoßenden unilateralen Handlungen der MNF-Truppen78 nachträglich für zulässig erklärt worden oder sogar als eigene Handlung der UN angenommen worden wären. Aufgabe des Mandats war es aber lediglich, die gegenwärtige Situation im Irak zu verbessern, so dass eine rückwirkende Ermächtigung ausgeschlossen ist.79 Dieses Ergebnis ergibt sich nicht direkt aus dem Wortlaut, entspricht aber einer teleologischen Auslegung, da es einigen Mitgliedern des Sicherheitsrats ausdrücklich darauf ankam, gerade diese Rechtswirkung nicht zu erzeugen. Die Lösung für ein eingeschränktes Mandat ist ebenso fraglich. Der Ansatz, dass durch ein Kapitel VIIMandat „nur“ der Schutz von Bevölkerung und Einsatztruppen verbessert werden soll, der Sicherheitsrat aber nur eingeschränkt hinter der Mission steht, lässt sich mit der Realität nicht vereinbaren. Der Wortlaut der Resolution bietet hierfür keinen Ansatzpunkt, und die Konsequenz wäre letztlich, dass der Sicherheitsrat sein Gewaltmonopol aufgeben würde. Die Lösung muss daher sein, dass es sich bei der MNF seit Verabschiedung der Resolution um eine UN-mandatierte Truppe handelt, die in rechtlicher Hinsicht mit der KFOR als identisch zu betrachten ist.80 Resolutionen 1244 und 1511 transportieren demnach die gleichen Rechtswirkungen. Eine rechtliche Wirkung der Formulierung „unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen“ in Resolution 1244 ist nicht nur aufgrund der mangelnden Beachtung 74

Vgl. Kapitel 1, C.III.1. SR Res. 1511 vom 16. Oktober 2003, Zif. 13. 76 Ibid., Zif. 14. 77 SR Res. 1483 vom 22. Mai 2003: „recognizing the specific authorities, responsibilities, and obligations under applicable international law of these states, as occupying powers under unified command.“ 78 So auch: Bothe, AVR 2003, 255; Falk, AJIL 2003, 590, 597 f.; Schaller, ZaöRV 2002, 641; Gray, EJIL 2002, 1, 9 ff. 79 Gray, 345. 80 Starmer, EHRLR 2008, 318, 332; Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 294. 75

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

durch den EGMR zweifelhaft. Auch sprechen Gründe dafür, dass der Begriff aus rein politischen Gründen eingefügt worden ist, um dem Milosˇevic´-Regime zu ermöglichen, innerstaatlich zu argumentieren, dass die NATO ihre Kosovo-Mission nicht erfüllen konnte.81 Auch in Bezug auf die weiteren vom EGMR aufgestellten Kriterien eines rechtmäßigen Mandats, wie eine hinreichende Begrenzung und regelmäßige Berichte an den Sicherheitsrat, hat Lord Rodgers nachgewiesen, dass Resolution 1546 hier eher mehr Kontrolle als Resolution 1244 ermöglicht.82 Daher müsste der ultimate authority and control-Test des Behrami und Saramati-Falles in Al-Jedda zu einem identischen Ergebnis führen, und die Handlungen müssten den Vereinten Nationen zugerechnet werden.83 Dieses insbesondere für den Fall der MNF im Irak problematische Resultat wollte das House of Lords aber offensichtlich verhindern. Es scheint, als hätten die Richter vor der Wahl gestanden, entweder dem EGMR zu widersprechen und somit möglicherweise politische Differenzen auszulösen oder, wie geschehen, durch eine zweifelhafte Abgrenzung zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen. Die tatsächliche Anwendung des Zurechnungskriteriums der ultimate authority and control gelangt entgegen der Mehrheit des House of Lords aber zu einer Zurechnung zu den Vereinten Nationen. 3. Analyse des Ultimate Authority and Control-Tests Die Testformel ultimate authority and control wurde bis zum Behrami und Saramati-Urteil weder von der Rechtsprechung als Kriterium der Zurechnung benutzt, noch wird sie von der Völkerrechtskommission im Zusammenhang mit völkerrechtlicher Verantwortlichkeit von entweder Staaten oder internationalen Organisationen erwähnt. Gleiches gilt für die im Mittelpunkt der Entscheidung stehende Differenzierung zwischen Delegation und Autorisierung.84 Im Folgenden wird daher untersucht, ob der ultimate authority and control-Test dennoch die Zurechnungslage bei UNmandatierten Missionen angemessen und in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht beurteilen kann. a) Ursprung Als einziger Nachweis für den ultimate authority and control-Test ist Sarooshi anzuführen, der in einer Monographie von 1999 die Ansicht der delegierten Kapitel VIIKompetenzen begründet hat. Die zwei Sätze, auf denen der gesamte zurechnungsrelevante Teil des EGMR Urteil zu basieren scheint, lauten: 81

Larsen, EJIL 2008. 509, 525; Sari, HRLR 2008, 151, 178, Fn. 55. R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, §§ 95 ff. (per Lord Rodgers). 83 Larsen, EJIL 2008. 509, 526; Starmer, EHRLR 2008, 318, 332; Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 295; Messineo, NILR 2009, 35, 45 f.; Breitegger, ICLR 2009, 155, 180. 84 Bodeau-Lvninec/Buzzini/Villapando, AJIL 2008, 323, 328. 82

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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However, it is contended that the question of who exercizes operational command and control over the force is immaterial to the question of responsibility. The more important enquiry is who exercizes overall authority and control over the forces.85

Zu verstehen ist diese Aussage nur vor dem Hintergrund, dass Sarooshi die Funktion des Sicherheitsrats in Bezug auf seine Kapitel VII-Kompetenzen als so zentral im System der völkerrechtlichen Ordnung betrachtet, dass jedes rechtmäßige Verhalten auf ihn zurückzuführen sein muss. Ermächtigt er also Staaten, mit solchen Mitteln vorzugehen, die nach Kapitel VII allein dem Sicherheitsrat zustehen, trifft die UN als übergeordnete internationale Organisation in der Folge auch die Verantwortlichkeit. Diese Grundidee, im Falle rechtmäßig delegierter Kompetenzen das gesamte Handeln den Vereinten Nationen zuzurechnen, ist vom EGMR ohne weitere Begründung übernommen worden.86 Dogmatisch gelangt Sarooshi zu der Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen auch für mandatierte Friedensmissionen, indem er nicht die nahe liegende Parallele zur völkerrechtlichen Organleihe nach Art. 6 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit bildet, sondern den heutigen Art. 5 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit als Ausgangspunkt wählt.87 Hiernach ist das Verhalten von Personen, die nach dem Recht des betreffenden Staates ermächtigt sind, hoheitliche Befugnisse auszuüben, als Staatshandeln zu werten. Dieser Ansatz ist nur im historischen Kontext verständlich, denn als Sarooshi sein Werk im Sommer 1998 abschloss, waren die Arbeiten der ILC am Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit noch nicht beendet, und die Kommission hatte noch nicht begonnen, sich mit den entsprechenden Vorschriften zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zu befassen. Der Rückgriff auf Art. 5 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit stand demnach nicht im Widerspruch zu den Arbeiten der ILC, doch kann der Vergleich zwischen nach innerstaatlichem Recht ermächtigten Staatsorganen und delegierten Kompetenzen des Sicherheitsrats nicht überzeugen. Art. 3 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit stellt klar, dass die Beurteilung einer Handlung als völkerrechtswidrig unabhängig von der Rechtmäßigkeit nach nationalem Recht zu erfolgen hat.88 Sarooshi scheint folglich die Bedeutung des nationalen Rechts bei der Übertragung auf die Ebene der internationalen Organisationen nicht ausreichend zu beachten. Denn die Handlung einer Person, die im Widerspruch zu völkerrechtlichen Regeln steht, löst die Verantwortlichkeit des hinter ihr stehenden Staates unabhängig davon aus, ob die Ermächtigung zur Wahrnehmung der hoheitlichen Befugnisse innerstaatlich rechtsgültig ist. Übertragen auf das Verhältnis UN und Mitgliedstaat bedeutet dieses, dass im Falle durch den Sicherheitsrat autorisierter

85

Sarooshi, 163. EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 133 ff. 87 Sarooshi, 164, Fn. 85. 88 ILC Report 2001, 74, para. 1. 86

158

Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

Handlungen von Mitgliedstaaten nicht die Wirksamkeit des internen Ermächtigungsaktes über die Zurechnung entscheiden kann. Ebenfalls sprechen die unterschiedlichen Interessen von Staaten und internationalen Organisationen gegen die Anwendung von Art. 5 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit bei internationalen Friedensmissionen.89 Sinn und Zweck des Art. 5 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit ist es zu verhindern, dass Staaten sich ihrer internationalen Verantwortlichkeit entledigen, indem sie andere für sich handeln lassen.90 Bei internationalen Organisationen besteht diese Gefahr nicht in vergleichbarer Weise. Sie werden teilweise vielmehr gerade gegründet, um Staaten von der eigenen Verantwortlichkeit zu befreien.91 Überträgt nämlich eine internationale Organisation ihre Kompetenzen zurück auf ihre Mitgliedstaaten, wird die Haftungssituation nicht erschwert. Entweder wird die Lage weiterhin durch das Recht der Verantwortlichkeit internationaler Organisationen abgedeckt oder aber sogar bereits vom gerade im tertiären Bereich wesentlich weiter entwickelten Recht der Staatenverantwortlichkeit erfasst. Aus heutiger Sicht kann Sarooshi ebenfalls entgegengehalten werden, dass die ILC auf eine Art. 5 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit nachgebildeten Vorschrift in ihren bisherigen Arbeiten zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen vollständig verzichtet hat. Stattdessen befasst sich Art. 5 des ILC-Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, der auf Art. 6 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit beruht, mit der Zurechnung von Handlungen während internationalen Friedensmissionen. b) Die Unterscheidung zwischen Delegation und Autorisierung Nach der Rechtsprechung der Großen Kammer haben die Vereinten Nationen die oberste Kontrolle über KFOR behalten, weil der Sicherheitsrat seine Kapitel VIIKompetenzen an die NATO delegiert hat.92 Im Falle der davon abzugrenzenden bloßen Ermächtigung hätte eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen nicht erfolgen können.93 Die Unterscheidung zwischen den Begriffen delegation und authorization stellt somit den zentralen Punkt in der Argumentation des Gerichtshofs dar. Dennoch verzichtet er darauf, näher auf die Begriffe und ihre rechtliche Basis einzugehen oder Kriterien für ihre Abgrenzung aufzuzeigen. Stattdessen erläutert er nur knapp das der Entscheidung zu Grunde liegende Verständnis:

89

Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 287. ILC Report 2001, 92, para. 1. 91 Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 287. 92 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 135. 93 Tomuschat, MelbJIL 2008, 391, 396. 90

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

159

Use of the term „delegation“ in the present decision refers to the empowering by the UNSC of another entity to exercise its function as opposed to „authorising“ an entity to carry out functions which it could not itself perform.94

Diese Unterscheidung ist der Praxis aber fremd.95 So benutzt der Sicherheitsrat stets „to authorize“ um ein Mandat zur Durchführung einer Friedensmission zu erteilen. Auch die Charta kennt den Begriff „authorization“, stimmt in ihrem Verständnis aber nicht mit dem EGMR überein.96 So kann der Sicherheitsrat nach Art. 53 UNCharta eine Regionalorganisation zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen autorisieren. Hierbei handelt es sich aber um originäre Kompetenzen des Sicherheitsrats, für deren Durchsetzung er sich lediglich einer anderen Einheit bedient.97 Das von den Vereinten Nationen herausgegebene Handbuch zum Peacekeeping benutzt „Delegation“ ausschließlich, um das Rangverhältnis innerhalb UN-geführter Missionen zu beschreiben:98 „The Secretary-General, in turn, has delegated the overall responsibility for the conduct and support of these missions to the Under-Secretary-General for Peacekeeping Operations.“99 Auch diese zentrale Unterscheidung geht also allein auf das in der Rechtswissenschaft entwickelte Delegationsmodell zurück. Angesichts dieses lückenhaften Rückhalts in Theorie und Praxis wirft das Vorgehen des EGMR etliche Fragen in Bezug auf Inhalt und Ursprung auf. Als erster Kritikpunkt ist anzuführen, dass allein aus den Ausführungen des Gerichtshofs nicht deutlich wird, welche Funktionen des Sicherheitsrats gemeint sind. Legt man ein praktisches Verständnis zu Grunde, könnte man sich fragen, ob der Sicherheitsrat als Voraussetzung der Delegation tatsächlich die Fähigkeit besitzt, eine Zivilpräsenz im Kosovo zu errichten oder Personen wie im Fall Saramati zu inhaftieren. Nach diesem Verständnis könnte es aber nie zu einer vollständigen Delegation zwischen Sicherheitsrat und anderen Akteuren kommen, da der Sicherheitsrat ein Gremium ohne eigene Handlungsmöglichkeit ist. Auch ist der Sicherheitsrat nicht in der Lage, Staaten mit der Wahrnehmung von Aufgaben zu beauftragen, da die Bereitstellung von Truppen stets auf einer freiwilligen Handlung der Staaten basieren muss.100 Hierzu stellt das House of Lords aber klar, dass es sich nur um die rechtlichen Fähigkeiten des Sicherheitsrats handeln könne. Durch eine Delegation wird eine andere Einheit ermächtigt, die Funktionen des Sicherheitsrats nach der Charta wahrzunehmen, während im Falle einer einfachen Autorisierung eine andere Einheit Aufga-

94

EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 43. 95 Hafner, in: FS Bothe, 103, 112; Bodeau-Lvninec/Buzzini/Villapando, AJIL 2008, 323, 328. 96 Hafner, in: FS Bothe, 103, 113 f., mit Verweis auf u. a.: Art. 2 Abs. 7, 47 Abs. 4, 53 Abs. 1, 96 Abs. 2 und 107 UN-Charta. 97 Ress/Bröhmer, in: Simma, Art. 53, Rn. 2. 98 Hafner, in: FS Bothe, 103, 112. 99 Handbook on UN Multidimensional PKO, 9. 100 Hafner, in: FS Bothe, 103, 113.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

ben wahrnimmt, die nicht im rechtlichen Zuständigkeitsbereich des Sicherheitsrats liegen.101 aa) IGH-Gutachten als Grundlage Ferner begründet der Gerichtshof nicht, warum er das Delegationsmodell anwendet und welche Rechtsquelle er heranzieht. Erst das House of Lords wird deutlicher und stellt fest, dass die Unterscheidung im Kontext der UN auf das IGH-Gutachten Application for Review of Judgment No 158 of the United Nations Administrative Tribunal zurückzugehen scheint.102 Eben dieses Gutachten führt auch Saaroshi für die Unterscheidung zwischen Delegation und der engeren Autorisierung an.103 In diesem ging es um die Frage, ob das von der Generalversammlung als Unterorgan eingesetzte Komitee zur Überprüfung von Entscheidungen des United Nations Administrative Tribunal den IGH um die Erstellung von Gutachten bitten kann. Die Generalversammlung selbst ist nicht in der Lage, Entscheidungen des Tribunals zu überprüfen. Die Fähigkeit zur Gutachtenanfrage durch das Komitee wurde zwar positiv beantwortet, jedoch nicht, weil die Generalversammlung ihre Kompetenz zur Anfrage eines Gutachtens delegiert hat, sondern weil das Komitee bereits durch Art. 96 Abs. 2 UN-Charta ausreichend ermächtigt gewesen sei, eine Gutachtenanfrage für ihren speziellen Zuständigkeitsbereich zu stellen: This is not a delegation by the General Assembly of its own power to request an advisory opinion; it is the creation of a subsidiary organ having a particular task and invested with the power to request advisory opinions in the performance of that task. The mere fact that the Committees activities serve a particular, limited, purpose in the General Assemblys performance of its function in the regulation of staff relations does not prevent the advisory jurisdiction of the Court from being exercised in regard to those activities.104

Ob dieser Nachweis ausreichend ist, um das Delegationsmodell mitsamt seinen Folgen zu stützen, erscheint fraglich. Die Ausgangslage internationaler Friedensmissionen ist eine andere als die des Komitees. Nach der Auffassung des Gerichts entscheidet der Sicherheitsrat mit seinem Mandat darüber, ob er seine Kompetenzen auf eine Friedensmission delegiert oder er die Mission nur autorisiert. Eine Eingliederung als Unterorgan in die Strukturen der Vereinten Nationen findet zumindest im Fall von KFOR nicht statt. Das Komitee zur Überprüfung von Entscheidungen des United Nations Administrative Tribunal ist aber ein von der Generalversammlung gegründetes Unterorgan und weist damit eher Parallelen zu UN-geführten Missionen auf. Die Verbindung der UN zu einem Unterorgan ist in jedem Fall stärker als zu einer mandatierten Friedensmission, gleich ob sie mit delegierten Kompetenzen aus101 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 80 (per Lord Rodgers). 102 Ibid., § 81 (per Lord Rodgers): „[…] this distinction appears to go back“ (Hervorhebung durch Autor). 103 Sarooshi, 12. 104 IGH, Application for Review of Judgment No 158 of the United Nations Administrative Tribunal, ICJ Reports 1973, 166, 174, para. 20.

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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gestattet ist oder nur autorisiert wurde. Die vom Gerichtshof zu beantwortende Frage, nach der Befugnis ein Gutachten des IGH anzufordern, betrifft daher auch nur den dogmatischen Aspekt, ob als Grundlage der Gutachtenanfrage Art. 96 Abs 1 oder Art. 96 Abs. 2 UN-Charta gilt.105 Dieses ist aber keine Frage des Gründungsakts des Komitees, sondern der internen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse. Aufgrund dieses Unterschiedes kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff der Autorisierung von IGH und EGMR deckungsgleich benutzt wurde. „Duly authorized“106 des IGH reproduziert den Wortlaut von Art. 96 Abs. 2 UN-Charta und bezieht sich daher auf die Erschaffung eines Unterorgans, welches ermächtigt wird, Funktionen auszuüben, die die Generalversammlung zwar selbst nicht wahrnehmen kann, zu deren Ausübung sie aber ermächtigen kann.107 Währenddessen beschreibt Autorisierung im Sinne des EGMR im Zusammenhang mit einem Kapitel VII-Mandat eine Funktion, die der Sicherheitsrat nicht selber wahrnehmen kann, für die er aber Legitimität verleihen kann.108 Die Autorisierung im ersten Fall kommt daher erst als Folge der Gründungshandlung in Betracht, ohne die das Komitee nicht existieren würde und folglich auch nicht handlungsfähig wäre. Bei Peacekeeping-Missionen unter Kapitel VII bezieht sie sich direkt auf die Gründung und entscheidet damit originär über die rechtliche Ausgestaltung der Mission. Aufgrund dieser Unterschiede kann die Rechtsprechung des IGH nicht als Grundlage der Unterscheidung zwischen Delegation und Autorisierung bei Friedensmissionen angeführt werden. bb) Abgrenzung Die Abgrenzung beider Begriffe bereitet in der Praxis Schwierigkeiten. Selbst Sarooshi als prominentester Vertreter des Delegationsmodells gibt zu, dass nicht in jedem Fall formale Kriterien existieren, mittels derer sich Delegation und Autorisierung unterscheiden lassen.109 Auch Tomuschat, der das Urteil des EGMR im Ergebnis begrüßt, kritisiert, dass der Gerichtshof sich nicht detaillierter mit den zentralen Begriffen der Entscheidung beschäftigt hat.110 Diese Probleme werden auch in der rechtswissenschaftlichen Behandlung der Urteile des EGMR und des House of Lords deutlich. Nach Smyth muss sich eine bloße Autorisierung, die eine Gewaltanwendung einschließt, neben dem Mandat noch auf weitere Rechtsquellen des Völkerrechts wie das Recht zur Selbstverteidigung stützen.111 Denn wenn der Sicherheitsrat bei einer Au105

Sarooshi, 12. IGH, Application for Review of Judgment No 158 of the United Nations Administrative Tribunal, ICJ Reports 1973, 166, 175, para. 23. 107 De Wet, Nordic JIL 2002, 1, 5. 108 Smyth, EHRLR 2008, 606, 617. 109 Sarooshi, 13. 110 Tomuschat, MelbJIL 2008, 391, 396. 111 Smyth, EHRLR 2008, 606, 617. 106

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

torisierung eine Einheit nicht mit zusätzlichen Kompetenzen ausstatte, könne er einer Operation nur dadurch zusätzliche Legitimität verleihen, indem er ihre Rechtmäßigkeit ausdrücklich bestätige.112 Da die Kompetenz des Sicherheitsrats zur Anwendung von Gewalt abschließend in Kapitel VII UN-Charta niedergelegt sei, müsse er in diesem Bereich seine Kompetenzen also delegieren. Sie schließt sich dem House of Lords an und interpretiert das Mandat für die MNF im Irak als bloße Autorisierung, da die Operation auf Einladung der irakischen Regierung stattgefunden habe.113 Sollte dieses Verständnis des Al-Jeddas-Urteils richtig sein, hat der Sicherheitsrat seine Kompetenzen aber auch nicht auf die KFOR delegiert. Es ist gerade charakteristisch für Friedensmissionen, dass sie im Unterschied zu reinen Zwangsmaßnahmen nicht gegen den Willen des Gaststaates stattfinden. Auch das damalige Jugoslawien stimmte vor Verabschiedung der Resolution 1244 einer internationalen Sicherheitspräsenz zu. Außerdem ist KFOR erst nach der Billigung des Sicherheitsrats im Kosovo stationiert worden, während sich die MNF-Truppen bereits zuvor und ohne Zustimmung des Iraks dort befanden. Tomuschat stimmt in beiden Fällen mit der Einschätzung der Gerichte in Bezug auf eine Delegation im Kosovo und einer Autorisierung im Irak überein. Neben den Umständen der Einsetzung von KFOR wertet er als hauptsächliches Argument für eine Delegation, dass durch die parallele Stationierung von UNMIK die Vereinten Nationen ein eigenes Interesse an der Region zeigten und daher beide Präsenzen gemeinsam als echtes UN-Projekt zu bewerten seien.114 Im Unterschied dazu habe die UN die Besatzung des Iraks lediglich anerkannt, nachdem die beteiligten Staaten festgestellt hatten, dass ein rechtliches Fundament oder zumindest internationale Legitimität aus politischen Gründen sinnvoll sei.115 Auch arbeiteten UNAMI und die multinationale Truppe nicht in ähnlicher Weise Seite an Seite wie KFOR und UNMIK. Die Verbindung zu den Vereinten Nationen sei im Irak daher wesentlich geringer, und die Handlungen der UN könnten kaum als Delegation ihrer Kompetenzen verstanden werden.116 Hier wird deutlich, dass die Abgrenzung zwischen Delegation und Autorisierung nur aufgrund von Wertungsfragen vorgenommen werden kann. Angesichts der mit der Differenzierung einhergehenden Rechtsfolgen hätte die Große Kammer wenigstens eine eingehende Untersuchung zum rechtlichen Verständnis und dem Verhältnis der Begriffe durchführen müssen.117 In ihrer jetzigen Form ist die Unterscheidung zwischen Delegation und Autorisierung daher abzulehnen.

112 113 114 115 116 117

Ibid. Ibid. Tomuschat, MelbJIL 2008, 391, 396. Ibid., 397. Ibid., 397 f. Knoll, ZaöRV 2008, 431, 443.

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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c) Delegationsfähigkeit des Sicherheitsrats Neben der mangelnden rechtlichen Grundlage der Unterscheidung zwischen Delegation und Autorisierung führt die Anwendung der Grundsätze des EGMR zu praktischen Problemen. Das Gericht nähert sich der Frage der Kontrolle aus der Perspektive der UN und geht davon aus, dass die Einzelstaaten erst in Folge einer Delegation von Kapitel VII-Kompetenzen ermächtigt sind, bestimmte Handlungen im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei vorzunehmen. Diese Konstruktion ignoriert aber die tatsächliche Ausgestaltung des Systems der kollektiven Sicherheit. Aufgrund des nicht umgesetzten Art. 43 UN-Charta hat der Sicherheitsrat keine Möglichkeit zum selbständigen militärischen Vorgehen. Im Grundsatz obliegt die Befehls- und Kommandogewalt über Streitkräfte nach den jeweiligen nationalen Verfassungen den Mitgliedstaaten. Der Sicherheitsrat erhält erst eine beschränkte Kommandogewalt über nationale Kontingente, nachdem ein Staat seine Streitkräfte aus seiner Hoheitsgewalt ausgliedert und der Mission zur Verfügung gestellt hat.118 Eine Verpflichtung zur Teilnahme an Friedensmissionen besteht nicht und kann durch den Sicherheitsrat auch nicht hervorgerufen werden.119 Infolgedessen ist es auch nicht der Sicherheitsrat, der militärische Kompetenzen zur Durchführung einer Friedensmission frei delegieren kann, sondern es sind umgekehrt die Staaten, die durch ihre Zusage erst die Befugnis des Sicherheitsrats begründen. Im Falle UN-mandatierter Missionen verzichtet der Sicherheitsrat auf seine Führungsrolle und besitzt im Ergebnis keine delegationsfähigen operativen Befugnisse über die Mission. d) Vermengung von internem UN-Recht und völkerrechtlichen Sekundärnormen Anlass zu weitergehender Kritik bietet der Ansatz des EGMR, die rechtmäßige Ermächtigungshandlung als Voraussetzung der Zurechnung zu bewerten. Hier zeichnet sich ein grundsätzlicher Bruch mit dem System der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ab, das spätestens seit der Ernennung Roberto Agos zum Sonderberichterstatter der ILC auf sekundärrechtliche Normen begrenzt ist. Die sekundärrechtlichen Regeln der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit kommen erst zum Tragen, nachdem ein Bruch des primären Völkerrechts stattgefunden hat, so dass sie unabhängig vom nationalen Recht eines Staates oder dem Innenrecht internationaler Organisationen zu bewerten sind.120 Die Verknüpfung von Zurechnung und Erteilung eines Mandats vermischt daher zwei voneinander unabhängige Rechtsregime.121 Die Rechtmäßigkeit der Übertragung von Aufgaben durch den Sicherheitsrat an Mitgliedsstaaten bemisst sich nach dem internen Recht der Vereinten Nationen. Hier118

Stoltenberg, ZRP 2008, 111, 113; Sari, HRLR 2008, 151, 164. Chesterman, 166; Gazzini, 36. 120 Sari, HRLR 2008, 151, 164; Knoll, ZaöRV 2008, 431, 449; Orakhelashvili, AJIL 2008, 337, 341. 121 Milanovic´/Papic´, ICLQ 2009, 267, 283; Breitegger, ICLR 2009, 155, 167 f. 119

164

Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

bei steht außer Zweifel, dass bestimmte Grenzen auch für den Sicherheitsrat bestehen.122 Im Einzelnen umstritten ist lediglich, welche Rechtsfolgen an eine solche Verletzung der Charta geknüpft sind.123 Die vom Gerichthof angeführten Bestandteile des ultimate authority and control-Tests, wie die rechtmäßige Übertragung von Befugnissen und der Inhalt des Mandats beziehen sich auf die Befugnisse des Sicherheitsrats gemäß der Charta und können daher lediglich als Kriterien der Rechtmäßigkeit der Resolution dienen.124 Eine darüber hinausgehende Aussage über die nach zwischenstaatlichem Recht zu bewertende Zurechnung von Handlungen kann von ihnen nicht ausgehen. Diese Aussage wird auch durch die bisherige Praxis gestützt. So besteht Einigkeit darüber, dass Zwangsmaßnahmen nach Art. 42 UN-Charta zwar aufgrund eines wirksamen Mandats durchgeführt worden sind, die Vereinten Nationen aber keine ausreichende Kontrolle hatten, um als Zurechnungssubjekt behandelt zu werden.125 4. Bewertung und Folgen Der ultimate authority and control-Test ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Er hat nur unzureichenden Rückhalt in Theorie und Praxis, wendet die eigentlichen Zurechnungsregeln des sekundären Rechts gar nicht an und gelangt darüber hinaus zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Wird die Zurechnung allein von einem rechtmäßigen Mandat abhängig gemacht, ist dieses kaum mit dem Wort „Kontrolltest“ in Einklang zu bringen. Es geht lediglich um eine Initiativentscheidung, die in keiner Weise zur Beherrschung der Situation führt und damit dem Leitgedanken völkerrechtlicher Verantwortlichkeit widerspricht. Diese Folgen können auch nicht durch die operative Kontrolle der ermächtigten Einheit aufgehoben werden. Nach der ganz überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur kommt es ausschließlich auf die direkte Kontrolle der Friedensmission an.126 Die Schwächen des ultimate authority and control-Tests werden auch durch einen Blick auf die konkreten Folgen des Behrami und Saramati-Urteils deutlich. Es gelingt dem Gerichtshof nicht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der kollektiven Sicherheit und dem Schutz der Menschenrechte zu finden. Durch das Urteil wurden die Opfer von Menschenrechtsverletzungshandlungen weitgehend von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte ausgenommen. Der EGMR ist nicht zuständig, die Vereinten Nationen besitzen keine Durchsetzungsmechanismen für individuellen Menschenrechtsschutz, und ein Vorgehen gegen die Täter in Person scheitert an Immunitätsvereinbarungen mit dem Gaststaat. Somit sind ihre Möglichkeiten weiterhin beschränkt auf Klagen im Entsendestaat sowie die Claims Commissions im 122

Frowein/Krisch, in: Bothe, Introduction to Chapter VII, 710 f.; Rn. 25 ff. Vgl. dazu Orakhelashvili, MPYUNL 2007, 143 ff.; Martenczuk, EJIL 1999, 517 ff.; Wilson, J. Confl. & Sec. L. 2007, 295, 299 – 302. 124 Sari, HRLR 2008, 151, 164. 125 Krieger, JIPC 2009, 159, 166. 126 ILC Report 2004, 113 f., para. 7 und Fn. 297. 123

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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Fall von KFOR-Verletzungen, beziehungsweise das Human Rights Advisory Panel in Kosovo im Falle von Verletzungen durch UNMIK. Gerade im Lichte der Geschichte wirkt dieses Ergebnis nicht zufriedenstellend. Ziel der NATO-Angriffe auf den Kosovo war der Schutz der Zivilbevölkerung vor Menschenrechtsverletzungen. Dass auch mehr als ein Jahrzehnt später die Einwohner schutzlos vor Verletzungen durch UNMIK und KFOR sind, behaftet die Mission mit einem entscheidenden Makel.127 Stärker als bei reinen Peacekeeping-Missionen verfestigt sich dieser Eindruck dadurch, dass die UN im Kosovo eine Übergangsverwaltung installiert hat, die in weiten Teilen Staatsaufgaben übernimmt, sich selber aber weitgehend in einem kontroll- und damit faktisch menschenrechtsfreien Raum bewegt. Zugegeben hätte eine Entscheidung für die Verantwortlichkeit von Mitgliedstaaten für die Verletzungen von Konventionsrechten im Kosovo weit reichende Konsequenzen gehabt. Denn je nachdem, ob ein Staat der multinationalen Operation Mitglied der EMRK ist, hätte er einen unterschiedlichen Schutz gewährleisten müssen. Auch gäbe es zwei Kategorien von Opfern, wobei überhaupt nur diejenigen einen durchsetzbaren Anspruch auf Wiedergutmachung vor dem EGMR hätten haben können, die Schäden durch einen Mitgliedsstaat erlitten haben. Allerdings ist der Gerichtshof ausschließlich berufen, die rechtliche Situation zu beurteilen, eventuelle Folgen der Realität anzupassen, ist aber Aufgabe der Politik in den Mitgliedstaaten. Der Anwendungsbereich des ultimate authority and control-Tests ergibt sich aus dem Urteil nicht eindeutig. So könnte man annehmen, dass die Aussage des EGMR auf Friedensmissionen als Teil einer internationalen Verwaltung begrenzt ist und sich nicht auf alle Handlungen bezieht, die von einem Kapitel VII-Mandat des Sicherheitsrats gedeckt sind. Dagegen sprechen aber bereits die allgemein gehaltenen Formulierungen des EGMR. Auch hat er in einer Art obiter dictum festgestellt, dass er wegen des engen Zusammenhangs mit der Aufgabenwahrnehmung nach Kapitel VII UN-Charta auch keine freiwilligen Handlungen wie das Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat oder die Bereitstellung von Truppen zu Friedensmissionen überprüfen könne.128 Ferner ist auch das House of Lords davon ausgegangen, dass der Gerichtshof die MNF-Truppen im Irak nach dem gleichen Muster beurteilen würde.129 Eine Klärung, ob der EGMR bereit ist, Rechtsakte zu prüfen, die ihren Ursprung in einer Kapitel VII-Resolution haben, war für das Verfahren Kadi erwartet worden, in dem die Kläger angekündigt hatten, auch den Weg nach Straßburg beschreiten zu wollen. Nachdem der EuGH130 das Urteil des EuG131 aber aufgehoben hat, ist 127

Farrior, ILM 2007, 743, 744; Watson, Tulane J. Intl & Comp. L. 2008, 575, 589. EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 149. 129 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 2 WLR 31, § 91 (per Lord Rodgers). 130 EuGH, Rs. C-402/05 P und C-425/05, Urteil vom 3. September 2008 – Kadi. 131 EuG, Rs. T-315/01, Slg. 2005, II-3649, Urteil vom 21. September 2005 (Kadi/Rat und Kommission); EuG, Rs. T-306/01, Slg. 2005, II-3533, Urteil vom 21. September 2005 (Yussuf u. a./Rat und Kommission). 128

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

eine Beschäftigung des EGMR mit dieser Frage in nächster Zeit nicht zu erwarten. Dieses wäre insbesondere angesichts des – vielfach kritisierten – Ergebnisses des EuGH interessant gewsen. So resümiert dieser: Aus alledem ergibt sich, dass die Gemeinschaftsgerichte im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund des EG-Vertrags zustehen, eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Gemeinschaft im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewährleisten müssen, und zwar auch in Bezug auf diejenigen Handlungen der Gemeinschaft, die wie die streitige Verordnung der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der UNCharta dienen sollen.132

Allerdings ist derzeit ein Fall aus der Schweiz vor dem EGMR anhängig, der eine parallele Problematik betrifft. Ob der EGMR hier seinen Standpunkt revidieren oder abwandeln wird, bleibt abzuwarten, bis auf weiteres ist jedenfalls davon auszugehen, dass der EGMR den ultimate authority and control-Test auf alle UN-mandatierten Missionen anwenden würde.

5. Erklärungsversuche für die EGMR-Position Die Beweggründe des Gerichts für eine Zurechnung zu den Vereinten Nationen ergeben sich aus dem folgenden Zitat: Since operations established by UNSC Resolutions under Chapter VII of the UN Charter are fundamental to the mission of the UN to secure international peace and security and since they rely for their effectiveness on support from member states, the Convention cannot be interpreted in a manner which would subject the acts and omissions of Contracting Parties which are covered by UNSC Resolutions and occur prior to or in the course of such missions, to the scrutiny of the Court. To do so would be to interfere with the fulfilment of the UNs key mission in this field including, as argued by certain parties, with the effective conduct of its operations.133

Der Gerichtshof bringt hier zum Ausdruck, dass effektiver Menschenrechtsschutz nicht mit dem System der kollektiven Sicherheit vereinbar ist. Diese Wertung ergibt sich aber nicht notwendig aus dem UN-Recht. Aus der Tatsache, dass es sich bei der Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit um die Hauptaufgabe des Sicherheitsrats handelt, leitet er ab, dass seine gerichtlichen Kontrollbefugnisse nicht zum Zuge kommen und menschenrechtlicher Schutz auf der Ebene des Europarates damit im Falle eines Kapitel VII-Handelns faktisch außer Kraft gesetzt ist. Diese Ansicht entbehrt jedoch jeglicher Grundlage. Menschenrechte erfüllen ihren Sinn und Zweck nur, wenn sie zur am weitesten möglichen Anwendung gelangen. So sind sie nur in Ausnahmefällen derogierbar und auch in Kriegssituationen anwendbar.134 132

EuGH, Rs. C-402/05 P und C-425/05, Urteil vom 3. September 2008, Rn. 299 – Kadi. EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 149. 134 Murphy, CLF 2003, 153, 158. 133

B. UN-mandatierte Friedensmissionen

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Gegen die Sichtweise des Gerichtshofs spricht auch, dass die Vereinten Nationen selber Entschädigungen für Verletzungen ihrer Peacekeeping-Missionen leisten. Weiter wäre es dann nicht nötig, Personal internationaler Friedensmissionen ausdrücklich durch eine Resolution135 oder das entsprechende Statut136 von der internationalen Strafgerichtsbarkeit auszunehmen. Richtig ist zwar, dass dem Sicherheitsrat die zentrale Rolle im System der kollektiven Sicherheit zugedacht ist, doch hindert dieses nicht die Zurechnung einer auf ihn rückführbaren Handlung an ein anderes Rechtssubjekt. Denn entscheidet der Sicherheitsrat sich, seine Kompetenzen auszulagern, unterbricht er freiwillig das Band der Zurechnung. Wahrscheinlicher ist daher, dass der Gerichtshof sich in seiner Überzeugung nicht von rechtlichen Argumenten hat leiten lassen, sondern dass er der Meinung ist, dass eine andere Entscheidung die Funktionsfähigkeit des Kollektivsystems gefährden würde, da Mitgliedstaaten ihre Teilnahme an Friedensmissionen verweigern würden.137 Der EGMR hat damit Menschenrechte gegen eine effektive Friedenssicherung abgewogen und hat letzterer einen höheren Stellenwert beigemessen. Durch diese Entscheidung konnte er es gleichzeitig vermeiden, sich zu einem möglichen Normenkonflikt und seinem Verständnis von Art. 103 UN-Charta zu äußern.

III. Overall Control White und MacLeod behaupten, dass eine internationale Organisation bereits die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Peacekeeping-Missionen trägt, wenn sie overall control über die fragliche Verletzungshandlung ausübt. Da nationale Kontingente involviert seien, könnten die UN aufgrund der im Weg stehenden nationalen Kommandobefugnisse niemals effektive Kontrolle über die Mission in all ihren Facetten ausüben.138 Für den Inhalt beider Zurechnungskriterien verweisen die Autoren auf das Recht der Staatenverantwortlichkeit. Während der IGH, basierend auf seiner Rechtsprechung im Nicaragua-Fall,139 die Zurechnung privaten Verhaltens zum Staat stets an die effektive Kontrolle knüpft,140 lehnt das Jugoslawien-Tribunal diesen Standard als zu streng ab. Stattdessen stellt es nur auf eine Gesamtkontrolle, die sogenannte overall control ab.141 Die Autoren schlagen hier also keinen weiteren Zurechnungs135

SR Res. 1422 vom 12. Juli 2002 in Bezug auf den Internationalen Strafgerichtshof. Statute of the Special Court of Sierra Leone, UN Doc. S/RES/1315 (2000), Art. 1. 137 Knoll, ZaöRV 2008, 431, 449; Grabenwarter, 105, Rn. 10. 138 White/MacLeod, EJIL 2008, 965, 975. 139 IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 115. 140 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007; para. 400. 141 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, para. 108 ff. 136

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

standard vor, sondern verstehen den ultimate authority and control-Test als mit dem overall control-Test der ICTY-Rechtsprechung identisch.142 Dieses ist aber bereits deshalb fragwürdig, weil durch den overall control-Test lediglich die Anforderungen an die Kontrolle gesenkt werden, für den ultimate authority and control-Test aber keinerlei direkte Kontrolle durch die Vereinten Nationen notwendig ist. Ob eine Zurechnung der Verletzungshandlung bei UN-mandatierten Friedensmissionen aber dennoch nach dem overall control-Standard erfolgen kann, wird im Rahmen der eingehenderen Untersuchung des richtigen Zurechnungskriteriums noch zu klären sein.143

IV. Leitung und Kontrolle im Sinne der ILC Neben den mittlerweile auszumachenden zwei Grundströmungen, Zurechnung bei UN-mandatierten Missionen entweder nach effective control oder ultimate authority and control, wurden vereinzelt auch andere Wege der Zurechnung vorgeschlagen. So geht Pellet, bezogen allerdings ausschließlich auf die Situation im Kosovo, von der Zurechnung aller nationalen KFOR-Kontingente, einschließlich derer, die nicht von NATO-Mitgliedstaaten gestellt werden, an die NATO aus. Zwar müsse die Zurechnungslage im Einzelfall festgestellt werden, doch führe die den Vereinten Nationen ähnliche zwischenstaatliche Struktur der NATO sowie ihrer Kommandound Kontrollbefugnisse im Regelfall zur Haftung der internationalen Organisation.144 Dieses begründet er aber nicht abstrakt mit den Kontrollfunktionen der NATO, sondern er greift auf eine analoge Anwendung des Art. 17 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit zurück, der im Falle der Leitung und Kontrolle eines Staates über völkerrechtsrechtswidrige Handlungen eines anderen Staates ersteren in die Verantwortung nimmt. Nach Art. 9 NATO-Vertrag obliege die Durchführung des Vertrages dem Nordatlantikrat, der diese Aufgaben auch bei Friedensmissionen wahrnehme, indem er die Durchführung und Vorbereitung der Operationen politisch kontrolliere und steuere. Die Staaten führten also Entscheidungen der NATO aus, für die sie als Organisation mit eigener objektiver Völkerrechtssubjektivität auch verantwortlich sei.145 Bei dieser Argumentation ist zu beachten, dass nach Art. 17 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit beziehungsweise seinem Gegenpart in Art. 13 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen das völkerrechtliche Delikt nicht zugerechnet wird, sondern der Staat oder die internationale Organisation nur für ihr eigenes unterstützendes Fehlverhalten verantwortlich ist.146 Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines anderen Völkerrechtssubjekts ist Voraussetzung dieser nachgeordneten Verantwortlichkeit, so dass der Rückgriff auf ausschließlich eben142

So auch Cassese, EJIL 2007, 649, 667. Vgl. Kapitel C.I. 144 Pellet, in: Tomuschat, 193, 198. 145 Ibid., 197. 146 Felder, 84 ff.; Gaja, Third report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/553 vom 13. Mai 2005, 10 ff. 143

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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diese Normen, und sei es nur zum Nachweis der Kontrolle, dogmatisch fragwürdig erscheint. Verzichtet man allerdings auf die Rechtsgrundlage, spiegeln die angeführten Kriterien wiederum den Standard der effektiven Kontrolle wider.

V. Ergebnis Der ultimate authority and control-Test des EGMR ist abzulehnen Die Zurechnung von Verletzungshandlungen bei UN-mandatierten Missionen, die nicht durch den Gerichtshof beurteilt werden, kann daher nicht nach diesen Regeln erfolgen. Da sich keine Gründe für eine abweichende Bewertung gezeigt haben, muss die Zurechnung also grundsätzlich genau wie bei UN-geführten Missionen nach dem Kriterium der effektiven Kontrolle erfolgen.147 Als ein Indiz einer solchen gilt in erster Linie die Kommandostruktur einer Operation. Da ein Staat sein Kommando aber niemals vollständig überträgt, kann die effective control abschließend nur aufgrund einer wertenden Entscheidung der einzelnen Umstände bestimmt werden. Bevor in einem nächsten Kapitel die Zurechnungslage konkreter Missionen betrachtet wird, folgt zunächst eine eingehendere Beschäftigung mit dem Kriterium der effektiven Kontrolle. Dabei wird gleichzeitig überprüft, ob stattdessen auch der niedrigere Zurechnungsstandard der overall control angewendet werden könnte. Eine solche Konkretisierung ist im Übrigen auch von einigen Staaten von der ILC für Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen gefordert worden.148

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle Es hat sich gezeigt, dass die effektive Kontrolle das Schlüsselelement der Zurechnung ist. Insbesondere bei UN-mandatierten Missionen findet jedoch eine so enge Verknüpfung zwischen den an der Operation beteiligten Völkerrechtssubjekten statt, dass die Bewertung der effektiven Kontrolle nicht eindeutig ausfällt. Auch um der Rechtssicherheit willen ist deshalb fraglich, ob effektive Kontrolle weiter konkretisiert und eventuelle Richtlinien formuliert werden können. Anknüpfungspunkt der effektiven Kontrolle könnte nach dem Wortlaut die mögliche Einflussnahme auf den einzelnen Soldaten, das jeweilige Kontingent oder die gesamte Operation meinen. Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen wählt als Bezugspunkt der Kontrolle aber den Vorgang, aus dem die Völkerrechtsverletzung resultiert.149 Es geht also um die direkte Einwirkungsmöglichkeit auf die spe147

Sari, HRLR 2008, 151, 164; Smyth, EHRLR 2008, 606, 616; Larsen, EJIL 2008, 509,

517. 148 Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, 9, para. 25 und Fn. 30. 149 Orakhelashvili, AJIL 2008, 337, 341.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

zifische Verletzungshandlung.150 Diese liegt aber nicht immer erst in der Ausführung eines Befehls auf unterster Ebene, sondern auch der Befehl selbst kann bereits gegen Völkerrecht verstoßen. In dem Fall bestehen zwei Völkerrechtsverletzungen, die jeweils anhand der effektiven Kontrolle einem Völkerrechtssubjekt zugerechnet werden müssen. Ob Handeln auf Befehl einen Exkulpationsgrund darstellen kann, geht über das Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit hinaus. Die ILC hat sich entschieden, die umstrittene Frage des Verschuldens als weiteres Tatbestandsmerkmal aus den Artikelentwürfen auszuklammern und es so auf die primärrechtliche Ebene zu verschieben.151 Die verschuldensunabhängige Erfolgshaftung gilt also nur, wenn die verletzte Norm keine andere Bestimmung trifft. Informationen über den darüber hinausgehenden Inhalt des effective control-Tests lassen sich den ILCArbeiten nicht entnehmen. Es fällt aber auf, dass der Begriff der effektiven Kontrolle auch in anderen Rechtszusammenhängen benutzt wird. Hierzu zählen nicht nur das naheliegende Recht der Staatenverantwortlichkeit, sondern auch das Völkerstrafrecht, Menschenrechtsverträge oder das humanitäre Völkerrecht. Im Folgenden werden daher diese Rechtsgebiete daraufhin untersucht, ob sie einerseits effektive Kontrolle im gleichen Sinne wie Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen verstehen und ob sie andererseits Rückschlüsse auf den konkreten Inhalt der Zurechnungsregel zulassen. Sollte ersteres zutreffen, wird hierdurch die Entscheidung für den Zurechnungsstandard der effektiven Kontrolle bei UN-mandatierten Friedensmissionen weiter bekräftigt.

I. Recht der Staatenverantwortlichkeit Den ersten Anhaltspunkt einer parallelen Regelung könnte der ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit bieten. Die ILC hat zwar die meisten ihrer Artikelentwürfe zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen einem Artikel aus dem Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit nachgebildet, für Art. 5 trifft dieses aber nur bedingt zu. So ist die völkerrechtliche Organleihe in Art. 6 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit geregelt, benutzt als Zurechnungskriterium aber „in Ausübung hoheitlicher Befugnisse des Staates“ und konnte daher nicht wortgleich auf internationale Organisationen übertragen werden.152 Der stattdessen gewählte Kontrollmaßstab der effektiven Kontrolle erinnert an Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, nach dem staatlich geleitetes oder kontrolliertes Verhalten die Verantwortlichkeit des Staates zur Folge hat. Darüber hinaus steht Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit in enger, noch genauer zu untersuchenden Verbindung zum effective control-Test des IGH. Hätten Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen und Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwort150 151 152

ILC Report 2004, 113 f., para. 7. Nollkaemper, ICLQ 2003, 615, 617; Crawford, EJIL 1999, 435, 440. ILC Report 2004, 111, para. 3.

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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lichkeit also den gleichen Inhalt, wäre es möglich, durch einen identischen Test der effektiven Kontrolle, durchgeführt aus zwei unterschiedlichen Perspektiven, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten und internationalen Organisationen nachzuweisen.153 Allerdings ist das Verhältnis von Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, dem Zurechnungstest der effektiven Kontrolle und seiner rechtlichen Stellung mit einigen Unsicherheiten besetzt. Insbesondere wird der Maßstab der effektiven Kontrolle häufig als zu streng bewertet und stattdessen durch den niedrigeren, der Rechtsprechung des ICTY entstammenden, overall control-Test ersetzt.154 1. Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit Art. 8 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit lautet: Von einem Staat geleitetes oder kontrolliertes Verhalten: Das Verhalten einer Person oder Personengruppe ist als Handlung einem Staat im Sinne des Völkerrechts zu werten, wenn die Person oder Personengruppe dabei faktisch im Auftrag oder unter der Leitung oder Kontrolle dieses Staates handelte.

Obwohl die Vorschrift den Zurechnungsstandard der effective control nicht erwähnt, geht der IGH davon aus, dass Art. 8 ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit im Lichte des Nicaragua-Urteils verstanden werden muss und „Kontrolle“ innerhalb des Artikels daher effektive Kontrolle im Sinne der IGH-Rechtsprechung bedeute.155 Diese Interpretation ist nach dem Kommentar der ILC jedoch nicht zwingend. Zwar stellt die ILC fest, dass der Maßstab der Kontrolle eine entscheidende Bedeutung im Nicaragua-Urteil spielte und gibt die relevanten Aussagen zur effective control wieder, bewertet sie aber nicht.156 Die dann folgende Betonung der unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände in Tadic´ und Nicaragua157 wird zumeist als Ablehnung des overall control-Tests verstanden.158 Nach anderer Ansicht nimmt die ILC aber eine vermittelnde Position zwischen IGH und ICTY ein, da sie sich nicht explizit für eine Position entscheide und außerdem die für den overall control-Test charakteristische Einzelfallabwägung wiederholt betone.159 Die besseren Gründe sprechen jedoch gegen die Übernahme des overall controlTests in Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit. Die ILC betont, dass die Zuständigkeit des ICTY auf Fragen des Völkerstrafrechts beschränkt ist, und übernimmt somit die grundlegenden Einwände, nach denen der overall control-Test für 153

Larsen, EJIL 2008. 509, 517. Cassese, EJIL 2007, 649, 651. 155 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007; para. 399; Griebel/Plücke, LJIL 2008, 601, 606. 156 ILC Report 2001, 105, para. 4. 157 Ibid., 106, para. 5. 158 Tyner, Florida JIL 2006, 843, 866; Tams, EJIL 2006, 963, 971. 159 Heinsch, 109 ff. 154

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

den Nachweis von Staatenverantwortlichkeit ungeeignet sei.160 Außerdem stellt die ILC klar, dass es auf die Kontrolle über jede einzelne Handlung ankomme und eine Gesamtkontrolle daher gerade nicht ausreiche: „direction or control must relate to the conduct which is said to have amounted to an internationally wrongful act“.161 Hieraus ergibt sich noch nicht, dass Kontrolle im Sinne der ILC effektive Kontrolle nach der IGH-Rechtsprechung meint, overall control scheidet aber jedenfalls aus. a) Auslegung nach der IGH-Rechtsprechung Für die Auslegung des Art. 8 ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit wird vom IGH in erster Linie auf das Nicaragua-Urteil verwiesen. In diesem Fall ging es um die Frage, ob die Vereinigten Staaten sich für das Verhalten der nicaraguanischen Contras im Kampf gegen die Regierung völkerrechtlich verantwortlich gezeichnet haben. Hierzu stellte der Gerichtshof fest, dass privates Handeln für die rechtliche Bewertung dem von Staatsorganen gleichzustellen sei, wenn ein Verhältnis der vollständigen Abhängigkeit (complete dependence) bestehe und die staatliche Kontrolle ein solches Ausmaß annehme, dass die Handlungen Privater als im Namen des Staates vorgenommen erschienen.162 Obwohl die Vereinigten Staaten an den Handlungen der Aufständischengruppe in Form von Finanzierung, Training, Bereitstellung von Ausrüstung, Auswahl der militärischen Ziele und sogar Planung der militärischen Operation teilgenommen hätten, reiche dieses für sich genommen nicht zur Behandlung als de facto-Organe aus.163 Gleiches gelte auch für die nur generelle Kontrolle über eine Gruppe, selbst wenn sie in einem hohen Abhängigkeitsgrad zum Staat stehe.164 Das Verhalten Privater könne aber dennoch einem Staat zugerechnet werden, wenn dieser effektive Kontrolle über die Operation ausübe, was für die Vereinigten Staaten in Bezug auf die Contras aber nicht zutreffe.165 aa) Definition des Nicaragua-Tests Der Gehalt dieser Aussagen wurde lange Zeit auf ihren letzten Teil, den Test der effektiven Kontrolle begrenzt, der regelmäßig auch als Nicaragua-Test bezeichnet wird. Erst in jüngerer Zeit ist verstärkt darauf hingewiesen worden, dass der IGH in Nicaragua nicht nur einen Test zum Nachweis der Zurechenbarkeit von Handlungen formuliert hat, sondern es sich in Wirklichkeit um zwei voneinander unabhängige 160 Tyner, Florida JIL 2006, 843, 872 ff.; IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 404 ff.; ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, 150, 152 ff. 161 ILC Report 2001, 108, para. 7. 162 IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 109 f. 163 Ibid., para. 115. 164 Ibid. 165 Ibid.

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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Kriterien, complete dependence166 einerseits und effective control andererseits, handelt.167 Prominet geäußert wurde diese Leseweise erstmals von Richterin McDonald, die im Tadic´-Fall von dem Urteil der Mehrheit abgewichen ist, da sie den NicaraguaTest, begrenzt auf die Ausübung der effektiven Kontrolle, für unanwendbar auf die Beziehung zwischen Jugoslawien und den Streitkräften der Republika Srpska hielt. Ihr Verhältnis müsse nach den Kriterien der vollständigen Abhängigkeit oder mit ihren Worten dem agency test belegt werden, da das Kriterium der effektiven Kontrolle vom IGH nicht zur Prüfung eines Abhängigkeitsverhältnisses vorgesehen gewesen sei und selbst andernfalls zumindest auf die Situation in Nicaragua begrenzt gewesen sei.168 Letzte Zweifel über das richtige Verständnis des Urteils räumte schließlich die Vorgehensweise des IGH im bosnischen Völkermord-Urteil beiseite. Er fragte zunächst, ob es sich bei den Tätern des Völkermordes um de facto-Organe des Staates aufgrund vollständiger Abhängigkeit handelte und verwies erst dann auf Art. 8 ILCEntwurf zur Staatenverantwortlichkeit und den Test der effektiven Kontrolle.169 Die Existenz zweier unabhängiger Tests im Nicaragua-Urteil gilt damit heute als gesichert.170 bb) Der Inhalt des effective control-Tests Da Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit aber kein Abhängigkeitsverhältnis voraussetzt, sondern lediglich Kontrolle des Staates, ist nur der effective control-Test als ein Teil des Nicaragua-Tests für die Auslegung der Kontrolle im Sinne des ILC-Entwurfs relevant. Es ist festzustellen, dass der IGH keine positive Definition des Zurechnungsstandards aufstellt und Rückschlüsse daher nur aus der Beweiswürdigung der einzelnen Fälle gezogen werden können. Demnach begründet selbst entscheidender staatlicher Einfluss in Form von Finanzierung, Organisation, Training und Ausstattung einer paramilitärischen Einheit keine effektive Kontrolle. Ebenso wenig folgt aus der Auswahl von Angriffszielen oder der Planung der Operation für sich genommen die Zurechnung der Handlungen zum Staat.171 Notwendig sei vielmehr, dass der Staat „directed or enforced the perpetration of the acts contrary

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Für die Terminologie s. Griebel/Plücke, LJIL 2008, 601, 611. ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-T, Urteil vom 7. Mai 1997, Separate and Dissenting Opinion of Judge McDonald Regarding the Applicability of Article 2 of the Statute, 288; Milanovic´, EJIL 2006, 535, 576; Goldstone/Hamilton, LJIL 2008, 95, 98; Griebel/ Plücke, LJIL 2008, 601, 612. 168 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-T, Urteil vom 7. Mai 1997, Separate and Dissenting Opinion of Judge McDonald Regarding the Applicability of Article 2 of the Statute, 288, 292 ff. 169 IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 390 ff. 170 Milanovic´, EJIL 2006, 535, 577; Griebel/Plücke, LJIL 2008, 601, 605. 171 IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 115. 167

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

to human rights and humanitarian law“.172 „[D]irected or enforced“ wird in diesem Zusammenhang allerdings nicht, wie nach engster Auslegung des Wortlauts möglich, als Befehl oder Zwang, sondern vielmehr als spezifische Instruktion verstanden.173 Andernfalls müsste die Kontrollmöglichkeit des Staates über die der Effektivität hinausgehen und wäre absolut im Sinne einer Abhängigkeit. Das Völkermord-Urteil übernimmt nicht die genaue Formulierung aus Nicaragua, sondern stellt fest: It must however be shown that this „effective control“ was exercised, or that the States instructions were given, in respect of each operation in which the alleged violations occurred, not generally in respect of the overall actions taken by the persons or groups of persons having committed the violations.174

Die Unterscheidung zwischen effektiver Kontrolle und Auftrag geht auf Art. 8 des ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit zurück. Sie zeigt, dass auch der Gerichtshof zwischen einem Auftrag und der Leitung oder Kontrolle unterscheidet. Nach der Auffassung der ILC handelt es sich bei der Verbindung zwischen effektiver Kontrolle und Auftragshandlungen in Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit um ein disjunktives „oder“.175 Aufträge begründen also bereits für sich genommen die Zurechnung, eine Verbindung mit dem Test der effektiven Kontrolle besteht nicht. In beweisrechtlicher Hinsicht bietet das Völkermord-Urteil keine weitere Hilfe, um das Kriterium der effektiven Kontrolle inhaltlich besser erfassen zu können. Der IGH geht nur auf einen Bericht des Generalsekretärs, sowie auf die von der beklagten Partei vorgebrachten Beweisstücke in Form von zwei Berichten über den Balkankrieg und einer Zeugenaussage vor dem ICTYein. Das Material stimmt im Ergebnis darin überein, dass es Belgrad an der notwendigen Kontrolle mangelte, aufgrund dessen das Gericht eine Situation nach Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit ablehnte.176 Auch im Armed Activities-Urteil wird Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit erwähnt, allerdings ohne weitere inhaltliche Ausführungen abgelehnt.177 Effektive Kontrolle bedeutet nach dem Verständnis des IGH folglich, eine bestimmbare Operation zu beherrschen und dass hierzu auch maßgebliche finanzielle, organisatorische und planerische Unterstützung nicht ausreicht.

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Ibid. Heinsch, 97; Cassese, EJIL 2007, 649, 653; Kress, IYBHR 2000, 103, 116. 174 IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 400. 175 ILC Report 2001, 108, para. 7. 176 IGH, Military and Paramilitary Action in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 105 – 115; IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 408 – 412. 177 IGH, Armed Activities in the territory of Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Urteil vom 19. Dezember 2005, para. 160. 173

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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b) Vergleich mit der ILC Es fällt auf, dass die ILC als Anknüpfungspunkt der effektiven Kontrolle sowohl in Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit als auch in Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen die konkrete Verletzungshandlung wählt, während der IGH auf die Operation abstellt. Infolgedessen stehen sich Aussagen der ILC wie „direction or control must relate to the conduct which is said to have amounted to an internationally wrongful act“178 und des IGH „effective control of the […] operations in the course of which the alleged violations were committed“179 gegenüber. Hieraus wird teilweise abgeleitet, dass die ILC den Maßstab gegenüber der effektiven Kontrolle des IGH nochmals erhöht hat.180 Für diese These fehlt es aber an weiteren Anhaltspunkten. Die ILC lehnt an keiner Stelle die IGH-Rechtsprechung ab und ist in ihrer Wortwahl nicht immer konsequent. So greift sie auch auf die Formulierung des IGH zurück: Such conduct will be attributable to the State only if it directed or controlled the specific operation and the conduct complained of was an integral part of that operation.181

Der IGH sieht seine Rechtsprechung ebenfalls in vollständiger Konformität mit Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit. Das Verhältnis von Operation und Einzelhandlung könnte daher auch so verstanden werden, dass eine Handlung so eng mit der Führung der Operation verbunden ist, dass eine Differenzierung nicht möglich ist. Mangels weiterer Hinweise ist daher davon auszugehen, dass Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit den effective control-Test des IGH kodifiziert. 2. Der overall control-Test Die breite Unterstützung des effective control-Standards durch IGH und ILC legt die Vermutung nahe, dass dieser mittlerweile zum gefestigten Gewohnheitsrecht für den Bereich der Staatenverantwortlichkeit zu zählen ist.182 Dieses wird teils aber vehement bestritten. Der effective control-Test entbehre jeglicher Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung, sondern habe seine Grundlage ausschließlich im Nicaragua-Urteil des IGH, sei dann von der ILC unter Verweis auf eben dieses Urteil übernommen worden und schließlich unter Nennung dieser beiden Quellen im Völkermord-Urteil als vermeintlich etablierter Rechtssatz erschienen.183 Auch von anderer Seite werden

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ILC Report 2001, 108, para. 7. IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 115. 180 Griebel/Plücke, LJIL 2008, 601, 617, Fn. 92. 181 ILC Report 2001, 104, para. 3. 182 So: IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 398. 183 Cassese, EJIL 2007, 649, 651. 179

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

die Kriterien des IGH als zu hoch kritisiert, und es wird deshalb dem overall controlTest im Hinblick auf realistischere Ergebnisse der Vorzug gegeben.184 a) Ursprung Die Tadic´-Berufungskammer lehnte den effective control-Test des IGH als gewohnheitsrechtlich nicht belegt ab und führte stattdessen den niedrigeren Standard der overall control ein. Erstaunlich an dieser Entscheidung ist zuvörderst, dass das ICTY überhaupt auf den Zurechnungsstandard zum Nachweis der Staatenverantwortlichkeit zurückgreift, obwohl seine Zuständigkeit auf die individuelle Verantwortlichkeit für Taten während des Jugoslawien-Konflikts beschränkt ist und es im konkreten Fall um die Abgrenzung eines internationalen von einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt ging. Darüber hinaus überrascht der Umgang des Tribunals mit der Rechtsprechung des IGH, insbesondere die scharfen Worte, mit denen die Entscheidung für den overall control-Test begründet wird. „The Court did not always follow a straight line of reasoning“, und effective control überzeuge nicht „based on the very logic of the entire system of international law on State responsibility“.185 b) Inhalt In der Sache ging es vor dem Gericht um die Anwendbarkeit des Art. 2 ICTY-Statut, der einen internationalen bewaffneten Konflikt voraussetzt, da nur dann die Opfer als nach den Genfer Konventionen geschützte Personen gelten. Dieses wäre der Fall gewesen, wenn der Konflikt dadurch internationalisiert worden wäre, dass die bosnisch-serbischen Truppen, obwohl seit Mai 1992 offiziell nicht mehr Teil der jugoslawischen Armee, auch weiterhin als Jugoslawiens de facto-Organe gehandelt hätten. Die erstinstanzliche Kammer prüfte dieses anhand der Kriterien des NicaraguaFalles, da auch dieser, trotz der rechtlich abweichenden Gesamtfrage, in einem Zwischenschritt auf die Anwendbarkeit humanitären Völkerrechts eingegangen sei.186 Im Ergebnis hat das Gericht die effektive Kontrolle dann abgelehnt.187 Erst die Berufungskammer entschied, dass es lediglich auf die overall controll ankomme und löste mit ihrer differenzierten Betrachtungsweise den Konflikt um den richtigen Zurechnungsmaßstab aus. Nur wenn es sich um Handlungen Einzelner handele, sei es notwendig, dass der Staat spezielle Anweisungen gegeben habe. Im Falle organisierter und hierarchisch organisierter Gruppen sei eine overall control des Staates ausreichend, da Handlungen normalerweise mit der Gruppe abgestimmt seien und 184

Stahn, Fletcher Forum of World Affairs 2003, 36, 47; Drumbl, New England LR 2003, 1037, 1050 f. 185 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, para. 108, 116. 186 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-T, Urteil vom 7. Mai 1997, para. 584 f. 187 Ibid., para. 589 ff.

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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der Autorität ihrer Führung unterlägen.188 Als Nachweis einer solchen allgemeinen Kontrolle müsse der Staat die Gruppe nicht nur ausgerüstet und finanziert haben, sondern auch bei der allgemeinen Planung militärischer Operationen behilflich gewesen sein, wobei spezielle Anweisungen an die Führung der Gruppe oder einzelne Mitglieder aber nicht notwendig seien.189 Der Gerichtshof ging aufgrund der tatsächlichen Beziehung zwischen den beiden Armeen schließlich von einer overall control Jugoslawiens aus. Dabei übernahm er die Ergebnisse der ersten Instanz in tatsächlicher Hinsicht, bewertete sie aber unterschiedlich. Für eine weiterhin einheitliche Armee spreche insbesondere, dass militärische Ziele, Strategien und interne Strukturen unverändert geblieben seien, die jugoslawische Armee direkt in den Konflikt in Bosnien und Herzegowina eingegriffen habe und dass militärische Operationen unter der Führung Belgrads nicht abgebrochen worden seien.190 Außerdem deute die gemeinsame Interessenwahrnehmung unter Führung Jugoslawiens während der Verhandlungen zum Friedensabkommen von Dayton auf eine politische und militärische Gesamtkontrolle der Republika Srpska.191 3. Entscheidung des Zurechnungsstandards In der Praxis finden beide Zurechnungskriterien Beachtung. Allerdings stellt sich die Situation so dar, dass der IGH sich festgelegt hat, ausschließlich effective control im Recht der Staatenverantwortlichkeit als Maßstab anzulegen.192 Der overall control-Test hat sich hingegen im internationalen Strafrecht zur Abgrenzung der Konfliktformen durchgesetzt.193 Dennoch stellt sich die Frage, ob das ICTY einerseits überhaupt kompetent gewesen ist, einen eigenen Zurechnungsstandard für das Recht der Staatenverantwortlichkeit einzuführen und andererseits, ob der Test der overall control dem Völkergewohnheitsrecht entspricht und somit dem der effective control vorzuziehen ist.

188 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, para. 118 ff. 189 Ibid., para. 131. 190 Ibid., para. 151. 191 Ibid., para. 157 – 161. 192 IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 407. 193 ICTY, The Prosecutor v. Aleksovski, Case No. IT-95-14/1-A, Urteil vom 24. März 2000, para. 131 – 134; ICTY, The Prosecutor v. Delalic, Mucic, Delic and Landzˇo, Case No. IT-96-21A, Urteil vom 20. February 2001, para. 26; ICTY, The Prosecutor v. Kordic´ and Cˇerkez, Case No IT-95-14/2-A, Urteil vom 17. Dezember 2004, para. 299 ff.; ICC, The Prosecutor v. Thomas Lubanga Dyilo, Decision on the confirmation of charges vom 29. Januar 2007, ICC-01/04 – 01/ 06-803-tEN, para. 210 f.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

a) Kompetenz des ICTY In Reaktion auf das Tadic´-Urteil beschäftigten sich Teile der Literatur mit der Bedeutung des „neuen“ Zurechnungsstandards für das Staatenverantwortlichkeitsrecht und das humanitäre Völkerrecht.194 Andere übten grundlegende Kritik und lehnten die Bedeutung von overall control für das Recht der Staatenverantwortlichkeit und damit auch die Existenz eines Konflikts zwischen IGH und ICTY ab.195 Hauptkritikpunkt in diesem Sinne ist, dass das ICTY unzulässigerweise ein für das Recht der Staatenverantwortlichkeit entwickeltes Zurechnungskriterium dazu heranziehe, einen internationalen von einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt abzugrenzen.196 So begründet auch der IGH sein Festhalten am Kriterium der effektiven Kontrolle damit, dass es nicht innerhalb der Zuständigkeit des ICTY als Strafgericht liege, in verbindlicher Weise über Fragen des Rechts der Staatenverantwortlichkeit zu entscheiden.197 Weiter sei ein einheitlicher Standard nicht notwendig, da mit dem Nachweis der Staatenverantwortlichkeit und der Bestimmung der Konfliktform zwei unterschiedliche Ziele verfolgt würden.198 Die Unzuständigkeit des ICTY folgt aber nicht zwingend aus seinem begrenzten Mandat. So wird auch von Kritikern zugegeben, dass zumindest eine Ähnlichkeit zwischen der Zurechnungsfrage in Nicaragua und der Bestimmung der Natur des bewaffneten Konflikts in Tadic´ bestehe.199 Das Tribunal benutzt die Zurechnungskriterien der Kontrolle um festzustellen, ob es sich bei den Handlungen der bosnisch-serbischen Armee tatsächlich um solche Jugoslawiens handelte. Dieses ist eine notwendige Vorfrage für die Bestimmung des Konflikts und damit für die Anwendbarkeit der Primärnormen, die nach dem Statut zweifelsfrei zu dem Zuständigkeitsbereich des ICTY gehören.200 Richtig ist allerdings, dass das Recht der Staatenverantwortlichkeit nicht im vorgesehenen Sinne angewendet wird, denn Folge einer positiven Feststellung ist nicht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Staates. In der Tat hätte die Frage nach der Natur des Konflikts in Bosnien und Herzegowina auch auf andere

194 Stewart, IRRC 2003, 313, 323 ff.; Stahn, Fletcher Forum of World Affairs 2003, 36, 47; Drumbl, New England LR 2003, 1037, 1050 f.; Jinks, Chicago JIL 2003, 83, 88 f.; Cullen, Miami Intl & Comp. Law Rev. 2004, 189, 219 ff. 195 Oellers-Frahm, MPYUNL 2001, 67, 80; Moir, 49 – 50; Meron, AJIL 1998, 236, 237; Watson, New England LR 2003, 871, 877; Tyner, Florida JIL 2006, 843, 872 ff.; auch: ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, 150, 152 ff. 196 Meron, AJIL 1998, 236, 240 f.; Brown, Stanford JIL 1998, 347, 383; Larsen, EJIL 2008. 509, 515. 197 IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 403. 198 Ibid., para. 405. 199 Watson, New England LR 2003, 871, 877. 200 Sassli, ICRC 2002, 401, 408; Cassese, EJIL 2007, 649, 651.

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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Weise gelöst werden können, etwa durch eine völkerrechtlich bewährte Abwägung des Einzelfalles.201 Allerdings kann es dem ICTY nicht untersagt sein, Regeln des allgemeinen Völkerrechts anzuwenden. Vielmehr ist ein internationaler Spruchkörper mit einem beschränkten Zuständigkeitsbereich darauf angewiesen, bei komplexen Fallfragen auch internationales Recht außerhalb seiner originären Zuständigkeit zu beachten. So hat umgekehrt der IGH im bosnischen Völkermord-Urteil der Rechtsprechung des ICTY in Beweisfragen eine große Bedeutung eingeräumt.202 Problematisch ist allerdings, dass das ICTY den Zurechnungsstandard der overall control nicht auf seinen Zuständigkeitsbereich beschränkt hat, sondern eine über das Völkerstrafrecht hinaus gehende Bedeutung beansprucht: In the one case these acts, if they prove to be attributable to a State, will give rise to the international responsibility of that State; in the other case, they will ensure that the armed conflict must be classified as international.203

Kann ein internationales Strafgericht also durchaus Regeln aus anderen Gebieten des Völkerrechts heranziehen, müssen die kompetenzrechtlichen Grenzen aber dann erreicht sein, wenn universelle Kriterien jenseits des eigenen Zuständigkeitsbereichs entwickelt werden. Der Bezug zum Völkerstrafrecht ist hier derart überschritten, dass das ICTY außerhalb seiner Kompetenzen handelte.204 b) Völkergewohnheitsrecht Schließlich ist zu klären, ob der overall control-Test trotz seines kompetenzwidrigen Ursprungs Völkergewohnheitsrecht darstellt. Als Nachweis eines weniger strengen Zurechnungsstandards im Fall organisiert handelnder Gruppierungen wie in Nicaragua wird durch das ICTY auf den Stephens-Fall, Kenneth P. Yeager, Louzidou gegen die Türkei und Jorgic´ vor dem OLG Düsseldorf verwiesen.205 Diese nimmt auch Cassese in Bezug, der als stärkster Verfechter des overall control-Tests gilt und der als einer von fünf Berufungsrichtern am Verfahren gegen Tadic´ beteiligt war. Die Parallele der vier aufgezeigten Fälle zu Tadic´ wird aus unterschiedlichen Gründen jedoch bezweifelt. Gegen die ersten beiden Fälle wird eingewendet, dass sie bewaffnete Gruppen beträfen, die auf dem Staatsgebiet eines Staates gehandelt hätten und daher territoria-

201

Meron, AJIL 1998, 236, 241 f. IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 206. 203 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, para. 104. 204 Oellers-Frahm, MPYUNL 2001, 67, 80. 205 ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, para. 124 – 129; Cassese, EJIL 2007, 649, 658, Fn. 17. 202

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

le Kontrolle das entscheidende Kriterium für die Zurechnung gewesen sein könnte.206 Allerdings hat auch das ICTY die unterschiedliche Situation in seinen Überlegungen berücksichtigt und stellt deshalb bei fehlender Kontrolle über ein Gebiet höhere Anforderungen an die Beweislage.207 Weiter wird behauptet, dass es sich bei Yeager ausschließlich um einen Fall unter Art. 9 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit handele, der einerseits keine Kontrolle erfordere und zweitens auf Situationen außerhalb des Staatsgebiets unanwendbar sei.208 Auch dieser Punkt ist im Kern richtig, vermag die Bedeutung für die Argumentation des ICTYaber nicht gänzlich aufzuheben. Zwar wurde Yeager als typisches Beispiel für Art. 9 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit genutzt, doch stammt das Urteil des Iran-US Claims Tribunal aus dem Jahr 1987 und sein Gehalt sollte daher nicht zu eng mit dem erst später fertig gestellten Entwurf verknüpft werden. Bis heute ergeben sich in Grenzfällen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der einzelnen Artikel.209 Schließlich seien auch die behandelten Fälle des EGMR als Nachweis für einen Zurechnungsstandard im Recht der Staatenverantwortlichkeit ungeeignet. Sie behandelten keine Fragen der Staatenverantwortlichkeit, sondern der EGMR überprüfte lediglich anhand des Kriteriums der Kontrolle, ob die gerügten Menschenrechtsverletzungen unter der Hoheitsgewalt einer Vertragspartei nach Art. 1 EMRK stattgefunden haben.210 Andererseits setzt Hoheitsgewalt als materielle Grundlage der gerichtlichen Zuständigkeit genau wie die Vereinbarkeit einer Beschwerde mit der Konvention ratione personae die Zurechnung einer Handlung zum verpflichteten Staat voraus.211 Diese kurze Auseinandersetzung mit den vom ICTY angeführten Fällen hat gezeigt, dass diese den effective control-Test nicht eindeutig widerlegen können. Weitere Staatenpraxis oder opinio iuris existiert diesbezüglich nicht. Allerdings sprechen auch neue Tendenzen bei der Zurechnung privaten Verhaltens für einen niedrigeren Zurechnungsstandard als den der effektiven Kontrolle. Zu denken ist hier an die Reaktionen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Der Sicherheitsrat hat bereits unmittelbar nach den Anschlägen das Recht auf Selbstverteidigung der Vereinigten Staaten nach Art. 51 UN-Charta bestätigt212 und hierfür breite Zustimmung von Staaten und anderen internationalen Organisationen erfahren.213 Ein bewaffneter Angriff als Voraussetzung des Selbstverteidigungsrechts setzt nach traditioneller Ansicht aber ein staatliches Handeln beziehungsweise im Falle privater Handlungen 206

Sassli/Olson, IRRC 2000. 733, 740. ICTY, The Prosecutor v. Tadic´, Case No. IT-94-1-A, Urteil vom 15. Juli 1999, para. 138; Heinsch, 103. 208 Milanovic´, EJIL 2006, 535, 586. 209 Für private Sicherheitsfirmen z. B.: Epiney/Egbuna-Joss, SZIER 2007, 215, 222 ff. 210 Milanovic´, EJIL 2006, 535, 586. 211 van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, 185; Grabenwarter, 70, Rn. 42, 103, Rn. 6. 212 Bruha/Bortfeld, VN 2001, 161, 164; Gray, 199; Jinks, Chicago JIL 2003, 83, 85. 213 So hat die NATO den Bündnisfall nach Art. 5 ihres Gründungsvertrags erklärt und auch die OAS hat einen Fall der kollektiven Selbstverteidigung nach Art. 3 Inter-American Treaty of Reciprocal Assistance angenommen. 207

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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die Zurechnung zum Staat voraus.214 Die Anschläge wurden bekanntlich aber von AlQaida, einem nicht-staatlichen Akteur, ausgeführt und der Einfluss der Taliban, als zu dem Zeitpunkt de facto-Regime Afghanistans, reichte keinesfalls aus, um die strengen Zurechnungskriterien des Nicaragua-Tests zu erfüllen.215 Lehnt man die voreilige Einschätzung ab, dass der Sicherheitsrat das staatszentrierte Konzept der Charta aufgehoben und das Selbstverteidigungsrecht vom staatlichen Element getrennt hat,216 ist die Zurechnung zu Afghanistan aufgrund eines wesentlich geringeren Maßstabs als effective control oder auch overall control erfolgt. Ob sich diese stark abgemilderten Anforderungen an die Zurechnung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung auch auf andere Rechtsbereiche auswirken, lässt sich bisher noch nicht absehen. Es ist daher festzustellen, dass der overall control-Test kein Gewohnheitsrecht beinhaltet und die Zurechnung privaten Verhaltens im Recht der Staatenverantwortlichkeit damit richtigerweise nach dem effective control-Test erfolgen muss. 4. Ergebnis Damit gilt, dass die Zurechnung von Handlungen Privater zum Staat nach den gleichen Kriterien bewertet wird wie die Zurechnung von Organen anderer Völkerrechtssubjekte, die einer internationalen Organisation zur Verfügung gestellt werden. Effektive Kontrolle kann für beide Rechtsgebiete, Verantwortlichkeit von Staaten und von internationalen Organisationen, damit folgendermaßen abstrakt zusammengefasst werden: [Effective control] implies that one must show for every single action or conduct at stake that instructions or directions were issued or specific authority was exercised by the responsible authority.217

Konkrete Anforderungen an die Ausübung der effektiven Kontrolle ergeben sich aber auch nicht aus der IGH-Rechtsprechung. Es kann lediglich negativ formuliert werden, dass nicht jede Form finanzieller, organisatorischer und planerischer Unterstützung ausreicht und es positiv einer spezifischen Instruktion durch das Zurechnungssubjekt bedarf. Übertragen auf UN-mandatierte Friedensmissionen ist die Entscheidung, eine Mission einzusetzen, zwar conditio sine qua non für die Verletzung, kann aber nur als Unterstützungshandlung gewertet werden, da die Vereinten Nationen keine direkten Befehle erteilen können.

214 IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 75 ff.; IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, 136, 194, para. 139; IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Urteil vom 26. Februar 2007, para. 379 ff. 215 Krajewski, AVR 2002, 183, 189 ff.; Tams, EJIL 2006, 963, 973; Milanovic´, EJIL 2006, 535, 583. 216 So aber z. B.: Krajewski, AVR 2002, 183, 196 ff. 217 Cassese, EJIL 2007, 649, 667.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

Im Übrigen relativiert sich die Kritik am hohen Maßstab der Kontrolle in Bezug auf das Recht der internationalen Organisationen. Denn anders als im Recht der Staatenverantwortlichkeit bewirkt ein negativer Test nicht, dass keine Verantwortlichkeit für die Handlung besteht, sondern lediglich, dass das Organverhalten dem ursprünglichen Rechtsträger und nicht der internationalen Organisation zugerechnet wird.

II. Völkerstrafrecht Auf den ersten Blick bestehen keine Gemeinsamkeiten zwischen dem Völkerstrafrecht und dem Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit. Zum einen handelt es sich um die strafrechtliche Verfolgung Einzelner für Zuwiderhandlungen gegen bestimmte primärrechtliche Normen und zum anderen um die Möglichkeit, ein Völkerrechtssubjekt unter Rückgriff auf sekundärrechtliche Normen haftbar zu machen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dennoch eine gewisse Ähnlichkeit, die sich an der Rechtsfigur der Vorgesetztenverantwortlichkeit festmachen lässt. Trotz des historisch unsicheren Ursprungs ist eine entsprechende Regelung heute in den Satzungen aller völkerstrafrechtlichen Gerichte und Tribunale enthalten.218 1. Die Vorgesetztenverantwortlichkeit Command oder Superior Responsibility setzt sich nach der gefestigten Rechtsprechung aus drei Elementen zusammen: Einem Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis, dem subjektiven Element der Kenntnis oder des Kennenmüssens des Verbrechens und schließlich dem Unterlassen der gebotenen Maßnahme, entweder zur Verhinderung des Verbrechens selber oder zur Bestrafung der Täter.219 Für die objektive Seite der Vorgesetztenverantwortlichkeit nimmt das Element der Kontrolle eine zentrale Rolle ein. Die Vorgesetzten-Untergebenen Beziehung richtet sich nach der effective control.220 Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte tatsächlich ein solches Maß an Kontrolle besitzt, das es ihm ermöglicht, Straftaten seiner Untergebenen zu verhindern oder zu bestrafen.221 Die Kontrolle wird an den Tatsachen des Einzel-

218 Rom-Statut, Art. 25; Statute of the International Court for the former Yugoslavia, UN Doc. S/RES/827 (1993), Annex, Art. 7 (3); Statute of the International Criminal Tribunal for Rwanda, UN Doc. S/RES/955 (1994), Annex, Art. 6 (3); Statute of the Special Court of Sierra Leone pursuant to UN Doc. S/RES/1315 (2000), Art. 6 (3); Report of the Secretary-General on the Establishment of a Special Tribunal for Lebanon, UN Doc. S/RES/2006/893 (2006), Annex I, Art. 3 (1). 219 ICTY, The Prosecutor v. Delalic, Mucic, Delic and Landzˇo, Case No. IT-96-21-T, Urteil vom 16. November 1998, para. 346. 220 Rom-Statut, Art. 28; ICTY, The Prosecutor v. Delalic, Mucic, Delic and Landzˇo, Case No. IT-96-21-A, Urteil vom 20. February 2001, para. 196. 221 ICTY, The Prosecutor v. Delalic, Mucic, Delic and Landzˇo, Case No. IT-96-21-T, Urteil vom 16. November 1998, para. 378; ICTY, The Prosecutor v. Stakic´, Case No. IT-97-24-T,

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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falls bemessen, wobei die Stellung des Vorgesetzten, seine Aufgaben und die Befehlsstrukturen beachtet werden müssen.222

2. Rechtsnatur der Vorgesetztenverantwortlichkeit Fraglich ist aber, ob das Kriterium der effektiven Kontrolle auch der Zurechnung einer Handlung dient. Damit ist die Frage der dogmatischen Zuordnung der Vorgesetztenverantwortlichkeit aufgeworfen, die jüngst auch in einigen Urteilen des Jugoslawien-Tribunals thematisiert wurde. In diesen wurde bestritten, dass es sich bei der Vorgesetztenverantwortlichkeit um eine Beteiligungsform handelt, sondern stattdessen angenommen, dass die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten auf sein eigenes Unterlassen beschränkt sei und Art. 7 Abs. 3 ICTY-Statut daher eine eigene Verantwortlichkeitsform darstelle.223 Nur bei einem Verständnis als Beteiligungsform bildet die Tat des Untergebenen aber den Haftungsgrund, der dem Vorgesetzten zugerechnet wird, während er andernfalls nicht für das Verhalten seiner Untergebenen verantwortlich ist, sondern dieses lediglich als Haftungsvoraussetzung vorliegen muss.224 Art. 7 Abs. 3 ICTY-Statut ist in dieser Beziehung tatsächlich offen formuliert und lässt beide Interpretationen zu.225 Allerdings liegt es nahe, dass sich entgegen der neueren ICTY-Rechtsprechung im Laufe der Zeit eine bestimmte Deutung etabliert hat. Während die meisten Vorschriften ähnlich dem Art. 7 Abs. 3 ICTY-Statut formuliert sind,226 liegt dem Rom-Statut ein Verständnis der Vorgesetztenverantwortlichkeit als Beteiligungsform zugrunde. In Art. 28 lit. a heißt es: „Ein militärischer Befehlshaber […] ist strafrechtlich verantwortlich für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshof unterliegende Verbrechen.“ Gleiches gilt auch für die Studie des Internationalen Roten Kreuzes zum völkergewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrecht.227 Die Rechtsprechung des ICTY ist zwar manchmal unpräzise, bestätigt in der Gesamtschau aber das Bild der Vorgesetztenverantwortlichkeit als Verantwortlichkeitsform. So heißt es in der wegweisenden Entscheidung der Berufungskammer in ˇ elebic´i: „[t]he principle that military and other superiors may be held criminally C Urteil vom 31. Juli 2003, para. 459; ICTY, The Prosecutor v. Halilovic´, Case No. IT-01-48-A, Urteil vom 16. Oktober 2007, para. 59. 222 ICTY, The Prosecutor v. Halilovic´, Case No. IT-01-48-T, Urteil vom 16 November 2005, para. 58. 223 Ibid., para. 54; ICTY, The Prosecutor v. Hadzˇihasanovic´ and Kubura, Case No. IT-0147-T, Urteil vom 15. März 2006, para. 75; ICTY, The Prosecutor v. Oric´, Case No. IT-03-68-T, Urteil vom 30. Juni 2006, para. 293; ICTY, The Prosecutor v. Rasim Delic´, Case No. IT-04-83T, Urteil vom 15. September 2008, para. 55. 224 Burghardt, 403 f. 225 Jia, Chinese JIL 2004, 1, 14; Meloni, JICJ 2007, 619, 624. 226 Vgl. bereits die erste internationale Kodifikation der Vorgesetztenverantwortlichkeit in Art. 86 i.V.m. Art. 87 Abs. 1 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, 8. Juni 1977, UNTS 1125, 3. 227 Henckaerts/Doswald-Beck, Rule 154, 561.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

responsible for acts of their subordinates is well-established in conventional and customary law.“228 Diese Formulierung, die sich als Standard in vielen Urteilen findet,229 weist deutlich in Richtung eines Verständnisses als Beteiligungsform. Hierfür spricht auch, dass die Vorgesetztenverantwortlichkeit stets im Urteilsabschnitt zur individuellen Verantwortlichkeit, und nicht bei den materiellen Tatbeständen behandelt wird.230 Doppeldeutige Formulierungen wie etwa in Krnojelac231 zeugen daher eher von einem fahrlässigen Umgang mit der Rechtsnatur der Vorgesetztenverantwortlichkeit als dass sie einen eigenen Verbrechenstatbestand erzeugen möchten. Als Grund kann angeführt werden, dass Vorgesetztenverantwortlichkeit bis zum Urteil gegen Halilovic´ immer nur in Verbindung mit einer direkten Verantwortlichkeit nach Art. 7 Abs. 1 ICTY-Statut behandelt worden ist. Die der Vorgesetztenverantwortlichkeit als Zurechnungstatbestand inhärenten Konflikte mit dem Schuldprinzip232 kamen daher nicht zum Tragen, können jetzt aber nicht mehr korrigiert werden. Somit wird nach dem richtigen Verständnis der Vorgesetztenverantwortlichkeit dem Vorgesetzten das Verhalten seines Untergebenen zugerechnet. 3. Übertragbarkeit auf UN-mandatierte Missionen Trotz der unterschiedlichen Hintergründe wird der Standard der effektiven Kontrolle auch im Völkerstrafrecht benutzt, um eine Handlung zuzurechnen. Allerdings ist die effektive Kontrolle zwischen Vorgesetzten und Untergebenen nur eines von zwei, wenn auch miteinander verknüpften, objektiven Tatbestandsmerkmalen. Der Vorgesetzte muss es weiter unterlassen haben, die Tat seines Untergebenen zu verhindern oder zu bestrafen, obwohl ihm dieses aufgrund seiner effektiven Kontrolle möglich gewesen ist. Anders als effektive Kontrolle im Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit bedarf es aufgrund der Natur des Delikts keiner speziellen Instruktionen durch den Vorgesetzten. Auch der Nachweis der effektiven Kontrolle durch eine unterlassene Bestrafung der Täter ist den speziellen Anforderungen des Völkerstrafrechts geschuldet.

228 ICTY, The Prosecutor v. Delalic, Mucic, Delic and Landzˇo, Case No. IT-96-21-A, Urteil vom 20. February 2001, para. 195. 229 ICTY, The Prosecutor v. Blasˇkic´, Case No. IT-95-14-T, Urteil vom 3. März 2000, para. 301; ICTY, The Prosecutor v. Aleksovski, Case No. IT-95-14/1-A, Urteil vom 24. März 2000, para. 77; ICTY, The Prosecutor v. Aleksovski, Case No. IT-95-14/1-T, Urteil vom 25. Juni 1999, para. 67; ICTY, The Prosecutor v. Stakic´, Case No. IT-97-24-T, Urteil vom 31. Juli 2003, para. 462. 230 Burghardt, 403. 231 Vgl. ICTY, The Prosecutor v. Krnojelac, Case No. IT-97-25-T, Urteil vom 15. März 2002, para.93 und ICTY, The Prosecutor v. Krnojelac, Case No. IT-97-25-A, Urteil vom 17. September 2003, para.171. 232 Damasˇka, Am.J.Comp.L. 2001, 455; Cassese, 209; Schabas, 309; Bantekas, AJIL 1999, 573, 577.

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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Dagegen ist die Frage, ob der Vorgesetzte kraft Kompetenz, Stellung und Autorität in der Lage ist, die Verletzungshandlung tatsächlich zu beeinflussen, auch auf das Verhältnis von internationaler Organisation und geliehenem Organ übertragbar. Voraussetzung hierfür ist wieder eine funktionierende Kommandokette, die es ermöglicht, mit Befehlen auf die untere Ebene durchzugreifen und so das völkerrechtswidrige Verhalten der einzelnen Soldaten zu steuern.

III. Europäische Menschenrechtskonvention Als Zurechnungskriterium bei UN-mandatierten Friedensmissionen benutzt der EGMR fälschlich ultimate authority and control. Auch das Kriterium der effektiven Kontrolle spielt in seiner Rechtsprechung aber eine Rolle, es dient allerdings der Begründung des Anwendungsbereichs der Konvention ratione loci im Sinne des Art. 1 EMRK bei extraterritorial vorgenommenen Handlungen. 1. Effektive Kontrolle als Voraussetzung der extraterritorialen Anwendung Die territoriale Anwendbarkeit der Konvention als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwerde nach Art. 35 Abs. 3 EMRK ist materiellrechtlich abhängig von den Voraussetzungen des Art. 1 EMRK. Nach diesem sichern die Hohen Vertragsparteien „allen Ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I bestimmten Rechte und Freiheiten zu“. Bis heute existiert keine allgemeingültige Definition des Begriffs der Hoheitsgewalt, weshalb die Voraussetzungen der extraterritorialen Anwendbarkeit der EMRK umstritten sind. Jedenfalls ist Hoheitsgewalt nicht gleichbedeutend mit dem Staatsgebiet der Vertragsparteien.233 Vielmehr handelt es sich um ein Regel-Ausnahmeverhältnis, nach dem Hoheitsgewalt primär territorial zu verstehen ist, in Ausnahmefällen und nach besonderer Rechtfertigung aber auch extraterritoriale Handlungen erfasst.234 Eine solche Ausnahme besteht, wenn Handlungen unter der effektiven Kontrolle eines Mitgliedsstaates stattfinden.235 Nicht abschließend geklärt ist, ob es sich hierbei um Kontrolle über die Person oder das Territorium handeln muss.236 Nach der Rechtsprechung ist effektive Kontrolle definitiv gegeben, wenn eine Person durch physische Gewalteinwirkung in das eigene Hoheitsgebiet 233

EGMR, Zypern v. Türkei (1975), 2 DR 125, 136 f.; EGMR, Zypern v. Türkei (1978), 13 DR 85, 148 f. 234 EGMR, Bankovic´ u. a. v. Belgien und 16 weitere NATO Staaten, Reports of Judgments and Decisions 2001-XII, para, 61. 235 EGMR, Loizidou v. Türkei (Merits), Reports of Judgments and Decisions 1996-VI, 2216, para. 52; EGMR, Solomou and others v. Turkey, Urteil vom 24. Juni 2008, para. 44; EGMR, Issa v. Türkei, 41 EHRR 567, para. 78, 71; EGMR, Bankovic´ u. a. v. Belgien und 16 weitere NATO Staaten, Reports of Judgments and Decisions 2001-XII, para. 70. 236 Gondek, NILR 2005, 349, 370 ff.

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Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

verschafft wird.237 Einen weiteren Anwendungsfall bildet eine militärische Besetzung, sofern diese von einer gewissen Dauer und Beständigkeit geprägt ist.238 Einzelnachweise sind dabei nicht notwendig, wenn sich aus der großen Anzahl stationierter Truppen die allgemeine Kontrolle (effective overall control) über ein Gebiet ergibt.239 Dagegen ist die Bombardierung aus der Luft, wie im Kosovo durch NATO-Staaten geschehen, nicht ausreichend.240 2. Maßstab zur Bestimmung der effektiven Kontrolle Fraglich ist, ob auch dieser Test zur Begründung von Hoheitsgewalt mit dem der effective control im Sinne des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen identisch ist. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass sich die völkerrechtlichen Zurechnungsregeln auch auf die Bestimmung der Anwendbarkeit der Konvention übertragen lassen. Dieses wird teilweise abgelehnt und mit dem Verhältnis zwischen Hoheitsgewalt und Zurechnung begründet.241 Beide Begriffe sind dogmatisch voneinander zu trennen, doch fällt im Regelfall, also der Anwendung der EMRK im Inland, Hoheitsgewalt stets mit der Zurechnung zusammen. Bei Fällen mit Auslandsbezug kann eine Situation allerdings innerhalb der Jurisdiktion eines Staates liegen, diesem aber dennoch nicht zurechenbar sein.242 Gerade durch letztere Konstellation sind die Argumente gegen die Anwendbarkeit der Regeln zur Staatenverantwortlichkeit auf Konventionsverletzungen gestärkt worden. In erster Linie wird der besondere Charakter von Menschenrechtsverträgen angeführt. Sie wirkten nicht primär zwischenstaatlich, sondern verliehen dem Einzelnen Rechte, so dass eine Unterscheidung zwischen staatlichem und privatem Handeln nicht gerechtfertigt sei und eine Schutzpflicht des Staates für jegliche Verletzung bestehe.243 Jurisdiktion sei eine spezielle Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Menschenrechtsverträgen, die von den Verantwortlichkeitsnormen strikt zu trennen sei.244 Allerdings ergibt sich der Umfang der Schutzverpflichtungen nicht aus den Regeln der Staatenverantwortlichkeit, sondern wird durch die Primärpflichten der 237

EGMR, Öcalan v. Türkei, 37 EHRR 10, para. 93. EGMR, Loizidou v. Türkei (Preliminary Objections), Ser. A 310, para. 62; EGMR, Loizidou v. Türkei (Merits), Reports of Judgments and Decisions 1996-VI, 2216, para. 52; EGMR, Zypern v. Türkei, Reports of Judgments and Decisions 2001-IV, para. 77; EGMR, Bankovic´ u. a. v. Belgien und 16 weitere NATO Staaten, Reports of Judgments and Decisions 2001-XII, para. 71. 239 EGMR, Loizidou v. Türkei (Merits), Reports of Judgments and Decisions 1996-VI, 2216, para. 56; EGMR, Zypern v. Türkei, Reports of Judgments and Decisions 2001-IV, para. 77. 240 Bankovic´ u. a. v. Belgien und 16 weitere NATO Staaten, Reports of Judgments and Decisions 2001-XII. 241 Milanovic´, EJIL 2006, 535, 586. 242 Jankowska-Gilberg, 135. 243 Clapham, 188, insbesondere Fn. 29. 244 Milanovic´, EJIL 2006, 535, 586. 238

C. Der Begriff der effektiven Kontrolle

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EMRK bestimmt und kann somit auch nur auf dieser Ebene weiterentwickelt und verbessert werden.245 Mangels besonderer Vorschriften im System der EMRK, die als lex specialis die Anwendbarkeit allgemeiner Normen ausschließen könnten, können sekundärrechtliche Fragen aber nur durch einen Rückgriff auf die Zurechnungsregeln der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit gelöst werden.246 Für diese Lösung spricht auch, dass die EMRK trotz ihres besonderen Schutzgehalts für Dritte rechtlich immer noch einen multilateralen Vertrag darstellt. So wird die Anwendbarkeit der Regeln zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit auch durch den EGMR bestätigt, der für die Feststellung von Konventionsverletzungen auf die „relevant principles of international law governing state responsibility“ verweist247 und teilweise auch den ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit direkt anführt.248 Demzufolge benutzt auch der EGMR den effective control-Test, um ein bestimmtes Verhalten einem Staat zuzurechnen. Die Entscheidung des Gerichts in Behrami und Saramati ist daher auch in dieser Hinsicht nicht nachvollziehbar. Denn obwohl es beide Male um eine Zurechnungsentscheidung geht, bewertet er das Vorliegen eines staatlichen Handelns allgemein nach dem ultimate authority and controlTest, weist die weiter notwendige Anwendbarkeit der Konvention nach Art. 1 EMRK aber durch effektive Kontrolle nach.

IV. Humanitäres Völkerrecht Der Begriff der effektiven Kontrolle ist ebenfalls im humanitären Völkerrecht präsent. Die Anwendbarkeit des Rechts der kriegerischen Besetzung wird dadurch eröffnet, dass sich ein Gebiet unter der effektiven Kontrolle fremder Streitkräfte befindet.249 Dieses folgt aus der Legaldefinition kriegerischer Besetzung in Art. 42 der Haager Landkriegsordnung von 1907, dessen gewohnheitsrechtlicher Status anerkannt ist und vom IGH bestätigt wurde.250 Auch hierbei geht es wieder um eine Zurechnungsfrage im weitesten Sinne, die nur nach den anerkannten Regeln zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit bewertet werden kann.

245

Crawford, EJIL 1999, 435, 440. Jankowska-Gilberg, 106 ff.; Merrills, 109 ff. 247 EGMR, Loizidou v. Türkei (Merits), Reports of Judgments and Decisions 1996-VI, 2216, para. 52. 248 EGMR, Ilas¸cu v. Moldova and Russia, ECHR 2004-VII, para. 319 ff.; EGMR, Blecˇic´ v. Croatia, Urteil vom 8. März 2006, para. 48; EGMR, EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 28 ff. 249 Gasser, 123. 250 IGH, Military Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, 14, para. 75 ff.; IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, 136, 194, para. 89. 246

188

Kap. 4: Bewertung der verschiedenen Zurechnungsstandards

V. Zusammenfassung Die Entscheidung für das Zurechnungskriterium der effektiven Kontrolle im Sinne des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen bei UN-mandatierten Missionen wird auch durch einen Blick auf andere Rechtsgebiete unterstützt. Das Recht der Staatenverantwortlichkeit arbeitet mit einem identischen Maßstab, so dass die Erkenntnisse des Art. 8 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit auf das Recht der internationalen Organisationen übertragen werden können. Zusätzlich findet eine Zurechnung aufgrund effective control unter Beachtung der spezifischen Besonderheiten aber auch im Völkerstrafrecht und im humanitären Völkerrecht statt. Selbst die Rechtsprechung des EGMR, die den durch die Konvention Grundrechtsverpflichteten bei UN-mandatierten Friedensmission durch den ultimate authority and control-Test bestimmt, bewertet die örtliche Anwendbarkeit nach der effektiven Kontrolle über ein Territorium.

Kapitel 5

Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle A. Anwendung des Tests der effektiven Kontrolle auf ausgewählte UN-mandatierte Friedensmissionen Der Test der effektiven Kontrolle basiert stets auf einer Gesamtbetrachtung des Falles. Dieses schließt einmal die Struktur der Mission ein, basiert letztlich aber auf der tatsächlichen Kontrolle über die Verletzungshandlung. Da das rechtliche Verhältnis der an multidimensionalen Friedensmissionen beteiligten Akteure aber Aufschluss über den Regelfall der Zurechnung gibt, werden diese Strukturen im Folgenden für drei UN-mandatierte Missionen exemplarisch dargestellt. Es handelt sich dabei um KFOR und ISAF unter Führung der NATO sowie um die EU-Mission Atalanta, die allesamt auch mit deutscher Beteiligung stattfinden.

I. KFOR Aufgrund ihrer politischen und militärischen Bedeutung steht die KFOR-Mission im Kosovo unter Leitung der NATO zumeist im Mittelpunkt der akademischen Beschäftigung mit dem Problemkreis der UN-mandatierten Missionen. Wie bereits erörtert, übt die UN niemals effektive Kontrolle über UN-mandatierte Missionen aus. Dieses gilt selbstverständlich auch für KFOR, so dass es hier zu bewerten gilt, ob Verletzungshandlungen der NATO, den truppenstellenden Staaten oder womöglich beiden gemeinsam zuzurechnen sind.1

1. Kommandostruktur Um festzustellen, ob ein nationales Kontingent in Ausübung seiner KFOR-Aufgaben für die NATO oder seinen Entsendestaat handelt, ist stets die Kommandostruktur ausschlaggebend. Dabei handelt es sich aber um keine reine Tatsachenentscheidung, sondern es fließen immer auch wertende Aspekte in die Bewertung ein. Anders sind 1 Sari, HRLR 2008, 151, 164; Bodeau-Lvninec/Buzzini/Villapando, AJIL 2008, 323, 328; Breitegger, ICLR 2009, 155, 172; Orakhelashvili, AJIL 2008, 337, 341; Lagrange, RGDIP 2008, 85, 94 f.; Larsen, EJIL 2008. 509, 521 f.

190

Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

die unterschiedlichen Ergebnisse bisheriger Untersuchungen anhand des effective control-Standards nicht zu erklären. a) Command and Control der NATO Aufgrund der bestehenden Kommandostruktur wird die NATO teilweise als Zurechnungssubjekt gesehen. Für diese Position ist einerseits der EGMR anzuführen, dessen ultimate authority and control-Test als zweiten Aspekt voraussetzt, dass die ermächtigte Einheit, hier NATO, auch tatsächlich Kontrolle über die Mission ausübt. Aus diesem Grund hat der Gerichtshof auch den Test der effektiven Kontrolle angewendet, um das Verhältnis zwischen NATO und den truppenstellenden Staaten zu untersuchen.2 Die NATO habe das ihr übertragene operative Kommando über eine Kommandokette wahrgenommen. Diese führe über den Nordatlantikrat, den Oberkommandierenden des NATO-Hauptquartiers in Europa (SHAPE), den Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) und CIC South zum COMKFOR, dem KFOR-Befehlshaber. Während die einzelnen nationalen Brigaden zwar einem Offizier der jeweils zuständigen Führungsnation unterstellt seien, befinde sich dieser wiederum unter dem direkten Befehl des COMKFOR.3 Diese direkte und effektive operative Kontrolle der NATO über KFOR könne auch nicht durch die mögliche unterschiedliche Behandlung individueller Ansprüche gegen Teile der eigenen nationalen Kontingente beeinflusst werden.4 Diese Wertung wird vereinzelt auch in der Literatur unterstützt.5 Mit dem command and control der NATO gehe einher, dass Anweisungen und Befehle in der Kommandokette direkt bis zum Einsatzort gelangen und Berichte über ihre Umsetzung den gleichen Weg zurückgehen.6 Beide Funktionen stelle NATO dadurch sicher, dass die verschiedenen, im Bereich der militärischen Umsetzung tätigen Ebenen effektiv miteinander kooperierten und darüber hinaus der Nordatlantikrat die politische Kontrolle innehabe. Außerdem sei die Verantwortlichkeit der Staaten bereits dadurch ausgeschlossen, dass sie durch die Mitteilung des transfer of authority (TOA) ihre operativen Befugnisse auf die NATO übertragen hätten.7 b) Command and Control der Entsendestaaten Fraglich ist aber, ob die aufgezeigten Befehls- und Kommandostrukturen tatsächlich nur den Schluss der alleinigen Zurechnung zur NATO zulassen. Auf völkerrecht2

Larsen, EJIL 2008. 509, 523. EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 135. 4 Ibid., para. 139. 5 Pellet, in: Tomuschat, 193, 198; Häußler, HuV-I 2007, 238, 241. 6 Häußler, HuV-I 2007, 238, 241. 7 Ibid. 3

A. Anwendung auf ausgewählte UN-mandatierte Friedensmissionen

191

licher Ebene übertragen die an KFOR beteiligten Nationen die operative Kontrolle über ihre Kontingente auf den KFOR-Befehlshaber, behalten sich aber stets ihr umfassendes full command vor.8 Weiter kann dieser transfer of authority an die NATO jederzeit auch einseitig durch einen Mitgliedstaat wieder zurückgenommen werden.9 Die Kommandogewalt der NATO ist daher immer, wenn in Art und Umfang auch abhängig von innerstaatlichen Regeln, auf einen kleinen Ausschnitt der nationalen Befehlsgewalt für einen bestimmbaren Zeitraum begrenzt.10 Anders als bei der Übertragung umfassender Kommandogewalt bei früheren UN-geführten Missionen geht mit operational control weder die Befugnis zur Änderung des Einsatzplans einher noch ist es der NATO gestattet, mit ihren Befehlen direkt auf die beteiligten Streitkräfte durchzugreifen.11 Nationale Kontingente handeln daher immer aufgrund der zumindest fiktiven Umsetzung des NATO-Befehls in nationales Recht. Nach dem sogenannten informellen Red Card Procedure überprüfen die nationalen Befehlshaber auf der Ausführungsebene die Befehle des COMKFOR zunächst auf ihre Vereinbarkeit mit dem Mandat und nationalem Recht.12 Erst dann erteilt der Kommandeur einen entsprechenden Befehl an das nationale Kontingent. Diese Ausgestaltung der Kommandobefugnisse zeigt die großen nationalen Einflussmöglichkeiten und spricht gegen die effektive Kontrolle der NATO. c) Nationales Verständnis der Befehlskette Auch wenn die nationale Praxis die völkerrechtliche Wertung nicht beeinflussen kann, bestätigt das nationale Verständnis der Befehlsstrukturen, hier exemplarisch festgemacht am Beispiel Deutschlands, die Entscheidung für die effektive Kontrolle der Entsendestaaten. Da die truppenstellenden Staaten ihre nationalen Modelle aufeinander abgestimmt und ihren Inhalt nach vergleichbar ausgestaltet haben, ist für die übrigen KFOR-Kontingente im Wesentlichen gleiches zu folgern.13 Erhalten deutsche Soldaten ihre Einsatzbefehle von einem NATO-Befehlshaber, können diese nur unter zwei Bedingungen bindend sein. Entweder muss Deutschland seine Hoheitsrechte gemäß Art. 24 Abs. 1 GG auf die NATO übertragen haben oder ansonsten sicherstellen, dass der ausländische Befehlshaber deutsche Hoheitsgewalt ausübt und somit dem full command des Verteidigungsministers untergeordnet ist.14 Allerdings bildet Art. 24 Abs. 2 GG die Rechtsgrundlage nicht nur für die Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit, sondern auch für Einsätze der Bundeswehr innerhalb militärischer Aktionen dieser Systeme zur Wahrung des Friedens.15 Als ein 8

Murphy, 118; Fleck, in: Geiger, 163, 170. Fleck, in: Geiger, 163, 170. 10 Krieger, ZaöRV 2002, 669, 680; Nolte/Krieger, in: Nolte, 18, 120. 11 Stoltenberg, ZRP 2008, 111, 113; Lüder, NZWehrR 2001, 107, 116. 12 Erberich, 132; Breitegger, ICLR 2009, 155, 171. 13 Vad, HuV-I 1997, 74, 78; Nolte/Krieger, in: Nolte, 18, 120 ff. 14 Kleine, 253 f.; Fleck, in: Geiger, 163, 172. 15 BVerfGE 90, 286, 351. 9

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

solches Kollektivsystem hat das Bundesverfassungsgericht neben den Vereinten Nationen auch die NATO identifiziert.16 Als Folge willigt Deutschland zwar in die Beschränkung ihrer Hoheitsrechte ein, eine vollständige Übertragung auf eine internationale Organisation findet aber nicht statt. Deutsche Kontingente üben auch im Ausland weiter staatliche Hoheitsgewalt aus.17 Dieses allgemeine Ergebnis gilt für alle Friedensmissionen unter Leitung eines Kollektivsystems. Als zusätzliches Kriterium einer wirksamen Organleihe durch die Übertragung von Hoheitsgewalt nach Art. 24 Abs. 2 GG wird daher teilweise angenommen, dass die Rechtsakte der internationalen Organisation den Staat nicht nur völkerrechtlich verpflichten, sondern in rein innerstaatliche Bereiche durchgreifen müssen.18 NATO-Befehle dringen aber gerade nicht direkt bis zu den Mitgliedern der nationalen Truppen durch. Der deutsche Kommandeur handelt im Auftrag des Bundesministers für Verteidigung, dem gemäß Art. 65a GG, mit Ausnahme des Verteidigungsfalles, die Befehlsgewalt über die Streitkräfte obliegt. Aus diesem Grund müssen NATO-Befehle auch erst durch die Autorität am Boden in nationale Befehle umgesetzt werden, um Rechtswirkung zu entfalten.19 Dadurch kann der nationale Kommandeur verpflichtet sein, bestimmte Operationen, die im Widerspruch zu Menschenrechten stehen, zu stoppen und die einzelnen Soldaten dürfen die Ausführung solcher Befehle verweigern, die eine Straftat darstellen.20 Um die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den deutschen und ausländischen Teilen der NATO-Streitkräfte zu gewährleisen, erhält jeder Soldat indes von seinem Vorgesetzten eine Anweisung auf Zusammenarbeit, nach der er die Befehle des jeweiligen ausländischen Befehlshabers zu befolgen hat.21 Da eine Zuwiderhandlung zu einer Verletzung der soldatischen Pflicht nach § 7 Soldatengesetz führt, ist die de facto-Wirkung eines NATO-Befehls mit einem nationalen Befehl gleichzusetzen, wobei eine formale Unterstellung unter das NATO-Kommando so aber vermieden werden kann.22 Im Ergebnis ist bei der Umsetzung eines NATO-Befehls stets eine staatliche Stelle zwischengeschaltet, so dass die eigentliche Handlung eines Soldaten immer auf einer staatlichen Anordnung beruht.

16 17

BVerfGE 104, 151, 206 ff.; BVerfGE 118, 244, 270. Jarass/Pieroth, Art. 24, Rn. 24; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 24, Rn. 89; Kleine,

246. 18

Jarass/Pieroth, Art. 24, Rn. 5; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 Abs. 1, Rn. 30. Donner, HuV-I 1997, 63, 67; Krieger, ZaöRV 2002, 669, 680; Lüder, NZWehrR 2001, 107, 116. 20 Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz – SG), Neufassung vom 30. Mai 2005, BGBl. 2005 I, 1482, §§ 10, 11; Nolte/Krieger, in: Nolte, 337, 382. 21 Krieger, ZaöRV 2002, 669, 681; Nolte/Krieger, in: Nolte, 18, 120 f. 22 Fleck, in: Geiger, 163, 172 f. 19

A. Anwendung auf ausgewählte UN-mandatierte Friedensmissionen

193

2. Weitere Kontrollmöglichkeiten des Entsendestaats Unterstützt wird die Annahme, dass nicht die NATO, sondern die Einzelstaaten als Zurechnungssubjekt UN-mandatierter NATO-Missionen gelten, durch zahlreiche weitere Details der KFOR-Struktur. a) Rules of Engagement Gegen die effektive Kontrolle der NATO spricht insbesondere auch, dass die Entsendestaaten nach nationalen und vor allem divergierenden Einsatzregeln operieren. Diese werden in militärischen Operationen weltweit als Rules of Engagement (RoE) bezeichnet und dennoch bemisst jede internationale Organisation und Nation dem Begriff eine im Detail unterschiedliche Bedeutung bei.23 Nationale RoE dürfen nicht über die für die multinationale Operation vereinbarten Regeln hinausgehen, doch beeinflusst das nationale Rechtsverständnis ihre Auslegung.24 In ihrer wichtigsten Funktion bestimmen sie aber operationsspezifisch die Grenzen der Gewaltanwendung durch operative, politische und rechtliche Vorgaben.25 Bei allen NATO-Missionen sind die RoE bisher durch NATO-Militärbehörden entwickelt und als Annex dem jeweiligen Operationsplan angehängt worden.26 Während der weiteren Verhandlungen über den Einsatz überprüfen die Mitgliedstaaten die angenommenen RoE in Bezug auf ihre Verfassungskonformität und haben die Möglichkeit, abweichende Standpunkte als Fußnote in den Operationsplan aufnehmen zu lassen oder die weitere Planung sogar zu stoppen.27 Im Ergebnis bestehen dann unterschiedliche nationale Regeln nebeneinander. So dürfen deutsche und irische Truppen beispielsweise keine Reizstoffe zur „Riot Control“ einsetzen, während skandinavische Kontingente auf Hunde zurückgreifen können.28 Hieraus ergibt sich die merkwürdige Situation, dass der Brigadekommandeur um die spezifischen Besonderheiten wissen muss, um je nach Aufgabe ein möglichst flexibles Kontingent mit der Durchführung betrauen zu können.29 Der NATO-Operationsplan bedarf zumindest nach deutschem Rechtsverständnis einer Umsetzung, um verbindlich für den Befehlsempfänger zu gelten.30 Bereits deswegen sind die RoE einer internationalen Organisation in rechtlicher Hinsicht nicht mit den üblicherweise auf Taschenkarten an die einzelnen Soldaten ausgegebenen nationalen Einsatzregeln identisch.

23 24 25 26 27 28 29 30

Dreist, NZWehrR 2007, 45, 47; id., NZWehrR 2007, 99, 106. Dreist, NZWehrR 2007, 99, 112 ff. Weber, HuV-I 2001, 76, 78. Ibid., 77. Krieger, JIPC 2009. 159, 172; id., ZaöRV 2002, 669, 682. Murphy, 170; Weber, HuV-I 2001, 76, 77. Murphy, 170. Weber, HuV-I 2001, 76, 77; Dreist, NZWehrR 2007, 99, 114.

194

Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

b) UNMIK-Regulations Die starke Position des Staates ergibt sich ferner aus den UNMIK-Regulations. Nach § 6.1 entscheidet der Generalsekretär über den Verzicht auf Immunität von UNMIK-Personal, während diese Entscheidung für KFOR-Personal dem jeweiligen nationalen Kommandeur übertragen wird.31 Würde man der NATO über KFOR aber vergleichbare Befugnisse wie den UN über ihre Missionen zugestehen, müsste diese Entscheidung folglich auch von einer NATO-Stelle getroffen werden.32 c) Außenwirkung Das Bild der effektiven nationalen Kontrolle der Entsendestaaten wird außerdem durch die äußeren Umstände der Mission vervollständigt. Die am KFOR-Einsatz beteiligten Staaten schließen mit dem Aufnahmestaat Verträge im eigenen Namen, treten in nationalen Uniformen auf und nutzen die NATO-Flagge nur neben der eigenen.33 Weiter gehen die Staaten selbst davon aus, dass sie und nicht die NATO zivilrechtliche Schäden ihrer Kontingente zu begleichen haben. Gegenteilige Vereinbarungen sind nicht getroffen worden und das Bici-Urteil hat diese Rechtsauffassung zumindest für das Vereinigte Königreich weiter manifestiert.34 3. Vergleich mit UN-geführten Friedensmissionen Die Argumentation führt auf den ersten Blick zu einem Widerspruch zu der Behandlung UN-geführter Missionen. Beide Arten der Friedenssicherung ähneln sich in Bezug auf die übertragene Befehlsgewalt.35 Die Entsendestaaten übertragen der internationalen Organisation in beiden Fällen nur noch operational control. Dennoch gelten zum einen die Vereinten Nationen als Zurechnungssubjekt, und zum anderen werden Handlungen nicht der NATO, sondern den Mitgliedstaaten zugerechnet. Dieses Ergebnis ließe sich mit dem Willen der beteiligten Völkerrechtssubjekte erklären. So ist es allgemeiner Konsens, dass die Vereinten Nationen für Einsätze unter Leitung des DPKO verantwortlich sind. Andererseits kann der Wille nicht direkt die rechtliche Wertung der effektiven Kontrolle beeinflussen und ist für die eigentliche Zurechnung der Handlung daher zu vernachlässigen. Vielmehr spielt der nationale Anwendungsbefehl eine unterschiedliche Rolle. Bei UN-geführten Missionen üben die nationalen Kontingente originäre Kompetenzen der UN aus, die vom Generalsekretär über den Force Commander und den nationalen 31 Regulation No. 2000/47: On the Status, Privileges and Immunities of KFOR and UNMIK and their Personnel in Kosovo, UNMIK/REG/2000/47 vom 18. August 2000. 32 Breitegger, ICLR 2009, 155, 171 f. 33 Krieger, ZaöRV 2002, 669, 682. 34 Bici & Anor v. Ministry of Defence, [2004] EWHC 786. 35 Stephens, Int. Peacekeeping 2005, 157, 158; Lorenz, 275.

A. Anwendung auf ausgewählte UN-mandatierte Friedensmissionen

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Kommandeur weitergegeben werden. Da sie somit im gegenseitigen Einvernehmen internationale Aufgaben für die UN ausüben, nehmen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Einflussmöglichkeiten weitestmöglich zurück. Der zwischengeschaltete konkludente nationale Befehl ist daher nur als Mittel zu sehen, um den Einsatz mit innerstaatlichem Recht in Einklang zu bringen. Außerdem dient er als Rettungsanker, um eventuell rechtswidriges Handeln der eigenen Truppen verhindern zu können. Anders stellt sich die Situation für die NATO dar. Sie ist genau wie die Einzelstaaten durch die sie handelt lediglich zur Durchführung des Mandats ermächtigt. Aus diesem Grund handeln die Mitgliedstaaten auch nicht für die NATO, sondern bedienen sich nur ihrer zentralen militärischen und logistischen Planungsmöglichkeiten. NATO-Befehle werden daher theoretisch eingehend auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft bevor sie über die staatliche Stelle für die ausführenden Truppen verbindlich gemacht werden. Diese Unterscheidung zeigt sich daneben auch in den äußeren Umständen. UNMissionen sind um ein möglichst homogenes Auftreten bemüht und gehen deshalb Kompromisse in ihrer operativen Planung ein. Sie sind um möglichst einheitliche RoE bemüht, während bei KFOR viele nationale Besonderheiten bestehen. Aus diesem Grund kann KFOR auch nicht als Unterorgan der NATO betrachtet werden, so dass auch das zweite Indiz des effective control-Tests widerlegt ist. 4. Ergebnis Für die völkerrechtliche Zurechnungslage muss aufgrund der beschriebenen Gesamtumstände gelten, dass die NATO trotz ihrer operativen Kontrolle nicht als primäres Zurechnungssubjekt fungiert. Die Entsendestaaten üben die effektive Kontrolle über ihre Kontingente aus und tragen daher die völkerrechtliche Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit. Anders als die Vereinten Nationen stellt die NATO damit eher eine geeignete Plattform zur Durchführung von Friedensmissionen dar, als dass sie selber als Akteur nach außen auftritt.36 Eine daneben bestehende Verantwortlichkeit der NATO kommt nur in Betracht, wenn sich die Situation im Einzelfall so darstellt, dass die NATO effektive Kontrolle über die Verletzungshandlung ausübt. Dieses wäre etwa der Fall, wenn ein rechtswidriger NATO-Befehl die nationalen Stellen passiert und bis zur Ausführung durch einen Soldaten gelangt. Dieses ist aber nur im Extremfall möglich, da auch der COMKFOR weiterhin seinem Heimatstaat untersteht und sein rechtswidriger Befehl daher die Zurechnung eines weiteren völkerrechtlichen Delikts zu dem Entsendestaat bedeutet.37

36 37

Donner, HuV-I 1997, 63, 68; Krieger, ZaöRV 2002, 669, 682. Lorenz, 285.

196

Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

II. Mission Atalanta Als weiteres Fallbeispiel werden die Befehls- und Kommandostrukturen der EUMission Atalanta eingehender untersucht und mit denen der NATO und der Vereinten Nationen verglichen. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen ist auch hier ausgeschlossen, da es durch das Mandat an die Europäische Union an ihrer effektiven Kontrolle fehlt. Für die Mission Atalanta existieren selbst keine direkten Berichtspflichten, lediglich der Generalsekretär ist aufgerufen, über die Fortschritte bei der Bekämpfung von Piraterie zu berichten.38 1. Besonderheiten der Europäischen Union Bis zum Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Januar 2009 war nicht eindeutig geklärt, ob die Europäische Völkerrechtssubjektivität besitzt und somit grundsätzlich als Zurechnungssubjekt völkerrechtswidriger Handlungen in Betracht kommt. Im Unterschied zur Europäischen Gemeinschaft, deren Rechtspersönlichkeit bereits in Art. 281 EGV a.F. ausdrücklich bestätigt worden ist, existierte eine solche Regelung im Gründungsvertrag der EU nicht und ist erst durch Art. 47 EUV in der Fassung von Lissabon eingeführt worden. Auch vor diesem Zeitpunkt wurde die Rechtspersönlichkeit der Union aufgrund folgender Überlegung aber weit überwiegend angenommen: Abgesehen von ihrer ausdrücklich zuerkannten Rechtspersönlichkeit erfüllte die EU alle Kriterien einer internationalen Organisation.39 Nach allgemeinem Völkerrecht auch möglich, die Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation implizit zu begründen, wenn aus ihrem Handeln hervorgeht, dass die Organisation und nicht ihre Mitgliedstaaten völkerrechtliche Kompetenzen ausüben.40 Im Rahmen der GASP hatte die EU bereits zahlreiche völkerrechtliche Abkommen im eigenen Namen abgeschlossen und ist damit notwendig einhergehend als Völkerrechtspersönlichkeit in Erscheinung getreten. Diesen Eindruck manifestierte sie durch die Durchführung von Friedensmissionen.41 Dass Mitgliedstaaten diese Organisationspraxis unterstützen und sie von Drittstaaten geduldet wird, zeigt weiter, dass sich eine entsprechende Rechtsüberzeugung bereits vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon gebildet hatte.42

38 SR Res. 1851 vom 16. Dezember 2008, Zif. 4; SR Res. 1848 vom 2. Dezember 2008, Zif. 8, 17; SR Res. 1816 vom 2. Juni 2008, Zif. 13. 39 Van der Hout, 207. 40 Streinz, 53 f., Rn. 134; Schermers/Blokker, § 1569. 41 Kleine, 227 ff. 42 Tomuschat, in: Cannizzaro, 177, 183; White/MacLeod, EJIL 2008, 965, 971.

A. Anwendung auf ausgewählte UN-mandatierte Friedensmissionen

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2. Effektive Kontrolle Über die internen Strukturen der Mission Atalanta gibt die Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union Auskunft, durch die der Einsatz beschlossen worden ist. Demnach gehört gemäß Art. 5 die Planung und Einleitung der Operation zu den Aufgaben des Rates. Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) übernimmt in Übereinstimmung mit ihren Aufgaben nach Art. 25 EUVunter der Verantwortung des Rates die politische Kontrolle und strategische Leitung der Operation. Grundsätzlich arbeitet das PSK dem Rat also nur zu, es kann im Falle von Operationen zur Krisenbewältigung aber auch durch den Rat delegierte Entscheidungskompetenzen ausüben.43 In diesem Sinne zählt zu den PSK-Aufgaben für die Operation Atalanta „die Befugnis zur Änderung der Planungsdokumente, einschließlich des Operationsplans, der Befehlskette und der Einsatzregeln“. Sie beinhaltet auch die Befugnis, Beschlüsse zur Ernennung des Befehlshabers der EUOperation und/oder des Befehlshabers der EU-Einsatzkräfte zu fassen.44 Über die Durchführung der Operation wird das PSK regelmäßig durch den Vorsitzenden des Militärausschusses (EUMC), dem gemäß Art. 7 die militärische Leitung der Operation obliegt, unterrichtet.45 Die eigentliche Führung wird von dem Befehlshaber der Operation (Operation Commander) wahrgenommen, zu dem Konteradmiral Phillip Jones ernannt wurde.46 Diesem untergeordnet nimmt der Befehlshaber der EU-Einsatzkräfte (Force Commander) die Führung der Streitkräfte im Einsatzgebiet wahr. Er soll bis zum Ende des ersten Mandats im Dezember 2009 im viermonatigen Wechsel von Griechenland, Spanien und den Niederlanden gestellt werden. Dieses Organisationsgefüge ähnelt somit dem der NATO. Durch die Übernahme der Aufgaben des Europäischen Rates im Rahmen der Mission Atalanta sind auch die Handlungsmöglichkeiten des PSK und des Nordatlantikrats ähnlich ausgestaltet. Beide sind unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten für die Durchführung, Kontrolle und Steuerung der Friedensmission auf politischer Ebene verantwortlich. Auch die Übertragung der Befehlsgewalt bewegt sich in mit NATO-Missionen vergleichbarem Umfang. Die Mitgliedstaaten übertragen dem Force Commander die operative Kontrolle, üben aber weiterhin die nur in einem Teilbereich beschnittene Befehlsgewalt über ihre Kontingente aus. Auch die besondere Art und Weise der Durchführung der Operation Atalanta trägt zu dem Eindruck staatlicher Handlungen bei. Die beteiligten Schiffe fahren unter nationaler Flagge und haben ausschließlich ihre eigenen Kontingente an Bord. Diese haben daher keinen direkten Kontakt zum Befehlshaber der Operation, sind räumlich von ihm getrennt, und die Befehlskette verläuft stets über den sich an Bord befindlichen nationalen Kommandeur. Eine unmittelbare Steuerung der soldatischen Handlungen kann daher nicht durch eine EU-Stelle erfolgen.

43 44 45 46

Cremer, in: Callies/Ruffert, Art. 25, Rn. 5 f. Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP vom 10. November 2008, Art. 6 Abs. 1. Ibid., Art. 6 Abs. 3. Ibid., Art. 3.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

Für die Verantwortlichkeit des Mitgliedstaates spricht weiter Art. 12 der Gemeinsamen Aktion, der die Strafverfolgung von während der Operation festgenommenen Personen in die Zuständigkeit des Mitgliedstaates stellt, unter dessen Flagge fahrend die Gefangennahme erfolgte. Erst wenn der Staat seine gerichtliche Zuständigkeit nicht wahrnehmen will oder kann, kann die Person einem anderen Staat übergeben werden. In der Praxis wurde ein diesbezügliches Abkommen zwischen der EU und Kenia geschlossen.47 Die Bewertung der Gesamtumstände führt also auch hier trotz Übertragung der operativen Kontrolle zu dem Ergebnis, dass es weiterhin die Mitgliedstaaten sind, die effektive Kontrolle über ihre Streitkräfte ausüben und deshalb als vorrangiges Zurechnungssubjekt zu betrachten sind.

III. ISAF Die Führung von ISAF ist seit dem 11. August 2003 der NATO unterstellt, bis zu diesem Zeitpunkt oblag sie jeweils einem oder mehreren Staaten im Wechsel. In Bezug auf den zweiten Teil des Einsatzes unter Führung der NATO könnte sich die Zurechnungslage folglich ähnlich wie bei KFOR darstellen. Seit dem Zeitpunkt der Übernahme durch die NATO steht ISAF unter der politischen Kontrolle des Nordatlantikrates. Die militärische Kommandokette verläuft vom Rat über den Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) als Oberkommandierenden des NATOHauptquartiers in Europa (SHAPE). Als Verbindungsstelle des von der NATO ernannten ISAF-Kommandeurs dient das Allied Joint Force Command (JFC) Headquarters Brunssum als Nachfolger des Allied Forces Northern Region Headquarters (AFNORTH).48 Die truppenstellenden Staaten haben ihr operatives Kommando wiederum auf den ISAF Kommandeur übertragen, so dass die Kommandostruktur sich genau wie bei KFOR oder auch SFOR/IFOR darstellt.49 Die weitgehende staatliche Unabhängigkeit unter dem Dach des NATO-Einsatzes wird neben den bereits für KFOR beschriebenen Merkmalen auch in der weiteren Untergliederung der Kommandostruktur deutlich. So bestehen fünf Regional Commands unter der Vorherrschaft jeweils eines Staates um die militärischen Aufgaben der Provincial Reconstruction Teams (PRTs) in ihrem Zuständigkeitsbereich besser koordinieren zu können.50 . . . . 47 48 49 50

Council Decision 2009/293/CFSP vom 26. Februar 2009. Zwanenburg, Peace Support 2005, 48. Ibid. Weitere Informationen unter: http://www.hq.nato.int/isaf/.

B. Sonder- und Grenzfälle zurechenbaren Verhaltens

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Schließlich ist noch die Kommandostruktur zu beleuchten, wie sie für ISAF bestanden hat, bevor NATO die Führung übernommen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt handelte ISAF als ad hoc-Koalition mit der Ermächtigung des Sicherheitsrates.51 Mangels effektiver Kontrolle kann sich auch aus dieser Situation keine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Vereinten Nationen ergeben. Ihre Rolle in Afghanistan ist nach dem Mandat noch wesentlich geringer ausgeprägt als beispielsweise im Kosovo. Der Grundsatz der Zurechnung zu den truppenstellenden Staaten könnte daher höchstens aufgrund des Lead Nations-Konzepts anders zu bewerten zu sein. Genau wie bei Friedensmissionen in Verantwortung der NATO oder der EU wurde auch bei ISAF Kommandogewalt in begrenztem Maße auf die jeweilige Führungsnation übertragen. Wurde die Kontrolle der beteiligten internationalen Organisationen aber bereits als nicht effektiv unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung bewertet, muss dieses erst recht für ISAF und vergleichbare ad hoc-Zusammenschlüsse gelten. Die beteiligten Staaten bestimmen eine Führungsnation aus Praktikabilitätsgründen, eine zentrale Stelle erleichtert die Organisation und Kommunikation und verleiht der Operation ein nach außen einheitlich wirkendes Bild. Ein „mehr“ an Kontrolle oder sogar Verantwortlichkeit liegt hierbei aber nicht im Sinne der beteiligten Staaten. Daher waren auch in der ursprünglichen ISAF-Formation Handlungen den truppenstellenden Staaten und nicht der jeweiligen Führungsnation zurechenbar.

IV. Ergebnis Die Befehls- und Kommandostrukturen der drei untersuchten Friedensmissionen, die exemplarisch für andere Missionen mit gleicher oder ähnlicher Organisationsstruktur stehen, haben gezeigt, dass die effektive Kontrolle grundsätzlich bei den truppenstellenden Staaten besteht. Nach dem flexibel anzuwendenden Grundsatz der effektiven Kontrolle ist im Einzelfall aber auch die Zurechnung zu der beteiligten internationalen Organisation nicht ausgeschlossen. Dieses könnte beispielsweise der Fall sein, wenn die leitende Organisation die festgelegten Kommandostrukturen durchbricht und so die staatliche Kontrolle bewusst umgeht.

B. Sonder- und Grenzfälle zurechenbaren Verhaltens I. Mehrfache Zurechnung Effektive Kontrolle innerhalb einer Friedensmission ist nicht starr. Abweichend vom Normalfall, der Zurechnung völkerrechtswidriger Handlungen zum Entsendestaat, können sich daher verschiedene Konstellationen ergeben. Neben der Zurechnung nationaler Kontingente an entweder die internationale Organisation oder den 51

SR Res. 1386 vom 20. Dezember 2001.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

Entsendestaat kommt weiter die Zurechnung an beide Völkerrechtssubjekte in Betracht. Da es sich bei der Zurechnung um keine „entweder oder“-Entscheidung handelt, folgt aus der Zurechnung einer Handlung nicht, dass dieselbe Handlung nicht einem weiteren Subjekt zugerechnet werden kann. Diese Möglichkeit wird sowohl vom ILC-Sonderberichterstatter Gaja52 als auch der ILC53 bestätigt und ist auch ansonsten weithin anerkannt.54 In diesem Fall begehen verschiedene Völkerrechtssubjekte gleichzeitig eine jeweils eigene, wenn auch identische Rechtsverletzung.55 Da eine Handlung aufgrund der unterschiedlichen Verpflichtungen immer auch nur für eines der mehreren Zurechnungssubjekte eine Völkerrechtsverletzung darstellen kann, folgt aus der gemeinsamen Zurechnung nicht automatisch die gemeinsame Verantwortlichkeit.56 Die Schwierigkeiten dieser Konstellation werden zumeist in der Durchsetzung gesehen. Sowohl prozessuale Fragen des richtigen Anspruchsgegners als auch der mögliche Ausgleich im Innenverhältnis der gemeinsam verantwortlichen Rechtssubjekte sind bisher ungeklärt.57 Trotz der theoretisch gesicherten Basis der mehrfachen Zurechnung existieren Beispiele aus der Praxis praktisch nicht. So hat beispielsweise der EGMR in Behrami und Saramati KFOR-Handlungen den Vereinten Nationen zugerechnet und darauf verzichtet, die weitere Zurechnung zu den Entsendestaaten zu prüfen.58 Dennoch wird die mehrfache Zurechnung gerade für den Bereich der internationalen Friedensmissionen als wesentlich beschrieben,59 auf einen konkreten Anwendungsfall aber verzichtet. Regelmäßig wird nur auf die ausnahmsweise bestehende Verantwortlichkeit der Entsendestaaten bei UN-geführten Missionen verwiesen, wenn das nationale Kontingent Befehle des Force Commanders bewusst ignoriert und somit weiter unter der Kontrolle ihres Heimatstaates handelt.60 Bei UN-mandatierten Missionen kommt es zu einer ähnlichen Situation, wenn die UN oder eine beteiligte Regionalorganisation entgegen der Kommandostrukturen direkt auf die nationalen Kontingente zugreifen. Wendet man allerdings den favorisierten Test der effektiven Kontrolle an, ist fraglich, ob die beschriebenen Situationen oder eine vergleichbare Konstellation jemals zu einer gemeinsamen Zurechnung führen können. Denn gem. Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen muss die Verbindung eines Völkerrechtssubjekts bis zur eigentlichen Verletzungshandlung zurückverfolgt wer52

Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 4 f., para. 8. 53 ILC Report 2001, 101, para. 4. 54 Hirsch, 64; Larsen, EJIL 2008, 509, 517; Messineo, NILR 2009, 35, 40 f. 55 Talmon, in: Shiner/Williams, 185, 209. 56 Gaja, Second report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 541 vom 2. April 2004, 4 f., para. 8. 57 Talmon, in: Shiner/Williams, 185, 209. 58 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 141. 59 Krieger, JIPC 2009, 159, 171. 60 Hirsch, 67; Zwanenburg, 130 f.

B. Sonder- und Grenzfälle zurechenbaren Verhaltens

201

den. Da es auf die ansonsten bei dem Heimatstaat oder der internationalen Organisation verbliebenen Befugnisse über ihre entliehenen Organe nicht ankommt, sind Fälle der gemeinsamen Kontrolle und daraus resultierend der gemeinsamen Zurechnung kaum vorstellbar.61 Ignoriert ein Kontingent die Befehle des Force Commander, handelt es unter nationaler Autorität, und der Staat muss als Zurechnungssubjekt einstehen. Bei multinationalen Friedensmissionen ist es wichtig, die genaue Verletzungshandlung zu bestimmen. Denn begeht ein Soldat eine Völkerrechtsverletzung, wird diese seinem Heimatstaat zugerechnet. Führt er dabei einen bereits völkerrechtswidrigen Befehl aus, besteht eine weitere Völkerrechtsverletzung, die dem Heimatstaat des Kommandeurs zugerechnet wird.62 Nur wenn es sich um einen gemeinsamen Befehl handelt, kommt auch eine gemeinsame Zurechnung in Betracht. Die gemeinsame Zurechnung der soldatischen Handlung für den Normalfall ist hier also weder notwendig noch mit dem Recht der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zu vereinbaren. Die Option der mehrfachen Zurechnung erscheint daher zumindest für den Bereich der internationalen Friedensmissionen als weitgehend leere Hülle. Sieht man die Verantwortlichkeit für Peacekeeping-Handlungen im Zusammenspiel der einzelnen Akteure müsste man die Zurechnung daher entgegen des effective control-Tests nach dem Grad der Beteiligung an der Handlung bewerten.63 Dieses widerspricht aber nicht nur dem völkergewohnheitsrechtlichen Zurechnungsstandard der effektiven Kontrolle, sondern verursacht vielmehr unüberwindbare praktische Probleme bei der Bewertung.

II. Die Zurechnung von Ultra Vires-Handlungen Die Regel, dass ein Völkerrechtssubjekt auch für ultra vires-Handlungen seiner Organe haftet, ist im Recht der Staatenverantwortlichkeit seit langem anerkannt.64 Gleiches gilt auch für das Recht der internationalen Organisationen.65 So deckt Art. 6 des ILC-Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zwei Szenarien der Befugnisüberschreitung ab. Eine Handlung kann einerseits über die Befugnisse der internationalen Organisation hinausgehen und andererseits sich zwar innerhalb des Handlungsrahmens der Organisation bewegen, jedoch die Befugnisse des handelnden Organs überschreiten.66 Art. 6 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen kommt bei UN-mandatierten Friedensmissionen jedoch nur im Ausnahmefall zur Anwendung, wenn die effektive Kontrolle

61

Leck, MelbJIL 2009, 346, 361. Lorenz, 285. 63 So Leck, MelbJIL 2009, 346, 360 ff . 64 Felder, 60; Youmans, UNRIAA IV, 115 (1926); French-Mexican Claims Commission, Caire Claim, UNRIAA V, 516, 530 (1929). 65 IGH, Certain Expenses of the United Nations, ICJ Reports 1962, 151, 168. 66 ILC Report 2004, 116, para. 1. 62

202

Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

nicht bei den truppenstellenden Staaten, sondern bei den beteiligten internationalen Organisationen liegt. Andernfalls richtet sich die Zurechnung nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit. Gemäß Art. 7 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit ist eine Handlung als eine solche des Staates zu werten, wenn ein Staatsorgan in seiner zugedachten Eigenschaft handelt, selbst wenn es seine Kompetenzen überschreitet oder Weisungen zuwider handelt. Demnach muss ein solcher Zusammenhang zwischen der Handlung und den Aufgaben des Organs bestehen, dass die Handlung zumindest den Anschein erweckt als würde sie in Ausübung der offiziellen Funktion erfolgen.67 Probleme bereitet regelmäßig die tatsächliche Bewertung, ob eine Person in ihrer Eigenschaft als Staatsorgan gehandelt hat. Insbesondere können Soldaten im Einsatz mit Situationen konfrontiert werden, in denen sich nur schwer bestimmen lässt, ob sie noch innerhalb der Grenzen ihrer Eigenschaft als Staatsorgan gehandelt haben.68 Dieses mag ein Grund sein, weshalb im humanitären Völkerrecht weitere Zurechnungsregeln bestehen. Nach Art. 3 der Haager Landkriegsordnung von 1907 (HLK)69 und Art. 91 des 1. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen (Zusatzprotokoll I)70 ist eine Kriegspartei für alle Handlungen verantwortlich, die von zu ihren bewaffneten Streitkräften gehörenden Personen begangen werden. Hiervon werden auch private Handlungen ohne Bezug zur Eigenschaft als Organ erfasst, wie Art. 7 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit sie voraussetzt.71 Da internationale Friedensmissionen auch in Situationen eingesetzt werden können, in denen die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts erfüllt sind, könnten diese Sonderregeln dann auch für diese gelten. Nach Art. 55 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit sind die Zurechnungsnormen der ILC nicht anwendbar, wenn spezielle Regeln des Völkerrechts das Vorliegen einer völkerrechtswidrigen Handlung oder den Inhalt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit bestimmen. Ausgehend hiervon könnten die Regeln des humanitären Völkerrechts und insbesondere Art. 3 HLK beziehungsweise Art. 91 Zusatzprotokoll I als lex specialis dazu führen, dass auch im Bereich der mandatierten Friedenssicherung ein Staat für alle Handlungen und nicht nur für den engeren Bereich der ultra vires-Handlungen die Verantwortlichkeit trägt. Das Prinzip der absoluten Verantwortlichkeit einer an einem internationalen Konflikt beteiligten Partei gehört zu

67

ILC Report 2001, 102, para. 8. Kalshoven, ICLQ 1991, 827, 837. 69 IV. Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges mit Annex, 18. Oktober 1907, RGBl. 1910, 107 ff.; abgedruckt in: Schindler/Toman, 55. 70 Protocol Additional to the Geneva Conventions of 12 August 1949, and Relating to the Protection of Victims of International Armed Conflicts (Protocol I), 8 June 1977, UNTS 1125, 3. 71 Sassli, ICRC 2002, 401, 405; Sandoz/Swinarski/Zimmermann, 1057, Rn. 3660; Hoppe, EJIL 2008, 989, 991. 68

B. Sonder- und Grenzfälle zurechenbaren Verhaltens

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den gesicherten Vorschriften des Völkergewohnheitsrechts.72 Der Kommentar zu Art. 7 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit erwähnt die Vorschrift des Art. 91 Protokoll I allerdings als Unterstützung der in Art. 7 enthaltenen Regel und beschäftigt sich daher nicht mit dem Verhältnis der Vorschriften.73 Diese Einschätzung widerspricht aber dem Wortlaut, den travaux prparatoires und Lehrmeinungen.74 Die Zurechnung von Handlungen im Rahmen UN-mandatierter Missionen, die Befehlen oder Anweisungen zuwiderlaufen muss daher, liegen die Voraussetzungen des ius in bello vor, für Mitgliedstaaten der Haager Landkriegsordnung beziehungsweise des 1. Zusatzprotokolls nach diesen Regeln erfolgen, während es für Nicht-Vertragsparteien bei der Anwendbarkeit des Art. 7 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit verbleibt.75 Auch für internationale Organisationen wird die Anwendbarkeit spezieller Regeln des humanitären Völkerrechts bei ultra vires-Handlungen im ILC-Entwurf nicht thematisiert. Hier deutet die Staatenpraxis aber darauf hin, dass ultra vires-Handlungen zwar der Organisation zugerechnet werden, eine darüber hinausgehende absolute Verantwortlichkeit aber nicht besteht.76 Diese Position erscheint richtig im Lichte von Sinn und Zweck der Art. 3 HLK und Art. 91 Zusatzprotokoll I. Der strenge Zurechnungsmaßstab im humanitären Völkerrecht ist nur deshalb gerechtfertigt, weil die militärische Struktur eine wesentliche strengere Kontrolle über Soldaten als über übrige Staatsorgane erlaubt.77 Die Kontrolle der UN über ihre Friedensmissionen ist in diesem Sinne aber nicht mit nationalen Befehlsstrukturen vereinbar, insbesondere fehlt es dem Kommandeur an jeglicher Disziplinargewalt über die Truppen, da diese bei den Staaten verbleibt.78

III. Die Zurechnung von Off-Duty-Handlungen Sogenannte off duty-Handlungen eines Staatsorgans haben keinen Bezug zum Dienst und haben rein privaten Charakter. Die Abgrenzung zu ultra vires-Handlungen liegt demnach darin, dass letztere zwar unbefugt sind, aber im Dienst (on duty) stattfinden. Der Grundsatz, dass ein Staat nicht für rein private Handlungen seiner Organe haftet, ist im Recht der Staatenverantwortlichkeit lang verwurzelt und stellt gerade das Abgrenzungskriterium zu ultra vires-Handlungen dar.79 Auch dieser Grundsatz 72 IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Urteil vom 19. Dezember 2005, para. 214. 73 ILC Report 2001, 101, para. 4. 74 Sassli, ICRC 2002, 401, 405; Zwanenburg, 116. 75 Zwanenburg, 133. 76 Schmalenbach, YB Peace Operations 2005, 33, 39; Zwanenburg, 117. 77 Sassli, ICRC 2002, 401, 406; Zwanenburg, 117. 78 Zwanenburg, 117, 131. 79 ILC Report 2001, 102, para. 7; Felder, 61.

204

Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

ist auf internationale Organisationen übertragbar.80 Die UN hält sich ausdrücklich nicht für off duty-Handlungen von Mitgliedern ihrer Peacekeeping-Truppen verantwortlich.81 Sie stellt dieses darüber hinaus regelmäßig auch in den mit den Gaststaaten abgeschlossenen SOFAs klar.82 Praktische Folge dieser Regelung ist, dass etwa die in letzter Zeit mehrfach aufgekommenen Vorwürfe von sexuellem Missbrauch gegen UN-Peacekeeper83 nicht den Vereinten Nationen zugerechnet werden können, da es derartigen Handlungen offensichtlich am Bezug zur offiziellen Funktion der Organisation fehlt. Dennoch haben sich die Vereinten Nationen dem Problem angenommen.84 Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der truppenstellenden Staaten kommt nur in Betracht, wenn der Staat entgegen seinen internationalen Pflichten keine strafrechtlichen Ermittlungen einleitet.85 Auch hier findet aufgrund des rein privaten Charakters aber keine Zurechnung der soldatischen Handlung statt, sondern dem Staat wird sein eigenes Unterlassen vorgeworfen. Dieses führt zum nächsten Themenkomplex der abgeleiteten Verantwortlichkeit für fremde Völkerrechtsverletzungen.

C. Abgeleitete Verantwortlichkeit Nach den Grundsätzen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ist jedes Rechtssubjekt nur für seine eigene völkerrechtswidrige Handlung verantwortlich. Aufgrund der steigenden Verflechtungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft ist es einerseits aber auch möglich, dass eine Rechtsverletzung von mehreren Völkerrechtssubjekten gemeinsam durchgeführt und ihnen zugerechnet wird. Andererseits sind auch Fälle vorstellbar, in denen es zu einer Mitwirkung unterhalb der gemeinsamen Begehung kommt. Die dann entstehende abgeleitete Verantwortlichkeit sieht die ILC grundsätzlich für Beihilfe oder Unterstützung, Leitung oder Kontrolle und die Nötigung eines anderen Völkerrechtssubjekts vor. Insgesamt ist dieses in drei Konstellationen möglich, die alle auch bei UN-mandatierten Friedensmissionen eintreten könnten. Ein Staat kann Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit dem Handeln eines anderen Staates86 oder einer internationalen Organisation erfahren.87 Schließlich kann eine internationale Organisation die Handlungen eines Staates oder einer anderen internationalen Organisation unterstützen und so ihre Verantwortlichkeit be80

ILC Report 2004, 120, para. 9. UN Office of Legal Affairs, United Nations Juridical Yearbook 1986, 300. 82 Mgret, in: Aoi/de Cooning/Thakur, 250 – 259. 83 Vgl. hierzu etwa: Ndulo, Berkeley JIL 2009, 127 ff. 84 High-level Conference on Eliminating Sexual Exploitation and Abuse by UN and NGO Personnel, Conference Report vom 8. März 2007. 85 Leck, MelbJIL 2009, 346, 351 f. 86 ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 16 – 18. 87 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, Art. 25 – 27. 81

C. Abgeleitete Verantwortlichkeit

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gründen.88 Daneben bestehen noch Sonderregeln, die dem Verhältnis von Staat und internationaler Organisation geschuldet sind und deshalb ausschließlich im Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen Niederschlag gefunden haben. Diese werden behandelt, nachdem die konzeptionelle Grundlage der abgeleiteten Verantwortlichkeit geklärt worden ist.

I. Rechtsnatur Fraglich ist, für welche Handlung ein Völkerrechtssubjekt im Falle der Unterstützung eines anderen verantwortlich ist. Eine Zurechnung der eigentlichen Verletzungshandlung findet jedenfalls nicht statt, so dass an dieser Stelle die strikte Trennung zwischen Primär- und Sekundärnormen aufgegeben wurde. Begründet wurde dieses mit dem besonderen Bezug der Unterstützungs- zur Haupthandlung, sowie der meist vergleichbaren Struktur eines „Allgemeinen Teils“ in den nationalen Rechtsordnungen.89 Da ein Staat immer nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich ist, wird im Zuge der abgeleiteten Verantwortlichkeit auch nicht die Verantwortlichkeit des primär handelnden Rechtssubjekts zugerechnet, sondern es geht vielmehr um den eigenen kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung.90 Verletzt dieser Einfluss eine Rechtspflicht, besteht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit in dem gleichem Maße wie für direkt zurechenbare Handlungen.

II. Besondere Regeln bei der Beteiligung internationaler Organisationen Bei internationalen Friedensmissionen wirken Handlungen von Staaten und internationalen Organisationen stets zusammen, so dass weitere Fälle der abgeleiteten Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit der Handlung eines anderen Völkerrechtssubjekts sowohl für die beteiligten internationalen Organisationen als auch für die Mitgliedstaaten in Betracht kommen.

1. Verantwortlichkeit der internationalen Organisation für ihre Entscheidungen Es hat sich gezeigt, dass grundsätzlich die truppenstellenden Staaten die effektive Kontrolle bei UN-mandatierten Missionen ausüben und folglich völkerrechtlich verantwortlich sind. Aus diesem Grund ist es von besonderem Interesse, ob daneben eine weitere Völkerrechtsverletzung durch die beteiligten internationalen Organisationen 88 89 90

Ibid., Art. 12 – 15. ILC Report 2001, 153, para. 7. ILC Report 2005, 93, para. 2.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

stattgefunden hat. Neben den anerkannten Möglichkeiten der Beihilfe, Leitung und Nötigung eines anderen Rechtssubjekts sieht Art. 15 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen die Verantwortlichkeit für bindende Entscheidungen und sonstige Empfehlungen vor, deren Ausführung den internationalen Verpflichtungen der ermächtigenden internationalen Organisation entgegensteht. Die eigentliche Ausführung ist bei Empfehlungen die Voraussetzung der Verantwortlichkeit, während eine bindende Entscheidung für sich genommen bereits die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Organisation auslöst.91 Enthält also bereits die Entscheidung von entweder den UN oder der beteiligten Regionalorganisation zur Durchführung der Operation konkrete Handlungsanweisungen, die gegen ihre Rechtspflichten verstoßen, sind diese dafür verantwortlich. Dieses gilt unabhängig davon, ob die eigentliche Verletzung auch eine Völkerrechtsverletzung durch den Mitgliedstaat darstellt. Im Falle des eigentlichen Mandats durch die Vereinten Missionen muss die Verletzungshandlung aber zumindest zur Ausführung gelangt sein, da es den UN an einer Möglichkeit fehlt, Staaten obligatorisch in Friedensmissionen einzubinden.92 2. Mitgliedstaatliche Verantwortlichkeit für die Übertragung von Hoheitsgewalt Für den Fall, dass eine Handlung ausnahmsweise nicht den Mitgliedstaaten, sondern den Vereinten Nationen oder der ermächtigten Regionalorganisation zugerechnet wird, könnte zusätzlich dennoch eine Verantwortlichkeit der Staaten wegen der Übertragung ihrer Hoheitsgewalt in Betracht kommen. Der EGMR hat in mehreren Fällen angenommen, dass die Übertragung von Hoheitsgewalt auf internationale Organisationen nicht zu einem Verlust der mitgliedstaatlichen Verantwortlichkeit führen dürfe.93 Allerdings handelte es sich bei der betreffenden Organisation nie um die UN, sondern um die Europäische Gemeinschaft94 beziehungsweise die Europäische Weltraumbehörde.95 Dennoch ist aus diesem EGMR-Standpunkt teilweise eine allgemeine Regel abgeleitet und argumentiert worden, dass bei für eine Zurechnung unzureichender Kontrolle über das nationale Kontingent der Staat deshalb Verantwortlichkeit erfahre, weil er freiwillig und sich unter teilweiser Aufgabe seiner Hoheitsgewalt an einer multinationalen Friedensoperation beteiligt habe, in deren Verlauf es zu Völkerrechtsverletzungen gekommen sei.96 91

ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, Art. 15. Frowein/Krisch, in: Simma, Art. 42, Rn. 16; Kempen/Hillgruber, 221, Rn. 56. 93 EGMR, Matthews v. United Kingdom, ECHR 1999-I, 251, para. 32; EGMR, Waite & Kennedy v. Germany, ECHR 1999-I, 393, para. 67; EGMR, Bosphorus Hava Yollari v. Ireland, Urteil vom 30. Juni 2006, para. 154. 94 EGMR, Matthews v. United Kingdom, ECHR 1999-I, 251; EGMR, Bosphorus Hava Yollari v. Ireland, Urteil vom 30. Juni 2006. 95 EGMR, Waite & Kennedy v. Germany, ECHR 1999-I; EGMR, Beer & Regan v. Germany, ECHR 1999-I. 96 Cerone, EJIL 2001, 469, 486. 92

C. Abgeleitete Verantwortlichkeit

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Auch die ILC hat sich mit der Thematik befasst und den Grundsatz der mitgliedschaftlichen Verantwortlichkeit für die Übertragung von Hoheitsgewalt in Art. 28 Abs. 1 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen aufgenommen. In seiner bisherigen Version lautet er: A State member of an international organization incurs international responsibility if it circumvents one of its international obligations by providing the organization with competences in relation to that obligation, and the organization commits an act that, if committed by that State, would have constituted a breach of that obligation.

Aufgrund der zahlreichen kritischen Reaktionen seitens Staaten, die sich aber nicht auf den grundsätzlichen Inhalt, sondern nur auf den weiten Wortlaut der Norm beziehen, hat Sonderberichterstatter Gaja in seinem siebten Bericht eine andere Formulierung vorgeschlagen.97 Durch diese soll die potentielle Staatenverantwortlichkeit insoweit eingegrenzt werden, dass nicht jede Übertragung von Hoheitsgewalt gleichbedeutend mit der Umgehung von Pflichten des Staates ist. Anstelle der ebenfalls vorgeschlagenen subjektiven Kriterien, entschied Gaja sich für eine Begrenzung, die sich objektiv aus den einzelnen Umständen ergeben soll:98 A State member of an international organization incurs international responsibility if: (a) it purports to avoid compliance with one of its international obligations by availing itself of the fact that the organization has been provided with competence in relation to that obligation, and (b) the organization commits an act that, if committed by the State, would have constituted a breach of the obligation.

Als Quelle der Norm verweist die ILC ausschließlich auf die EGMR-Rechtsprechung, insbesondere auf Waite & Kennedy und Bosphorus, sowie diese bestätigende Ansichten in der Literatur. Dieser Umstand zeigt einerseits, dass es sich um keinen bereits gewohnheitsrechtlich etablierten Rechtssatz handelt99 und andererseits, dass Art. 28 Abs. 1 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen inhaltlich deckungsgleich mit der EGMR-Rechtsprechung ist. Demnach ist die Übertragung von Hoheitsgewalt nur zulässig, wenn die ursprünglichen Pflichten sichergestellt werden.100 Im Bosphorus-Urteil, welches die Beschlagnahme eines Flugzeugs einer türkischen Fluggesellschaft durch irische Behörden aufgrund einer EG-Richtlinie betraf, konkretisierte der Gerichtshof diese Anforderungen an die Mitgliedstaaten. Er hat das Verhältnis zwischen den Rechten der EMRK und dem Gemeinschaftsrecht auf ähnliche Weise bestimmt, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Solange-Rechtsprechung das Verhältnis von Verfassungsrecht und 97

Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/ 610 vom 27. März 2009, 26, para. 77 ff. 98 Ibid., para. 82. 99 Breitegger, ICLR 2009, 155, 163; Gaja, Seventh report on responsibility of international organization, UN Doc. A/CN.4/610 vom 27. März 2009, 26, para. 77. 100 EGMR, Matthews v. United Kingdom, ECHR 1999-I, para. 31.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

Gemeinschaftsrecht.101 Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts sei zwar nicht Prüfungsgegenstand des Gerichtshofes, jedoch solange gerechtfertigt wie die Gemeinschaft einen mit der EMRK vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleiste.102 a) Anwendbarkeit auf UN-mandatierte Missionen Es stellt sich daher die Frage, ob es grundsätzlich möglich ist, aus diesen Grundsätzen die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten bei UN-mandatierten Missionen zu konstruieren, wenn die eigentliche Zurechnung der Verletzungshandlung zu einer internationalen Organisation erfolgt. Auch diese Frage war Gegenstand der Rechtsprechung in Behrami und Saramati. Die Beschwerdeführer hatten erfolglos unter Berufung auf die Bosphorus-Formel des vergleichbaren Schutzes vorgebracht, dass UNMIK und KFOR keinen äquivalenten Grundrechtsschutz böten und der Gerichtshof daher zur Überprüfung ihrer Handlungen ratione personae zuständig sei.103 Problematisch ist hier, dass eine Verantwortlichkeit für die Übertragung von Hoheitsgewalt nur in Betracht kommt, wenn es sich um eine Verpflichtung des Mitgliedstaates handelt, die er eingegangen ist, bevor er Teile seiner Hoheitsgewalt auf eine internationale Organisation übertragen hat. Stellt man hier, wie vom Gerichtshof offensichtlich geschehen,104 auf die Mitgliedschaft in den UN ab, scheidet eine Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten in aller Regel bereits deshalb aus, weil die Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen länger als die nach der EMRK bestehen. Genau genommen begründet aber noch nicht die bloße Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen die eventuell fehlende Zurechenbarkeit der nationalen Kontingente zu den Mitgliedstaaten, sondern erst der weitere Transfer von Hoheitsgewalt zur Durchführung einer bestimmten Friedensmission.105 Im Falle der behandelten KFOR-Kontingente müsste also auf den Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution 1244 im Jahr 1999 und nicht auf den des Beitritts zu den Vereinten Nationen abgestellt werden, da für jede Mission theoretisch Mechanismen geschaffen werden können, durch die ein vergleichbarer Menschenrechtsschutz wie nach der EMRK gewährleistet wird.106 Die hauptsächlichen Einwände des EGMR gegen die Anwendbarkeit der Bosphorus-Formel entstammen aber der von ihm vorgenommenen Differenzierung der Sachverhalte in Behrami und Saramati und Bosphorus. Die Beschlagnahme des Flugzeugs sei durch irische Staatsorgane, auf irischem Territorium und aufgrund der Entschei101 BVerfGE 73, 339 (Solange II); bestätigt in: BVerfGE 102, 147 (Bananenmarktordnung), dazu: Haratsch, ZaöRV 2006, 927; Winkler, EuGRZ 2007, 641. 102 EGMR, Bosphorus Hava Yollari v. Ireland, Urteil vom 30. Juni 2005, para. 153 – 156. 103 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 80. 104 Ibid., para. 147. 105 Krieger, JIPC 2009, 159, 174. 106 Ibid.

C. Abgeleitete Verantwortlichkeit

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dung eines Ministers erfolgt. Die Zuständigkeit des Gerichts ratione personae habe daher nie in Frage gestanden, während die gerügten Handlungen in Behrami und Saramati nicht den Konventionsstaaten zurechenbar seien und darüber hinaus auch weder auf ihrem Staatsgebiet noch aufgrund einer Entscheidung des Staates stattgefunden hätten.107 Unabhängig davon, ob man die Entscheidung des Gerichts bezüglich des Zurechnungssubjekts der Vereinten Nationen teilt, weist die Argumentation weitere Schwachstellen auf. Die aufgezeigten Unterschiede berühren nicht die Frage, ob ein Staat Hoheitsrechte auf eine internationale Organisation übertragen durfte,108 sondern erschöpfen sich in der unterschiedlichen Bewertung der Zurechnungslage.109 Die Zurechnung stellt aber keine Voraussetzung der Anwendbarkeit der BosphorusFormel dar, denn diese soll gerade die Verantwortlichkeit für einen separaten Bruch der Konvention überprüfen.110 Es geht dabei nur um die Übertragung von Hoheitsgewalt, durch welche die eigentliche Rechtsverletzung durch eine internationale Organisation erst ermöglicht worden ist. Entgegen dem EGMR kann diese Verantwortlichkeit also nicht mangels Zurechnung abgelehnt werden. Weiterhin stellt der Gerichtshof auf die Unterschiede zwischen einer internationalen Kooperation wie der EG in Bosphorus und einer internationalen Organisation wie den Vereinten Nationen ab. Hieraus folgt, dass der Gerichtshof zwar Entscheidungen des Sicherheitsrats überprüfen kann, wenn sie durch die EG umgesetzt worden sind, nicht aber wenn sie durch Konventionsstaaten direkt ausgeführt werden.111 Dieser Unterscheidung fehlt es an einer rationalen Basis, da es sich rechtlich in beiden Fällen um Entscheidungen des Sicherheitsrats handelt. Die Entscheidung des EGMR ist nur vor dem bereits beschriebenen Hintergrund verständlich, dass er eine Überprüfung der mitgliedstaatlichen Beiträge zu UNMIK und KFOR auf jeden Fall vermeiden wollte um die zukünftige Funktionsfähigkeit des Systems der kollektiven Sicherheit nicht zu gefährden.112 Unabhängig der Sonderstellung der Vereinten Nationen hätte der Gerichtshof an dieser Stelle also fragen müssen, ob Rechtsmittel gegen UNMIKund KFOR-Handlungen zur Verfügung stehen und ob diese in der Lage sind, einen äquivalenten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dieses ist aber höchst zweifelhaft, da die Vereinten Nationen zu einer Zeit entstanden sind, als es undenkbar erschien, dass Einzelpersonen Rechte gegen die UN geltend machen und die Charta daher auch nicht vom Gedanken der Rechtsstaatlichkeit geprägt ist.113 Die im Kosovo errichteten Mechanismen wie die Claims Commissions und das Human Rights Advisory Panel genügen den Anforderungen der EMRK an einen effektiven Rechtsschutz je107 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 151. 108 Häußler, HuV-I 2007, 238, 244. 109 Sari, HRLR 2008, 151, 168. 110 Breitegger, ICLR 2009, 155, 173; Krieger, JIPC 2009, 159, 175. 111 Breitegger, ICLR 2009, 155, 173. 112 EGMR, Behrami und Behrami v. Frankreich und Saramati v. Frankreich, Deutschland und Norwegen, Entscheidung vom 2. Mai 2007, ILM 2007, 743, para. 149. 113 Tomuschat, MelbJIL 2008, 391, 395.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

denfalls nicht.114 Bei richtiger Anwendung der Bosphorus-Formel hätte der EGMR demnach zur Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Übertragung ihrer Hoheitsgewalt gelangen müssen.115 b) Ergebnis Die Existenz einer Regel der Verantwortlichkeit für die Übertragung von Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 28 Abs. 1 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen unterstellt, kann diese auch bei UN-mandatierten Missionen zu einer Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten neben den Vereinten Nationen oder einer Regionalorganisation führen. 3. Durchgriffswirkung auf Mitgliedstaaten Ist ein Drittstaat durch ein der internationalen Organisation zurechenbares Verhalten verletzt worden, stellt sich weiter die Frage, ob auch die hinter der Organisation stehenden Mitgliedstaaten haften. Da die Verletzungshandlung von einem anderen Völkerrechtssubjekt vorgenommen wurde, kann es hier aber nur um indirekte oder subsidiäre Verantwortlichkeit der Staaten gehen.116 Praktisch relevant wird dieses, wenn die finanziellen Mittel der internationalen Organisation nicht ausreichen, um den Schaden abzudecken, oder der Anspruch an der Durchsetzbarkeit scheitert. Dafür wird angeführt, dass die Mitglieder die internationale Organisation mitsamt ihrer Deliktsfähigkeit erst erschaffen hätten und sich durch die einseitige Einschaltung eines weiteren Völkerrechtssubjekts nicht von ihrer Verantwortlichkeit frei zeichnen könnten.117 Dem wird entgegengehalten, dass für diesen Ansatz keine völkerrechtliche Regel existiert und ein Völkerrechtssubjekt daher grundsätzlich nur für eigene Verletzungen einzustehen habe.118 Aus der Rechtsprechungspraxis gibt es nur wenige Fälle, die sich mit diesem Verhältnis beschäftigen. Zu nennen sind hier der Westland-Fall und der Zusammenbruch des internationalen Zinnrates. Ersterer betraf Forderungen der Westland Helicopters Gesellschaft im Zusammenhang mit der Liquidation der Arab Organization of Industrialization (AOI). Vor der Internationalen Handelskammer begehrte die Klägerin Schadensersatz von der AOI, ihren vier Mitgliedstaaten und der Arab British Helicopter Company, die als joint stock company von der AOI und Westland gegründet worden war. Da Gründungsverträge und Satzungen der AOI keine Regelungen über die Haftung enthielten, stellte die Handelskammer unter Berufung auf allgemeine 114

Knoll/Uhl, EHRLR 2007, 534; Narten, HuV-I 2004, 144, 149 f. Stoltenberg, ZRP 2008, 111, 113; Sari, HRLR 2008, 151, 169; Hafner, in: FS Bothe, 103, 118; Häußler, HuV-I 2007, 238, 244. 116 Pitschas, 71; Hirsch, 164 ff.; Ginther, 184 ff; ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, Art. 29 Abs. 2. 117 Meng, ZaöRV 1985, 324, 338 f.; Stein/von Buttlar, 123, Rn. 388. 118 Hartwig, 290 ff. 115

C. Abgeleitete Verantwortlichkeit

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Rechtsgrundsätze und das Prinzip des guten Glaubens fest, dass derjenige, der wirtschaftliche Geschäfte tätigt, für die Folgen einzustehen hat.119 Die Entscheidung wurde von Ägypten vor schweizerischen Gerichten angefochten und in der Folge für diesen Staat aufgehoben.120 Allerdings beriefen sich diese Gerichte ausschließlich auf nationales Recht und begründeten ihre Entscheidung damit, dass die AOI rechtlich unabhängig von ihren Mitgliedern bestünde und die von ihr unterzeichnete Schiedsklausel daher nicht für Dritte gelten könne. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutsamer war der Zusammenbruch des Zinnrates, einer Rohstofforganisation mit Sitz in London. Nachdem der Zinnrat seine Kredite nicht mehr bezahlen konnte, versuchten die Gläubiger, ihre offenen Forderungen vor englischen Gerichten gegen die Mitgliedstaaten durchzusetzen. Der zentrale Punkt der Verfahren war, ob die Mitglieder völkerrechtlich für die zivilrechtlichen Verbindlichkeiten der Organisation haften. Da die Haftungsbeschränkungen im Gründungsvertrag in dieser Hinsicht ambivalent waren und eine solche Regel auch nicht im allgemeinen Völkerrecht nachgewiesen werden konnte, wurden die Klagen der Gläubiger abgewiesen.121 Bereits aufgrund der verschiedenen Begründungen kann aus dieser Fallpraxis keine völkergewohnheitsrechtliche Regel entnommen werden. Darüber hinaus betreffen beide Fälle zivilrechtliche Ansprüche, wobei über den Zusammenbruch des Zinnrats auch vor der Internationalen Handelskammer nach nationalem Recht entschieden worden ist.122 Weiter kann auch aus den vereinzelt in Gründungsverträgen enthaltenen Haftungsausschlussregeln oder der nur im Innenverhältnis bestehenden Beitragspflicht der Mitglieder nicht auf eine allgemeine Regel für oder gegen die Durchlässigkeit der Völkerrechtssubjektivität einer internationalen Organisation geschlossen werden.123 Stattdessen wird die Haftungsmöglichkeit der Mitgliedstaaten teilweise aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze zugelassen, die sich aus Parallelen zum nationalen Gesellschaftsrecht ergäben.124 Richtigerweise muss aber auch dieser Vergleich schei119 International Chamber of Commerce, Court of Arbitration, Westland Helicopter Ltd. v. Arab Organization for Industrialization, United Arab Emirates, Saudi Arabia, Qatar, Egypt, Arab British Helicopter Company, Entscheidung vom 5. März 1984, ILR 80, 596, 613. 120 Cour de Justice de Genve, Arab Organization for Industrialization, Arab British Helicopter Company and Arab Republic of Egypt v. Westland Helicopter Ltd., United Arab Emirates, Kingdom of Saudi Arabia and State of Qatar, Urteil vom 23. Oktober 1987, ILR 80, 622; Schweizer Bundesgericht, Westland Helicopter Ltd. v. Arab Organization for Industrialization and Others, Urteil vom 18. Juli 1988, ILR 80, 652. 121 Court of Appeal, Maclaine Watson v. Department of Trade and Industry, Urteil vom 27. April 1988, ILR 80, 47; House of Lords, Australia & New Zealand Banking Group Ltd. and Others v. Commonwealth of Australia and 23 Others; Amalgamated Metal Trading Ltd. and Others v. Department of Trade and Industry and Others; Maclaine Watson & Co. Ltd. v. Department of Trade and Industry; Maclaine Watson & Co. Ltd. v. International Tin Council, Urteil vom 26. Oktober 1989, ILM 1990, 675. 122 Zwanenburg, 78; Hirsch, 127 f. 123 Pitschas, 72 ff.; Dold, 123 f. 124 Pitschas, 76 ff.; Frank, 236 ff.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

tern, denn die einzelnen Rechtssysteme kennen Gesellschaften in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen und mit verschiedenen Haftungsregeln, die eine einheitliche Regel nicht extrahieren lassen.125 Ausgehend von dieser Annahme hat das Institut de Droit International (IDI) 1995 auch eine Resolution erlassen, in der es in Art. 6 (a) heißt: Save as specified in article 5, there is no general rule of international law whereby States members are, due solely to their membership, liable, concurrently or subsidiarily, for the obligations of an international organization of which they are members.126

Diese Aussage wurde teilweise als Absage an jegliche Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für das Verhalten einer Organisation bewertet, von den Mitgliedern des Instituts aber nicht als solche verstanden.127 Im Zusammenhang mit Art. 5 der Resolution ist nur der Schluss zulässig,128 dass nur im Grundsatz keine Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten besteht, Ausnahmen aber durchaus möglich sind.129 Ausgehend von dieser Annahme hat die ILC Art. 29 in ihren Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen eingefügt. Dieser lässt einen Durchgriff auf die Mitgliedstaaten nur zu, wenn der Mitgliedstaat seine Verantwortlichkeit akzeptiert oder bei dem verletzten Völkerrechtssubjekt eine derartige Erwartung geweckt hat. Ob sich das Völkergewohnheitsrecht in diesen zwei Ausnahmen wirklich erschöpft, ist allerdings unklar. So möchte Hartwig im Einzelfall untersuchen, ob die internationale Organisation als eigenständige Einheit erscheint oder so von den Staaten kontrolliert wird, dass ein Durchgriff gerechtfertigt ist.130

D. Die Verletzung Positiver Verpflichtungen Weiter könnte es bei UN-mandatierten Friedensmissionen auch zu einer Verletzung positiver Verpflichtungen kommen. Für den Bereich der Menschenrechte ist anerkannt, dass sie zwei unterschiedliche Pflichten begründen. Einerseits verpflichten sie Staaten, keine Verletzungen durch Staatsorgane oder sonstige, ihnen zuzurechnenden Personen vorzunehmen. Andererseits begründen sie auch die positive Pflicht,

125

Zwanenburg, 78; Dold, 125; Higgins, Annuaire de lInstitut de Droit international, vol. 66-I, 1995, 251, 417 f.; Hirsch, 130 f. 126 Annuaire de lInstitut de Droit international, vol. 66-II, 1996, 445. 127 Zwanenburg, 80 f. 128 Artikel 5 lautet: (a) The question of the liability of the members of an international organization for its obligations is determined by reference to the Rules of the organization; (b) In particular circumstances, members of an international organization may be liable for its obligations in accordance with a relevant general principle of law, such as acquiescence or the abuse of rights. 129 Hartwig, 296 ff.; ILC Report 2006, 289, para. 6. 130 Hartwig, 297.

E. Zusammenfassung

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sicherzustellen, dass derartige Verletzungen nicht durch Dritte verübt werden.131 Dieser Grundsatz wird mittlerweile vom IGH, dem Menschenrechtsausschuss und dem EGMR angewendet,132 hat sich aber erst aufgrund der Rechtsprechung des Amerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte etabliert, der durch die Begründung von due diligence-Verpflichtungen eine Beweislastumkehr in Verfahren bewirkte, in denen es um das Verschwindenlassen von Personen ging: An illegal act which violates human rights and which is initially not directly imputable to a State […] can lead to international responsibility of the State, not because of the act itself, but because of the lack of due diligence to prevent the violation or to respond to it as required by the Convention.133

Problematisch bei der Übertragung auf UN-mandatierte Missionen ist, dass due diligence Verpflichtungen sich immer auf das Handeln Privater beziehen.134 Da private Handlungen einem Staat nicht zurechenbar sind, kann nur auf diese Weise überhaupt eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit für die Verletzungshandlung hergeleitet werden. Bei UN-mandatierten Friedensmissionen stellt sich die Situation aber anders dar. Die Völkerrechtsverletzung ist entweder einem Staat oder einer internationalen Organisation zurechenbar, und eine Verletzung positiver Verpflichtungen würde nur eine daneben bestehende zusätzliche völkerrechtliche Verantwortlichkeit begründen. Da der Rückgriff in diesem Fall also nicht „nötig“ ist, kann an dieser Stelle offengelassen werden, ob es mit dem Sinn und Zweck von due diligence-Verpflichtungen vereinbar ist, diese auch im Kontext von UN-mandatierten Missionen anzuwenden.

E. Zusammenfassung Die Zurechnungssituation bei Völkerrechtsverletzungen UN-mandatierter Friedensmissionen stellt sich im Regelfall also wie folgt dar: Die Entsendestaaten üben effektive Kontrolle über ihre Kontingente aus, so dass deren Handlungen dem Staat zurechenbar sind. Hiervon umfasst sind auch ultra vires-Handlungen, nicht jedoch rein private Handlungen. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit letzteren kann nur entstehen, wenn der Staat pflichtwidrig die Strafverfolgung unterlässt. Die Zurechnung einer Handlung an mehrere Völkerrechtssubjekte ist zwar möglich, kommt bei UN-mandatierten Friedensmissionen unter Zugrundelegung des effective control-Tests des Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen praktisch aber nicht vor.

131 IGH, Armed Activities in the territory of Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Urteil vom 19. Dezember 2005, para. 179. 132 Milanovic´, HRLR 2008, 411, 442. 133 AGMR, Velasquez-Rodriguez v. Honduras, Series C 4 (1988), para. 172. 134 Dröge, 293.

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Kap. 5: Anwendung und Auswirkungen des Tests der effektiven Kontrolle

Neben der Verantwortlichkeit der Entsendestaaten für die primäre Rechtsverletzung können weitere Rechtssubjekte aus ihrer abgeleiteten Verantwortlichkeit haften. Hier kommen insbesondere Beihilfe-Handlungen oder rechtswidrige und an die Mitgliedstaaten adressierte Entscheidungen internationaler Organisationen in Betracht. Ist eine Rechtsverletzung ausnahmsweise einer internationalen Organisation zurechenbar, ist stets an die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Übertragung ihrer Hoheitsgewalt zu denken. Auch wenn völkerrechtliche Verantwortlichkeit durch eine Unterstützungshandlung genau wie durch die direkte Begehung einer Pflichtverletzung entsteht, sind diese dogmatisch voneinander zu trennen. Der Wiedergutmachungsanspruch richtet sich immer auf eine bestimmte Rechtsverletzung. Deshalb kann eine Verletzung einer primären Pflicht auch nicht abgegolten werden, wenn es lediglich zur Durchsetzung der abgeleiteten Verantwortlichkeit kommt. Rechtlich und moralisch kann abgeleitete Verantwortlichkeit daher auch nur neben und nicht statt der eigentlichen Verantwortlichkeit existieren.

Kapitel 6

Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit bei UN-mandatierten Friedensmissionen Bereits einleitend wurde festgestellt, dass de jure und de facto fehlende Rechtsbehelfe gegen Verletzungen von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht durch internationale Friedensmissionen geeignet sind, die Glaubwürdigkeit und damit den Erfolg der Operation in Frage zu stellen. Nachdem die materiellen Fragen geklärt worden sind, werden in einem letzten Teil die sich daraus praktisch ergebenen prozeduralen Folgen dargestellt. Die bestehenden Claims Commissions sind für Ansprüche von Gaststaat und Einzelnem auf zivilrechtliche Streitigkeiten gegen die den Einsatz führende internationale Organisation beschränkt. Auch schließen sie Ansprüche aus, die infolge von „operational necessity“ entstanden sind. Sie können deshalb insgesamt nicht den menschenrechtlichen Mindestanforderungen an ein wirksames Beschwerdesystem gerecht werden. Die grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzbarkeit von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht sind allerdings nicht nur prägend für internationale Friedensmissionen, sondern spiegeln sich in vielen Bereichen wider. Die Wurzeln dessen lassen sich auf die Natur dieser Rechtsordnungen zurückführen. So sind Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht zwar Teil des zwischenstaatlichen Rechts, doch übertragen sie Rechte auf Individuen, ihr Sinn und Zweck entspricht dabei nicht den reziproken Verpflichtungen anderer internationaler Verträge.1 Die üblichen Durchsetzungsmechanismen des Völkerrechts entsprechen daher den Bedürfnissen dieser Rechtsregime nur mit Einschränkungen und machen alternative Lösungen notwendig.2 Ziel dieses Kapitels ist es, die existierenden Mechanismen bei Verletzungen von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht während UN-mandatierter Missionen vorzustellen, auf Schutzlücken aufmerksam zu machen und nach Alternativen zu suchen. Unterschieden werden muss dabei zwischen der hier vertretenen Lösung der regelmäßigen Zurechnung an die Mitgliedstaaten und der Zurechnung an eine beteiligte internationale Organisation, die nach der Rechtsprechung des EGMR jedenfalls für KFOR besteht. Aufgrund des internationalen Einflusses des EGMR ist eine praktische Ausweitung dieser Lösung auf andere Friedensmissionen nicht unwahrscheinlich.

1 Moravcsik, Int. Org. 2000, 217 und speziell für das humanitäres Völkerrecht: Meron, AJIL 2000, 239, 251; Zwanenburg, 274. 2 Shelton, 98.

216

Kap. 6: Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

A. Sinn und Zweck effektiver Durchsetzungsmechanismen Zunächst handelt es sich bei den in Betracht kommenden Völkerrechtsverstößen um Verletzungen der Rechte des Einzelnen, die keine unmittelbar spürbaren Folgen für den Staat auslösen. Um von einer effektiven Durchsetzung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht ausgehen zu können, müssen daher auch die dem Einzelnen zustehenden Mechanismen im Mittelpunkt stehen. Subjektive Rechte erfüllen ihren Zweck nur, wenn Verletzungen gegenüber den Verantwortlichen eingeklagt werden können und die entsprechende Instanz in der Lage ist, dem Opfer eine durchsetzbare Wiedergutmachung in angemessener Höhe und Form zuzusprechen.3 Nach heutiger Auffassung sollte dieses idealtypisch durch ein bindendes Urteil einer gerichtlichen Institution mit individuellem Zugang geschehen.4 Zum Ausdruck, wenn auch in rechtlich unverbindlicher Weise, gelangt dieser Grundsatz etwa in den von der Generalversammlung angenommenen Prinzipien über das Recht von Opfern schwerer Verletzungen von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht auf Rechtsschutz und Wiedergutmachung.5

B. Derzeitige Situation I. Durchsetzungsmöglichkeiten des Einzelnen gegen den Staat Gelangt man zu einer Zurechnung zum Staat, ist es dem Einzelnen grundsätzlich möglich, Rechtsschutz auf drei Ebenen zu erlangen, namentlich der nationalen, regionalen und internationalen. Vor Gerichten des Gaststaates genießen Peacekeeper internationaler Friedensmissionen aber Immunität, so dass diese Möglichkeit selbst bei einem intakten und effektiven Gerichtssystem ausscheidet. Auf regionaler Ebene bestehen in Europa, Amerika und Afrika Menschenrechtsschutzsysteme, die in ihrer Wirkung und ihrem Einfluss aber höchst unterschiedlich ausgeprägt sind. Der EGMR besitzt eine umfassende und obligatorische Zuständigkeit für Individualbeschwerden. Seine Urteile stehen dabei in Wirksamkeit und Umsetzung denen von nationalen Gerichten nicht nach.6 Dagegen befindet sich das amerikanische System auf dem Stand des europäischen vor den umfassenden Reformen von 1998 und leidet darüber hinaus massiv an der Abwesenheit der zwei größten Akteure in der Region, den USA und Kanada. Der afrikanische Menschengerichtshof steckt dagegen noch in den 3

Nowak, VN 2008, 205, 210. Alter, Comparative Political Studies 2006, 22, 24 – 25. 5 Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law, GA Res. 60/147 vom 16. Dezember 2005. 6 Moravcsik, Int. Org. 2000, 217, 218. 4

B. Derzeitige Situation

217

Kinderschuhen und lässt eine akkurate Einschätzung seines Erfolges noch nicht zu.7 Auf dem asiatischen Kontinent existiert hingegen kein vergleichbares Menschenrechtsinstrument. Weiter ist es nicht möglich, vor den bestehenden regionalen Mechanismen Verletzungen von humanitärem Völkerrecht geltend zu machen, da die Zuständigkeit immer auf Menschenrechte beschränkt ist.8 Folge für die Opfer ist also, das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen unterstellt, dass Wirksamkeit und Erfolg ihrer Rechtsbehelfe entscheidend davon abhängig sind, durch welches Kontingent welche Art der Verletzung erfolgte. Zu einem Konflikt könnte es auch mit der third party rule9 kommen, nach der die Zuständigkeit ausscheidet, wenn notwendig über Rechte und Pflichten eines Drittstaates entschieden werden muss.10 Darüber hinaus bestehen praktische Probleme der Zugänglichkeit zu den Mechanismen, die nicht nur in der Person des Opfers selber liegen, sondern aufgrund der extraterritorialen Wirkung der Menschenrechte die jeweilige Institution räumlich noch weiter vom Tatort abrücken, als dieses das System der kontinentalen Organisationen bereits mit sich bringt. Auf internationaler Ebene existieren keine individuellen gerichtlichen Rechtsschutzmechanismen. Allerdings weisen vier der sieben UN-Menschenrechtsschutzverträge die quasi-gerichtliche Möglichkeit individueller Beschwerdeverfahren auf.11 Der Zugang ist allerdings optional und abhängig von der Zustimmung des Staates. Auch entfalten die Ansichten der Ausschüsse zur Überwachung der Verträge keine rechtlich bindende Wirkung. Ihr Erfolg wird höchst unterschiedlich bewertet. Einerseits haben sie bisher nur über relativ wenige Verfahren entschieden und selbst die Existenz der Mechanismen ist bei weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt. Nach Abschluss eines Verfahrens gibt es keinerlei direkte Möglichkeiten, die Umsetzung zu verfolgen, wobei diese Aufgabe seit 2006 aber durch den neu geschaffenen UN-Menschenrechtsrat wahrgenommen werden könnte.12 Auch steigt die Anzahl ihrer Fälle kontinuierlich, und die Akzeptanz der Staaten ist zumindest weit besser als ursprünglich erwartet. Insgesamt kann das Ausschusssystem am ehesten als wertvolles Element der Weiterentwicklung von Menschenrechten beschrieben werden, das dem Einzelnen aber kein sinnvolles Forum für seinen persönlichen Fall bietet.13 7

Dazu etwa: van der Mei, Leiden JIL 2005, 113, 129. Zwanenburg, 274 ff. 9 Zurückzuführen auf: IGH, Monetary Gold, ICJ Reports 1954, 32. 10 Lorenz, 290. 11 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, 10. Dezember 1984, BGBl. 1990 II, 246, UNTS 1465, 85, Art. 22; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, 21. Dezember 1965, BGBl. 1969 II, 961, UNTS 660, 195, Art. 22; Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, 6. Oktober 2000, BGBl. 2001 II, 1238, UNTS 2131, 83; Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, 16. Dezember 1966, BGBl. 1992 II, 1247, UNTS 999, 302. 12 Nowak, Human Rights, 251 f. 13 Buergenthal, AJIL 2006, 783, 791. 8

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Kap. 6: Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

Vereinzelt wird auch vertreten, dass die Ausschüsse auch indirekt über Verletzungen humanitären Völkerrechts entscheiden können, doch ist diese Lösung aufgrund ihrer beschränkten Zuständigkeit abzulehnen.14 Als letzte Option bleibt den Opfern der Gang vor die nationalen Gerichte der truppenstellenden Staaten, um wenigstens nach ausländischem Zivilrecht entschädigt zu werden. Zu bedenken ist aber, dass es sich auf der einen Seite stets mühsam gestaltet, Rechte vor Gerichten fremder Staaten in fremden Rechtskreisen durchzusetzen. Auf der anderen Seite sind menschenrechtliche Ansprüche in bisherigen Verfahren zumeist gescheitert. Schließlich lehnen viele Staaten völkerrechtliche Individualansprüche aus Verletzungen humanitären Völkerrechts grundsätzlich ab.

II. Durchsetzungsmöglichkeiten des Einzelnen gegen internationale Organisationen Gelangt man zu dem Ergebnis, dass Völkerrechtsverstöße nicht einem Einzelstaat, sondern einer internationaler Organisation zuzurechnen sind, stehen dem Einzelnen keine Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung, und er wird diesbezüglich schutzlos gestellt. Kein internationales Gremium besitzt die Zuständigkeit, über Rechtsverletzungen internationaler Organisationen zu entscheiden, und auf nationaler Ebene existieren umfassende Immunitätsregeln. Als Ausnahme zu dieser Regel ist lediglich auf das Rechtsschutzsystem in den Europäischen Gemeinschaften zu verweisen. Unter den engen Voraussetzungen des Art. 230 IV beziehungsweise 232 Abs. 3 EGV ist es auch natürlichen und juristischen Personen möglich, Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklage gegen Organe der Gemeinschaft zu erheben. Erstinstanzlich zuständig ist das Gericht erster Instanz, das weiter auch über Amtshaftungsansprüche Privater nach Art. 235 i.V.m. Art. 288 Abs. 2 EGV entscheiden kann. Aus Art. 46 EUVergibt sich, dass die Zuständigkeit des EuGH sich auch auf die genannten Gebiete des Unionsrechts erstreckt. Im Umkehrschluss ist die Zuständigkeit des EuGH über Handlungen im Rahmen der GASP allerdings ausgeschlossen.15 Daher bestehen im Ergebnis auch im europäischen Rechtssystem keine speziellen Rechtsschutzmöglichkeiten bei Völkerrechtsverletzungen durch Friedensmissionen unter Führung der Europäischen Union.

III. Durchsetzungsmöglichkeiten des Gaststaates Verstöße gegen Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht könnten anstelle des verletzten Individuums aufgrund der Mediatisierungswirkung des Völkerrechts auch durch einen Staat abgegolten werden. Mangels der Individualisierung des Ein14 15

Zwanenburg, 287 ff. Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 46 EUV, Rn. 19.

B. Derzeitige Situation

219

zelnen stellt diese Art der Durchsetzung aber keine Alternative zu wirksamen menschenrechtlichen Mechanismen dar und ist deshalb nur ergänzend heranzuziehen. Als klassische Subjekte des Völkerrechts sind es Staaten, denen die traditionellen Durchsetzungsmechanismen des Völkerrechts zustehen. Eine Völkerrechtsverletzung löst auf Seiten des verletzten Staates den Anspruch auf Beendigung und Wiedergutmachung der Verletzung aus und gestattet es ihm, zur Durchsetzung Gegenmaßnahmen zu ergreifen.16 Auch kann ein Staat die Einhaltung humanitären Völkerrechts und Menschenrechten vor gerichtlichen und quasi-gerichtlichen Institutionen verlangen. Hier sind neben dem IGH auch wieder die regionalen Menschenrechtssysteme und die teilweise für Staatenbeschwerden offen stehenden Ausschüsse zur Überwachung der Menschenrechtsschutzverträge zu nennen. Von diesen Mechanismen wird in der Praxis aber nur selten wie im Falle des IGH und des EGMR, beziehungsweise bisher nie in den übrigen Fällen Gebrauch gemacht. Staaten ziehen zur Beilegung ihrer Streitigkeiten diplomatische Kanäle den formalisierten gerichtlichen vor. Bei Peacekeeping-Missionen gilt dieses in besonderem Maße, da es sich stets um einen geschwächten Staatsapparat handelt, der einer Stationierung von Friedenstruppen zugestimmt hat. Auch in Bezug auf internationale Organisationen stehen Staaten Rechtsschutzmöglichkeiten in größerem Umfang als Privaten zu. So sind sie durchaus in der Lage, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit einer internationalen Organisation einzufordern. Zwar sind internationale Organisationen als Streitpartei vor dem IGH ausgeschlossen, doch kann der IGH gemäß Art. 96 UN-Charta in Verbindung mit Art. 65 IGH-Statut ein Rechtsgutachten auf Antrag der Generalversammlung, des Sicherheitsrates oder einer anderen mit einer Ermächtigung des Sicherheitsrates ausgestatteten Einrichtung zu „jeder Rechtsfrage“ abgeben.17 Auch können Staaten und internationale Organisationen ihre Streitigkeiten von einem Schiedsgericht regeln lassen. Charakteristisch für ein solches Verfahren ist allerdings, dass die Parteien übereinstimmend über Rechtsgrundlage, Zusammensetzung und Zuständigkeit des Gerichts entscheiden.18 Dieses Forum ist daher weitgehend ungeeignet, um über fundamentale Rechtsverstöße gegen Individuen zu entscheiden.19 Die Übersicht verdeutlicht die Lücken im Rechtsschutz gegen internationale Friedensmissionen. Die der Bevölkerung zustehenden subjektiven Rechte sind von ihnen nicht einklagbar. Selbst wenn man entgegen dem EGMR von der Zuständigkeit regionaler und internationaler Menschenrechtsinstrumente ausgeht, können sie nur unzureichenden Schutz auf selektiver Basis gewähren. Insbesondere sind sie bei Verletzungen von humanitärem Völkerrecht wirkungslos.

16 17 18 19

ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit, Art. 28 ff. Thallinger, Nordic JIL 2008, 401, 407. Fischer, in: Ipsen, § 62, Rn. 20. Reinisch, Global Governance 2001, 131, 139.

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Kap. 6: Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

C. Reformvorschläge Unabhängig davon, welche Zurechnungsoption man wählt, besteht also dringender Reformbedarf. Die Mechanismen gegen Staaten sind für die besonderen Fälle internationaler Friedensmissionen nicht ausreichend, und gelangt man zu einer Zurechnung der Verletzungshandlung zu einer internationalen Organisation, bestehen quasi keinerlei Schutzmechanismen. Es ist daher wichtig, das Paradox zwischen Einsätzen im Namen der Menschenrechte und Schutzlosigkeit der Bevölkerung aufzuheben. Grundlagen hierfür wurden bereits gelegt, indem die Vereinten Nationen beispielsweise die Verantwortlichkeit UNMIKs für die Vorlage von Staatenberichten an die zuständigen Ausschüsse anerkannt haben.20 Diese oder vergleichbare Mechanismen müssen aber auch für die regelmäßigen Szenarien entwickelt werden, in denen keine Übergangsverwaltung installiert wurde, die Friedensmission aber dennoch weite Teile des Staates unter ihrer Kontrolle weiß. Der folgende Abschnitt unterscheidet Reformvorschläge zwischen den dringlichsten, durch Individuen zu erreichenden Schutzmechanismen und solchen, die komplementär auf staatlicher Ebene beziehungsweise bei den internationalen Organisationen zu finden sein sollten.

I. Menschenrechtliche Ebene Gerade bei internationalen Friedensmissionen kann nur eine Lösung auf internationaler Ebene Erfolg versprechen. Während der Schwerpunkt der Durchsetzung subjektiver Rechte grundsätzlich im nationalen Bereich und damit im direkten Umfeld der Opfer stattfinden sollte, gelten für internationale Friedensmissionen Ausnahmen. Die truppenstellenden Staaten werden nicht auf die umfassenden Immunitäten für ihre Soldaten vor fremden Gerichten verzichten. Dieses widerspricht zwar dem Territorialitätsprinzip als Hauptanknüpfungspunkt der nationalen Strafgewalt, doch ist die Entscheidung politisch nachvollziehbar. Entsendet ein Staat seine Soldaten in eine Krisensituation, behält er sich die Straf- und Disziplinargewalt vor, um sie vor der möglicherweise fragilen Rechtsordnung des zu unterstützenden Staates zu schützen. Dass diese Lösung nicht aufgegeben werden sollte, wird insbesondere mit Blick auf Einsätze in Staaten ohne effektive Staatsgewalt wie etwa Somalia deutlich. Die Stärkung und Reform regionaler Mechanismen könnte teilweise sehr effektiv sein. Allerdings hat der EGMR seine Prüfungskompetenz bereits abgelehnt. Politischen Willen unterstellt, könnten die Mitglieder des Europarates aber etwa ad hoc ein spezielles Gericht für ihre Auslandseinsätze schaffen oder die Errichtung einer speziellen Kammer am EGMR anregen. Allerdings existieren auf anderen Kontinenten keine vergleichbaren Möglichkeiten, so dass eine Regionalisierung die Gefahr von Ungleichheit und damit Rechtsunsicherheit für die Opfer birgt. Vorzugswürdig 20

Nowak, in: FS Hafner, 667, 668.

C. Reformvorschläge

221

ist daher eine Instanz, die für alle Opfer gleichermaßen zugänglich ist und deren Entscheidungen unabhängig von der Person des Verursachers getroffen werden. Dass der Schutz in Einzelfällen unter den Standard des EGMR absinken kann, ist im Sinne einer universellen Lösung hinzunehmen, sollte aber durch individuelle Justierungen des zu schaffenden Systems möglichst vermieden werden. Schon seit längerer Zeit setzt sich insbesondere Manfred Nowak für die Schaffung eines internationalen Gerichtshofes für Menschenrechte ein. Dieser soll zwar nicht primär auf Fälle internationaler Friedensmissionen ausgerichtet sein, schließt eine solche Möglichkeit aber durchaus mit ein.21 Hintergrund dieses Vorschlages ist, dass die Verantwortlichkeit für Menschenrechte sich zunehmend vom Staat auf nicht-staatliche Akteure verlagert, die bestehenden Durchsetzungsmechanismen für Menschenrechte dieser Entwicklung aber noch nicht angepasst wurden. Neben internationalen Organisationen ist hier auch an die immer bedeutsamer werdende Rolle transnationaler Konzerne zu denken. Der Einfluss und die Verantwortlichkeit letzterer wird besonders deutlich, wenn ihr Budget das der Staaten, in denen sie operieren, übertrifft. Die Einrichtung eines Weltgerichtshofes für Menschenrechte könnte entweder in Form einer Sonderkammer dem IGH angegliedert werden oder durch ein eigenes Statut nach dem Vorbild des Internationalen Strafgerichtshofes erfolgen, wobei Nowak letztere Option propagiert. Die Staaten könnten dann Menschenrechtsverträge ihres Beliebens nach dem Komplementaritätsprinzip der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterstellen und würden gegebenenfalls ihre Unterwerfungserklärungen zu den verschiedenen Menschenrechtsausschüssen kündigen.22 Auch wenn Menschenrechtsverträge dem Beitritt nicht-staatlicher Akteure versperrt sind, könne das Statut für bestimmte internationale Organisation und private Akteure geöffnet werden. Konzerne erkennen in immer größerem Umfang ihre Corporate Social Responsibility an und vertrauen auf die positiven Nutzen einer aufmerksamen Menschenrechtspolitik, die mit der Ratifizierung des Statuts weiter zum Ausdruck gebracht und gefestigt werden würde.23 Als weiteres Motiv für die freiwillige Unterwerfung kommt die potentielle Vermeidung von Prozessen auf Grundlage des Weltzivilrechts wie etwa dem Alien Tort Claim Act in Betracht. In diesen Verfahren lassen sich Unternehmen häufig auf ungünstige Vergleiche ein, um mediale Aufmerksamkeit zu vermeiden. Zwanenburg, der sich speziell mit der Durchsetzbarkeit von Verletzungen humanitären Völkerrechts durch internationale Friedensmissionen beschäftigt, setzt dagegen auf die Umgestaltung bereits zumindest theoretisch bestehender Mechanismen. Als Ausgangspunkt wählt er die zwar in Art. 51 Model SOFA vorgesehenen, aber noch nie in die Praxis umgesetzten Standing Claims Commissions, deren Zuständigkeit rechtsverbindliche Entscheidungen über Streitigkeiten betrifft, in denen Ansprüche aus Immunitätsgründen jedoch nicht vor nationalen Gerichten verfolgt werden 21 22 23

Nowak, HRLR 2007, 251, 256; id., in: FS Hafner, 667, 698; id., VN 2008, 205, 208. Nowak, VN 2008, 205, 207. Ibid., 209.

222

Kap. 6: Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

können.24 Im Grundsatz und sofern einige Modifikationen ergriffen würden, könnten diese Kommissionen, die von einer jeden an Friedensmissionen führend beteiligten internationalen Organisation geschaffen werden müssten, sich zu effektive Mechanismen für die Verwirklichung der Regeln des humanitären Völkerrechts entwickeln.25 In erster Linie sollte es sich um eine ständige und zentrale Einrichtung handeln, damit die Verfügbarkeit der Kommission nicht von individuellen SOFAs abhängig ist und eine feste personelle Struktur zu größerer Transparenz führen kann. Weiter sei wichtig, dass die Kommission Befugnisse zur Durchführung eigener Ermittlungen erhält und als Wiedergutmachung nicht auf das Mittel der Kompensation festgelegt ist.26 Schließlich möchte Zwanenburg die Zuständigkeit der Kommission materiell und personell erweitern, so dass sie neben zivilrechtlichen Ansprüchen auch solche aus humanitärem Völkerrecht erfasst und alle an einer Operation beteiligten Völkerrechtssubjekte gleichermaßen ihrer Gerichtsbarkeit unterfallen. Würde man darüber hinaus auch Menschenrechte ihrer Gerichtsbarkeit unterstellen, hätte man ein Instrument mit umfassender Zuständigkeit über internationale Friedensmissionen. Ergänzend zu diesen Rechtsmitteln möchte Zwanenburg außerdem auf der Ebene der eher politischen Verantwortlichkeit ein umfassendes Ombudsmann-System installieren. Als weitere und weniger umfangreiche Verbesserungsmöglichkeit der derzeitigen Situation ist an eine Reform der Ausschusssysteme zu denken. Allerdings sind alle Vorschläge in diese Richtung bislang an der notwendigen Umgestaltung der Verträge gescheitert.27 Da rechtliche Schwachstellen wie die fehlende Zuständigkeit für humanitäres Völkerrecht und die Begrenzung auf staatliche Akteure bestehen bleiben würden, sollte sich die internationale Staatengemeinschaft um umfassende Reformen bemühen. Der Vorschlag eines universalen Weltgerichtshofes für Menschenrechte in der von Nowak vorgeschlagen Form ist langfristig erstrebenswert. Die mittlerweile bestehende Akzeptanz des internationalen Strafgerichtshofes lässt auf eine ebensolche Wirkung für eine parallele Instanz für Menschenrechte hoffen. Nichtsdestotrotz hat der Gesamtprozess von den ersten Verhandlungen über einen Strafgerichtshof Mitte der 1990er, über den Abschluss des Rom-Statuts und seines Inkrafttretens bis zu den ersten Verhandlungen im Januar 2009 fast fünfzehn Jahre gedauert.28 Aus diesem Grund sollte zunächst eine Instanz geschaffen werden, die sich dem dringlichen, aber begrenzten Problem der Verantwortlichkeit bei internationalen Friedensmissionen, gleich ob unter Führung oder Mandatierung der UN, annimmt. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte immer noch eine Integration in den dann möglicherweise bestehenden internationalen Menschenrechtsgerichtshof stattfinden. Grundlage eines solchen Peacekeeping-Tribunals sollte ein neuer Vertrag sein, dessen Grundlage aber nicht in den SOFA-Bestimmungen über Claims Commissions 24 25 26 27 28

Zwanenburg, 304. Ibid., 305. Ibid., 305 ff. Nowak, VN 2008, 205, 206. Kempen/Hillgruber, 355, Rn. 59.

C. Reformvorschläge

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liegt. Denn aufgrund ihrer bisherigen Umsetzung transportieren diese Kommissionen keine pro-menschenrechtliche Wirkung, so dass Zwanenburgs Argument, der Rückgriff auf möglichst bekannte Mechanismen erleichtere die Umsetzung und Akzeptanz,29 nicht überzeugen kann. Die Ausgestaltung sollte hauptverantwortlich bei den Vereinten Nationen liegen. Auf diese Weise würden sie ihrer übergeordneten Verantwortlichkeit gerecht werden, die sich bei UN-mandatierten Missionen zwar nicht bis auf die Ebene der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit durchschlägt, aufgrund ihres Initiativrechts aber dennoch abstrakt besteht. Ein weiterer Vorteil wäre, dass sich klar bestimmen ließe, welche Missionen mit den Vereinten Nationen auf welche Weise verbunden sind und Unsicherheiten über die Wirkungsweise einer Resolution wie etwa bei der Mission Atalanta vermieden werden könnten. Das Statut des Peacekeeping-Tribunals sollte die Teilnahme an Friedensmissionen nach Ablauf einer Umsetzungsfrist auf Mitgliedstaaten begrenzen. Auch wenn dieser Weg die Gefahr einer geringeren Beteiligung an Friedensmissionen birgt, kann diese Überlegung, der sich wohl auch der EGMR in Behrami und Saramati gefügt hat, kein Argument gegen den Opferschutz darstellen. Darüber hinaus ist diese Entwicklung auch nicht zwingend. In allen Bereichen, in denen der Schutz der Menschenrechte gestärkt worden ist, seien es die Beschwerdesysteme der Ausschüsse, die individuellen Klagemöglichkeiten auf regionaler Ebene oder eben der internationale Strafgerichtshof, wurden selbst Experten von der Bereitschaft der Staaten zur Teilnahme überrascht. Voraussetzung der freiwilligen Unterwerfung von Staaten ist ein möglichst konsensfähiges Statut. Dieses könnte so ausgestaltet sein, dass Staaten selber entscheiden, über welche Verträge oder einzelnen Bestimmungen sie die Zuständigkeit auf das Peacekeeping-Tribunal übertragen. Eine weitreichende Lösung, die von der extraterritorialen Anwendbarkeit aller innerstaatlich geltenden Menschenrechtsverträge ausgeht, wäre hingegen nicht vermittelbar. Zur Voraussetzung der Mitgliedschaft sollte daher nur die Anerkennung der Gerichtsbarkeit über einen Minimalkatalog von Rechten, wie etwa bestimmte Regeln der Genfer Konvention und des IPBürg gemacht werden. Auf diesem Wege würde zwar immer noch eine Klassifizierung der Opfer stattfinden, ein Minimum an Schutz wäre aber bei Verletzungen aller teilnehmenden Staaten gewährleistet und das System könnte auf die Sogwirkung von Staaten mit einer menschenrechtsfreundlichen Politik setzen. Juristisches Neuland würde das Statut mit der notwendigen Öffnung für internationale Organisationen betreten. Auch hier muss darauf vertraut werden, dass UN, NATO, EU und eventuell noch weitere internationale Organisationen sich ihrer Verantwortlichkeit für die Opfer ihrer Handlungen bewusst werden, sie diese akzeptieren und Wege zur Wiedergutmachung gefunden werden.

29

Zwanenburg, 334.

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Kap. 6: Die Durchsetzung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit

II. Überprüfungsmechanismen Neben einem umfassenden Schutzsystem, das den menschenrechtlichen Aspekt durch individuelle Klagemöglichkeiten in den Vordergrund rückt, sollte ebenfalls die Einbeziehung von Friedensmissionen in die allgemeinen Menschenrechtsschutzsysteme forciert werden. In ähnlicher Weise wie UNMIK Staatenberichte für den Menschenrechtsausschuss und den Europarat angefertigt hat, müsste dieses umfassend geschehen. Diese Aufgabe könnte bei UN-geführten Missionen sinnvollerweise vom Department of Peacekeeping Operations wahrgenommen werden. Für UN-mandatierte Missionen besteht die Möglichkeit, dass die zentral und bereits koordinierend beteiligte Regionalorganisation die Berichtspflichten übernimmt. Sollte eine solche nicht beteiligt sein oder sich nicht in der Verantwortung sehen, könnte die Aufgabe ebenfalls von den Führungsnationen wahrgenommen werden. Weiter sollte die Praxis einiger Ausschüsse fortgeführt werden, dass Staaten neben der Situation auf ihrem Staatsgebiet auch über solche Gebiete unter ihrer Kontrolle berichten.

Abschließende Betrachtung Die Teilnahme an UN-mandatierten Friedensmissionen gehört mittlerweile zum alltäglichen Bild der modernen Außenpolitik vieler Staaten. Zu diesen zählen auch die meisten Mitglieder des Europarates, die sich zumindest in Bezug auf ihre eigene Hoheitsgewalt dem strengen Menschenrechtsregime des EGMR unterworfen haben. Umso paradoxer scheint es, dass gerade diese Institution eine Lücke im Menschenrechtsschutz durch ihre Entscheidung in der Sache Behrami und Saramati hat entstehen lassen. Andererseits ist die Situation der Opfer von Handlungen UN-mandatierter Missionen erst hierdurch in den Blickwinkel der Rechtswissenschaft geraten und für Diskussionsstoff gesorgt. Auch wenn es bis zur effektiven Durchsetzbarkeit individueller Rechte noch ein weiter Weg ist, soll diese Untersuchung helfen, rechtliche Klarheit über den Verursacher einer Verletzungshandlung zu schaffen. Als Ausgangspunkt ist Art. 5 ILC-Entwurf zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen anzuwenden. Dieser legt den gewohnheitsrechtlichen Zurechnungsstandard der effektiven Kontrolle für den Fall nieder, dass Staatsorgane nicht ausschließlich für entweder ihren Heimatstaat oder eine internationale Organisation handeln. Da Mitgliedstaaten schon aus innerstaatlichen Gründen niemals ihre umfassende Befehls- und Kommandogewalt übertragen, liegt diese Situation typischerweise bei Friedensmissionen vor. Ermächtigt der Sicherheitsrat eine Friedensmission mit einem Kapitel VII-Mandat, ist er zwar ursächlich für die Entstehung des Einsatzes, lagert die Wahrnehmung seiner originären Befugnisse aber gleichzeitig auf andere Akteure aus. Effektive Kontrolle bedeutet, dass die Verletzungshandlung durch das Zurechnungssubjekt gesteuert werden kann, worüber bei militärischen Einsätzen in erster Linie die Befehlsstrukturen entscheiden. Bei mandatierten Friedensmissionen stellen die Mitgliedstaaten ihre Kontingente den Vereinten Nationen aber nicht durch die Übertragung von Kommandobefugnissen zur Verfügung. In der Folge können die Vereinten Nationen auch keine effektive Kontrolle ausüben, so dass es an der für die Zurechnung notwendigen Verbindung fehlt. Ist eine Regionalorganisation vom Sicherheitsrat ermächtigt worden, handelt diese wiederum durch Mitgliedstaaten. Das Verhältnis von Vereinten Nationen und Entsendestaat erhält hierdurch also eine weitere Ebene, dessen Zurechnungslage weiterhin nach dem Kriterium der effektiven Kontrolle zu bewerten ist. Hier besteht oberflächlich eine Parallele zu UN-geführten Missionen, bei denen die Staaten operative Befugnisse auf die Mission übertragen und die Vereinten Nationen deshalb als regelmäßiges Zurechnungssubjekt gelten. Obwohl eine Regionalorganisation ebenfalls operational control über die nationalen Kontingente erhält, gelangt der Test der effektiven Kontrolle zu einem anderen Ergebnis. UN-Missionen treten als möglichst

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Abschließende Betrachtung

homogene Einheit auf, während bei UN-mandatierten Missionen viele nationale Besonderheiten bestehen und auch gewollt sind. Daraus folgen weitergehende Befugnisse des nationalen Kommandeurs, die das höhere Maß an Unabhängigkeit der jeweiligen Kontingente von der Regionalorganisation demonstrieren. Außerdem üben die Mitgliedstaaten bei UN-mandatierten Missionen keine Aufgaben der Regionalorganisation aus, sondern nehmen mit ihr gemeinsam originäre Aufgaben der UN wahr. Die nationale Umsetzung eines internationalen Befehls transportiert deshalb auch eine andere rechtliche Wirkung. Bei direkten UN-Befehlen wirkt der nationale Kommandeur nur als Durchgangsstation, während er bei UN-mandatierten Missionen die eigentlichen Befehle zur Durchführung von UN-Aufgaben erst über den Umweg über eine Regionalorganisation erhält und diese deshalb nicht direkt umsetzt. Somit ist eine Verletzungshandlung bei UN-mandatierten Missionen im Regelfall den Entsendestaaten zuzurechnen. Die daneben mögliche weitere Zurechnung der gleichen Handlung zu einem anderen Völkerrechtssubjekt scheidet in der Regel aus, da effektive Kontrolle stets nach der Einflussmöglichkeit auf die konkrete Verletzungshandlung fragt und diese somit bestimmbar ist.

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103, 129 f., 215

Delegationsmodell 40, 152, 159 Department of Peacekeeping Operations 35, 146, 194 DUTCHBAT 117

– Rechtspersönlichkeit 89 – Zurechnungsregeln 90 Internationaler Gerichtshof (IGH) 34, 81 f., 90, 92, 96, 101 f., 170, 175 f., 178, 181, 201, 203, 213, 217, 219, 221 – Application for Review of Judgment No 158-Gutachten 160 – Bernadotte-Gutachten 77, 89 – Bosnian Genocide 78, 167, 171, 173 – 175, 177, 179 – Certain Expenses of the United Nations 28, 33 f., 38 – Legality of the Use of Force 102 – Nicaragua 119, 167, 171 – 175 – Wall-Gutachten 34, 46, 93 Irak 25, 45, 110, 151, 162, 165 Jurisdiktionsimmunität

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) 62 Friedensbegriff

21 f.

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) 62 – 64 – Militäroperationen 64 – Operation Atalanta 68, 196 Gewaltverbot 19 f., 44, 49, 155 Human Rights Act 1998 110, 233 Human Rights Advisory Panel 130 f., 165, 209, 235 International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR) 24 International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia (ICTY) 24, 178, 183 International Security Assistance Force (ISAF) 54, 61, 198 Internationale Organisation – Definition 87

127

Kadi-Verfahren 165 Kosovo Force (KFOR) 17, 32, 42, 61, 102, 107, 112, 115, 123, 131, 150, 162, 168, 189, 193 f., 208 Kunduz 17 Lehre der implied powers

33, 39

Mandatierte Friedensmissionen (Grundlagen) 38 f., 49 Menschenrechtsausschuss 93, 122, 213 Nordatlantikpakt Organisation (NATO) – Einsätze 59 f., 189, 198 – Grundlagen 57 Opration des Nations Unies au Congo (ONUC) 27 f., 33, 120, 129, 133 Operation Enduring Freedom 48, 69 Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) 56, 73 f.

Sachwortregister Peacekeeping der Vereinten Nationen – Entstehung 25 f. – Generationen 26 – Robustes Mandat 29 – 31, 48 Pirateriebekämpfung 66, 196 Regionalorganisationen nach Kapitel VIII UN-Charta 55 – 57, 63, 72 f. Ruanda 31, 42, 52, 69 Selbstverteidigungsrecht 20, 44, 56 f., 161, 180 Sicherheitsratsresolution 1244 42 f., 61, 103, 111, 123, 150, 152, 155 f., 162, 208 Somalia 30, 36, 51 f., 64, 66, 70 f., 131, 135, 145 f. Srebrenica 31, 116 f. Status of Force Agreement (SOFA) 36, 114, 128 f., 144, 204, 221 f. Tadic´-Fall

247

102, 112, 118, 122 f., 130 f., 152, 162, 194, 208, 224 United Nations Operation in Somalia (UNOSOM I/UNOSOM II) 30 f., 51, 99, 121, 124, 131, 145 United Nations Protection Force (UNPROFOR) 30, 59 f., 117, 119 Varvarin-Fall 59 Venedig-Kommission 123, 130 Völkerrechtliche Verantwortlichkeit – Begriff 78 – Grundlagen 76, 84 Völkerrechtskommission (ILC) 80, 97, 141 Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) 72 Westeuropäische Union (WEU) 62 f., 69 Wirtschaftsembargo 24

176 Zwangsmaßnahmen

Unified Task Force (UNITAF) 31, 51, 124, 131 United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) 17, 32, 61,

23, 45