Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG [1 ed.] 9783428497546, 9783428097548

Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat ein Arbeitgeber auch die Kosten der rechtlichen Beratung und Vertretung des Betriebsrates un

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Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG [1 ed.]
 9783428497546, 9783428097548

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DIETMAR MÜLLER-BORUTTAU

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 177

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG

Von Dietmar Müller-Boruttau

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Müller-Boruttau, Dietmar: Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG I Dietmar Müller-Boruttau. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 177) Zug!.: Würzburg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09754-8

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-09754-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Meinen Eltern und Sabilla

Vorwort Zum Betriebsverfassungsgesetz sind sowohl eine Reihe von umfassenden Kommentaren als auch neben hunderten von Aufsätzen eine Vielzahl kleinerer Werke erschienen. Trotz dieser Fülle von Abhandlungen existiert keine umfassende Abhandlung zu der Thematik, ob und inwieweit ein Arbeitgeber Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats tragen muß und wie er sich gegebenenfalls gegen eine Übernahme dieser Honorare wehren kann bzw. welche rechtlichen Möglichkeiten ihm gegen eine rechtswidrige derartige Kostenverursachung durch betriebsverfassungsrechtliche Organe zur Verfügung stehen. Diese Lücke will die vorliegende Untersuchung schließen. Sie wendet sich einerseits an die wissentschaftliche Leserschaft, andererseits aber auch wegen der Praxisrelevanz dieses Themenkreises an Praktikerkollegen, Führungskräfte in Betrieben und auch an Betriebsratsmitglieder. Die Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Juni 1997 berücksichtigt. Seit diesem Zeitpunkt sind keine, signifikant neue Entwicklungen einleitenden oder die in dieser Arbeit dargestellten Grundsätze der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsstreitigkeiten mit dem Betriebsrat abändernden Entscheidungen der deutschen Arbeitsgerichte ergangen. Danken möchte ich vor allem meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. KarlGeorg Loritz. Dieser hat die Beschäftigung mit diesem Thema angeregt und die Arbeit durch wertvolle Hinweise sowohl wissentschaftlicher als auch praktischer Art gefördert. Dem Verlag Duncker & Humblot danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in seine Schriftenreihe.

Köln, im Oktober 1998

Dietmar Müller-Boruttau

Inhaltsverzeichnis Einleitung.................................................................................................................

27

Kapitell Problemstellung

29

I. Überblick....... ............................ ...... ............ ...... .. ..........................................

29

H. Gang der Untersuchung.................................................................................

32

Kapitel 2 Darstellung der im Rahmen der Mitbestimmung auf Betriebsebene anfallenden Kosten I. Kosten der Arbeitnehmervertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz

34 34

1. Unmittelbare Kosten .................................................................................

34

2. Mittelbare Kosten......................................................................................

37

11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten im Beschlußverfahren über Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsrecht nach §§ 2a Abs. 1 Nr. I, Abs. 2, 80 ff. ArbGG............................................................................................... ..

39

1. Gerichtskosten...........................................................................................

39

a) Überblick über das Beschlußverfahren ........ ..... ........ ..... ....... .. .. ...........

39

b) Die Kosten im einzelnen .................. .................. .......... .......... ..............

41

aa) Die Gerichtskosten und deren Ansatz .................... ........... .............

41

bb) Der Gegenstandswert und dessen Festsetzung ...............................

41

cc) Entschädigung für ehrenamtliche Richter, Zeugen und Sachverständige........ .............................................................................

42

dd) Die Kostenentscheidung ................ ........................... .....................

43

(1) Herrschende Meinung..............................................................

43

(2) Die Ansicht von Grunsky ....... ......................... ........ ................

44

(3) Vermittelnde Ansichten ................. .. ........................................

45

(4) Stellungnahme........ ................ ...... ......... .. .. ......... .......... ...........

46

2. Beteiligtenkosten.................................................................. .....................

47

a) Anwaltskosten und deren Festsetzung .................................................

47

aa) Bedeutung der Sache für die Beteiligten.............. .. ............. .......... .

49

\0

Inhaltsverzeichnis bb) Schwierigkeitsgrad der Sache......... .... ..... .............. ... .... .................

49

cc) Beispiele aus der Rechtsprechung..................................................

50

dd) Berechnungsbeispiel . ........................................ ............. ................

51

b) Sonstige Beteiligtenkosten ...................................................................

55

Kapitel 3

Praktische Handhabung und Durchsetzung des Anspruches aus § 40 Abs. 1 BetrVG I. Schuldner des Anspruches ............................................................................ .

56 56

11. Inhalt des Anspruches .................................................................................. .

57

1. Freistellungsanspruch ............................................................................... .

57

2. Kostenerstattungsanspruch ....................................................................... .

58

3. Abtretung des Anspruches an den Vertragspartner des Betriebsrats oder des Mitglieds des Betriebsrates ........................................................ .

59

III. Innerbetriebliche Gestaltungsmöglichkeiten ................................................ .

60

IV. Weitere Einzelheiten .................................................................................... .

61

V. Fehlende Beteiligtenfahigkeit des Rechtsanwalts ........................................ ..

62

Kapitel 4

Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG

64

I. Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherren ............................................

64

II. Schuldrechtlicher Lösungsansatz ..................................................................

66

III. Gesetzliches Schuldverhältnis .......................................................................

68

IV. Lösung aus anwaltlicher Sicht.......................................................................

70

V. Fehlende Vermögensfahigkeit des Betriebsrats........................ .....................

71

VI. Sozialbindung des Eigentums........ .............. .................................. ...............

72

VII. Lösung anhand der Nutzung der Mitbestimmung .........................................

75

VIII. Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG ..........................................

76

IX. Verfassungsrechtliche Bedenklichkeit von § 40 Abs. 1 BetrVG ...................

77

X. Zusammenfassende Würdigung ....................................................................

78

Kapitel 5

Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers I. Der Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.......................................

82 82

Inhaltsverzeichnis

11

1. Die Epoche vor dem Deutschen Kaiserreich von 1871.............................

82

2. Das Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891..............................................

84

3. Das Hilfsdienstgesetz vom 5. Dezember 1916..........................................

85

II. Die Zeit der Weimarer Republik ...................................................................

86

1. Die Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenaus-

schüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. Dezember 1918...................................... ....................................................................

86

2. Das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920........................................ ....

88

a) Mitbestimmung als Form der Staatsorganisation .................................

88

b) Inhalt....................................................................................................

88

c) Ausgewählte Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht nach § 36 Abs. 1 BRG........ ........ ..... ....... ........................................ ................ ......

89

III. Die nationalsozialistische Zeit......... ......... .......................... ................. ..........

90

IV. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland............................. ......................................................................

91

1. Das KontrollratsgesetzNr. 22 vom 10. April 1946...................................

91

2. Das Betriebsverfassungsgesetz 1952.........................................................

92

a) Inhalt..... ....... ................ .. ..... ....... ........ .... .......................... ................. ...

92

b) Beispiele aus der Rechtsprechung........................................................

93

3. Das Betriebsverfassungsgesetz 1972.........................................................

94

Kapitel 6 Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden unmittelbaren Kosten der Mitbestimmung auf Betriebsebene I. Aufgabenbereich der Mitbestimmungsorgane .............................................. .

96 97

1. Grundsatz................................................................................................ ..

97

2. Probleme der Gesetzesanwendung am Beispiel der Anwaltskosten ........ ..

99

a) Tätigkeit des Betriebsrats .................................................................... .

100

aa) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung durch den Betriebsrat im Interesse des Betriebsrats ................................ .

100

bb) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung durch den Betriebsrat im Interesse einzelner Arbeitnehmer .................... . 100 b) Tätigkeit einzelner Mitglieder des Betriebsrats .................................. ..

102

aa) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei der gerichtlichen Aufhebung von Betriebsratsbeschlüssen ................ ..

103

bb) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei einem Ausschlußverfahren nach § 23 Abs. I S. 1. I Alt. BetrVG ....

104

cc) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei Lohnklagen einzelner Betriebsratsmitglieder ............................... ..

105

12

Inhaltsverzeichnis dd) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei Kostenerstattungsklagen einzelner Betriebsratsmitglieder.. ................

107

ee) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei Ersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG ...............................

108

11. ErforderIichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten ...................................

109

I. Herieitung und Inhalt.. ...... ........ .......................................... .......... ............

110

2. Objektive Kriterien der Beschränkung der Kostentragungspflicht............

111

a) Grundsatz der Erforderlichkeit............. ........ ......... ... ...... .......... ............

111

aa) Personalkosten ...............................................................................

112

bb) Sachkosten ........ ............ ........ .............. ......... ....... ..................... .....

I 13

b) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.......... ...... ....... ..... ........... ....... ..... ...

113

aa) Personalkosten .... ......................... ...... ...... ....... .............. ......... ........

113

bb) Sachkosten.................. ...................................................................

114

c) Ergebnis ...............................................................................................

115

3. Beurteilungsspie\raum des Mitbestimmungsorganes ................................

115

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze auf die Verursachung von Anwaltskosten.... ............ .... ...... .. ...... ............ ............... ..... ....................... ......

117

1. Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung ....... ............. ........ .... .............. ....

118

a) Grundsatz......................... ....................................................................

118

b) Entscheidungsspielraum des Mitbestimmungsorganes ........... .............

118

c) Zweite und dritte Instanz....................................................... ...............

119

2. Unverhältnismäßig hohe Kosten ...............................................................

120

3. Keine zweckentsprechende Verfolgung der rechtlichen Interessen ..........

121

4. Mutwillige AnwaItsbeauftragung.................................... ..........................

122

5. Einfache Sach- und Rechtslage.................................................................

123

6. Rechtsverfolgung durch einen Verbandsvertreter (§ 11 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG)..................... .....................................................................

125

a) Kosten des Verbandsvertreters.............................................................

126

b) Ansicht der Rechtsprechung.................................................................

127

c) Ansicht der Literatur, insbesondere die Problematik der ErforderIichkeit........ ....... ... ..... ...... ............ ...... .... .... ......... ......... ............ ............

129

d) Stellungnahme......................................................................................

131

7. Parallelverfahren................ .......................................................................

132

a) Einleitung von Paralle\verfahren..........................................................

132

b) Anwaltliche Vertretung bei Parallel verfahren ......................................

133

IV. Zusammenfassung .... ............. ...... ................. ................... ...... ...... .... ........... ...

134

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 7

Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

136

I. Einführung...................................... .................. .............................................

136

11. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen auf den Antrag nach § 40 Abs. 1 BetrVG............................................................

138

1. Instrumente zur Herbeiführung einer Bindung .........................................

138

a) Instrumente des materiellen Rechtes ....................................................

139

aa) Tatbestandswirkung ...... ... ................................ .............. ................

140

bb) Gestaltungswirkung ......... ........ ...... ...... ......... .......... ..... ..................

141

b) Die materielle Rechtskraft....................................................................

142

c) Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation durch den Betriebsrat....

146

aa) Allgemeine Voraussetzungen einer Rechtskrafterstreckung aufgrund einer Prozeßstandschaft .. ............ ...... ...................................

146

bb) Anwendung der Grundsätze auf die Tätigkeit des Betriebsrats .....

147

(I) Durchsetzung von Individualansprüchen. ..................... ........ ...

147

(2) Durchsetzung von kollektiven Rechten ...................................

147

2. Beispiele von erweiterter Bindungswirkung .............................................

149

a) Organisatorische Fallgestaltungen .......................................................

150

aa) Das Betriebsabgrenzungsverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG ......

150

bb) Die Anfechtung von Betriebsratswahlen nach § 19 Abs. I BetrVG...........................................................................................

152

b) Betriebsverfassungsrechtliche Voraussetzungen für individualrechtliche Ansprüche, insbesondere nach § 37 Abs. 2, 6 und 7 BetrVG......................... ........................................................................

153

aa) Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds am vorangegangenen Beschlußverfahren ................... ....... ...... .........................................

154

bb) Unterbliebene Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds................ ..

155

(I) Beschlußverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 6 BetrVG ........

155

(2) Beschlußverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 7 BetrVG ........

155

cc) Die Bindung des Arbeitgebers an die Entscheidung in dem behördlichen Anerkennungsverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 7 BetrVG...........................................................................................

156

c) Zwischenergebnis....................................... ..........................................

158

d) Mitwirkungsrechte des Betriebsrats ................ .....................................

158

aa) Betriebsvereinbarungen .................................................................

158

(I) Grundsätzliche Überprüfbarkeit von Betriebsvereinbarungen.......................................... .................................................

158

14

Inhaltsverzeichnis (2) Antragsberechtigung............................................. .. .................

160

(3) Einzelfragen ...................................................................... .......

161

bb) Bestehen und Umfang von Mitwirkungsrechten............................

163

(1) Streitigkeiten über die Voraussetzungen von Mitbestimmungsrechten...........................................................................

163

(2) Streitigkeiten über den Umfang von Mitbestimmungsrechten ............................................................................................

165

cc) Schlußfolgerungen.........................................................................

165

e) Ergebnis ................................................ .. ...... .. .... .............................. .. .

165

III. Wegfall des Rechtsschutzinteresses...............................................................

167

1. Begriff..................................... ..................................................................

167

2. Die Ansicht des BAG zum Rechtsschutzinteresse bis 1979............ ..........

168

3. Die neue Ansicht des BAG nach der Arbeitsgerichtsnovelle....................

169

4. Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung ........................................

170

a) Allgemein............................ .................................................................

170

b) Auswirkungen auf die Anträge im Beschlußverfahren ............ ............

171

aa) Leistungsantrag..............................................................................

172

bb) Gestaltungsantrag. ........ .. .. .... .... .... .. .. .... .. ........................................

172

cc) Feststellungsantrag......... .. ..............................................................

173

5. Schlußfolgerungen ....................................................................................

174

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne............................................

174

1. Einleitung..................................................................................................

174

2. Einwand der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung nach § 2 Abs. I BetrVG......................................................................................................

175

a) Mitverantwortung des Betriebsrats rur den Betrieb des Arbeitgebers

176

b) Die Bedeutung der Änderung der maßgeblichen Umstände im Rahmen von § 2 Abs. I BetrVG ................ ................................ ..........

180

c) Das Ereignis und der Zeitpunkt der Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse durch Anrufung des Gerichtes.........................................

181

aa) Systematik des Gesetzes ................................................................

18 I

bb) Der Untersuchungsgrundsatz des § 83 Abs. I ArbGG...................

182

cc) Besonderheit des Anhörungstermins vor der Kammer nach § 83 Abs. 4 ArbGG ...................................... .............................. ............

183

dd) Korrelat von Rechten und Pflichten.............. ........ .........................

186

ee) Konsequenzen rur den Antragsteller.......... .............. ......................

187

3. Unterstützung des betriebsverfassungsrechtlichen Ergebnisses mittels zivilrechtlicher Grundsätze .......................................................................

188

Inhaltsverzeichnis

15

a) Wegfall der Berechtigung entsprechend einem aus §§ 674, 675, 729, 1472, 1698a, 1893,2218 BGB, § 136 HGB folgenden Grundsatz .......................................................................................................

188

aa) Darstellung des allgemeinen Grundsatzes.. ....................................

188

bb) Übertragung des allgemeinen Grundsatzes auf die vorliegende Untersuchung .................................................................................

189

b) Veränderung der Rechtslage bei einem Wechsel von der Gutgläubigkeit zur Bösgläubigkeit ...... ...... .......... ...... .......... ........ ........ ........ .....

190

c) Zusammenfassung................................................................................

I 91

4. Verschulden bei der Durchführung des Geschäftes..... .......... .......... .........

191

V. Möglichkeiten der Beiordnung eines Rechtsanwaltes und der Beantragung von Prozeßkostenhilfe nach § 11 a Abs. 1- 3 ArbGG ..... ......................

193

I. Inhalt von § 11 a ArbGG .......... .... .............. ...... .......... .............. ..... ...... ......

193

2. Direkte Anwendung von § 11 a ArbGG .. .......................................... ........

194

3. Analoge Anwendung von § 11 a ArbGG .............. ...... ...................... .........

195

4. Stellungnahme...........................................................................................

196

VI. Fehlende Aufnahme des Beschlußverfahrens in den Wortlaut von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG .......................... ................... ........................ ...................

197

VII. Zusammenfassung....... ........ ........ .................... ...... ............................ ............

199

Exkurs ...........................................................................................................

201

Kapitel 8

Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers gegen eine rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung

203

I. Schuld rechtliche Möglichkeiten............... ............................................. ........

203

I. Vermögensrechtliche Stellung des Betriebsrats.......................... ..............

204

2. Neuer Ansatz....... ............................ ................. ...... ........ ... .... ............. .......

205

3. Haftung des Betriebsrats als Organ .............................. .................... .........

208

4. Haftung der Mitglieder des Betriebsrats ........................................ ...........

208

a) Vertragliche Ansprüche .......................................................................

209

b) Quasi-vertragliche Ansprüche..............................................................

209

aa) Die Ansicht von Hanau.... ............... ............ ....... .............. ....... .......

209

bb) Die Ansicht von Neumann-Duesberg ..................... .............. .........

2 \0

c) Deliktische Ansprüche ........................................... ..............................

211

5. Zusammenfassung............................................................................... .. ....

211

11. Betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten ..... .............................. ............

212

I. Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG ................................................................

212

16

Inhaltsverzeichnis 2. Ausschlußantrag des Arbeitgebers gegen ein einzelnes Betriebsratsmitglied nach § 23 Abs. I S. I 1. Alt. BetrVG..........................................

213

a) Verletzung gesetzlicher Pflichten.........................................................

213

b) Grobe Pflichtverletzung .......................................................................

215

aa) Bestimmung der Voraussetzungen.................................................

215

bb) Anwendung der Grundsätze auf die rechtsmißbräuchliche Weiterverfolgung des Kostenerstattungsanspruchs ................ ..............

216

c) Zusammenfassung................................................................................

218

3. Autlösungsantrag des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nach § 23 Abs. I S. I 2. Alt. BetrVG ...................................................................... ..

218

a) Grobe Ptlichtverletzung i.S.v. § 23 Abs. I S. 12. Alt. BetrVG...........

218

b) Anwendung der Grundsätze auf die rechtsmißbräuchliche Weiterverfolgung des Kostenerstattungsanspruches.......................................

219

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten ....................................................

220

I. Verhältnis von betriebsverfassungsrechtlichen Amtspflichten zu arbeitsvertraglichen Ptlichten.......................................................................

220

a) Erweiterungstheorie .............................................................................

221

b) Amtshandlungstheorie .... ................ ............ ......... ............... .................

222

c) Trennungstheorie ....................................................... ........... .... .... .......

223

d) Simultantheorie ....................................................................................

224

e) Stellungnahme......................................................................................

225

aa) Eindeutige Fälle .............................................................................

226

bb) Erheblichkeit der unterschiedlichen Ansichten und deren Abgrenzung ........................................................................................

226

(I) Ablehnung der Amtshandlungstheorie ......... ...........................

226

(2) Ablehnung der Trennungstheorie ............................. ...............

227

2. Verhältnis von § 626 Abs. I BGB zu § 23 Abs. I S. I I. Alt. BetrVG

230

a) Ansicht der Rechtsprechung ................................................................

230

b) Ansichten der Literatur ........... ................ ................ ............ ........ .........

231

c) Stellungnahme......................................................................................

231

3. Zusammenfassung.....................................................................................

233

4. Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der §§ 626 Abs. I BGB, 15 Abs. I S. I KSchG..............................................

234

a) Grundsätze und Systematik des besonderen Kündigungsschutzes.......

234

b) 7 lässigkeit der außerordentlichen Kündigung..................... ..............

236

aa) Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung i.S.v. § 626 Ab~. 1 ..,GB....................................................................................

236

Inhaltsverzeichnis

17

(1) Einleitung ................................................................................

236

(2) Die Bedeutung der zukünftigen Dauer des Arbeitsverhältnisses des Betriebsratsmitglieds...............................................

238

bb) Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs "wichtiger Grund" ...........................................................................................

240

(1) An sich geeignete Gründe........................................................

242

(2) Systematisierung der Kündigungsgründe nach der Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis............................. ....................

243

c) Anwendung auf die vorliegende Untersuchung ...................................

245

aa) Straftatbestände..............................................................................

245

(I) Versuchter Prozeßbetrug nach §§ 263 Abs. 1 i. V. m.

Abs. 2, 12 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB ....................................

246

(2) Schwere mittelbare Falschbeurkundung nach §§ 271 Abs. I, 272 Abs. 1 StGB......................................................................

249

(3) Urkundenfälschung durch Fertigung der Antragsschrift oder weiterer Schriftsätze nach § 267 Abs. 1 1. und 3. Alt. StGB

250

bb) Verdachtskündigung ................... .............................. ............... ......

251

(1) Voraussetzungen an den Verdacht im Rahmen der Verdachtskündigung ................................ .......................... ......

251

(2) Anwendung der Grundsätze zur Verdachtskündigung.............

252

cc) Schlußfolgerungen ........... .............. .............................. ..................

252

Kapite/9

Zusammenfassung der Untersuchung und Darstellung der Ergebnisse

253

Literaturverzeichnis ....... ........ ...... .... ........ ................ ............... ........... ......... ........ ....

261

Sachwortverzeichnis ...............................................................................................

271

2 Müller-Boruttau

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

AbgG

Gesetz über die Rechtsverhältnisses der Mitglieder des Deutschen Bundestages

abI.

ablehnend

Abs.

Absatz

abw.

abweichend

AcP

Archiv für civilistische Praxis

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

AktG

Aktiengesetz

Allg. VerwaltungsR.

Allgemeiner Teil des Verwaltungsrechtes

Alt.

Alternative

a.M.

anderer Meinung

AmtsBI.

Amtsblatt

Anm.

Anmerkung

AnwBI.

Das Anwaltsblatt (Zeitschrift)

AOG

Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit

AP

Arbeitsrechtliche Praxis

ArbG

Arbeitsgericht

ARGE ArbR

Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz

ArbR

Arbeitsrecht

ARS

Arbeitsrechtssammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichtes und der Landesarbeitsgerichte (Bensheimer Sammlung)

Art.

Artikel

Abkürzungsverzeichnis

19

AT

Allgemeiner Teil

AuA

Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

Aufl.

Auflage

AuR

Arbeit und Recht (Zeitschrift)

Baden.-Württberg.

Baden-Württenberg

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes

BayAGBGB

Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze

BayOblGZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Oberstengerichtshofes

BayPVG

Bayerisches Personalvertretungsgesetz

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BBiG

Berufsbildungsgesetz

Bd.

Band

Begr.

Begründung

bes.

besonders

betr.

betreffend

BetrAVG

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung

BetrVG 1972

Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahre 1972

BetrVG 1952

Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahre 1952

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivil- und Strafsachen

BI.

Blatt

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz

BRAGO

Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung

BReg

Bundesregierung

BT

Besonderer Teil

20

Abkürzungsverzeichnis

BT-Drs.

Drucksachen des Deutschen Bundestages

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

CDU

Christlich Demokratische Union

CSU

Christlich Soziale Union

CR

Computer und Recht (Zeitschrift)

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

DJT

Deutscher Juristentag

Diss.

Dissertation

d.h.

das heißt

Drs.

Drucksache

EBR

Europäischer Betriebsrat

EBRG

Europäische Betriebsrätegesetz

EG

Europäische Gemeinschaft

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Einf.

Einführung

Ein!.

Einleitung

Einls.

Einleitungssatz

entspr.

entsprechend

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

e.V.

eingetragener Verein

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

EzA

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

f.

folgende

Abkürzungsverzeichnis

21

ff.

fortfolgende

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FOG

Finanzgerichtsgesetz

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

GK

Gemeinschaftskommentar

GS

Großer Senat, Gemeinsamer Senat

GeSchmMG

Gesetz betreffend das Urhaberrecht an Mustern und Modellen

GVBL

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz)

HAG

Heimarbeitsgesetz

HessFGG

Hessisches Finanzgerichtsgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

Hs.

Halbsatz

IG

Industriegewerkschaft

i.e.S.

im engeren Sinne

insb.

insbesondere

i.S.v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JurBüro

Juristisches Büro (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JW

Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

22

Abkürzungsverzeichnis

KO

Konkursordnung

Komm.

Kommentar

KostRÄndG

Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen

KR

Kommentar zum Kündigungsschutzrecht

krit.

kritische

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

LAG

Landesarbeitsgericht

LAGE

Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte

LG

Landgericht

LPVG

Landespersonalvertretungsgesetz

m.

mit

m.E.

meines Erachtens

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer

MitbestErG

Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie

MünchArbR

Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht

Münch-Komm.

Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

N.JW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

N.JW-RR

Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport

NT.

Nummer

n.v.

nicht veröffentlicht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZA

Neue Zeitschrift flir Arbeits- und Sozialrecht

NZA-RR

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Rechtsprechungsreport

OVG

Oberverwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis

23

PatentG

Patentgesetz

PersR

Personalrat (Zeitschrift)

PersVG Berlin

Personalvertretungsgesetz des Landes Berlin

PflVG

Pflichtversicherungsgesetz

PrFGG

Preussisches Finanzgerichtsgesetz

R.

Rückseite

RAG

Reichsarbeitsgericht

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

Rdnr.

Randnummer

Rdnrn.

Randnummern

RegE

Regierungsentwurf

RGBI.

Reichsgesetzblatt

RGewO

Reichsgewerbeordnung

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rspr.

Rechtsprechung

Rs.

Rechtssache

S.

Seite, Satz

SachR

Sachenrecht

SächsPersVG

Landespersonalvertretungsgesetz des Freistaates Sachsen

SAE

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift)

SeemannnsG

Seemannsgesetz

SGG

Sozialgerichtsgesetz

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschland

SprAuG

Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten

SR

Schuldrecht

StGB

Strafgesetzbuch

24

Abkürzungsverzeichnis

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

teilw.

teilweise

TVAL

Tarifvertrag über die bei Dienststellen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen der alliierten Behörden und der alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer.

TVG

Tarifvertragsgesetz

TVO

Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsrechtsstreitigkeiten

u.a.

und andere

umfr.

umfangreich

usw.

und so weiter

u.U.

unter Umständen

v.

vom, von

VersR

Zeitschrift für Versicherungsrecht

vgl.

vergleiche

VgIO

Vergleichsordnung

VO

Verordnung

Vorbem.

Vorbemerkung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

w.

weitere

WO

Wahlordnung

WRV

Weimarer Reichsverfassung

WZG

Warenzeichengesetz

zahlr.

zahlreiche( n)

z.B.

zum Beispiel

ZBR

Zeitschrift für Beamtenrecht

ZfA

Zeitschrift für Arbeitsrecht

Ziff.

Ziffer

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZPR

Zivilprozeßrecht

Abkürzungsverzeichnis

25

ZSEG

Gesetz zur Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen

zust.

zustimmend

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Nach § 40 Abs. 1 BetrVG 1972 hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen '. Gleichlautende Regelungen enthalten das Bundespersonalvertretungsgesetz in § 44 Abs. 1 S. 1 BPersVG und die Personalvertretungsgesetze der Länder, wie Z.B. § 45 Abs. 1 LPVG Baden.-Württberg., Art. 44 Abs. 1 S. 1 BayPVG, § 40 Abs. 1 S. 1 PersVG Berlin, § 42 Abs. 1 HessPVG, § 45 Abs. 1 S. 1 SächsPersVG. Die Kosten der Mitbestimmung und Mitwirkung von Arbeitnehmervertretungen auf Betriebs- und Dienststellenebene haben nach klarer gesetzlicher Regelung in den maßgeblichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetzen der Arbeitgeber oder die Dienststelle zu tragen. Zu diesen Kosten gehören nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur die Kosten der Rechtsverfolgung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats und seiner Mitglieder2 • Die Eindeutigkeit der Regelungen war und ist wohl der Grund dafür, daß diese klaren Nonnen nur selten in der Rechtsprechung oder in der Literatur nach einer gewissen Konkretisierung nach Erlaß der Nonnen - zum Anlaß genommen wurden, Inhalte, Umfang und Grenzen der Kostentragungspflicht tiefergehend zu untersuchen. Doch sind solch eindeutige Nonnen nur mit einer gebotenen Vorsicht anzuwenden, da sie eine Mißbrauchsgefahr in sich bergen. Diese Mißbrauchsgefahr gab auch den Anlaß für die vorliegende Untersuchung. Durch die eindeutige Regelung könnte der Arbeitgeber bzw. der Dienstherr zum Spielball von Rechtsstreitigkeiten mit dem Betriebs- bzw. Personalrat gemacht werden und die Arbeitnehmervertretungen könnten einen finanziellen Druck auf die Arbeitgeber ausüben, da auf den ersten unkritischen Blick sämtliche Kosten von diesen zu ersetzen wären.

, BGBI. I, S. 13 ff.; neu bekanntgemacht durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBI. I, S. 2312). 2 V gl. die für die Untersuchung sehr bedeutsame Entscheidung des BAG AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972 m. Anm. Grunsky = EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 37 = BB 1979, S. 163 = OB 1979, S. \07 = SAE 1979, S. 215 m. Anm. Hanau und LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 34; LAG Köln NZA-RR 1996, S. 94; vgl. aus der Literatur: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 14; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 11; Glaubitz in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 14; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 40.

28

Einleitung

Die vorgelegte Untersuchung soll daher den Inhalt des § 40 Abs. I BetrVG hinsichtlich dieser Kostentragungspflicht des Arbeitgebers fur Rechtsstreitigkeiten mit dem Betriebsrat so bestimmen, daß eine sachgerechte Anwendung dieser, die Kostenlast verteilenden Norm ermöglicht wird 3 . Sie soll dazu beitragen, die konträren Positionen der Verwendung der Kostenverteilungsnorm zu Mißbrauchszwecken auf der einen Seite und der Aushöhlung des Rechtes zur kostenverursachenden Betriebsratstätigkeit auf der anderen Seite in Einklang zu bringen. Dabei soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, welche rechtlichen Möglichkeiten der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat als Organ oder gegenüber den Mitgliedern des Betriebsrats hat, wenn dieser oder diese in unzulässiger Weise unter dem Deckmantel der Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. I BetrVG Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber einleiten und sich dabei anwaltlicher Beratung und Vertretung bedienen. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung und Organisation auch flir die angesprochenen Regelungen der Personalvertretungsgesetze4 •

3 Eine solche Bestimmung des Inhaltes und Umfanges der Kostentragung des Arbeitgebers ist auch nach der Rechtsprechung des BVerfG geboten. Nach BVerfG NZA 1988, S.355 (356) = OB 1988, S.709 (710), NZA 1992, S.641 (642) = OB 1992, S. 841 (842) können übermäßige Kostenbelastungen des Arbeitgebers einen unverhältnismäßigen Eingriff in dessen Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. I GG darstellen. 4 Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich allerdings auf den betriebsverfassungsrechtlichen Bereich, zu Einzelheiten im Rahmen der Personalvertretungsgesetze vgl. BVerwG PersV 1959, S. 160 ff., und 1980, S. 429 ff., OVG Münster ZBR 1962, S. 26 ff.; AltvateriBacheriSaboltinglSchneider BPersVG, § 44 Rdnrn. 12 ff., Grabendorj/WindscheidlIlbertzlWidmaier, BPersVG, § 44 Rdnrn. 14 ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen.

Kapitell

Problemstellung I. Überblick

Die vom Wortlaut her strikte Kostenlastverteilung zu Lasten des Arbeitgebers stellt eine fast einmalige Regelung dar. Die Zivilprozeßordnung in den §§ 91 ff. ZPO, die Verwaltungsgerichtsordnung in den §§ 154 ff. VwGO und eine Reihe von anderen Gesetzen mit kostenlastverteilenden Regelungen wie z.B. §§ 13 a FGG, 77 GWB, 62 Abs. 2 PatentG, 10 a GeschmG, § 306 Abs. 7 Satz 9 AktG gehen von dem Obsiegensprinzipl aus. Dies bedeutet, daß die Partei eines Rechtsstreites, die mit ihrem Begehren Erfolg hat, die eigenen Kosten des Verfahrens nicht zu tragen braucht, sondern diese von der unterlegenen Partei erstattet erhält. Von diesem Prinzip weicht § 40 Abs. 1 BetrVG in diametral entgegengesetzter Art und Weise ab. Der Arbeitgeber hat die Kosten des Betriebsrats zu tragen. In dieser Norm findet sich kein Hinweis auf die Möglichkeit einer dem Verfahrensergebnis entsprechenden Kostenverteilung. An dieser Stelle sei auf zwei Rechtsgrundlagen des Obsiegensprinzipes hingewiesen. Es wird zum einen damit begründet, daß aus Artikel 3 Abs. 1 GG der Grundsatz der Sachgerechtigkeit zu folgern sei, der - auf die Verteilung der anfallenden Kosten der Rechtsverfolgung bezogen - darin bestehe, daß der in einem Verfahren obsiegenden Partei nicht die Kosten des Verfahrens auferlegt werden dürfen 2 • Zum anderen kann aber auch die Begründung des Bundesverfassungsgerichtes herangezogen werden, wonach die Verpflichtung zur Kostentragung grundsätzlich im Verursachungsprinzip zu sehen sd. Danach hat derjenige die Kosten zu tragen, der im Prozeß unterlegen ist, sich gegen einen be-

I Vgl. dazu BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, Übers. zu § 91 Rdnr.27, RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 87, V, 5, Zöller-Herget, ZPO, § 91 Rdnr.2. 2 Stein/JonaslSchumann, ZPO, 20. Aufl., Bd. I, Einl. Rdnr. 506; Zöller-Herget, ZPO, § 91 Rdnr. 2 m.w.N. 3 BVerfGE 18, S. 302 (304) zur Kostentragung eines im Strafverfahren rechtskräftig verurteilten Angeklagten. Ebenso lpsen BB 1976, S. 957 ff., der die Kostentragungspflicht mit einer schadensersatzrechtlichen Konstruktion begründet.

30

Kap. I: Problemstellung

stehenden Anspruch zur Wehr gesetzt und somit letztlich eine Rechtsverfolgung durch den Obsiegenden verursacht hat4 • Aber auch ein Vergleich mit den Kostentragungsregelungen der - thematisch näherliegenden - Gesetze zur Mitbestimmung auf Unternehmensebene unterstreicht noch einmal die Einmaligkeit des Regelungsgehaltes des § 40 Abs. I BetrVG. Weder im Mitbestimmungsgesetz, noch im Mitbestimmungsergänzungsgesetz lassen sich vergleichbare Regelungen finden. Dort ist zunächst zu unterscheiden zwischen Rechtsstreitigkeiten in Mitbestimmungsangelegenheiten, die von den ordentlichen Gerichten und solchen, die im Beschlußverfahren nach § 2 a Abs. I Nr. 3 ArbGG von den Arbeitsgerichten entschieden werden. Zu den im Beschlußverfahren zu entscheidenden Streitigkeiten zählen zum Beispiel die Anfechtung der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat (vergl. § 22 MitbestG und § lOk MitbestErgG), die Feststellung der Nichtigkeit einer Aufsichtsratswahl 5, Streitigkeiten, die sich anläßlich der Wahl von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat im Verlaufe des Wahlverfahrens ergeben 6 , die Vorfragenkompetenz hinsichtlich geseIlschaftsrechtlicher Fragen bei Streitigkeiten anläßlich von Aufsichtsratswahlen 7 und Streitigkeiten aus Abberufungsverfahren von Vertretern der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (vgl. § 23 MitbestG und § 10m MitbestG). Für Rechtsstreitigkeiten hingegen, die aus der Stellung von Aufsichtsratsmitgliedern hervorgehen, sind die ordentlichen Gerichte zuständig 8 • Streitigkeiten der Organmitglieder untereinander sowie das Recht eines Aufsichtsratsmitgliedes auf Anfechtung bzw. Feststellung der Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gemäß § 245 Nr. 5 AktG, das Recht auf Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen 9 , die Klage auf gerichtliche Entscheidung über die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrates gemäß §§ 89 Abs. 2 Nr. 2 AktG, 6 Abs. 2 MitbestG, die Klage gemäß §§ 104 AktG, 6 Abs. 2 MitbestG auf Neubestellung eines Aufsichtsratsmitglieds und der Antrag auf

4 RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 87, V, 5; BaumbachiLauterbachiAlbersl Hartmann, ZPO, Übers. zu § 91 Rdnr. 27 fUhrt die Kostenverteilung auf das Veranlasserprinzip zurück; vgl. auch BGH in BGHZ 60, S. 337 (343), VersR 1992, S. 1281 ( 1285). 5 GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 2a Rdnr. 56; die Nichtigkeit kann allerdings auch in einem anderen Verfahren als Vorfrage und insbesondere auch im Verfahren nach § 250 AktG entschieden werden. 6 LAG Oüsseldorf OB 1978, S. 987 (987), LAG Hamm EzA § 5 MitbestG Nr. I; Grunsky, ArbGG, § 2a Rdnr. 28. 7 GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 2a Rdnr. 59; Martens OB 1978, S. 1065 (1070). H OLG München AP Nr. 18 zu § 2 ArbGG 1979; GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 2a Rdnr. 63. 9 BGHZ 64, S. 325 ff.; Säcker, Anpassung an das Mitbestimmungsgesetz, S. 25 f.

I. Überblick

31

Notbestellung eines fehlenden Vorstandsmitglieds gemäß §§ 85 AktG, 31 MitbestG sind ebenfalls von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden 10. Doch rur all diese Streitigkeiten findet sich keine § 40 Abs. I BetrVG vergleichbare materiellrechtliche Vorschrift, die das Unternehmen verpflichtet, die Kosten der Tätigkeit des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder im allgemeinen und die Kosten der Rechtsverfolgung im speziellen zu übernehmen. Der Unternehmer hat lediglich nach § 20 Abs. 3 MitbestG die Kosten der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder zu tragen. Doch sind diese Norm und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht mit § 40 Abs. I BetrVG, sondern mit der betriebsverfassungsrechtlichen Norm über die Verteilung der Kosten der Betriebsratswahlen und damit mit § 20 Abs. 3 BetrVG zu vergleichen und dementsprechend vorliegend nicht von aussagekräftiger Bedeutung. Allerdings wird später noch einmal auf diese die Verteilung der Wahlkosten regelnden Normen zurückzukommen sein. Schon das Reichsarbeitsgericht l1 zu Zeiten des Betriebsrätegesetzes 1920 und das Bundesarbeitsgericht l2 zu Zeiten des BetrVG 1952 haben erkannt, daß durch die einseitige Kostenlastverteilung die Gefahr des Mißbrauches der Kostenverteilungsregelung besteht. Sie haben die entsprechenden Vorläufer des § 40 Abs. 1 BetrVG dahingehend interpretiert, daß nur solche Kosten vom Arbeitgeber zu erstatten seien, die auch rur die Betriebsratstätigkeit erforderlich waren 13. Die Einschränkung, daß der Arbeitgeber nur die erforderlichen Kosten der Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene zu tragen hat, ist heute ein den Normen der Arbeitnehmervertretungen immanenter Grundsatz. Teilweise ist dieser Grundsatz - da explizit aufgenommen - den einzelnen Normen immanene 4 , teilweise wird er zur näheren Konkretisierung der Norm in diese "mit hinein gelesen". Die Erforderlichkeit der jeweiligen Kosten ist dabei nicht ex-

10 Zusammenfassend GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 2a Rdnrn. 61 tY und Säcker, NJW 1979, S. 1521 (1526 f.). 11 RAG ARS 6, S. 187 (191) und ARS 11, S. 269 ff. 12 BAGE 14, S. 84 ff. = AP Nr. I zu § 39 BetrVG 1952, AP Nr. 7 und 8 zu § 39 BetrVG 1952. 13 BAG AP Nr. 7 BI. 2 R, Nr. 8 BI. 1 R zu § 39 BetrVG 1952, AP Nr. 8, BI. IR, Nr. 18, BI. 2, Nr. 28, BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972; LAG Freiburg, AP Nr. 3, BI. 2 zu § 37 BetrVG 1972; DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnrn. 4 und 12; FittinglKaiserlHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnrn. 6, 7 und 20; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40, Rdnr. 7 f.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 10 m. zahlr. weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Literatur. 14 Vgl. §§ 37 Abs. 2, 3, 6 und 7, 40 Abs. 2, 76 a Abs. 2 BetrVG.

32

Kap. I: Problemstellung

post von einem rein objektiven Standpunkt zu beurteilen, sondern ex-ante unter Anlegung eines verständigen Maßstabes '5 .

11. Gang der Untersuchung

Die vorliegende Untersuchung zur Begrenzung der Kostentragungspflicht und zu den Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers gegen eine nicht von § 40 Abs. I BetrVG umfaßte Kostenverursachung ist wie folgt aufgebaut: Dieser Problemdarstellung schließt sich als Einführung in die Thematik eine Darstellung der Kosten der Mitbestimmung auf Betriebsebene im allgemeinen und der Kosten von Rechtsstreitigkeiten im Beschlußverfahren im speziellen an (Kapitel 2). Das danach folgende Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Handhabung und Abwicklung des Kostenerstattungsanspruches in der Praxis. Kapitel 4 und 5 behandeln die dogmatischen Ansätze der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers und stellen die rechts geschichtliche Entwicklung des heutigen § 40 Abs. 1 BetrVG seit einer ersten Kodifikation eines Vorläufers des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes 1972 im Jahre 1891 dar. In Kapitel 6 der Untersuchung werden anhand von bereits entschiedenen Fällen die Konkretisierungen wiedergegeben, die § 40 Abs. 1 BetrVG bis heute erfahren hat. Dabei werden nicht nur konkrete Fallgestaltungen, sondern auch eine systemgerechte Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG dargestellt. Während sich die bisherigen Beschlüsse des RAG und BAG, die ausgewerteten Untersuchungen und Abhandlungen vor allem mit den materiellen Anspruchsvoraussetzungen von § 40 Abs. 1 BetrVG beschäftigt haben, bemüht sich Kapitel 7 neue Ansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht unter spezieller Berücksichtigung von prozessualen Instrumenten zu entwickeln. Im Rahmen der Ausführungen werden anhand zahlreicher Beispiele u.a. die Auswirkungen einer prozeßrechtlichen Bindung eines Betriebspartners an Entscheidungen in einem vorangegangenen Verfahren auf die Kostentragungspflicht verdeutlicht. Kapitel 8 dient vor allem der Anwendung der in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Ergebnisse und der Untersuchung von "lösenden Reaktionsmöglichkeiten" des Arbeitgebers. Innerhalb dieses Kapitels werden die Reaktionsmöglichkeiten in den Rechtsgebieten Schuldrecht im allgemeinen, insbesondere Haftungs- und Schadensersatzrecht, Betriebsverfassungsrecht und Individualarbeitsrecht gesucht und erläutert. 15 BAG AP Nr. 7 BI. 2 R, Nr. 8 BI. I R zu § 39 BetrVG 1952; Nr. 18 BI. 2, Nr. 29 BI. 3 R, Nr. 31 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972, DB 1987, S. 1439, NZA 1992, S. 41 (41); Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 6, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 11.

11. Gang der Untersuchung

33

Die Untersuchung endet in Kapitel 9 mit einer Zusammenfassung ihrer wesentlichen Ergebnisse einschließlich einer zusammenfassenden Schlußbetrachtung.

3 Müllcr·Boruttau

Kapitel 2

Darstellung der im Rahmen der Mitbestimmung auf Betriebsebene anfallenden Kosten Bevor auf den aktuellen Stand der Rechtsprechung und der Meinungen in der Literatur zur Begründung und zum Umfang der Kostentragungspflicht eingegangen wirdl, sollen in diesem Kapitel - zur Verdeutlichung und Einordnung der Problematik - die Kosten im allgemeinen dargestellt werden, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom Arbeitgeber zu tragen sind.

I. Kosten der Arbeitnehmervertretung

nach dem Betriebsverfassungsgesetz Bei den Kosten der Mitwirkung und Mitbestimmung auf Betriebsebene wird traditionell zwischen den unmittelbaren Kosten und den mittelbaren Kosten unterschieden 2 • Zu den unmittelbaren Kosten gehören vor allem die Lohnkosten und Kosten flir Sachmittel im weitesten Sinne, zu den mittelbaren Kosten die Kosten, die durch Verzögerungen der Umsetzung von untemehmerischen Entscheidungen und durch sogenannte Koppelungsgeschäfte entstehen.

1. Unmittelbare Kosten In einer Reihe von Normen regelt das Betriebsverfassungsgesetz die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers flir die unmittelbaren Kosten des Betriebsrats explizid. Zu diesen gehören zunächst nach §§ 37 Abs. 2, 38 BetrVG die Lohnkosten für die Betriebsratsmitglieder während der Betriebsratstätigkeie, die Lohnkosten der Arbeitnehmer während der Teilnahme an Betriebsversammlungen (§ 44 Abs. 1 BetrVGt sowie die Lohnkosten, die aus Anlaß des Vgl. dazu Kapitel 3. Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 75. J Dabei muß die Tätigkeit aufgaben bezogen und die Lohnkosten müssen auch erforderlich gewesen sein, vgl. zu den Anforderungen FittinglKaiserlHeitheriEngels, BetrVG, § 37 Rdnrn. 20 ff. 4 Dies gilt sowohl für ordentliche als auch für die außerordentliche Betriebsversammlungen, FittinglKaiseriHeitherlEngels, BetrVG, § 44 Rdnrn. 5 ff. I

2

I. Kosten der Arbeitnehmervertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz

35

Besuches der Sprechstunden oder sonstiger Inanspruchnahme des Betriebsrates (§ 39 Abs. 3 BetrVG) durch fortzuzahlenden Lohn 5 entstehen. Dogmatische Grundlage für die Lohnfortzahlung ist das Lohnausfallprinzip, nach dem der Lohn zu zahlen ist, der hätte gezahlt werden müssen, wenn das Betriebsratsmitglied als Arbeitnehmer gearbeitet hätte 6 . Schließlich hat der Arbeitgeber auch die Kosten der Wahl des Betriebsrats nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, einschließlich der Lohnfortzahlung bei Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Betätigung im Wahlvorstand oder zur Ausübung des Wahlrechtes erforderlich ist, zu tragen 7• Neben diesen lohnerhaltenden Normen stellt § 40 Abs. 1 BetrVG die zentrale Vorschrift für die eigentlichen Kosten der Betriebsratsarbeit dar. Im Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 BetrVG ist zwischen den sachlichen Kosten des Betriebsrats und den persönlichen Kosten der Mitglieder des Betriebsrats zu unterscheiden. Bei den sachlichen Kosten des Betriebsrats handelt es sich in erster Linie um die Geschäftsfuhrungskosten, zu denen Fahrt- und Reisekosten, Auslösungen sowie Dolmetscher- und Übersetzerkosten, weiterhin Druckkosten fur Rundschreiben und Informationsblätter und ähnliches zählen 8 • Auch zählen zu den sachlichen Kosten die hier in Frage stehenden Kosten der Führung eines Rechtsstreites gegen den Arbeitgeber in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten9 • Zu den persönlichen Kosten der Betriebsratsmitglieder gehören die von ihnen getätigten Aufwendungen, wie etwa Fahrtkosten, Telefonauslagen und sonstige Aufwendungen, wie zum Beispiel Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber bei Unfällen im Rahmen von Reisetätigkeiten lO • Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu nennen, aber speziell geregelt, sind die Ersatzansprüche fur Kosten von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Dabei ist allerdings zwischen den Veranstaltungen i.S.v. § 37 Abs. 6 BetrVG, d.h. denjeni-

Zu den Voraussetzungen Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 39 Rdnrn. 5 ff. Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 37 Rdnrn. 46 ff.; allgemein zum Lohnausfallprinzip vgl. MünchAbR-Boewer, Bd. I, § 76 Rdnrn. 46 ff. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG hat der Lohnfortzahlungsanspruch seine Rechtsgrundlage allerdings nicht in § 37 Abs. 2 BetrVG, sondern alleine im Arbeitsvertrag i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB, vgl. dazu BAG AP Nr. 3, 16, 17, 31, 55 und 76 zu § 37 BetrVG 1972. 7 Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 20 Rdnrn. 32 ff. M Zusammenfassend MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnrn. 6 ff. "BAG APNr. 14 BI. 2 R, Nr. 19 BI. I R, Nr. 31 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972; NZA 1992, S. 41 (41); LAG Hamm, EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 34; Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnrn. I3 ff.; Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 14; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 40 jeweils. m.w.N. J() Zusammenfassend wiederum MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnr.24. 5 6

36

Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

gen, die auf einem Anspruch des Betriebsrats als Organ beruhenlI, und den Schulungsveranstaltungen i.S.v. § 37 Abs. 7 BetrVG, und damit denjenigen, die auf einem Anspruch des einzelnen Betriebsratsmitgliedes beruhen, zu unterscheiden 12. Ebenfalls speziell geregelt ist die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für die sachlichen Mittel des Betriebsrats nach § 40 Abs. 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber für Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsfuhrung im erforderlichen Umfang Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfugung zu stellen I3 . Zu den sachlichen Mitteln gehören insbesondere die erforderliche Büroausstattung, die wichtigsten arbeitsund sozialrechtlichen Gesetzbücher und Gesetzestexte und in gewissem Umfang auch Kommentare, insbesondere zum Betriebsverfassungsgesetz '4 . Ebenfalls zu den sachlichen Mitteln gehören das Schwarze Brett zur Information der Belegschaft oder bei größeren Betrieben die Finanzierung einer Unternehmenszeitschrift 15 • All diese Kostenregelungen sind zwingend '6 . Ein Rückgriff auf die Arbeitnehmer ist zum einen durch das Umlageverbot des § 41 BetrVG ausgeschlossen. Nach diesem Verbot ist die Erhebung von Beiträgen oder Gebühren fur Zwecke der Betriebsratstätigkeit unzulässig. Verboten ist es insbesondere, aus dem Vermögen der Arbeitnehmer finanzielle Mittel zur Verwendung für die Finanzierung der Betriebsratstätigkeit heranzuziehen '7 • Zum anderen sind die Betriebsratsmitglieder nach dem Betriebsverfassungsgesetzes davor geschützt, die Kosten selbst übernehmen zu müssen. Nach § 37 Abs. 1 BetrVG üben die Betriebsratsmitglieder ihre Tätigkeit als unentgeltliches Ehrenamt aus und nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen den Betriebsratsmitgliedern aus ihrer Tätigkeit im

II Voraussetzung für die Kostentragung durch den Arbeitgeber ist daher auch ein ordnungsgemäßer Beschluß des Betriebsrats nach § 33 BetrVG, vgl. Fitting/Kaiser! Heither!Engels, BetrVG, § 37 Rdnrn. 141 f. und 184 ff., insb. Rdnr.185. 12 Vgl. wiederum nur Fitting/Kaiser!Heither/Engels, BetrVG, § 37 Rdnr. 151 ff., insb. 182 und Loritz NZA 1993, S. 2 (2). II Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnrn 50 ff., Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnrn. 80 ff., Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnrn. 98 f., 102 ff. und 1231f. 14 Einzelheiten bei Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnrn. 92 f., Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnrn. 110 ff. m. umfr. N. d. Rechtsprechung. 15 Fitting/Kaiser!Heither!Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 103; Wiese, in: GK-BetrVG; § 40 Rdnrn. 116 ff. m umfr. N. d. Rechtsprechung. 16 Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 41 Rdnr. 1, Galperin/Löwisch, BetrVG, § 41 Rdnr. I. 17 Dietz/Richardi, BetrVG, § 41 Rdnr.2; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 41 Rdnr. 4. Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 41 Rdnr. 2; Wiese, in: GK-BetrVG, § 41 Rdnr. 3.

I. Kosten der Arbeitnehmervertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz

37

Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern keine Nachteile, auch nicht in finanzieller Hinsicht, entstehen.

2. Mittelbare Kosten Im Gegensatz dazu finden sich im Betriebsverfassungsgesetz hinsichtlich der Kostentragung der mittelbaren Kosten keine gesetzlichen Regelungen. Diese Kosten, die auch als Folgekosten bezeichnet werden l8 , sind kaum meßbar und entstehen dadurch, daß durch die Einschaltung der Arbeitnehmervertretung die geplanten betrieblichen Maßnahmen des Arbeitgebers kostenintensiver ausfallen, als dies ohne Mitbestimmung der Fall gewesen wäre. Solche mittelbar wirkende Kostenbelastungen treten vor allem im Rahmen der zwingenden Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG auf. Mittels extremer Gegenvorschläge und einer beharrlichen Weigerung zu einer Einigung kann der Betriebsrat im Rahmen der Zwangsschlichtung ein Einigungsstellenverfahren nach §§ 87 Abs. 2, 76 Abs. 5 BetrVG erzwingen und dadurch eine Verzögerung der Umsetzung der geplanten Maßnahme verursachen. Gleiches gilt auch fur die Fälle der Mitbestimmung bei personellen Einzelrnaßnahmen nach §§ 99 ff. i.V.m. 95 Abs. 3 BetrVG. Auch in diesem Bereich kann es gewolltermaßen zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen kommen, wenn die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme aus sachwidrigen Überlegungen nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert und dadurch die geplante Maßnahme erheblich verzögert wird. Solche Verzögerungen fUhren zum Entstehen oder zur Erhöhung von Kosten fur den Arbeitgeber, soweit die Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren im nachhinein ohne weiteres ersetzt wird l9 • Zu weiteren mittelbaren Kosten fuhren die sogenannten Kompensationsoder Koppelungsgeschäfte. Darunter versteht man die "Geschäfte", bei denen der Betriebsrat seine gesetzlich erforderliche Zustimmung zu einer geplanten Maßnahme nur unter der Voraussetzung in Aussicht stellt oder nur unter der Bedingung erteilt, daß der Arbeitgeber in einem anderen Bereich, der nicht der (zwingenden) Mitbestimmung unterliegt, zu einer Kompensation bereit ist2°.

IK Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.75 f, Eich. Koppelungsgeschäfte, ZfA 1988, S. 93 ff., Kappes OB 1997, S. 277 ff. l~ Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.76 und Eich, Koppelungsgeschäfte, ZfA 1988, S. 93 (98). 2n Eich, Koppelungsgeschäfte, ZfA 1988, S. 93 (93), Kappes OB 1997, S. 227 (278).

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Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

Beispiele21 für Koppelungsgeschäfte lassen sich vor allem im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen über Mehr- und Kurzarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG oder aber auch im Zusammenhang mit dem Zustimmungsverfahren bei personellen Einzelrnaßnahmen nach § 99 BetrVG finden. So ist es sehr verbreitet, die Zustimmung zu Überstundenregelungen nur von der Gewährung zusätzlicher bezahlter freier Tage im Zusammenhang mit dem Erholungsurlaub abhängig zu machen. Auch wird eine Berechtigung der einzelnen Arbeitnehmer auf Übertragung der freien Tage auf das nächste Jahr, selbst unter Hinweis auf entstehende bilanzielle Rückstellungsverpflichtungen und entgegenstehende Tarifverträge, gefordert. Auch wird die Zustimmung zur Mehrarbeit nur unter Gewährung eines weit übertariflichen Mehrarbeitszuschlages - sei es in Form von Geld oder Freizeit, je nach Wahl der Arbeitnehmer - abhängig gemacht. Die Zustimmung zur Kurzarbeit wird häufig nur gegen Zahlung des vollen Entgeltes gewährt oder gegen das durch Betriebsvereinbarung abgesicherte Verbot an den Arbeitgeber, betriebsbedingte Kündigungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes auszusprechen. Im Rahmen der personellen Einzelrnaßnahmen werden als Koppelungsgeschäft zum Beispiel die Zustimmung zu Einstellungen von dem generellen Verzicht des Arbeitgebers auf Abschluß befristeter Arbeitsverträge abhängig gemacht oder davon, daß die betroffenen Arbeitnehmer bei befristeter Einstellung entgegen dem einschlägigen Manteltarifvertrag auch bei einem Ausscheiden während des laufenden Kalenderjahres eine anteilige Weihnachtsgratifikation erhalten. Auch wird die Zustimmung zur Einstellung oder zur Versetzung vielfach nur gegen eine vom Betriebsrat gewünschte Eingruppierung erteilf 2 • Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

21 Hier sollen nur einige dargestellt werden, eine umfangreiche Auflistung findet sich bei Eich, Koppelungsgeschäfte, ZfA 1988, S. 93 (94 ff.). 22 Bei all diesen Koppelungsgeschäften handelt es sich natürlich um eklatante Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz und insbesondere gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit i.S.v. §§ 2 Abs. I, 74 Abs. I S. 2 BetrVG, Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 87 Rdnr. 75, Kappes DB 1997, S. 277 (278); Als Sanktion gegen solch willkürliche oder schikanöse Zustimmungsverweigerungen wird in der literatur die begrüßenswerte Ansicht vertreten, daß sich der Betriebsrat so behandeln lassen müsse, als habe er seine Zustimmung erteilt, vgl. Witt BB 1986, S. 2194 (2198); die rechtswidrige Verweigerung des Betriebsrats wird also durch die Fiktion rechtmäßigen Handeins - entsprechend dem Gedanken des § 162 BGB - überwunden, so z.B. Belfing, Haftung des Betriebsrats, S. 23, Kappes DB 1997, S. 277 (278).

11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

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11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten im Beschlußverfahren über Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsrecht nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG Wie gerade im Rahmen der Darstellung der unmittelbaren Kosten der Mitbestimmung auf Betriebsebene kurz erwähnt, zählen zu diesen auch die Kosten der Rechtsverfolgung im BeschluBverfahren durch den Betriebsrat und seiner Mitglieder. Im folgenden werden die im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren anfallenden Kosten der Beteiligten daher einmal näher aufgeschlüsselt.

1. Gerichtskosten

Bei den Erläuterungen der Gerichtskosten im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren wird überwiegend pauschal auf § 12 Abs. 5 ArbGG verwiesen 23 • Nach dieser Norm werden im gesamten Beschlußverfahren nach § 2 a Abs. 1 ArbGG, d. h. neben den Streitigkeiten über Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz auch bei Streitigkeiten aus dem Mitbestimmungsgesetz und über die Tariffähigkeit einer Vereinigung keine Kosten erhoben 24 • Zu einem besseren Verständnis dieser Regelung sollen zunächst ein kurzer Überblick über das Beschlußverfahren gegeben werden und im Anschluß daran, die Auswirkungen des § 12 Abs. 5 ArbGG auf die möglichen entstehenden Kosten dargestellt werden.

a) Überblick über das Beschlußverfahrenzs Das Beschlußverfahren ist eine gegenüber dem Urteilsverfahren eigene Verfahrensart, in der die Arbeitsgerichte über bestimmte, im Gesetz im einzelnen aufgezählte kollektivrechtliche Streitigkeiten befinden. Die Abgrenzung des Beschlußverfahrens zum Urteilsverfahren erfolgt nach der eigentlichen Anspruchsgrundlage; soweit allerdings eine in das andere Verfahren gehörende Frage als Vorfrage entschieden werden muß, kann darüber inzidenter entschie23 Germe/mann/MatthesIPrütting, ArbGG, § 12 Rdnr. 132 sowie Grunsky, ArbGG, § 12 Rdnr. 28, Tschischga/eISatzky, Kostenrecht, S. 63. 24 Gleiches gilt rür die Ablehnung eines Schiedsrichters nach § 103 Abs.3 ArbGG, die Niederlegung der Ausfertigung eines Schiedsspruches beim Arbeitsgericht nach § 108 Abs. 3 ArbGG sowie die Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruches nach § 109 ArbGG. 25 Vgl. ausführlich Ascheid, Arbeitsgerichtliches Verfahren, Rdnrn. 165 ff., Fittingl KaiserIHeitherIEnge/s, BetrVG, nach § 1 Rdnrn. 3 ff.; Germe/mann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 80 Rdnrn. 30 ff., Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnrn. I ff.

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Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

den werden 26 • Das Beschlußverfahren kommt allerdings selbst wieder nicht in Betracht bei Regelungsstreitigkeiten, insoweit ist nämlich die Einigung im Rahmen des Einigungsstellenverfahren nach § 76 ff. BetrVG als innerbetriebliches Verfahren spezieller und damit einschlägig. Die Tätigkeit der Arbeitsgerichte im Beschlußverfahren ist "echte" Rechtsprechung. Es handelt sich nicht - wie früher häufig angenommen 27 - um ein Verwaltungshandeln der Arbeitsgerichte28 • Das Beschlußverfahren und das Urteilsverfahren haben einige Gemeinsamkeiten, aber das Beschlußverfahren weist auch eine Reihe von wesentlichen Besonderheiten auf. Der Hauptunterschied zum Urteilsverfahren besteht hinsichtlich der Stellung der Beteiligten und im Hinblick auf die Anwendl.lng des Untersuchungs grundsatzes 29 . Das Gericht hat die Beteiligten von Amts wegen festzustellen und am Verfahren zu beteiligen. Das Beschlußverfahren kennt nicht den Kläger und den Beklagten, sondern nur die Beteiligten, von denen der Antragsteller wiederum eine eigene Stellung einnimmt. Alle Beteiligten können nach § 11 Abs. 1 ArbGG erstinstanzlich selbst auftreten oder sich durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter vertreten lassen. Nur für den Rechtsbeschwerdefuhrer besteht beim Bundesarbeitsgericht Vertretungszwang. Das Beschlußverfahren wird durch einen Antrag und nicht durch eine Klage eingeleitet (vgl. § 81 ArbGG) und anstelle eines Urteils beendet ein Beschluß das Verfahren (vgl. § 84 ArbGG). Mit dem Antrag muß eine bestimmte Sachentscheidung des Gerichtes begehrt werden. Es gilt demnach ausschließlich die Dispositionsmaxime30 .

2(, BAGE 23, S. 257 (262); Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 6; Wieser, ArbGG, § 80 Rdnr. 74; Bei der falschen Wahl der Verfahrensart finden über § 48 Abs. I ArbGG die Regelungen der §§ 17 bis I7b GVG über den Rechtsweg entsprechend Anwendung. Danach ist der Rechtsstreit von Amts wegen nach § 48 Abs. I i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 2 GVG in das Bechlußverfahren zu verweisen, falls ein betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch im Urteilsverfahren geltend gemacht wurde. Für die umgekehrte Fallgestaltung gilt § 80 Abs. 3 ArbGG, vgl. Grunsky, ArbGG, § 48 Rdnr. 5 und § 80 Rdnrn. 10 ff. 27 Vgl. DietzlNikisch, ArbGG, § 80 Rdnr. 5. 2X GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 80 Rdnr. 5, Schaub, Arbeitsgerichtsverfahren, § 113, I, 2., Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 3. 29 Siehe § 83 Abs. I ArbGG und zum Umfang des Untersuchungsgrundsatzes GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnrn. 85 ff. 3D Der Antragsteller muß daher die Tatsachen vortragen, die zur Bestimmung des Streitgegenstandes erforderlich sind und mit denen das Begehren an das Gericht gestützt wird, BAG 17, S. 165 (169), AP Nr. I BI. 3 zu § 20 BetrVG 1972, AP Nr. 20 BI. 2 R f. zu § 37 BetrVG 1972; Fenn, Dispositions- oder Offizial maxime, in: FS Schiedermair, S. 117 f.; Grunsky, ArbGG, § 83 Rdnr. 4.

II. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

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Entscheidender Unterschied zwischen dem Urteilsverfahren und dem Beschlußverfahren ist allerdings, daß im zweiten der Amtsermittlungsgrundsatz mit seinen Besonderheiten wie Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen im Rahmen der gestellten Anträge und des vorgetragenen Sachverhaltes und die Feststellungslast anstelle der Beweislast31 gelten.

b) Die Kosten im einzelnen

aa) Die Gerichtskosten und deren Ansatz Für den erstinstanzlichen Beschluß nach § 84 ArbGG, für den Beschluß als Entscheidung über die Beschwerde nach § 91 ArbGG und den Beschluß als Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nach § 96 ArbGG werden keine Gerichtskosten und Auslagen erhoben. § 12 Abs. 5 ArbGG ist mithin eine spezielle und eigenständige Regelung im Vergleich zum Urteilsverfahren, in dem nach § 12 Abs. 1 ArbGG Gebühren nach dem Verzeichnis der Anlage 1 zum Arbeitsgerichtsgesetz erhoben werden.

bb) Der Gegenstandswert und dessen Festsetzung Eine Gegenstandswertfestsetzung erfolgt nicht von Gerichts wegen, weil das Beschlußverfahren in allen Rechtszügen gerichts gebühren- und auslagenersatzfrei ausgestaltet ist und somit die Möglichkeit der Auferlegung einer Kostentragungspflicht fehlt 32 • Auch ist eine Wertfestsetzung aus prozessualen Gründen nicht notwendig, weil die Zulässigkeit der Rechtsmittel (Beschwerde und Rechtsbeschwerde) nicht von einem Rechtsmittelwert oder einer Beschwer abhänge 3 • Dennoch wird eine Streitwertfestsetzung im Hinblick auf die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren als zulässig erachtee 4 • Diese wird allerdings nur auf Antrag durch besonderen Beschluß vom Arbeitsgericht selbständig festgesetzt. Sie ist allerdings nur dann erforderlich, wenn sich die Beteiligten durch Rechtsanwälte als Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Voraussetzung des Fehlens eines für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertes im Sinne von § 10 Abs. 1 BRAGO ist im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren aufgrund dessen ge31 BAG AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG; GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 89; Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 4. 32 TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 63. 33 Vgl. §§ 87 und 92 ArbGG und Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 9 Rdnr.98. 34 TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 63.

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Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

setzlich angeordneter Gerichtskostenfreiheit stets gegeben. Im Gegensatz zur Wertfestsetzung nach § 25 GKG, die grundsätzlich für und gegen alle im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren Beteiligten wirktl s, beschränkt sich die Wirkung der Festsetzung nach § 10 Abs. 1 BRAGO auf die Gebühren des jeweils die Festsetzung beantragenden Rechtsanwaltes 36 • In Ermangelung spezieller Wertvorschriften - § 12 Abs. 7 ArbGG ist vom Wortlaut und Regelungsgehalt her schon nicht anwendbar - richtet sich die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeiten im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ausschließlich nach § 8 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 2 BRAGO. Nach der speziellen Vorschrift des § 8 Abs.2 S. 2 BRAGO fur nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten ist regelmäßig von einem Streitwert in Höhe von DM 8.000,00 auszugehen. Von diesem einheitlichen Regelstreitwert kann allerdings abgewichen werden, wenn das entscheidende Gericht im Rahmen einer der Festsetzung zugrundeliegenden Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis kommt, daß tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine andere Bewertung im Wege der Schätzung nahelegen oder ein konkret bezifferter Antrag von einem der Beteiligten gestellt wird 3?

cc) Entschädigungfür ehrenamtliche Richter, Zeugen und Sachverständige Im Beschlußverfahren entspricht die Besetzung des Gerichts der des Urteilsverfahrens, d.h. eine Kammer entscheidet mit einem Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern 38 • Entschädigungen für diese ehrenamtlichen Richter werden allerdings nicht dem unterlegenen Beteiligten auferlegt, da diese keine Auslagen in Rechtssachen darstellen. Bei diesen Kosten handelt es sich vielmehr um Aufwendungen für die Errichtung der Arbeitsgerichtsbarkeit und sind daher von der Staatskasse zu tragen 39 • Gleiches gilt - wenn auch mit einer anderen Begründung - fur die Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen40 . Die Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen ist auch im Beschlußverfahren möglich, da vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht als Tatsacheninstanzen die AutkläTschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 29. Frauenholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 10 Rdnr. 10, Madert, in: Geroldl Schmidt, BRAGO, § 10 Rdnrn. 3 und 7, TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 64. 37 Einzelheiten bei Frauenholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 8 Rdnrn 49 und 52, TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 64 ff. und Vetter, NZA 1986, S. 182 ff. 3K Vgl. §§ 80,46 Abs. 2, 16 ArbGG. 39 TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 148 und 155. 40 TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 155. 35

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H. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

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rung des Sachverhaltes vorgenommen wird (vgl. §§ 83 Abs.2, 90 Abs.2, 97 Abs. 2 ArbGG). Doch können die verauslagten Entschädigungsbeträge 41 für die Zeugen und Sachverständigen (gegebenenfalls auch für Dolmetscher und für Übersetzer) hier von den Verfahrensbeteiligten ebensowenig als Auslagen wieder eingezogen werden, da auch auf diese Kosten § 12 Abs. 5 ArbGG Anwendung findet42 •

dd) Die Kostenentscheidung Vor dem Hintergrund der Kostenfreiheit des Beschlußverfahrens ist es naheliegend, daß auch keine Kostenentscheidung durch das Gericht ergeht. Dennoch ist es umstritten, ob die die Instanzen beendenden Beschlüsse eine prozessuale Kostenentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten enthalten müssen.

(1) Herrschende Meinung Nach wohl herrschender Meinung43 besteht für eine Kostenentscheidung im Beschlußverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen kein Bedarf. Die Vertreter der herrschenden Meinung begründen dies damit, daß es sich im Beschlußverfahren um ein auslagen- und gebührenfreies Verfahren besonderer Art handele, in dem nicht zwischen Parteien, von denen die eine notwendig unterliegt und die andere obsiegt, sondern unter Beteiligten entschieden werde 44 • Es werde auch nicht über Ansprüche, sondern, zumindest im Rahmen von § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, über Gegebenheiten der Betriebsverfassung gestritten 45 • Eine entsprechende Anwendung der Kostenvorschriften der §§ 91 ff. ZPO komme folglich nicht in Frage. Auch die auf die fehlende Rechtsfähigkeit zurückgeführte und überwiegend verneinte Vermögensfähigkeit des Betriebsrats46 stehe einer Kostenauferlegung entgegen 47 • Eine Vollstreckung eines Ko-

41 Die Berechnung der Höhe der Entschädigung richtet sich über § 9 Abs. 4 ArbGG nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG); zu Einzelheiten TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 132 ff. 42 Grunsky, ArbGG, § 12 Rdnr. 28. 43 BAGE I, 46 (50) = AP Nr. I zu § 13 BetrVG 1972, 4, S. 268 (274) = AP Nr. 2 zu § 81 BetrVG 1972; AP Nr. 2 BI. 4 R zu § 40 BetrVG 1972; HueckiNipperdey, ArbR, Bd. I, § 103, IV, 8; Schaub, Arbeitsgerichtsverfahren, § 114, IV, 8, Germelmannl MattheslPrütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 29; TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 192. 44 DietzlNikisch, ArbGG, § 84 Rdnr. 16. 45 A.A. Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 26. 4~ BAG AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 287 f.; FittinglKaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § I Rdnr. 192; Galperinl

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Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

stenfestsetzungsbeschlusses im Nachgang zum Beschlußverfahren wäre nicht möglich 48 . Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält im Beschlußverfahren trotz der teilweisen Bezugnahme auf die ZP0 49 auch keine Verweisung auf die allgemeine Kostenbestimmung des ordentlichen Verfahrens. Eine Kostenentscheidung wäre nur dann möglich, wenn eine ausdrückliche Vorschrift - zum Beispiel ähnlich der des § 13a FGG - dies vorsähe 50 • Da der Arbeitgeber die der Betriebsvertretung erwachsenen Kosten gemäß der materiellrechtlichen Kostentragungspflicht des § 40 Abs. 1 BetrVG ohnehin zu tragen habe, bedürfe es einer prozessualen Entscheidung über die Kostenverteilung nicht.

(2) Die Ansicht von Grunsky Grunskl 1 vertritt dagegen den Standpunkt, daß eine prozessuale Kostenentscheidung auch im arbeitsgerichtlichen BeschluBverfahren ergehen müsse. Nach seiner Ansicht stehe einer entsprechenden Anwendung der §§ 91 ff. ZPO die spezielle Vorschrift des § 12 Abs. 5 ArbGG nicht entgegen 52 • Gerade wegen der außergerichtlichen Kosten, vor allem der Anwaltskosten, erschienen eine Kostenentscheidung und eine entsprechende Anwendung der §§ 91 ff. ZPO durchaus sinnvoll. Die Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes, daß die §§ 91 ff. ZPO das Gegenüberstehen von Parteien voraussetzen, überzeugt seiner Meinung nach nicht. Aus der Differenzierung zwischen dem Parteienbegriff als Begriff aus dem Zivilprozeßrecht und dem Beteiligtenbegriff als Begriff aus dem arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren würden größere Unterschiede gefolgert, als dies der Sache nach gerechtfertigt sei. So würden doch auch im Beschlußverfahren Rechte und Ansprüche geltend gemacht 53 . Auch sei die herrschende Meinung in sich widersprüchlich, soweit sie die Beteiligten auf zwischen ihnen bestehende materiellrechtliche Kostenansprüche verweise 54 • Sie müßte sich dann näm-

Löwisch, BetrVG, vor § 1 Rdnr. 53; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, Rdnr. 27; MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 291 Rdnr. 23; Kraft, BetrVG, § 1 Rdnr. 72; DietzlRichardi, BetrVG, Vorb zu § 26 Rdnr. 8. 47 DietzlNikisch, ArbGG, § 84 Rdnr. 18; GermelmanniMattheslPrütting, § 84 Rdnr. 30; Schaub, Arbeitsgerichtsverfahren, § 114, IV, 8. 4X GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 29. 49 Vgl. §§ 80 Abs. 2, 87 Abs. 2 und 92 Abs. 2 ArbGG. 50 TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 193. 51 Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 46. 52 Zustimmend SteiniJonaslBork, ZPO, Bd. 1 § 91 Rdnr. 121 und Peterek, BAG SAE 1983, S. 212. 53 Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 26. 54 So GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 31.

vor § 1 in: GKArbGG,

Anm. zu

11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

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lieh entgegenhalten lassen, daß sie damit anerkenne, daß zwischen den Beteiligten Anprüche bestehen könnten. Es bliebe jedoch dann unklar, weshalb zwar materiellrechtliche, aber nicht prozessuale Kostenerstattungsansprüche denkbar sein sollten55. So müsse man sich nach Ansicht von Grunsky von der Vorstellung freimachen, daß alle in § 83 Abs. 3 ArbGG erwähnten Beteiligten auf ein und derselben Stufe stünden. Kostengläubiger bzw. -schuldner könnten der (die) Antragsteller und der (die) Antragsgegner sein56 . Die Rechtslage sei mit der Situation im Verwaltungsprozeß vergleichbar, in dem zwischen den verschiedenen Beteiligten ebenfalls hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruches differenziert wird (§ 162 Abs.3 VwGO), ohne daß dies einer Kostenentscheidung grundsätzlich entgegenstehe57 • Grunsky geht mithin davon aus, daß die §§ 91 ff. ZPO entsprechend auch im Beschlußverfahren anwendbar seien. Der Inhalt einer prozessualen Kostenentscheidung müßte allerdings nicht endgültig bestimmen, wer die Kosten letztlich zu tragen habe. Insbesondere komme weiterhin eine Kostentragungsptlicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. I BetrVG in Frage. Daß dadurch die prozessuale Entscheidung wieder revidiert werden könne, spreche aber nicht gegen die Ansicht von Grunsky, da dies auch im Urteilsverfahren aufgrund anderer materiellrechtlicher Kostenerstattungsansprüche möglich sei, ohne daß dort daraus Schlüsse gegen die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung gezogen würden 58 •

(3) Vermittelnde Ansichten Nach einer anderen Ansicht sei eine Kostenentscheidung auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren aus Billigkeitsgründen möglich 59 • Das Ergebnis der herrschenden Meinung fUhre nämlich zu Ungerechtigkeiten60 • So sei zum Beispiel in den Fällen, in denen die Wahl gegenüber einem Betriebsrat angefochten wird, weil sich dieser die Stellung durch unredliche Maßnahmen verschafft hat, die Kostentragung des Arbeitgebers unbillig. Es müßten daher die Vorschriften über die Kostenerstattungsptlicht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit analog angewandt werden61 • Maßgebliche Norm sei dann Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 46. Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 46. 57 Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 46. 58 Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 47; Peterek, Anm. zu BAG, SAE 1983, S. 212; sowie Platz, Kostentragung, S. 22. 59 Dersch/Volkamer, ArbGG, § 84 Rdnm. 4 f.; Schnorr von Carolsfeld, ArbR, S. 503; Rodler, RdA 1954, S. 90 ff. 60 So im Ergebnis Schnorr von Carolsfold, ArbR, S. 503. 55

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61 Unter Hinweis auf Art. 11 HessFGG, Art. 131 BayAGBGB und den ehemaligen Art. 9 PrFGG

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Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

§ 13 a FGG. Danach müsse eine Kostenentscheidung nicht ergehen, sie könne aber. Aber auch aus den Besonderheiten des Beschlußverfahrens im Vergleich zum Urteilsverfahren solle sich eine "Nähe" zu dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergeben62 . Dies rechtfertige eine analoge Anwendung der für dieses Verfahren geltenden Vorschriften. Letzteres wird damit begründet, daß mit den Begriffen "Gebühren" und "Auslagen" nicht zwingend die außergerichtlichen Kosten gemeint seien. Ein Ergebnis, das eine Erstattung dieser Kosten nicht zuließe, solle dagegen nicht befriedigend sein. Wegen der - allerdings nicht weiter begründeten - größeren Nähe zum Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit soll daher eine Kostenentscheidung analog dieser Regelungen auch im Beschlußverfahren zuzulassen sein63 .

(4) Stellungnahme Gegen die in der Literatur vertretenen Ansichten lassen sich jedoch gewichtige Argumente anführen. Insbesondere erscheint eine Vereinbarkeit mit dem Wesen und der Ausgestaltung des Beschlußverfahrens im Arbeitsgerichtsgesetz nur schwer begründbar zu sein. Wie dargestellt, enthält § 91 ZPO das "Alles oder Nichts" - Prinzip, d. h. die Kostentragungspflicht hinsichtlich auch der außergerichtlichen Kosten hängt alleine davon ab, wer im Verfahren unterliegt. Eine solche starre Regelung läßt sich für das Beschlußverfahren jedenfalls nicht durchgängig anwenden. So sind zum einen Fälle denkbar, in denen es keinen "Verlierer" geben kann. Wird zum Beispiel eine Wahlanfechtung für begründet erklärt, kann weder der Betriebsrat noch der Arbeitgeber als Verlierer des Verfahrens angesehen werden. Dies gelte auch dann nicht, wenn ein Abweisungsantrag gestellt worden ist, obwohl dieser aufgrund des objektiven Charakters des Beschlußverfahrens nicht erforderlich gewesen ist. Auch spricht gegen die Anwendung von § 91 ZPO, daß die einzelnen Beteiligten aufgrund des materiellen Rechtes am Verfahren beteiligt sind und sich dem Verfahren auch nicht entziehen können. Anders als im Zivilprozeßrecht bestimmt nicht der Kläger mit der Klage die Parteien, sondern maßgeblich ist das materielle Betriebsverfassungsrecht (vgl. § 83 Abs. 3 BetrVG). Auch verbietet diese unausweichliche Beteiligtensteilung, ihnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, nur weil die Entscheidung jemand beschwert und sie daher "Verlierer" des Verfahrens sind. Vielfach - wie auch in der vorliegenden Problematik - sind die Beteiligten eines Beschlußverfahrens vermögens los. Ihnen die Kosten eines Rechts-

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Rodler, RdA 1954, S. 90 ff. Rodler, RdA 1954, S. 90 ff.

11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

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streits aufzuerlegen, wäre ohne Sinn, da ein Kostenfestsetzungsbeschluß bei ihnen nicht vollstreckt werden könnte. Auch die Auferlegung der Kosten des Verfahrens auf den im Beschlußverfahren unterlegenen Betriebsrat würde gleichzeitig materiell bedeuten, daß es sich insoweit um vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragende Kosten der Betriebsratstätigkeit handelt, obwohl mit einer allein auf das Unterliegen abstellenden Kostenentscheidung nichts über die Erforderlichkeit der Kosten gesagt wäre. Die notwendige Konsequenz daraus wäre, eine Kostenentscheidung entsprechend §§ 91 ff. ZPO nur in den Fällen zu treffen, in denen sich ausschließlich Beteiligte, wie im Urteilsverfahren, in Gegnerschaft gegenüberstehen und in denen wenigstens der Unterlegene vermögensfähig ist und daher Kostenschuldner sein kann. Gegen diese Konsequenz spricht allerdings, daß es zu einer Ungleichbehandlung der betriebsverfassungsrechtlichen Organe und damit der Beteiligten im Beschlußverfahren kommen würde. Grundsatz des Beschlußverfahrens ist es aber, daß alle Beteiligten im Beschlußverfahren die gleiche Rechtsstellung haben. Für eine Kostenentscheidung ist daher im Beschlußverfahren kein Raum. Den in der Literatur vertretenen Ansichten kann daher nicht gefolgt werden.

2. Beteiligtenkosten § 12 Abs. 5 ArbGG gilt, wie dargestellt, für die Gebühren und Auslagen, die aufgrund der Tätigkeit des Gerichtes anfallen. § 12 Abs. 5 ArbGG bezieht sich allerdings nicht auf die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten.

a) Anwaltskosten und deren Festsetzung Als bedeutendste außergerichtliche Beteiligtenkosten sind die Kosten der Verfahrensvertretung zu nennen. Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt berechtigt, für seine Tätigkeit im Verfahren vor den Arbeitsgerichten Gebühren nach dem Gebührenrecht der BRAGO über die Brückennorm des § 62 Abs. 1 BRAGO zu berechnen 64 • Hierbei richtet sich die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert im Sinne von § 8 BRAGO. Zur Ermittlung des Gegenstandswertes stehen dem Rechtsanwalt zwei Wege offen 65 • Er kann entweder den Gegenstandswert selbst ermitteln und einen bezifferten Antrag stellen oder 64 von Eicken, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 62 Rdnrn. 1 ff., insb. fLir das Beschlußverfahren Rdnr. 7, Keller, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 62 Rdnr. 14 ff. fLir das Beschlußverfahren. 65 Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 8 Rdnr. 23, TschischgalelSatzky, Kostenrecht, S. 232.

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Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

durch das Arbeitsgericht festsetzen lassen. In kostenrechtlicher Hinsicht haben diese zwei Wege keine weiteren Auswirkungen, da durch die gerichtliche Festsetzung nach § 10 BRAGO dem Arbeitgeber keine weiteren Kosten zur Last fallen 66 . Der Anwalt Betriebt die Wertfestsetzung nach § 9 Abs. 2 BRAGO aus eigenem Rechr. Grundsätzlich sind betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten nicht vermögensrechtIiche Streitigkeiten, soweit sie Mitbestimmungsrechte oder andere Befugnisse des Betriebsrats zum Gegenstand haben68 • Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt nur dann vor, wenn ein prozessualer Anspruch auf Geld oder eine geldwerte Leistung zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht wird, die Umwandlung in einen solchen Anspruch möglich ist oder der Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist69 • Für die Festsetzung des Gegenstandswertes bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO maßgeblich. Danach ist ein Regelstreitwert von DM 8.000,-- anzusetzen70 . Von diesem kann je nach Lage des Einzelfalles abgewichen werden, wobei DM 1.000.000,-- nicht überschritten werden dürfen. Eine Abweichung vom Regelwert ist zum einen dann gesetzlich vorgesehen und möglich, wenn die Sache für die Beteiligten eine besondere ideelle oder wirtschaftliche Bedeutung hat, oder zum anderen, wenn die Sache einen über dem Durchschnitt liegenden Schwierigkeitsgrad aufweist und der daraus resultierende Arbeitsaufwand des Rechtsanwaltes über dem Durchschnitt liegt7l. Die 66 Vg!. § 10 Abs. 2 S. 5 BRAGO; LAG Niedersachsen, JurBüro 1988, S. 998; Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 10 Rdnr. 39, Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 10 Rdnr. 8. 67 Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 9 Rdnr. 24, Madert, in: Gerold/ Schmidt, BRAGO, § 9 Rdnr. 102. 68 LAG Niedersachsen, DB 1987, S. 1440 (1440) und LAG München NZA 1994, S. 47 (47 f). 69 Thomas/Putzo, ZPO, Ein!. IV, I, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers. § 1 Anm. 3. 70 Erhöhung des Regelstreitwertes von DM 6000,-- auf DM 8000 ,-- durch Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (KostRÄndG) vom 24.06.1994, BGB!. I, S. 1325. In der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichte ist die gen aue dogmatische Einordnung dieses Gegenstandswertes umstritten. Das LAG Hamburg, NZA 1993, S.42 (44) versteht ihn nur als Hilfswert, von dem leichter abgewichen werden kann, ebenso Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 8 Rdnr. 23 mit Hinweis auf LAG Baden-Württemberg, AnwB!. 1982, S.312; im Gegensatz dazu sehen u.a. das LAG München, AnwB!. 1984, S. 160, LAG Schleswig-Holstein LAGE § 8 BRAGO Nr.24 S. 2 den Wert als klassischen Regelstreitwert an. 71 Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, § 8 Rdnm. 49 f, Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § 8 Rdnm. 23 f; LAG Hamburg, NZA 1993, S.42 (43) und LAG München NZA 1994, S. 47 (48); bei der Beurteilung des Arbeitsaufwandes sind

11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

49

maßgeblichen zu einer Erhöhung flihrenden Tatsachen hat allerdings der Verfahrensbevollmächtigte und damit der Anwalt vorzutragen. Aufgrund der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats steht diesem kein Rechtsschutzinteresse zu, gegen einen seiner Ansicht nach zu niedrig festgesetzten Streitwert eine Streitwertbeschwerde einzulegen, um damit die Erhöhung des Streitwertes zu erreichen 72 •

aa) Bedeutung der Sache für die Beteiligten Als erste Möglichkeit der Erhöhung des Streitwertes ist die Bedeutung der zu entscheidenden Sache zu nennen. Maßgeblich flir die Bedeutung der Sache ist im allgemeinen das Interesse der Beteiligten. Im Rahmen des Beschlußverfahrens im speziellen kommt es auf die im Streit befindlichen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse und die etwaigen wirtschaftlichen Folgen einer Mitbestimmungsmaßnahme an 73. Individuelle Ansprüche von Arbeitnehmern sind aus diesem Grunde ohne Bedeutung. Dies hat zur Folge, daß sich der Gegenstandswert auch dann nicht erhöht, wenn mehrere gleichartige Fälle zum Gegenstand von Beschlußverfahren gemacht werden 74 oder daß durch ein Beschlußverfahren ein zukünftiger gleichgelagerter Fall vermieden werden so1l75.

bb) Schwierigkeitsgrad der Sache Als weitere Alternative ist der Schwierigkeitsgrad der im Streit befindlichen Rechtssache zu nennen. Tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten einer Sache müssen sich, um eine Abweichung vom Regelwert zu rechtfertigen, immer auf die anwaltliche Tätigkeit selbst auswirken 76 . So wird der Schwierigkeitsgrad zum Beispiel dadurch gemindert, daß mehrere gleichgelagerte Verfahren durchgeführt werden 77 . Auf der anderen Seite wird der Gegenstandswert aber nicht dadurch erhöht, daß sich ein Rechtsanwalt mit einer Rechtsansicht des

insb. die Dauer des Rechtsstreites, die Dicke der Akte, der Umfang der Beweisaufnahme und der zeitliche Aufwand des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen, LAG SchleswigHolstein LAGE § 8 BRAGO Nr. 10. 72 LAG Schlesweig-Holstein OB 1987, S. 144 und LAG München NZA 1994, S. 47. 73 Vetter, NZA 1986, S. 182 (184) m. zahlr. N. aus der Rechtsprechung. Aus neuerer Zeit LAG München NZA 1994, S. 47 (48). 74 LAG Schieswig-Hoistein LAGE § 8 BRAGO Nr. 24 S. 3. 75 LAG Niedersachsen vom 31.07.1987 - 6 Ta 150/87 n.V. 7" LAG Bremen BB 1979, S. 1096. 77 LAG Bremen AnwBI. 1984, S. 165 (166) und LAG München AnwBI. 1984, S. 160 (161) sowie LAG Hamburg NZA-RR 1996, S. 306 (306). 4 Müller-Boruttau

50

Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

Bundesarbeitsgerichtes, die er nicht teilt, grundsätzlich auseinandersetzt und dadurch einen höheren Arbeitsaufwand und damit eine verstärkte anwaltliche Tätigkeit an den Tag lege 8 •

cc) Beispiele aus der Rechtsprechung Im folgenden soll nun eine Reihe von Beispielen aus der Rechtsprechung vor allem der Landesarbeitsgerichte gegeben werden. Dabei ist aUerdings zu beachten, daß der bis zum 21.12.1986 geltende § 8 Abs. 2 BRAGO einen Regelwert in Höhe von DM 4.000,- und die bis zum 23.06.1994 geltende Fassung einen Regelstreitwert von DM 6000,- festlegte. Wie ausgefiihrt, gibt die heutige Fassung DM 8.000,- als Regelstreitwert vor. Dabei faUt auf, daß gerade im Bereich der personeUen Einzelmaßnahmen nach §§ 99 ff. BetrVG unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes von den Landesarbeitsgerichten vertreten werden 79. Dies ist revisionsrechtlich aUerdings nicht zu überprüfen, da alleine auf eine Divergenz in der Kostenentscheidung eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann 80 • - Wahlanfechtung eines I5-köpfigen Betriebsrats mit ca. 1900 wahlberechtigten Arbeitnehmern: DM 72.000,-"', - Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Rahmen von § 99 BetrVG: DM 6.000,-"', - Kostenerstattungs- und Lohnfortzahlungsanspruch im Zusammenhang mit einer Schulungs- und Fortbildungsveranstaltung: Gesamtkosten mit einem Abschlag von 20 % wegen FeststellungsantragK\

LAG Schleswig-Holstein vom 24.01.1986 - 5 Ta 200/85. Dies ist auf den in diesem Bereich bestehenden Streit zwischen den einzelnen Landesarbeitsgerichten und der Literatur hinsichtlich der grundsätzlichen Bewertung des Gegenstandswertes zurückzuführen. Während ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur § 12 Abs. I S. 1 ArbGG entsprechend anwendet (LAG Hamm LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert, Nr. 70, GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 12 Rdnr. 135 m.w.N.) halten andere Gerichte ein Monatsgehalt des betroffenen Arbeitnehmer für angemessen (vgl. LAG Hamburg NZA-RR 1996, S. 306 (306». Diesen Ansichten kann jedoch nicht gefolgt werden, da bei Streitigkeiten über die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG nicht die Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses berührt ist und auch der betroffene Arbeitnehmer nicht am Verfahren zu beteiligen ist. Es muß daher auf den Einzelfall abgestellt werden (vgl. LAG Schleswig-Holstein LAGE § 8 BRAGO Nr. 24 S. 2 und LAG München NZA 1996, S. 419 (421) m. ausführlicher Wiedergabe der anderen Ansichten). KO BAG NZA 1996, S. 1231 (1232). Kl LAG Bremen LAGE § 8 BRAGO NT. 5. K2 LAG Schleswig-Holstein LAGE § 8 BRAGO NT. 24. KJ LAG Hamm LAGE § 8 BRAGO NT. 27 S. 2. 7K

79

II. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

51

- Streit über die Mitbestimmungspflichtigkeit des Einsatzes von Personal von Subunternehmern: DM 50.000,-"\ - Besetzung einer Einigungsstelle und Zuständigkeit der Einigungsstelle: je 1/3 von DM 8000,-"5, - Ersetzung von Zustimmung zur Eingruppierung nach § 99 Abs. 4 BetrVG analog §§ 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG, 17 Abs. 3 GKG; drei Monatsgehälter mit einem Abschlag von 20 % (LAG Hamburg vom 01.12.1995, 7 Ta 13/95), - Anspruch des Betriebsrats auf Rückgängigmachung einer Einstellung nach § 101 BetrVG: 3 Monatseinkommen""; LAG Hamburg hält dagegen ein Monatsgehalt

für angemessen"7, - Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitverkürzung, Kosten für die freien Arbeitstage DM 117.600,-: DM 6000,- (LAG Schleswig-Holstein vom 17.06.1993- 2 Ta 91/93 und vom 21.01.1996"").

dd) Berechnungsbeispiel Während an anderer Stelle 89 die durchschnittlichen lahreskosten der Betriebsratstätigkeit wiedergegeben werden, soll hier anhand eines Berechnungsbeispieles verdeutlicht werden, weIche Gebühren bei der Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Rahmen eines Beschlußverfahrens anfallen können. Als Beispiel dient der - wenn auch seltene, aber dennoch praxisnahe Fall, daß über eine betriebsverfassungsrechtliche Frage zwischen den Beteiligten zunächst mit anwaltlicher Vertretung außergerichtlich verhandelt, im Anschluß daran das Beschlußverfahren durch drei Instanzen geführt, das BAG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an ein LAG zurückverweist und im Anschluß daran erneut mit der Entscheidung befaßt wird. Zur Vereinfachung werden die Rechtsanwaltsgebühren fur einen Verfahrensbevollmächtigten dargestellt; aufgrund der Kostentragungspflicht für sämtliche Kosten infolge der anwaltlichen Vertretung sind diese allerdings in doppelter Höhe seitens des Arbeitgebers zu tragen. Dem Berechnungsbeispiel wird der Regelstreitwert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO von DM 8.000,-- zugrundegelegt. Dabei beträgt nach § II Abs. I

"4 "5 K6

K7

LAG Hamburg NZA 1993, S. 42. LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 1996 S. 307 (308). LAG Düsseldorf AE, Entscheidungssammlung der ARGE ArbR, 1996, S. 59. LAG Hamburg NZA-RR 1996, S. 306; a.A. LAG München NZA-RR 1996,

S. 419 (421). KK

LAG Schleswig-Holstein AE, Entscheidungssammlung der ARGE ArbR; 1996,

S.60. K9 Niedenhoff, Praxis der betrieblichen Mitbestimmung, S. 135; ders. Kosten der Mitbestimmung, S. 13 und 41; Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit,

S.16.

52

Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

Satz 2 BRAGO eine volle IOIlO-Gebühr DM 485,00, eine 7,51l0-Gebühr DM 363,80 und eine l31l0-Gebühr DM 630,50. In das Berechnungsbeispiel sind die Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO und die Mehrwertsteuer nach § 25 BRAGO miteinbezogen.

1. Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit Beweisaufnahme §§ 11 12,7,8,31 I 1,62 I BRAGO (Prozeßgebühr 10/10)

485,00 DM

§§ 11 12, 12,7,8, 118 12 (Besprechungsgebühr 7,5/10)

363,80 DM

§§ 11 12, 7, 8. 31 12,62 I BRAGO (Verhandlungsgebühr 10/10)

485,00 DM

§§ 11 12, 7, 8, 31 13,62 I BRAGO (Beweisgebühr 10/10)

485,00 DM

Summe

1.818,80 DM

§ 26 BRAGO (Auslagenpauschale)

40,00 DM Summe

1.858,80 DM 278,82 DM

§ 25 BRAGO (15 % Mehrwertsteuer)

Gesamtsumme

2.137,62 DM

Im Beschlußverfahren I. Instanz fallen mithin für beide Beteiligten 75/10 Gebühren und damit ein Betrag in Höhe von DM 4.275,24 an.

2. Beschwerdeverfahren zum LAG mit erneuter Beweisaufnahme §§ 11 I 2, 7, 8, 31 I 1, 62 11, 11 I 4 BRAGO (Prozeßgebühr 13/10)

630,50 DM

§§ 11 I 2, 7. 8, 31 I 2, 62 11, 11 I 4 BRAGO (Verhandlungsgebühr 13/1 0)

630,50 DM

§§ 11 I 2, 7, 8, 31 I 3, 62 11, 11 I 4 BRAGO (Beweisgebühr 13/10)

630,50 DM

Summe § 26 BRAGO (Auslagenpauschale)

1.891,50 DM 40,00 DM

Summe

\.931,50 DM

Gesamtsumme

2.221,22 DM

289,72 DM

§ 25 BRAGO (15 % Mehrwertsteuer)

Im Verfahren der Beschwerde zum LAG fallen für beide Beteiligten 78/10 Gebühren und damit ein Betrag von DM 4.442,44 an.

11. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

53

3. Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG gemäß § 92 Abs. 1 i. v.m. §§ 92a. 72a Abs. 2 - 5 ArbGdo §§ 11 I 2, 7, 8, 31 I 1, 62 11, 11 I 4, 14 2, 1I 1 6 BRAGO (Prozeßgebühr 13/20)

315,30 DM

§§ 11 12,7,8,31 12,6211,1114,142,1116 BRAGO (Verhandlungsgebühr 13/20)

312,30DM

Summe § 26 BRAGO (Auslagenpauschale)

630,60 DM 40,00 DM

Summe § 25 BRAGO (15 % Mehrwertsteuer)

670.60 DM 100,59 DM

Gesamtbetrag

771 , 19 DM

Durch die Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG fallen weitere 52/20 Gebühren und damit ein Betrag von DM 1.542,38 an.

4. Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem BAG §§ 11 12,7,8,31 I 1,6211, 11 1 4 BRAGO (Prozeßgebühr 13/10)

630,50 DM

§§ 11 I 2, 7, 8, 31 I 2, 62 11, 11 1 4 BRAGO (Verhandlungsbebühr 13/1 0)

630,50 DM

Summe

1.261,00 DM

Summe

1.301,00 DM

§ 26 BRAGO (Auslagenpauschale)

40,00 DM

§ 25 BRAGO (15 % Mehrwertsteuer)

195,15 DM Gesamtsumme

1.496,15 DM

Durch die Rechtsbeschwerde zum BAG fallen weitere 52/10 Gebühren und damit ein Betrag von DM 2.992,30 an.

~o Diese stellt wegen §§ 14 S. 2, 11 Abs. 1 S.6 BRAGO einen eigenen Rechtszug ohne Gebührenanrechnung dar; ein Anwalt ist grundsätzlich auch berechtigt, die 13/1 0Gebühr flir ein Rechtsbeschwerdeverfahren zu verlangen; diese ist allerdings wegen § 61 Abs. 1 NT. 1 BRAGO auf eine 5/1O-Gebühr zu kürzen, so daß eine Gebühr 13/20 beträgt, siehe BAG NZA 1996, S. 616.

54

Kap. 2: Im Rahmen der Mitbestimmung anfallende Kosten

5. Erneute Verhandlung vor dem LAG mit Beweisaufnahme91 §§ 11 I 2, 7,8, 31 I 2, 62 Ir, 11 I 4 BRAGO (Verhandlungsgebühr 13/1 0)

630,50 DM

§§ 11 12,7,8,31 13,62 Ir, 11 14 BRAGO (Beweisgebühr 13/10)

630,50 DM

Summe § 26 BRAGO (Auslagenpauschale)

1.261,00 DM 40,00 DM

Summe § 25 BRAGO (15 % Mehrwertsteuer)

1.301,00 DM 195,15 DM

Gesamtsumme

1.496,15 DM

Durch die erneute Verhandlung vor dem LAG fallen weitere 52110 Gebühren und damit ein Gesamtbetrag von DM 2.992,30 an.

6. Rechtsbeschwerde zum BAG §§ 11 12,7,8,31 I 1,62 II, 11 14 BRAGO (Prozeßgebühr 13/10)

630,50 DM

§§ 11 I 2, 7, 8, 31 I 2, 62 II, 11 I 4 BRAGO (Verhandlungsgebühr 13/1 0)

630,50 DM

Summe § 26 BRAGO (Auslagenpauschale)

1.261,00 DM 40,00 DM

Summe § 25 BRAGO (15 % Mehrwertsteuer)

1.301,00 DM 195,15 DM

Gesamtsumme

1.496,15 DM

Für die erneute Rechtsbeschwerde vor dem BAG fallen noch einmal 52/1 0Gebühren und damit ein Betrag von DM 2.992,30 an. Ein Beschlußverfahren geführt durch drei Instanzen mit Zurückverweisung an ein LAG zur erneuten Sachverhaltsklärung und eine erneute Revision dagegen zum BAG verursacht insgesamt 322/10 Gebühren und DM 19.237,64 Anwaltshonorar bei beiderseitiger anwaltlicher Vertretung.

91 Nach § 15 Abs. 1 S. 1 BRAGO fallen hierfür erneut die vollen Gebühren an, da das weitere Verfahren vor dem verwiesenen Gericht einen neuen Rechtszug darstellt. Die Prozeßgebühr fällt allerdings nach § 15 Abs. 1 S. 2 BRAGO nur dann an, wenn an ein Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache noch nicht befaßt war, vgl. zu Einzelheiten Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO § 15 Rdnrn. 7 f.

H. Kosten von Rechtsstreitigkeiten

55

b) Sonstige Beteiligtenkosten Als solche sind vor allem Reisekosten zu den Verhandlungen, Entschädigungen wegen Zeitversäumnis, wenn sie rur einen der Beteiligten mit einem Verdienstausfall verbunden waren, zu nennen 92 • Im Arbeitsgerichtsgesetz finden sich hinsichtlich dieser Kosten und deren Verteilung und damit Tragung keine Regelungen rur das Beschlußverfahren. § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG regelt nur, daß im Urteilsverfahren des ersten Rechtzuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten rur die Zu ziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes besteht. Spezielle Regelungen für das Beschlußverfahren bestehen allerdings niche3 • Von daher ist auf materiellrechtliche Kostentragungsnonnen zurückzugreifen. Als solche ist § 40 Abs. I BetrVG anzusehen 94 •

n Weitere Beispiele bei GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 12a Rdnr. 15; Grunsky, ArbGG, § 12a Rdnr. 4; Schaub, Arbeitsgerichtsverfahren, § lOS, 11, 2; Stein! JonaslBork, ZPO, Bd. I, § 91 Rdnr. 112. 93 Grunsky, ArbGG, § 12a Rdnr. 1. 94 LAG Hamm LAGE § 40 BetrVG 1972 NT. 37 S.3; Grunsky, ArbGG, § 12a Rdnr. 3; vgl. auch Kapitel 7, IV.

Kapitel 3

Praktische Handhabung und Durchsetzung des Anspruches aus § 40 Abs. 1 BetrVG In diesem Kapitel wird dargestellt, wer Anspruchsgegner und damit Schuldner des Kostenerstattungsanspruches nach § 40 Abs. I BetrVG sein kann, weIchen Inhalt dieser Anspruch hat, welche unterschiedlichen Möglichkeiten dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, den Anspruch zu erfüllen und welche innerbetrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten es vor allem zur Vereinfachung der Erfüllung des Anspruches gibt.

I. Schuldner des Anspruches § 40 Abs. I BetrVG regelt nach seinem Wortlaut nur den Fall, daß sich in einem Betrieb der Arbeitgeber und der Betriebsrat als betriebsverfassungsrechtliche Organe gegenüberstehen und in diesem Verhältnis Kosten entstehen 1. Doch damit ist der Anwendungsbereich des § 40 Abs. I BetrVG bei weitem nicht erschöpfe. Die Kostenverteilung zu Lasten des Arbeitgebers in § 40 Abs. I BetrVG ist an dieser Stelle zwar nur einmal geregelt, im gesamten Betriebsverfassungsgesetz wird jedoch auf diese Regelung mehrfach verwiesen. So gilt diese Bestimmung auch für den Gesamtbetriebsrat (§ 51 Abs. I BetrVG), den Konzembetriebsrat (§ 59 Abs. I BetrVG), die Jugendauszubildendenvertretung (§ 65 Abs. I BetrVG), die Gesamtjugendauszubildendenvertretung (§ 73 Abs. 2 BetrVG), die Bordvertretung (§ 115 Abs. 4 BetrVG) und den Seebetriebsrat (§ 116 Abs.3 BetrVG) kraft der dortigen Verweisungen. 1 § 40 Abs. I BetrVG gilt auch für das Restmandat eines Betriebsrats nach der Stillegung des Betriebs (LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr.42; Glaubitz, in: Hess/ Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 3), desweiteren steht eine Anfechtung der Betriebsratswahl der Kostentragungspflicht nicht entgegen, Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 36, Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 6; bei Nichtigkeit der Wahl steht der Anspruch dem Betriebsrat auf Grund analoger Anwendung der §§ 40 und 78 BetrVG zu Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 4, einschränkend Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 36, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr.7. 2 Vgl. zum folgenden Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 2; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnm. 2 f.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnm. 2 ff.

11. Inhalt des Anspruches

57

Dies hat zur Folge, daß bei Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat und dem jeweiligen Unternehmen bzw. Konzern letztere die Schuldner des Anspruches sind. Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung des BAG § 40 Abs. I BetrVG auch rur den Wirtschaftsausschuß gern. §§ 106 ff. BetrVG, obwohl dies nicht ausdrücklich bestimmt ise. Desgleichen gilt § 40 Abs. I BetrVG rur "andere Vertreter der Arbeitnehmer" im Sinne von § 3 Abs. I Nr. 2 BetrVG sowie rur zusätzliche Vertretungen der Arbeitnehmer im Sinne von § 3 Abs. I Nr. 1 BetrVG4 • Für etwaige Ausschüsse des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats oder des Konzernbetriebsrats gilt § 40 Abs. 1 BetrVG hingegen unmittelbar, da die Tätigkeit der Ausschüsse selbst Tätigkeit des Betriebsrats ist5. Diese zentrale Bedeutung von § 40 Abs. 1 BetrVG zeigt, daß die in dieser Arbeit gewählten betriebsverfassungsrechtlichen Organe Arbeitgeber und Betriebsrat und Mitglied des Betriebsrats nur beispielhaft ausgehend vom Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG herangezogen werden. Die Ausfiihrungen in dieser Arbeit sind aber auch zumindest sinngemäß auf alle anderen betriebsverfassungsrechtlichen Organe zu übertragen.

11. Inhalt des Anspruches

§ 40 Abs. I BetrVG regelt als materiellrechtliche Norm die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers. Für die Ausgestaltung dieser Kostentragungspflicht und deren Errullung wurden in der Praxis vor allem drei Wege entwickelt.

J. Freistellungsanspruch

In ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist anerkannt, daß dem Betriebsrat ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber zusteht6 .

3 BAG AP Nr. 8 BI. 2 zu § 108 BetrVG 1972; GalperinlLöwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 4; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 2; Fabricius, in: GKBetrVG, § 107 Rdnr. 42; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 2. 4 Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 2; GalperinlLöwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 4; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 2; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 3. 5 GalperinlLöwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 3., Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 105; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnm. I und 7. 6 BAG AP Nr. 26 BI. 1 Rund 29 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972 m. Anm. v. HoyningenHuene; AP Nr. 35 BI. 3 zu § 37 BetrVG 1972 = EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 62; AP Nr. 7 BI. 1 R zu § 80 ArbGG 1953; ihm folgend die Literatur, vgI. Wiese, in: GKBetrVG, § 40 Rdnr. 16 m.w.N.; Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 37.

58

Kap. 3: Praktische Handhabung und Durchsetzung des Anspruches

Dogmatisch wird dieser Freistellungsanspruch damit begründet, daß der Betriebsrat eine Aufwendung tätigt, indem er eine Verbindlichkeit eingegangen ist, für die er Befreiung von der lediglich übernommenen, aber noch nicht erfüllten Pflicht fordern kann. Insoweit ist auf die Regelung des § 257 BGB zurückzugreifen, allerdings nicht auf eine unmittelbare Anwendung, sondern auf den in dieser Norm enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken. § 257 BGB gilt nicht nur im Rahmen eines echten Aufwendungsersatzes, sondern auch dann, wenn sich ein Befreiungsanspruch aus einer anderen Rechtsgrundlage ergibt. Eine solche andere Rechtsgrundlage stellt § 40 Abs. 1 BetrVG dar7• Der Arbeitgeber und damit Ersatzverpflichtete kann allerdings wählen, auf welche Art und Weise er die Befreiung vornehmen will. Er kann seine Verpflichtung durch Zahlung als Dritter an den Vertragspartner des Betriebsrats (§ 267 BGB), durch befreiende Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) oder durch Abschluß eines Erlaßvertrages mit dem Gläubiger erfüllen8 • Der Betriebsrat hat den Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen. Der Antrag des Befreiungsgläubigers Betriebsrat lautet auf Verurteilung des Arbeitgebers auf Befreiung von der Verbindlichkeit. Der Antrag auf Befreiung von einer Geldschuld wie der Rechtsanwaltskosten ist aber nur dann hinreichend bestimmt i.S.v. §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 2 ZPO, wenn die Geldschuld nach Grund und Höhe eindeutig bezeichnet ist 9 •

2. Kostenerstattungsanspruch Hat hingegen der Betriebsrat aus eigenen, ihm zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln (siehe dazu gleich) die Forderung des Vertragspartners erfüllt, so wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber um lO • Der Betriebsrat hat im Beschlußverfahren den Leistungsantrag dahingehend zu stellen, daß ihm die verauslagten Kosten vom Arbeitgeber erstattet werden. Auch hier muß der Antrag hinsichtlich des Grundes

Münch-Komm-Keller, BGB, § 257 Rdnr. 2. MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnr.28; Münch-Komm-Keller, BGB, § 257 Rdnr. 6; Palandt-Heinrichs, BGB, § 257 Rdnr. 2. 9 Auch kann der Betriebsrat als Kollektivorgan den Anspruch für das einzelne Betriebsratsmitglied geltend machen; dabei muß der Antrag auf Freistellung des betreffenden Mitgliedes lauten, MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnr. 59. In BAG Nr. 7 BI. 1 R zu § 80 ArbGG 1953; AP Nr. 28 BI. 3 f. zu § 40 BetrVG 1972; MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnr.29; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 16, im Ergebnis ebenso Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 38, die § 679 BGB zur Begründung heranziehen; a.A. G/aubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 74. 7

~

11. Inhalt des Anspruches

59

und der Höhe wegen §§ 46 Abs. 2 ArbGG LV.m. 253 Abs. 2 ZPO eindeutig bezeichnet sein 11.

3. Abtretung des Anspruches an den Vertragspartner des Betriebsrats oder des Mitglieds des Betriebsrates

Als dritte Möglichkeit hat sich die Abtretung des Anspruches aus § 40 Abs. I BetrVG gegen den Arbeitgeber an den Vertragspartner des Betriebsrats in der Praxis durchgesetzt l2 . Die Abtretung des Kostenerstattungsanspruches erfolgt an Erfiillungs statt i.S.v. § 364 BGB. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob nicht spezielle Regelungen des Abtretungsrechtes nach §§ 398 ff. BGB der Abtretung des Schuldbefreiungsanspruches aus § 40 Abs. 1 BetrVG entgegenstehen. Als erstes könnte gegen die Zulässigkeit sprechen, daß sich der Inhalt des Anspruches durch die Abtretung ändern würde, was zu einem Ausschluß der Abtretung nach § 399 BGB fUhren würde 13. Doch regelt § 3998GB nur die Unzulässigkeit der Abtretung, wenn eine Leistung zugunsten eines Dritten, nämlich des Abtretenden gehen würde, obwohl nach wie vor Befreiung des Abtretenden geschuldet wird. Vorliegend greift jedoch die als zulässig angesehene Ausnahme ein, daß die Forderung gerade an den Gläubiger des Ersatzberechtigten abgetreten wird. Vom Schutzzweck dieser Nonn her bestehen dann keine Bedenken gegen eine solche Abtretung, da sich der Erstattungsanspruch in einen Anspruch auf die geschuldete Leistung und damit in einen Zahlungsanspruch umwandele 4 . Aber auch § 400 BGB steht der Abtretung nicht entgegen 15. Nach dieser Vorschrift kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie nicht der Pfändung unterworfen ist. Auf § 40 Abs. I BetrVG gestützte Kostenerstattungsansprüche unterliegen zwar nach § 850a Nr. 3 ZPO nicht der Pfändung, 11 Hier ist die Geltendmachung durch den Betriebsrat als Kollektivorgan für das einzelne Betriebsratsmitglied möglich, vgl. MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnr. 29. 12 V gl. nur BAG NZA 1993, S. 189 (190); BAG AP Nr. 3 BI. 2 und Nr. 5 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972. 13 Zum Abtretungsverbot des § 399 BGB vgI. allgmein Münch-Komm-Roth, BGB, § 399 Rdnm. 7 ff. 14 MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnr. 31. Der Erstattungsanspruch ist hingegen wie ein vermögensrechtlicher Anspruch abtretbar, BAG AP Nr. 33 BI. 2 zu § 37 BetrVG 1952, AP Nr. 5 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972; zur Zu lässigkeit der Abtretung des Freistellungsanspruches an den Verfahrensbevollmächtigten BAG AP NT. 2S BI. I R f. zu § 40 BetrVG 1972. 15 BAGE 25, S. 482 (485), BAG NZA 1993, S. 189 (191); Glaubitz, in: Hess/ Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 75.

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Kap. 3: Praktische Handhabung und Durchsetzung des Anspruches

§ 400 BGB ist jedoch entsprechend seinem Schutzzweck teleologisch insoweit einzuschränken, daß die Unpfändbarkeit dann nicht einer Forderungsabtretung entgegensteht, wenn der Zessionar dem bisherigen Forderungsinhaber fur die abgetretene Forderung einen Barbetrag in Höhe der abgetretenen Forderung gewährt l6 . Während bei der Geltendmachung des Freistellungsanspruches bzw. des Kostenerstattungsanspruches die Beteiligten an dem Beschlußverfahren gleich bleiben, tritt bei der Abtretung des Anspruches der Rechtsanwalt nun als Beteiligter gegen den Arbeitgeber im Beschlußverfahren auf 7 •

III. Innerbetriebliche Gestaltungsmöglichkeiten

Gerade in größeren Betrieben mit schon lang bestehender Arbeitnehmervertretung hat es sich eingebürgert, dem Betriebsrat einen auf Erfahrungswerten beruhenden Etat fur Betriebsratskosten monatlich, halbjährlich oder jährlich zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Etat hat der Betriebsrat seine Geschäftsfuhrungskosten zu bestreiteten 18. Auch ist es weit verbreitet, daß der Betriebsrat für den jeweiligen Einzelfall vom Arbeitgeber einen Vorschuß für die Begleichung der Geschäftsfuhrungskosten erhält. Auch auf diesem Wege kommt es zu einer Vereinfachung der Abwicklung der Erstattungsansprüche l9 .

lli

BAGE 11, S. 12 (13), BAG AP Nr. I zu § 30 KO, AP Nr. 3 BI. 2 zu § 40 BetrVG

1972; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 75. 17 Die Beteiligtenfähigkeit richtet sich im Betriebsverfassungsgesetz gern. § 83 Abs. 3 ArbGG nach dem materiellen Betriebsverfassungsrecht; als Rechtsinhaber ist der Zessionar beteiligtenfähig, BAG AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979, AP Nr. 33 BI. 2 zu § 37 BetrVG 1972, AP Nr. 5 BI. I R f. zu § 40 BetrVG 1972, BAG NZA 1993, S. 189 (190); Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 143. IK Dütz/Säcker, DB 1972, Beilage Nr. 17, S. 2 (7); Glaubitz, in: Hess/Schlochauerl Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 73a; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr.69; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr.23. Wegen des Ehrenamtsprinzipes des § 37 Abs. I BetrVG darf ein solcher Dispositionsfond nur der Geschäftsvereinfachung dienen und keine verdeckten Zuwendungen an den Betriebsrat und seine Mitglieder enthalten; in angemessenen Zeitabständen muß daher über die Verwendung der Etatmittel abgerechnet werden, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 23 a.E, einschränkend Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 15. I~ Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BertVG, § 40 Rdnr. 73; Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 69; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 22; nach Ansicht von LAG Schleswig-Holstein, BB 1984, S. 533 (533) soll dies allerdings bei RechtsanwaItskosten nicht zulässig sein.

IV. Weitere Einzelheiten

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IV. Weitere Einzelheiten 20 Der vom Arbeitgeber geschuldete Betrag ist nicht zu verzinsen, solange ein Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit besteht, da es sich nicht um eine Geldschuld handelt (vgl. §§ 288, 291 BGB)21. Nur wenn die Verbindlichkeit errullt worden ist, kommen bei Vorliegen der speziellen Voraussetzungen Verzugs- und Prozeßzinsen in Betracht, da sich der Freistellungsanspruch dann in den Erstattungs- (Zahlungs-) anspruch umgewandelt hat. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Betriebsrat bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts rur einen unaufschiebbaren Rechtsstreit den in § 17 BRAGO vorgesehenen Vorschuß sofort bezahlt. Der Betriebsrat könnte zwar die Vorschußzahlung durch den Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verrugung durchsetzen, jedoch ist dies nicht als erforderlich anzusehen, weil ein gerichtliches Eilverfahren auf Zahlung des Kostenvorschusses einen unverhältnismäßig großen Aufwand verursachen würde 22 . Ist der Betriebsrat oder das Betriebsratsmitglied selbst in Verzug geraten oder wird ein Betriebsratsmitglied selbst auf Zahlung verklagt, so kommt die Übernahme von Verzugs- und Prozeßzinsen durch den Arbeitgeber grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn der Eintritt des Verzuges oder des Klageverfahrens des Betriebsrats oder Betriebsratsmitglieds auch durch rechtzeitige Geltendmachung des Befreiungsanspruches gegen den Arbeitgeber nicht vermieden werden konnte 23 . Der Anspruch auf Kostenübernahme wird nicht von tariflichen Ausschlußfristen betroffen, da dieser seine Grundlage in der Betriebsratstätigkeit und nicht im Arbeitsverhältnis hae 4. Auch gilt nicht die rur den Anspruch auf Arbeitsentgelt maßgebliche Verjährungsfrist von zwei Jahren des § 196 NT. 8 und 9 BGB. Der Anspruch verjährt vielmehr erst nach 30 Jahren 25 .

20 Vgl. zum folgenden nur die Kommentierungen bei Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 45 ff., Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnm. 72 ff.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnm. 72 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnm. 18,39 und 150 ff. 21 Es handelt sich dann nur um eine Handlungsschuld, BAG AP Nr. 35 BI. 2 R f. zu § 37 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 47, Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 72. 22 BAG AP Nr. 28 BI. 3 f. zu § 40 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 47, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 76. 23 BAG AP Nr. 14 BI. 5 zu § 40 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 47, Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 30 Rdnr. 72. 24 BAG AP Nr. 3 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Buchner; Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 45. 25 Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 45, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 75, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BertVG, § 40 Rdnr. 78 m.w.N.

62

Kap. 3: Praktische Handhabung und Durchsetzung des Anspruches

Der Anspruch kann aber nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt werden, so zum Beispiel wenn die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt2 6 . Im Konkurs des Arbeitgebers ist der vor Konkurseröffnung begründete Kostenerstattungsanspruch kein Masseanspruch i.S.v. § 59 Abs. 1 Nr. 3a K0 27 . Er ist auch nicht gemäß § 61 Nr. la KO bevorrechtigt und nimmt deshalb gemäß § 26 Abs. I VerglO am gerichtlichen Vergleichsverfahren teil 28 • Um den Kostenanspruch durchzusetzen, muß der Betriebsrat diesen aber gemäß konkursverfahrensrechtlichen Vorschriften zur Konkurstabelle anmelden. Kostenansprüche, die nach Konkurseröffnung durch Betriebsratstätigkeit entstehen, sind Masseschulden gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, wenn die Betriebsratstätigkeit durch Handlung des Konkursverwalters veranlaßt wird, der das Vermögen des Gemeinschuldners erfaßt, verwaltet und verwertet2 9•

v. Fehlende Beteiligtenfähigkeit des Rechtsanwalts Nach ständiger Spruchpraxis des BAG ist der Rechtsanwalt als Gläubiger des Anspruches nicht befugt, am Beschlußverfahren über die Kostenerstattung als Beteiligter teilzunehmen J o. Die Beteiligungsfähigkeit im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren richtet sich nach § 83 Abs. 3 ArbGG. Danach bestimmt sich die Beteiligtenbefugnis für das Beschlußverfahren nach der materiellen Betroffenheit der Personen oder Stellen J1 , mithin nach dem Betriebsverfassungsrecht. Entscheidend ist, ob durch das konkrete Verfahren die betriebsverfassungsrechtliche Stellung eines Beteiligten unmittelbar berührt wird. Dies trifft nach ständiger Rechtsprechung für einen Rechtsanwalt nicht zu, weil seine Rechtsbeziehungen zum Betriebsrat/Betriebsratsmitglied oder zum Arbeitgeber als Antragsgegner nur auf einem vertraglich begründeten Rechtsverhält-

BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 38 S. 177. BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 39 S. 182 ff. 2K BAG AP Nr. 26 BI. 2 ff. zu § 40 BetrVG 1972 unter Aufgabe der Entscheidung BAG in BAGE 17, S. 84 ff. = AP Nr. I zu § 39 BetrVG 1952, vgl. zum Streitstand Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 80. 29 BAG AP Nr. 7 zu § 76 BetrVG 1972, LAG Hamm, EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 42; FittingIKaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 77 m.w.N. 3() BAG Nr. 14 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972, Nr. 11 zu § 83 BetrVG 1972. 31 BAG AP Nr. 7 BI. 3 R zu § 1 BetrVG 1972; AP Nr. 3 BI. 2 R zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Nr. 12 BI. 2 R zu § 19 BetrVG 1972; Nr. 6 BI. 2 zu § 20 BetrVG 1972, BAG AP Nr. 2 BI. 2 R, 9 BI. 2 Rund 13 BI. 2 R zu § 83 ArbGG 1979; ftir die unmittelbare Betroffenheit rEicht die Berührung bloßer rechtlicher Interessen nicht aus, GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 14; zu den Folgen einer Nichtbeteiligung materiellrechtlich Beteiligter und einer Beteiligung von Nichtbeteiligten vgl. BAG AP Nr. 3 BI. 2 ff. zu § 47 BetrVG 1972; Ascheid, ArbGG, Rdnr. 1699. 26

27

V. Fehlende Beteiligtenfahigkeit des Rechtsanwalts

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nis beruhen, nicht dagegen in einer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsbeziehung bestehen können, zu deren Klärung allein das Beschlußverfahren nach §§ IO und 83 ArbGG dient32 •

32 Vgl. noch einmal BAG AP Nr. 14 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972, NT. 11 BI. 2 R zu § 83 BetrVG 1972 und Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 148; das gleiche gilt für die Geltendmachung von Kostenerstattungsanspruchen aus der Betriebsratstätigkeit durch eine Gewerkschaft, auch diese ist insoweit nicht beteiligungsfähig und antragsbefugt, BAG SAE 1975, S. 194 (195); Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 114.

Kapitel 4

Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG Gegenstand des Kapitels 4 sind die Darstellung und kritische Analyse der dogmatischen Grundlagen und der unterschiedlichen Begründungsversuche für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers. In Rechtsprechung und Literatur finden sich nur einige wenige Erörterungen. Eine einheitliche, in sich schlüssige und allgemein anerkannte Ansicht hat sich bis zum heutigen Tage noch nicht herausbilden können. Dennoch bzw. gerade deswegen sollen diese nun dargestellt und auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.

I. Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherren

Aus der Ausgestaltung des Betriebsratsamtes wollen DützlSäcker l die Kostentragungspflicht über eine Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherren und damit des Arbeitgebers gern. § 670 BGB und ähnlichen Bestimmungen begründen 2• § 40 Abs. I BetrVG entspreche vom Regelungsgehalt und der Rechtsfolge den genannten Bestimmungen. Das Betriebsratsamt sei auf der einen Seite als Ehrenamt nach § 37 Abs. I BetrVG ausgestaltet und die Betriebsratstätigkeit stelle demzufolge keine haupt- oder nebenberufliche "lukrative Funktionstätigkeit" da~. Auf der anderen Seite dürfe dem Betriebsratsmitglied durch die Wahrnehmung der kollektiven ideellen Interessen der Arbeitnehmer und damit durch die Amtsführung aber auch kein finanzieller und beruflicher Nachteil entstehen (vgl. §§ 37 Abs. IV, V, 78 Satz 2 BetrVG). Aus dieser gesetzlichen Ausgestaltung des Betriebsratsamtes ergebe sich nach DützlSäcker eine "gesetzesteleologische auf der Hand liegende" Konsequenz4 : Das Betriebsratsmitglied, das in seiner Eigenschaft als Funktionsträger anders als andere (echte) Amtswalter (zum Beispiel der Konkurs-, Vergleichs- oder Nachlaßver-

I Dütz/Säcker OB 1972 Beilage 17, S.2 ff., insb. S 5 f. und Säcker, RdA 1965, S. 372 ff. 2 Vgl. auch Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 6 a.E., Wiese SAE 1969, S. 122 zu § 39 BetrVG 1952. 3 Dütz/Säcker OB 1972 Beilage 17, S. 2 (5). 4 So die Folgerung von Dütz/Säcker OB 1972 Beilage 17, S. 2 (5).

I. Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherren

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walter oder der Testamentsvollstrecker) kein Entgelt oder sonstige Aufwandsentschädigung erhält, muß auf andere Weise sichergestellt wissen, daß die mit der Amtsausübung verbundenen Aufwendungen und Verdienstausfälle nicht von ihm selbst aus eigener Tasche zu tragen sind. Die notwendige Konsequenz aus der legislativ angeordneten Unentgeltlichkeit müsse daher eine Kostentragung durch andere als den Amtsinhaber selbst sein. In zahlreichen Vorschriften (vgl. §§ 27 Abs. 3,48 Abs.2, 450, 547, 601, 683, 713, 1216, 1835 Abs. I, 1959, 1987,2218 BGB; § 12 Abs. 5 PtlichtVG; §§ 25 - 30 BRAGO; §§ 87 d, 111, 396 Abs. 2 HGB) komme der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, daß derjenige, der fiir einen anderen handelt, berechtigt sei, Ersatz der Aufwendungen zu verlangen, die er zum Zweck der Ausführung des Auftrages fiir erforderlich halten durfte 5 • Aus diesem Gedanken heraus entspreche auch die Vorschrift des § 40 Abs. I BetrVG der Ptlicht zum Aufwendungsersatz durch den Geschäftsherren, ähnlich wie in § 670 BGB und ähnlichen anderen Bestimmungen 6 . Diese, in ihrem betriebsverfassungsrechtlichen Ausgangspunkt hinsichtlich der Ausgestaltung des Betriebsratsamtes unangreifbare Ansicht, beruht im Ergebnis allerdings auf einer Wertung. Eine solche Wertung setzt aber voraus, daß der Betriebsrat für den Arbeitgeber als Geschäftsherren, der die Kosten des Auftrages übernehmen soll, in dessen Interesse tätig geworden ist. Der Betriebsrat und seine Mitglieder handeln aber nicht nur im Interesse des Arbeitgebers (§ 2 Abs. I BetrVG)7. Eine Interessenwahrnehmung zugunsten des Arbeitgebers erscheint jedoch in den Fällen, in denen der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber ein arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren betreibt, überhaupt nicht vorzuliegen. Der Betriebsrat hat zwar - ebenso wie der Arbeitgeber das allgemeine in § 2 Abs. I BetrVG verankerte Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu beachten, das soll aber nicht ausschließen, daß der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber die Interessen der von ihm repräsentierten Arbeitnehmer vertreten kann 8 . Das Bundesarbeitsgericht hat zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung von Rechten des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber nicht als Verstoß gegen § 2 Abs. I BetrVG eo ipso Dütz/Säcker OB 1972 Beilage 17, S. 2 (5). Dütz/Säcker OB 1972 Beilage 17, S. 2 (5); Wiese SAE 1969, S. 122, Dietz/Richardi, BetrVG § 40 Rdnr. 6. 7 § 2 Abs. I BetrVG als zentrale Verhaltensnorm des BetrVG ordnet an, daß die betriebsverfassungsrechtlichen Organe Arbeitgeber, Betriebsrat und die Gewerkschaften zum Wohl und im Interesse der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammenzuarbeiten haben, zum Inhalt des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit vgl. hier zunächst nur Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnrn 12 ff. und 39 ff. und unten in Kapitel 7, IV. K Zumindest solange, wie die Aufrechterhaltung eines Rechtsstandpunktes sachgerecht und ohne direkte oder mittelbare Oruckausübung auf die Gegenseite geschieht, vgl. Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 2 Rdnr. 20; Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnr. 15. 5

6

5 Müller-Boruttau

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

angesehen 9 , es hat aber nicht ausdrücklich dargelegt, warum die Kostentragung durch den Arbeitgeber in einem solchen Fall interessengerecht sein soll. Gegen die Ansicht von DützlSäcker ist aber darüber hinaus einzuwenden, daß sie die Eigenschaft des Geschäftsherren verkennt1°. Die Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherren setzt nämlich voraus, daß der Ausführende, der für einen anderen handelt, von diesem den Ersatz der getätigten Aufwendungen verlangen kann. Dies bedeutet, daß der Betriebsrat für den Arbeitgeber, d. h. in dessen Interesse tätig werden müßte. Der zitierte allgemeine Rechtsgrundsatz kennt aber nur einen Geschäftsherren 11. Der Auftraggeber ist zugleich auch derjenige, der die Aufwendungen zu ersetzen hat. Es läßt sich aber nicht belegen, daß der Betriebsrat, dessen Tätigkeit sich etwa gegen den Arbeitgeber richtet, wenn er in einem gegen diesen angestrebten Beschlußverfahren die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses begehrt, nur die Interessen des Arbeitgebers wahrnimmt l2 • In einem solchen Fall nimmt der Betriebsrat vielmehr auch die Interessen der Arbeitnehmer war. Ähnlich wie bei der noch darzustellenden Nutzenverteilung l3 der Arbeitnehmervertretung dient das Handeln des Betriebsrats mehreren Interessen, bei der hier in Rede stehenden Betriebsratstätigkeit sowohl den Interessen des Arbeitgebers als auch den der Arbeitnehmer. Dies führt in der Diktion des Aufwendungsersatzes zu zwei Geschäftsherren. Dies ist mit dem Gesetz grundsätzlich nicht vereinbar l4 .

11. SchuldrechtIicher Lösungsansatz Mangels einer rechtstechnischen Gestaltung der Kostentragung in § 40 Abs. I BetrVG wird in der Literatur l5 auch versucht, die dogmatische Lösung dem Allgemeinen Teil des BGB zu entnehmen. Dabei wird vor allem auf die Stellvertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB abgestellt. In diesem Zusammenhang würde sich die Möglichkeit anbieten, daß der Betriebsrat oder die Mitglie-

"Vgl. Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnr. 39 m.N.d. Rechtsprechung. 10 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 77. 11 Siehe allgemein zu den Grundsätzen zur Feststellung des Geschäftsherren, MünchKomm-Seiler, BGB, § 677 Rdnrn. 6 ff. 12 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 22. 13 Siehe Kapitel 4, VII. 14 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 78; diese Ansicht von Dülz/Säcker führe zu der Widersprüchlichkeit, daß nicht "für" einen Geschäftsherren gehandelt wird, sondern "gegen" einen anderen und im Anschluß daran die Kosten vom Gegner verlangt werden; vgl. zur ausnahmsweisen Zulässigkeit der Annahme des Handelns für zwei Geschäftsherren Münch-Komm-Seiler, BGB, § 677 Rdnr. 7. 151ahnke, RdA 1975, S. 343 ff., Rosset, Rechtssubjektivität, S. 28 ff.

11. Schuldrechtlicher Lösungsansatz

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der des Betriebsrats als rechtsgeschäftlieh bestellte Vertreter des Arbeitgebers Verträge schließen, oder aber daß der Betriebsrat und die Mitglieder des Betriebsrats als gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers anzusehen seien l6 . Ausgehend von der herrschenden Ansicht, daß der Betriebsrat als solcher nicht rechts- und vermögensfahig seil?, wird einhellig gefolgert, daß er sich selbst auch nicht wirksam verpflichten könne, wenn er Kosten verursacht'8, so Z.B. beim Kauf eines erforderlichen Kommentars zum Betriebsverfassungsgesetz. Vielmehr können einzelne Betriebsratsmitglieder entweder nur als Boten oder Vertreter des Arbeitgebers rechtsgeschäftlieh handeln und damit unmittelbar nur diesen verpflichten. Ausgeklammert aus der Betrachtung sind natürlich immer die Fälle, in denen der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats ausdrücklich vom Arbeitgeber bevollmächtigt worden sind. Handelt der Betriebsrat allerdings ohne entsprechende Boten- oder Stellvertretervollmacht, könnte dem Arbeitgeber das Rechtsgeschäft regelmäßig über die im Stellvertretungsrecht anerkannten Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zugerechnet werden, wenn der Betriebsrat im Rahmen seiner betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten tätig geworden war l9 . Unabhängig von diesen mehr konstruierten Wegen stellt sich die Frage, ob aus § 40 Abs. I BetrVG eine gesetzliche Vertreterfunktion des Betriebsrats oder der einzelnen Betriebsratsmitglieder abgeleitet werden kann. Bei der hier untersuchten Fallgestaltung kann eine gesetzliche Bevollmächtigung nicht angenommen werden, da § 40 Abs. I BetrVG nicht wie Z.B. in §§ 1357, 1626 Abs. 2, 1629, 1793, 1909 BGB vorsieht, den Betriebsrat als Organ oder ein Mitglied des Betriebsrats mit gesetzlicher Vollmacht auszustatten 20 . Ebenso wenig kann auf die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zurückgegriffen werden, da sich der Arbeitgeber gegen das gegen ihn gerichtete Beschlußverfahren verteidigt und damit keinen wie auch immer gearteten Vertrauenstatbestand begründet.

I~ lahnke, RdA 1975, S. 343 (346),

Rosset, Rechtssubjektivität, S. 28 (29). BAG APNr. 35 BI. 3 zu § 37 BetrVG 1972, NZA 1987, S. 100 (101), LAG Baden-Württemberg BB 1964. S. 963 (964); Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 287 m. umfr. Nachw., Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 26 Rdnr. 8 und § 1 Rdnr. 22, Fitting/ Kaiser/Heither, BetrVG, § 1 Rdnrn. 192 f., HesslSchlochauerlGlaubitz, BetrVG, vor § 1 Rdnr. 41, MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 291 Rdnr. 19, ders. BetrVG § 4 II, Konzen, ZfA 1985, S. 469 (485). IR Vgl. nur Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 26 Rdnr. 9 und § 40 Rdnr. 37, Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 1 Rdnr.194, Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr.74. 191ahnke, RdA 1975, S. 343 (345). 20 Rosset, Rechtssubjektivität, S. 28 (29). 17

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

Aber auch dem Grunde nach ist dieser zivil-, insbesondere stellvertretungsrechtliche Ansatz abzulehnen. Voraussetzung für die Annahme einer gesetzlichen Vertretung durch den Betriebsrat oder durch einzelne Betriebsratsmitglieder im allgemeinen ist, daß neben der gesetzlich vorgesehenen Vertretungsmacht die Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 BGB erfüllt sind. Danach muß der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen handeln (offene Stellvertretung) oder die Vertretung und damit das Handeln im Namen des Vertretenen muß sich zumindest aus den Umständen ergeben 21 • Beides liegt aber schon nicht im allgemeinen vor, wenn der Betriebsrat im Rahmen der Geschäftsflihrung rechtsgeschäftlich am Rechtsverkehr teilnimme 2 • Um so weniger wird man dies annehmen können, wenn der Betriebsrat ein Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber einleitet. Eine Vertretung nach den Regeln des "Geschäftes für den, den es angeht", wie es bei Bargeschäften des täglichen Lebens angenommen wird, bei denen dem anderen Vertragspartner die Person des anderen Teils nicht von Bedeutung ise 3 , kann ebenfalls nicht bei dem Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages nach §§ 675, 611 BGB mit einem Rechtsanwalt durch den Betriebsrat oder durch das einzelne Betriebsratsmitglied angenommen werden. Außerdem zeigt - wie bereits gerade angedeutet - ein Vergleich mit den im BGB geregelten Fällen der gesetzlichen Vertretung, daß schon vom Wortlaut her keine Ermächtigung zum Handeln für den Arbeitgeber gewollt sein kann 24 • Aber auch eine gesetzes-systematische Betrachtung ergibt, daß § 40 Abs. 1 BetrVG keine gesetzliche Vertretung anordnen kann. Gesetzliche Vertretung wird nämlich nur dort angeordnet, wo Rechtssubjekte nicht privatautonom handeln können 25 • Der Arbeitgeber ist aber sehr wohl in der Lage, selbst am Rechtsverkehr teilzunehmen 26 • Der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats sind folglich keine gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers.

III. Gesetzliches Schuldverhältnis

Von namhaften Autoren in der Literatur wird auch vertreten, durch § 40 Abs. I BetrVG entstehe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Ar-

Münch-Komm-Schramm, BGB, Bd. I, § 164 Rdnrn. 2Iff., insb. 23. BAG AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972; Kraft, in: GK-BetrVG, § I Rdnr. 74; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § I Rdnr. 196. 23 Larenz, AT, § 30 II b; Münch-Komm-Schramm, BGB, Bd. I, § 164 Rdnr. 42; Palandt-Heinrichs, BGB, § 164 Rdnr. 8. 24 Vom Wortlaut her kann § 40 Abs. 1 BetrVG nach Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2 2. Halbband, S. 11 05f und ihnen folgend Rosset, Rechtssubjektivität, S. 28 (29) nur für das Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat maßgeblich sein. 25 Larenz, AT § 30 I a; Münch-Komm-Schramm, BGB, Bd. I,Vorb. § 164 Rdnr. 67. 26 Ebenso Rosset, Rechtssubjektivität, S. 28 (29). 2\

22

III. Gesetzliches Schuldverhältnis

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beitgeber und dem Betriebsrat, da die eindeutige gesetzliche Anordnung in § 40 Abs. 1 BetrVG den Arbeitgeber unmittelbar zur Tragung der aus der Geschäftsführung des Betriebsrats entstehenden Kosten verpflichtee 7• § 40 Abs. I BetrVG räume dem Betriebsrat nicht die Möglichkeit ein, Rechtsgeschäfte zu tätigen, aus denen der Arbeitgeber unmittelbar berechtigt oder verpflichtet wird. Auch habe der Betriebsrat keine entsprechende Verpflichtungsermächtigung oder Vertretungsmacht für den Arbeitgeber, und es bestehe im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG auch keine Durchgriffshaftung auf den Arbeitgeber 8 . Als einzige Möglichkeit bliebe daher nur die Interpretation des § 40 Abs. I BetrVG als Grundlage und Anordnung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses. Auf dieses gesetzliche Schuldverhältnis sollen die allgemeinen schuldrechtlichen Geschäftsführungsregeln und Normen anwendbar sein 29 • Die Kostentragungspflicht sei eine Konkretisierung der allgemeinen in § 670 BGB geregelten Verpflichtung zum Ersatz von Aufwendungen. Es bestünden daher keine Bedenken, zur Komplettierung der in § 40 Abs. I BetrVG nur grundsätzlich, aber rechtstechnisch unvollständig getroffenen Regelung, die allgemeinen Vorschriften der Privatrechtsordnung, die im Fall von Aufwendungsersatzansprüchen gelten, ergänzend anzuwenden 30 • Diese Meinung ist aber aus den gleichen Gründen wie die Interpretation des Aufwendungsersatzanspruches abzulehnen. Gegen die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses spricht darüberhinaus folgendes: grundsätzlich können mögliche Parteien dieses Schuldverhältnisses die Betriebsratsmitglieder auf der einen, der Arbeitgeber auf der anderen Seite und Dritte sein. Gegen die letzte Möglichkeit der Einbeziehung Dritter spricht, daß die Rechtsordnung keine Konstruktion kennt, mit der durch Handeln eines unabhängigen Subjektes - hier Betriebsrat - zwischen anderen Parteien ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet wird, ohne daß der Betriebsrat gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter oder Organ des Verpflichteten - hier Arbeitgeber wäre. Die Betriebsratsmitglieder als Gläubiger kommen nicht in Betracht, weil vom Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG ausgehend zunächst zu prüfen ist, ob nicht der Betriebsrat als solcher verpflichtet werden kann. Der Betriebsrat tritt folglich dem Arbeitgeber als Gläubiger gegenüber. 27 Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 26 Rdnr. 8 und § 40 Rdnr. 36, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 58, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr.15. 2X Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 37, Kraft, in: GK-BetrVG, § I Rdnr. 74; das BAG in BAGE 25, S. 174 (186) erkennt eine solche Durchgriffshaftung nur für den Honoraranspruch des Beisitzers einer Einigungsstelle gegen den Arbeitgeber an. 29 Vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 38. 30 Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 BetrVG 38; aufgrund dieser dogmatischen Konstruktion kann der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats über § 669 BGB einen Vorschuß für die voraussichtlichen Aufwendungen verlangen, Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 36, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 22.

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

IV. Lösung aus anwaltlicher Sicht Eich 31 versucht, eine speziell auf Rechtsanwaltskosten zugeschnittene Lösung aus dem Zusammenspiel von § 40 Abs. 1 BetrVG und § 17 BRAGO herzuleiten. Grundsätzlich sei der Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber als Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. v. §§ 611, 675 BGB anzusehen 32 • Infolge dessen hat der Rechtsanwalt schon nach § 669 BGB einen Anspruch gegen den Auftraggeber auf einen Vorschuß für die zur Ausführung des Auftrages erforderlichen Aufwendungen, nämlich die Auslagen im Sinne der §§ 25 ff. BRAG0 3J • Nicht dagegen folge aus § 669 BGB, daß der Rechtsanwalt auch Vorschuß für die Gebühren verlangen kann J4 • Diese sind Entgelt für die Arbeitsleistung. Die Arbeitsleistung, die der Rechtsanwalt aufwendet, dürfte keine Aufwendung im Sinne von § 669 BGB sein. Hier geht § 17 BRAGO zugunsten des Rechtsanwaltes über § 669 BGB hinaus und gewährt das Recht, auch für Gebühren Vorschuß zu fordem 35 . Vorschüsse auf Auslagen und Vorschüsse auf Gebühren haben verschiedenen Charakter. Vorschüsse auf Auslagen sollen dem Rechtsanwalt zum einen ersparen, Auslagen aus eigener Tasche vorzustrecken. Vorschüsse auf Gebühren können Vorauszahlung auf die noch nicht entstandene oder noch nicht fällige Forderung und damit auf das Leistungsentgelt sein. Insoweit ist das Vorschußrecht ein Ausgleich dafür, daß die Fälligkeit der Vergütung erst mit dem in § 16 BRAGO näher bezeichneten Ende der anwaltlichen Tätigkeit eintritt. Im Ergebnis werde durch § 17 BRAGO, soweit die Vorschußpflicht danach reicht, die Fälligkeit der Vergütung vorverlagert36 . Der Vorschuß könne zum anderen auch eine Sicherheit für eine bereits entstandene, aber noch nicht fällige Schuld des Mandanten gegenüber seinem Rechtsanwalt sein 37 • Insgesamt sei dem Vorschuß in allen Arten der Sicherungszweck gemeinsam, daß der Rechtsanwalt nicht in die Rolle eines "Kreditgebers" kommen so1l38. Ausgehend von diesem Inhalt und Zweck des Anspruches nach § 17 BRAGO müsse man nach Eich in Bezug auf § 40 Abs. 1 BetrVG wie folgt differenzieren:

Eich, AnwBI. 1985, S. 62 ff. Die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen erläutern Palandt-Putzo, BGB, Einf. vor § 611 Rdnr. 21 und Palandt-Thomas, BGB, § 675 Rdnr. 6 und Münch-Komm-Seiler, BGB, § 675 Rdnrn. 6 ff. 33 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, § 669 Rdnr. 1. 34 Eich, AnwBI. 1985, S. 62 (64). JS Eich, AnwBl. 1985, S. 62 (64). 36 Riedl/Sußbauer, BRAGO, § 17 Rdnr. 2; Eich, AnwBI. 1985, S. 62 (64). 37 Eich, AnwBI. 1985, S. 62 (64). 3K BGHZE 10, S. 139 (143). 31

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V. Fehlende Vennögensfähigkeit des Betriebsrats

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Soweit ein Vorschuß vom Rechtsanwalt unter Anknüpfung an bereits entstandene Gebühren gefordert wird, handele es sich um die Realisierung von Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats bereits entstanden sind. Es gehe hierbei also nicht mehr um die Zahlung eines Vorschusses, sondern um die Tragung der durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten. Ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats folge unmittelbar aus § 40 Abs. 1 BetrVG39 • Hinsichtlich eines Vorschusses auf erst zukünftig entstehende Gebühren sei der Mandant Betriebsrat wie jeder andere Mandant zu behandeln. Auch für einen Betriebsrat bestehe eine unabweisbare Verpflichtung und Verbindlichkeit, den - im Rahmen des § 17 BRAGO - geforderten Vorschuß zu zahlen40 • Der Mandant Betriebsrat sehe sich mithin ebenso der Vorschußpflicht des § 17 BRAGO ausgesetzt. Er habe jedoch seinerseits nach § 40 Abs. 1 BetrVG einen Anspruch auf Kostenerstattung durch den Arbeitgeber. Aus der Zusammenschau beider Normen und aus verfahrensökonomischen Gründen sei dem Rechtsanwalt mithin ein direkter Vorschußanspruch gegen den Arbeitgeber zuzubilligen41 •

V. Fehlende Vermögensfähigkeit des Betriebsrats In der Literatur42 wird die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auch ganz pragmatisch auf die fehlende Vermögensfähigkeit des Betriebsrats und auf die beschränkten persönlichen Mittel der Betriebsratsmitglieder zurückgeführt. Die Wahrnehmung einer Funktion im Rahmen der Betriebsverfassung dürfe danach nicht das private Budget der Arbeitnehmer belasten, da es schon schwierig genug sei, geeignete Personen für die ehrenamtliche Betriebsratstätigkeit zu gewinnen43 . Es könne bei einer derart hohen individualistischen Motivation nicht verlangt werden, daß die sich zur Verfügung stellenden Arbeitnehmer auch noch die Kosten der Betriebsratstätigkeit aus eigener Tasche zu bezahlen haben44 •

Eich, AnwBI. 1985, S. 62 (64). LAG Kiel, AnwBI. 1984, S. 166 (167); Eich, AnwBI. 1985, S. 62 (65). 41 Eich, AnwBI. 1985, S. 62 (65); ebenso BAG in BAGE 25, S. 174 (186) für das Honorar eines Einigungsstellenmitglieds. 42 Olto, Anm. zu LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33 S. 147 ff.; Rick. BetrVG, S. 33; ebenso auch Dütz/Säcker DB 1972 Beilage 17, S. 2 (6). 43 Olto, Anm. zu LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33 S. 147 (148). 44 Dütz/Säcker DB 1972 Beilage 17, S. 2 (6); Otto, Anm. zu LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33 S. 147 (148); Rick. BetrVG, S. 33. 39

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

Auch diese Auffassung kann aber nicht deutlich nachweisen, warum gerade der Arbeitgeber als Schuldner des Ersatzanspruches angesehen werden müsse. Sie übersieht nämlich, daß auch andere Kostenträger in Betracht kämen. Aus dem Gesichtspunkt der primären Interessenvertretungsfunktion heraus liegt es nahe, die Belegschaft selbst im Wege eines Beitrages oder Umlageverfahrens heranzuziehen 4s • Es würde sich dann um eine Art Zwangsumlage handeln, wie sie auch bei den Handelskammern oder den Studentenwerken bekannt ist. Unter dem Aspekt einer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung und des gemeinwirtschaftlichen Nutzens der Mitbestimmung ist aber auch zu erwägen, ob auch staatliche Instanzen zu einer Finanzierung heranzuziehen sind. Es wäre dann die Allgemeinheit über die allgemeine Steuerlast an diesen Kosten der Mitbestimmung beteiligt46 • Vorstellbar wäre aber auch ein Mischverfahren, das entsprechend der unterschiedlichen Nutzenverteilung eine Kostenverteilung vornehmen könne. Eine Entscheidung für einen anderen Kostenträger als den Arbeitgeber wäre nicht einmal notwendigerweise mit einem Verzicht auf das Ehrenamtprinzip des § 37 Abs. I BetrVG verbunden 47 •

VI. Sozialbindung des Eigentums Blomeyer48 vertritt als weitere dogmatische Grundlage für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers die Ansicht, daß die Sozialbindung des Eigentums an den Produktionsmitteln die Kostentragung durch den Arbeitgeber rechtfertigen könne. Die Pflicht zur Übernahme aller Kosten wirke sich auf das Vermögen aller Unternehmensträger und der Arbeitgeber aus. Es berühre damit die durch Artikel 14 Abs. I GG geschützten Rechte. Doch das Bundesverfassungsgericht hat durch sein Mitbestimmungsurteil vom 01.03.1979 die Mitbestimmung insgesamt als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt49 • Unter Hinweis auf Abs. 2 des

Düfz/Säcker OB 1972 Beilage 17, S. 2 (7). Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 79. 47 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.79, der auch an eine Verwaltung der Betriebsratsmittel durch eine öffentlich-rechtliche Institution denkt, was die Unabhängigkeit des Betriebsrats fördern würde. 4K Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 79 ff. 49 BVerfD NJW 1979, S. 699 ff. Im Rahmen der Prüfung der Verfassungsgemäßheit leitet das BVerfG zunächst einen "Ordnungs- und Schutzzusammenhang der Grundrechte" her und billigt dem Gesetzgeber die Befugnis zu, bei wirtschaftspolitischer Neutralität des Grundgesetzes ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte und die sich daraus ergebende Grund- und Werteordnung beachtet werden (S.702). Im Anschluß daran prüft das BVerfG das Mitbestimmungsgesetz an Art. 14 Abs. I GG (S.702 ff.), an Art. 12 Abs. I GG und Art. 2 Abs. I GG (S. 707 f.) und Art. 9 Abs. 3 GG (S. 708 f.). 45

4~

VI. Sozialbindung des Eigentums

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Artikel 14 GG gehe die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung um so weiter, je mehr das Eigentum selbst in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion stehe. Entscheidend sei hierbei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes der Gesichtspunkt, daß Nutzung und Verfügung in diesem Fall nicht lediglich innerhalb der Sphäre des Eigentümers bleiben, sondern Belange anderer Rechtsgenossen berührten, die auf die Nutzung des Eigentumsobjektes angewiesen seien 50. Danach umfaßt das grundgesetzliche Gebot einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung des Eigentums auch das Gebot der Rücksichtnahme an den Nichteigentümer, der seinerseits der Nutzung des Eigentumsobjektes zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung bedarfS'. Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung seien nach Ansicht Blomeyers als Ausdruck des in Artikel 20 Abs. 1 und Artikel 28 Abs. 1 GG normierten Sozialstaatsauftrages zwar Eigentumsbeschränkungen, aber entsprechend der Sozialbindungsklausel des Artikel 14 Abs. 2 GG entschädigungsfrei. Soweit der Gesetzgeber den Arbeitgeber zur Übernahme der durch die Mitbestimmung entstehenden Kosten verpflichte, könne er seine Anordnung auch auf die Sozialbindung des Eigentums stützen52 • Dies entspreche auch einer in der Literatur53 verbreiteten Meinung. Blomeyer selbst erkennt allerdings, daß seine Interpretation des Eigentumsbegriffes nicht der des BVerfG entspricht. Nach dessen ständiger Rechtsprechung ist das Vermögen an sich bei der Auferlegung von Geldleistungspflichten gerade nicht durch Artikel 14 Abs. 1 GG geschützt54 • Blomeyer und die widersprechende Literatur nehmen dagegen bei der Auferlegung von Geldleistungspflichten einen Verstoß gegen Artikel 14 Abs. I GG unter anderem deswegen an, weil die Eigentumsgarantie aus der historischen Entwicklung heraus gegen neuartige Gefährdungen geschützt werden soll. Blomeyer führt daher zur Begründung seines Ansatzes weiter aus, daß die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes im Rahmen der Mitbestimmungsentscheidung zu der Frage "Geldleistungspflichten als Eingriff in die Eigen-

BVerfG NJW 1979, S. 699 (702 f.). BVerfG NJW 1979, S. 699 (703). 52 Wolfgang Btomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 80. 53 Siehe die Verweise von Wolfgang Btomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.80 auf Kimminich, Art. 14 Rdnr. 76 und Art. 14 Rdnm. 65 f. sowie Schotz, in: MaunzJDürig/Herzog, GG-Komm., Stand 1979, Art. 14 Rdnr. 51. 54 Grundlegend BVerfG in BVerfGE 4, S.7 (17); vgl. auch in BVerfGE 8, S. 274 (330); 10, S. 89 (116) und S. 354 (371); 11, S. 105 (126); 14, S. 221 (241); 19, S. 119 128) und S. 253 (267f); 26, S. 327 (338); 27, S. 111 (131); 29, S. 402 (413), 30, S. 250 (271). 50 51

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragüngspflicht des Arbeitgebers

turnsgarantie" inkonsequent sei zu seiner sonstigen Rechtsprechung Ss • Es unterstelIe zwar einzelne Vermögensgüter dem Schutz des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG, deren Zusammenfassung als Vermögen einer Privatperson entziehe es jedoch diesen Schutzs6 • Er ist daher der Ansicht, daß dem Arbeitgeber dieser mit der Finanzierungslast der Mitbestimmung auf Betriebsebene verbundene Eingriff in sein Eigentum am ehesten deshalb zugemutet werden könne, weil allein er in der Lage sei, diese zusätzlichen Kosten über Produktionspreise an die Allgemeinheit weiterzuleiten. Damit fände zugleich eine Umverteilung der Kosten auf die Gesamtwirtschaft und auf die Konsumenten statt. Die Unternehmen verwirklichten so durch die Übernahme der Kosten der Mitbestimmung zugleich eine geselIschaftspolitische Aufgabe, die ursprünglich der Staatsgewalt oblagS7 • Die Begründung der Kostentragungspflicht aus der Sozialbindung des Eigentums fUhre zu zwei bedeutsamen Folgerungen. So hat der Arbeitgeber, anders als unter dem Grundsatz des § 670 BGB und ähnlichen Vorschriften, sämtliche Kosten der Mitbestimmung zu tragen, also auch jene, die dem Betriebsrat bei der Verfolgung seiner Rechte gegen den Arbeitgeber entstanden sind. Dieser Grundsatz gelte auch ohne Rücksicht darauf, ob es sich um unmittelbare oder mittelbare Kosten handele. Selbst die mittelbaren Kosten lägen dann noch im Rahmen der Sozialbindung, wenngleich sich hier um so mehr die Frage nach den Grenzen stelles8 • Aus der unmittelbaren Herleitung der Kostentragungsvorschriften aus der Sozialbindung des Eigentums ergäbe sich aber auch gleich deren grundgesetzliche Schranke, nämlich die Bestandsgarantie des Artikel 14 Abs. I Satz 1 GG. Diese fordere auf jeden Fall, daß die Zuordnungsverhältnisse zwischen Eigentumsobjekt und Eigentumssubjekt erhalten bleiben und die Substanz des Eigentums gewahrt werde s9 • Zutreffend weise auch das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 01.03.1979 darauf hin, daß die Eigentumsbindungen stets verhältnismäßig sein müßten 60 • Dement-

SS So hat das BVerfG in BVerfGE 19, S. 119 (129), 19 S. 253 (268), 223, S.288 (315) und 27, S. 111 (131) entschieden, daß Abgaben und Steuern gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sie den gesetzlich Verpflichteten übermäßig belasten (vgl. auch BVerfGE 29, S.402 (413» und dessen Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen. S6 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 80. S7 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 81. sx Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 81. S9 Insoweit geht Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 80 wieder konform mit der st. Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfG in BVerfGE 4, S. 7 (17); 19, S. 119 (128); 26, S. 327 (338); 27 S. 326 (343); 42, S. 263 (295). 60 BVerfG NJW 1979, S. 699 (703).

VII. Lösung anhand der Nutzung der Mitbestimmung

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sprechend müsse auch die Kostentragung des Arbeitgebers immer den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entsprechen61 •

VII. Lösung anhand der Nutzung der Mitbestimmung Wiederum eine eher pragmatische Begründung fiir die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers wird anhand der Nutzenverteilung der Mitbestimmung gegeben 62 • Nach dieser Ansicht liege der Nutzen der Mitbestimmung alleine bei dem Arbeitgeber bzw. dem Betrieb, so daß aufgrund dieses Faktums eine alleinige Kostentragung der unmittelbaren und mittelbaren Kosten der Betriebsratstätigkeit gerechtfertigt sei63 • Doch kann dieser Ansicht bei näherer Betrachtung der betrieblichen Verhältnisse richtigerweise nicht zugestimmt werden. Zwar findet die Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers statt, doch dient sie nicht ausschließlich dem Betrieb64 • Der Nutzen fiir den Betrieb könnte zwar darin liegen, daß die Vorteile, die die Arbeitnehmerschaft aus der Mitbestimmung zieht, wiederum dem Betrieb zugute kommen. Doch kann dies bei der Arbeitnehmermitbestimmung im allgemeinen und bei der Mitwirkung nach dem Betriebsverfassungsgesetz im speziellen nicht angenommen werden. Im Betriebsverfassungsgesetz wird auch den Gewerkschaften eine Einflußnahme auf das Geschehen im Betrieb gewährleistet und damit ein Haupttätigkeitsgebiet der Arbeitnehmerverbände gesetzlich festgelegt. Darüber hinaus hat auch die Arbeitnehmerschaft im ganzen einen Nutzen aus der Mitbestimmung, denn deren generelles Interesse am Wohl und Bestand des Betriebes65 und der Erhaltung der Arbeitsplätze wird gerade durch die Mitbestimmung und die Teilnahme der Gewerkschaften an der Mitbestimmung gef6rdert. Über den Betrieb hinaus dient die Arbeitnehmervertretung auch dem Interesse des Staates und der Allgemeinheit an einem sozialen Frieden. Diese Gesamtbetrachtung zeigt - wie auch Blomeyer zutreffend feststellt -, daß der Nutzen der Mitbestimmung nur zu einem beschränkten Teil auf der Seite des Arbeitgebers liegt. Seine uneingeschränkt statuierte Pflicht, die Ko-

Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 81. Steinmann in Vortrag über Kosten und Nutzen-Analyse der Mitbestimmung, zitiert bei Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 72, Fußn. I und S. 39. 63 Steinmann, bei Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 39 und 72. M Siehe zu folgender Nutzenanalyse der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf betrieblicher Ebene Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 72 f. 65 Vgl. § 2 Abs. I BetrVG. 61

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

sten der Arbeitnehmervertretung zu tragen, kann daher nicht mit dem Nutzen der Mitbestimmung zwingend begründet werden66 •

VIII. Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG Ähnlich aus dem Betriebsverfassungsgesetz heraus wie unter V. dargestellt wird in der Rechtsprechung67 und Literatur68 vereinzelt als Rechtfertigung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers das in § 78 S.2 BetrVG normierte Benachteiligungsverbot angeruhrt. Nach dieser Norm dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Untersagt ist jede Handlung, durch die der geschützte Personenkreis wegen der ehrenamtlichen Amtstätigkeit im Rahmen der Betriebsverfassung ungleich behandelt wird. Unter Benachteiligung wird allgemein jede SchlechtersteIlung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern verstanden, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegenden Gründen gerechtfertigt werden können, sondern ihren Grund nur in der Stellung innerhalb der Betriebsverfassung haben69 • § 78 Satz 2 BetrVG gelte als Schutzbestimmung zur Sicherung der persönlichen Unabhängigkeit rur die in Satz 1 des § 78 BetrVG genannten Funktionsträger70 • Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien die Verbote jedoch nicht lediglich als Ausdruck des Gleichbehandlungsgrundsatzes anzusehen. Sie hätten vielmehr eine eigenständige Bedeutung und Rechtswirkung und schließen nicht allein die Amtstätigkeit als unsachliches Differenzierungskriterium aus. Die Vorschrift des § 78 BetrVG stehe in Zusammenhang mit anderen Regelungen, die dem Schutz des Betriebsrats und der übrigen Organe der Betriebsverfassung dienen, wie die §§ 37-40, 78a, 103 BetrVG und 15 KSchG 71 • § 78 BetrVG

~~ So auch

Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 73.

~7 BAG AP Nr. 1 BI. 2 zu § 39 BetrVG 1952; BB 1977, S. 796 (796). ~K Dtto, Anm. zu LAG Hamm, EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33 S. 147 (148); Brill OB 1977, S. 2139 (2139). ~9 V gl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 78 Rdnm. I und 15; dabei ist eine lediglich objektive Beeinträchtigung ausreichend; auf eine etwaige zielgerichtete Behinderung oder Beeinträchtigung kommt es nicht an, siehe Kreutz, in: GK-BetrVG, § 78 Rdnr. 25 und Dietz/Richardi, BetrVG, § 78 Rdnr. 15. 70 Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 78 Rdnr. 3; daneben ist auch anerkannt, daß § 78 BetrVG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist und auch entsprechende Unterlassungsansprüche des Betriebsratsmitglieds auslösen kann, Dietz/Richardi, BetrVG, § 78 Rdnr. 32, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 78 Rdnr. 11; auch stellt § 78 BetrVG ein gesetzliches Verbot i.S.V. § 134 BGB dar, Dietz/Richardi, BetrVG, § 78 Rdnr. 23, Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 78 Rdnr. 18. 71 Dietz/Richardi, BetrVG, § 78 Rdnr. 2; GalperinlLöwisch, BetrVG, § 78 Rdnr. I; Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 78 Rdnr. 1.

IX. Verfassungsrechtliche Bedenklichkeit von § 40 Abs. I BetrVG

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greife allerdings nur subsidiär ein, wenn die vorgenannten Sonderregelungen nicht einschlägig sind. Auf der anderen Seite gewähre § 78 Satz 2 BetrVG den ehrenamtlichen Vertretern der Arbeitnehmer aber keine Immunität72 . Diese seien nur solange und nur soweit geschützt, als sie bei ihrer Tätigkeit ihre betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und Rechte nicht überschreiten oder ihre Pflichten als Vertreter der Arbeitnehmerschaft sowie als Arbeitnehmer im Rahmen ihres Einzelarbeitsvertrages nicht verletzen. Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, daß die Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Betriebsratstätigkeit, die Folge einer berechtigten Amtsführung sind, die Betriebsratsmitglieder gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligen würde. Die Betriebsratsmitglieder hätten Kosten zu tragen, die durch ihre Tätigkeit entstehen und die im Interesse der Arbeitnehmer des ganzen Betriebes liegen. Ein Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG wäre demnach anzunehmen 73. Es liegt daher nahe, die Verpflichtung des Arbeitgebers zur KostenfreisteIlung des Betriebsrats bzw. seiner Mitglieder auf die Entscheidung des Gesetzgebers zuruckzufiihren, die Betriebsratsmitglieder durch ihre Tätigkeit gegenüber anderen Arbeitnehmern nicht zu benachteiligen.

IX. Verfassungsrechtliche Bedenklichkeit von.§ 40 Abs. 1 BetrVG Die wissenschaftlichen Untersuchungen greifen auch die Frage auf, ob § 40 Abs. 1 BetrVG mit dem verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit vereinbar sei. Platz74 kommt zu dem Ergebnis, daß die ausnahmslose Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kosten arbeitsgerichtlieher Beschlußverfahren gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG auch dann zu tragen, wenn er obsiegt, gegen dieses verfassungsrechtliche Prinzip verstoße 75 • Durch die Versagung der Kostentragung des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat im Falle eines Obsiegens werde nicht nur der wirtschaftlich schwache Betriebsrat geschützt, sondern der wirtschaftlich stärkere Arbeitgeber könne auch davon abgehalten werden, einen berechtigten und aussichtsreichen Prozeß gegen den Betriebsrat zu fiihren 76 •

72 LAG Hamm OB 1988, S.2058 (2058); DietzlRichardi, BetrVG, § 78 Rdnr. 13, FittinglKaiseriHeitherlEngels, § 78 Rdnr. 7. 7J BAG BB 1977, S. 796; Brill OB 1977, S. 2139 (2139). 74 Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit und zusammenfassend ders. in ZfA 1993, S. 373 ff. 75 Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 160 und ders. ZfA 1993, S. 373 (406). 76 Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 143 und 156.

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Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

Für diese Ungleichbehandlung gebe es keine tragbare Begründung77 ; sie müsse vielmehr im Hinblick darauf, daß auch andere Kostenträger in Frage kommen, als willkürlich angesehen werden78 • Die derzeitige Auslegung von § 40 Abs. I BetrVG zu Lasten des Arbeitgebers verstößt nach Ansicht von Platz gegen elementare Verfassungs- und Verfahrens grundsätze. Die Auslieferung des einzelnen an private Willkür durch "Behinderung" des Rechtsweges bei gleichzeitigem Verbot der Selbsthilfe bedeute eine "Entrechtung", die den Grundwert der Verfassung, insbesondere die "Personenwürde", in Frage stelle, soweit sie auf juristische Personen übertragbar sej19. Gleichzeitig widerspreche die Entkräftung der Rechtsweggarantie dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Aber auch infolge der sich hieraus ergebenden fehlenden Verhältnismäßigkeit des Eingriffes seien sowohl das Grundrecht der freien Entfaltung der Person nach Art. 2 Abs. I GG, als auch das Grundrecht der Gleichheit aller vor dem Gesetz nach Art. 3 Abs. I GG in seiner Ausprägung der Waffengleichheit zweier Prozeßbeteiligte verietzt80 • § 40 Abs. I BetrVG sei insoweit verfassungskonform auszulegen, als eine Kostentragung des Arbeitgebers im Falle des Obsiegens zumindest im Regelfall nicht erfolgen dürfe. Hierbei könne man zum einen an die Anwendung von § 91 ZPO als Kostenverteilungsnorm, aber zum anderen auch an die Normen denken, die eine Billigkeitsentscheidung über die Kostenverteilung vorsehen. WeIche dieser Vorschriften dem jeweils geschützten Interesse der Beteiligten dabei am ehesten gerecht wird, könne nach Ansicht von Platz unerörtert bleiben und müsse vom Gesetzgeber geregelt werdensI.

x. Zusammenfassende Würdigung Die Vielfalt der dargestellten dogmatischen Grundlagen und Begründungsversuche der Kostentragungsptlicht läßt eine einheitliche klare Grundlage nicht feststellen und zeigt die Schwierigkeit der dogmatischen Ausformung des einfach formulierten § 40 Abs. I BetrVG auf. Jede der verschiedenen Begründungsversuche hat zwar nachvollziehbare Ansätze, aber auch - zum Teil 77 Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, versucht den Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit mit den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens, dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip, der Rechts- und Vermögenslosigkeit des Betriebsrats und dem Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG zu rechtfertigen. Letztlich kommt er allerdings zu der hier wiedergegebenen verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit von § 40 Abs. I BetrVG. 1M Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 156. 79 Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 137 ff. xo Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 156. XI Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 160 und ders. ZfA 1993, S. 373 (406).

x. Zusammenfassende Würdigung

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schon dargelegte - Angriffspunkte, so daß keiner Ansichtuneingeschränkt gefolgt werden kann. An der dogmatischen Einordnung mit einer Parallelität zur Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherren kann - wie bereits ausgeführt - Kritik geübt werden. Denjenigen, die den Arbeitgeber allgemein als "Geschäftsherren" des handelnden Betriebsrats ansehen wollen, ist zu entgegnen, daß konsequenterweise dieser dann die Kosten zu tragen hätte, die durch Verfahren entstehen, die sich gegen ihn richten. Der Arbeitgeber hätte danach letztendlich nur die Kosten zu übernehmen, die in seinem Interesse durch den Betriebsrat verursacht worden sind. Die dementsprechende Behandlung des Betriebsrats als eine Instanz zur Nutzenoptimierung bzw. Kostenminimierung des Unternehmens kann vom Gesetz allerdings auch nicht gewollt sein. Der Betriebsrat handelt nicht nur zur Durchsetzung eines Eigeninteresses, sondern um der von ihm vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgaben willen. Die Konstruktion über einen Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB oder ähnlichen Vorschriften, genauso wie die Ansicht, daß ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestehe, in dem der Rechtsgedanke von § 670 BGB Anwendung finde, läßt wegen der in realiter bestehenden diamentral entgegengesetzten Interessen erhebliche Bedenken an der dogmatischen Einordnung entstehen. Zwar ist von der Rechtsprechung des BGH das sogenannte "auch fremde Geschäft" anerkannt worden 82, wonach das Handeln eines Geschäftsführers nicht nur dem Interesse des Geschäftsherren, sondern auch dem eigenen Interesse dienen kann und damit zwei "Geschäftsherren" möglich sind. Doch auch diese Konstruktion hilft nicht weiter, da die Einleitung eines Beschlußverfahrens gegen die Interessen des Arbeitgebers auch über diese Konstruktion nicht als ein Handeln für die Interessen des Arbeitgebers angesehen werden kann. Die dogmatische Begründung der Kostenverteilung anhand der Rechts- und Vermögenslosigkeit des Betriebsrats darf nicht losgelöst von der Begründung gesehen werden, die das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG als Grundlage ansieht. Beide Ansichten sind als zusämmenhängend anzusehen, da es nur aufgrund der Rechts- und Vermögenslosigkeit des Betriebsrats bei persönlicher Inanspruchnahme Betriebsratsmitglieder zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung kommen kann. Es ist allerdings nicht einsichtig, warum gerade der Arbeitgeber, nur weil der Betriebsrat nicht benachteiligt werden darf, als Kostenschuldner heranzuziehen ist. Es kommen - wie dargestellt - vielmehr auch andere Kostenträger in Betracht. Ein zwingender Rückschluß auf eine Belastung des Arbeitgebers ist daher nicht möglich.

K2 BGHZ 40, S. 28 (31),52, S. 393 (399 f.), 63, S. 167 (169 ff); die Literatur ist dieser Ausdehnung des Anwendungsbereiches der §§ 677 ff. BGB, insb. des § 683 BGB skeptisch gegenübergetreten, vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, § 17 1I 3 b, mit umfr. Nachw.

80

Kap. 4: Dogmatische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

Des weiteren liegt eine Benachteiligung im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur nur bei einer Kostentragung des Betriebsrats im Falle einer berechtigt eingegangenen Verpflichtung vor. In den Fällen, in denen es gerade zu einer unberechtigten, weil z.B. mißbräuchlichen Rechtsanwaltsbeauftragung gekommen ist, schließt § 78 Satz 2 BetrVG die Verantwortlichkeit der Betriebsratsmitglieder zur Kostenübernahme nicht aus; diese begeben sich durch eine solche Kostenverursachung außerhalb des Anwendungs- und folglich auch des Schutzbereiches von § 78 Satz 2 BetrVG. Aber auch die Begründung der arbeitgeberseitigen Kostentragungspflicht unter Hinweis auf die Verteilung des Nutzens der Mitbestimmung ist nicht überzeugend. Auch hier kann der Arbeitgeber nicht als einzig Begünstigter der Arbeitnehmervertretung angesehen werden. Die Kostenbelastung des Arbeitgebers entspricht zwar einer pragmatischen GrundeinsteIlung, diese kann jedoch auch bei der Heranziehung anderer Kostenträger beibehalten werden. Die Einordnung der Kostentragung als soziale Verpflichtung des Arbeitgebers im Sinne von Artikel 14 Abs. 2 GG ist mit der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Artikel 14 Abs. I GG soll gerade nicht das Vermögen als Ganzes und insbesondere nicht vor einer Auferlegung von Geldleistungspflichten schützen. Die vom Bundesverfassungsgericht anerkannten abweichenden Fälle, wonach ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vorliege, wenn eine Geldzahlungspflicht zu einer wirtschaftlichen Erdrosselung bzw. Knebelung des Schuldners zu fUhren droht, müssen als Ausnahmerechtsprechung angesehen werden, die zu einer Einzelfallgerechtigkeit fUhren sollte. Verallgemeinerungsfähig sind diese Entscheidungen allerdings nicht. Ob etwas anderes anzunehmen ist, wenn die Betriebsratskosten aufgrund eines schlechten Betriebsklimas zu einer Existenzgefährdung des Arbeitgebers fUhren können, bedarf dagegen einer Prüfung im Einzelfall. Als umfassende dogmatische Grundlage der Kostenverpflichtung des Arbeitgebers kann die Sozialbindung des Eigentums des Arbeitgebers an den Produktionsmitteln aber nicht angesehen werden. Auch ist der schuldrechtliche Ansatz als dogmatische Begründung wenig tragfähig. Zwar mag für die Fälle, in denen der Betriebsrat vom Arbeitgeber ausdrücklich bevollmächtigt worden ist, eine Lösung über die Stellvertretungsregelungen des Allgemeinen Teiles des Bürgerlichen Gesetzbuches möglich sein. Allerdings spricht neben den bereits vorgetragenen Argumenten gegen den schuldrechtlichen Ansatz, daß die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht im Zusammenhang mit der Einleitung von Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber nicht vorliegen. Der Arbeitgeber bringt durch seine Verteidigung in den Beschlußverfahren eindeutig zum Ausdruck, daß er nicht mit dem Handeln des Betriebspartners einverstanden ist und setzt daher

X. Zusammenfassende Würdigung

81

keinen rur die Anscheins- oder Duldungsvollmacht notwendigen Vertrauenstatbestand. Ebenfalls keine umfassende dogmatische Begründung vermag der Lösungsansatz aus anwaltlicher Sicht zu geben. Zwar stellt diese Ansicht eine konsequente Gesetzesanwendung des § 40 Abs. 1 BetrVG i.V.m. den einschlägigen Vorschriften der BRAGO dar, doch ist die Reichweite dieser Ansicht beschränkt auf den konkreten Fall der Beauftragung eines Rechtsanwaltes und die Tragung der daraus entstehenden Kosten. Eine umfassende dogmatische Begründung rur die Ausgestaltung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers vermag auch diese Ansicht nicht zu geben.

6 Müller-Boruttau

Kapitel 5

Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers Die heutige Fonn und Interpretation des § 40 Abs. 1 BetrVG stellt das Ergebnis einer mehr als hundert Jahre dauernden Rechtsentwicklung dar. Zum besseren Verständnis der heutigen Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG und der heutigen Interpretation erscheint es daher notwendig, die historischen Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers zu untersuchen und darzustellen. Untrennbar mit der Frage der Kostenverteilung nach § 40 Abs. 1 BetrVG ist die heute in § 37 Abs. 1 BetrVG enthaltene Ausgestaltung des Betriebsratsamtes als unentgeltliches Ehrenamt und das in §§ 2 Abs. 1 und 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG positivierte Postulat nach einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verbunden. Allen drei Grundsätzen des heutigen, modemen Betriebsverfassungsrechtes soll bei der historischen Untersuchung Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Rahmen der Darstellung der historischen Grundlagen ist zwischen vier Entwicklungsepochen zu unterscheiden: der Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1835 bis 1918), die Zeit der Weimarer Republik (1918 bis 1933), die national-sozialistische Zeit (1933 bis 1945) und der Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg (1945 bis heute).

I. Der Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkriegs

1. Die Epoche vor dem Deutschen Kaiserreich von 1871

Die - wenn auch sehr rudimentären - Vorläufer der heutigen Betriebsverfassung reichen bis weit in das 19. Jahrhundert zurück 1• Der liberale Staats-

I Ausführlich Teuteberg, Geschichte der Mitbestimmung in Deutschland, 1961; HuecklNipperdey, ArbR, Bd. I, §§ 2-6 und Bd. 2,2. Halbband, § 51, B; MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 289 Rdnm. 41 ff. jeweils mit weiteren umfangreichen Nachweisen.

I. Der Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkriegs

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rechtslehrer Robert von Mohl hatte 1835 erstmals den Vorschlag gemacht, eine Art von Arbeiterausschuß in den Fabriken zu bilden, dem die Kontrollfunktion bei der von ihm ebenfalls geforderten Gewinnbeteiligung der Arbeit am Kapital zufallen sollte. Hintergrund war die zügig vorangehende Industrielle Revolution in Deutschland und die damit verbundene einseitige Anhäufung von Kapital auf der Arbeitgeberseite. Diese Entwicklung sollte durch eine Interessenvertretung der Arbeitnehmer kontrolliert werden 2 • Die in der Frankfurter Paulskirche tagende verfassungsgebende Nationalversammlung von 1848 versuchte diesen Gedanken, der für den damaligen Zeitpunkt revolutionär war, in einer Gewerbeordnung umzusetzen. Grund für den beabsichtigten Erlaß dieser Gewerbeordnung war das Bestreben nach einer Verbesserung des Loses der Arbeiter. Der volkswirtschaftliche Ausschuß, vor allem unter dem Einfluß von Degenkolb, erarbeitete einen Entwurf einer Gewerbordnung, die als höchst bedeutsam rur die weitere Entwicklung der Mitbestimmung angesehen werden muß, da sie in den §§ 42 und 43 GewO erstmals Regelungen hinsichtlich der Mitbestimmung enthielt. Dabei wurde an eine konstitutionelle Vertretung der Arbeitnehmer gedacht. Die Betriebsverfassung sollte ständig organisiert werden; darüber hinaus sah § 42 GewO die Wahl eines "Fabrikausschusses" in jeder Fabrik vor. Die Mitglieder jeder selbständigen Gruppe von Fabrikarbeitern sollten je einen der ihren, sowie einen Werkmeister aus jeder Gruppe als Vertreter wählen, die dann gemeinsam mit dem Fabrikinhaber oder dessen Stellvertreter die ihnen zugemessenen Aufgaben errullen sollten. Die Befugnisse dieses Fabrikausschusses um faßten die Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, den Entwurf und die Aufrechterhaltung der besonderen Fabrikordnung, die Errichtung und Verwaltung der Krankenunterstützungskasse, die Überwachung der Fabrikkinder sowohl in sittlicher Hinsicht innerhalb des Betriebes, als auch hinsichtlich des außerbetrieblichen Schulbesuches, die Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung der Ordnung im Betrieb, bei der Lohnverarbeitung und bei der Belebung des Interesses der Arbeiter am Betrieb3 •

2 Siehe Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbm. Vor § 1 Rdnr. 5; MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 289 Rdnr. 41. 3 Verhandlungen der deutschen verfassungsgebenden Nationalversammlung, Frankfurt/Main, 1848/1849, Bd. 2, S. 921; Heuck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, § 51, B, I, 1.

84

Kap. 5: Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

Dieser Entwurf der Gewerbeordnung ist allerdings nie ins Plenum gekommen und dementsprechend auch nie Gesetz geworden.

2. Das Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891 Eine erste Kodifikation von Arbeitnehmervertretungen erfolgte durch eine Ergänzung der Reichsgewerbeordnung durch das sogenannte Arbeiterschutzgesetz vom I. Juni 1891 4 • Eigentliches Ziel dieses Arbeiterschutzgesetzes war allerdings eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und nicht die Errichtung von Arbeitnehmervertretungen. Durch den neu eingefügten § 134a RGewO wurde der Unternehmer einer Fabrik, in welcher in der Regel mindestens 20 Arbeiter beschäftigt waren, öffentlich-rechtlich verpflichtet, einseitig eine Arbeitsordnung zu erlassen 5 • Der notwendige Inhalt der Arbeitsordnungen ergab sich aus § 134b RGewO; als solcher wurden Bestimmungen über die Arbeitszeit, Zeit und Art der Abrechnung der Lohnzahlung, Kündigungsfristen, Bestimmungen über die Ordnung im Betrieb und - sofern Vertragsstrafen vorgesehen waren - Regelungen über deren Art und Höhe vorgeschrieben. In § 134b Abs. 3 Satz 2 RGewO bestand darüber hinausgehend die fakultative Möglichkeit für den Unternehmer der Fabrik, mit Zustimmung eines ständigen Arbeiterausschusses in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen, mit der Fabrik verbundenen Einrichtungen, sowie Vorschriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes aufzunehmen. Als ständige Arbeiterausschüsse im Sinne des § 134b Abs.3 RGewO wurden in § 134h RGewO nur anerkannt: die Vorstände der Betriebs- (Fabrik-) krankenkassen oder anderer, für die Arbeiter der Fabrik bestehender Kasseneinrichtungen, die Knappschaftsältesten von Knappschaftsvereinen, die bereits vor dem I. Januar 1891 errichteten ständigen Arbeiterausschüsse und solche Vertretungen, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl von den volljährigen Arbeitern der Fabrik bei der betreffenden Betriebsabteilung aus ihrer Mitte in unmittelbarer und geheimer Wahl bestimmt wurden 6 •

Das sogenannte Lex Berlepsch, RGBI. S. 262. Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. zu § I Rdnr. 6. 6 Vgl. dazu weiterführend Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. zu § 1 Rdnr. 6; HueckNipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, § 51, B, I, 2; Neumann-Duesberg, ArbR, S. 27 ff. 4

5

I. Der Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkriegs

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In dem Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891 wurde erstmalig die Verpflichtung zur Errichtung von Arbeitervertretungen normiert. Regelungen über die Kostentragungspflicht oder die Ausgestaltung des Amtes in einem Arbeiterausschuß finden sich allerdings in diesem Arbeiterschutzgesetz noch nicht.

3. Das Hilfsdienstgesetz vom 5. Dezember 1916

Zur Anpassung und Neuorganisation der Wirtschaft während des Ersten Weltkrieges? wurde in Ergänzung der Gewerbeordnung und des Arbeiterschutzgesetzes am 5. Dezember 1916 das Hilfsdienstgesetz erlassen 8 . Darin wurden die Voraussetzungen der Errichtung von Arbeiter- und Angestelltenausschüssen und deren gesetzlichen Aufgaben weiter beschrieben und festgelegt. Hinsichtlich der hier gesuchten allgemeinen Grundsätze enthielt das Hilfsdienstgesetz jedoch immer noch keine aussagekräftigen Regelungen. Nach § 11 Hilfsdienstgesetz mußten in allen fur den erforderlichen Hilfsdienst tätigen Betrieben mit mindestens 50 Arbeitern ständige Arbeiterausschüsse bestehen. Nach § 11 Abs. 3 Hilfsdienstgesetz galt das gleiche fur Betriebe mit mehr als 50 nach dem Versicherungsgesetz fur Angestellte versicherungspflichtige Angestellte. Beiden Ausschüssen oblag nach § 12 Hilfsdienstgesetz die Aufgabe, das gute Einvernehmen innerhalb der Arbeiterschaft des Betriebes und zwischen der Arbeiterschaft und dem Arbeitgeber zu fördern. Sie hatten Anträge, Wünsche und Beschwerden der Arbeiterschaft, die sich auf die Betriebsreinrichtungen, die Lohn- und sonstigen Arbeitsverhältnisse des Betriebes und seiner Wohlfahrtseinrichtungen bezogen, zur Kenntnis des Unternehmers zu bringen und sich dazu zu äußern 9 • Wesentlich für die Entwicklung der heutigen Mitbestimmung war das Hilfsdienstgesetz allerdings insoweit, daß durch dessen Erlaß der Gedanke einer Arbeitervertretung in den Betrieben und Unternehmen weiter gefestigt, bestätigt und reichsrechtlich erstmals zur gesetzlichen Pflicht gemacht wurde lO •

7 So die Beschreibung der Zielrichtung des Hilfsdienstgesetzes, wiedergegeben bei MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 289 Rdnr. 46. R RGBI. S. 1333. 9 Hueck-Nipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, § 51, B, I, 4. 10 MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 289 Rdnr. 46.

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Kap. 5: Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

11. Die Zeit der Weimarer Republik ll 1. Die Verordnung über Tarifoerträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. Dezember 1918

Die erste Regelung hinsichtlich einer Kostentragungspflicht des Arbeitgebers flir die Tätigkeit von Arbeitnehmervertretern im weitesten Sinne und der Rechtsstellung der Arbeiter- bzw. Arbeitnehmervertreter findet sich in der Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten (TVO) vom 23. Dezember 1918 12 • Diese Verordnung erweiterte die Errichtung von Arbeiter- und Angestelltenausschüssen nun auf alle Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern. Während das Hilfsdienstgesetz nur auf gewerbliche Hilfsdienstbetriebe Anwendung fand, erweiterte die TVO den Anwendungsbereich nicht nur hinsichtlich der Größe der Betriebe, sondern auch hinsichtlich der Art der von der Mitbestimmung betroffenen Einrichtungen. Nunmehr fielen sämtliche Betriebe, Verwaltungen und Büros in den Anwendungsbereich der TVO IJ .

11 Aus rechtshistorischer Sicht kann die Zeit der Weimarer Republik als Beginn des modernen Arbeitsrechtes bezeichnet werden. Die Weimarer Reichsverfassung nahm erstmals in einzelnen Artikeln (u.a. Art. 7 Nr. 9, 139, 157, 160, 162 - 163 und 165 WRV) umfassende Regelungen betreffend das Arbeitsrecht auf. Auch versprach sie in Art. 157 Abs. 2 WRV die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsrechtes. Schon 1914 wurde das Merkmal der "Abhängigkeit" als entscheidendes Merkmal zur Abgrenzung des Arbeitsrechtes und des Arbeitnehmerbegriffes entwickelt. Im Kollektiven Arbeitsrecht fanden die Koalitionen, einschließlich der Koalitionsfreiheit, der Tarifvertrag, die Arbeitnehmermitbestimmung auf Betriebs- und Unternehmensebene ihre verfassungsrechtliche Verankerung. Auch wurde 1926 die Verse1bständigung des Arbeitsrechtes durch die Errichtung der Arbeitsgerichtsbarkeit durch Gesetz vom 23. Dezember 1926 (RGBI. I, S. 507) nach außen manifestiert, vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 14 ff. zur Aufnahme des Arbeitsrechtes in die Verfassung aufgrund einer geisteswissenschaftlichen Wende der deutschen Staatsrechtslehrer und S. 1081 ff. zu den einzelnen Regelungen der Arbeits- und Sozialverfassung. Kalb, Weimarer Republik, S. 87 ff. mit Wiedergaben von Reaktionen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkoalitionen während der Weimarer Republik; grundlegend Nörr, Grundlinien, ZfA 1986, S. 403 ff. mit umfangreichen Nachweisen der zeitgenössischen Literatur und Ramm, Arbeitsverfassung, S. 225 ff. 12 RGBI. S. 1456. 13 Gesellschaftspolitischer Hintergrund dieser Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Arbeitnehmermitbestimmung war die im "Rat der Volksbeauftragten" herrschende äußerst arbeitnehmerfreundliche politische Einstellung der allesamt sozialistisch orientierten Mitglieder, Nörr, Grundlinien, ZfA 1986, S.403 (403) und der im Vordringen befindliche Rätegedanke, vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 1105 und gleich unter Kapitel 5, 11, 2, a.

11. Die Zeit der Weimarer Republik

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Diese TVO kann als Ursprung sämtlicher Betriebsverfassungen gewertet werden, da sie ein erstes umfassendes Regelungswerk darstellt l4 . So regelte sie in § II TVO die Wahl und Wahlberechtigung und bestimmte in § 13 TVO den Aufgabenbereich der Arbeiter- und Angestelltenausschüsse. Diese Ausschüsse hatten die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben, den Verwaltungen und den Büros dem Arbeitgeber gegenüber wahrzunehmen. Sie hatten auch in Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber darüber zu wachen, daß in dem Unternehmen die maßgeblichen Tarifverträge durchgeführt werden. Erstmalig wurde den Ausschüssen auch ein Mitwirkungsrecht hinsichtlich der Regelung von Löhnen und sonstigen Arbeitsbedingungen eingeräumt. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 TVO hatten die Ausschüsse oder Vertretungen im Einvernehmen mit den beteiligten wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeiter oder der Angestellten bei der Regelung der Löhne und sonstigen Arbeitsverhältnisse mitzuwirken, soweit eine tarifliche Regelung nicht bestand l5 • Auch oblag ihnen, das gute Einvernehmen innerhalb der Arbeiter- und Angestelltenschaft sowie zwischen diesen und den Arbeitgebern zu fördern. Außerdem hatten sie nach § 13 Satz 5 TVO ihr Augenmerk auf die Bekämpfung der Unfall- und Gesundheitsgefahren in dem Betrieb, der Verwaltung oder dem Büro zu richten. In § 14 TVO wurde erstmalig das Benachteiligungsverbot und das Lohnausfallprinzip bei der Tätigkeit von Ausschußmitgliedern normiert. Nach § 14 Abs. I Satz 1 TVO war es den Arbeitgebern und ihren Vertretern untersagt, ihre Arbeiter oder Angestellten in der Ausübung des Wahlrechtes bei den Wahlen zu den Arbeiter- oder Angestelltenausschüssen oder in der Übernahme oder Ausübung der Tätigkeit als Mitglied eines solchen Ausschusses zu beschränken oder sie wegen der Übernahme oder der Art der Ausübung zu benachteiligen. Versäumnis von Arbeitszeit infolge der Wahlen oder Zugehörigkeit zu den Ausschüssen durfte eine Minderung der Entlohnung nicht zur Folge haben. Zwar enthielt das Gesetz immer noch keine Regelung zur Kostentragungspflicht in dem hier untersuchten Sinne, doch finden sich in der TVO vom 23. Dezember 1918 erstmals detaillierte Regelungen hinsichtlich der RechtssteIlung der Mitglieder der Arbeiter- und Angestelltenausschüsse.

So auch Nörr, Grundlinien, ZfA 1986, S. 403 (404). Der damit zum Ausdruck kommende Tarifvorrang geht auf die Entscheidung des Verfassungsgebers in Art. 165 WRV für den Vorrang des Gewerkschafts- vor dem Räteprinzip zurück, vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 393. 14 15

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Kap. 5: Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

2. Das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 16 a) Mitbestimmung als Form der Staatsorganisation Die bis zum heutigen Tage weitreichendste Absicherung des Gedankens der Arbeitnehmermitbestimmung wurde in der Weimarer Reichsverfassung positiviert. Dort wurde die Mitbestimmung in Art. 165 Abs. 2 bis 5 WRV zum einen mit Verfassungsrang ausgestattet und zum anderen zum Teil der Staatsorganisation gemacht 17. In der Verfassungsdiskussion l8 war umstritten, ob das rudimentär vorhandene Mitbestimmungssystem ausgebaut oder ob - entsprechend den sozialistischen Vorstellungen - eine reine Räterepublik errichtet werden sollte l9 . Am Ende wurde eine "entschärfte" Räteverfassung in die Reichsverfassung aufgenommen. Die Arbeitnehmervertretungen wurden einerseits auf eine soziale und innerbetriebliche Funktion beschränkt, andererseits sollten sie aber auch als Fundament einer räteartigen Gesamtorganisation des Sozial- und Wirtschafts körpers dienen, denen eine gesellschaftliche und staatspolitische Mitbestimmungsfunktion zugedacht wurde 20 • Im Rahmen der sozialen Mitbestimmung sah die Verfassung als unterste Stufe die Betriebsräte, als mittlere Stufe die Bezirksräte und als oberste Stufe den Reichsarbeiterrat vor. Allerdings wurde nur die unterste Stufe durch das Betriebsrätegesetz vom 04. Februar 1920 verwirklicht.

b) Inhalt Das Betriebsrätegesetz enthielt genaue Regelungen zur Errichtung von Betriebsräten, zu deren Wahl und Geschäftsfiihrung und zu den Mitbestimmungsrechten. In § 35 BRG wurde erstmals das Ehrenamtprinzip eingefiihrt. Nach § 35 Satz 1 BRG verwalteten die Mitglieder der Betriebsräte und deren Stellvertreter ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Notwendige Zeitversäumnis

10 RGBI. S. 147 mit den Änderungen durch die Gesetze vom 12. Mai 1920 (RGBI. S. 961), 31. Dezember 1920 (RGBI. 1921, S. 81), 29. August 1923 (RGBI. I, S. 258), 23. Dezember 1926 (RGBI. I, S. 507) und vom 28. Februar 1928 (RGBI. I, S. 46). 17 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 1104 f.; Nörr, Grundlinien, ZfA 1986, S. 403 (407 und 409). IX Nachweise bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 1202 f. 19 Die Grundidee einer Räterepublik bestand in der Herrschaft von gewählten oder bestimmten Räten auf lokaler Ebene und damit einer Art Basisdemokratie, durch die die Trennung von Legislative und Executive aufgehoben werden sollte. 20 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 14 m.w.N. Durch diesen Komprorniß konnten die sozialistischen und damit rur die junge Demokratie gefahrlichen Strömungen kanalisiert werden und eine drohende Diktatur der Räte abgewendet werden, vgl. Nörr, Grundlinien, ZfA 1986, S. 403 (408).

II. Die Zeit der Weimarer Republik

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durfte nach § 35 Satz 2 BRG nicht eine Minderung der Entlohnung zur Folge haben. In § 36 BRG war erstmals die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers normiert. Nach § 36 Satz 1 BRG hatte der Arbeitgeber die durch die Geschäftsruhrung entstehenden notwendigen Kosten, einschließlich etwaiger Aufwandsentschädigungen zu tragen, sofern nicht durch Tarifvertrag ein anderes bestimmt ist. Auch wurde in § 36 Satz 2 BRG erstmals die Verpflichtung des Arbeitgebers normiert, rur die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsruhrung die nach Umfang und Beschaffenheit des Betriebes und der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats erforderlichen Räume und Geschäftsbedürfnisse zur VertUgung zu stellen. Im Gegensatz zur heutigen Regelung des § 40 Abs.1 BetrVG regelte § 36 BRG, daß nur die notwendigen Kosten vom Arbeitgeber zu tragen waren und dieser auch nur die erforderlichen sachlichen Mittel zur Verrugung zu stellen hatte. Ebenfalls erstmalig ist in § 37 BRG das Umlageverbot geregelt, denn die Erhebung und Leistung von Beiträgen der Arbeitnehmer rur irgendwelche Zwecke der Betriebsvertretungen wurde als unzulässig erachtet.

c) Ausgewählte Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht nach § 36 Abs. I BRG Das Reichsarbeitsgericht hatte sich in der Folgezeit einige Male mit dieser Regelung zu befassen. Bereits in einer der ersten Entscheidungen des RAG vom 13.04.192921 zu den Voraussetzungen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 36 BRG 1920 mußte der Betriebsrat stets bedacht sein, bei der Aufwendung von Kosten rur die rechtliche Vertretung auch die Interessen des Arbeitgebers im Auge zu behalten. Es waren deshalb die Kosten so niedrig zu halten, wie es mit einer pflicht- und ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben vereinbar war. War die anwaltliche Vertretung aus rein willkürlichen Gründen oder aus einer Handlungsweise heraus gewählt worden, die der eines vernünftig urteilenden Menschen widersprochen hatte, so waren die Kosten der anwaltlichen Verfahrensvertretung nicht vom Arbeitgeber zu tragen. In der Folgezeit hat das Reichsarbeitsgericht den Begriff der Notwendigkeit der Kosten immer näher präzisiert. In seiner Entscheidung vom 20.12.1930 22 wurde erstmals die Notwendigkeit dahingehend konkretisiert, daß nur solche Kosten notwendig und vom Arbeitgeber zu tragen seien, die zu einer zweckentsprechenden Wahrnehmung der Rechte als erforderlich oder jedenfalls bei ru-

21 22

RAG ARS 6, S. 187 (191). RAG ARS 10, S. 497 ff.

90

Kap. 5: Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

higer und vernünftiger Würdigung als zur zweckentsprechenden Wahrnehmung der Rechte erforderlich angesehen werden durften. Eine weitere Präzisierung erfolgte in der Entscheidung des RAG vom 04.02.1931 23 • Danach hatte der Betriebsrat bei der Feststellung der Notwendigkeit der kosten verursachenden Maßnahmen so vorzugehen, wie es zur Rechtswahrung objektiv erforderlich war oder wie es bei ruhiger und vernünftiger Betrachtung der streitenden Parteien oder einer pflichtbewußten Verwaltung fremden Gutes erforderlich erscheinen konnte. Es durften dementsprechend Rechtsmittel, die der Betriebsvertretung bei verständiger Prüfung als aussichtslos erscheinen mußten, nicht eingelegt werden. In der Entscheidung vom 14.11.1931 24 hatte sich das Reichsarbeitsgericht mit der Frage zu beschäftigen, wann Rechtsanwaltsgebühren notwendige Geschäftskosten im Sinne des § 36 Abs. 1 BRG waren und unter weIchen Voraussetzungen der Arbeiterrat feststellen lassen konnte, ob die Rechtsanwaltsgebühren notwendige Geschäftskosten waren. Nach dieser Entscheidung hatte der Betriebsrat in vollem Umfang die Beweislast dafür, daß die Einlegung der Rechtsmittel objektiv erforderlich war oder zumindest ohne Verschulden davon ausgehen durfte, daß die Rechtsmittel Erfolg haben würden. Auch in dieser Entscheidung wurde auf dieselbe Definition der Voraussetzungen der Kostentragungspflicht zurückgegriffen. Diejenigen Kosten waren notwendig, die "zu einer zweckentsprechenden Wahrnehmung der Rechte erforderlich oder jedenfalls von der Partei bei ruhiger und vernünftiger Würdigung als zur entsprechenden Wahrnehmung der Rechte erforderlich angesehen werden durften". Die Rechtsbeschwerde wurde in diesem Fall vom Senat allerdings zurückgewiesen, da das Arbeitsgericht nicht geprüft hatte, ob bei objektiver Betrachtung die Einlegung der Beschwerde durch den Betriebsrat eine sachgemäße Rechtsverfolgung gewesen war. Die Antragsgegnerin hatte ausdrücklich geltend gemacht, daß die Berufung völlig aussichtslos gewesen war, zum al bei der Zahlungsklage die vorgesehenen Fristen nicht eingehalten worden waren.

IH. Die nationalsozialistische Zeit

Einen Rückschlag in der Entwicklung der Arbeitnehmervertretung stellte das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. Januar 1934 dar 5 •

23 RAG ARS 11, S. 269 ff. und auch die Beschlüsse vom 29. Mai 1929 (ARS 10, S. 14 ff.) und vom 20. Dezember 1930 (ARS 10, S. 497 ff.). 24 RAG ARS 13, S. 503 ff. 25 RGBI. I, S. 45.

IV. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD

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Dieses Gesetz setzte das BRG von 1920 außer Kraft und führte statt dessen das staatstragende Führerprinzip auch in den Betrieben und Fabriken ein. Die Entscheidung in betrieblichen Angelegenheiten wurde dem Betriebsführer übertragen. An die Stelle der Betriebsräte traten Vertrauensräte, die nach § 5 AOG nur eine Beratungsfunktion hatten und ab 1935 nicht mehr gewählt, sondern vom Reichstreuhänder bestellt wurden26 . Nach § I AOG arbeitete der Unternehmer als Führer des Betriebes, die Angestellten und Arbeiter als Gefolgschaft gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat zusammen. Während das System der Arbeitnehmervertretung durch das AOG grundlegend geändert wurde 27 , wurden jedoch die Prinzipien für die Geschäftsführung und die Kostentragungspflicht durch die Vertrauensräte vom BRG 1920 übernommen und weitergeführt. Nach § 13 Abs. I AOG war das Amt der Vertrauensmänner ein Ehrenamt. Auch regelte § 13 Abs. 1 Satz 2 AOG, daß fur den durch die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Ausfall von Arbeitszeit der übliche Lohn zu zahlen war. Hinsichtlich der Kostenerstattung für die Vertrauensrätetätigkeit regelte § 13 Abs. 1 Satz 3 AOG, daß notwendige Aufwendungen von der Betriebsleitung zu erstatten waren. Auch hier wurde also wiederum von den notwendigen Aufwendungen der Vertrauensrätetätigkeit gesprochen. Entscheidungen hinsichtlich der Anwaltskosten sind aus diesem Zeitraum soweit ersichtlich - nicht bekannt, doch werden aufgrund des gleichen Gesetzeswortlauts im Vergleich zu § 36 Abs. 1 BRG 1920 die gleichen Grundsätze auch hier Anwendung gefunden haben.

IV. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland 1. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. April 1946

Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde durch den Kontrollrat mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. April 194628 die Möglichkeit zur Wahl von Betriebsräten eröffnet. Damit war die erste Grundlage für eine Beteiligung der Arbeitnehmerschaft nach dem Kriege innerhalb der Betriebsverfassung geregelt. Dieses Kontrollratsgesetz galt zwar für ganz Deutschland, war aber nur ein Rahmengesetz, so daß die Rechtseinheit auf dem Gebiet der Betriebsverfassung nicht gewahrt werden konnte 29 • In den westlichen Zonen entwickeln sich Rüthers, AuR 1970, S. 97 ff.; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2, § 51, B, 5. Vgl. Rüthers, AuR 1970, S. 97 ff. 2K AmtsBI. des Kontrollrates 1946, Nr. 6, S. 133. 29 Das Gesetz enthielt nur die wichtigsten Vorschriften hinsichtlich der Bildung eines Betriebsrats nach demokratischen Grundsätzen und umschrieb die Aufgaben und Be26

27

92

Kap. 5: Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

teilweise eigene Landesbetriebsverfassungsgesetze 3o • Dies ruhrte zu einer erheblichen Rechtszersplitterung und der Forderung nach einer Vereinheitlichung der Arbeitnehmervertretungen und der Mitwirkung im weiteren Sinne auf Betriebsebene.

2. Das Betriebsverfassungsgesetz 1952

a) Inhalt Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und Einruhrung des Artikel 74 Nr. 12 GG in das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 machte der Bundesgesetzgeber im Jahre 1952 von der Gesetzgebungskompetenz rur Arbeitssachen Gebrauch und erließ das Betriebsverfassungsgesetz 1952 vom 11. Oktober 1952 31 • Das Betriebsverfassungsgesetz 1952 unterschied sich vom BRG 1920 insbesondere dadurch, daß es weder einen Errichtungszwang noch einen Regelungszwang kannte, darur aber die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat betont32 • Darüber hinaus hatte es die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in sozialen und personellen Angelegenheiten erheblich erweitert. Es ist desweiteren gekennzeichnet durch die Unabhängigkeit der Betriebspartner voneinander, durch den Ausbau der betrieblichen Rechtssetzung und durch die Betonung der gegenseitigen Friedenspflicht und die Forderung nach einer betrieblichen Partnerschaft33 • Das Betriebsverfassungsgesetz 1952 ordnete die Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamtes in § 37 BetrVG 1952 an. Die zentralen Normen der Kostentragung stellten die §§ 39, 40 BetrVG 1952 dar. Nach § 39 Abs. 1 BetrVG 1952 hatte der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Ko-

fugnisse, den Schutz der Betriebsratsmitglieder sowie die Verpflichtung dieser Organe, ihre Aufgaben in Zusammenarbeit mit den anerkannten Gewerkschaften durchzuführen. 30 V gl. die Auflistung bei Hueck-Nipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, § 51, B, III, 2. Im Freistaat Bayern wurde durch Gesetz vom 25. Oktober 1950 (GVBI. S. 227) und vom 6. Dezember 1946 (GVBI. 1947, S. 86) ein Landesbetriebsverfassungsgesetz und eine Wahlordnung erlassen. 31 BGBI. 1., S. 681; vgl. zur Entstehung und Gesetzgebungsverfahren Hueck-Nipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, B, IV, I und den Entwurf der CDU-Fraktion für ein Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (BT-Drucks. 11970 = RdA 1950, S.224 ff.), den Entwurf der SPD-Fraktion für ein Gesetz der Neuordnung der Wirtschaft (BT-Drucks. 1/1229 = RdA 1950, S. 227 ff.) sowie die Gesetzesvorlage der BReg für ein Gesetz über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben vom 31. Oktober 1950 (BT-Drucks. 1/1546 = RdA 1950, S. 343 ff. und 375 ff.). 32 MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 289 Rdnr. 52. 33 V Hoyningen-Huene, BetrVG, § 2, I, d.

IV. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD

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sten zu tragen. Im Gegensatz zu den Vorläufern, insbesondere zu dem BRG 1920, wurde erstmals nicht mehr die Einschränkung vorgenommen, daß nur die notwendigen Kosten vom Arbeitgeber zu tragen waren, sondern es wurde normiert, daß allgemein und alle Kosten vom Arbeitgeber zu tragen seien.

b) Beispiele aus der Rechtsprechung Das Bundesarbeitsgeriche 4 war sich aber bewußt, daß eine generelle und allgemeine Kostentragung nicht mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes zu vereinbaren sei. Daher konkretisierte es unter Heranziehung des Maßstabes des § 37 Abs. 2 BetrVG 1952, wonach Versäumnis von Arbeitszeit, die nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchfiihrung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgeltes berechtigte35 , den § 39 Abs. 1 BetrVG 1952. Danach waren im Rahmen des § 39 Abs. 1 BetrVG 1952 nur solche Auslagen erstattungsfähig, die der Betriebsrat im Hinblick auf seine Aufgaben bei vernünftiger eingehender Überlegung und Würdigung aller Umstände fiir notwendig halten durfte 36 . In einem Beschluß vom 12.02.1965 37 , in dem Streitgegenstand die Kostenerstattung eines Rechtsanwaltshonorars war, das zur Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats bei der Stillegung eines Betriebes und nachfolgendem Liquidationsvergleich entstanden war, fiihrte das Bundesarbeitsgericht aus, daß der Betriebsrat wegen seiner Tätigkeit gern. § 53 Abs. 2 BetrVG 1952 nicht benachteiligt werden dürfe. Die Tragung der notwendigen Kosten des Betriebsrats solle deshalb allein dem Arbeitgeber § 39 Abs. 1 BetrVG 1952 obliegen. Die Erhebung und Leistung von Beiträgen der Arbeitnehmer für Zwecke des Betriebsrats war nach § 40 BetrVG 1952 unzulässig. Es hätte daher eine Benachteiligung der Betriebsratsmitglieder bedeutet, wenn diese letzten Endes die von ihnen in zulässiger Weise eingegangenen Verpflichtungen, wenn auch nur teilweise, tragen müßten. Die notwendigen Kosten mußte daher der Arbeitgeber tragen 38 •

34 BAGE 19, S. 314 ff. = AP Nr. 7 zu § 39 BetrVG 1952 und AP Nr. 8 zu § 39 BetrVG 1952. 35 BAGE 4, S. 75 = AP Nr. 4 zu § 37 BetrVG 1952. 36 BAG AP Nr. 7 BI. 2 R zu § 39 BetrVG 1952 und Nr. 8 BI. 1 R zu § 39 BetrVG 1952. 37 BAG AP Nr. 1 zu 39 BetrVG 1952. 38 BAG AP Nr. 7 BI. 2 R f. zu § 39 BetrVG 1952 und AP Nr. 8 BI. 2 zu § 39 BetrVG 1952.

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Kap. 5: Historische Grundlagen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers

3. Das Betriebsverfassungsgesetz 1972

Als bisheriger Endpunkt und umfangreichste Regelung der Arbeitnehmermitwirkung auf betrieblicher Ebene wurde am 15. Januar 1972 das Betriebsverfassungsgesetz 1972 erlassen 39 • Nie zuvor gab es in den vorgenannten Vorläufern des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 eine solche Regelungsdichte bei der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben40 • Das Betriebsverfassungsgesetz 1972 geht in § 37 Abs. 1 BetrVG wieder von dem Betriebsratsamt als Ehrenamt aus und bürdet in § 40 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG dem Arbeitgeber sowohl die Tragung der Kosten rur durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten, als auch rur die sachlichen Kosten auf. Nach § 41 BetrVG ist es dem Arbeitgeber wiederum untersagt, durch Erhebung von Beiträgen die Arbeitnehmermitbestimmung zu finanzieren. Ebenso wie dessen Vorgängervorschrift im Betriebsverfassungsgesetz 1952 ordnet § 40 Abs. I BetrVG 1972 an, daß die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten der Arbeitgeber zu tragen hat. Aber auch hier findet sich keine Einschränkung im Gesetzeswortlaut auf die Erforderlichkeit oder Notwendigkeit der verursachten Kosten. Aber auch ohne die Einschränkung ist - wie noch darzustellen sein wird - in der Rechtsprechung und im Schrifttum alIgemein anerkannt, daß der Arbeitgeber nur die Kosten der Betriebsratstätigkeit zu übernehmen hat, die durch eine sachgerechte ErrulIung der Betriebsaufgaben notwendigerweise verursacht worden sind. Diese Beschränkung kann, wie bereits dargestellt wurde, historisch gesehen aus § 36 Abs. I BRG und dessen Wortlaut abgeleitet werden. In der entsprechenden Bestimmung des § 39 Abs. I BetrVG 1952 war die Beschränkung allerdings ebenfalls nicht mehr enthalten. Die Gründe rur die Fortlassung sind nicht mehr einwandfrei festzustellen. § 241 des Entwurfes der Bundesregierung4 \ rur ein Gesetz über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den 39 BGBI. I, S. 13, ergänzt u.a. durch Gesetz vom 18. Januar 1974 (BGBI. I, S. 85) durch Einführung von § 78a BetrVG, durch Art. 2 BSchFG 1985 vom 26.April 1985 (BGBI. I, S. 710) durch Einführung des § 112a BetrVG; modifiziert in §§ 60 ff. BetrVG durch Gesetz vom 13. August 1988 (BGBI. I, S. 1034); ergänzt durch das Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellte (SprAuG) vom 20. Dezember 1988 (BGBI. I, S. 2312) und neu bekanntgemacht durch Art. 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBI. I, S. 2312); zuletzt geändert in § 113 Abs. 3 BetrVG durch das arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBI. I, S. 1476). Zur Anwendung im Bereich der Deutschen Bahn AG und den Nachfolgeuntemehmen der Bundespost wie der Deutschen Post AG siehe FittinglKaiseriHeitherlEngels, BetrVG, Einl. S. 69 ff. 41l Zur Entstehung und Gesetzgebungsverfahren, FittinglKaiserlHeitheriEngels, BetrVG, Einl., S. 67 f. und insbesondere den Regierungsentwurf eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes vom 29. Januar 1971 (BT -Drucks. VI/1786) und den Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion vom 8. Februar 1971 (BT-Drucks. VIII806). 4\ BT-Drucks. VII 1786.

IV. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in der BRD

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Betrieben hatte vorgesehen, den Begriff der Notwendigkeit zu übernehmen. In der Fassung des Gesetzentwurfes der Ausschüsse filr Arbeits- und Wirtschaftspolitik des Deutschen Bundestages ist der Begriff jedoch nicht enthalten. Eine Begründung hierfilr wurde nicht gegeben. Aus dem Fehlen der Hinweise auf eine Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf wird man schließen müssen, daß eine sachliche Änderung nicht gewollt war; ansonsten wäre es zu einer Diskussion gekommen42 •

42 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 128, Fußn. 18; Dütz/Säcker DB 1972 Beilage 17 S. 2 (3).

Kapite/6

Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden unmittelbaren Kosten der Mitbestimmung aufBetriebsebene Das Bundesarbeitsgericht macht den Anspruch auf KostenfreisteIlung oder Kostenerstattung von drei kumulativen Anspruchsvoraussetzungen abhängig '. Zunächst verlangt es, daß die Kosten durch eine Tätigkeit entstanden sind, die im Aufgabenbereich des Betriebsrats lag. In einem weiteren Schritt prüft es, ob die Kosten erforderlich waren. Im Anschluß daran unterzieht das Bundesarbeitsgericht die durch Tätigkeiten im Aufgabenbereich entstandenen und darüber hinaus erforderlichen Kosten einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dieser klaren Gliederung der materiellen Voraussetzungen folgend 2 , werden nun die Voraussetzungen für eine arbeitgeberseitige Kostentragungspflicht für die Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats oder eines Mitglieds des Betriebsrats dargestellt.

1 BAG NZA 1995, s. 961 (961), NZA 1993, S. 220 (221) zur Entgeltfortzahlungspflicht für die Betriebsratstätigkeit im Rahmen von § 37 Abs. 2 BetrVG; BAG AP Nr. 9 BI. 2, Nr. 35 BI. I R zu § 37 BetrVG 1972, AP Nr. 3 zu § 40 BetrVG 1972, aus neuerer Zeit NZA 1995, S. 382 (383), NZA 1995, S. l216 (1217) zur Kostentragung für Schulungsveranstaltungen i.S.v. § 37 VI BetrVG. Bei diesen vertritt das BAG auch aus koalitionspolitischen Gründen die Ansicht, daß eine veranstaltende Gewerkschaft keinen Gewinn aus der Veranstaltung ziehen darf vgl. auch Bakker Anm. zu BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 75 S. 7 ff. BAG AP Nr. 18 BI. 2, Nr. 28 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972, NZA 1995, S. 1216 (\217), NZA 1996, S. 442 (443) zur al1gemeinen Kostentragungspflicht im Rahmen von § 40 Abs. I BetrVG und BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 73 S.2 und NZA 1995, S.591 (592) zur Kostentragung für sachliche Mittel im Rahmen von § 40 Abs. 2 BetrVG. 2 Diese ist auch in der Literatur anerkannt, vgl. für § 40 Abs. I BetrVG DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 15 ff., FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 40 Rdnr 5 ff., Ga/perin/Löwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 6, G/aubitz, in: HessiSchlochauerl Glaubitz, BertVG, § 40 Rdnm. 7 ff., MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 301 Rdnm. 2-4, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnm. 9 ff.; für § 37 VI BetrVG die ebengenannten und Loritz, NZA 1993, S. 2 ff. und Schiefer NZA 1995, S. 454 ff., zusammenfassend zuletzt Ehrich/Hoß NZA 1996, S. 1075 ff.

I. Aufgabenbereich der Mitbestimmungsorgane

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I. Aufgabenbereich der Mitbestimmungsorgane 1. Grundsatz

Die Aufgabenbezogenheit der Betriebsratstätigkeit als allgemeine Voraussetzung rur die Kostentragung durch den Arbeitgeber ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Kostennonnen des Betriebsverfassungsgesetzes. So hat der Arbeitgeber nach §§ 40 Abs. 1 und 37 Abs. 2 BetrVG nur die Kosten zu übernehmen, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats verursacht werden oder "nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchruhrung" der Betriebsratsaufgaben erforderlich sind. Als aufgabenbezogen wird dabei jede "sinnvolle, auf die sachgerechte Gestaltung und Verwirklichung der Aufgaben gerichtete Betätigung" verstanden, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat, den Betriebsratsmitgliedern oder einem anderen betriebsverfassungsrechtlichen Organ obliege. Der Aufgabenbereich wird damit zunächst bestimmt durch die dem Betriebsrat als Organ oder den Mitgliedern des Betriebsrats im Betriebsverfassungsgesetz explizit übertragenen Amtsobliegenheiten und Befugnisse. Hierzu zählen zum Beispiel die gesetzlich geregelten Aufgaben der Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats oder der Betriebsausschüsse nach § 30 BetrVG\ die Durchruhrung von Sprechstunden des Betriebsrats nach § 39 BetrVG 5 , die Teilnahme an der Sitzung des Gesamtbetriebsrats jeweils einschließlich der erforderlichen Vorbereitungen nach § 51 Abs. 1 i.V.m. § 30 BetrVG 6, die Beteiligung bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes, die Teilnahme an Besprechungen mit den Sicherheitsbeauftragten nach § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG7, Verhandlungen oder Besprechungen mit dem Arbeitgeber Z.B. nach § 99 Abs. I BetrVG bei personellen Maßnahrnen 8, der Besuch einer zum Betrieb gehören-

3 BAG schon in AP Nr. 2 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972; siehe auch die Auflistung der Aufgaben und Befugnisse bei Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 23. 4 BAG AP Nr. 11 BI. 2 zu § 37 BetrVG 1972, AP Nr. I BI. 2 zu § 51 BetrVG 1972; zu Einzelheiten hinsichtlich zulässiger Häufigkeit, Dauer, zeitlicher Lage Wiese, in: GK-BetrVG, § 30 Rdnrn. 5 ff., insb. Rdnrn. 8 und 12 m.w.N. 5 BAG AP Nr. 7 zu § 83 ArbGG 1953; Einzelheiten zum Gegenstand, Abhaltung, Zeit und Ort Wiese, in: GK-BetrVG, § 39 Rdnrn. 7 ff. m.w.N. 6 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 51 Rdnr. I und Wiese, in: GK-BetrVG, § 30 Rdnr. 12 m.w.N. 7 Kraft, in: GK-BetrVG, § 80 Rdnrn. II und 27 m.w.N, Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 23. K Kraft, in: GK-BetrVG, § 99 Rdnr. 80 ff.

7 Müller·Boruttau

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

den auswärtigen Betriebsstätte9, die Erfiillung der allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 BetrVG IO , wozu auch das Aufsuchen der Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz gehören kann, die Teilnahme als Beteiligter am arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren 11 , die Teilnahme an Verfahren der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 2 BetrVG, ferner der Besuch von Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG 12 . Aus neuerer Zeit ist auch zu denken an die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Einrichtung und der Tätigkeit von europäischen Betriebsräten, die in grenzüberschreitend tätigen Unternehmen nach dem Europäischen Betriebsräte-Gesetz (EBRG) vom 28.10.1996 13 ab dem 1.11.1996 errichtet werden können. Unerheblich ist, ob die Durchfiihrung dieser Aufgaben innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit erfolgtJ4. Zwar wird die Tätigkeit des Betriebsrats regelmäßig innerhalb des Betriebes stattfinden, jedoch gilt das nicht uneingeschränkt. So können zum Beispiel Verhandlungen mit Behörden, etwa dem Gewerbeaufsichtsamt oder den Berufsgenossenschaften im Rahmen der Durchfiihrung des Arbeitsschutzes oder dem Arbeitsamt bei drohenden Massenentlassungen oder drohender Kurzarbeit als Tätigkeiten in Betracht kommen, die außerhalb des Betriebes zu erledigen sind. Nicht hingegen zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört die Teilnahme an Veranstaltungen rein gewerkschaftlichen Charakters J5 , die parteipolitische Be-

9 Kraft, in: GK-BetrVG, § 4 Rdnr. 53; nach BAG AP Nr. 3 zu § 42 BetrVG gilt dies Recht wegen des Territorialitätsprinzipes nicht für den Besuch von im Ausland gelegenen Betriebsstätten, auf die nach den Grundsätzen der Ausstrahlung das BetrVG Anwendung findet. In Kraft, in: GK-BetrVG, § 80 Rdnm. 9 ff. m.w.N. 11 Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG hat der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats die generelle Befugnis, seine Rechte auch gerichtlich geltend zu machen AP Nr. 14 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972; nur eingeschränkt zulässig ist die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds als Zuhörer von Gerichtsverhandlungen, BAG AP Nr. 44 BI. 2 zu § 37 BetrVG 1972, vgl. zur nicht zum Aufgabenbereich gehörenden Teilnahme an Gerichtsverhandlungen, Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 27. 12 V gl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 132 ff. und Loritz NZA 1993, S. 2 (2). 13 BGBI I, S. 1548; siehe dazu Deppe, Euro-Betriebsräte, S.23 ff.; Fitting/Kaiser! Heither/Engels. BetrVG, § 37 Rdnr. 24, Gaul, NJW 1995, S. 228 ff., Goos, NZA 1994, S. 776 ff., Rademacher, Europäischer Betriebsrat, 1996, Schmidt, NZA 1997, S. 180, insb. 182 f. 14 Der Betriebsrat hat bei sämtlichen Tätigkeiten die betrieblichen Belange und Notwendigkeiten zu berücksichtigen, so daß es betriebsbedingt sein kann, die Tätigkeit auch außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen, vgl. beispielshaft Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 30 Rdnm. 4 und 8 und § 39 Rdnm. 10 und 12, Wiese, in: GKBetrVG, § 37 Rdnr. 24. 15 Zur Abgrenzung siehe Fitting/Kaiser/Heither!Engels, BetrVG, § 74 Rdnm. 57 ff., Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 29.

I. Aufgabenbereich der Mitbestimmungsorgane

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tätigung l6 und die Initiierung und Durchfuhrung von Arbeitskämpfen 17 • Nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört es ferner, Betriebsangehörige in deren Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht zu vertreten l8 oder die einzelnen Arbeitnehmer in ihren individuellen Angelegenheiten, etwa steuerlicher- oder sozialversicherungsrechtlicher Art, zu beraten l9 •

2. Probleme der Gesetzesanwendung am Beispiel der Anwaltskosten

Das Betriebsverfassungsgesetz überträgt in keiner Norm dem Betriebsrat oder den Mitgliedern des Betriebsrats explizit die Aufgabe, Rechtsstreitigkeiten gegen den Arbeitgeber zu fuhren. Doch ist unstreitig, daß sowohl der Betriebsrat als auch die Mitglieder des Betriebsrats seine bzw. ihre Rechte gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen können. Darüber hinaus steht dem Betriebsrat auch die Befugnis zu, ihn betreffende betriebsverfassungsrechtliche Fragen durch die Arbeitsgerichte klären zu lassen2o • Die als entscheidend anzusehende Frage ist somit, ob der Betriebsrat bzw. ein Mitglied auch dann noch innerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereiches handelt, wenn sie ein Verfahren gegen den Arbeitgeber betreiben und sich in diesem Verfahren durch einen Rechtsanwalt oder eine dazu geeignete Vereinigung rechtlich beraten oder vertreten lassen. Zur Beurteilung, ob es sich bei Rechtsstreitigkeiten um eine Betriebsratstätigkeit handelt, muß mangels einer gesetzlichen Regelung auf weitere Kriterien zurückgegriffen werden.

16 Vgl. § 74 Abs. 2 S. 3 BetrVG und Wiese, in: GK-BetrVG, § 74 Rdnrn. 95 ff., insb. die Nachw. der Rechtsprechung in Rdnr. 98, ausführlich Buchner, Meinungsfreiheit, ZfA 1982, S.49 (60 ff.), Müller-Boruttau, Presseerklärungen des Betriebsrats, NZA 1996, S. 1071 ff. 17 Vgl. § 74 Abs. 3 BetrVG, wonach allerdings die koalitionspolitische Betätigung des Arbeitnehmers Betriebsratmitglied unberührt bleiben soll, daher zur Abgrenzung siehe FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 74 Rdnrn. 57. 18 Vgl. DietzlRichardi, BetrVG, § 80 Rdnr. 15, Kraft, in: GK-BetrVG, § I Rdnrn. 48 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 25 m.w.N.; zwar ist umstritten, ob der Betriebsrat als Repräsentant der Arbeitnehmer, Organ des Betriebes oder gesetzlicher Vertreter der Belegschaft angesehen werden kann, vgl. DietzlRichardi, BetrVG, § I Rdnr. 14, doch besteht insoweit Einigkeit, daß eine Prozeßstandschaft abgelehnt wird. 19 Wiese, in: GK-BetrVG, § 39 Rdnr. 7. 2U Grundlegend BAG AP Nr. 14 BI. 2 R f zu § 40 BetrVG 1972, Nr. 31 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972, NZA 1992, S. 41 (41); DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 13, FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 14, Wiese, in: GK-BetrVG § 40 Rdnr.40.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

a) Tätigkeit des Betriebsrats Zu differenzieren ist im folgenden zwischen der rechtlichen Beratung des Organes Betriebsrat und der rechtlichen Beratung von einzelnen Mitgliedern des Organes Betriebsrat.

aa) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung durch den Betriebsrat im Interesse des Betriebsrats

Einigkeit besteht darüber, daß eine rechtliche Beratung oder Vertretung der Gesamtheit des Betriebsrats als Organ stets dann in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fällt, wenn der Gegenstand der Beratung oder Vertretung selbst wieder im Rahmen des Aufgabenbereiches liege l . Zu Recht wird argumentiert, daß die Aufgabeneröffnungen durch Normierung der Amtsobliegenheiten des Betriebsrats als Organ eine leere Hülse darstellen würde, wenn er sich nicht über seine Aufgaben, Rechte und Pflichten auch beraten lassen und diese gegebenenfalls auch gerichtlich feststellen lassen könnte22 •

bb) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung durch den Betriebsrat im Interesse einzelner Arbeitnehmer

Dient die rechtliche Beratung oder Vertretung hingegen ausschließlich dem Interesse bestimmter einzelner Belegschaftsmitglieder, so liegt diese in der Regel nicht im Aufgabenbereich des Betriebsrats23 • Der Betriebsrat hat nämlich nur darüber zu wachen, daß die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen und Richtlinien durchgeführt und eingehalten werden (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

21 Für die Rechtsprechung siehe BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 52 = OB 1983, S. 665 (666); stellvertretend für die Literatur siehe Glaubitz, in: Hess/Schlochauerl Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 16, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40, Rdnm. 27 und 40. 22 BAG AP Nr. 14 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972; unerheblich ist es dabei zwischen welchen betriebsverfassungsrechtlichen Organen das Verfahren geführt wird, ob zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, zwischen dem Betriebsrat und einem anderen Organ (z.B: Gesamt- oder Konzembetriebsrat), zwischen Betriebsrat und einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (z.B. bei einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG oder Auflösungsantrag nach § 23 Abs. I BetrVG) oder zwischen dem Betriebsrat und einem Mitglied, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 42. 23 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 84.

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Aus dieser Überwachungsaufgabe kann jedoch nicht auf eine generelle Beratungs- und Vertretungsaufgabe in individuellen Rechtsstreitigkeiten gefolgert werden 24 . Ebensowenig kann es Aufgabe des Betriebsrats sein, die Arbeitnehmer des Betriebes allgemein in Rechtsfragen zu beraten oder gerichtlich zu vertreten. Aufgabe ist und bleibt die Wahrnehmung der kollektiv ideellen Interessen, nicht jedoch die Vertretung des einzelnen Arbeitnehmers im Rahmen einer gesetzlichen oder gewillkürten Prozeßstandschaft25 • Das folgt schon aus der Funktion des Betriebsrats als Organ des Betriebes. Ihm fehlen von der Konzeption des Gesetzes her die hierrur erforderlichen Kenntnisse und vor allem die notwendige Ausbildung zum Rechtsbeistand26 • Zwar ist der Betriebsrat Vertreter der Arbeitnehmer, aber dies gilt nur hinsichtlich der Interessenwahrnehmung dem Arbeitgeber gegenüber 7. Der Ausschluß der Befugnis zu einer individuellen Beratung oder gerichtlichen Vertretung folgt ferner aus dem Sinn und Zweck der Überwachungs aufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Überwachung kann hier nur bedeuten, daß Verstöße gegen die genannten Vorschriften ermittelt und dem Arbeitgeber als Betriebsverfassungsorgan mitgeteilt werden 28 • Der in der Vorschrift enthaltene Ermittlungsauftrag erschöpft sich aber in den tatsächlichen Ermittlungen und verleiht dem Betriebsrat nicht die Befugnis, auch festgestellte Verstöße gerichtlich rur die Arbeitnehmer in deren Vertretung geltend zu machen 29 • Da die tatsächlichen Ermittlungen gelegentlich entsprechende Rechtskenntnisse voraussetzen, die dem Betriebsrat u.u. fehlen, können auch Personen mit den notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Kenntnissen im Rahmen des § 80 Abs. 3 BetrVG und damit auch Anwälte ausgewählt und zur Unterstützung des Betriebsrats zu tatsächlichen und rechtlichen Fragen als Sachverständige herangezogen werden 30 • Diese Sachverständigen beraten aber nur den Betriebsrat, Kraft, in: GK-BetrVG, § 80 Rdnrn. 23 f. BAG in BAGE 22, S. 448 (457); Dietz/Richardi, BetrVG, § 1 Rdnr. 23; siehe die gesetzlich vorgesehene Ausnahme in § 138 KO, wonach der Betriebsrat Sozialplanan24

25

sprüche der Arbeitnehmer im Konkursverfahren anmelden kann. 26 BAG AP Nr. 5 zu § 80 BetrVG 1972 = EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 19. 27 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 84. 2K Kraft, in: GK-BetrVG, § 80 Rdnr. 27. 29 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 84, Kraft, in: GKBetrVG, § 80 Rdnr. 28; es ist vielmehr eine eigene Angelegenheit der Arbeitnehmer, die ihnen zustehenden Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, vgl. BAG AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972 und AP Nr. 28 zu § 80 BetrVG = EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 29. 30 Im Gegensatz zu § 40 Abs. 1 BetrVG ist hier allerdings nach § 80 Abs. 3 BetrVG eine vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber hinsichtlich der Zuziehung eines Sachverständigen zu treffen, Wolfgang Blomeyer Anm. zu BAG EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 15.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

der aufgrund dieser Beratung gegebenenfalls Schritte gegen den Arbeitgeber einleitet oder die betroffenen Arbeitnehmer verständigt. Nicht inbegriffen ist aber die Rechtsberatung der betroffenen Arbeitnehmer oder die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer vor Gericht durch den Betriebsrat selbst. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Kosten, die dem Betriebsrat infolge der individuellen Rechtsberatung einzelner Arbeitnehmer durch einen Anwalt entstehen, nicht aufgabenbezogen sind. Hat sich der Betriebsrat als Organ hingegen über seine eigene Mitwirkungs- und Überwachungstätigkeit von einem Anwalt informieren lassen und verfolgt er diese gerichtlich, so liegen die entstandenen Kosten im Aufgabenbereich des Betriebsrats und sind demnach durch den Arbeitgeber - allerdings über § 80 Abs. 3 BetrVG und nach den dazu entwickelten Grundsätzen - zu erstatten.

b) Tätigkeit einzelner Mitglieder des Betriebsrats Differenzierter ist hingegen die Frage zu beantworten, ob eine Rechtsberatung und gerichtliche Geltendmachung von Rechten in den Aufgabenbereich eines einzelnen Mitglieds des Betriebsrats flillt, wenn diese von einem einzelnen Betriebsratsmitglied in Anspruch genommen wird. Grundsätzlich gilt zwar auch hier, daß nicht nur der Betriebsrat als Organ, sondern auch einzelne Betriebsratsmitglieder für Aufwendungen aus der Betriebsratstätigkeit nach § 40 Abs. I BetrVG vom Arbeitgeber Ersatz verlangen können 3 !. Allerdings greift auch hier der allgemeine Grundsatz, daß die Aufwendung mit der Amtsausübung des einzelnen Betriebsratsmitglied in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen muß 32 • Bei der Beratung und Vertretung einzelner Betriebsratsmitglieder sind grundsätzlich zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Das einzelne Betriebsratsmitglied kann entweder nach entsprechendem Beschluß gern. § 33 BetrVG als Vertreter des Betriebsrats und damit für den Betriebsrat tätig werden oder zum anderen eigenständig seine eigenen Rechte geltend machen. Handelt das Betriebsratsmitglied im ersten Fall als Vertreter des Organs Betriebsrat, so handelt es sich um eine Tätigkeit des Mitbestimmungsorgans an sich, so daß auf die Ausführungen unter Kapitel 6.1.2 a, aa, verwiesen werden kann. Will ein Betriebsratsmitglied allerdings seine eigenen Rechte geltend machen, so ist danach abzugrenzen, ob das Betriebsratsmit-

3! Dies war früher ausgehend vom Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG umstritten, heute allerdings anerkannt, vgl. BAG AP Nr. 16 BI. 1 R zu § 40 BetrVG 1972, AP Nr. 9 BI. 1 R zu § 76 BetrVG 1972, EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 45 = OB 1979, S. 2091; Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 49. 32 BAG AP Nr. 16 BI. 1 R zu § 40 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr.46.

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glied als betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsträger eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte verfolgt oder wie jeder andere Arbeitnehmer und damit als Nicht-Amtsträger Rechtsrat in Anspruch riimmtl 3 • Im folgenden werden nun ausgewählte Hauptfälle dargestellt, in denen ein Betriebsratsmitglied rechtliche Beratung und Vertretung fur die Durchsetzung von eigenen Rechten und Befugnissen in Anspruch nimmt.

aa) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei der gerichtlichen Aufhebung von Betriebsratsbeschlüssen

Leitet ein Betriebsratsmitglied ein Beschlußverfahren mit dem Ziel ein, feststellen zu lassen, daß ein Betriebsratsbeschluß unwirksam sei, so handelt es sich hierbei nicht um den Vollzug eines Betriebsratsbeschlusses, sondern gerade um den actus contrarius. Den Angriff auf die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses unternimmt das Betriebsratsmitglied als Belegschafts- oder Gruppenmitglied, nicht jedoch in Vertretung und fur den Betriebsrat selbst. Das Gesetz überträgt keinem Betriebsratsmitglied die Rechtskontrolle über die Betriebsratsbeschlüsse 34 • Die Auffassung hat auch das LAG Hamm 35 in seiner Entscheidung vom 30.07.1986 vertreten. Im Gegensatz dazu steht die Rechtsprechung des BAG 36 und die des Bundesverwaltungsgerichts37 zur gleichen Problematik im Rahmen des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung für Recht erkannt, daß es nicht einzusehen sei, weshalb das von einem Personalratsmitglied eingeleitete Verfahren und die damit verbundenen Kosten anders behandelt werden sollten, als wenn der Personalrat als solcher zwecks ordnungsgemäßer Ausübung der ihm zustehenden Rechte ein Gericht anruft. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt jedoch dabei den allgemeinen Grundsatz, daß die Feststellung der Ungültigkeit eines Betriebsrats- oder Personalratsbeschlusses nur von demjenigen beantragt werden kann, der durch die begehrte Entscheidung unmittelbar, d. h. in seiner betriebsverfassungsrechtlichen bzw. personalvertretungsrechtlichen Funktion betroffen ise s. Es ist aber nicht Sache des einzelnen Betriebsratsbzw. Personalratsmitgliedes, die Beschlüsse des Betriebsrats oder Personalrates Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 28. Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 85. 35 LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 25 S. 102. 36 BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 45 S. 214 = DB 1979, S. 2091 (2092). 37 BVerwG AP Nr. 1 zu § 44 BPerVG 1955; Fitting/KaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 49. 38 BAG AP Nr. 1 BI. 2 R zu § 13 BetrVG 1972, Nr. 2 zu § 81 BetrVG 1972; Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 29, Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.86. 33

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

in einem gerichtlichen Verfahren aufheben zu lassen, es sei denn, der Beschluß greift in die Rechtsstellung des einzelnen Betriebs- oder Personalvertretungsratsmitgliedes ein39 •

bb) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei einem Ausschlußverfahren nach § 23 Abs. I S. I Alt. BetrVG In dem Ausschlußverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG treten sich der Arbeitgeber und das Betriebsratsmitglied mit den gegensätzlichsten Ansichten gegenüber, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergeben können. Dementsprechend wurde auch entschieden, daß die aus einem groben Verstoß gegen gesetzliche Pflichten entstandenen Kosten nicht als durch die Tätigkeit des Personalrates bzw. des Betriebsrats entstandende Kosten angesehen werden können4o • Richtig daran ist, daß sich das Betriebsratsmitglied mit einer Handlung, die einen groben Verstoß gegen seine Amtspflichten darstellt, nicht innerhalb des Betriebsratsbeschlusses bzw. seiner gesetzlichen Aufgaben bewegt hat41 • Es erscheint daher naheliegend, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der in Streit befindlichen "Amtshandlung" vom Ausgang des Ausschlußverfahrens abhängig zu machen und damit entsprechend folgerichtig auch die Aufgabenbezogenheit des Verfahrens 42 . Ferner kann auch das Wesen des Amtsenthebungsverfahrens als Begründung für einen fehlenden Aufgabenbereich angeführt werden. Dieses stelle nämlich die schärfste Sanktion gegen ein Betriebsratsmitglied dar, mit der nach dem Zweck der Norm eine Kostenentlastung des verantwortlichen Mitgliedes zum Nachteil des Arbeitgebers nicht honoriert werden dürfe 43 • An anderer Stelle wird diese Frage allerdings differenzierter beantwortet und die eben dargestellte Meinung als zu oberflächlich abgelehnt. Eine strikte Koppelung zwischen der Amtspflichtverletzung des Betriebsratsmitgliedes und dem

39 BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 45 S. 214 = DB 1979, S. 2091 (2092), AP Nr. I BI. 2 R zu § 13 BetrVG 1972; EzA § 40 BetrVG 1972 Nr.64 S.2; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 49, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 46, Fitting/KaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 49. 40 BVerwG in BVerwGE 15, S. 96 ff. = AP Nr. 4 BI. 1 R BPersVG; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/G1aubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 41, Wiese, in: GK-BetrVG, 40 Rdnr. 48 m. umfr. Nachw. 41 Insoweit folge ich Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 86; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 48 stellt bei dieser Fallkonstellation nicht auf die fehlende Aufgabeneröffnung, sondern die mangelnde Erforderlichkeit der Kostenverursachung ab. 42 Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/G1aubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 51. 43 Otto, Anm. zu LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 NT. 33, S. 150; Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 86.

I. Aufgabenbereich der Mitbestimmungsorgane

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darüber gefiihrten Rechtsstreit sei nicht immer gegeben 44 • Die Koppelung besteht nur dann einwandfrei, wenn allen Beteiligten schon bei Beginn des Ausschlußverfahrens bewußt ist, daß das Betriebsratsmitglied außerhalb seiner gesetzlichen Pflichten gehandelt hat4s • Dann bezieht sich das Beschlußverfahren allein auf die Frage, ob der Pflichtenverstoß einen Ausschluß nach § 23 Abs. I BetrVG rechtfertigt. Der Streit um eine Handlung, die eindeutig außerhalb des Aufgabenbereiches des Betriebsrats lag, kann nicht selbst zum Aufgabenbereich gezählt werden 46 • Aus dem eben Dargestellten folgt, daß bei einem Streit über die Rechtmäßigkeit einer Handlung anders zu entscheiden ist. Die Prüfung, ob eine Handlung im Aufgabenbereich des Betriebsrats liegt, muß selbst Gegenstand der Betriebsratstätigkeit sein können47 • Andernfalls müßte der Betriebsrat und seine Mitglieder bei jeder Amtsausübung damit rechnen, daß sie die Kosten eines späteren, über die Rechtmäßigkeit der Handlung gefiihrten Rechtsstreites selbst zu tragen hätten. Dies würde die Betriebsratstätigkeit lähmen, da bei jeder Amtshandlung schon die Gefahr bestünde, die Kosten eines möglichen Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Handlung tragen zu müssen48 •

ce) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei Lohnklagen einzelner Betriebsratsmitglieder

Einen weiteren kontrovers diskutierten Bereich im Rahmen der Prüfung der Aufgabeneröffnung stellen die Streitigkeiten einzelner Betriebsratsmitglieder dar, in denen individualrechtliche Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden. Als Beispiel sei die Lohnklage für betriebsratsbedingt aus ge44 Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 48 es müsse daher zwischen den Kosten der Amtstätigkeit und denen eines Verfahrens nach § 23 Abs. I BetrVG unterschieden werden, da sich das Betriebsratsmitglied als notwendig Beteiligter dem Verfahren nicht entziehen kann. 45 Nach BAG AP Nr. 29 BI. 3f zu § 40 BetrVG 1972 = EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 62 sind die Kosten dann nicht zu erstatten, wenn das dem Betriebsratsmitglied vorgeworfene Verhalten von diesem nicht ernsthaft bestritten werden kann und eine rechtliche Würdigung unzweifelhaft eine grobe Pflichtverletzung ergibt, ebenso Fitting/Kaiser/Heither/Engels; BetrVG, § 40 Rdnr. 50, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 48, der darauf abstellt, ob eine zurechenbare Pflichtverletzung vorliegt, d.h. ob ein Betriebsratsmitglied seine Pflichten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig verletzt hat. 46 So konsequent Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 87; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 48 sieht solche Kosten erst als in rechtsmißbräuchlicher Art und Weise verursachte Kosten und damit als nicht erforderliche Kosten an. 47 Vgl. BAG AP Nr. 29 BI. 3 R zu § 40 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr.48. 4H BAG AuR 1982, S. 258, LAG Hamm OB 1980, S. 213.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

fallene Arbeitszeit Z.B. nach § 37 Abs. 2 und Abs. 6 BetrVG genannt. Die Problematik dieser Konstellation liegt in der Frage nach der richtigen Verfahrensart. Für Lohnklagen ist nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a i.V.m. 46 ff ArbGG das Urteilsverfahren die richtige Verfahrensart49 , während im Gegensatz dazu hinsichtlich der Frage nach der Aufgabenbezogenheit des Ausfalls der Arbeitszeit das Beschlußverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 80 ff ArbGG das zu beschreitende Verfahren ist 50 • Die auf die Erfüllung von Individualansprüchen gerichteten Rechtsbegehren von Betriebsratsmitgliedern führen zu zwei voneinander zu trennenden Grundsatzfragen. Zunächst ist zu klären, ob die Geltendmachung von Individualansprüchen in den Aufgabenbereich des Betriebsratsmitgliedes fallen kann. Kann diese Frage bejaht werden, so ist weiter umstritten, ob die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Individualanspruches z. B. nach § 37 Abs. 2 BetrVG oder § 37 Abs.6 i.V.m. Abs. 2 BetrVG in dem dafür vorgesehenen Beschlußverfahren mit bindender Wirkung für das nachfolgende Urteilsverfahren zu entscheiden sind. Ausgangsüberlegung für die erste Frage ist, ob grundsätzlich Individualansprüche von Betriebsratsmitgliedern nicht in den betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabenbereich fallen, da die betriebsverfassungsrechtlichen und arbeitsvertraglichen Ansprüche streng voneinander zu trennen sind51 • Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da nicht vertreten oder gefordert werden kann, daß individualarbeitsvertragliche Ansprüche des Betriebsratsmitglieds in seinen Aufgabenbereich fallen sollen. Doch auch wenn die Lohnklage einen Bezug zum Betriebsverfassungsrecht aufweist, da die Betriebsratstätigkeit vergütet werden soll, ist es sowohl aus betriebsverfassungsrechtlichen als auch prozessualen Gründen geboten, den dargestellten Grundsatz auch hier Anwendung finden zu lassen 52 • Das Argument von Blomeyer3, daß der Anlaß für die Lohnklage eindeutig durch die Eigenschaft des Klägers als Betriebsratsmitglied vorgezeichnet war und ein allgemeiner Grundsatz es gebiete, Streitigkeiten über den Auf-

Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnm. 249 ff. Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnm. 259 ff. und zur Abgrenzung der Verfahrensarten Ascheid, ArbGG, Rdnr. 1666; GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 2 Rdnm. 12 f. 51 BAG AP Nr. 19 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972 m. Anm. Otto; Germelmannl Matthes/Prütting, ArbGG, § 2a Rdnr. 12, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 51. 52 BAG AP Nr. 19 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972; siehe auch Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 11, GalperinlLöwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 36, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr.51. Nach GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, finde sich die Anspruchsgrundlage nur "mehr oder weniger zufällig" im Betriebsverfassungsgesetz; dies dürfe aber keine Auswirkungen auf die Verfahrensart haben. 53 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.87 f., ebenso Fitting/ KaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 26a. 49

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I. Aufgabenbereich der Mitbestimmungsorgane

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gabenbereich ebenfalls dem Aufgabenbereich zuzurechnen, kann nicht überzeugen. Eine Zurechnung zum Aufgabenbereich würde eine gegen § 78 S. 2 BetrVG verstoßende Begünstigung des Betriebsratsmitgliedes darstellen, da den Nichtbetriebsratsmitgliedern stets eine Kostenerstattung fUr die Kosten der Verfahrensvertreter nach § 12a Abs. 1 ArbGG versagt ist. Überdies spricht aber auch der Streitgegenstand gegen eine Zurechnung zum Aufgabenbereich. Streitgegenstand ist ein Lohnanspruch des Betriebsratsmitglieds. Es begehrt keine Entscheidung über eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit i.S.v. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, sondern über einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG 54 . Dies wird auch durch die Formulierung des Klageantrages deutlich, der auf die Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung eines bezifferten Geldbetrages gerichtet ist. Darüber hinaus fUhrt die Ansicht von Blomeyer auch zu einer Rechtsunsicherheit. Wird die Überprüfung der betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen im Urteilsverfahren zugelassen, so kann es zu einem Parallellauf von Urteils- und Beschlußverfahren mit unterschiedlichen Entscheidungsinhalten im Urteil und im Beschluß kommen. Weitgehend Einigkeit55 besteht hinsichtlich der zweiten hier zu diskutierenden Frage nach der Erforderlichkeit eines Urteilsverfahrens nach einem vorangegangenen Beschlußverfahren über die betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen. Selbst Blomeyer zweifelt mit der h.M. an der Erforderlichkeit der dadurch verursachten Kosten56 •

dd) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei Kostenerstattungsklagen einzelner Betriebsratsmitglieder Eindeutiger ist die Rechtslage fUr Kostenerstattungsklagen fUr im Rahmen der Betriebsratsarbeit getätigte Aufwendungen, wenn ein Betriebsratsmitglied die von ihm verauslagten Aufwendungen fUr eine bestimmte Tätigkeit gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG oder fUr die Anschaffung von sachlichen Mitteln nach § 40 Abs. 2 BetrVG vom Arbeitgeber ersetzt verlangt. Wird darüber gestritten, ob die Kosten im Rahmen einer aufgabenbezogenen Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind, so ist Gegenstand des Verfahrens der Tätigkeitsbereich des Betriebsrats selbse 7 • Da ein Streit darüber zur Aufgabe des Betriebsrats gerechnet Wiese, in:GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 51. LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33 S. 146, Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 23, Filting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 26a, Wiese, in: GKBetrVG, § 40 Rdnr. 51. 56 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 88. 57 Wolfgang Blomeyer, Kosten der Mitbestimmung, S.88, Filting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 49. 54

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

werden muß, entsteht nach § 40 Abs. 1 BetrVG auch ein Kostenerstattungsanspruch in diesem Verfahren. Dies muß um so mehr gelten, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht nur die Aufgabenbezogenheit oder Erforderlichkeit, sondern erst die Verhältnismäßigkeit der angefallenen Kosten ist. In einem solchen Fall steht schon vom Anfang des Verfahrens an fest, daß die Kosten im Rahmen der Betriebsratstätigkeit und des Aufgabenbereiches entstanden sind58 •

ee) Inanspruchnahme rechtlicher Beratung und Vertretung bei Ersetzungsverjahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG Ebenfalls in diesen Problemkreis f,HIt die Frage, ob ein vom Arbeitgeber angestrebtes Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes nach § 103 Abs. 2 BetrVG in den Aufgabenbereich des Betriebsratsmitglieds fallt und dieses folgerichtig berechtigt ist, vom Arbeitgeber die mit dem Verfahren verbundenen Kosten ersetzt zu verlangen. Für die Aufgabenbezogenheit des Verfahrens spricht nach dem Vorangegangenen, daß das Zustimmungsersetzungsverfahren nur notwendig wird, weil der betroffene Arbeitnehmer Mitglied des Betriebsrats ist und ähnlich wie im Verfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG hier ebenfalls Streit besteht, ob ein Handeln des Betriebsratsmitgliedes zu einem allerdings arbeitsvertraglichen Ptlichtenverstoß geführt hat. Gleichwohl ist die Rechtslage hier differenzierter zu betrachten. Ausgehend von der Ausgestaltung und dem Sinn und Zweck des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG vertritt die überwiegende Meinung die Ansicht, daß dieses Verfahren nicht in den Aufgabenbereich eines Betriebsratsmitgliedes falle 59• Das Ersetzungsverfahren richte sich nicht gegen das Mitglied des Betriebsrats, sondern vielmehr gegen den Betriebsrat als Organ insgesamt. Das betroffene Betriebsratsmitglied selbst werde als Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglied durch das Zustimmungsersetzungsverfahren des § 103 BetrVG nicht geschützt60 , da es sich bei dem Zustimmungsersetzungsverfahren im Grunde genommen um einen vorgezogenen Kündigungsschutzverfahren handelt. Die Zustimmung kann nach § 103 Abs. 2 BetrVG nämlich nur dann ersetzt werden, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung

Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 88. BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 43 S.204 f. = DB 1979, S. 1706 (1707), AP Nr. 16 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972 m. Anm. Hanau, LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 26, S. 106 f., Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnrn. 9, 15 und 24, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 51, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 48. ';0 BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 43 S. 205; KR-Etzel, § 103 BetrVG Rdnr. 111. 5M

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11. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten

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aller Umstände gerechtfertigt wäre 61 • Wird damit der Kündigungsschutz also praktisch in das Ersetzungsverfahren vorverlagert, so kann das Betriebsratsmitglied nicht anders gestellt werden, als wenn ein Kündigungsschutzprozeß stattgefunden hätte62 • Andernfalls würde es gegenüber den übrigen Belegschaftsmitgliedern unzulässig begünstigt LS.v. § 78 S. 2 BetrVG. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das Verhalten, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt, ausschließlich in der arbeitsvertraglichen Spähre des Arbeitnehmers liegen muß 63 64.

11. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten Nach den bisherigen Ausfiihrungen hätte der Arbeitgeber sämtliche Kosten zu tragen, die durch Rechtsstreitigkeiten entstehen, deren Streitgegenstand im Aufgabenbereich des Betriebsrats oder dessen Betriebsratsmitglieder liegt. Ausgehend von dem dargestellten historischen Hintergrund des § 40 Abs. I BetrVG und der Rechtsprechung zu den Schulungskosten i.S.v. § 37 Abs.6 und 7 BetrVG hat das Bundesarbeitsgericht neben dem Merkmal der Aufgabenbezogenheit schon früh die Merkmale der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit auf § 40 Abs. I BetrVG übertragen 65 •

61 KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 40 und § 103 BetrVG Rdnrn. 139 ff., Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, BetrVG, § 103 Rdnr. 17. 62 Die Beteiligung am Ersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG erfolgt nicht in Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, sondern aufgrund des besonders ausgestalteten Kündigungsschutzes für die Amtsträger, Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 51; folgerichtig nimmt der Amtsträger auch nicht als Organ der Betriebsverfassung, sondern als Arbeitnehmer an dem Verfahren teil, vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 50. 63 Vgl. BAG AP Nr. I BI. 5 R ff. zu § 103 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 103 Rdnr. 18a, Kraft, in: GK-BetrVG, § 103 Rdnr. 25. 64 Wird allerdings die Zustimmungsersetzung auf die Beschwerde des betroffenen Betriebsratsmitgliedes vom LAG rechtskräftig aufgehoben, so hat das Mitglied nach BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 64, S.3 ff. und NZA 1991, S. 152 einen Kostenerstattungsanspruch über § 78 S. 2 BetrVG. Ihm sind vom Arbeitgeber die entstandenen Kosten in demselben Umfang zu erstatten, wie wenn das Betriebsratsmitglied einen entsprechenden Kündigungsschutzprozeß gewonnen hätte. 65 Vgl. noch einmal BAG AP Nr. 7 BI. 2R und AP Nr. 8 BI. I R zu § 39 BetrVG 1952, AP Nr. 14 BI. 2 R zu § 40 BetrVG 1972 und aus neuerer Zeit NZA 92, S. 41 (41), NZA 1995, S. 381, S. 591 (592), NZA 1996, S. 442 (443), S. 783 (784).

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

1. Herleitung und Inhalt

Diese, den Anwendungsbereich des § 40 Abs. I BetrVG einschränkenden Merkmale werden zum einen aus anderen Regelungen des Betriebsverfassungsrechtes betreffend die Personal- und Sachkosten auf § 40 Abs. 1 BetrVG übertragen (vgl. §§ 20 Abs. 3, 37 Abs. 2, 51 Abs. 1,59 Abs. 1,65 Abs. 1,73 Abs. 2 BetrVG). Nach den aufgelisteten Normen werden die vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Mitbestimmung dahingehend begrenzt, daß sie nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchfiihrung der dem Mitbestimmungsorgan obliegenden Aufgaben erforderlich sein müssen. Zum anderen kann diese Beschränkung auch - wie bereits ausfiihrlich in Kapitel 5 dargestellt - historisch gesehen den Vorgängervorschriften des § 40 Abs. 1 BetrVG, dem § 36 Abs. 1 BRG 1920 und dem § 39 Abs. 1 BetrVG 1952 entnommen werden. Wie oben dargestellt, sind sich Rechtsprechung und Literatur einig, daß im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG kein anderer Maßstab gelten soll als in den Vorgängern dieser Norm. Darüber hinaus kann die Beschränkung der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten auch aus dem Verfassungsrecht abgeleitet werden66 • Ansatzpunkt dafür ist das im Verfassungsrecht bereits seit langem bekannte Übermaßverbot. Das Übermaß verbot wird dabei als übergeordnetes Prinzip verstanden, dessen beide Erscheinungsformen die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit sind. Dem Übermaßverbot wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und aller anderen Obergerichte, einschließlich der des Bundesarbeitsgerichtes, ein verfassungsrechtlicher Rang zugesprochen. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip stammende Übermaßverbot67 gebietet dem staatlichen Gesetzgeber bei allen an sich verfassungsrechtlich zulässigen Eingriffen in grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Bürger nur den Eingriff und die Intensität des Eingriffs zu wählen, die den Geboten der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen. Danach ist nur derjenige Eingriff zulässig, der die geringsten, aber zur Erreichung des Zieles unvermeidbaren Beeinträchtigungen der geschützten Rechtspositionen hervorruft68 • Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung Eigentumsbindungen nur im Rah-

~~ So der Ansatz von Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 91f, ders., Übermaßverbot, S. 17 (20). ~7 Erichsen, in: Erichsen/Martens, AlIg. VerwaltR, § 12,11,2 c bb. 6K BVerwG in BVerwGE 23, S.4 (8), 35, S. 326 (331 f.), 37, S. 344 (366 ff.), 61, S. 32 (35 ff.); Erichsen, in: Erichsen/Martens, AlIg. VerwaltR, § 12,11,2 c bb.

11. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten

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men des Übermaßverbotes und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rur zulässig erachtet69 •

2. Objektive Kriterien der Beschränkung der Kostentragungspflicht

Den unterschiedlichen Begründungsversuchen ist gemeinsam, daß als Aspekte der Beschränkung der Kostentragungspflicht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit maßgeblich sind. In der Rechtsprechung wird als dritte Komponente die Geeignetheit erwähnfo, doch handelt es sich dabei nur um eine Voraussetzung der Erforderlichkeit; ungeeignete Maßnahmen können per se schon nicht erforderlich sein 71. Im folgenden werden nun die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bezogen auf das Betriebsverfassungsrecht allgemein bestimmt und im Anschluß daran Beispiele zu den Sach- und Personalkosten zur Verdeutlichung herangezogen. Diesen folgend werden die Grundsätze auf die Kostentragungspflicht fiir Rechtsstreitigkeiten der betriebsverfassungsrechtlichen Organe im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG konkretisiert.

a) Grundsatz der Erforderlichkeit Ein Eingriff ist aus verfassungsrechtlicher Sicht dann erforderlich, wenn er im Vergleich zu mehreren gleich geeigneten Mitteln das Mittel ist, das zur Erreichung des geplanten und erstrebten Zieles geeignet und fiir den Betroffenen

69 BVerfG in BVerfGE 8, S. 71 (80), 21, S. 73 (86), Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 92; Die Bindung des Gesetzgebers an verfassungsrechtliche Grundsätze bei der Zuteilung privater Rechtspositionen hat das BVerfG in der Feldmühle-Entscheidung, BVerfGE 14, S.263, 11 2 d d. Gründe, DB 1972, S. \073 (1074) und in dem Mitbestimmungsurteil in NJW 1979, S. 699 (703) herausgebildet. 70 V gl. aus neuester Zeit LAG Baden-Württemberg NZA-RR 1996, S. 252 (253). 71 So zurecht Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.92. Allerdings werden in der Literatur auch Bedenken gegen die Folgerungen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgetragen. So sei der Grundsatz dann nicht anzuwenden, soweit die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers von vorne herein auf ein allgemeines oder durchschnittliches Niveau festgeschrieben werden soll. Dies würde nämlich zu einer unzulässigen Beschränkung der Rechte und Befugnisse des Betriebsrats fUhren, siehe dazu FittingIKaiserIHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 8; an anderer Stelle wird argumentiert, daß es des Merkmales der Verhältnismäßigkeit nicht bedürfe, da unverhältnismäßige Kosten schon als nicht erforderlich angesehen werden könnten, da sie mißbräuchlich wären, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 12, Neumann-Duesberg Anm. zu AP Nr. 8 BI. 5 zu § 39 BetrVG 1952.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

die geringste Beeinträchtigung aller Rechtsgüter hervorruft72 • Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung werden also mehrere zur Erreichung eines Zieles geeignete Mittel miteinander verglichen. Diesen allgemeinen Grundsatz hat das BAG in seiner Rechtsprechung fiir die jeweiligen Kostennormen konkretisiert.

aa) Personalkosten Für die Personalkosten der Mitbestimmung findet sich der Grundsatz der Erforderlichkeit bereits im Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (vgl. wiederum § 37 Abs. 2 und Abs. 6 BetrVG). So können zum Beispiel Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nur dann als erforderlich fiir die Betriebsratstätigkeit angesehen und dem entsandten Mitglied des Betriebsrats nur dann ein Lohnfortzahlungsanspruch zuerkannt werden, wenn sie vom Schwerpunkt ihrer Thematik her darauf ausgerichtet sind, Kenntnisse zu vermitteln, ohne die dem Betriebsrat eine fach- und sachgerechte Ausfiihrung seiner gesetzlichen Aufgaben nicht möglich ist und die Verwendung der auf der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse demnächst anstehe 3• Ebenso findet das Verbot der Minderung des Arbeitsentgeltes nach § 37 Abs. 2 BetrVG nur dann Anwendung, wenn die Tätigkeit des Mitglieds des Betriebsrats im Aufgabenbereich lag und die Arbeitsbefreiung bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände im Zeitpunkt der Inanspruchnahme zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats fiir erforderlich gehalten werden durfte 74 • Stehen andere, aber ebenso geeignete Mittel zur Vermittlung der Kenntnisse zur Verfiigung, die aber geringere Kosten fiir den Arbeitgeber verursachen, so muß auf diese Mittel zurückgegriffen werden.

72 BVerfG in BVerfGE 23, S.4 (8) und S.280 (283 ft), 26, S. 131 (133 fi), 28, S. 139 (143), 35, S. 326 (331),37, S. 344 (360 fi), 61 S. 32 (35 ft); Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.92, Ossenbühl, in: ErichsenlMartens, Allg. VerwaltR, § 7, IX, 2. 73 Die Schulungs- oder Bildungsveranstaltung muß nicht nur erforderliche Kenntnisse vermitteln, sondern aufgrund der Verweisung des § 37 Abs. 6 S. I BetrVG auf § 37 Abs. 2 BetrVG muß auch die Arbeitsbefreiung des Betriebsratsmitglieds für den Erwerb dieser Kenntnisse in der Schulungsveranstaltung erforderlich sein, BAG AP Nr. 5 BI. 3, Nr. 9 BI. 3, Nr. 13 BI. 2 R, Nr. 54 BI. 2 R, Nr. 63 BI. IR f. zu § 37 BetrVG 1972, EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 111 S. 2, vgl. auch AP Nr. 4 BI. 2, Nr. 21 BI. 2, Nr. 22 BI. 1 R, Nr. 30 BI. 2 zu § 37 BetrVG 1972, NZA 1995, S. \036 (\036); Loritz, NZA 1993, S. 2 (3), Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 37 Rdnrn 1 \0 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnrn. 132, 142ff. 74 BAG AP Nr. 39 BI. 2, Nr. 40 BI. 2 R zu § 37 BetrVG 1972, LAG Hamm EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 58, S. 240 ff., LAG München LAGE § 37 BetrVG 1972 Nr. 18 S. 11; Dietz/Richardi, BetrVG, § 37 Rdnrn. 21 f., Wiese in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 33.

11. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten

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bb) Sachkosten

Für die Sachkosten ergibt sich, wie dargestellt, der Grundsatz der Erforderlichkeit nicht schon aus dem Wortlaut, wohl aber aus der Systematik der einschlägigen Vorschriften. Danach ist die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers rur die Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen neben dem Grundsatz der Erforderlichkeit auch durch den koalitionspoJitischen Grundsatz beschränkt, daß die veranstaltende Gewerkschaft aus der Veranstaltung keinen Gewinn erzielen darf s. Im Rahmen von § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber rur die Sitzungen, Sprechstunden und die laufende Geschäftsruhrung in erforderlichem Umfange Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfügung zu stellen 76 •

b) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Mit Hilfe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe werden die an sich erforderlichen Eingriffe daraufhin überprüft, ob der Zweck den Einsatz des Mittels aus der Sicht des Betroffenen noch zu rechtfertigen vermag. Dabei werden das Mittel und dessen Folgen rur den Betroffenen mit dem mit dem Mittel verfolgten Zweck in Verhältnis zueinander gesetzt. Die übrigen in Betracht kommenden Mittel, die in die ErforderJichkeitsprüfung mit einbezogen wurden, scheiden im Rahmen dieser Beurteilung aus. Mit der Beschränkung auf die Verhältnismäßigkeit der Kosten soll dem Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst geringen Kostenbelastung genüge getan werden 77 •

aa) Personalkosten

Für die Personalkosten der Mitbestimmung findet sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wiederum in der Zentralvorschrift des § 37 Abs. 2 BetrVG. Danach sind die Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Min-

7S BAG AP Nr. 2 BI. 4 zu § 40 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Richardi, Nr. 41 BI. 5 zu § 40 BetrVG 1972 =NZA 1993, S. 189 (191), APNr. 42 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972 = NZA 1995, S. 382 (384), NZA 1995, S. 1216 (1217); ebenso die Literatur, vgl. Dietz/ Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 31, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 64, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 79 m.w.N. 76 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 95 ff. allgemein zum Erforderlichkeitsgrundsatz im Rahmen von § 40 Abs. 2 BetrVG und speziell für die Zurverfügungstellung von Räumen, Rdnrn. 98 ff., der sachlichen Mittel, Rdnrn. 102 ff., insb. für die li-

teratur des Betriebsrats Rdnrn. 110 ff. und für das erforderliche Büropersonal Rdnrn. 123 ff. 77 Vgl. Wolfgang Blomeyer, Finazierung der Mitbestimmung, S. 94. 8 Müller-Boruttau

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

derung des Arbeitsentgeltes nur zu befreien, wenn und "soweit" die Befreiung nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen DurchtUhrung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Aus dieser Beschränkung wird gefolgert, daß nicht alle erforderlichen Kosten vom Arbeitgeber zu tragen sind. Zutreffend hat das SAG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unter Hinweis auf eben diese Vorschrift auch auf § 37 Abs. 6 BetrVG bezogen. Es fordert daher in ständiger Rechtsprechung,78 daß die tUr die Schulung aufzuwendenden Mittel zu dem mit ihr erstrebten Zweck - Vermittlung von erforderlichen Kenntnissen tUr die Betriebsratstätigkeit - im Hinblick auf den Umfang des vermittelten Wissens noch in einem vertretbaren Verhältnis stehen.

bb) Sachkosten Ausdrücklich erwähnt wurde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Bundesarbeitsgericht eine der ersten Male in seiner Entscheidung vom 31.10.1972 79 , wo es heißt, der Betriebsrat habe sowohl hinsichtlich der Zahl der zur Schulung zu entsendenden Mitglieder als auch hinsichtlich der durch die Schulung entstehenden Kosten auf die Interessen des Betriebes und des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Damit wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber in der Sache beschrieben. Der gleiche Gedanke lag auch einer Entscheidung des BAG über die Kosten des Wahlvorstandes zugrunde 80 • Die durch die Teilnahme eines Wahlvorstandsvorsitzenden an einer Schulungsveranstaltung entstandenen Kosten werden als nicht erstattungsfahig bezeichnet, weil erwartet werden könne, daß ein zur Übernahme des Amtes bereiter Arbeitnehmer (zugleich Betriebsratsmitglied) die notwendigen Kenntnisse tUr das Amt mitbringe bzw. selbst erwerben könne. Es werden also das Mittel (Schulungskosten) und das Ziel (die für das Amt des Wahlvorstandes notwendigen Kenntnisse) gegeneinander abgewogen, mit dem Ergebnis, daß die Relation unangemessen ist, weil die notwendigen Kenntnisse einerseits nicht erheblich sind und andererseits vorausgesetzt werden können. Eine besonders präzise Verwendung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit findet sich in einer Entscheidung des LAG Düsseldorr'I , das über die Kosten eines vom Betriebsrat eingeholten Rechtsgutachtens zu entscheiden 7K BAG AP Nr. 2, 5 und 7 zu § 40 BetrVG 1972, AP Nr.8, 18 und 24 zu § 37 BetrVG 1972; vgl. für die Literatur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnrn. 60 f. und Wiese, in GK-BetrVG, § 37 Rdnrn. 170 f. und § 40 Rdnr. 12. 79 Ständige Rechtsprechung seit AP Nr. 2 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972 m. Anm. Richardi. KU BAG AP Nr. 3 zu § 20 BetrVG 1972 = SAE 1975, S. 41, vgl. auch BAG EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 14 S. 2 m.w.N. und EzA § 20 BetrVG Nr. 15. KI LAG Düsseldorf AP Nr. 2 zu § 39 BetrVG 1952.

11. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten

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hatte. Das LAG verweist in seiner Entscheidung auf das "Mißverhältnis zwischen den hohen Kosten des Gutachtens und den Kosten, die bei Entscheidung der Streitfrage durch das Arbeitsgericht entstanden wären". Hier wird das Ziel des Gutachtens, die gerichtliche, d. h. kostenträchtige Klärung der Rechtsfrage zu vermeiden, mit dem eingesetzten Mittel (Kosten des Gutachtens) verglichen. Da es sich bei beiden Vergleichsgrößen um rechnerische handelt, bereitet die Beurteilung keine Schwierigkeiten. Auf der gleichen Linie liegt die weitere Feststellung des Gerichts, die Kosten für ein Privatgutachten können nur dann als notwendig angesehen werden, wenn es den späteren Rechtsstreit in irgendeiner Weise gefördert hat82 •

c) Ergebnis Allgemein und losgelöst von den Anwaltskosten kann mithin festgestellt werden, daß der Arbeitgeber nur die Personal- bzw. Sachkosten der Mitwirkung und Mitbestimmung auf Betriebsebene zu tragen hat, die zur Erfüllung der im Gesetz vorgesehenen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsaufgaben erforderlich und verhältnismäßig sind. Die Erforderlichkeit fehlt, wenn dem Mitbestimmungsorgan ein ebenso geeignetes, aber geringere Kosten verursachendes Mittel zur Verfügung steht, um den gleichen Erfolg zu erreichen. War das Mittel bzw. die Maßnahme in diesem Sinne erforderlich, so kann es unverhältnismäßig sein, wenn Aufwand und Ziel unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange in einem unangemessenen Verhältnis stehen.

3. Beurteilungsspielraum des Mitbestimmungsorganes

Während im Rahmen des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes bei dem Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Eingriffes und der Maßnahme auf den Adressaten der Maßnahme abgestellt wird 83 , wäre eine solche rein objektive Betrachtungsweise im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht tragbar. Eine objektive Betrachtung hätte zur Folge, daß die Folgen einer subjektiven Fehlbeurteilung durch den Betriebsrat diesem selbst oder den einzelnen Betriebsratsmitgliedern anzulasten wären. Auch würde die Furcht vor Fehlentscheidungen die Aktivi-

82 Einen "Ausreißer" von der strikten Beachtung des Erfordernisses des Verhältnismäßigkeitsgebotes stellt der Beschluß des BAG vom 24.01.1996, NZA 1997, S. 60 (61) dar. Nach dieser Entscheidung ist der Betriebsrat nicht gehalten, zwischen den gleich geeigneten und für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Gesetzestexten des dtv-Verlages und der teureren Sammlung von Kittner, die günstigerere dtv-Ausgabe zu wählen. 83 Vgl. nur BVerfG NJW 1979, S. 699 (703).

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

täten hemmen oder gar lahm legen. Möglich wäre allerdings, daß der Betriebsrat an den Arbeitgeber eine Voranfrage richtet, auf die der Arbeitgeber mit einer verbindlichen Zusage reagieren würde. Doch dagegen spricht, daß mit einer solchen Zusage im Regelfall nicht zu rechnen ist und dem BetrVG 1972 der Grundsatz der Selbständigkeit der Betriebspartner zugrunde liegt84 • Einige Zeit umstritten war daher der Umfang des den Mitbestimmungsorganen überlassenen Ermessensspielraums und dessen Überprüfbarkeit durch die Arbeitsgerichte 85 • Das BAG geht in gefestigter Spruchpraxis86 davon aus, daß für die Feststellung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kosten nicht ex-post ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Der Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, alle Kosten zu tragen, die - ex-ante betrachtet - im Zeitpunkt der Verursachung bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit und damit auch der betrieblichen Belange rur erforderlich gehalten werden durften 87, weil der Betriebsrat oder das einzelne Mitglied ansonsten in der Amtsausübung unnötig behindert werden würde. Allerdings ist dabei objektiv auf einen vernünftigen Dritten und nicht subjektiv auf den konkreten Betriebsrat oder das einzelne Betriebsratsmitglied abzustellen. Dieser Ansicht hat sich auch die überwiegende Literatur angeschlossen 88 •

K4 Kraft, in: GK-BetrVG, § I Rdnr. 33, Galperin/Löwisch, BetrVG,vor § I Rdnr. 29. Nur bei außergewöhnlich hohen Kosten wird vom Betriebsrat aufgrund des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit gefordert, den Arbeitgeber zu informieren und sich mit diesem zu beraten, BAG AP Nr. 7 BI. 3 ff. zu § 39 BetrVG 1952; DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 7, FittinglKaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr.7; DB 1987, S. 1439 (\440); Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnrn. 13 und 57 rät allerdings auch schon in Zweifelsfragen eine vorherige Absprache mit dem Arbeitgeber herbeizuführen, vgl. auch Hessisches Landesarbeitsgericht DB 1988, S. 816. 85 Erdmann, BetrVG, § 40 Rdnr. 2 vertraU eine objektive ex-post Überprüfbarkeit; Weiss, JArbR, Bd. 22. S. 37 (41) geht zwar von einer ex-ante Betrachtung aus, will jedoch dabei auf das Urteil eines vernünftigen Betriebsrats abstellen; vgl. auch Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 11, Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.96. 86 BAG AP Nr. 14 BI. 2 R, Nr. 31 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972, DB 1987, S. 1139, NZA 1992, S.41 (42), NZA 1994, S.190 (190), NZA 1995, S.591 (592), LAG Baden-Württemberg, NZA-RR 1996, S. 252 (253). K7 Seit BAG AP Nr. 7 BI. 2 R, Nr. 8 BI. 1 R zu § 39 BetrVG 1952; dabei unterliegt die Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BAG nur einer beschränkten Prüfung. Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes Erforderlichkeit kann nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt wurde und ob die Besonderheiten des Einzelfalles vollständig und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze abgewogen worden sind, vgl. BAG NZA 1996, S. 442 (443) m.w.N. KH Vgl. nur DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnrn. 6 und 12, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 11 m. N. aus Rechtsprechung und Literatur; ebenso Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 97.

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

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III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze auf die Verursachung von Anwaltskosten Neben der dargestellten Rechtsprechung des RAG und des BAG hat sich auch die Literatur dieses Themenbereiches angenommen und in Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG oder durch eigene Ansätze versucht, Begrenzungen und Konkretisierungen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsstreitigkeiten mit den Betriebspartnern zu entwickeln. Faßt man diese Grundsätze einmal vorweg zusammen, so sind die Kosten der Rechtsverfolgung dann nicht vom Arbeitgeber zu tragen, wenn sie nicht erforderlich und nicht verhältnismäßig sind. Als Konkretisierung der Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ist anerkannt, daß die Kosten dann nicht vom Arbeitgeber zu tragen sind, wenn die Rechtsverfolgung oder die Einlegung eines Rechtsmittels bei verständiger Würdigung überflüssig und damit rechtsmißbräuchlich sind, weil der Arbeitgeber keinen Anlaß für ein Verfahren gegeben hat oder die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint, weil dann auch eine auf ihre eigenen Kosten streitende Partei vernünftigerweise von der Rechtsverfolgung abgesehen hätte 89 • Bevor die einzelnen Konkretisierungen besprochen werden, sei in diesem Zusammenhang aber noch einmal an § 3 BRAO erinnert, wonach eine freie Rechtsanwaltswahl besteht und an den Grundsatz, daß die Anwaltsbeauftragung grundsätzlich dem Betriebsrat freisteht. Doch finden diese allgemeingültigen Grundsätze in den betriebsverfassungsrechtlichen Anforderungen und Voraussetzungen an die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ihre Begrenzungen. Im folgenden werden diejenigen Hauptgruppen dargestellt, an denen eine Grenzziehung zwischen zu erstattenden und nicht zu tragenden Kosten und damit eine Konkretisierung der dargestellten Anspruchsvoraussetzungen vorgenommen werden kann.

K9 BAG AP Nr. 14 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 2 R zu § 13 BetrVG 1972, BB 1977, S. 796, NZA 1992, S.41 (42), LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33, S. 142 f., NZA 1986, S. 337; Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.98, DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 17, FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 40 Rdnrn. 15, GalperinlLöwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 11 und 16, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnrn. 17 ff., Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnrn. 44 f., Otto Anm. zu EzA § 40 BetrVG 1972 NT. 33 zu § 148 f.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

J. Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung

a) Grundsatz Schon seit der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichtes ist die Belastung des Arbeitgebers mit Kosten der Anwaltstätigkeit von der Kostenerstattungspflicht dann nicht erfaßt, wenn die Rechtsverfolgung von vornherein aussichtslos erscheinen mußte90 • Dogmatisch sind solche Kosten als unverhältnismäßig anzusehen, da zwischen dem Ziel des Verfahrens und dem aufzuwendenden Mittel kein rechtlich zu billigendes Verhältnis besteht.

b) Entscheidungsspielraum des Mitbestimmungsorganes So eindeutig diese Aussage ist, so schwer ist doch ihre praktische Handhabung. Die Problematik der negativen Anspruchsvoraussetzung "Aussichtslosigkeit" liegt in der Frage, wie der Entscheidungsspielraum des Betriebsrats hinsichtlich der Erfolgsaussichten einzugrenzen ist. Die Erfolgschancen eines Rechtsstreits sind mit absoluter Sicherheit nur ex-post und damit nach der Durchfiihrung des Verfahrens zu beurteilen. Für die hier aber erforderliche exante Beurteilung muß im Prinzip auf eine verständige Würdigung der Prozeßchancen abgestellt werden. Wie dargestellt, ist dabei auch zu berücksichtigen, daß der Betriebsrat nicht mit dem Risiko einer schuldlosen Fehlbeurteilung belastet werden darf. Zur Vermeidung einer fehlerhaften Würdigung der Erfolgsaussichten wird vertreten, daß die Verfahrenskosten vom Arbeitgeber nur dann nicht zu tragen seien, wenn der Rechtsstreit "offensichtlich" aussichtslos war91 . Der Begrenzung der Kostentragungspflicht durch das Merkmal der Aussichtslosigkeit wird also ein weiteres objektivierendes Merkmal hinzugefiigt, nämlich das Merkmal der "Offensichtlichkeit". Zwar ist dieses Merkmal ein in der Rechtsordnung häufig verwandtes Konkretisierungsmerkmal 92 ; doch auch diesem läßt sich entgegnen, daß eine solche Offensichtlichkeit nur schwer faßbar ist. Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit ist eigentlich nur denkbar, wenn der Antrag im Beschlußverfahren unschlüssig ist, d. h. wenn z. B. in einem gerichtlichen Er-

90 RAG ARS 11, S.269, 13, S.508; BAG BB 1977, S.796 (796), LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 34, S. 156; BAG BB 1991, S. 2306 (2307); zusammenfassend Ehrich/Haß NZA 1996, S. 1075 (1077). 91 BAG AP Nr. 14 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972 = BB 1979, S. 163 (163); Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.99 m. w. N.; FittinglKaiserlHeitherl Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 15. 92 Siehe §§ 24 BVerfDG, 114 ZPO, 44 Abs. I VwVfG, 30 AsylVfG, Ila Abs. 2 ArbGG.

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

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zwingungsverfahren gegen den Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG überhaupt kein Pflichtverstoß vorgetragen wird93 • Trägt der Betriebsrat dagegen Tatsachen vor, die durchaus im Rahmen einer Schlüssigkeitsprüfung einen Vorwurf gegen den Arbeitgeber rechtfertigen können, aber letztlich nicht ausreichen, einen Beschluß gegen den Arbeitgeber herbeizuführen, so kann das Verfahren vom Standpunkt des Betriebsrats und einer verständigen Würdigung heraus, nicht von vornherein als offensichtlich aussichtslos angesehen werden 94 • Diese objektivierende Ansicht ist mithin abzulehnen. Vielmehr ist auch hier von dem dargestellten Beurteilungsspielraum des Betriebsrats auszugehen. Maßgeblich ist also die pflichtgemäße Würdigung eines vernünftigen Dritten und ob dieser - gegebenenfalls nach einem Eigenstudium oder einer Beratung 95 - unter den Umständen ein Verfahren eingeleitet hätte. Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ist der Betriebsrat daher zunächst gehalten, den Sachverhalt soweit wie möglich zu ermitteln. Danach hat er unter Heranziehung einschlägiger Literatur, soweit sie ihm nicht zur Verfügung steht, die sich aus dem Sachverhalt ergebende Rechtsfrage zu klären. Eine exakte juristische Beurteilung wird man aber von dem Betriebsrat nicht verlangen können.

c) Zweite und dritte Instanz Leichter ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Rechtsanwaltskosten zu beurteilen, wenn der Betriebsrat oder Mitglieder des Betriebsrats die Beschwerde nach §§ 87 ff. ArbGG zum Landesarbeitsgericht oder - gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts - die Rechtsbeschwerde nach §§ 92 ff. ArbGG zum Bundesarbeitsgericht einlegen. Hier kann von einer indiziellen Wirkung des erstinstanzlichen Beschlußverfahrens ausgegangen werden 96 • Hat sich im Verfahren der ersten Instanz ergeben, daß die Ansicht des Betriebsrats unzutreffend war und ist der Anspruch als unbegründet abgewiesen worden, so wird man daraus in der Regel auch auf die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels schließen können. Dies hat zumindest dann zu gelten, wenn der Betriebsrat erstinstanzlieh durch einen Anwalt vertreten war und in dem Rechtsmittelverfahren keine neuen Tatsachen vorgetragen werden. Diese indizielle Wirkung gilt um so mehr, wenn der Betriebsrat weder in der ersten noch 93 Weitere Beispiele bei BAG AP Nr. 2 zu § 85 ArbGG 1979 und Hessisches Landesarbeitsgericht, DB 1993, S. 1096. 94 Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 99. 95 Zu den hierfür erforderlichen und verhältnismäßigen Beratungs- und Informationsmöglichkeiten siehe Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 100. 9Ii Der Entschluß zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ist dem Betriebsrat oder dem Betriebsrat zwar grundsätzlich zuzubilligen, Fitting/KaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 18.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

in der zweiten Instanz mit seinem Antrag Erfolg gehabt hat97 • Will der Betriebsrat die Rechtsbeschwerde einlegen, so sind an das pflichtgemäße Ermessen besonders hohe Anforderungen zu stellen98 •

2. Unverhältnismäßig hohe Kosten

Als weiteres Kriterium zur Eingrenzung der Kostentragung wird auf die Unverhältnismäßigkeit der Höhe der Kosten zum Gegenstandswert abgestelle9 • Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Betriebsrat Ersatz von Fahrtkosten in Höhe von DM 10,00 begehrt und die Anwaltskosten aufgrund des pauschalierten Gebührensatzes rur Streitwerte bis DM 600 nach §§ 62 Abs. I, 31 Abs. I, II Abs. 1 S. 1 BRAGO rur eine 10/1O-Gebühr DM 50,00 betragen. Eine Ausnahme von dem Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ziel wird allerdings dann anerkannt, wenn der Arbeitgeber sich schon mehrmals geweigert hat, auch solche Bagatellaufwendungen zu ersetzen. In einem solchen Fall muß der Betriebsrat in der Lage sein, in einem durch einen Anwalt geruhrten Rechtsstreit seine Rechtsposition durchzusetzen 100. Als zweite Ausnahme ist anerkannt, wenn der Betriebsrat einen Musterprozeß anstrebt, d. h. über einen Sachverhalt ein Beschlußverfahren einleitet, der aller Wahrscheinlichkeit nach in Zukunft häufiger auftreten wird. In einem solchen Fall werden die unverhältnismäßig hohen Kosten des einzigen Prozesses dadurch relativiert, daß von einem Verfahren eine Signalwirkung auf die anderen streitigen Fälle ausgehen kann, so daß auch der Rechtsfrieden bei dem Vergleich von Aufwand und Ziel zu berücksichtigen ist oder die einzelnen Streitwerte addiert werden können 101. Als unverhältnismäßig hohe Kosten werden auch die Kosten angesehen, die durch die Beauftragung eines nicht ortsansässigen Rechtsanwalts, sondern eines auswärtigen Anwalts entstehen. Hierdurch kann es durch die anfallenden Fahrtkosten und Spesen ebenfalls zu einem Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ziel kommen, wenn das Ziel der Rechtsverfolgung durch einen Rechtsanwalt vor Ort genauso hätte erreicht werden können lO2 •

Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 102. SO zurecht Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 102. 99 Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 57, Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 102 f. 100 Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 57. 101 Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 56, Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 103 und S. 120 ff. \02 BAG AP Nr. 31 BI. I R f zu § 40 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 21. 97

9K

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

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3. Keine zweckentsprechende Verfolgung der rechtlichen Interessen

Ebenfalls aus dem Erforderlichkeitsgrundsatz leitet das BAG in Fortentwicklung des gerade dargestellten Grundsatzes die Forderung ab, daß die Vertretung des Betriebsrats durch einen Rechtsanwalt zur "zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich erscheinen muß"I03. Die Mandatierung des Anwaltes - und damit die hierdurch verursachten Kosten - müssen dem Ziel der Rechtsverfolgung entsprechen. Damit wird dem Betriebsrat die Pflicht auferlegt, bei der Wahl der Verfahrensart, soweit eine solche besteht, darauf zu achten, daß die Kosten gering bleiben. Eine solche Wahlmöglichkeit besteht - wie dargestellt lO4 - dann, wenn der Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber sowohl im Urteils- als auch im Beschlußverfahren ausgeührt werden könnte, so der Fall, wenn Betriebsratsmitglieder Arbeitsentgelt für die Dauer einer Schulungsveranstaltung gemäß § 37 Abs.6 i.V.m. Abs. 2 BetrVG begehren. Da es sich hinsichtlich des Lohnanspruches um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis handelt, ist hier grundsätzlich das Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 5 i.V.m. §§ 46 ff ArbGG die richtige Verfahrensart. Aber auch im Beschlußverfahren nach §§ 2a Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. §§ 80 ff ArbGG kann als Vorfrage geklärt werden, ob die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich und damit diese Anspruchsvoraussetzung für die Lohnzahlungsklage gegeben ist. Insoweit handelt es sich nämlich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Eine solche Entscheidung entfaltet eine präjudizielle Wirkung für weitere Verfahren aufgrund der streitigen Schulungsveranstaltung lOS. Obsiegt das betreffende Betriebsratsmitglied in dem Beschlußverfahren mit seinem Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung, dann hat diese Entscheidung auch Bedeutung für eine spätere Vergütungsklage oder für ein weiteres Beschlußverfahren, die die Erstattung der Schulungskosten über § 40 Abs. I BetrVG zum Gegenstand hat. Für die Nachfolgeverfahren mit denselben Beteiligten bzw. Parteien und dem gleichen Streitgegenstand steht dann (gegebenenfalls) rechtskräftig fest, daß die in diesem Verfahren erhobenen Ansprüche jedenfalls dem Grunde nach berechtigt sind oder nicht lO6 • Leitet ein Betriebsratsmitglied im Nachgang zum Beschlußverfahren ein Urteilsverfahren mit anwaltlicher Vertretung ein, verstoßen die

103 BAG AP Nr. 6 BI. 3 zu § 20 BetrVG 1972 = EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 7 S. 35, BB 1977, S. 796 (796), LAG Düsseldorf DB 1976, S. 1580 (1581). 104 Siehe Kapitel 4, 11. 105 Vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, § 37 Rdnr. 159 und ausftihrlich in Kapitel 7; ebenso Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 104. 106 BAG AP Nr. 5 BI. 2 R zu § 65 BetrVG 1972; Richardi Anm. zu LAG Hamm AP Nr. 2 zu § 20 BetrVG 1972.

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

dadurch entstehenden Anwaltskosten gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit lo7 • Ebenfal1s unter das Merkmal der "nicht zweckentsprechenden Rechtsverfolgung" fal1t der Fal1, daß ein Betriebsrat einen Rechtsanwalt mit der Verfahrensvertretung beauftragt hat, bevor er die Streitfrage mit dem Arbeitgeber beraten hat lO8 • Da dem Betriebsverfassungsgesetz neben dem Grundsatz der vertrauensvol1en Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG auch der Vorrang der innerbetrieblichen Einigung zugrunde liegt (vgl. §§ 74 Abs. 1 S. 2, 76 BetrVG) sind die Betriebspartner verpflichtet, einen Rechtsstreit nicht ohne vorherige Ankündigung einzuleiten. Der Arbeitgeber muß im Hinblick auf die drohenden Anwaltskosten in die Lage versetzt werden, selbst zu entscheiden, ob er sich der Rechtsauffassung des Betriebsrats anschließt oder ob er seinen eigenen und konträren Standpunkt aufrechterhalten will lo9 • Die weitere Mitteilung über die beabsichtigte Beauftragung eines Rechtsanwaltes wird man aber im Regelfal1 nicht verlangen können. Der Arbeitgeber muß grundsätzlich damit rechnen, daß der Betriebsrat beschließt, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen 110.

4. Mutwillige Anwaltsbeauftragung

Schon unter der Geltung des BRG 1920 hatte das Reichsarbeitsgericht anerkannt, daß die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht rein willkürlich oder aus einer Handlungsweise heraus gewählt werden dürfe, die eines vernünftig urteilenden Menschen widerspreche I 11. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Grundsatz übernommen ll2 und spricht von einer "mutwilligen Beauftragung", die den Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anwaltskosten zu tragen 113. Eine solche mutwillige l14 Anwaltsbeauftragung liegt z.B. dann vor, wenn der Betriebsrat an der Rechtsverfolgung eigentlich nicht interessiert ist und diese vielmehr nur dazu dient, dem Arbeitgeber Schwierigkeiten zu bereiten und Ko-

107 LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33 m. zust. Anm. Dtto, Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 104. lOK BAG AP Nr. 2 BI. 2 R zu § 85 ArbGG 1979, LAG Schleswig-Holstein DB 1989, S. 52 (52); FittinglKaiserlHeitheriEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 15. 109 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 105 m.w.N. 110 V gl. wiederum BAG AP Nr. 14 BI. 4 zu § 40 BetrVG 1972. 111 RAG ARS 6, S. 187 (191) und S. 142 (144). 112 BAG BB 1977, S. 796 (796) und DB 1979, S 107 (108). 113 Aus neuerer Zeit BAG NZA 1992, S. 41 (42). 114 Vgl. zum Begriff der Mutwilligkeit auch die Kommentierungen bei ThomaslPutzo, ZPO, § 114 Rdnr. 7 und BaumbachiLauterbachiHartmann, ZPO, § 114 Rdnr. 107.

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

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sten zu verursachen. Nach Blomeyer l15 unterfallen der mutwilligen Anwaltsbeauftragung alle Beschlußverfahren, die (mit Hilfe eines Anwaltes) zum Kampfrnittel gegen den Arbeitgeber oder andere betriebsverfassungsrechtliche Organe eingeleitet werden.

5. Einfache Sach- und Rechtslage

Eine weitere Einschränkung der Kostentragungspflicht hat der Erste Senat des BAG in seiner Entscheidung vom 26.11.1974 116 formuliert. Dort fUhrt er aus, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts nur dann als notwendig erscheine, wenn sie aus sachlichen, in der Natur des Rechtsstreits liegenden Gründen für erforderlich gehalten werden durfte. Es muß sich also um eine Sache handeln, die ihrer Sach- oder Rechtslage nach Schwierigkeiten aufweist oder zu deren Beurteilung bestimmte, dem Anwalt in besonderem Maße bekannte Verhältnisse von Bedeutung sein können ll7 • Der Sechste Senat des BAG ist allerdings in seiner Entscheidung vom 03.10.1978 118 von der dargestellten Ansicht des Ersten Senats - ohne Anrufung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes nach § 45 Abs. 2 ArbGG - ausdrücklich abgewichen. Der Sechste Senat bejaht grundsätzlich die Vertretungsmöglichkeit durch einen Anwalt. Der Senat hält die vom Ersten Senat vorgenommene Begründung der Beschränkung auf Verfahren mit Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht mit § 2 Abs. 1 BetrVG und dem daraus folgenden Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit fUr unzutreffend, da diese Vorschrift "nicht zu einem materiellen Ausschlußtatbestand fUr ein nach dem Arbeitsgerichtsgesetz eingeräumten Vertretungsrecht erhoben" werden dürfe und bejaht aufgrund der prozessuale~ Zulässigkeit der anwaltlichen Vertretung nach §§ 11 Abs. 1 und 80 Abs. 2 ArbGG eine grundsätzlich immer gegebene Kostentragungspflicht des Arbeitgebers l19 • Zu Recht wird gegen diese Rechtsprechung argumentiert, daß der Sechste Senat selbst wieder verkenne, daß die von ihm herangezogene Vorschrift des § 11 Abs. 1 ArbGG keine materiellrechtliche Bedeutung haben kann, die dem Betriebsrat

Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 106. BAG EzA § 20 BetrVG 1972 NT. 6 m. abI. Anm. Heckelmann = BAG OB 1979, S. 107 ff.; so auch Hessisches Landesarbeitsgericht AuR 1977, S. 185; Wiese, in: GKBetrVG, § 40 Rdnr. 60 m.w.N. 117 BAG EzA § 20 BetrVG 1972 NT. 6; Hessisches Landesarbeitsgericht AuR 1977, S. 185; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 18; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 60, Ehrich/Hoß NZA 1996, S. 1075 (1078). IIH BAG AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Grunsky; siehe auch BAG AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972. 119 BAG AP Nr. 14 BI. 4 R zu § 40 BetrVG. 115

11';

124

Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

einen Anspruch auf Anwaltsvertretung gegenüber dem Arbeitgeber einzuräumen vermag. Das Recht des Betriebsrats, einen Anwalt hinzuzuziehen, ergebe sich aus seiner Befugnis, Kosten zu verursachen. Dieses Recht wird durch § 2 Abs. 1 BetrVG in gewissem Maße eingegrenztI 2o • Im Gegenzug dazu räumt der Sechste Senat zwar auch wiederum ein, daß nach § 40 Abs. 1 BetrVG das Merkmal der Erforderlichkeit zu beachten '21 und nach § 2 Abs. 1 BetrVG eine angemessene Berücksichtigung der finanziellen Belange des Arbeitgebers geboten sei 122, hält allerdings nur eine mutwillige oder mißbräuchliche Durchsetzung oder Feststellung von betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüchen für unzulässig 123. Der Entscheidung des Ersten Senates wurde von Heckelmann '24 Widersprüchlichkeit vorgeworfen, da das BAG zunächst entschieden hatte, daß der Betriebsrat an sich zunächst nicht verpflichtet sei, in jedem Falle den für den Arbeitgeber billigsten Weg zu wählen, dann allerdings einschränkend unter Heranziehung von § 2 Abs. 1 BetrVG ausgeführt hatte, daß die finanziellen Mittel des Arbeitgebers zu berücksichtigen seien. Bei einer näheren Analyse dieser Entscheidung klärt sich dieser Widerspruch jedoch auf. Das BAG bezog sich bei seiner Argumentation in den Entscheidungsgründen zunächst (an sich) auf die Vorschrift des § 11 Abs. 2 ArbGG, die in der Tat ein Gebot zur Kostenminderung nicht kennt. Die Beschränkung der Kosten durch die Einbeziehung von § 2 Abs. 1 BetrVG geschah im Bewußtsein der hier dargestellten Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, mithin im Rahmen der Prüfung des konkreten Einzelfalles an Hand der maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen 125 • In einem weiteren Beschluß hat das BAG am 04.12.1979 126 entschieden, daß das Kriterium der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage als Maßstab für eine Erforderlichkeitsprüfung nicht geeignet sei. Dagegen spricht jedoch, daß auch andere gesetzliche Vorschriften in ähnlichen Zusammenhängen erkennbar davon ausgehen, daß Schwierigkeiten eines Rechtsstreites in praktikabler Weise abzusehen sind 127 • So kann zum Beispiel auch die Beiordnung eines Anwaltes 12U Siehe Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbetimmung, S. 106; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnrn. 61 f. 121 BAG AP Nr. 18 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972. 122 BAG AP Nr. 14 BI. 4 zu § 40 BetrVG 1972. 123 BAG AP Nr. 14 BI. 2 R zu § 40 BetrVG 1972. 124 Anm. zu BAG EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 6. 125 So im Ergebnis auch Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 107, der allerdings konsequenterweise auf das Übennaßverbot abstellt und weitere, von Heckelmann vorgeworfene Widersprüchlichkeiten in der Entscheidung des Ersten Senates widerlegt (S. 108). 126 BAG AP Nr. 18 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972. 127 Hanau, SAE 1979, S. 220 ff.

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

125

im Fall des § 11 a Abs. 1 ArbGG dann unterbleiben, wenn sie nicht aus besonderen Gründen erforderlich ist. Dies ist in einfach gelagerten Fällen der Fall, in denen eine Partei ihre Rechte ohne weiteres selbst geltend machen kann 128. Auch wird bei der Prozeßkostenhilfevorschußpflicht der Ehegatten nach § l360a BGB auf die Schwierigkeit und die wirtschaftliche Bedeutung der Sache abgestellt1 29 . Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum im Gegensatz zu diesen Fällen die Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Rahmen eines Beschlußverfahrens unmöglich sein soll. Die fehlende Aufnahme in den Wortlaut der Vorschrift kann als Grund nicht entscheidend sein. Zuzugeben ist zwar, daß sich generelle Anhaltspunkte rur einen "schweren oder leichten Fall" nur schwer gewinnen lassen, da die Frage einer einfachen Sachund Rechtslage im Einzelfall entschieden werden muß. Betrachtet man das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren und arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren jedoch genauer 130 und berücksichtigt man, daß Betriebsratsmitglieder aufgrund der Ansprüche nach § 37 Abs.6 und 7 BetrVG an Schulungsveranstaltungen teilgenommen haben und damit über Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechtes verrugen, so läßt sich der Begriff der einfachen Sach- und Rechtslage unter Anlegung der ex-ante Betrachtung ausreichend konkretisieren. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß durch die Ansicht des Sechsten Senats des BAG I3I , wonach auch die mutwillige oder rechtsmißbräuchliche Durchsetzung von Rechten unzulässig sein soll, dem Erforderlichkeitsmaßstab nicht gerecht wird und der engeren Auffassung des Ersten Senates des BAG zu folgen ist 132 •

6. Rechtsverfolgung durch einen Verbandsvertreter (§ 11 Abs. I und Abs. 2 ArbGG)

Wohl zu den umstrittensten Diskussionspunkten 133 im Rahmen der Kostentragungspflicht gehört die Frage, ob der Betriebsrat im Interesse einer Kosten128 Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 11 a Rdnr. 59 und Grunsky, ArbGG, § lla Rdnr. 9. 129 Münch-Komm-Wacke, BGB, § 1360a Rdnr. 30 und Palandt-Diederichsen, BGB, § 1360a Rdnr. 20. 130 Siehe dazu Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 109 ff., der die Frage nach der einfachen Sach- und Rechtslage für die einzelnen Instanzen des Beschluß- wie des Urteilsverfahrens untersucht. 131 APNr. 14 und 18 zu § 40 BetrVG 1972. 132 Ebenso Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 62. 133 BAG AP Nr. 6 und 7 zu § 20 BetrVG 1972, AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Grunsky = SAE 1979, S. 215 m. zust. Anm. Hanau = AuR 1979, S. 156 m. zust. Anm. Däubler, AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Hanau, AP Nr. 31

126

Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

senkung statt einen Rechtsanwalt einen Gewerkschaftssekretär zu beauftragen hat, durch dessen Verfahrensvertretung Kosten entweder gar nicht oder nur in geringerem Umfang anfallen. Die Diskussion wird wegen der in § 11 Abs. 1 und 2 ArbGG vorgesehenen Zulässigkeit gewerkschaftlicher Vertretung neben der anwaltschaftlichen Vertretung in erster und zweiter Instanz im Rahmen des Beschlußverfahrens sehr kontrovers geführt. Aufgrund der gesetzlichen Regelung der Postulationsfähigkeit könnte der Betriebsrat durch zwei Instanzen sein Anliegen von Gerichten ohne Kosten für den Arbeitgeber überprüfen lassen. Hinsichtlich einer eventuellen Rechtsbeschwerde könnte auf die dargestellten Grundsätze der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung zurückgegriffen werden. Danach wären auch die Rechtsanwaltskosten nicht zu ersetzen, die durch die Einlegung der Rechtsbeschwerde anfallen, wenn in erster wie zweiter Instanz das Verfahren jeweils verloren wurde 134 • Auf diesem Wege würden fur den Arbeitgeber keine Kosten anfallen, da dann Anhaltspunke vorliegen, daß der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats den Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht in gehöriger Form ausgeschöpft hat. Es besteht also fur bestimmte Fallkonstellationen die Möglichkeit, ein Beschlußverfahren durch sämtliche Instanzen ohne Kostenverursachung zu Lasten des Arbeitgebers zu fuhren. Bevor im einzelnen auf die kontroversen Meinungen eingegangen wird, sollen die Kosten fur einen Verbandsvertreter näher dargestellt werden.

a) Kosten des Verbandsvertreters 135 Die Tätigkeit eines Gewerkschaftssekretärs oder anderer Verbandsvertreter verursacht in der Regel keine oder zumindest geringere Kosten als die Mandatierung eines Rechtsanwaltes. Die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) findet weder direkt noch sinngemäß auf die Tätigkeit der Gewerkschaften und die von ihnen gewährte Verfahrensvertretung Anwendung 136 . Der Verbandsvertreter steht in einem festen Beschäftigungsverhältnis zur Gewerkzu § 40 BetrVG 1972; LAG Berlin BB 1976, S. 1127, LAG Hamm BB 1986, S.323; DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnr.20, Dütz BB 1978, S. 213; a.A. LAG Düsseldorf EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 28, S. 115 mit abI. Anm. Kittner, LAG Hamm EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 5, S. 18 m. krit. Anm. Reuter; Wolfgang Blomeyer; Finanzierung der Mitbestimmung, S. 113, FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 12, GalperinlLöwisch, BetrVG, § 40 Rdnr. 12; Gerauer NZA 1988, Beilage Nr. 4, S. 19, Glauhitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 22, Klinkhammer AuR 1977, S. 144, Stege DB 1974, S. 2204, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnm. 58 f. 134 Siehe Kapitel 7, III, 1. 135 VgI. zum folgenden Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S.I13. 136 Madert, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, § I Rdnr. 4.

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

127

schaft und wird auch von dieser für seine Tätigkeit vergütet. Wenn er die Beratung oder Verfahrensvertretung für ein Mitglied übernimmt, so begründet dies kein selbständiges Vertragsverhältnis zum Rechtssuchenden, sondern der Gewerkschaftssekretär wird aufgrund seines eigenen Anstellungsverhältnisses mit der Gewerkschaft als Dienstleister tätig. Deshalb entfällt ein Vergütungsanspruch gegenüber dem Gewerkschaftsmitglied. Das Recht des Arbeitnehmers auf Rechtsschutz durch die zuständige Gewerkschaft oder den DGB entspringt seiner Mitgliedschaft und den gewerkschaftlichen Rechtsschutzrichtlinien. Gebühren für die Vertretung vor Gericht werden von den Verbänden (überwiegend) nicht erhoben. Der Rechtsschutz ist ein Vorzug aus dem Mitgliedschaftsverhältniss und wird durch den Mitgliedschaftsbeitrag abgedeckt. Dieser Beitrag hat seine Rechtsgrundlage in dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verband und ist somit nicht Entgelt für die Tätigkeit des Verbandsvertreters. Er kann daher nicht unter Berufung auf § 40 Abs. I BetrVG vom Arbeitgeber verlangt werden 137 • Eine Ausnahme von der Kostenfreiheit liegt allenfalls dann vor, wenn der Verbandsvertreter zugleich zugelassener Rechtsanwalt ist und damit der BRAGO unterliegt. Nur in einem solchen Falle entsteht regelmäßig ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach §§ 611, 675 BGB zwischen Anwalt und Mitglied. Anders stellt sich die rechtliche Situation hingegen wieder dar, wenn der Verband den Anwalt mit der Vertretung beauftragt hat oder - wie vor allem von der IG Metall vorgesehen - dem organisierten Mitglied eine freie Rechtsanwaltswahl zusteht. In diesen Fällen trägt die Gewerkschaft die Kosten der Verfahrensvertretung.

b) Ansicht der Rechtsprechung Das Bundesarbeitsgericht gewährt dem Betriebsrat seit seiner Entscheidung vom 03.10.1978 138 ein dreifaches Wahlrecht. Es billigt den betriebsverfas-

137 Etwas anderes gilt dann, wenn der Verband eine besondere Vergütung für die gerichtliche Unterstützung verlangt oder wenn von dem Mitglied für die Inanspruchnahme eines Verbandsvertreters ein erhöhter (Mitgliedschafts-) Beitrag verlangt wird. Sofern ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder einen derartigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen würden, entstünden folglich für den Arbeitgeber keine erstattungspflichtigen Kosten. m AP NT. 14 zu § 40 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Grunsky = SAE 1979, S. 215 m. zust. Anm. Hanau = AuR 1979, S. 156 m. zust. Anm. Däubler; diese Rechtsprechung wurde fortgeführt in AP NT. 18 zu § 40 BetrVG 1972 und ist auch von den Instanzgerichten übernommen worden, vgl. LAG Berlin BB 1976, S. 1127, LAG DüsseldorfNZA 1986, S. 578, LAG Hamm BB 1986, S. 323; der Rechtsprechung sind gefolgt Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 20, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 19.

128

Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

sungsrechtlichen Organen entsprechend der Regelung in § 11 Abs. 1 ArbGG die uneingeschränkte Wahlmöglichkeit zu, ob diese das Verfahren selbst führen, sich der Vertretung durch einen Vertreter einer Gewerkschaft oder der Vertretung eines Rechtsanwaltes bedienen wollen. Allerdings bedarf es auch insoweit einer pflichtgemäßen Abwägung aller Umstände 139 • Eine Verweisung des Betriebsrats darauf, daß er sich vor dem Arbeitsgericht grundsätzlich selbst vertritt, lasse sich nach Ansicht des BAG dem Gesetz nicht entnehmen 140. Das BAG begründet diese Ansicht damit, daß es sich bei der Kostenregelung der Zivilprozeßordnung und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens lediglich um prozeßrechtliche Kostenverteilungsgrundsätze handele, die hinter der materiellrechtlichen Kostennorm des § 40 Abs.l BetrVG zurücktreten müßten. Das Prozeßkostenrisiko spiele in den Beschlußverfahren daher keine Rolle 141 • Auch sei es mit Rücksicht auf die im Beschlußverfahren herrschende Offizialmaxime nicht ausgeschlossen, daß das Gericht gewisse anspruchsbegründende Tatsachen nicht ermitteln könne, so daß ein ergänzender Vortrag des Betriebsrats durch einen Vertreter notwendig wird oder aufgrund auftretender prozessualer Schwierigkeiten die Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit nicht gerechtfertigt sei l42 • Auch könne der Betriebsrat nicht darauf verwiesen werden, mit eigenen in vorangegangenen Schulungsveranstaltungen erworbenen Kenntnissen des Betriebsverfassungsrechtes ein Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht zu führen 143. Auch begründet das BAG eine grundsätzliche Wahlmöglichkeit zwischen der kostengünstigereren gewerkschaftlichen Vertretung und der kostenintensiveren anwaltlichen Vertretung. Die Wahlmöglichkeit des § 11 Abs. 1 ArbGG sei nicht an den Versuch gebunden, vor der Beauftragung eines Rechtsanwaltes Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft zu versuchen zu erlangen. Es bestehe keine generelle Pflicht des Betriebsrats oder seiner Mitglieder, sich in einem Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber möglichst durch einen Vertreter einer Gewerkschaft vertreten zu lassen 144 • Eine derartige Auffassung würde vor

139 BAG AP Nr. 14 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972 mit Verweisen auf BAG AP Nr. I und 7 zu § 39 BetrVG 1952 und AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG 1952. 140 BAG AP Nr. 14 BI. 3 R zu § 40 BetrVG 1972. 141 BAG AP Nr. 14 BI. 3 R zu § 40 BetrVG 1972. 142 BAG AP Nr. 14 BI. 3 R zu § 40 BetrVG 1972. 143 Nach Ansicht des Gerichtes würden auf solchen Schulungen erworbene Kenntnisse meistens überbewertet, BAG AP Nr. 14 BI. 3 R zu § 40 BetrVG 1972. 144 BAG AP Nr. 14 BI. 4 zu § 40 BetrVG 1972; diese Pflicht lasse sich auch nicht aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit der §§ 2 Abs. I und 74 Abs. I BetrVG herleiten, da dies Gebot nur den Inhalt habe, daß der Betriebsrat bei der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte nicht mutwillig oder gar rechtsmißbräuchlich handelt (BAG a.a.O.). Diese Interpretation des Gebotes zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit steht allerdings in einer extremen Abweichung zu der Interpretation des

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

129

allem dann weitere Probleme aufwerfen, wenn im Betriebsrat oder im Betrieb mehrere Gewerkschaften oder umgekehrt, keine Gewerkschaft vertreten ist. Des weiteren liefe die Begründung der Pflicht der Gewerkschaften, dem Betriebsrat oder einem Mitglied kostenlosen Rechtsschutz zu gewähren, auf eine Unterstützungs funktion zugunsten des Arbeitgebers hinaus l45 • Die Gewerkschaften hätten zwar in mehreren Normen eine betriebsverfassungsrechtliche Hilfs- und Unterstützungsfunktion für den Betriebsrat; diese Funktionen beschränkten sich allerdings jeweils auf bestimmte Einzelfragen und könnten auch nicht unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften in § 2 Abs. 1 BetrVG zu einer Verpflichtung der Gewerkschaften zur Vertretung führen l46 • Die Kosten der Beauftragung eines Anwaltes seien sogar dann noch nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu ersetzen, wenn die hinter dem Antragsteller stehende Gewerkschaft ein besonderes Interesse an der Durchführung und dem Ausgang des Beschlußverfahrens hat und aus diesem Grunde die Vertretung der Antragsteller vor dem Gericht mit einem Anwalt ihres Vertrauens veranlaßt hat. In einem solchen Fall sei davon auszugehen und auch zu billigen, daß die Beteiligten das Interesse der hinter ihnen stehenden Verbände zu ihren eigenen umwandeln und dann auch verfolgen l47 •

c) Ansicht der Literatur, insbesondere die Problematik der Erforderlichkeit Eine solch betriebsratsfreundliche Wahlmöglichkeit, die der Wahlmöglichkeit des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG den Vorrang einräumt vor der Verpflichtung des Betriebsrats zur kostenminimierenden Rechtsverfolgung, findet in der Literatur kaum Anhänger.

BAG AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG, worauf Gerauer, NZA Beilage 4/1988, S. 19 (20) zutreffend hinweist. 145 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 116. 14~ BAG AP Nr. 14 BI. 4 zu § 40 BetrVG 1972; so auch BAG AP Nr. 18 BI. 2 R zu § 40 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 59 m.w.N.; a.A: LAG Schleswig-Holstein, BB 1975, S. 1636 und LAG Oüsseldorf EzA § 40 BetrVG Nr.28, S. 119 ff., die einen Verstoß der Gewerkschaften gegen die Beobachtung der finanziellen Interessen des Arbeitgebers durch die Gewerkschaften dem Betriebsrat zurechnen wollen; weiter führt das BAG a.a.O. m.w.N. aus, daß sich auch bei Annahme einer Verpflichtung einer Gewerkschaft zur Rechtsschutzgewährung keine Pflicht des Betriebsrats ableiten ließe, einen entsprechenden Anspruch auf Rechtsschutz auch auszuüben, ebenso DietzlRichardi, BetrVG § 40 Rdnr. 20, FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 40 Rdnr. 20, Heckelmann Anm. zu EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 7. 147 So schon BAG in AP Nr. 6 BI. 3 zu § 20 BetrVG 1972; DietzlRichardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 17; a.A: Stege OB 1974, S. 2204 (2205). 9 MüUer·Boruttau

130

Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

Zwar ist die objektive Geeignetheit der Gewerkschaftssekretäre als Interessenvertreter anerkannt, da ihnen aufgrund der intensiven gewerkschaftlichen Schulungen die gleiche fachliche Qualifikation wie einem Rechtsanwalt zugestanden wird l48 . Lediglich das BAG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1974 149 angedeutet, daß ein Anwalt bei schwieriger Sach- oder Rechtslage tUr qualifizierter gehalten werden dürfte als ein Gewerkschaftssekretär. Die angedeutete Differenzierung ist in der LiteraturISO zurecht auf Kritik gestoßen. Soweit Rechtssekretäre nämlich arbeitsrechtlich ausgebildet sind, besitzen sie aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung in der Regel weitergehende Kenntnisse und Erfahrungen als nicht spezialisierte Rechtsanwälte. Ansonsten werden aber hinsichtlich der Erforderlichkeit der Vertretung des Betriebsrats durch Rechtsanwälte unterschiedliche, ja konträre Meinungen vertreten. Die extremste Position bezieht MartinIsI, indem er Anwaltskosten nur ausnahmsweise tUr erstattungsfähig hält, wenn etwa gewerkschaftliche Vertretung aus zwingenden Gründen nicht möglich war. Diese extreme Ansicht wird in Formulierungsnouancen schrittweise abgeschwächt, wenn unter Hinweis auf die Pflicht zur Kostenersparnis durch den Betriebsrat oder der Mitglieder nach §§ 2 Abs. 1 und 74 Abs. 1 BetrVG an die Erforderlichkeit der Anwaltskosten ein strenger Maßstab angelegt wird, der aber bei schwieriger Sach- und Rechtslage schon beachtet sein solle J52 • Die Gegenmeinung tritt sodann zu Tage, wenn bei möglicher gewerkschaftlicher Vertretung die Beauftragung eines Anwalts "nicht schlechthin" oder "nicht immer" als ausgeschlossen angesehen wird. Als Maßstab tUr die Kostenerstattung durch den Arbeitgeber wird dann im weiteren die Notwendigkeit der Anwaltsbeauftragung unter Berücksichtigung des pflichtgemäßen Ermessens des Betriebsrats erachtet 153 • Eine weitere Meinung will weitergehend einen allgemeinen Grundsatz der Kostensparpflicht bei möglicher gewerkschaftlicher Vertretung nicht anerkennen 1s4 , während Boldt 1SS schließlich tUr eine Abwälzung der Anwaltskosten auf den Arbeitgeber in allen Fällen bis zur Grenze des Mutwillens eintritt. Noch weiter geht Heckelmann, der die Kostenpflicht des Arbeitgebers auch dann nicht entfallen lassen will,

14M Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S 115 f., Klinkhammer AuR 1977, S. 144 (148), Stege DB 1974, S. 2205 (2206). 149 BAG AP NT. 6 zu § 20 BetrVG I CJ72. ISO Klinkhammer, AuR 1977, S. 144 (148), Stege DB 1974, S. 2205 (2206). ISI Martin, Mitteilungen des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes e.V., 1967, Nr. 28, S. 6 ff. 152 Gerauer, NZA Beilage 411988, S. 19 (20) und Hueck-Nipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, S. 1204. 153 Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 20. IS4 Galperin/Marienhagen, BetrVG, § 40 Rdnr. 12. 155 BoldtDB 1967, S.1809(1810f.).

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

131

wenn der Betriebsrat gewerkschaftlichen Rechtsschutz hätte erlangen können l56 .

d) Stellungnahme Sowohl dem Bundesarbeitsgericht als auch den extremen Meinungen in der Literatur kann nicht gefolgt werden. Dem Bundesarbeitsgericht ist nur insoweit zuzustimmen, daß es keine explizite gesetzliche Regelung gibt, wonach der Betriebsrat auf die Rechtsvertretung durch die Gewerkschaftssekretäre verwiesen werden kann. Eine solche ist allerdings auch nicht erforderlich. Selbst unter Zugrundelegung der eigenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann nämlich die Verpflichtung des Betriebsrats oder seiner Mitglieder zur Inanspruchnahme von gewerkschaftlicher Vertretung begründet werden. Insbesondere ist auf die weitergehende Auslegung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit und den Erforderlichkeitsgrundsatz abzustellen 157. Danach ist nicht nur die Abgrenzung zwischen mißbräuchlicher und mutwilliger Anwaltsbeauftragung auf der einen Seite und zulässiger Inanspruchnahme auf der anderen Seite vorzunehmen 158 , sondern der Erforderlichkeitsgrundsatz greift schon bei der Auswahl der Verteidigungsmöglichkeiten ein, d.h. auch im Rahmen der Wahlmöglichkeit bei der Vertretung durch einen Verbandsvertreter ist der Betriebsrat an die vom RAG und BAG aufgestellten Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gebunden. Aus diesen folgt, daß ein Betriebsrat, dessen Mitglieder teilweise oder vollständig gewerkschaftlich organisiert sind, oder Mitglieder des Betriebsrats, die Mitglied einer Gewerkschaft sind, sich zunächst um gewerkschaftlichen Rechtsschutz zu bemühen haben, bevor sie einen verbandsexternen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragen dürfen l59 • Stellt die zuständige Gewerkschaft dem Rechtssuchenden zur Wahl, ob er einen Rechtssekretär oder einen Anwalt der Gewerkschaft beauftragen will, so muß er die Hilfe des Rechtssekretäres in Anspruch nehmen, soweit die dadurch entstehenden Kosten geringer sind. Weigert sich die Gewerkschaft, dem Betriebsrat den notwendigen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, kann er sich direkt an einen Anwalt wenden. Unterläßt der Betriebsrat aber eine dementsprechende Anfrage bei der zuständigen Gewerkschaft, so verstößt er gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz, da er dann nicht nach einem ebenso geeigneten, aber kostengünstigeren Rechtsschutz nachsucht. Ohne eine solche Anfrage bei der zuständigen Gewerkschaft wird der Betriebsrat in einem möglicherweise nachfol-

Heckelmann Anm. zu BAG EzA § 20 BetrVG 1972 Nr. 7. V gI. noch einmal BAG AP Nr. 6 BI. 3 f. zu § 20 BetrVG 1972. 15K SO allerdings BAG AP Nr. 14 BI 4 R zu § 40 BetrVG. 159 Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 59.

156

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Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

gen den Beschlußverfahren über die Kostentragung der Anwaltskosten kaum in der Lage sein nachzuweisen, daß die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich war l60 •

7. Parallelverfahren

Neben Streitigkeiten über Einzelfälle kommt es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebspartnern über mehrere gleiche, d.h. gleichzeitig auftretende oder sich in zeitlicher Abfolge wiederholende Sachverhalte. Die Auswirkungen des Erforderlichkeitsgrundsatzes auf damit verbundene Parallelverfahren werden ebenfalls diskutiert '61 • Der Erforderlichkeitsgrundsatz verlangt - wie dargelegt - bei Vorhandensein mehrerer Mittel nur jenes in Anspruch zu nehmen, das für den Betroffenen, d. h. für den erstattungspflichtigen Arbeitgeber, die nach der Wirkung geringsten Folgen hervorruft. Da Parallelverfahren schon definitionsgemäß gleichartige bzw. sehr ähnliche Sachverhalte betreffen, werde in der Regel nur ein einziges Verfahren das Merkmal der Erforderlichkeit erfüllen '62 . Auf der anderen Seite hat aber das BAG entschieden, daß sich ein Betriebsratsmitglied nicht das Tatsachenvorbringen oder die Rechtsausführungen in einem anderen, aber gleich gelagerten Verfahren zueigen machen brauche 63 •

a) Einleitung von Parallelverfahren Allein aus der Tatsache eines bereits anhängigen oder in absehbarer Zeit anhängig zu machendem Verfahren ergibt sich nach überwiegender Ansicht noch nicht die fehlende Erforderlichkeit eines weiteren Verfahrens l64 • Unter Berücksichtigung des Erforderlichkeitsgrundsatzes ist allerdings die Einleitung eines weiteren Verfahrens nach Durchführung eines ersten Verfahrens zu dem betrefIfiO Im Ergebnis ebenso Walfgang Blameyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 119; Gerauer NZA Beilage 4/1988, S. 19 (21); Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 58, Klinkhammer, AuR 1977, S. 144 (147 f.), Stege DB 1974, S. 2204 (2205 f.). lfil Vgl. die Nachweise bei Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 17, Fitting/Kaiser! Heither!Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 22, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 40 Rdnr. 18, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnrn. 45 und 56; siehe auch Dütz BB 1978, S. 213 (214). Ifi2 So Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 17, Grunsky Anm. zu AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972 und Hanau SAE 1979, S. 219 (220). Ifi3 BAG AP Nr. 14 BI. 4 zu § 40 BetrVG 1972 im Gegensatz zu LAG Hamm EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 31; a.A. auch Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 45. IM Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 45 m.w.N., a.A. Dietz/Richardi, BetrVG, § 40 Rdnr. 17.

III. Konkretisierung der dargestellten Grundsätze

133

fenden Sachverhalt nicht erforderlich, wenn durch ein Musterverfahren die Klärung der gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalte vereinbart wurde oder der Arbeitgeber angezeigt hat, sich an diese Entscheidung zu halten '65 • Begründet wird diese Wirkung des Musterverfahrens oder einer anstehenden gerichtlichen Entscheidung auf die übrigen Streitfiille aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht auch damit, daß aus §§ 2 Abs. 1 und 74 Abs. 1 BetrVG eine Pflicht sowohl des Arbeitgebers als auch des Betriebsrat abgeleitet werden kann, den Ausgang des Testverfahrens als verbindlich anzuerkennen 166. Eine materielle Rechtskraftwirkung für andere Streitfälle besteht zwar nicht, doch kann zum einen eine präjudizielle Wirkung angenommen werden oder aber man kann zum anderen aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine Pflicht zum Abschluß einer Rechtskrafterstreckungsvereinbarung ableiten l67 • Der Beteiligte, dessen Standpunkt im vorangegangenen Verfahren rechtskräftig abgelehnt worden ist, würde gebotswidrig handeln, wenn er trotz entgegenstehender Entscheidung die gleiche Streitfrage erneut anhängig macht, ohne daß ein anderer Ausgang des Verfahrens erwartet werden kann '68 •

b) Anwaltliche Vertretung bei Parallelverfahren Auch bei der Anwaltsvertretung bei einem Parallel- oder Folgeverfahren beschränkt der Grundsatz der Erforderlichkeit den Handlungsspielraum des Betriebsrats. Wurde nämlich schon das Musterverfahren zulässigerweise mit Hilfe eines Rechtsanwalts geführt, so können - soweit verwendbar - die in diesem Verfahren gewonnenen Erfahrungen auf die Parallelverfahren übertragen werden '69 • Die Schwierigkeit einer Kostenbeschränkung bei Massenverfahren besteht letztlich in der Frage nach den Kriterien für die Beurteilung der sachlich und rechtlich gleichgelagerten Sachverhalte 170. Auf eine absolute Gleichartigkeit,

165 LAG Berlin AP Nr. 21 BI. I R zu § 40 BetrVG 1972; FittinglKaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 15 und Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnm 45 und 56 m.w.N. 166 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 121, Dütz BB 1978, S. 213 (216). 167 So Dütz BB 1978, S. 213 (216). 16K Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 121; auch kann in einem solchen Fall nach Ansicht des Verfassers auf die Grundsätze der fehlenden Erforderlichkeit wegen mangelnder Erfolgsaussicht zurückgegriffen werden, vgl. dazu Kapitel 6, III. 169 Da in solchen Musterverfahren häufig Grundsatzfragen zu entscheiden sind, werden an die Erforderlichkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes für den Musterprozeß geringere Anforderungen gestellt, vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 56. 170 Wolfgang Blomeyer, Finanzierung der Mitbestimmung, S. 122.

134

Kap. 6: Umfang und Grenzen der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten

die ohnehin nur selten gegeben sein wird, kann es dabei nicht ankommen. Entscheidend muß vielmehr sein, ob der vom Betriebsrat selbständig gerichtlich zu verfolgende Fall einem bereits entschiedenen Fall gleicht, daß der Betriebsrat die weiteren Verfahren ohne Anwalt oder unter Verwendung der vorhandenen Unterlagen und Erfahrungen in erfolgversprechender Weise führen kann. Ist allerdings schon die Einleitung eines weiteren Verfahrens nicht erforderlich gewesen, gilt dies um so mehr für die in einem Folge- oder Parallelverfahren verursachten Kosten des Verfahrensbevollmächtigten 171 •

IV. Zusammenfassung Ausgehend von der historischen Entwicklung des § 40 Abs. I BetrVG und der durch das Reichsarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht erfolgten Präzisierung der Anspruchsvoraussetzungen für die Kostenerstattungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats und seiner Mitglieder, lassen sich folgende Grundsätze zusammenfassen. Die Befolgung dieser Grundsätze fuhrt zu einer Kostentragungspflicht des Arbeitgebers. Zunächst muß der Rechtsstreit, in dem die Rechtsanwaltskosten entstanden sind, selbst vom Aufgabenbereich des Betriebsrats erfaßt sein. Zu der Tätigkeit des Betriebsrats gehören die Wahrnehmung seiner Rechte sowie die seiner Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber und darüber hinaus auch allgemein die Befugnis zur Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitfragen. Damit ist auch die Einleitung von Beschlußverfahren oder die Beteiligung an einem vom Arbeitgeber eingeleiteten Beschlußverfahren verbunden, soweit über den Bestand oder den Umfang betriebsverfassungsrechtlicher Rechte Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber bestehen und eine innerbetriebliche Klärung erfolglos durchgeführt wurde. Fehlt es an der Aufgabenbezogenheit des Verfahrens, ist dies unschädlich, wenn der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats bei einer ex-ante Überprüfung des Beurteilungsspielraumes von der Aufgabenbezogenheit ausgehen durfte. Ist aufgrund der Aufgabenbezogenheit der im Streit befmdlichen Frage das Beschlußverfahren an sich zulässig, so besteht die Kostentragungspflicht aber nur insoweit, als der Kostenaufwand durch die ordnungsgemäße Rechtsverfolgung erforderlich und verhältnismäßig war. Diese Kriterien sind maßgeblich fur die Frage, ob die durch das Beschlußverfahren verursachten Kosten für die

171 LAG Berlin AP Nr. 21 BI. 2 zu § 40 BetrVG 1972, LAG Düsseldorf LAGE § 40 BetrVG 1972 Nr.25 S.3 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 56, Düfz BB 1978, S. 213 (216).

IV. Zusammenfassung

135

Hinzuziehung eines Vertreters im Beschlußverfahren unter die Kostenerstattungspflicht des Arbeitgebers fallen. Bei der Frage der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht dem Betriebsrat wiederum ein Beurteilungsspielraum zu. Unstreitig sind die Kosten zu ersetzen, die dadurch entstehen, daß im Arbeitsgerichtsgesetz die anwaltliche Vertretung des Betriebsrats vorgeschrieben ist. So müssen nach § 94 Abs. 1 ArbGG sowohl die Rechtsbeschwerdeschrift und als auch die Rechtsbeschwerdebegründung von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Außerhalb dieser eindeutigen von Gesetzes wegen erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtanwaltes haben sich in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten herausgebildet, in welchen Fällen die konkreten Kosten der rechtsanwaltschaftlichen Vertretung nicht erforderlich sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint, wenn unverhältnismäßig hohe Kosten anfallen, wenn keine zweckentsprechende Verfolgung der rechtlichen Interessen vorliegt, wenn die Anwaltsbeauftragung mutwillig war, wenn eine einfache Sach- und Rechtslage dem Antrag zugrunde liegt, wenn nach einem Musterverfahren weitere Verfahren oder gar ein Massenverfahren durchgeführt wird. Liegt einer dieser Ausnahmefälle vor, so war die Anwaltsbeauftragung durch den Betriebsrat im ersten Beschlußverfahren nicht erforderlich. Folge davon ist es, daß der Arbeitgeber die in einem Folgeverfahren geltend gemachten Kosten der Rechtsanwaltsbeauftragung nicht zu erstatten bzw. den Betriebsrat nicht von diesen Kosten freizustellen hat. Unterschiedliche Meinungen werden zur Vertretung des Betriebsrats durch einen Gewerkschaftsvertreter vertreten. Nach der hier ausgeführten Ansicht, hat sich der Betriebsrat bzw. ein Mitglied des Betriebsrats zunächst an eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft zu wenden, wenn ein Mitglied des Betriebsrats oder das Mitglied des Betriebsrats selbst gewerkschaftlich organisiert ist.

Kapitel 7

Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers Die bisherigen Ausfiihrungen gaben unter Berücksichtigung der rechts geschichtlichen Entwicklung des § 40 Abs. 1 BetrVG den Stand der Meinungen in der Rechtsprechung und der Literatur wieder. Bei der Systematisierung der Ansätze ist aufgefallen, daß sich die dargestellten Ansätze vornehmlich mit den Anspruchsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG beschäftigen. Im folgenden soll in Anlehnung an die prozessualen Voraussetzungen des Beschlußverfahrens überprüft werden, inwieweit prozessuale oder weitere materiellrechtliche Begrenzungsmöglichkeiten der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers in Betracht kommen.

I. Einführung

Wie dargestellt, ist der Kostenerstatlungsanspruch im Rahmen eines Beschlußverfahrens nach §§ 2a Abs. 1 Nr. la i.V.m. 80 ff. ArbGG geltend zu machen. Der Erfolg eines solchen Beschlußverfahrens hängt allerdings nicht nur von den materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG ab, sondern das durch einen Antrag nach § 81 Abs. 1 ArbGG eingeleitete Verfahren unterliegt wie jedes andere gerichtliche Verfahren, das die Anwendung objektiven Rechts auf einen tatsächlichen Vorgang zum Ziel hat, einer von der Prüfung der Begründetheit zu trennenden Zulässigkeitsprüfung 1• Im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsgesuches im allgemeinen und des Antrages im Beschlußverfahren im speziellen ist stets zwischen den Sachurteilsvoraussetzungen betreffend das Gericht, die Parteien und den Streitgegenstand zu unterscheiden 2 .

RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 96, I, 1. Germelmann/MattheslPrütting, ArbGG, § 80 Rdnm. 40 ff.; allgemein zu den Prozeßvoraussetzungen, RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 96, 11, 1-3; Bei RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 96, I, 3 finden sich Hinweise auf abweichende Definitionen der Prozeßvoraussetzungen, doch dürfen diese Ansichten als überwunden angesehen werden. I

2

I. Einführung

137

Verfahrensrechtlich ist dieses Vorgehen sogar zwingend, da für den Erlaß eines Sachurteils oder Beschlusses stets Voraussetzung ist, daß das Rechtsschutzgesuch an das Gericht zulässig ise. Dabei dürfte es als anerkannt angesehen werden, daß nicht von einer Gleichrangigkeit der Urteilsvoraussetzungen im allgemeinen ausgegangen werden kann, sondern von der Vorrangigkeit der Sachurteilsvoraussetzungen4• Ein Gericht darf die Zulässigkeit einer Klage oder eines Antrages nicht offen lassen und in der Sache entscheiden. Es darf auch nicht, wenn es die Klage fur unzulässig hält, sie auch noch als unbegründet abweisen 5 • Die Zu lässigkeit ist deshalb stets vorab von Amts wegen zu prüfen6 , jede Sachverhandlung und Beweisaufnahme ist bei unzulässigem Rechtsschutzgesuch überflüssig und bedeutungslos. Aus der Vielzahl der möglichen Prozeßvoraussetzungen erscheint es lohnenswert, die Beschränkung der Zulässigkeit des Antrages vor allem unter den Gesichtspunkten parteiübergreifender Wirkung von gerichtlichen Entscheidungen?, des Wegfalles des Rechtsschutzinteresses8 und des allgemeinen Grundsatzes der unzulässigen Rechtsausübung, d. h. der unzulässigen Geltendmachung eines an sich zustehenden Anspruches9 zu untersuchen. Darüber hinaus wird als Möglichkeit eines generellen Ausschlusses der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für die Kosten des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats oder eines Mitglieds des Betriebsrats im Beschlußverfahren untersucht, ob der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats auf die Prozeßkostenbeihilfe und die Beiordnung eines Anwaltes nach § Ila Abs. I bis 3 ArbGG verwiesen werden kann oder ein Kostenerstattungsanspruch auf-

3 Baumbach/Lauterbach/AlberslHartmann, ZPO, Grundz. § 253 Rdnr. 14, Thomasl Putzo, ZPO, Vorbem. § 253 Rdnr. 8, RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 96, I, 1. 4 Rimmelspacher, Prüfung von Amts wegen, hat mit seiner These der Gleichrangigkeit der Urteilsvoraussetzungen keine Gefolgschaft gefunden, auch die vermittelnde Ansicht von Lindacher, ZZP 90, S. 131, wonach im Einzelfall zu differenzieren sei, ob nur das Privatinteresse einer Partei oder aber auch das Allgemeininteresse berührt ist und im zweiteren Fall ein sachlich abweisendes Urteil zulässig sein soll, hat sich nicht durchgesetzt; wie hier BAG NJW 1967, S. 648, BGH WM 1978, S. 470; BGHZE 46, S.282 (284); Jauernig, FS Schiedermair, S.289, Baumbach/Lauterbach/AlberslHartmann, ZPO, Grundz. § 253 Rdnrn. 14 f. m.w.N. zu den anderen Lehrmeinungen, ThomaslPutzo, Vorbem. § 253 Rdnr. 8. 5 BGH WM 1978, S. 470; Bei Verstoß gegen den Vorrang der Sachurteilsvoraussetzungen erwächst die Abweisung als unbegründet nicht in Rechtskraft, die Ausführungen gelten als nicht geschrieben, vgl. BGHZE 46, S. 281 (284) und WM 1991, S. 2081. fi Baumbach/Lauterbach/AlberslHartmann, ZPO, Grundz. § 253 Rdnr. 16. 7 Kapitel 7, n. M Kapitel 7, III. 9 Kapitel 7, IV.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

grund einer zumindest analogen Anwendung des § 12a Abs. 1 ArbGG als ausgeschlossen anzusehen ist' 0.

11. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen auf den Antrag nach § 40 Abs. 1 BetrVG Die anschließenden Ausftihrungen beschäftigen sich mit der Bedeutung arbeitsgerichtlicher Beschlüsse in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten tUr Individualvertragsparteien, aber auch tUr betriebsverfassungsrechtliche Organe. Die Frage, ob Bindungswirkungen einer Entscheidung in einem über den unmittelbaren Wortlaut der einschlägigen Norm hinausgehendem Maße zu bejahen sind, zählt zu den meist diskutierten Problemen an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Verfahrensrechtli. In diesem Zusammenhang einer Bindung Dritter an gerichtliche Entscheidungen lassen sich in rechtstechnischer Hinsicht mehrere Instrumente unterscheiden, durch die eine solche MaßgebIichkeit tUr spätere Verfahren herbeigetUhrt wird. Im folgenden sollen nun zunächst die Instrumente zur Erstreckung einer Bindung Dritter an vorangegangene - arbeitsgerichtliehe - Entscheidungen näher erläutert werden. Im Anschluß daran werden Beispiele von erweiterter Bindungswirkung tUr die Gewinnung von neuen Erkenntnissen tUr die vorliegende Untersuchung dargestellt.

I. Instrumente zur Herbeiführung einer Bindung

Bei der nun folgenden Darstellung wird der Kreis der in Betracht kommenden Instrumente zur HerbeitUhrung einer Bindung Dritter von vornherein weit gezogen l2 . Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb nicht auf die subjektive Erweiterung der materiellen Rechtskraft, sondern beziehen die Tatbestands- und Gestaltungswirkung als weitere Formen einer parteiübergreifenden Maßgeblichkeit von Entscheidungen mit ein. Auch soll aufgrund einer Repräsentation des Betriebsrats untersucht werden, ob sich eine zusätzliche Möglichkeit einer erweiterten Bindungswirkung tUr das Betriebsverfassungsgesetz finden läßt bzw. ob auch eine Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation

Kapitel 7, V. Den Ausgangspunkt der Diskussion rur die Bindungswirkung auf die Individualansprüche bildete das Urteil des BAG vom 10.11.1987, AP Nr. 15 zu § 113 BetrVG 1972; diesem folgend BAG AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972 und AP Nr. I zu § 84 ArbGG. 12 Vgl. die umfassenden Erläuterungen bei Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 149. 10

11

11. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

139

durch den Betriebsrat zu einer Bindung anderer betriebsverfassungsrechtlicher Organe ruhren kann. Demgegenüber bleiben die Phänomene der faktischen Bindungswirkung aufgrund einer inneren Überzeugungskraft eines Erkenntnisses 13 sowie der in der Methodenlehre diskutierten Bindung an eine gefestigte Rechtsprechung l4 außerhalb dieser Betrachtung. Im folgenden geht es nur um die Ermittlung solcher Formen der Maßgeblichkeit, die eine darüber hinausgehende Verbindlichkeit aufweisen. In der folgenden Darstellung werden solche Entscheidungswirkungen herausgearbeitet, die das geltende Recht jenseits der subjektiven Einschätzung des jeweils erkennenden Gerichtes bietet. Ein Gericht, das eine bereits ergangene Entscheidung rur zutreffend hält, wird diese ohnehin im Prozeß berücksichtigen 15.

a) Instrumente des materiellen Rechtes Als Instrumente zur Bindung kraft materiellen Rechts kommen die Tatbestandswirkung '6 auf der einen und die Gestaltungswirkung '7 von gerichtlichen Entscheidungen auf der anderen Seite in Betracht. Allerdings bedürfen auch diese bei den Wirkungen einer prozessualen Unterstützung 18. Die Urteilswirkungen treten nämlich erst dann ein, wenn das Urteil nicht mehr auf einen gewöhnlichen Rechtsbehelf hin aufgehoben werden kann, wenn es also formell rechtskräftig i.S.v. § 705 ZPO ist. Die formelle Rechtskraft ist im Gegensatz zur noch darzustellenden materiellen Rechtskraft nicht Urteilswirkung, sondern Voraussetzung rur die Urteilswirkungen '9 .

Münzberg ZZP 104 ( 1991), S. 227 (239). Bydlinski, Methodenlehre, S. 505 ff. 15 Münzberg ZZP 104 (1991) S. 227 (239); davon zu unterscheiden und hier ebenfalls außen vor bleibend ist die Bindung eines Gerichtes nach § 318 ZPO an eigene vorangegangene Entscheidungen, siehe dazu die Kommentierungen bei Zöller-Vollkommer, ZPO, § 318, Rdnrn. 10 ff. und § 565 Abs. 2 ZPO f1ir die Bindung an Urteile der Rechtsmittelgerichte, die ein Urteil der Vorinstanz aufheben und die Sache zurückverweisen, siehe dazu Zöller-Gummer, ZPO, § 565 Rdnr. 2. 16 Grundlegend Kuttner, Nebenwirkungen, 1908. 17 Vgl. zunächst nur Stein/JonaslLeipold, ZPO, § 322 Rdnr. 13. IK Zöller-Vollkommer, ZPO, Vorbem. zu § 322 Rdnr. 6. 19 BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, Einf. §§ 322-327 Rdnr. 1, ZöllerVollkommer, ZPO, Vorbem. zu § 322 Rdnr. 6. 13

14

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

aa) Tatbestandswirkung

Mit der Tatbestandswirkung wird die Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung bezeichnet, nach der der Eintritt bestimmter Rechtsfolgen kraft materiellen Rechtes an das Vorhandensein einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung geknüpft iseo. Auch wenn das Vorliegen eines Judikates als solches in einem Folgeprozeß regelmäßig unerheblich ist, stellt das Urteil in Fällen dieser Art ein Tatbestandsmerkmal für die Entstehung, die Inhaltsänderung oder den Untergang subjektiv privater Rechte einer Partei oder eines Dritten dar2 1• Damit führt das Vorliegen einer Entscheidung im Ergebnis zu einer Veränderung des materiellen Rechts, vermittelt durch den besonderen Rechtssatz, der die Verbindung zwischen Urteil und Rechtsfolge anordnet. Von der Reichweite der Tatbestandswirkung sind all diejenigen Personen erfaßt, die von den jeweils einschlägigen materiellrechtlichen Normen als Regelungsadressaten angesprochen sind 22 • Bei der Frage nach etwaigen durch eine Tatbestandswirkung eintretenden Nebenwirkungen richtet sich das Hauptaugenmerk demnach darauf, ob das einem zweiten Verfahren mit Drittbeteiligung zugrundeliegende materielle Recht auf das Vorhandensein eines (rechtskräftigen) Erkenntnisses in einem anderen Prozeß Bezug nimme 3 • Diese Tatbestandswirkung hat für die Betroffenen zur Folge, daß die Maßgeblichkeit der getroffenen gerichtlichen Entscheidung für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien eines weiteren Verfahrens auch insoweit gesichert ist, als es um - wie auch immer geartete - rechtliche Beziehungen zu Dritten geht. Denn dieselbe Rechtsfolge wird in einem weiteren Prozeß mangels materiellrechtlicher Erheblichkeit grundsätzlich nicht noch einmal aufgeworfen und von Seiten des Gerichts unter Umständen anders entschieden. Die Konvergenz verschiedener gerichtlicher Entscheidungen soll damit gewährleistet werden 24 • Ein Dritter befindet sich in derselben Situation, als wenn der Entscheidungsinhalt für seine rechtliche Lage vorgreitlichen Charakter hätte; er ist an diesen Inhalt aufgrund Rechtskraft gebunden und mit sämtlichem Vorbringen gegen die Richtigkeit dieses Erkenntnisses präkludiert. So gesehen ist Grunsky

20 Arwed Blomeyer, ZPR, § 86, III, 1, Brox, Jus 1962, S. 121 (122), H.F. Gaul, FS Zeuner, S.317; Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr. 20, Rosenberg/Schwab/ Gottwald, ZPR, § 149, V, SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 16, ThomaslPutzo, ZPO, § 322 Rdnr. 2. 21 Arwed Blomeyer, ZZP 75 (1962), S. 1 (6), Jauernig, ZPR, § 61, IV, Kuttner, Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 3 (5), Zöller-Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 43. 22 RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 149, V, Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 5, Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 36 m.w.N. 23 H.F. Gaul, in: FS Zeuner, S. 317 (340), Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 5. 24 Zusammenfassend H.F. Gaul, in: FS Zeuner, S. 317 (349), Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 39, Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 17 und § 325 Rdnr. 5.

11. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

141

zuzustimmen, wenn er in der Rechtskraftwirkung und in der Tatbestandswirkung lediglich unterschiedliche Wege sieht, die zu demselben Ziel der Präjudizierung Dritter führen 25 , wobei bei der Tatbestandswirkung die gerichtliche Entscheidung nicht darauf gerichtet ist, diese Bindungswirkung herbeizuführen 26

bb) Gestaltungswirkung

Als Gestaltungswirkung bezeichnet man diejenige Entscheidungswirkung, die durch rechtsgestaltende Gerichtsentscheidungen eintritt. Sie besteht darin, daß durch ein Urteil eine Änderung der materiellen Rechtslage herbeigeführt wird27 • Sie ist eine Inhaltswirkung in dem Sinne, daß die gerichtliche Entscheidung, der Streitgegenstand und der Urteilstenor auf die Veränderung des materiellen Rechtes abzielen, wenngleich nicht zu verkennen ist, daß der Grund für die Umgestaltung der Rechtslage nicht in einer besonderen richterlichen Gestaltungsmacht liegt, sondern in derjenigen Norm, die die Rechtsänderung an das Vorliegen einer entsprechenden Entscheidung knüpft28 • Voraussetzung für die Gestaltungswirkung und die damit vermittelte Bindung von Dritten ist, daß die Rechtsstellung des Dritten kraft materiellen Rechts vom Bestehen bzw. Nichtbestehen des umgestalteten Rechtsverhältnisses abhängt. Die Rechtsnatur dieser Drittbindung wird ganz überwiegend auf der Ebene des materiellen Rechtes angesiedelt, auch wenn für den Eintritt der Gestaltungswirkung stets ein prozessualer Akt, nämlich ein Urteil oder ein Beschluß, erforderlich isf9 . Folge der Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses ist für den von ihr erfaßten Dritten, daß dieser die mit der Gestaltungsentscheidung eingetretene Veränderung der Rechtslage als solche inhaltlich nicht mehr nach der formellen Rechtskraft der Entscheidung in Frage stellen kann.

Grunsky FamRZ 1969, S. 522 (524), H.F. Gaul, FS Zeuner, S. 317 (322). Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr. 30. 27 Arwed Blomeyer, ZPR, § 94, I, Jauernig, ZPR, § 65, I, Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr.20, Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 94, I, 1, Karsten Schmidt, JuS 1986, S. 35 (38), Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr.13. 2R Arwed Blomeyer, ZPR, § 86, III, 2, H.F. Gaul, in: FS Zeuner, S. 317 (335), Nikisch, Bindung an gestaltende Gerichtsentscheidungen, S. 131 ff. 29 Im einzelnen finden sich eine Fülle unterschiedlicher Vorstellungen: Nach Kuttner, Nebenwirkungen gerichtlicher Entscheidungen, ihm folgend u.a. Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7 sollen Dritte die Tatsache, daß das Gestaltungsurteil die Rechtslage geändert habe nicht bestreiten können; Bötticher, FS Hundert Jahre DJT, Bd. I, S. 511 (514), H.F. Gaul, FS Zeuner, S. 317 (334 ff.) u.a. vertreten die Auffassung, daß der Richter eines zweiten Prozesses die veränderte Rechtslage aufgrund seiner allgemeinen Bindung an das gesamte materielle Recht zu beachten habe; weitere Ansichten stellt Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 40, Fn. 55 dar. 25

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Die Gestaltungswirkung ist nicht mit der materiellen Rechtskraft identisch30 . Den auf eine Gestaltungsklage ergehenden Urteilen kommt vielmehr eine eigenständige Rechtskraftwirkung ZU31. Die subjektive Reichweite der Gestaltungswirkung wird von der herrschenden Meinung seit je her weit gezogen, so daß jedermann an die eingetretene Rechtsänderung gebunden ist32 . Zur Begründung wird zum einen ausgeführt, daß die Umgestaltung der Rechtslage notwendigerweise für und gegen alle wirken müsse 33 . Zum anderen ist Gestaltungsprozessen und Gestaltungsklagen der übergreifende Zweck innewohnend, für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über die nach ihrem Abschluß bestehende Rechtslage zu sorgen. Dies äußert sich darin, daß durch die vom Gesetzgeber angeordnete Gestaltungswirkung ein Auseinanderfallen verschiedener materieller Rechtslagen im Verhältnis zum Prozeßgegner sowie zu Dritten gerade verhindert werden so1l34.

b) Die materielle Rechtskraft Neben den dargestellten Bindungen kraft materiellen Rechtes, die über die Vermittlung der formellen Rechtskraft Bindungswirkungen für Dritte entfalten können, ergibt sich eine Bindung der Parteien und Dritter auch aus dem prozes-

30 Arwed Blomeyer, ZPR, § 94 IV vor 1, Jauernig, ZPR, § 65, I, 4, Rosenbergl Schwab/Gottwald, ZPR, § 94, III, 2, Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, S. 25 ff., Karsten Schmidt, JuS 1986, S. 35 (38), Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr.7. 31 BAG NJW 1994, S.473 (475); Jauernig, ZPR, § 65, H, RosenberglSchwab/ Gottwald, ZPR, § 94, III, 2, Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnrn. 65 ff., Thomasl Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 3, Zöller-Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 4. Als Gegenstand der Rechtskraft wird die Feststellung des Bestehens eines Gestaltungsklagerechtes, so Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr. 172, Zöller-Vollkommer, ZPO § 322 Rdnr. 4, bzw. eines Gestaltungsgrundes, so Henckel, Parteienlehre, S. 33 ff., 209 ff. und 286 ff. angesehen. 32 Schon RG RGZ 80, S. 317 ( 323), BGH BGHZE 3, S. 385 (388), Jauernig, ZPR, § 65, I, 4, Karsten Schmidt, JuS 1986, S.35 (40), Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7, Zöller-Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 3. 33 RG RGZ 80, S. 317 (323), Jauemig, ZPR, § 65, I, 4, Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 7, Zöller-Vollkommer, ZPO, § 322 Rdnr. 3. 34 Bötticher, FS Hundert Jahre DJT, Bd. I, S. 511 (516), H. F. Gaul, in: FS Zeuner, S. 317 (355), Karsten Schmidt JuS 1986, 35 (36), Stein/JonaslSchumann, ZPO, vor § 253 Rdnr. 61; a.A. Goldschmidt, AcP 117 (1919), S. I (18 ff.), Arwed Blomeyer, ZPR, § 94, H, Brox, FarnRZ 1963, S. 392 (397 f.), die überwiegend eine Beschränkung der Gestaltungswirkung auf den Umfang vornehmen, indem die Dritten auch von der Rechtskraft der Entscheidung erfaßt werden. Doch gelangt auch diese a.A. weitestgehend zu den gleichen Ergebnissen wie die h.M., da sie die materielle Rechtskraft des Gestaltungsurteiles über die subjektiven Grenzen hinaus ausdehnen.

11. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

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sualen Recht, insbesondere aus der materiellen Rechtskraftl 5 • Dabei will die materielle Rechtskraft nicht die Autbebung oder Änderung der Entscheidung verhindern - dies ist die Aufgabe der formellen Rechtskraft - sondern sie hat aus Gründen der Rechtssicherheit die Aufgabe, eine zweite widersprechende Entscheidung zu vermeiden 36 • Nach der wohl herrschenden "ne-bis-in-idem" - Lehre als Unterfall der prozessualen Rechtskrafttheorien 37 ordnet die materielle Rechtskraft ein umfassendes Wiederholungsverbot an. Sie entfalltet dazu zwei Bindungswirkungen. Zum einen stellt sie eine negative Prozeßvoraussetzung dar, d.h. bei identischem Streitgegenstand und gleichen Tatsachen verbietet sie eine erneute Verhandlung und Entscheidung über die festgestellte Rechtsfolge 38 • Zum anderen - und für diese Untersuchung bedeutsamer - führt die materielle Rechtskraft zu einer Präjudizialität einer Entscheidung. In einer Vielzahl von Fällen, in denen die im Vorprozeß entschiedene Rechtsfolge eine Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits bildet, führt die materielle Rechtskraft zu einer Bindung des später entscheidenden Gerichtes an die Vorentscheidung 39 • Hat ein Gericht im Zweitprozeß den Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Erstprozesses als Vorfrage erneut zu prüfen, so hat es die Existenz und die ausgesprochene Rechtsfolge der früheren Entscheidung zu beachten und den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen. Insoweit gilt der "ne-bis-inidem"-Grundsatz erneut. Diesmal verhindert dieser Grundsatz zwar nicht eine

35 Ungeachtet des klassischen Streites um die Bestimmung des prozessualen Streitgegenstandes wird darunter die Maßgeblichkeit des Entscheidungsinhaltes verstanden, vgl. Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr. I, RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 149,11, SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnm. 1 und 9. 36 RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 151, I. Als weitere Zwecke werden die Sicherung der Autorität der Gerichte, BGH in BGHZE 93, S. 287 (289) sowie deren Entlastung genannt, RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 151, I. 37 Zur Bestimmung des Wesens der Rechtskraft werden u. a. eine materiellrechtliche und eine prozessualrechtliche Rechtskrafttheorie mit jeweils eigenen Untervarianten vertreten, vgl. dazu Zäller-Vollkommer, ZPO vor § 322 Rdnr. 14 ff. Die hier zugrunde gelegte Ansicht wird vertreten vom BGH u.a. in BGHZE 34, S. 337, 36, s. 365, 93. S.288 m.w.N., NJW 1993, S.2942 und im Schrifttum von RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 151, 11, 3, Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rdnr. 39, ThomaslPutzo, ZPO, § 322 Rdnr. 7, Zäller-Vollkommer, ZPO, Vor § 322 Rdnr. 19. 3R BGH in BGHZE 36, S. 365, 34, S. 377; RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 151, m, I; Zäller-Vollkommer, ZPO, Vor. § 322 Rdnr. 21 hebt hervor, daß die Identität des Streitgegenstandes auch dann vorliegt, wenn in einem Zweitprozeß der Anspruch des kontradiktorischen Gegenteils einer im Erstprozeß festgestellten Rechtsfolge begehrt wird, ebenso BGH NJW 1993, S. 2685. 39 BGH NJW 1993, S.3205; RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 151, 111, 2, Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 322 Rdnr. 46, Zäller-Vollkommer, ZPO, Vor § 322 Rdnm. 24 und 27.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

erneute Verhandlung, doch hindert er das nachentscheidende Gericht an einer abweichenden Entscheidung. Die Bestimmung der objektiven Reichweite der materiellen Rechtskraft ist umstritten. Zum einen wird vertreten, daß nur die Urteilsformel LS.d. § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in Rechtskraft erwachse40 . Diese müsse von den tatsächlichen und rechtlichen Zwischenergebnissen, auf denen sie beruht, den Urteilselementen in den Entscheidungsgründen i.S.v. § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO abgegrenzt werden. Allerdings kann diese und die ebenfalls immer wieder wiederholte Aussage, daß die Entscheidungsgründe nicht in Rechtskraft erwachsen können, nicht auf alle Fälle übertragen werden. Bei nicht streitigen und bestimmten streitigen Urteilen ohne Entscheidungsgründe (§§ 3l3a, 3l3b, 495a ZPO) muß vielmehr auch das Parteivorbringen herangezogen werden, wenn der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft bestimmt werden so1l41. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Klage als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist. Damit ist die objektive Grenze der materiellen Rechtskraft vielmehr dahingehend zu definieren, daß der durch Auslegung des ganzen Urteils zu gewinnende Entscheidungssatz von den Urteilselementen abzugrenzen ist, die nicht in die Rechtskraft erwachsen42 . Neben der Bestimmung der objektiven Grenze der materiellen Rechtskraft ist die Bestimmung der subjektiven Reichweite der Rechtskraft über die gesetzlichen Anordnungen hinaus 43 eine der umstrittensten Fragen des Zivilprozeßrechtes44 . Zum einen findet sich hierzu die Lehrmeinung, daß jeder Dritte an der Existenz einer zwischen den Parteien ergangenen rechtskräftigen Entscheidung gebunden sei, da es sich insoweit um eine nicht mehr bestreitbare Tatsache handele 45 . Für sich genommen ist dieser Satz durchaus zutreffend. Allerdings ist es für die Rechtsstellung eines Dritten grundsätzlich ohne jede Relevanz, ob die bei ihm mitzuentscheidende Frage jemals schon rechtskräftig entschieden

Siehe Zöller-Vollkommer, ZPO, Vor. § 322 Rdnr. 31. BGH in BGHZE 82, S. 254, 92, S. 335, NJW 1994 S. 460 und 1223; Schwab, in: FS Bötticher, S. 321. 42 BGH in BGHZE 92, S.335, 123, S. 140, NJW 1993, S.3205, BayOblGZ 87, S. 333 f; Zöller-Vollkommer, ZPO, Vor. § 322 Rdnr. 31. 43 Z.B. in §§ 325, 636a, 638 S. 2, 640, 856 Abs. 4 ZPO, §§ 145 Abs. 2, 147 S. I KO, § 248 AktG, § 3 Nr. 8 PflVG; ebenso unstreitig ist eine Rechtskrafterstreckung in den Fällen völliger Abhängigkeit zu bejahen (vgl. § 768 Abs. I BGB, § 129 Abs. I HGB); siehe auch die Systematisierung bei RosenberglSchwablGottwald, ZPR, § 156, H. 44 Siehe die Diskussion bei Zöller-Vollkommer, ZPO, § 325 Rdnr. 41 m.w.N. 45 Planck, BGB, Bd. 1, Vorbem. IV, 5a, S.41, Wach/Laband, Zur Lehre von der Rechtskraft, S. 9, Hellwig, Wesen und subjektive Grenzen der Rechtskraft, Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 54 m.w.N. 4()

41

II. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

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worden ist46 • Unbestreitbar wird die Tatsache erst dann, wenn eine materiellrechtliche Norm existiert, die eine Veränderung der materiellrechtlichen Situation des Dritten gerade an das Urteil als solches knüpft. Die Struktur des im Folgeprozeß zugrunde liegenden materiellen Rechts entscheidet somit darüber, ob der EntscheidungsinhaIt, also die rechtskräftige Feststellung eines Rechtsverhältnisses, flir die Rechtsstellung des Dritten vorgreiflichen Charakter hat oder ob es lediglich auf das äußere Vorhandensein dieses Erkenntnisses über das besagte Rechtsverhältnis ankommt. Im letztgenannten Fall liegt allerdings nichts anderes vor, als eine schlichte Tatbestandswirkung in dem gerade beschriebenen Sinne. Im Gegensatz dazu wird von Schwab47 vertreten, daß die rechtskräftige Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien auch im Verhältnis zu allen Dritten maßgeblich sei, soweit deren Rechtsposition kraft einer materiellen Norm von der vorangegangenen Entscheidung abhänge. Der Inhalt dieser Maßgeblichkeit besteht nach Schwab darin, daß das zwischen den Parteien festgestellte Rechtsverhältnis als solches den Dritten ebenfalls binde. Damit wird nicht der äußere Bestand eines Judikates, sondern dessen Inhalt als flir den Dritten verbindlich angesehen 48 • Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahre 1987 eine von den bisherigen Bindungsformen losgelöste und neue Form entwickelt. In der Entscheidung vom 10.11.198749 hat es die Erstreckung der Rechtskraft des arbeitsgerichtlchen Beschlusses auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich abgelehnt, daflir aber eine "präjudizielle Bindungswirkung" der Entscheidung angenommen 50. Der Inhalt dieser Bindungswirkung wurde darin gesehen, daß die Feststellung, eine vom Arbeitgeber geplante Maßnahme löse keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus, flir ein späteres Verfahren, in

Kissel, GVG, § 13 Rdnr. 22. Schwab ZZP 77 (1964) S. 124 (137 ff.), ders. NJW 1960, S. 2169 (2171), Rosenberg/Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 157, II, Kissel, GVG, § 13 Rdnrn. 20 und 44. 4R Diese Lehre charakterisiert die Reichweite der materiellen Rechtskraft als "absolute Geltung einer relativen Feststellung", ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 78. Auf ihrer Grundlage genügt mithin für die Bindung von Dritten die bloße Vorgreiflichkeit für die Bejahung einer Bindung der Dritten an den Inhalt einer rechtskräftiger Entscheidung. Die h.M. zieht den Kreis des präkludierten Vorbringens sehr weit und erstreckt die Ausschlußwirkung auch auf Tatsachen, die in dem ersten Verfahren nicht vorgetragen wurden, sofern sie bei der letzten Tatsachenverhandlung bereits vorhanden waren, vgl. BGH in BGHZE 98, S. 353 (358 f.), 117, S. I (6 ), NJW 1993, S. 3204, NJW 1995, S. 967 (968); Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rdnr. 39, Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 155, II, I; a.A. Habscheid AcP 152 (1952/1953) S. 169 (173). 49 AP NT. 15 zu § 113 BetrVG 1972 mit im Ergebnis zust. Anm. Leipold, dem BAG folgend LAG Hamm LAGE § 122 BetrVG 1972 Nr. 18; im Ergebnis auch zustimmend Duo, RdA 1989, S. 247 (254), Dütz, in: FS Gnade, S. 487 (498), Konzen, in: FS Zeuner, S. 401 (426). 50 AP Nr. 15 BI 2 zu § 113 BetrVG 1972. 46 47

10 Müller-Boruttau

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

dem ein Arbeitnehmer einen Nachteilsausgleich fordere, bindend sei 51 • Das BAG hat in dieser Entscheidung keine Einordnung der Bindung als prozessualoder materiellrechtlich vorgenommen, sondern allein auf die materiellrechtliche Vorgreiflichkeit zwischen dem Bestehen von Mitwirkungsrechten des Betriebsrats und dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachteilsausgleich im Falle der Mißachtung der Rechte angeknüpft und somit für eine Wirkung des Inhaltes der rechtskräftigen Feststellung plädiert52 •

c) Rechtskrafterstreckung kraft Repräsentation durch den Betriebsrat Als ein weiteres Instrument zur Zurechnung von Prozeßergebnissen auf einfach gesetzlicher Ebene ist verschiedentlich die Bindung durch ProzeßstandschaftS] herangezogen worden.

aa) Allgemeine Voraussetzungen einer Rechtskrafterstreckung au/grund einer Prozeßstandschaft

Die Rechtsprechung 54 sowie die ganz herrschende Lehre55 bejahen bei einer Prozeßführung durch einen gesetzlichen Prozeßstandschaftler zumindest in bestimmten Konstellationen eine Erstreckung der Rechtskraft des Urteils auf den Rechtsträger. Überwiegend wird gefordert, daß die Prozeßführungsbefugnis dem Prozeßstandschaftler eingeräumt worden ist, um die Interessen des Rechtsträgers wahrzunehmen, aber nicht um seiner selbst willen 56 • Als Konkretisierung dieses Erfordernisses werden das Bestehen einer ausschließlichen Prozeßführungsbefugnis auf Seiten des Prozeßstandschafters sowie die materiellrechtliche Verfügungsbefugnis über das umstrittene fremde Recht angesehen 5?

AP Nr. 15 B13 zu § 113 BetrVG 1972. AP Nr. 15 B12 ff. zu § 113 BetrVG 1972. 53 Vgl. dazu Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 325 Rdnm. 38 ff., MünchArbRv. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 291 Rdnr. 46. 54 Z.B. BGH in BGHZE 79, S. 245 (248) und 88, S. 331 (334). 55 Arwed Blomeyer, ZPR, § 91, I, Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 325 Rdnr. 38, Rosenberg/Schwab/Goftwald, ZPR, § 46, V, 2, Schack NJW 1988, S.865 (867), SteinlJonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54, Thomas/Pufzo, § 51 Rdnr. 14. 56 Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 325 Rdnr. 38 und Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54. 57 So etwa Münch-Komm-Gottwald, ZPO, § 325 Rdnr. 38 und Sfein/Jonas/Leipold, ZPO, § 325 Rdnr. 54. 51

52

11. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

147

Für eine Anwendung dieses Rechtsinstituts im vorliegenden Problem feld ist damit erforderlich, daß überhaupt die Situation einer Prozeßstandschaft vorliegt, d. h. daß ein Betriebsrat Rechte seiner Mitglieder oder der Belegschaft im eigenen Namen gerichtlich geltend machen kann.

bb) Anwendung der Grundsätze auf die Tätigkeit des Betriebsrats Bei der Beantwortung dieser Frage ist danach zu differenzieren, ob der Betriebsrat die Durchsetzung von Individualansprüchen oder die Geltendmachung kollektiver Rechte anstrebt.

(1) Durchsetzung von Individualansprüchen

Wie bereits dargestellt58 , ist der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des BAG nicht befugt, Individualansprüche durchzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht59 verneint insoweit schon die Zulässigkeit eines Beschlußverfahrens. Sofern der Betriebsrat nämlich die Geltendmachung oder Feststellung von Arbeitnehmerrechten begehre, ohne sich auf eigene betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche zu berufen, läge schon keine der Zuständigkeitsregelung des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG unterfallene Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz vor. Dies sei aber gemäß § 80 Abs. I ArbGG Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Beschlußverfahrens6o • Bei solchen Individualansprüche betreffenden Verfahren ginge es stets um die Beurteilung einzelner Rechtsverhältnisse mit samt ihren individuellen Besonderheiten. Das kollektive Recht würde nur die Vorfrage, nicht aber den eigentlichen Streitgegenstand bilden 61 •

(2) Durchsetzung von kollektiven Rechten Differenzierter stellt sich die Sachlage dar, soweit der Betriebsrat kollektiv geprägte Rechte geltend macht.

Kapitel 6, I, 2, a), bb). BAG AP Nr. 28 zu § 80 BetrVG 1972, AP Nr. 31 zu 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972. 60 BAG AP Nr. 28 BI. 2 zu § 80 BetrVG, AP Nr. 31 BI. 2 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung, AP Nr. 53 BI. 2 R zu § 112 BetrVG 1972; MünchArbR- v. HoyningenHuene, Bd. 3, § 291 Rdnr.46. 61 BAG AP Nr. 31 BI. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, AP Nr. 53 BI. 2 R zu § 112 BetrVG 1972. 58

59

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

In diesem Zusammenhang ist nämlich zunächst danach zu fragen, ob der Betriebsrat überhaupt ein Recht geltend macht, das der Belegschaft und damit dem einzelnen Arbeitnehmer im Kollektiv zusteht. Die Rechtsprechung neigt in einigen Bereichen zu der Tendenz, es gar nicht zu der Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Einzelanspruches kommen zu lassen. So beinhaltet zum Beispiel das Überwachungsrecht aus § 80 Abs. I Nr. I BetrVG nach Auffassung der Rechtsprechung keinen eigenen materiellen Anspruch des Betriebsrats auf Durchsetzung der Rechte der einzelnen Arbeitnehmer62 . Dasselbe gelte für die inhaltliche Reichweite des anerkannten Betriebsratsanspruchs auf Durchführung von Betriebsvereinbarungen63 • Ausgehend von der Rechtsnatur der Betriebsvereinbarungen als Normenverträge erfolgt zwar die Klärung ihrer Gültigkeit und ihres Inhaltes vor allem um der Belegschaft willen. Doch beinhalten ihre normativen Bestimmungen als solche keine subjektiven der Belegschaft zuzuordnenden Rechte. Für solche Fälle fehlt es mithin schon an dem für die Prozeßstandschaft notwendigen Anknüpfungspunkt der Geltendmachung eines fremden Rechtes. Umstritten ist die Frage allerdings für diejenigen Fälle, in denen Arbeitgeber und Betriebsrat um das Bestehen von Beteiligungsrechten, etwa im Bereich des § 87 Abs. I BetrVG, streiten. In der schon als traditionell zu bezeichnenden Diskussion tinden sich eine Reihe von Stimmen, nach denen die Mitbestimmungsrechte in der Tat letztlich den einzelnen Arbeitnehmern6\ zumindest aber der Belegschaft als solcher65 , zuzuordnen seien. Im neueren Schrifttum hingegen mehren sich die Stimmen, die nur den Betriebsrat als Träger der Beteiligungsrechte ansehen wollen66 • Die Sichtweise, die die Belegschaft als Subjekt der Mitbestimmungsbefugnisse begreift, erfährt teilweise nähere Konturen dadurch, daß die Stellung des Betriebsrats im Verhältnis zu den Arbeitnehmern als treuhänderisches Auftrags- oder Interessenwahmehmungsverhältnis bezeichnet wird, das Parallelen zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers sowie des Konkurs-, Zwangs- und Nachlaßverwalters aufweise 67 • Einen weite-

62 AP Nr. 17 BI. 5 R zu § 87 BetrVG 1972, AP NT. 26 BI. 3 f zu § 80 BetrVG 1972, AP Nr. 19 BI. 5 R zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 63 AP NT. 21 BI. 3 R zu § 77 BetrVG 1972, AP Nr. 2 BI. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, AP NT. 24 BI. 2 R zu § 77 öetrVG 1972 m. zust. Anm. Schmitt/Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 77 Rdnm. 8 und 93, MüchArbR-Matthes, Bd. 3, § 319 Rdnr. 65. 64 Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 109 ff. und Wiese, in: GK-BetrVG, Ein!. Rdnr.86. 65 Dietz/Ricardi, BetrVG, § I Rdnr. 14, Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2, 2. Halbband, § 52, A, I, 3, Zöllner/Loritz, ArbR, § 45, n. (,(, Heinze, ZfA 1988, S. 53 (62 und 72), MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 291 Rdnr. 14, Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, vor § 1 Rdnr. 25. ('7 Heinze, ZfA 1988, S. 53 (61 ff.), Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 132 ff.

H. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

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ren Ansatz hat Konzen vorgelegt68 • Dieser leugnet nicht, daß der Betriebsrat rechtstechnisch kein Prozeßstandschaftler sei. Dieser Umstand stellt nach seiner Ansicht jedoch kein Hindernis dar für eine analoge Anwendung des § 327 ZPO und damit der Anwendung der bei den Parteien kraft Gesetz geltenden Grundsätze über die Rechtskrafterstreckung auf das Verhältnis zwischen kollektiven Beschlußverfahren und nachfolgenden Individualverfahren. Die erforderliche Parallelität bestehe darin, daß dem Betriebsrat zwar nicht hinsichtlich der gesamten Rechtsposition der einzelnen Arbeitnehmer, wohl aber im Hinblick auf die kollektivrechtliche Vorfrage als ein Tatbestandsmerkmal des individualrechtlichen Anspruches die alleinige materiell- und verfahrensrechtliche Kompetenz zukomme 69 • Doch ist die Annahme einer Prozeßstandschaft aus mehreren Gründen abzulehnen 70 . Zum einen sprechen die bereits oben dargestellten Grundsätze und Ausführungen dagegen, wonach der Betriebsrat eben nicht als Partei kraft Amtes angesehen werden kann oder eine vergleichbare Situation wie beim Testamentsvollstrecker u.a. vorliegt. Die vorhandenen Unterschiede sind nämlich zu groß. Während in den Konstellationen einer Prozeßstandschaft zumindest weitgehend die Rechte auf die Partei kraft Amtes von dem Rechtsträger übergehen, sind die Arbeitnehmer durch die Existenz eines Betriebsrats rechtlich nicht daran gehindert, über ihre Individualrechtsposition zu verfügen und im Rahmen von Einzelprozessen gegen den Arbeitgeber geltend zu machen. Die aus dem kollektiven Recht herrührenden Anspruchsvoraussetzungen der individuellen Arbeitnehmerrechte bilden keine Sperre gegen eine Verfügung bzw. eine Prozeßführung durch den einzelnen Arbeitnehmer. Anders als bei den Parteien kraft Amtes findet somit keine Verlagerung der Rechtsrnacht vom Rechtsträger auf einen Ausübungsbefugten statt. Vielmehr erfolgt bei einer Ausdehnung der materiellen Rechtskraft im Ergebnis eine Überlagerung der Befugnis der einzelnen Arbeitnehmer.

2. Beispiele von erweiterter Bindungswirkung

Unter Zugrundelegung der dargestellten dogmatischen Ansätze wird im folgenden eine Reihe von positiven Anordnungen einer erweiterten Bindungswirkung im Betriebsverfassungsgesetz dargestellt. Ebenfalls mit einbezogen sind Fallgestaltungen, in denen vor allem die Rechtsprechung zu einer über den Kreis der formell Beteiligten hinausgehenden Bindung Dritter tendiert. Dabei

~8

Konzen, in: FS Zeuner, S. 401 (426 ff.). Konzen, in: FS Zeuner, S. 401 (429). 70 V gl. auch Krause, Rechtskraft, S. 170 f. ~9

150

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

wird zwischen organisationsrechtlichen Fallgestaltungen und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats unterschieden.

a) Organisatorische Fallgestaltungen aa) Das BetriebsabgrenzungsverJahren nach § 18 Abs. 2 Betr VG Im Rahmen der organisationsrechtlichen Fallgestaltungen ist zunächst auf den Betriebsbegriff LS.v. §§ I und 4 BetrVG einzugehen. Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstruktur der Arbeitgeberseite hat sowohl fiir individual- als auch fiir kollektivrechtliche Streitigkeiten materiell in manigfaltiger Weise Bedeutung'l. Für den individualrechtIichen Bereich hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 09.04.1991 72 in Fortfiihrung seiner Rechtsprechung'3 entschieden, daß der in einem Betriebsabgrenzungsverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG ergangene Beschluß, nach dem zwei Unternehmen keinen gemeinsamen Betrieb bilden, auch im Verhältnis zwischen den Unternehmen und ihren Arbeitnehmern zumindest insoweit "wirkt", als dieses Rechtsverhältnis durch betriebsverfassungsrechtliche Normen bestimmt werde. Die Literatur'4 spricht sich mittlerweile mehrheitlich fiir eine die Belegschaft ergreifende Bindung aus's. Eine differenzierende Ansicht vertritt Richardj16, der einem Beschluß keine präjudizielle Bindungswirkung beimessen will, soweit Rechtspo-

71 So kann der Umstand, daß mehrere Unternehmen keinen gemeinsamen Betrieb bilden, dazu führen, daß die für die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen nach §§ 111 ff. BetrVG erforderliche Anzahl der Arbeitnehmer nicht vorliegt. Auch sind die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelrnaßnahmen nach §§ 99 ff. BetrVG vom Vorliegen eines Betriebes abhängig. 72 AP Nr. 8 BI. 2 R zu § 18 BetrVG 1972 = EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7. 73 V gl. z.B. AP Nr. 15 BI. 2 zu § 113 BetrVG 1972. 74 Dietz/Richardi, BetrVG, § 18 Rdnr. 25, Dütz, in: FS Gnade, S. 487 (493), Dütz/ Rotter, Anm. zu BAG EzA § 18 BetrVG 1972 Nr. 7, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 63, Matthes NZA 1988, Beilage 4, S. 10 (19). 7S Die Feststellung der betrieblichen Organisation stellt eine Statusfrage dar, bei der ein gesteigertes Bedürfnis nach einer einheitlichen Beurteilung besteht, da eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen von diesem Grundtatbestand abhängen. Würde man die Individualparteien nicht an die zwischen de:1 Betriebspartnern ergangene Entscheidung binden, so wäre vor allem der Arbeitgeber unter Umständen widersprüchlichen Verhaltenspflichten ausgesetzt. Im Verhältnis zum Betriebsrat hätte er den rechtskräftigen Beschluß zu beachten, während er im Verhältnis zu den einzelnen Arbeitnehmern gegebenenfalls eine andere Betriebsstruktur zugrunde legen müßte. Insoweit ist auch der Zweck des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG heranzuziehen, den Dütz treffend beschrieben hat, als Verfahren zur umfassenden und verbindlichen Klärung der Organisation des Betriebes (Dütz, in: FS Gnade, S. 487 (493), ähnlich BAG AP Nr. 8 zu § 18 BetrVG 1972). 76 Dietz/Richardi, BetrVG, § 18 Rdnr. 25.

11. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

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sitionen der Arbeitnehmer von der Betriebsgröße abhängen und nicht lediglich als Folgewirkung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung eingeräumt sind. So soll eine präjudizielle Wirkung gegenüber einem Arbeitnehmer nicht erfolgen, sofern es in einem späteren Kündigungsschutzprozeß um die Frage gehe, ob der Betrieb aufgrund seiner Größe unter das Kündigungsschutzgesetz falle. Einigkeit besteht aber auch nach Ansicht von Richardi dahingehend, daß zum Beispiel bei der Geltendmachung eines Nachteilsausgleichsanspruches eine Drittbindung des einzelnen Arbeitnehmers an das Betriebsabgrenzungsverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG zu bejahen ist. Für die vorliegende Untersuchung bedeutsamer ist allerdings die Bindung der betriebsverfassungsrechtlichen Organe an eine Entscheidung nach § 18 Abs.2 BetrVG. Eine solche wird auch angenommen 77 • Eine Bindung der betriebsverfassungsrechtlichen Organe wird bejaht rur all diejenigen Fälle, in denen das Vorliegen eines Betriebes, die Zuordnung von Betriebsteilen, das Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 Abs. 2 BetrVG und Streitigkeiten über den Umfang von Beteiligungsrechten entscheidend ist. Diese Bindung kann mit zweierlei Bindungsformen begründet werden. Zum einen kommt der rechtskräftigen Entscheidung präjudizielle Wirkung rur alle Streitigkeiten zwischen den Beteiligten zu, zum anderen schließt die materielle Rechtskraft bei Identität der Beteiligten78 und des Sachverhaltes eine erneute Entscheidung über dieselbe Betriebsabgrenzungsfrage aus 79 • Dies gilt sogar dann, wenn der Betriebsrat nicht selbst das Betriebsabgrenzungserfahren eingeleitet und geruhrt hat80, da er wegen seiner unmittelbaren Betroffenheit i.S.v. § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen ist81 • Doch sind auch Fälle denkbar, in denen sich eine solch einfache Lösung nicht aus dem Gesetz ergibt. So ist es denkbar, daß ein Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG durchgeruhrt wird, ein Betriebsrat aber noch gar nicht besteht 77 BAG in BAGE 35, S. I (2 f.) = AP Nr. 2 BI. 2 zu § 80 ArbGG 1979 m. Anm. Grunsky, BAG AP Nr. 6 BI. 2 zu § I BetrVG 1972; FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 18 Rdnr.28b, Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 18 Rdnr.17, Kreutz in: GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 63. 78 Zu der Frage, ob auch ein neu gewählter und dem das Abgrenzungsverfahren Betriebenden nachfolgender Betriebsrat an diese Entscheidung gebunden ist siehe BAG in BAGE 35, S. 1 (3), AP Nr. 3 BI. 1 R zu § 18 BetrVG 1972, AP Nr. 11 BI. 2 R zu § 80 ArbGG 1979. 79 Siehe BAG in BAGE 35, S. 1 (3 ff.), APNr. 3 BI. 1 f zu § 38 BetrVG 1972, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 63. RO Der Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann auch von einem Wahlvorstand, einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder in entsprechender Anwendung des § 19 Abs.2 S. 1 BetrVG (vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 58) von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern gestellt werden. RI BAG AP Nr. 2 BI. 5 R zu § 83 ArbGG 1979 m. zust. Anm. Grunsky; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 18 Rdnr. 60.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

oder ein Beschluß ergeht, in dem die Selbständigkeit eines Betriebsteiles festgestellt worden ist, allerdings nur der Betriebsrat des Hauptbetriebes am Verfahren beteiligt wurde. In solchen Fällen ist die Zurechnung des Ergebnisses des Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG nicht möglich, eine Bindung wegen materieller Rechtskraft ebenfalls nicht. Doch auch in diesen Fällen wird eine Bindung angenommen 82 , da ein nicht am Beschlußverfahren beteiligter Betriebsrat aufgrund seiner materiellen Betroffenheit an die Entscheidung im Beschlußverfahren gebunden ist. Im Rahmen der Rechtskrafterstreckung auf die nach materiellem Recht Beteiligten ist anerkannt, daß es auf die tatsächliche Beteiligung am Verfahren nicht ankommt83 •

bb) Die Anfechtung von Betriebsratswahlen nach § 19 Abs 1 BetrVG Dem arbeitsgerichtlichen Beschluß, der über den Antrag auf Anfechtung des Wahlergebnisses von Betriebsratswahlen nach § 19 Abs 1 BetrVG stattgibt, wird in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend eine rechtsgestaltende Wirkung zugesprochen84 • Zwar ergibt sich diese Interpretation nicht aus dem Gesetzeswortlaut, nach dem die "Wahl" beim Arbeitsgericht angefochten werden kann, auch erlaubt, für sich genommen, die Anordnung von Neuwahlen nach erfolgreicher Wahlanfechtung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG noch nicht den zwingenden Schluß, daß die rechtsändemde Wirkung gerade dem arbeitsgerichtlichen Beschluß beizumessen ist. Allerdings kann auf den Rechtscharakter eines Anfechtungsrechtes zurückgegriffen werden, das auch in anderen Rechtsgebieten als Gestaltungsrecht ausgestaltet ist85 • Zum anderen hat sich sowohl schon zum BRG 1920 als auch zum Betriebsverfassungsgesetz 1952 die Meinung herausgebildet, daß das Arbeitsgericht die Wahl bei erfolgreicher Anfechtung für ungültig erklärt und nicht rein deklaratorisch die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl feststellt 86 .

Dütz, in: FS Gnade, S. 487 (492 t), Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 378. BAG AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG 1972, AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 20. M BAG AP Nr. 2 BI. 1 R zu § 19 Be~rVG 1972 m. Anm. Seipel, AP Nr. 8 BI. I R zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung, EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 31, S. 3; Dietz/Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 52, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rdnrn. 114 und 121, MünchArbR-Joost, Bd. 3, § 296 Rdnr. 281. K5 SO Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 114; dies werde nach seiner Ansicht durch den Wortlaut des § 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG bestätigt, da eine Neuwahl erst in Betracht kommt, wenn die Wahl "mit Erfolg" angefochten worden ist. X6 Zum BRG 1920 (die Wahlanfechtung war in den §§ 19,20 WO geregelt): RAG ARS 6, S.405 (406); zu § 18 BetrVG 1952: Fitting/Kraegeloh/AujJarth, BetrVG, § 18 Rdnr. 35. X2 X3

11. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

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Folge der rechtskräftigen kassierenden 87 Wahlanfechtung und der damit verbundenen ex-nunc-Wirkung88 ist, daß der Betriebsrat nicht mehr besteht. Damit entfallen zwischen dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats sämtliche Mitwirkungsrechte, die das Betriebsverfassungsgesetz der Arbeitnehmervertretung einräumt89 • So ist folgerichtig die Wirksamkeit einer Maßnahme des Arbeitgebers im Bereich des § 87 Abs. I BetrVG nicht mehr an die Beteiligung des Betriebsrats gebunden; desgleichen sind personelle Einzelmaßnahmen (Versetzung oder Kündigung) nicht mehr von einer vorherigen Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG oder einer Anhörung nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG abhängig. Der von einer solchen Maßnahme betroffene Arbeitnehmer kann zum einen in einem Individualprozeß nicht geltend machen, daß sich der Arbeitgeber ihm gegenüber auf die erfolgreiche Wahlanfechtung nicht berufen kann, da es in Wirklichkeit an einem Anfechtungsgrund gefehlt habe oder das Arbeitsgericht aus einem anderen Grunde unrichtig entschieden habe. Zum anderen steht zwischen den Betriebsparteien dann auch fest, daß der Betriebsrat nicht mehr existiert. Der Arbeitgeber braucht sich bei personellen Maßnahmen nicht mehr an die ehemaligen Betriebsratsmitglieder zu wenden. Auch kann er z.B. ohne deren Zustimmung Torkontrollen oder Kurzarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG einführen.

b) Betriebsverfassungsrechtliche Voraussetzungen für individualrechtliche Ansprüche, insbesondere nach § 37 Abs. 2, 6 und 7 BetrVG Einen - nicht nur für diese Untersuchung - sehr wichtigen Themenbereich betrifft die subjektive Reichweite von Entscheidungen über kollektivrechtliche Vorfragen von Ansprüchen einzelner Betriebsratsmitglieder im Rahmen von § 37 Abs. 2,6 und 7 BetrVG. Wie dargestellt, räumt § 37 BetrVG den einzelnen Mitgliedern des Betriebsrats eine Vielzahl von Ansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber ein, die ihrem Grunde nach vom Vorliegen betriebs-

~7 Neben der Ungültigkeitserklärung und der damit verbunden gestaltenden Entscheidung des Gerichtes (Kassation der Wahl) ist auch eine Teilanfechtung mit dem Ziel einer Korrektur des Wahlergebnisses möglich, siehe Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rdnm. 11 7ff. X~ H.M. vgl. für die Rechtsprechung: BAG EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 29 und 31; EzA § 26 BetrVG 1972 Nr. 5 S. 3 f.; für die Literatur: Dietz/Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 53, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rdnr. 116. X~ Dietz/Richardi, BetrVG, § 19 Rdnr. 54.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

verfassungsrechtlicher Voraussetzungen abhängen 9o • Über die Voraussetzungen kann im Rahmen eines individualrechtlichen Urteilsverfahrens mitentschieden werden91 • Es ist darüber hinaus aber auch möglich bzw. nach der hier vertretenen Auffassung aus Gründen der Erforderlichkeit sogar zwingend, die Vorfragen isoliert innerhalb eines Beschlußverfahrens zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat klären zu lassen 92 •

aa) Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds am vorangegangenen Beschlußverfahren

Einigkeit herrscht93 , daß eine Entscheidung bei Beteiligung des betroffenen Betriebsratsmitglieds ohne weiteres in einem nachfolgenden Urteilsverfahren Rechtskraft entfaltet, soweit dies zwischen denselben ehemalig Beteiligten und nun Parteien des Urteilsverfahrens stattfindet. Hat das Arbeitsgericht beispielsweise die Berechtigung einer Arbeitsbefreiung rechtskräftig bejaht, so steht diese Voraussetzung des Anspruches auf Lohnfortzahlung nach § 37 Abs.2 BetrVG und nach dem darin geregelten Lohnausfallprinzip im Verhältnis zwischen den am Beschlußverfahren Beteiligten dem Grunde nach fest94 • Soweit das Betriebsratsmitglied als solches am vorherigen Beschlußverfahren beteiligt worden ist, bedarf es daher keiner über den Kreis der Beteiligten hinausgehenden Rechtskrafterstreckung, um eine übereinstimmende Entscheidung herbeizuführen. Das Institut der materiellen Rechtskraft ist dafür ausreichend 95 •

90 Vgl. zu den unterschiedlichen Voraussetzungen stellvertretend Wiese, in: GKBetrVG, § 37 Rdnm. 17 ff., für § 37 Abs. 2 BetrVG Rdnm. 132 ff., für § 37 Abs.6 BetrVG Rdnm. 188 ff. 91 Siehe BAG AP Nr. 16 BI. 2 R f., 31 BI. 1 R zu § 37 BetrVG 1972, AP Nr. 5 BI. 2 R zu § 65 BetrVG 1972, DietzlRichardi, BetrVG, § 37 Rdnr. 153, FittingIKaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 37 Rdnr. 204, GalperinlLöwisch, BetrVG, § 37 Rdnr. 117, Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 256. 92 Sind Urteils- und Beschlußverfahren gleichzeitig eingeleitet worden, kann zur Vermeidung von abweichenden Entscheidungen das Urteilsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des kostengünstigereren Beschlußverfahrens ausgesetzt werden, vgl. nur BAG AP Nr. 14 BI 4, AP Nr. 17 BI I R f zu § 37 BetrVG 1972; Wiese, in: GKBetrVG, § 37 Rdnr. 257 m.w.N. 93 BAG AP Nr. 5 BI 2 R zu § 65 BetrVG 1972; Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, § 37 Rdnr. 181, GalperinlLöwisch, BetrVG, § 37 Rdnr. 117, Dietzl Richardi, BetrVG § 37 Rdnr. 159; im Ergebnis ebenso Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 256, der allerdings von einer präjudiziellen Wirkung ausgeht und auf diesem Wege zu einer Bindung der Parteien im Folgeverfahren gelangt. 94 BAG AP Nr. 5 BI. 2 R zu § 65 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BertrVG, § 37 Rdnr. 256; Dütz, in: FS Gnade, S. 487 (494). 95 BAG AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG 1972, AP Nr. 2 zu § 80 ArbGG 1979; GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 84 Rdnr. 25.

H. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

ISS

bb) Unterbliebene Beteiligung eines Betriebsratsmitglieds (1) Beschlußverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 6 BetrVG

Fraglich ist indessen, ob eine Bindung auch dann eintritt, wenn das Betriebsratsmitglied im Beschlußverfahren über die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Anspruches nach § 37 Abs. 6 BetrVG nicht beteiligt gewesen ist. Eine solche Situation kann dann eingetreten sein, wenn schon im Vorfeld einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG ein Beschlußverfahren über die Frage durchgeführt worden ist, ob die vermittelten Kenntnisse als solche für die konkrete Betriebsratstätigkeit erforderlich sein werden. Nach Ansicht von Dütz96 und Krause 97 ist eine Drittbindung zu bejahen. Sie begründen dies damit, daß der Betriebsrat als solcher im Verhältnis zu seinen einzelnen Mitgliedern als ein durch interne Wahlen legitimierter Repräsentant anzusehen sei. Zudem stelle der Lohnfortzahlungsanspruch nur ein Korrelat des betriebsverfassungsrechtlichen Befreiungsanspruches dar, der wiederum aus dem kollektiven Anspruch des Betriebsrats selbst herrühre. Diese Aspekte rechtfertigen eine Verkürzung eigenständigen Rechtsschutzes. Dieser Ansicht ist aus zwei weiteren Überlegungen zuzustimmen. Zum einen besteht ein Bedürfuis nach einer einheitlichen Entscheidung und damit nach Rechtssicherheit. Divergierende Entscheidungen würden die betriebliche Ordnung stören. So könnte der Arbeitgeber die Arbeit des Mitgliedes des Betriebsrats durch Bestreiten der Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung erschweren und umgekehrt der Betriebsrat durch mehrere Verfahren von NichtBeteiligten einen Kosten- und Zeitdruck auf den Arbeitgeber ausüben. Zum anderen entspricht die Durchführung eines solchen vorweggenommenen Beschlußverfahrens dem Grundsatz der Erforderlichkeit und damit der Kostenminimierung. Die Zulassung von weiteren Verfahren würde dieses Ziel konterkarieren.

(2) Beschlußverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 7 BetrVG Was für § 37 Abs. 6 BetrVG zutreffend ist, erscheint fraglich zu sein für § 37 Abs. 7 BetrVG, da es sich bei diesem Anspruch auf Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung um ein individuelles Recht des einzelnen Betriebsratsmitgliedes handelt98 • Doch auch hier wird man - wenn auch Dütz, in: FS Gande, S. 487 (494 f.). Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 388. 9K BAG AP Nr. 5 BI 3 zu § 37 BetrVG 1972, LAG Düseldorf DB 1992, S.636; Dietz/Richardi, BetrVG, § 37 Rdnr. 116, Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 37 %

97

156

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

mit einer anderen Begründung - zu einer Erstreckung der Rechtskraft kommen. Auch wenn der Anspruch nach § 37 Abs. 7 BetrVG ein individuelles Recht des einzelnen Betriebsratsmitgliedes darstellt, beruht dieser Anspruch doch auch auf betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen. Hat daher der Betriebsrat in einem vorangegangenen Beschlußverfahren die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen klären lassen, so muß sich das Betriebsratsmitglied dieses Verfahrensergebnis als Korrelat der Einräumung des Rechtes und aufgrund der Gefahr von divergierenden Entscheidungen für die betriebliche Ordnung zurechnen lassen 99 . Aus all dem Vorgesagten ergibt sich, daß eine Erstreckung der Rechtskraft auch auf diejenigen Betriebsratsmitglieder zu befürworten ist, die an einem Beschlußverfahren zur Klärung der betriebsverfassungsrechtlichen Vorfragen sowohl im Rahmen von § 37 Abs. 6 BetrVG als auch von § 37 Abs. 7 BetrVG nicht beteiligt gewesen sind und aufgrund eigenen Rechtes an der Schulungsund Bildungsveranstaltung teilgenommen haben.

cc) Die Bindung des Arbeitgebers afntie Entscheidung in dem behördlichen Anerkennungsverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 7 BetrVG Nach dem Wortlaut von § 37 Abs. 7 BetrVG steht der Anspruch auf Teilnahme an einer Veranstaltung dem Betriebsratsmitglied nur dann zu, wenn die Veranstaltung anerkannt ist'°o. Zuständig für das Anerkennungsverfahren sind die obersten Landesbehörden lOl , die Entscheidung über die Anerkennung stellt gegenüber dem Veranstalter und Antragsteller in dem Anerkennungsverfahren einen Verwaltungsakt i.S.v § 35 VwVfG dar lO2 , der wiederum in einem Beschlußverfahren angegriffen werden kann 10).

Rdnr. 171, Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 188; doch beruht dieser Anspruch nicht auf den individualrechtIichen Beziehungen zum Arbeitgeber, wie dem Arbeitsvertrag, sondern ist ein mit dem Betriebsratsamt verbundener gesetzlicher Anspruch des einzelnen Mitgliedes, vgl. für alle Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 188. 99 So auch Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 389, der als Mittel der Zurechnung wiederum die Repräsentation des Betriebsratsmitgliedes durch den Betriebsrat anführt. 100 Vgl. nur Loritz, BB 1983, S. 1368 ff., ders. NZA 1993, S. 2 (4) und Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 271. 101 Dies sind die Landesarbeits- und Sozialminister bzw -ministerien, vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 199. 102 Vgl. wiederum nur Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 268. 10) So BAG in BAGE 25, S.452 (460 ff.) = APNr. 7 zu § 37 BetrVG 1972, Dütz/Säcker DB 1972 Beilage 17, S.2 (11); a.A. Dietz/Richardi, BetrVG, § 37 Rdnr. 165; doch hat sich auch das BVerwG in BB 1977, S. 899 (899) der Ansicht des BAG angeschlossen. Die Zuweisung des Aufhebungsbegehrens in das Beschlußverfah-

II. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

157

Vorliegend ist nun die Frage von Bedeutung, inwieweit eine arbeitsgerichtliehe Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anerkennung Bindungswirkung für die Betriebspartner entfalten kann. Das BAG vertritt hinsichtlich der Bindung des Arbeitgebers eine sehr extensive Ansicht. Zum einen verneint es heute eine Antragsberechtigung eines Arbeitgebers gegen diese Entscheidung und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung in Anspruch genommen wird, da der Anerkennungsbescheid nur einen Verwaltungsakt darstelle, der noch keine unmittelbaren Wirkungen für den Arbeitgeber entfallte. Die Rechtsbetroffenheit durch die Inanspruchnahme zur Lohnfortzahlung für die Dauer der Schulungsveranstaltung werde aber erst durch die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an der Schulungsveranstaltung auslöst 104 • Zum anderen läßt es den Einwand des Arbeitgebers in einem gegen ihn geführten Verfahren nicht zu, daß die Veranstaltung entgegen dem Anerkennungsbescheid nicht geeignet gewesen sei 105 • Doch auch wenn diese Trennung zwischen Anerkennungsverwaltungsakt und tatsächlicher Inanspruchnahme des Arbeitgebers eher gekünstelt wirkt, ist dem BAG in Bezug auf die Bindung des Arbeitgebers zu folgen. Daflir spricht zunächst der Zweck des Anerkennungsverfahrens. Dieser besteht zum einen in der verbindlichen Feststellung der Geeignetheit einer konkreten Schulungsund Bildungsveranstaltung für den gesamten Anwendungsbereich des BetrVG 106 • Zum anderen dient das Anerkennungsverfahren der Vermeidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Arbeitgeber und dem einzelnen Betriebsratsmitglied über die Geeignetheit der Schulungsveranstaltung. Im Rahmen der Beurteilung der Voraussetzungen für eine Anerkennung wird auch nicht auf die Besonderheiten eines konkreten Betriebes abgestellt, sondern die Geeignetheit der Schulungs- oder Bildungsveranstaltung wird anhand des Inhalts der Veranstaltung geprüft. Diese weitreichende Wirkung des Anerkennungsverfahrens und die Gefahr einer Rechtszersplitterung bei Inzidentkontrollen in einzelnen Urteilsverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitgliedern rechtfertigten es, auch im Rahmen von § 37 Abs. 7 BetrVG von einer umfassenden Rechtskrafterstreckung auszugehen.

ren ergibt sich aus § 40 Abs. I S. I VwGO i.V.m. § 37 Abs. 7 S. I BetrVG i.V.m. § 2a Abs. I Nr. 1 ArbGG. 104 BAG (6. Senat) AP Nr. 38 BI. 1 ff. zu § 37 BetrVG 1972 m. krit. Anm. Grunsky = SAE 1984, S. 5 m. krit. Anm. Richardi; in AP Nr. 23 BI. 2 zu § 37 BetrVG 1972 hatte der I. Senat des BAG die Antragsbefugnis noch bejaht, vgl. hierzu Loritz BB 1983, S. 1368 (1369), der sich wie der überwiegende Teil der Literatur gegen die vom BAG vorgenomme Trennung von Verwaltungsakt und Betroffenheit des Arbeitgebers ausspricht, siehe auch Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 371 m.w.N. 105 BAG AP Nr. 41 BI. 1 R zu § 37 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Grunsky. 106 Vgl. für viele Loritz, BB 1983, 1368 (1370).

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

c) Zwischenergebnis Arbeitsgerichtliche Beschlüsse betreffend Betriebsabgrenzungsverfahren nach § 18 Abs.2 BetrVG, die Anfechtung von Betriebsratswahlen nach § 19 Abs. I BetrVG sowie die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen von Ansprüchen nach § 37 Abs.6 und 7 BetrVG entfalten im Verhältnis zu den Betriebsratsmitgliedern und zu den Individualvertragsparteien Bindungswirkungen. Eine im Beschlußverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung verhindert nicht nur aufgrund entgegenstehender Rechtskraft eine erneute Entscheidung über den gleichen Streitgegenstand, sondern hat auch präjudizielle Wirkung für sämtliche, aufgrund materiellen Rechts von dieser Entscheidung abhängige Folgeentscheidungen. So steht z. B. für ein nachfolgendes Urteilsverfahren zwischen denselben Beteiligten bzw. dann Parteien des Urteilsverfahrens bindend fest, daß ein in diesem Verfahren geltend gemachter Anspruch dem Grunde nach besteht oder nicht. Dies gilt uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf eine Beteiligung der Betroffenen an dem vorangegangenen Verfahren.

d) Mitwirkungsrechte des Betriebsrats Von besonderer Bedeutung sind Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnem bei Meinungsverschiedenheiten über den rechtlichen Bestand und die Auslegung von Betriebsvereinbarungen im Rahmen von § 77 BetrVG sowie bei Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen von Mitwirkungsrechten und die gerichtliche Sicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Rahmen von § 87 Abs. I BetrVG.

aa) Betriebsvereinbarungen (I) Grundsätzliche Überprüfbarkeit von Betriebsvereinbarungen Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über das "ob" und "wie" der Ausführung einer zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung entscheidet auf Antrag das Arbeitsgericht im Beschlußverfahren nach § 2a Abs. I Nr. I, Abs. 2, §§ 80 ff. ArbGG. Ebenso ist ein Streit zwischen den Betriebspartnern über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Betriebsvereinbarung, über deren Zu lässigkeit und Rechtswirksamkeit, über deren Inhalt, Nachwirkung und Auslegung im Beschlußverfahren zu entscheiden 107 • Bei Betriebsvereinbarungen handelt es sich um Rechtsnormen, die nach §§ 73, 93 ArbGG un-

11. Auswirkungen von parteiübergreifenden Entscheidungswirkungen

159

eingeschränkt der gerichtlichen Uberprüfung und Auslegung unterliegen lO8 • Sie müssen aber als nicht-staatliches Recht lO9 dem Gericht nachgewiesen werden (§ 293 ZPO). Die Arbeitsgerichte prüfen 110, ob eine Betriebsvereinbarung die Innenschranken der Betriebsautonomie eingehalten hat, d.h. ob die Bindung der Betriebsvereinbarungen an zwingendes staatliches Rechtlli beachtet wurde. Ebenso wird geprüft, ob die Regelungssperre zugunsten der Tarifautonomie nach § 77 Abs. 3 BetrVG, bzw. im Rahmen von § 87 Abs. I BetrVG nach § 87 Abs. 1 Einls. BetrVG beachtet wurde 112. Eine Unwirksamkeitserklärung kann auch mit einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder mit dem Argument eines Verstoßes gegen den Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer erreicht werden. Bei Besitzstände verschlechternden Betriebsvereinbarungen sind insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßig-

107 BAG EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 46 S. 4; FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 77 Rdnr. 194, Hess, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 77 Rdnr. 175, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 Rdnrn. 346 f. IOK BAG AP EzA § 50 BetrVG 1972 Nr. 10, S. 11, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 50, S. 4; FittinglKaiseriHeitherlEngels, BetrVG, § 77 Rdnr. 196, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 59. 109 Die Regelungen einer Betriebsvereinbarung sind zwar keine Rechtsnormen i.S.d. staatlichen Rechtstheorien, haben aber wegen der in § 77 Abs. 4 S. I BetrVG angeordneten unmittelbaren Geltung normativen Charakter, Palandt-Heinrichs, Einl vor § I Rdnm. 19 ff.; ders. a.a.O., § 2 EGBGB Rdnr. I zum Begriff des Gesetzes; BAG in BAGE 23, S. 257 (263 f.), StaudingerlMerteniKirchhoff, BGB, Art. 2 EGBGB Rdnr. 83, Soergel-Hartmann, BGB, Art. 2 EGBGB Rdnr. 10, Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 Rdnr. 59 speziell zu Betriebsvereinbarungen. 110 Vgl. zu der allgemeinen Billigkeitsprüfung der Betriebsvereinbarung BAG AP Nr. 14, Nr. 12 zu § 242 BGB Ruhegeld m. zust. Anm. Richardi = SAE 1970, S. 262 m. zust. Anm. Säcker, BAG (GS) AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972; vgl. Kreutz, in: GKBetrVG, § 77 Rdnm. 259 ff. mit einer intensiven Auseinandersetzung der Literatur und der Rechtsprechung der verschiedenen Senate des BAG zum Umfang der Billigkeitskontrolle, ebenso FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 77 Rdnr. 197. 111 Wie die allgemeinen Gesetze, Verordnungen und Satzungen z. B. der Berufsgenossenschaften, Verbotsgestze nach § 134 BGB und Verstöße gegen die guten Sitten nach § 138 BGB. Daneben läßt sich eine (partielle) Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung auch wegen eines Verstoßes gegen maßgebliche Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze herleiten. So kann zum Beispiel ein Verstoß gegen das sich aus §§ 2 Abs. I, 75, 76 Abs. 5 Satz 3 und 112 Abs. 5 BetrVG ergebende Rechtsprinzip der Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat "zum Wohle des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer" eine Unwirksamkeit begründen. 112 Zu der "klassischen" Diskussion zwischen der "Zwei-Schrankentheorie" und der "Vorrangtheorie" für das Verhältnis der Schranke des § 77 Abs. 3 BetrVG zu der Schranke des § 87 Abs. I Einls. BetrVG vgl. für die erste Ansicht Wiese, in: GKBetrVG, § 87 Rdnr. 97 und fur die zweite Ansicht BAG AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972, BAG (GS) AP Nr. 51 BI. 5 ff. und Nr. 52 BI. 4 ff. zu § 87 BetrVG 1972 sowie FittinglKaiserlHeitherlEngels, BetrVG, § 77 Rdnm. 96 ff.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

keit und des Vertrauensschutzes zu beachten; nach diesen beiden Grundsätzen ist der Eingriff in bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer nur dann zulässig, wenn er sich im Rahmen einer abstrakten und konkreten Billigkeitsentscheidung - am Zweck der Maßnahme gemessen - als geeignet, erforderlich und verhältnismäßig erweist l13 • Ergeht in einem vom Arbeitgeber oder Betriebsrat eingeleiteten Beschlußverfahren eine Entscheidung über einen der eben dargestellten Streitgegenstände, so entfaltet dieser nach den dargestellten Grundsätzen Rechtskraft zwischen den Betriebspartnern über den durch den Antrag bestimmten verfahrensrechtlichen Streitgegenstand. Insoweit ist es keine Frage von erweiterten Entscheidungswirkungen auf Dritte ll \ sondern durch einen rechtskräftigen Beschluß über eine Betriebsvereinbarung steht zwischen den Betriebspartnern deren Wirksamkeit, Inhalt, Auslegung oder Verbindlichkeit endgültig fest. Es erscheint daher interessanter, sich ausgewählte Einzelfragen des überprüfenden Beschlußverfahrens näher zu betrachten und einen weiteren Schwerpunkt auf die als Streitgegenstände in Betracht kommenden Betriebsvereinbarungen zu legen.

(2) Antragsberechtigung Eine Rechtskraftwirkung setzt ein Beschlußverfahren zwischen den Beteiligten der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung voraus. Entsprechend den Überlegungen zu § 9 TVG II5 kann die verbindliche Klärung von Fragen der kollektiven Ordnung grundsätzlich nur von den Parteien herbeigeführt werden, die diese Ordnung gemeinsam geschaffen haben ll6 . Daher sind der Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat für die Feststellung der Gültigkeit oder des Inhaltes des jeweiligen Kollektivvertrages (betriebs-, unternehmens- oder konzernweite Betriebsvereinbarung) zuständig 117.

113 Siehe BAG AP Nr. 1 BI. 4 zu § 1 BetrA VG Ablösung, AP Nr. I BI. 3 f. zu § I BetrA VG Unterstützungskassen; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rdnm. 265 und 279. 114 Vgl. zur umstrittenen Anwendung von § 9 TVG BAG EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59; Dütz, in: FS Gnade, S.487 (496), Kraft Anm. zu BAG AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972; a.A. Rütting RdA 1991, S. 257 (265). 115 Nach § 9 TVG kann ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit von Tarifverträgen mit verbindlicher Wirkung flir die tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur von den Parteien geflihrt werden, die auch den Tarifvertrag abgeschlossen haben, vgl. KoberskilClasen/Menzel, TVG, § 9 Rdnr. 4, Wiedemann/Stumpf, TVG, § 9 Rdnr. 4, Rieble NZA 1992, S. 250 (252). 116 So die zutreffende Folgerung von Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 400. 117 Als Beispiel flir einen Rechtsstreit über eine Gesamtbetriebsvereinbarung siehe BAG AP Nr. 11 zu § 50 BetrVG 1972.

II. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

161

Allerdings ist auch ein örtlicher Betriebsrat aufgrund des Überwachungsrechtes nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nach Ansicht des BAG antragsberechtigt, wenn über eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossen worden ist 1l8 • Die Befugnis zur Überwachung der Durchführung einer Betriebsvereinbarung muß sich nach Ansicht des BAG nicht zwangsläufig mit der Kompetenz decken, die Norm in einem Kollektivverfahren verbindlich feststellen zu lassen, sondern kann durchaus weiteren Arbeitnehmervertretungen zugebilligt werden. Umgekehrt kann allerdings auch der Gesamtbetriebsrat, der nach allgemeiner Auffassung gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG nicht nur als Vertreter eines Betriebsrats, sondern darüber hinaus im Rahmen eines Beschlußverfahrens als gewillkürter Prozeßstandschaftler l19 auftreten kann, von einem örtlichen Betriebsrat unter Beachtung des Schriftform erfordernisses der §§ 50 Abs. 2 S. 2 i.V.m. 27 Abs. 3 S. 3 und 4 BetrVG ermächtigt werden, die gerichtliche Überprüfung einer von diesem abgeschlossenen Betriebsvereinbarung einzuleiten 120. Ist ein solches Beschlußverfahren über die Gültigkeit und den Inhalt einer Betriebsvereinbarung durchgeführt worden, so entfaltet dieser Beschluß für die Zukunft Rechtskraft zwischen den beteiligten betriebsverfassungsrechtlichen Organen. Aber auch in dem Fall, daß ein Gesamtbetriebsrat im Beschlußverfahren Beteiligter war, erfolgt eine Rechtskrafterstreckung zunächst auf den Einzelbetriebsrat als Rechtsinhaber, die sodann zu einer Bindung von Arbeitgeber und Betriebsrat führt l21 .

(3) Einzelfragen Des weiteren stellt sich die Frage, welche Betriebsvereinbarungen zum Streitgegenstand eines Beschlußverfahrens gemacht werden können. Dabei ist zunächst näher auf die Betriebsvereinbarung im Nachwirkungsstadium einzugehen. Die in § 77 Abs. 6 BetrVG angeordnete Nachwirkung für

BAG AP Nr. 5 BI. 4 R zu § 92 ArbGG 1979. BAG AP Nr. 2 BI. 2 zu § 50 BetrVG 1972; DietzlRichardi, BetrVG, § 50 Rdnr. 34, FittinglKaiserlHeitheriEngels, BetrVG § 50 Rdnr. 49, Kreutz, in: GKBetrVG, § 50 Rdnr. 48. 120 V gl. ausführlich BehrenslKramer, OB 1994 S. 94 ff. und Rieble Anm. zu BAG . EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 59. 121 Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 401; für die Zurechnung von Verfahrensergebnissen kommt es im Beschlußverfahren nur darauf an, daß der "zuständige" Betriebsrat am vorangegangenen Beschlußverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligt gewesen war, da er in diesem Falle bei gleichem Antrag hinreichenden Einfluß auf die gerichtliche Entscheidung nehmen konnte.vgl. auch BAG AP Nr. I zu § I BetrAVG Ablösung, AP Nr. 12 BI. 2 R zu § 81 ArbGG 1979. 118

119

II Müller-Boruttau

162

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Betriebsvereinbarungen reicht im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung nach Ansicht des BAG aus, um die Statthaftigkeit eines Beschlußverfahrens über eine nachwirkende Betriebsvereinbarung zu bejahen 122 • Gleiches gilt rur die kollektive Weitergeltung einer Betriebsvereinbarung nach einem Betriebsübergang nach § 613a Abs. I BGB. Mangels vergleichbarer Regelung bei dem Erwerber kommt es zu einer vertraglichen Weitergeltung der Betriebsvereinbarung nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB 123 • Wurde ein Beschlußverfahren über Gültigkeit und Inhalt einer Betriebsvereinbarung vor dem Betriebsübergang durchgeflihrt, so stellt dies auch eine der Rechtskraft fl:ihige Entscheidung dar, da bei Erhalt der Identität des Betriebes die Betriebsparteien weiter bestehen bleiben und an die vorangegangenen Entscheidungen gebunden sind 124 • Auch tritt der Erwerber als Partei in die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Betriebsvereinbarungen ein und ist in dem weiter existierenden Betrieb gemäß dem im Beschlußverfahren insoweit entsprechend anzuwendenden § 325 Abs. 1 ZPO an die ergangenen Entscheidungen über die Betriebsvereinbarungen als Kollektivvertrag gebunden 12S • Hat bis zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges noch kein Beschlußverfahren stattgefunden, so ergeben sich rur den Fall einer kollektivrechtlichen Fortgeltung der Betriebsvereinbarung keine Besonderheiten 126 • Da eine solche Weitergeltung stets von dem Fortbestehen des Betriebsrats abhängig ist, kann ein Kollektivverfahren zwischen dem Betriebsrat und dem Erwerber nach dem Erwerb über eine vor dem Erwerb abgeschlossenen Betriebsvereinbarung durchgeruhrt werden 127.

122 BAG AP Nr. 5 Bl. 1 R zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, AP Nr. 98 zu § I TVG für die Nachwirkung bei Tarifverträgen. Die Betriebsvereinbarung gilt zwar nach § 77 Abs. 6 BetrVG nicht mehr zwingend, doch bildet sie aufgrund der unmittelbaren Weitergeltung noch die kollektive Ordnung. 123 Zur Zurechnung von Verfahrensergebnissen nach der Transformation aufgrund § 613a Abs. I S. 2 BGB in das Individualrecht siehe Krause, Rechtskrafterstreckung, S.414. 124 AP Nr. 55 Bl. 2 zu § 99 BetrVG 1972, AP Nr. 89 Bl. 8 zu § 613a BGB = DB 1991, S. 1937 (1938); Fitting/KaiseriHeithar/Enge/s, BetrVG, § 21 Rdnr. 35, Wiese, in: GK-BetrVG, § 21 Rdnrn. 47 f; Moll. NJW 1993, S. 2016 (2019). 125 BAG APNr. 89 Bl. 8 zu § 613a BGB = DB 1991, S. 1937 (1938); MünchArbRWank, Bd. 2, § 120 Rdnr. 195. 126 BAG DB 1991, S. 1937 (1938 f.); MünchArbR-Wank, Bd 2, § 120 Rdnr. 198. 127 BAG AP Nr. 55 Bl. 2 R zu 99 BetrVG 1972: Fortführung eines bereits anhängigen Rechtsstreites durch den weiterbestehenden Betriebsrat.

11. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

163

bb) Bestehen und Umfang von Mitwirkungsrechten Neben Entscheidungen über die Kollektivvereinbarungen bilden Erkenntnisse über das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten, vor allem im Rahmen von § 87 Abs. 1 BetrVG, den zweiten hier zu betrachtenden Schwerpunkt. Die als Kembereich oder "Herzstück der Mitbestimmung"128 bezeichneten Mitbestimmungsrechte im Rahmen von § 87 Abs. I BetrVG mit der dort herrschenden echten paritätischen Mitbestimmung und dem positiven Konsenzprinzipl29, sind nach der vom BAG vertretenen Auffassung Wirksamkeitsvoraussetzungen fUr alle Maßnahmen des Arbeitgebers im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG 13 0. Eine Verletzung dieser Mitbestimmungsrechte fUhrt zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften oder zur Rechtswidrigkeit tatsächlicher Maßnahmen, soweit diese den Arbeitnehmer belasten l3l. Als Beispiele seien die EinfUhrung von Kurzarbeit 132 , der Widerruf von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung 133 und die Anrechnung oder der Widerruf von über- und außertariflichen Zulagen bei Tariflohnerhöhungen 134 angeführt.

(1) Streitigkeiten über die Voraussetzungen von Mitbestimmungsrechten Der Betriebsrat kann zunächst mittels eines - auch u.U. global gehaltenen - Feststellungsantrages im Rahmen eines Beschlußverfahrens das Bestehen des Mitbestimmungsrechtes feststellen lassen IJ5. Darüber hinaus hat er unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der einseitigen Maßnahme gegen den Arbeitgeber 136 und einen

m v. Hoyningen-Huene, BetrVG, § 12,5.

129 Vgl. nur Wiese, in: GK-BertVG, § 87 Rdnr. 93. IJU Vgl. wiederum nur Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rdnr. 92 m. umfr. Beispielen der Rechtsprechung und der Literatur. 131 BAG (GS) APNr.17 BI. 13 f. zu §77BetrVG 1972, APNr.16 BI. 4 R zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, AP Nr. 18 BI. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, BAG (GS) AP Nr. 51 BI. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, AP Nr. 53 BI. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rdnrn. 94 ff. m BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit. l3J BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 134 BAG (GS) AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang. 135 BAG AP NT. 24 BI. 2 R zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, OB 1994, S. 2450 (2450); Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rdnr. 906 m.w.N. 136 Der Betriebsrat hat einen Anspruch gegen den Arbeitgeber darauf, daß dieser die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG beachtet und jegliches mitbestimmungswidrige Verhalten unterläßt, Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rdnr. 905 und § 23 Rdnrn. 127 ff. Zu der Abgrenzung des Unterlassungsanspruches nach § 23 Abs. 3 BetrVG und zu einem allgemeinen Unterlassungsanspruch über § 85 ArbGG siehe grundlegend BAG AP Nr. 23

164

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 87 BetrVG I37 gegen die Maßnahme des Arbeitgebers. Auch kann er die Beseitigung eines betriebs verfassungsrechtswidrigen Zustandes oder einer solchen Regelung verlangen \3S. In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob von einem zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat herbeigefUhrten Beschluß eine erweiterte Bindungswirkung auch auf die Individualarbeitsverhältnisse ausgeht\39. Für die hier untersuchte Frage ist allerdings nicht eine Rechtskrafterstreckung auf die Belegschaft und damit das "Außenverhältnis", sondern eine entgegenstehende materielle Rechtskraft fUr weitere Beschlußverfahren zwischen den Betriebspartnern und damit das "Innenverhältnis" von Bedeutung. Eine solche tritt nach rechtskräftigem Abschluß eines Beschlußverfahrens zwischen den Betriebspartnern ein. Es entspricht einer einhelligen Ansicht in der Rechtsprechung, daß sich ein Antrag zunächst auf eine konkrete Maßnahme des Arbeitgebers beziehen kann. Daneben wird auch ein von einer konkreten Maßnahme lösgelöster, zukunftsgerichteter Antrag bei einer drohenden Wiederholungsgefahr als zulässig angesehen 140. Das Ausmaß der zwischen den Betriebspartnern eintretenden materiellen Rechtskraft hängt mithin vom jeweils gestellten Antrag ab. Eine Entscheidung über die konkrete Maßnahme bindet nur hinsichtlich der Folgen, die unmittelbar aus dem festgestellten Rechtsverhältnis abgeleitet werden können. Dem gegenüber fUhrt der von der Maßnahme abstrahierende Beschluß zu einer Bindung fUr die Zukunft, soweit es sich um gleichgelagerte Konstellationen handeltI 41 .

zu § 23 BetrVG 1972 und Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnm. 116 mit umfassender Wiedergabe des Streigegenstandes. 137 Seit BAG in BAGE 76, S. 364 (369 ff.) = AP Nr. 23 BI. 2 R ff. zu § 23 BetrVG m. Anm. Richardi = DB 1994, S.2450 (2451 f.) bestätigt durch BAG NZA 1997, S. 274 (277) m. Wiedergabe der Diskussion in der Literatur auf BAGE 76, S. 364 ff.; dieser allgemeine Unterlassungsanspruch kann allerdings nicht auf § 111 BetrVG übertragen werden, vgl. ArbG Kiel BB 1997, S.635 (635) und ArbG Minden BB 1997, S.635 (635); Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 Rdnr.904 im allgemeinen und § 87 Rdnrn. 306, 367 und 496 zu speziellen Mitwirkungstatbeständen. 13K LAG Bremen DB 1984, S. 1935 (1936), LAG Düsse1dorf BB 1983, S.2053 (2053); Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23 Rdnm. 80 ff. und § 87 Rdnrn. 161 f.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 135 und § 87 Rdnr. 905. 139 Siehe dazu Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 444 ff. m.w.N. 140 BAG AP Nr. 5 BI. 4 f. zu § 83 ArbGG 1979, AP Nr. 19 BI. 2 zu § 80 BetrVG 1972, AP Nr. 3 BI. 1 R f. zu § 81 ArbGG 1979, AP Nr. 26 BI. 3 R zu § 95 BetrVG 1972. 141 Siehe wiederum BAG AP Nr. 5 BI. 4 f. zu § 83 ArbGG 1979.

11. Auswirkungen von partei übergreifenden Entscheidungswirkungen

165

(2) Streitigkeiten über den Umfang von Mitbestimmungsrechten Über dies kann in einem Beschlußverfahren nicht nur das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes als solches, sondern auch dessen konkrete inhaltliche Reichweite gerichtlich geklärt werden. Da diese bei den Problemkreise allerdings nahtlos aufeinander aufbauen, ist auch dann, wenn in dem Beschlußverfahren das Schwergewicht auf der Bestimmung des Inhalts des Mitbestimmungsrechtes lag, dessen Bestehen von der Rechtskraft als mit umfaßt anzusehen l42 .

ce) Schlußfolgerungen Eine Bindungswirkung zwischen den Betriebspartnern Arbeitgeber und Betriebsrat ist bei Meinungsverschiedenheiten im Rahmen von § 87 BetrVG oder bei einem zulässigen zukunftsgerichteten Antrag über das Instrument der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung und nicht über eine präjudizielle Wirkung einer Entscheidung für weitere Rechtsstreitigkeiten herzuleiten. Dies bedeutet, daß ein wiederholter Antrag z. B. über ein gleichartiges Mitbestimmungsrecht wegen entgegenstehender Rechtskraft bereits unzulässig ist.

e) Ergebnis Die Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen für Folgeprozesse wurde anhand dreier Grundformen einer Bindung untersucht. Diese Instrumente sind zum einen die dem materiellen Recht zuzuordnenden Tatbestandswirkung und Gestaltungswirkung sowie zum anderen die dem prozessualen Recht zuzuordnende materielle Rechtskraft. Eine Herleitung neuartiger Begriffe, denen keine von diesen Grundtypen abweichende Bindungswirkung zukommt, ist abzulehnen. Insbesondere kann nicht aus einer Prozeßstandschaft des Betriebsrats eine erweiterte Bindung für die Individualvertragsparteien oder Betriebsratsmitglieder gefolgert werden. Die Folge der Maßgeblichkeit einer vorangegangenen Entscheidung ist, daß in einem Folgeverfahren die rechtskräftige und sich auf das Folgeverfahren auswirkende Entscheidung mit prozessualen Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen oder abgeändert werden kann. In den Fällen einer materiellen Rechtskraft führt diese zu einer Unzulässigkeit des neuen Antrags mit dem der gleiche Streitgegenstand noch einmal gerichtlich überprüft werden soll.

142 Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 448, Ehmann Anm. zu BAG EzA BetrVG 1972 Bildschirmarbeitsplatz Nr. 1.

*87

166

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes lassen sich für die wichtigsten Verfahren zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat oder einem Mitglied des Betriebsrats folgende Ergebnisse festhalten: Die Betriebspartner können die Betriebseigenschaft des Arbeitgebers mittels eines Betriebsabgrenzungsverfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG mit umfassender Bindungswirkung für sämtliche vom Betriebsbegriff abhängige Folgefragen klären lassen. Wird eine Betriebsratswahl erfolgreich angefochten, so kommt der Aufhebung des Wahlergebnisses durch einen Anfechtungsantrag nach § 19 BetrVG eine ex-nunc-Gestaltungswirkung zu. Die Betriebspartner sind an diese Entscheidung gebunden und können deren Aufhebung oder Abänderung in einem Folgeverfahren z. B. über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht mehr erreichen. Eine in einem vorgeschaltetem Beschlußverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen von Individualanspruchen der Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs.6 LV.m. Abs. 2 BetrVG oder § 37 Abs. 7 BetrVG entfaltet präjudizielle Wirkung für die nachfolgenden Urteilsverfahren zwischen den gleichen Beteiligten bzw. dann Parteien des Urteilsverfahrens. Diese Bindung tritt ungeachtet einer unterbliebenen Beteiligung des einzelnen Betriebsratsmitglieds an dem Beschlußverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat für seine vorgenannten Individualanspruche ein. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Wirksamkeit, den Inhalt, die Auslegung und die Verbindlichkeit einer zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung verhindert aufgrund entgegenstehender materieller Rechtskraft eine erneute Entscheidung über diesen Streitgegenstand. Die Antragsberechtigung in einem solchen Beschlußverfahren über die Betriebsvereinbarung kann sowohl dem Gesamtbetriebsrat für die Betriebsvereinbarungen der einzelnen Betriebe des Unternehmens, als auch dem einzelnen Betriebsrat für die Überprüfung einer Gesamtbetriebsvereinbarung zustehen. Eine Bindungswirkung einer Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen von § 87 BetrVG oder bei einem zulässigen zukunftsgerichteten Antrag hinsichtlich des Bestehens eines Mitbestimmungsrechtes im Rahmen von § 87 Abs. 1 BetrVG wird ebenfalls durch die materielle Rechtskraft vermittelt. Bei den Auswirkungen der Maßgeblichkeit auf die Erfolgsaussichten eines Folgeverfahrens ist nach den unterschiedlichen Bindungsformen zu unterscheiden. Die entgegenstehende materielle Rechtskraft führt zu einer Unzulässigkeit des neuen Antrags. Die Rechtswirkungen der Gestaltungs- oder Tatbestands-

III. Wegfall des Rechtsschutzinteresses

167

wirkung führen hingegen zu einer Unbegründetheit des Folgeantrages, da rechtskräftig feststeht, daß eine Anspruchsvoraussetzung nicht vorliegt. Allen Bindungswirkungen gemeinsam ist, daß im Rahmen der vom BAG vorgegebenen drei kumulativen Anspruchsvoraussetzugen schon das Merkmal der Erforderlichkeit des Beschlußverfahrens nicht erfüllt ist. Die Rechtsverfolgung kann zwar als vom Aufgabenbereich erfaßt angesehen werden, die Erfolgsaussichten des verfahreseinleitenden Antrags sind aber von Anfang an zu verneinen. Die durch den Folgeantrag entstehenden Kosten sind nicht vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen. IH. Wegfall des Rechtsschutzinteresses Der Antrag im Beschlußverfahren nach § 81 Abs. I ArbGG unterliegt wie jedes an ein Gericht gerichtetes Ersuchen der Prüfung des Vorliegens des Rechtsschutzinteresses 143.

1. Begriff Das Rechtsschutzinteresse im allgemeinen Sinne ist das als berechtigt anzusehende Interesse eines in seinen Rechten vermeintlich Beeinträchtigten, ein Gericht in Anspruch zu nehmen, um Rechtsschutz zu erreichen. Das Rechtsschutzinteresse ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsschutzgesuches und damit Prozeß- und Rechtszugvoraussetzung l44 • Es fehlt, wenn zum einen ohne das Rechtsschutzgesuch des erstrebte Ziel einfacher, billiger oder ohnehin erreicht werden kann, und zum anderen, wenn ein Gericht mutwillig (unnütz) oder aus unlauteren Motiven in Anspruch genommen wird l45 • Eine besondere Ausprägung des Rechtsschutzinteresses stellt das Feststellungsinteresse im Rahmen einer Feststellungsklage bzw. eines Feststellungsantrages dar. Dieses Feststellungsinteresse liegt nach § 256 Abs. 1 ZPO vor, wenn Vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 81 Rdnm. 23 ff. Vgl. BGH NJW-RR 1989, S. 263; Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem. § 253 Rdnr. 26, Zö/ler-Greger, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 18 für das Zivilrecht; Kopp, VwGO, Vorb. § 40 Rdnr. 30. für das öffentliche Recht; BAG AP Nr. 7 BI. 3 zu § 81 ArbGG 1979, AP Nr. 8 BI. I R ff., Nr. 28 BI. I R zu § 80 BetrVG 1972, AP Nr. 7 BI. 3 R zu § 23 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 81, Rdnr. 23 für das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren. Es muß im letzten Zeitpunkt einer Entscheidung über die Prozeßanträge vorliegen, d.h. es reicht aus, wenn es erst während der Revision- bzw. der Rechtsbeschwerde vorliegt, AP Nr. 7 BI. 4 f. zu § 81 ArbGG 1979 und AP Nr. I BI. 2 zu § III BetrVG 1972. 145 So die allgemeine Definition, vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, Vor § 253 Rdnr. 18, Kopp, VwGO, Vorb. § 40 Rdnr. 30 m.w.N. 143

144

168

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

der Antragsteller ein Interesse einer alsbaldigen Feststellung hinsichtlich eines Rechtsverhältnisses und dessen Ausgestaltung hat l46 •

2. Die Ansicht des BAG zum Rechtsschutzinteresse bis 1979

Das Bundesarbeitsgericht l47 hatte sich bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresseses im Beschlußverfahren lange Zeit von anderen Kriterien leiten lassen, als bei der Prüfung im Urteilsverfahren. Es hatte dabei verstärkt auf den Charakter des Beschlußverfahrens abgestelltl 48 • Bis zur Neuregelung durch die Arbeitsgerichtsnovelle von 1979 hatte das Beschlußverfahren einen objektiven Charakter und verfolgte den Zweck, betriebsverfassungsrechtliche Fragen zu klären, bei denen es um die Abgrenzung der gegenseitigen Kompetenzen im Bereich der Betriebsverfassung ging l49 • Nur zweitrangig wurde der Zweck und Charakter des Beschlußverfahrens darin gesehen, Rechtspositionen der betriebsverfassungsrechtlichen Organe zu klären und Ansprüche durchzusetzen l50 • Ausgehend von diesem Verständnis des Beschlußverfahrens lehnte die Rechtsprechung es zwar ab, abstrakte Rechtsfragen zu beantworten, also gutachterlich tätig zu werden. Gleichwohl hat das BAG vielfach nicht nur über den eigentlich gestellten Antrag, sondern auch über die dahinterstehende Rechtsfrage entschieden i51 • Angesichts des Umstandes, daß sich der fiir eine gerichtliche Entscheidung vorausgesetzte konkrete Anlaß einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit unter den Beteiligten während des Verfahrens erledigen kann, hat das BAG die Möglichkeit genügen lassen, daß im Betrieb gleiche oder ähnliche Streitfälle wieder auftreten können, um über den an sich erledigten Antrag hinaus noch in der Sache zu entscheiden 152 • Das Rechtsschutzinteresse an der Klärung einer Rechtsfrage sollte nur entfallen, wenn der Streitfall durch Umstände gegenstandslos geworden ist, die

146 So die allgemeine Definition, vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, § 256 Rdnrn. 7 ff., ThomaslPufzo, § 256 Rdnrn. 13 ff. 147 BAG AP Nr. 4 BI. 1 R zu § 37 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 2 ff. zu § 111 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 2 R f. zu § 42 BetrVG 1972; ebenso das BVerwG in BVerwGE 49, S. 259 ff. 14M SO die Rechtsprechung würdigend GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rdnr.23. 149 BAG AP Nr. 4 zu § 56 BetrVG 1972 Entlohnung, BVerwGE 49, S. 259 ff. 150 SAG AP Nr. 4 zu § 56 BetrVG 1972, GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rdnr. 23, Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 5. 151 GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rdnr. 23. 152 BAG AP Nr. 4 BI. 1 R zu § 37 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 2 ff. zu § 111 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 2 R f. zu § 42 BetrVG 1972.

III. Wegfall des Rechtsschutzinteresses

169

entweder dem Begehren des Antragstellers Rechnung getragen hatten oder von ihm zu vertreten waren IS3.

3. Die neue Ansicht des BAG nach der Arbeitsgerichtsnovelle

Nach der Novellierung des Arbeitsgerichtsgesetzes mit Gesetz vorn 21. Mai 1979 154 hat auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes eine grundlegende Änderung erfahren. Einleitend war dabei die Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichtes vorn 29.07. 1982 1SS • Danach fehlte das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wurde, daß eine bestimmte, bereits abgeschlossene Maßnahme unwirksam sei oder daß an ihr ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestanden habe, wenn diese Maßnahme für die Verfahrensbeteiligten im Zeitpunkt der Entscheidung keine Rechtswirkungen mehr entfalten konnte 156. Auf die Möglichkeit, daß gleiche oder ähnliche Streitfälle im Betrieb wieder auftreten könnten, karn es nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes also nicht mehr an. Eine solche Entscheidung könne einern Verfahrensbeteiligten lediglich bescheinigen - so das BAG in dieser Entscheidung - , daß er Recht oder Unrecht gehabt habe. Allein der Umstand, daß die Entscheidung für künftige Fälle Richtschnur für das Handeln der Beteiligten sein könne, begründe kein Rechtsschutzinteresse mehr lS7 • Mit einer solchen Entscheidung würde das Gericht lediglich gutachterlich tätig werden. Das sei aber nicht Aufgabe der Gerichte ls8 • Sofern zu erwarten sei, daß bei künftigen Vorgängen und Maßnahmen gleicher Art die gleiche Streitfrage unter den Beteiligten wieder auftrete, könne die Streitfrage bezogen auf diese künftigen Fälle dann zur Entscheidung gestellt werden. Der auf den abgeschlossenen Vorgang bezogene Antrag und der An-

BVerwG Buchholz 238.3 A, § 25 Nr. 6. In der Fassung der Bekanntmachung vom 02. Juli 1979, BGBI. I, S. 853 ff., berichtigt S. 1036 ff. 155 BAG AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979. 15fi BAG AP Nr. 5 BI. 4 R zu § 83 ArbGG 1979; seit dem ständige Spruchpraxis siehe BAG EzA § 256 ZPO Nr. 36, 37 und 38; Ascheid, ArbGG Rdnrn. 727 f. 157 BAG AP Nr. 5 BI 3 zu § 83 ArbGG 1979; das BAG verlangt nun für das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses wegen Wiederholungsgefahr eine hinreichende Möglichkeit wiederholten Auftretens der im Streit befindlichen Frage; a.A. Grunsky, ArbGG, § 80 Rdnr. 22, der eine nicht ganz entfernte Möglichkeit der Wiederholung ausrEichen lassen will. 15K BAG AP Nr. 5 BI 5 zu § 83 ArbGG 1979; ebenso Kraft Anm. zu AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972. 153

154

170

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

trag hinsichtlich künftiger gleichartiger Vorgänge betreffe unterschiedliche Streitgegenstände. Der eine sei nicht im anderen enthalten i59 • Dieser Rechtsprechung hat sich sowohl der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichtes 160 als auch das Bundesverwaltungsgericht161 angeschlossen. So besteht Z.B. kein Rechtsschutzinteresse fiir die Anfechtung einer Betriebsratswahl nach Ablauf der Amtszeit oder nach Ausscheiden der anfechtenden Arbeitnehmer aus dem Betrieb l62 .

4. Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung

a) Allgemein Eine Konsequenz dieser geänderten Rechtsprechung ist es, daß bei tatsächlich herbeigefiihrter Entscheidung über eine Streitfrage fiir künftig gleich oder sehr ähnlich gelagerte Fälle auch das Rechtsschutzinteresse weggefallen ist. Dabei ist nicht erforderlich, daß der auf den Anlaßfall fiir den Streit bezogene Antrag neben den auf künftige Vorgänge oder Maßnahmen bezogenen Antrag gestellt wird. Von einem einmal entschiedenen Ausgangsfall kann fiir die Zukunft mit bindender Wirkung fiir die Beteiligten entschieden werden, daß z.B. bestimmt zu bezeichnende personelle Einzelmaßnahmen als Versetzung i.S.v. §§ 99 Abs. 1 S. 1,95 Abs. 3 BetrVG BetrVG anzusehen sind und demnach der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen 163. Ebenfalls kann von einem Ausgangsfall fiir die Zukunft darauf geschlossen werden, daß der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht mit der Begründung verweigern könne, die vorgesehene Befristung des Arbeitsvertrages sei unzulässig l64 • Wie gerade dargestellt, ist dies allerdings keine Frage einer eventuell entgegenstehenden Rechtskraft, sondern eine Frage des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses. Durch eine rechtskräftige Entscheidung ist eine zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat im Streit befindliche Rechtsfrage oder ein im Streit befindlicher Sachverhalt entschieden und damit dieser Streit zwischen 159 BAG AP Nr. 5 BI. 5 zu § 83 ArbGG 1979; die Anträge müßten im Wege der objektiven Antragshäufung zur Entscheidung des Gerichtes gestellt werden (BI. 5 R). 160 BAG AP Nr. 3 BI. 2 zu § 81 ArbGG 1979. 161 BVerwG in BVerwGE 74, S. 100 und PersR 1994, S. 167. 162 BAG EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 28 S. 3 ff. Nr. 29 S. 2 ff.; vgl. auch Kreutz, in: GK-BetrVG, § 19 Rdnm. 63 ff. zur Entwicklung der Rechtsprechung und § 19 Rdnr. 107 zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses. 163 BAG AP Nr. 33 BI. 2 f. zu § 99 BetrVG 1972. 164 BAG AP Nr. 8 BI. 2 und AP Nr. 21 BI 5 zu § 99 BetrVG 1972.

III. Wegfall des Rechtsschutzinteresses

171

den Beteiligten auch tatsächlich geklärt worden. Die Betriebspartner sind nach § 2 Abs. I BetrVG gehalten l65 , diese rechtskräftige Entscheidung bei den Verhandlungen und den Beratungen mit dem anderen Betriebspartner zu berücksichtigen und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen l66 • Im Gegensatz zur materiellen Rechtskrafterstreckung, die sich nur auf denselben (prozessualen) Streitgegenstand bezieht, führt bei der Frage nach dem Wegfall des Rechtsschutzinteresseses die Änderung des Antrages durch Austausch der Arbeitnehmer und die Änderung des Sachverhaltes durch Austausch der Sozial daten der Arbeitnehmer in der Regel nicht zu einer so weitreichenden Abweichung des Anlaßfalles zu den folgenden Fällen, daß von einer das Rechtsschutzinteresse wieder aufleben lassenden Abweichung der Fälle voneinander gesprochen werden kann. Vielmehr kann hier ein einmal entschiedener Fall als Richtschnur und Anhaltspunkt genommen werden, um gleichartige und vergleichbare Fälle innerbetrieblich zu entscheiden. Hinsichtlich solcher Fälle gibt der Anlaßfall die Richtung vor, so daß es bei den weiteren Fällen keines weiteren Beschlußverfahrens mehr bedarf. Es kann eine faktische Bindung entstehen, eine "ständige Rechtsprechung" für den Betrieb. Diese ist von den Betriebspartnem auf Grund des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG im Rahmen der innerbetrieblichen Verhandlungen und Gespräche zu berücksichtigen.

b) Auswirkungen auf die Anträge im Beschlußverfahren Im folgenden sollen nun die Auswirkungen dieser geänderten Rechtsprechung auf die drei möglichen Anträge im Beschlußverfahren dargestellt werden.

165 BAG AP Nr. 21 BI. 5 f. zu § 99 BetrVG 1972 erlaubt allerdings dann eine Einschränkung dieses Berücksichtigungsgebotes, wenn eine Entscheidung des BAG nicht unumstritten ist und sich substantielle Gegenargumente gegen die Entscheidung vortragen lassen. 166 Vgl. auch BAG APNr. 21 BI 7 R zu § 99 BetrVG 1972; in dieser Entscheidung schlägt das BAG ein "vorweggenommenes Zustimmungsersetzungsverfahren" vor. Damit ist wohl der unter Kapitel 6, III, 7 dargestellte Gedanke eines Musterverfahrens zur verbindlichen Klärung von häufig auftretenden Sachverhalten und damit zur Vermeidung von einer Vielzahl von Wiederholungsfalien und damit eine kosten senkende Betriebsratsarbeit gemeint.

172

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

aa) Leistungsantrag Bei Leistungsanträgen ist die gesonderte Prüfung des Rechtsschutzinteresses regelmäßig nicht erforderlich l67 • Es kann aber zu verneinen sein, wenn ein Leistungstitel nicht vollstreckt werden kann l68 • Wird eine Leistung erbracht oder unmöglich, so ist der Antrag unbegründet, aber nicht aufgrund des Wegfalls des Rechtsschutzinteresseses als unzulässig abzuweisen. Allerdings ist in solchen Fällen zur Kosteneinsparung von dem Antragsteller zu fordern, daß er den Antrag nach § 81 Abs. 2 S. I ArbGG zurücknimmt und nicht für erledigt erklärt l69 • Allerdings sind auch hier Fälle denkbar, bei denen von einem einmal entschiedenen Ausgangsfall Rückschlüsse auf spätere Verfahren gezogen werden können, die das Rechtsschutzinteresse wegen unnützer Inanspruchnahme des Gerichtes entfallen lassen können.

bb) Gestaltungsantrag Für einen Gestaltungsantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn die begehrte Entscheidung keine gestaltende Wirkung mehr entfalten kann. So wird der Antrag auf Ausschluß eines Betriebsratsmitglieds nach § 23 Abs. I S. I 1. Alt BetrVG unzulässig, wenn die Amtszeit des Betriebsrats abgelaufen und das Betriebsratsmitglied nicht wieder gewählt worden ist 170. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme nach § 99 Abs. 4 BetrVG wird unzulässig, wenn diese Maßnahme - gleich aufweiche Weise - ihr Ende gefunden hat l7l .

lfi7 BAG AP Nr. 2 BI. 2 zu § 92 BetrVG 1972; GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rdnr. 29. IfiH BAG AP Nr. 7 BI. 2 R zu § 23 BetrVG 1972 m. zust. Anm. v. Hoyningen-Huene. 1~9 Vgl. zum Prüfungsumfang des Gerichtes bei einseitiger bzw. nicht allseitiger Erledigterklärung GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 83a Rdnr. 22; danach prüfen die Arbeitsgerichte nicht, wie im Urteilsverfahren, ob der ursprüngliche Antrag zulässig und begründet war und ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, sondern nur noch, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, siehe auch BAG AP Nr. 3 BI. 2 zu § 83a ArbGG 1979. 170 BAG AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1952 schon vor der Arbeitsgerichtgesetznovelle 1979 im Jahre 1961. 171 Siehe weitere Beispiele bei GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rdnr.30.

III. Wegfall des Rechtsschutzinteresses

173

ce) Feststellungsantrag

Von Bedeutung ist das Rechtsschutzinteresse in seiner speziellen Ausgestaltung des Feststellungsinteresses insbesondere bei den Feststellungsanträgen. Es liegt nur solange vor, wie unter den Beteiligten des Verfahrens Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses besteht, so Z.B. bei Anträgen auf FesteIlung eines Mitbestimmungsrechtes hinsichtlich einer Maßnahme oder eines konkreten betrieblichen Vorganges, solange diese im Streit sind 172 • Das Feststellungsinteresse ist aber dann zu verneinen, wenn in einem Anlaßfall über künftige gleich gelagerte Fälle schon entschieden worden ist. Andererseits entfällt das Rechtsschutzinteresse nicht dadurch, daß eine Einigungsstelle im Verfahren nach § 98 ArbGG errichtet worden ist \7J. Die Entscheidung des BVerwG vom 18.10.1977 174 , in der das Feststellungsinteresse ftir einen Antrag auf Feststellung der Wahlberechtigung oder der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers auch außerhalb der konkreten Wahl bejaht wurde, ist heute nicht mehr haltbar 175 • Es hat weiter zu entfallen, wenn eine gleich gelagerte Frage der Wählbarkeit oder Wahlberechtigung von anderen Arbeitnehmern auftritt. Nach der Rechtsprechung fehlt einem Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG auf Feststellung, daß ein Nebenbetrieb oder ein selbständiger Betrieb vorliegt oder daß mehrere Betriebe einen Betrieb bilden allerdings nicht dann das Feststellungsinteresse, wenn der Streit nicht im Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebsratswahl steht l76 . Weniger mit der geänderten Rechtsprechung als mit der allgemeinen Subsidiarität der Feststellungsklage bzw. des Feststellungsantrages 177 hängt es zusammen, daß das Feststellungsinteresse ftir einen Antrag zu verneinen ist, wenn das Antragsziel mit einem Leistungsantrag geltend gemacht werden kann. 178

172 Vgl. auch BAG APNr. 15 BI 1 R zu § 111 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Löwisch, AP Nr. 24 BI 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; GermelmannIMatthes/Prütting, ArbGG, § 81 Rdnr. 31. 173 GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 81 Rdnr. 31. 174 BVerwG Buchholz 238.32 § 13 Nr. 1. 175 Ebenfalls nicht mehr haltbar dürfte BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG sein, wonach die Feststellung, daß ein Arbeitnehmer Leitender Angestellter ist, auch beantragt werden kann, wenn kein konkreter Streitfall vorliegt. 176 BAG AP Nr. 3 BI. 2 zu § 18 BetrVG 1972. 177 Vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 256 Rdnr. 7a. 17R BAG AP Nr. 2 BI. 2 zu § 92 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 3 zu § 80 ArbGG 1953.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

5. Schlußfolgerungen

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsstreitigkeiten kann demnach entfallen, wenn der Betriebsrat ein Beschlußverfahren einleitet, in dem über einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt entschieden werden soll oder über einen, im Vergleich zu einem in der Vergangenheit gelegenen gleich gelagerten Fall ein Beschlußverfahren eingeleitet wird. Solche Anträge sind mangels Rechtsschutz- bzw. Feststellungsinteresses unzulässig. Die Kosten, die durch den weiteren, dann aber als unzulässig abgewiesenen Antrag entstanden sind und nun im Folgeprozeß geltend gemacht werden, sind als nicht erforderlich anzusehen und dementsprechend nicht vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. I BetrVG zu tragen.

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne Bisher wird sowohl in der Rechtsprechung als auch überwiegend in der literatur davon ausgegangen, daß dem Betriebsrat und den Mitgliedern des Betriebsrats bei dem Entschluß zur Einleitung eines Beschlußverfahrens ein Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Wie dargestellt 179, sind die Kosten der Rechtsverfolgung vom Arbeitgeber dann zu tragen, wenn ein verständig urteilender Dritter die Einleitung des Beschlußverfahrens ex-ante für erforderlich und verhältnismäßig halten durfte.

1. Einleitung In diesem Abschnitt der Untersuchung soll nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats verpflichtet sein kann, einen einmal gefaßten Beschluß zu überdenken oder gar ein einmal ordnungsgemäß eingeleitetes Beschlußverfahren während des Verfahrens vorzeitig, also vor einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung während der Anhörung nach § 83 Abs. 4 ArbGG zu beenden. Hintergrund dieser Überlegung ist eine weitere Möglichkeit zur Kosteneinsparung. Nach dem Gebührenrecht der BRAGO, insbesondere nach § 31 Abs. 1 BRAGO, erhält ein Rechtsanwalt für die gerichtliche Tätigkeit höchtens drei Gebühren für die erste Instanz. Würde ein Verfahren z. B. vor der Beweisaufnahme im Anhörungstermin beendet werden, so würde die 101l0-Beweisgebühr nach §§ 11 Abs. 1 S.2, 7, 8, 31 Abs. 1 Nr. 3, 62 Abs. 1 BRAGO nicht anfallen. Es käme mithin zu einer Verringerung der vom Arbeitgeber zu erstattenden Kosten um 1/3.

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Kapitel 6, 11, 4.

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne

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Ebenfalls könnten dadurch die von der Staatskasse zu tragenden Entschädigungen fiir Zeugen und Sachverständige vennieden werden. Ansatzpunkt dafiir ist der vom BAG selbst auf die Geltendmachung von Ansprüchen übertragene allgemeine Grundsatz der Rechtsmißbräuchlichkeit lso . In diesem Teil der Untersuchung wird der Versuch unternommen, einen weiteren Fall der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung von außergerichtlichen Kosten im Beschlußverfahren nachzuweisen. Im folgenden wird daher untersucht, ob durch nachträglich eintretende Ereignisse die Weiterverfolgung eines Antrages auf KostenfreisteIlung oder eines Leistungsantrages auf Kostenerstattung rechtsmißbräuchlich werden kann. Darüber hinaus soll auch durch eine vergleichende Betrachtung mit Normen des Zivilrechtes, insbesondere mit denen über eine nachträglich wegfallende Berechtigung (§§ 674, 675, 729, 1472, 1698a, 1893, 2218 BGB, 136 HGB), einer nachträglich eintretenden Bösgläubigkeit (§ 990 Abs. 1 S. 2 BGB) und einer genaueren Betrachtung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) versucht werden, das gefundene Ergebnis zu stärken.

2. Einwand der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung nach § 2 Abs. I BetrVG § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet im Allgemeinen Teil des Betriebsverfassungsgesetzes und damit bindend fiir das gesamte Betriebsverfassungsgesetz die betriebsverfassungsrechtlichen Organe zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit lsl . Die Betriebspartner haben sich - allgemein gesagt - so zu verhalten, daß eine Beeinträchtigung des anderen Rechtskreises und eine Störung der Zusammenarbeit verhindert werden. Aus diesem Grundsatz heraus hat das Bundesarbeitsgericht zwar nicht die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches gegen den Arbeitgeber eo ipso fiir unzulässig erachtet, aber doch Grenzen der Geltendmachung abgeleitd s2 •

I Rn V gl. noch einmal BAG AP Nr. 14 BI. 3 zu § 40 BetrVG 1972 und die systematische Untersuchung gerade zu der Frage des Rechtsmißbrauchs im Rahmen von § 2 Abs. I BetrVG von Zitscher OB 1984, S. 1395 ff. IRI Oas Gebot richtet sich sowohl an den Arbeitgeber und seine Vertreter als auch an sämtliche Mitbestimmungsorgane, wie Betriebsrat und seine Mitglieder, Gesamt- und Konzernbetriebsrat und die Jugendvertretung, vgl. nur Dietz/Richardi, BetrVG, § 2 Rdnrn. 12 f., GalperinlLöwisch, BetrVG, § 2 Rdnr. 5, Zitscher OB 1984, S. 1395 (1396). IR2 Siehe wieder BAG AP. Nr. 14 und 18 zu § 40 BetrVG 1972; Kraft, in: GKBetrVG, § 2 Rdnr. 39 und Kapitel 6, 1II.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

a) Mitverantwortung des Betriebsrats für den Betrieb des Arbeitgebers Die Betriebspartner stehen sich allerdings nicht in einem bloßen faktischen Verhältnis gegenüber, begründet durch die Zugehörigkeit zum gleichen Betrieb, sondern zwischen ihnen besteht eine noch näher zu bestimmende Verbindung. Mangels expliziter Regelungen ist eine Herleitung anhand konkreter Normen 183 eher als schwieriges Unterfangen zu werten. Dementsprechend breit gefächert sind auch die Interpretationen bei der Beschreibung des Rechtsverhältnisses in der Literatur l84 . Die wohl umfassendste und das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat am ehesten beschreibende Definition hat von Hoyningen-Huene aufgestellt l85 • Danach besteht zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein gesetzliches, unabhängig vom Arbeitgeber begründetes, unkündbares, zweiseitiges kollektiv-rechtliches Dauerschuldverhältnis l86 eigener Art mit Schutzwirkung für Dritte und gesteigerten Verhaltenspflichten, die aber bei Mitbestimmungspflichten indirekt durchsetzbare, für den Betriebsrat regelmäßig unvollkommene Verbindlichkeiten darstellen und keine Haftung auslösen. Als erste und wohl bedeutsamste Pflicht aus diesem Dauerschuldverhältnis ist der Partnerschaftsgedanke mit der Pflicht zur Kooperation zu nennen. Dem Betriebsverfassungsgesetz ist der Grundsatz immanent, daß "Ko-

IK3 Über das gesamte Betriebsverfassungsgesetz sind zwar Rechte und Pflichten, wie die Rechte des Betriebsrats fiir die Betriebsratsarbeit, die Beteiligungsrechte und Ansprüche des Betriebsrats, sowie Rechte des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat verteilt, vgl. die Systematisierung bei MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 292 Rdnr. 36, 37 ff. und 43 ff.; doch lassen sie auch daraus keine Anhaltspunkte fiir eine konkrete und allumfassende Beschreibung des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ableiten. IK4 Einigkeit besteht insoweit, daß die Betriebspartner nicht in einer bloßen Jedermannsbeziehung zueinanderstehen. Darüberhinaus wird von Dütz/Säcker DB 1972 Beilage 17, S. 2 (7), Konzen ZfA 1985, S. 469 ( 473) und Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 15 ein gesetzliches Einzelschuldverhältnis aufgrund umfangreicher betriebverfassungsrechtlicher Einzelansprüche vertreten; Heinze, ZfA 1988, S. 53 (71 ff.) vertritt hingegen ein gesetzliches Dauerrechtsverhältnis in Form einer doppelten betriebsverfassungsrechtlichen Treuhand zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf der Grundlage der §§ 2 Abs. I, 74 Abs. I BetrVG; Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 312 ff. interpretiert die Normen des Betriebsverfassungsgesetzes fiir die Rechtsbeziehung als über eine bloße Jedermannsbeziehung hinausgehende Sonderverbindung LF. einer gesetzlichen Dauerrechtsrahmenbeziehung; Zöllner/Loritz, ArbR, § 44, VII, I nehmen eine Treuebindung aufgrund von § 2 Abs. I BetrVG an. Daneben finden sich vor allem in der älteren Literatur noch Interpretationen eines gesellschaftsrechtlichen, so Sorge AuR 1953, S. 272 ff. bzw genossenschaftlichen Verhältnisses, so Neumann-Duesberg NJW 1954, S.617ff. IN5 MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 292 Rdnr. 11, ders. BetrVG, § 4, III, 2, b, ders. NZA 1991, S. 7 (8), Weber DB 1992, S. 2135 (2140). IK6 Zum Begriff und zum Wesen eines Dauerschuldverhältnisses im allgemeinen vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, Einl. v. § 241 Rdnr. 17 und Soergel-Teichmann, BGB, § 241 Rdnr. 6.

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne

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operation statt Konfrontation" in den Betrieben praktiziert werden solll87. Dies komme in § 2 Abs. I BetrVG zum Ausdruck, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat "vertrauensvoll zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes" zusammenarbeiten müssen. Ebenfalls aus dem Dauerschuldverhältnis wird der Verhandlungsgrundsatz abgeleitd 88 . Danach hat eine Konfliktlösung durch Dialog Priorität vor einer gerichtlichen Klärung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat l89 . Aus diesem Verhandlungsgrundsatz wird auch konsequenterweise gefolgert, daß die Anrufung des Arbeitsgerichtes, also der Antrag auf Einleitung eines Beschlußverfahrens, die ultima ratio im Rahmen der Zusammenarbeit der Betriebspartner zu sein hae 90 . Damit ist angedeutet, daß § 2 Abs. I BetrVG in erster Linie eine Verhaltensordnung für das gesamte Betriebsverfassungsgesetz vorgibt. Insoweit ist der herrschenden Ansicht zuzustimmen, daß § 2 Abs. I BetrVG nicht als "subsidiäre anspruchsbegründende Generalklausel" oder als "generalklauselartige Kompetenznorm" zur Begründung gesetzlich nicht geregelter Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte angesehen werden kann 191. Auf der anderen Seite ist dieser Norm nicht nur "vornehmlich programmatische Bedeutung, verbunden mit einem Appell" zuzusprechen, sondern es handelt sich um eine unmittelbar verpflichtende Norm, die das Verhalten und das Verhältnis der Betriebspartner zueinander und untereinander regelt l92 . Die gesetzliche Regelung statuiert eine gewisse Treueverbindung, die nicht nur mit § 242 BGB vergleichbar ist 193 , sondern verbunden mit dem Grundsatz, daß in Dauerschuldverhältnissen in erhöhtem Maße die gegenseitigen Belange zu berücksichtigen sind und ständig neue Neben- und Schutzpflichten entstehen 194,

IR7 Vg!. auch den Bericht 10. Ausschuß, Bt-Drucks. VI 2729, S.9 f., Dietz/Richardi, BetrVG, § 2 Rdnr. 4, Galperin/Löwisch, BetrVG, § 2 Rdnr. 8, Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnr. 15, MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 292 Rdnr. 28. IRR Vg!. nur MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 292 Rdnr. 32. 189 Däubler AuR 1982, S. 6 (8); Kreutz, in: GK-BetrVG, § 74 Rdnr. 23. Diese Verpflichtung ist den Betriebspartnern in § 74 Abs. I S. 2 BetrVG ausdrücklich auferlegt und wird auch durch die Existenz der Einigungsstelle als außergerichtliche Schlichtungsstelle bestätigt. 190 MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 292 Rdnr. 34. 191 BAG AP Nr. 6 zu § 56 BetrVG 1972 Wohlfahrtseinrichtungen; Fitting/Kaiser! Heither/Engels, BetrVG, § 2 RdnT. 10; Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2 2. Halbband S. 1333, Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnrn. 7 und 14. 192 Dietz/Richardi, BetrVG, § 2 Rdnrn. 5 und 8, Fitting/Kaiser!Heither/Engels, BetrVG, § 2 Rdnr. 10, Galperin/Löwisch, BetrVG, § 2 Rdnr. 4, Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2 2. Halbband, S. 1334, Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnrn. 6 f. 193 Dietz/Richardi, BetrVG, § 2 Rdnr. 10, Hueck/Nipperdey, ArbR, Bd. 2 2. Halbband, S. 1337, Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnr. 12, Richardi Anm. zu AP NT. 6 zu § 61 BetrVG 1952. 194 Larenz, SR-Bd. I, § 2, VI, Palandt-Heinrichs, BGB, Ein!. v. § 242 Rdnr. 17.

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Müller-Borunau

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungsptlicht

über den Regelungsgehalt des § 242 BGB hinausgeht. § 2 Abs. I BetrVG bindet die Betriebspartner noch enger aneinander als § 242 BGB die Parteien eines Austauschvertrages und darüberhinausgehend auch noch enger als die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses. Während § 242 BGB nur Gebote zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Sicherung des Leistungs- und Integritätsinteresses, also zur Zurückhaltung bei der eigenen Interessenverfolgung, und - bei Handlungen zur Erreichung des Vertragszweckes - Gebote zu Schutzvorkehrungen für die andere Partei auferlege 95, sind diese Pflichten in einem Dauerschuldverhältnis dahingehend gesteigert, daß diese Rechtsverhältnisse zu ihrer Durchführung meist ein vertrauensvolles Zusammenwirken oder besondere Rücksicht und Sorgfalt bei der Wahrnehmung der eigenen Interessen und der Ausführung einer übernommenen Tätigkeit erfordern 196. Bei längerer zeitlicher Bindung ist jede der Parteien in einem stärkeren Maße als sonst auf den guten Willen und die Erhaltung des Einvernehmens angewiesen. Daher gewinnen die Pflichten zur Wahrung von Treu und Glauben, persönlicher Rücksichtsnahme und damit die Loyalitätspflichten ein besonderes Gewicht 197 • Noch weitergehend begründen §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG eine Pflicht zur Zusammenarbeit mit "optimaler Kommunikation und Kooperation", mit einem aktiven Aufeinanderzugehen und gemeinsamem Suchen nach KonfliktIösungen. Bei der Inhaltsbestimmung der gegenseitigen und emporgehobenen Rechte und Pflichten muß auch berücksichtigt werden, daß der Gesetzgeber vom Arbeitgeber erwartet, daß dieser den Betriebsrat nach §§ 99 ff. BetrVG bei personellen und nach § 87 BetrVG bei sozialen Maßnahmen mitentscheiden läßt und ihm dabei betriebliche Angelegenheiten, sogar das Wohl des Betriebes, anvertraut hat. Die betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen tragen daher auch aktive Mitverantwortung für den Betrieb l98 • Eine Partizipation ist allerdings auch notwendigerweise mit der Einflußnahme auf den fremden Rechtskreis des Arbeitgebers verbunden. Der Betriebsrat besitzt damit eine ungleich höhere Einwirkungsmöglichkeit auf den Rechtskreis des Arbeitgebers, als die Parteien der schuldrechtlichen Austauschverträge. Eine damit einhergehende erhöhte Gefährdung des Rechtskreises des Arbeitgebers ist demzufolge bei der Bestimmung der Rechte und Pflichten zu berücksichtigen.

195 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, BOB, § 242 Rdnm. 27 ff., Soergel-Teichmann, BOB, Bd. I, § 242 Rdnrn. 59 ff. 196 Larenz, SR-Bd. I, § 2 VI. 197 Larenz, SR-Bd. I, § 2 VI. 19M Kraft, in: OK-BetrVO, § 2 Rdnr. 15.

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne

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Ausgehend von dieser Bestimmung des Regelungsgehaltes wird aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit gefolgert, daß die Betriebspartner gesteigerten Verhaltenspflichten unterliegen. So sind sie zu einer verstärkten gegenseitigen Rücksichtsnahme und Loyalität verpflichtet und unterliegen als Parteien einer Treuebindung in erhöhtem Maße dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die natürlichen Interessengegensätze zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aufgehoben werden und die Durchsetzung der wechselseitigen Interessen vereitelt werden SOll199. Vielmehr wird die Art und Weise des gegenseitigen Umganges festgeschrieben. Als Vertrauensgrundlage sind Ehrlichkeit und Offenheit unbedingte Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeifoo . § 2 Abs. 1 BetrVG dient damit zum einen als Auslegungsregel für das gesamte Betriebsverfassungsgesetz; zum anderen können aus dieser Norm auch unvollkommene indirekt durchsetzbare Rechte und Pflichten abgeleitet werden. Im ersteren Fall bestimmt der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit den Inhalt und die Abgrenzung der einzelnen sich aus dem Gesetz für Arbeitgeber und Betriebsrat ergebenden Rechte und Pflichten. Im zweiteren Fall kann allerdings der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit auch unmittelbar Rechte und Pflichten für den Arbeitgeber und den Betriebsrat begründen. Darunter sind auch Rechte zu verstehen, die in einem Beschlußverfahren geltend gemacht werden können, insbesondere lassen sich mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit Verhaltenspflichten der Betriebspartner zueinander begründen 20I . In Übereinstimmung mit dieser objektiven und subjektiven Interpretation des § 2 Abs. 1 BetrVG hat das BAG - wie mehrmals ausgeführt - zwar nicht die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches gegen den Arbeitgeber eo ipso für unzulässig erachtet, doch hinsichtlich der Art und Weise der Geltendmachung Grenzen aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit abgeleitet.

199 Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 2 Rdnr. 9, Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnrn. 13 und 39. 200 BAG AP Nr. 3 zu § 23 BetrVG 1952, AP Nr. 29 BI. 2 R f. zu § 102 BetrVG 1972, LAG Düsseldorf NZA 1985, S.368 (369); Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 2 Rdnr. 9, Kraft, in: GK-BetrVG Rdnr. 14. 201 Dietz/Richardi, BetrVG, § 2 Rdnr. 9, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 2 Rdnr.9, Galperin/Löwisch, BetrVG, § 2 Rdnr.7, Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 Rdnr. 7 m.w.N.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

b) Die Bedeutung der Änderung der maßgeblichen Umstände im Rahmen von § 2 Abs. 1 BetrVG Wesentlich für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist die Verpflichtung zu einer verstärkten gegenseitigen Rücksichtnahme, die Loyalität gegenüber dem anderen und die Verantwortung für den anderen Betriebspartner. Im Rahmen von § 242 BGB als lex generalis zu § 2 Abs.l BetrVG ist anerkannt, daß die Rechtsausübung oder Ausnutzung einer rechtlichen Lage in Form der Geltendmachung eines "an sich" einer Partei zustehenden Rechtes dann gegen Treu und Glauben verstößt, wenn eine Änderung der für die Entstehung oder Geltendmachung des Anspruches maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist. "An sich" bestehende Rechte können inhaltlich beschränkt bzw. deren Geltendmachung ausgeschlossen werden202 • Es handelt sich dabei im ersteren Fall nach der herrschenden Innentheorie um eine Rechtsentwicklung, die jedem Recht dessen immanennte Inhaltsbegrenzung zu Tage fördert2 OJ • Im zweiten Fall kann sich die Geltendmachung eines Rechtes im gerichtlichen Verfahren als rechtsmißbräuchlich herausstellen und für die andere Partei der Einwand der Arglist gegenüber dem Vorgehen im Prozeß begründen 204 • Es werden also nicht etwa Gegenrechte geschaffen, die eine Rechtsausübung unzulässig machen, sondern ein Anspruch wird beispielsweise nicht als bestehend anerkannt, wenn sein Entstehungstatbestand in bestimmter (mißbilligenswerter) Weise verwirklicht wurde, ein Recht kann auf bestimmte Weise nicht ausgeübt bzw. durchgesetzt werden, eine Verjährung tritt unter bestimmten Umständen entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht ein etc 205 • Will eine Partei die eben' dargelegte Rechtsfolge aus § 242 BGB bei der Verteidigung gegen einen Anspruch für sich in Anspruch nehmen, so braucht die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben grundsätzlich nicht im Wege der Einrede geltend gemacht zu werden. Dies ist eine Konsequenz daraus, daß es sich um eine dem Rechtsinhalt bzw. der Rechtslage immanente Modifikation handelt. Erforderlich ist also nur, daß die relevanten Tatsachen in den Prozeß eingeführt werden. Das Gericht hat sie von Amts wegen zu berücksichtigen und - soweit die maßgeblichen Tatsachen vorgetragen wurden - zu Gunsten der durch sie begünstigten Partei zu berücksichtigen.

202 BGH in BGHZ 19, S. 72 (75), Ennan-Werner, BGB, § 242 Rdnm. 74 f., Larenz, SR-Bd. 1, § 10,11, h., Münch-Komm-Roth, BGB, Bd. 2, § 242 Rdnr. 45. 203 Münch-Komm-Roth, BGB, Bd. 2, § 242 Rdnr. 45. 204 Larenz, SR-Bd. 1, § 10,11, h., 'Soergel-Teichmann, BGB, Bd. 2, § 242 Rdnr. 89. 205 Münch-Komm-Roth, BGB, Bd. 2, § 242 Rdnr. 45, Soergel-Teichmann, BGB, Bd. 2, Rdnr. 28, Staudinger-Schmidt, BGB, § 242 Rdnr. 644.

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne

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Wenn nun in dem weiter gefaßten Regelungsgehalt des § 242 BGB eine solche rechtsmißbräuchliche Geltendmachung enthalten ist, so muß diese a maiore ad minus auch im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit und damit im Rahmen von § 2 Abs. 1 BetrVG gelten 206 •

c) Das Ereignis und der Zeitpunkt der Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse durch Anrufung des Gerichtes Im folgenden wird untersucht, wann eine solche entscheidende Veränderung der der Geltendmachung eines Rechtes zugrunde liegenden Verhältnisse eintritt. Ausgehend von den Grundsätzen der Kooperation statt Konfrontation, Konfliktlösung durch Dialog und der Anrufung des Arbeitsgerichtes als ultima ratio wird nachgewiesen, daß diese Veränderung in der tatsächlichen Inanspruchnahme der Gerichte zu sehen ist. Mit der Anrufung der Arbeitsgerichte verläßt der jeweilige Betriebspartner den betrieblichen Bereich und gibt dem Konflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung eine andere Dimension. Da betriebsverfassungsrechtliche Rechte und Ansprüche im Beschlußverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG geltend zu machen sind, soll nun anhand einer genauen Untersuchung des Beschlußverfahrens, insbesondere der Vorschriften über den Untersuchungsgrundsatz (§ 83 Abs. 1 ArbGG) und des. Anhörungstermins (§ 83 Abs. 4 ArbGG) dargelegt werden, ab welchem Zeitpunkt die Weiterverfolgung eines Anspruches als rechtsmißbräuchlich anzusehen ist.

aa) Systematik des Gesetzes Das Beschlußverfahren erster Instanz vor den Arbeitsgerichten ist in den § § 80 ff. ArbGG nur rudimentär geregelt. Auf das Beschlußverfahren finden über die Verweisung in § 80 Abs. 2 ArbGG ergänzend einzelne Teilaspekte des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges Anwendung. Zur Ergänzung dieser Verfahrensvorschriften verweist § 46 Abs. 2 ArbGG auf die Vorschriften des zivilprozessualen Verfahrens vor den Amts- und Landgerichten (§§ 495 ff ZPO). Aus dieser Verweisungskette wird gefolgert, daß zwar das Beschlußverfahren ein Verfahren eigener Art mit speziellen Regelungen ist,

206 Vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, § 2 Rdnr. 10, Richardi Anm. zu AP Nr. 6 zu § 6 I BetrVG 1952; die zu § 242 BGB entwickelten Grundsätze können daher zur interpretation der vertrauensvollen Zusammenarbeit i.S.v. § 2 Abs. I BetrVG herangezogen werden.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

seine Grundlage allerdings in der ZPO hat20 7 • Eine Anwendbarkeit der ergänzenden Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens oder der zivilprozessualen Vorschriften setzt stets voraus, daß die Vorschriften des Beschlußverfahrens nach §§ 80 bis 84 ArbGG und die dort enthaltenen Verfahrensgrundsätze einer Anwendung der anderen Vorschriften nicht entgegenstehen 208 . So ist z. B. die Regelung des § 83 Abs. 3 ArbGG hinsichtlich der Beteiligtenfähigkeit abschließend und verdrängt die Vorschriften der ZPO über die Nebenintervention nach §§ 66 ff ZP0209 . Voraussetzung für eine ergänzende Anwendung der genannten Vorschriften ist mithin eine Regelungslücke in den Vorschriften über das Beschlußverfahren.

bb) Der Untersuchungsgrundsatz des § 83 Abs. 1 ArbGG Als einer dieser besonderen Grundsätze ist der in § 83 Abs. I ArbGG positivierte Untersuchungsgrundsatz anzusehen. Nach diesem ist das Gericht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen2lO • Sinn der Vorschrift ist es wegen der Bedeutung der Entscheidung im Beschlußverfahren über den Kreis der eigentlichen Beteiligten hinaus, die Verantwortung für die Beibringung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes nicht allein den Beteiligten zu überlassen, sondern diese in die Hände des Gerichtes zu legen. Damit soll gewährleistet werden, daß nicht nur ein Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wird, sondern der wahre Sachverhalt2 11 • Dieser Untersuchungsgrundsatz und die daraus folgende Sachverhaltsaufklärungspflicht des Gerichtes zwingt jedoch nicht zu einer uferlosen Amtsermittlung ins Blaue hinein, sondern nur zu einer Ermittlung im Rahmen der gestellten Anträge 212 • Soweit der durch die Antragsbegründung bekannte Sachverhalt nach entsprechender Würdigung Anhaltspunkte dafür bietet, daß der entscheidungserhebliche Sachverhalt noch nicht vollständig geklärt ist, sind noch weitere Aufklärungshandlungen seitens des Gerichtes veranlaßt. Im Rahmen seiner gesetzlichen Aufklärungspflicht hat das Arbeitsgericht auch diejenigen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln, die erst den Anspruch begründen können. Die Auf207 Dersch/Volkmar, ArbGG, S.996, GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 80 Rdnr.42. 20H Vgl. Dersch/Volkmar, ArbGG, S. 996. 209 LeinemanniSchütz, in: GK-ArbGG, § 80 Rdnr. 33. 210 Nach h.M. war der Untersuchungsgrundsatz schon im ArbGG 1953 im Beschlußverfahren anzuwenden, vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 80 ArbGG 1953; GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 85. Inhaltlich ist § 83 Abs. I ArbGG mit §§ 86 Abs. I VwGO, 76 Abs. I FGO und 103 SGG zu vergleichen. 211 GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnm. 85 und 93. 212 BAG AP Nr. 10 BI. 2 zu § 76 BetrVG 1972, GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 87, Richardi Anm. zu BAG AP Nr. 4 zu § 20 BetrVG 1972.

IV. Unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne

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klärungspflicht des Gerichtes setzt also sehr früh ein. Es muß von sich aus die Antragsbegründung konkretisieren und vervollständigen 213 • Ziel des Amtsermittlungsgrundsatzes ist die umfassende Vorbereitung des Anhörungstermines nach § 83 Abs. 4 ArbGG. In diesem Termin erfolgt die Anhörung der Beteiligten vor der Kammer.

cc) Besonderheit des Anhörungstermins vor der Kammer nach § 83 Abs. 4 ArbGG

Dieser Anhörungstermin ist eine weitere Besonderheit des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens. Während im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren die mündliche Verhandlung mit der Güteverhandlung nach § 54 Abs. I S. 1 ArbGG beginnt und die Zivilprozeßordnung in den §§ 272 Abs.2, 275 und 276 ZPO das schriftliche Vorverfahren und den frühen ersten Termin kennt, findet sich in den Vorschriften über das Beschlußverfahren keine diesen Vorverfahren im weitesten Sinne vergleichbare Regelung. Die Beteiligten werden in mündlicher Form zum Sach- und Streitstand nach § 83 Abs. 4 ArbGG erst und schon vor der Kammer gehörf 14 • Die Vorschriften des Beschlußverfahrens enthalten allerdings neben der Anordnung der Anhörung der Beteiligten vor der Kammer keine weiteren Regelungen über die DurchfUhrung dieses Termines. Insoweit besteht eine erste Regelungslücke Allerdings kann auch die Verweisung in § 80 Abs. 2 ArbGG auf die Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens diese Regelungslücke nicht schließen. In den §§ 56 und 57 ArbGG sind zwar die Handlungen beschrieben, die das Gericht zur Vorbereitung der Anhörung veranlassen kann und entsprechend dem Beschleunigungsgrundsatz ordnet § 57 Abs. 1 S. 1 ArbGG an, daß die Anhörung möglichst in einem Termin zu Ende zu fUhren ist. Hinsichtlich des Ablaufes der Anhörung sind allerdings keine Regelungen enthalten. Insoweit besteht die zweite Regelungslücke. Somit ist es zulässig215 hinsichtlich des Ablaufes der Verhandlung, insbesondere hinsichtlich der Form und des Inhaltes über die Generalverweisung des § 46 Abs. 2 ArbGG auf die §§ 495 ff. ZPO, die ihrerseits auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO Bezug nehmen, auf die Vorschriften der ZPO über die 213 BAG AP Nr. 1 BI. 4 zu § 54 BetrVG 1972; GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rdnr. 89. 214 Diese Verfahrensgestaltung beruht auf der Kombination des Untersuchungs- mit dem Beschleunigungsgrundsatz, wonach das Gericht zur Vorbereitung der Anhörung nach § 83 Abs. 4 ArbGG schon ausreichende und umfangreiche Sachverhaltsermittlungen durchgeführt haben soll, GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 83 Rdnrn. 106. 215 Siehe LeinemanniSchütz, in: GK-ArbGG, § 57 Rdnr. 3, GermelmannlMatthesl Prütting, ArbGG, § 57 Rdnr. 4 und § 83 Rdnr. 108.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Leitung der mündlichen Verhandlung (§ 136 ZPO), die Einfiihrung in den Sach- und Streitstand (§ 137 ZPO), die Anhörung der Parteien, die Hinweisund Aufklärungspflicht des Gerichtes (§§ 139, 278 ZPO) und die Stellung der Anträge zurückzugreifen (§ 137 ZPO). Im Rahmen der Anhörung der Beteiligten ist das Gericht nach §§ 139 Abs. 1, 278 Abs. 3 ZPO verpflichtet, den Sach- und Streitstand zu erörtern. Sinn und Zweck dieser umfassenden Erörterung und Abgabe von Hinweisen ist zum einen, den Beteiligten den bisherigen Wissensstand des Gerichtes hinsichtlich des dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhaltes mitzuteilen, zum zweiten dadurch zu einer weiteren umfassenden Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen und zum dritten mit den Parteien eventuell eine gütliche Einigung in dem Anhörungstennin zu erreichen216 • Dabei bestimmt § 139 ZPO allerdings nur, was das Gericht tun darf. Die Grenze des Erlaubten wird durch die Unparteilichkeit des Gerichtes gezogen 217 • Betrachtet man die Pflichten des Gerichtes bezüglich der Leitung der Verhandlung genauer, so können diese in drei Pflichtenkreise unterteilt werden. Nach § 139 Abs. 1 ZPO besteht zunächst eine Aufklärungspflicht. Danach hat der Vorsitzende daraufhin zu wirken, daß sich die Parteien über alle erheblichen Tatsachen vollständig erklären und sachdienliche Anträge stellen, insb. auch ungenügende Angaben der geltend gemachten Tatsachen ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. Zu diesem Zweck kann auch das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien erörtert werden. Nach § 139 Abs. 2 ZPO obliegt dem Gericht des weiteren eine umfassende Aufklärungspflicht. Aus dieser folgt, daß der Vorsitzende die Parteien auf Bedenken aufmerksam zu machen hat, die Fragen betreffen, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind 218 • Darüber hinaus besteht nach § 278 Abs. 3 ZPO zur Venneidung von Überraschungsentscheidungen eine umfassende Hinweis- und Erörterungpflicht. Sie verlangt von dem Gericht219 , daß der Vorsitzende rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei übersehen oder für unerheblich gehalten hat, in der Verhandlung erörtert. Diese zivilprozessualen Nonnen stehen allerdings zwischen dem Beibringungsgrundsatz und der Verhandlungsmaxime 220 • Etwas anderes und darüber hinausgehendes gilt aber bei dem im Beschlußverfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatz. Vergleicht man die Aufklärungs- und Hinweispflicht in Ver216 Vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, § 139 Rdnr. 1, Münch-Komm-Peters, ZPO, § 139 Rdnrn. 17 ff. 217 Münch-Komm-Peters, ZPO, § 139 Rdnrn. 15 f., Thomas/Putzo, ZPO, § 139 Rdnr. 1. m Siehe die Aufstellung bei Thomas/Putzo, ZPO Rdnr. 12 v. § 253. 219 Vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rdnr. 5. 220 Vgl. wiederum nur Zöller-Greger, ZPO, Vor § 128 Rdnrn. 10 f.

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fahren, in denen ebenfalls der Untersuchungsgrundsatz herrscht, so geht die Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichtes viel weite~21. Als Beispiel sei § 86 VwGO genannt222 • Nach dessen Abs. 3 hat der Vorsitzende grundsätzlich den Beteiligten den "rechten Weg zu weisen", wie sie im Rahmen der ihnen zustehenden rechtlichen Möglichkeiten das erstrebte Ziel am besten und zweckmäßigsten erreichen können und ihnen auch erforderlichenfalls bei der Formulierung der Anträge zu helfen. Ebenfalls soll seitens des Gerichts auf die Möglichkeit einer anderen Verfahrensart hingewiesen oder Hilfestellungen gegeben werden, wenn die Beteiligten für das Gericht erkennbar bei der Verfolgung ihrer Rechte von falschen Tatsachen ausgehen und es deshalb unterlassen, etwas zu ihrer Rechtsverfolgung notwendiges vorzutragen. Besonders hervorzuheben ist auch die Verpflichtung zur Abgabe von gerichtlichen Hinweisen zu Rechtsfragen 223 . Ein Hinweis ist i.d.R. dann veranlaßt, wenn die Erheblichkeit einer Frage für das Verfahren bzw. die Rechtsfindung nicht offensichtlich ist und sie im Hinblick auf eine richtige Antragstellung, eine notwendige Ergänzung oder für die Abgabe von Erklärungen notwendig ist224 • Zur Hinweispflicht gehört es in den Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz ebenfalls, daß das Gericht bzw. der Vorsitzende den Beteiligten bekannt gibt, welche Folgerungen das Gericht aus den Antworten zu den angesprochenen Fragen ziehen will oder zumindest ziehen könnte 225 • Unter Umständen zweckmäßig, aber rechtlich nicht geboten ist es auch, daß das Gericht nach einer Beratung bekannt gibt, wie es die bisher festgestellten Tatsachen voraussichtlich rechtlich würdigen und wie es entscheiden wird226 . Damit soll den Betroffenen noch einmal Gelegenheit gegeben werden, ihren Vortrag zu ergänzen 227 • Allerdings ist auch unstreitig anerkannt, daß die Hinweispflicht - hier beispielhaft für das Verwaltungsgerichtsverfahren dargestellt - nicht soweit gehen darf, daß sie zu einer Rechtsberatung durch das Gericht führt oder den

221 Dies ist allerdings auch mit den §§ 139,278 ZPO zu vereinbaren, da diese nur ein Mindestmaß an richterlichen Aufklärungs-, Hinweis- und Erörterungspflichten beschreiben. 222 Die vergleichende Betrachtung ist auch zulässig, da die zu anderen Verfahren erlassenen Regelungen und ergangene Rechtsprechung für die Beschreibung des Untersuchungsgrundsatzes im Beschlußverfahren herangezogen werden können, vgl. GermelmanniMattheslPrütting, § 83 Rdnr. 85. Außerdem stellen die §§ 139, 278 ZPO nur gesetzliche Mindestregelungen dar, so daß eine Ergänzung in den vorgenannten Schranken möglich erscheint, Münch-Komm-Peters, ZPO, § 139 Rdnr. 15, ThomaslPutzo, ZPO, § 139 Rdnr. I. 223 BVerwG in BVerwGE 36, S. 264 (267), NVwZ 1991, S. 574 (575 f.). 224 Vgl. zusammenfassend Kopp, VwGO, § 86 Rdnr. 23 a. E, Radekerlv. Oertzen, VwGO, § 86 Rdnrn. 17 ff. 225 Kopp, VwGO, § 86 Rdnr. 23. 226 BVerwG in BVerwGE 57, S. 272 (274); Kopp, VwGO, § 86 Rdnr. 23 m.w.N. 227 Vgl. BVerwG in BVerwGE 36, S. 264 (267).

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Eindruck mangelnder Unparteilichkeit hervorruft228 • Dies ist zum einen nicht Aufgabe des Gerichtes und würde zum anderen gegen elementare Grundsätze der Rechtsprechung verstoßen. Dieser Umfang der Autklärungspflicht ist auch dem Beschlußverfahren zugrunde zu legen.

dd) Korrelat von Rechten und Pflichten Aus all diesem ist zu folgern, daß im Beschlußverfahren eine über den Wortlaut der anwendbaren §§ 139, 278 ZPO hinausgehende Autklärungs- und Erörterungspflicht seitens des Gerichtes besteht. Aus Sicht des Betriebsrats folgt aus diesen Autklärungs-, Hinweis- und Erörterungspflichten ein Recht auf die eben dargestellten Mitteilungen durch das Gericht229 • Zwar ist es, wie dargelegt, rechtlich nicht geboten, daß das Gericht im Einzelfall seine Rechtsauffassung dem Betriebsrat mitteilt. Doch wird dies auch aus einer Fürsorgepflicht des Gerichtes heraus in der Praxis regelmäßig getan. Kombiniert man nun die Autklärungs- und Hinweispflicht des Gerichtes, das daraus folgende Recht des Betriebsrats auf Unterrichtung und Hinweise durch das Gericht mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG und der Verantwortung der Arbeitnehmervertreter für den Betrieb des Arbeitgebers, so ergibt sich daraus folgende Konsequenz: Durch die Mitteilung der Rechtsansicht des Gerichtes wird die Entscheidung des Betriebsrats oder des Mitgliedes des Betriebsrats zur Einleitung des Beschlußverfahren das erste Mal von einer objektiven und unabhängigen Stelle überprüft. Da der richterliche Hinweis vom Grundsatz der Klarheit und Ehrlichkeit getragen sein muß 230 , trifft den Antragsteller auf Grund des hier zugrunde zu legenden Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der ihm zugewiesenen Mitverantwortung für das Wohl und den Bestand des Betriebes eine erneute Pflicht zur Beurteilung der Entscheidung zu der Einleitung des Beschlußverfahrens. Dies natürlich nur, wenn und soweit sich ergeben hat, daß seine ursprüngliche Betrachtung und sein ursprünglicher Entschluß nicht die Ansicht des Gerichtes oder eine gleichlautende Rechtsprechung trifft. Ab diesem Zeitpunkt weiß der Antragsteller, daß er mit seinem Gesuch an das Gericht keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Verfolgt er seinen Antrag dennoch wei-

§ 86 Rdnr. 18. m Ein Verstoß gegen diese Pflichten stellt nach BVerfG NJW 1976, S. 1391 (1391) einen Verstoß gegen das Gebot sachgerechter Entscheidung im Rahmen der Gesetze unter dem Blickwinkel materieller Gerechtigkeit und u.U. vgl. BVerfG NJW 1991, S. 2823 (2824), NJW 1992, S. 678 (679) einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör des Art. 103 Abs. I GG dar. 230 GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 57 Rdnr. 27. m Vgl. Radekerlv. Dertzen, VwGO,

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ter, so muß er davon ausgehen, daß er sich außerhalb der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Befugnisse befindet.

ee) Konsequenzen für den Antragsteller

Als Reaktionsmöglichkeiten auf einen negativen richterlichen Hinweis kommen fur den Vertreter des Betriebsrats zum einen die in §§ 81 Abs.2 S. 1 und 83a Abs. 1 ArbGG enthaltenen Prozeßhandlungen oder zum anderen eine erneute Beschlußfassung nach § 33 BetrVG über die Fortfuhrung des Verfahrens in Betracht. Für den seine eigenen Rechte verfolgenden Betriebsrat bedeutet dies konsequenterweise ein Überdenken seiner Entscheidung und die Entscheidungsfindung darüber, ob er von diesen vorgenanten Prozeßhandlungen Gebrauch machen will. Prozessual kann nach § 81 Abs. 2 Satz 1 ArbGG der Antrag auf Durchführung eines Beschlußverfahrens jederzeit ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Dafur ist die Zustimmung der sonstigen Beteiligten auch dann nicht erforderlich, wenn schon eine mündliche Verhandlung stattgefunden haf 31 • Folge einer Antragsrücknahme ist nach § 81 Abs. 2 Satz 2 ArbGG die Einstellung des Verfahrens durch das Gericht von Amts wegen. Als weitere Beendigungs- und Kosteneinsparungsmöglichkeiten sind die in § 83a ArbGG aufgezählten Prozeßhandlungen möglich. Nach dessen Abs. 1 können die Beteiligten das Verfahren fur erledigt erklären. Auch ist über einen Umkehrschluß aus § 83a Abs. 3 ArbGG die einseitige Erledigungserklärung durch den Antragsteller möglich 232 • Neben diesen prozessualen Möglichkeiten besteht die betriebsverfassungsrechtliche Handlungsalternative, daß das fur den Betriebsrats handelnde Mitglied einen neuen Beschluß über die Fortfuhrung des Verfahrens herbeifuhrt233 und die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht bis dahin unterbrochen wird. Notwendig dafur ist allerdings eine erneute Betriebsratssitzung nach § 30 BetrVG, die mit einem Ausfall von Arbeitszeit und weiteren Lohnkosten fur den Arbeitgeber verbunden ist. Vor diesem Hintergrund muß den prozessualen Reaktionsmöglichkeiten der Vorrang eingeräumt werden. Greift man den Grundsatz der Erforderlichkeit und damit das Postulat zur Kostenminimierung wieder auf, so ist der Betriebsrat verpflichtet, von den in §§ 81 Abs.2 S. 1, 83a ArbGG genannten MöglichVgl. nur GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, 81 Rdnr. 73. Der Abschluß eines Vergleiches zur ganzen oder zumindest teilweisen Beendigung des Verfahrens kommt nicht in Betracht, da dadurch nach § 23 Abs. 1 S.3 BRAGO eine weitere 10/1 0-Vergleichsgebühr anfallen würde. 233 Siehe Wiese, in: GK-BetrVG, § 33 Rdnr. 40. 231

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

keiten Gebrauch zu machen. Ebenso wie im Urteils- oder im zivilgerichtlichen Verfahren herrscht im Beschlußverfahren über die gesetzliche Verweisung des § 80 Abs. 2 ArbGG auf § 57 Abs. 1 S. 1 ArbGG der Beschleunigungsgrundsatz, der die Beendigung des Verfahrens in einem Termin fordert. Eine kurzfristige Unterbrechung oder eine das Verfahren in die Länge ziehende Vertagung des Anhörungstermines würde zum einen gegen diesen allen Verfahrensordnungen immanennten Beschleunigungsgrundsatz verstoßen und zum anderen weitere Kosten tur den Arbeitgeber durch die tur die erneute Betriebsratssitzung entstehenden Lohnkosten verursachen. Durch den aufgezeigten Weg kommt es zu der eingangs dargestellten Kostenreduzierung im Rahmen des eingeleiteten Verfahrens. Außerhalb dieser Betrachtung bleiben die Kosten, die bis zu der vorzeitigen Erledigung des Verfahrens angefallen sind, da diese Kosten von der ursprünglichen Ermessensentscheidung zur Einleitung des Verfahrens gedeckt waren. Darüber hinausgehende weitere Kosten wären allerdings rechtsmißbräulich verursacht worden und nicht mehr vom Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen. 3. Unterstützung des betriebsverfassungsrechtlichen Ergebnisses mittels zivilrechtlicher Grundsätze Dieses gerade aus dem Betriebsverfassungsrecht hergeleitete Ergebnis läßt sich auch mit einem im Zivilrecht allgemein herrschenden Grundsatz begründen. Gibt das Gericht seine Ansicht zur Erfolgslosigkeit des Antrags in der Anhörung bekannt, stellt sich folgerichtig damit heraus, daß der Betriebsrat bzw. das Mitglied des Betriebsrats bei dem Entschluß, ein Beschlußverfahren einzuleiten, sein Ermessen ex-ante gesehen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat. Dies kann ihm zwar nicht als Vorwurf gemacht werden, da maßgeblich tur die Einleitung des Beschlußverfahrens die ex-ante Betrachtung ist. Allerdings weiß das Mitglied des Betriebsrats ab diesem Zeitpunkt, daß sich der' Betriebsrat oder das einzelne Mitglied nicht auf betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse berufen können. a) Wegfall der Berechtigung entsprechend einem aus §§ 674, 675, 729, 1472, 1698a, 1893,2218 BGB, § 136 HGB folgenden Grundsatz aa) Darstellung des allgemeinen Grundsatzes Das BGB enthält in den §§ 674, 729, 1472, 1698a, 1893 und 2218 BGB und das HGB in § 136 HGB Regelungen zum Schutz von Personen, die tur einen anderen handeln. Diesen Normen ist gemeinsam, daß sie von der Fiktion des

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Fortbestehens eines der Betätigung zugrundeliegenden Verhältnisses ausgehen und zu Gunsten des Handelnden dieses Verhältnis solange fortbestehen lassen, bis der Handelnde vom Erlöschen der Berechtigung Kenntnis erlangt oder ohne Fahrlässigkeit i.S.v. § 122 Abs.2 BGB vom Erlöschen der Berechtigung Kenntnis hat2 34 . So ist nach § 674 BGB der Beauftragte solange geschützt und die Beauftragung gilt gleichwohl als fortbestehend, bis der Beauftragte vom Erlöschen des Auftrages Kenntnis erlangt hat oder das Erlöschen kennen mußte. Nach §§ 729 BGB und 136 HGB gilt die einem Gesellschafter übertragene Geschäftsführungsbefugnis zu seinen Gunsten gleichwohl als fortbestehend, bis er von der Auflösung der Gesellschaft Kenntnis erlangt hat oder die Auflösung kennen mußte. Nach § 1472 Abs.2 S. 1 BGB darf jeder Ehegatte das Gesamtgut in derselben Weise wie vor der Beendigung der Gütergemeinschaft verwalten, bis er von der Beendigung Kenntnis erlangt hat oder sie kennen mußte. Nach § 1698a Abs. 1 S. 1 BGB dürfen die Eltern, die mit der Personenoder Vermögenssorge für das Kind verbundenen Geschäfte solange fortführen, bis sie von der Beendigung der elterlichen Sorge Kenntnis erlangen oder deren Beendigung kennen müssen. Entsprechendes gilt nach § 1893 Abs. 1 BGB flir den Vormund und nach § 2218 Abs. 1 BGB flir das Verhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben.

bb) Übertragung des allgemeinen Grundsatzes auf die vorliegende Untersuchung

Aucr wenn unter Kapitel 4, I die Ansicht abgelehnt wurde, daß u.a. die eben zitierten Vorschriften geeignet seien, die Rechtsnatur der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Betriebsrats und des Rechtsverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zu beschreiben, steht dies nicht entgegen, aus den vorgenannten Normen einen allgemeinen Grundsatz aus dem Zivilrecht flir den vorliegenden Fall abzuleiten und diesen im Wege der Gesetzesanalogie auf die hier untersuchte Frage zu übertragen 235 • Die in den vorstehenden Normen angesprochenen Personen sind aufgrund einer entweder rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Berechtigung tätig geworden. Da eine einmal erteilte Berechtigung während ihres Bestehens von Unwägbarkeiten abhängt, die dem Handelnden nicht notwendiger Weise be-

234 Erman-Ehmann, BGB, Bd. I, § 674 Rdnr. 1, Münch-Komm-Seiler, BGB, Bd. 3, 2. Halbband, § 674 Rdnrn. I und 5, Palandt-Thomas, BGB, § 674 Rdnr. I und 3. 235 Larenz, Methodenlehre, S. 292; eine solche Gesetzesanalogie ist dann zulässig, wenn mehrere Gesetzesbestimmungen vorhanden sind, deren Tatbestände in einer bestimmten Hinsicht übereinstimmen, die für die an sie geknüpfte Rechtsfolge als wesentlich erscheint und damit ein allgemeiner Rechtsgrundsatz vorgegeben wird, der auch auf solche Tatbestände angewandt werden kann, die das Gesetz nicht geregelt hat.

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kannt werden, schützen die genannten Normen den Handelnden, bis er von dem Erlöschen seiner Berechtigung Kenntnis erlangt oder das Erlöschen der Berechtigung hätte kennen müssen. Folge der Kenntnis oder des Kennenmüssens ist, daß sich der Handelnde nicht mehr auf die zugrundeliegende Berechtigung berufen kann, sondern seine Tätigkeiten einzustellen hat. Ebenso stellt sich die Situation bei der hier zugrunde liegenden Frage dar. Der Betriebsrat hat aufgrund eines ordnungsgemäß gefaßten Beschlusses ein Beschlußverfahren eingeleitet. Diese Einleitung war unter Zugrundelegung einer ex-ante Betrachtung im nachhinein auch rechtmäßig. Allerdings sind der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats nicht davor geschützt, daß sie im Rahmen der vorweggenommenen Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG eine Fehlentscheidung treffen und die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung im Laufe des Beschlußverfahrens zu Tage tritt. Doch wäre der Betriebsrat nach der hier vertretenen Auffassung solange vor den Folgen seiner Fehleinschätzung geschützt, bis ihm von Seiten des Gerichtes aufgezeigt wird, daß eine Fehleinschätzung bei dem Beschluß bzw. Entschluß hinsichtlich der Voraussetzungen der Kostenverursachung vorlag. Ab diesem Zeitpunkt hat der Betriebsrat Kenntnis davon, daß sein Beschluß fehlerhaft war oder zumindest, daß gravierende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit seines Beschlusses bestehen.

b) Veränderung der Rechtslage bei einem Wechsel von der Gutgläubigkeit zur Bösgläubigkeit Doch sind die genannten Normen nicht die einzigen, die auf einen Wechsel der Berechtigung eines Handelnden abstellen. Vergleichbar sind die Vorschriften über den Wechsel von einer Gutgläubigkeit zu einer Bösgläubigkeit. So regelt § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB - wenn auch speziell für das EigentümerBesitzer-Verhältnis - den Fall, daß ein ehemalig gutgläubiger Besitzer, der nachträglich von dem mangelnden Rechtsgrund zum Besitz Kenntnis erlangt hat, ab diesem Zeitpunkt der verschärften Haftung des § 990 Abs. 1 BGB unterliegt236 • In diesem Zusammenhang ist auch zu nennen, daß sich ein berechtigter Fremdbesitzer zu einem unberechtigten Eigenbesitzer "aufschwingt" und rechtmäßigen Fremdbesitz iIl unrechtmäßigen Eigenbesitz umwandelt. Auch in die-

236

Vgl. nur Palandt-Bassenge, BGB, § 990 Rdnr. 7.

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sem Fall entzieht zumindest der BGH dem ursprünglich berechtigten Fremdbesitzer den bis zum Wechsel der inneren Einstellung bestehenden Schutz237 •

c) Zusammenfassung Aus all diesen zivil- und handelsrechtlichen Vorschriften kann gefolgert werden, daß dem Zivilrecht der allgemeine Grundsatz zu entnehmen ist, daß eine Person, die bei Beginn einer Handlung von deren Rechtmäßigkeit ausgegangen ist, aber während der Ausführung allerdings von der Unrechtmäßigkeit Kenntnis erlangt, anderen gesetzlichen Verpflichtungen unterliegt. Kurz gesagt, die Berechtigung und damit auch der Schutz entfallen. Gleiches hat für den Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats zu gelten, wenn sie im Laufe eines Verfahrens Kenntnis davon erlangen, daß sie aus ihrer Sicht zwar einen rechtmäßigen Beschluß gefaßt und ein Beschlußverfahren aus ihrer Sicht in rechtmäßiger Weise eingeleitet haben, nun aber im Laufe des Verfahrens davon Kenntnis erlangen, daß diese Einschätzung eine Fehleinschätzung darstellte.

4. Verschulden bei der Durchführung des Geschäftes

Selbst wenn man der Ansicht der Literatur238 folgen sollte, daß als zivilrechtliehe Ausgestaltung und Grundlage des § 40 Abs. 1 BetrVG die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag und ähnlicher Vorschriften heranzuziehen seien, läßt sich das hier gefundene Ergebnis mit dieser Ansicht bestätigen. Bei der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob zum einen die Übernahme der Geschäftsführung berechtigt war und zum anderen, ob die Durchführung des Geschäftes den gesetzlichen Bestimmungen entsprach239 • Zwar gehen DützlSäcker nicht von einer unmittelbaren Anwendung der Normen aus, sondern von dem dahinterstehenden Rechtsgrundsatz, daß derjenige, der für einen anderen handelt, von diesem auch die Aufwendungen erstattet verlangen kann. Während also nicht anhand der zivilrechtlichen Vorschriften geprüft wird, ob die gesetzlichen Vor-

237 BGH in BGHZE 31, S. 129 (134); a.A. die überwiegende Literatur siehe Baurl Stürmer, SachR, § 11, B, I, 1 und Palandt-Bassenge, BGB, Vorbem. v. § 987 Rdnr. 9 m.umfr. N. m Dütz/Säcker, OB 1972 Beilage 17 S. 2 (5). 239 Larenz, SR-BT, I.Bd. § 57, I, b, Medicus, Bürgerliches Recht Rdnr. 426, Staudinger-Wittmann, Vorbem. zu §§ 677-687 Rdnr. 2.

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aussetzungen hinsichtlich der Übernahme der Geschäftsführung im Einzelfall bestehen 240, können die Regelungen hinsichtlich der Durchführung des Geschäftes herangezogen werden, da sich ein Normunterworfener nicht nur auf die ihn begünstigenden Regelungen berufen kann, sondern auch den für ihn Pflichten begründenen Regelungen unterliegt. Handelt der Geschäftsführer während der Ausführung des Geschäftes interessenwidrig oder gegen den Willen des Geschäftsherren oder sonst pflichtwidrig, so haftet er bei Verschulden auf Schadensersatz241 • Die Übernahme der Geschäftsführung bleibt nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag berechtigt und der Geschäftsführer hat Anspruch auf den Aufwendungsersatz. Der Geschäftsherr kann allerdings mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei der Auführung des Geschäftes aufrechnen. Die dogmatische Begründung für die schuldhafte Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflichten bei der Ausführung der Geschäftsführung nach § 677 BGB ist mithin das Ausführungsverschulden242 • Ein daraus resultierender Ersatzanspruch wird dogmatisch allerdings unterschiedlich begründet. So wird von Medicus 243 als Anspruchsgrundlage § 280 BGB, von anderer Ansicht die positive Vertragsverletzung vorgeschlagen 244 • Ohne auf diese unterschiedlichen Begründungsversuche an dieser Stelle näher einzugehen zu wollen - wobei einiges für die Annahme einer positiven Vertragsverletzung spricht - folgt aus beiden Ansichten, daß dem Arbeitgeber gegen den Betriebsrat ein Schadensersatzanspruch im Umfange der §§ 249 ff. BGB zusteht. Die Pflichtwidrigkeit des Handeins bei der hier untersuchten Fallkonstellation besteht in der Weiterführung des Antrages trotz entgegenstehendem richterlichen Hinweis, da der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats danach weiß oder zumindest damit rechnen muß, daß er mit seinem Anspruch keinen Erfolg haben wird und in diesem Falle - die rechtlichen Bedenken gegen diese rechtliche Konstruktion hintenangestellt - handelt der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats - und dies kann wohl nicht mehr bezweifelt werden - eklatant gegen den Willen des Arbeitgebers. Im Rahmen des Schadensersatzanspruches ist der Arbeitgeber so zu stellen, als wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Arbeitgeber ist mithin so zu stellen, als wenn der Betriebsrat oder das Mitglied nach dem richterlichen Hinweis das Verfahren beendet hätte. Die nach diesem signifikanten Ereignis entstehenden Anwaltskosten sind als Schaden anzusehen. Verlangt der Betriebsrat nach erfolglosem Ausgang des Beschlußverfahrens von dem Arbeitgeber Freistellung von 24n Dies ist anhand der dargestel1ten Voraussetzungen von § 40 Abs. I BetrVG zu beurteilen. 241 Münch-Komm-Seiler, BGB, Bd. 3 2. Halbband, § 677 Rdnr. 49, Staudinger-Wittmann, BGB, Vorbem. zu §§ 677-687 Rdnr. 31. 242 Münch-Komm-Seiler, BGB, Bd. 3 2.Ha\bband, § 677 Rdnr. 49. 243 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 426. 244 Staudinger-Wittmann, BGB, § 677 Rdnr. 8.

V. Möglichkeiten der Beiordnung eines Rechtsanwaltes

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den gesamten Kosten oder Erstattung der gesamten Kosten des Verfahrens nach § 40 Abs. 1 BetrVG, so kann der Arbeitgeber mit seinem Schadensersatzanspruch auf Grund Ausführungsverschuldens gegen den Aufwendungsersatzanspruch des Betriebsrats oder dessen Mitglied in der Höhe aufrechnen, in der die Kosten erst nach dem richterlichen Hinweis im Anhörungstermin angefallen sind.

v. Möglichkeiten der Beiordnung eines Rechtsanwaltes und der Beantragung von Prozeßkostenhilfe nach § 11a Abs. 1-3 ArbGG Als eine Möglichkeit eines Ausschlusses der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Rechtsstreitigkeiten mit dem Betriebsrat oder mit einem Mitglied des Betriebsrats kommt die Verweisung des Betriebsrats oder eines Mitgliedes des Betriebsrats auf den Antrag zur Beiordung eines Rechtsanwaltes oder auf die Beantragung von Prozeßkostenhilfe in Betracht. Diese Möglichkeiten sind in § II a Abs. I bis 3 ArbGG speziell für die Verfahren vor den Arbeitsgerichten in der ersten Instanz245 vorgesehen. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung sind in beiden Fällen nach § 121 l. Alt. BRAGO von der Staatskasse zu tragen.

1. Inhalt von § 11 a ArbGG Im Regelungsbereich von § 11 a ArbGG ist zwischen den angesprochenen zwei Fällen zu unterscheiden 246 • Eine Prozeßkostenhilfe nach §§ 11a Abs.3 ArbGG, 114 ff. ZPO kommt nach dessen Absatz 2 dann in Betracht, wenn der Gegner seinerseits nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Bei anwaltlieher Vertretung der Gegenpartei besteht nach § lla Abs. 1 ArbGG die Möglichkeit, der unbemittelten Partei einen Rechtsanwalt beizuordnen. Diese Differenzierung ist auch entscheidend für die weiteren Voraussetzungen der Gewährung des Rechtsbeistands. Während es bei der Gewährung von Prozeßkostenhilfe neben der vorhandenen Armut auch auf eine Mutwilligkeits- bzw. Erfolgsaussichtsprüfung der Klage nach §§ 114 ff. ZPO bzw. vorliegend des Antrages ankommt, ist dies im Falle einer anwaltlichen Vertretung nach § II a Abs. 1 ArbGG nicht der Fall. Bei der anwaltlichen Vertretung des anderen Beteiligten ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Beiordnung auszugehen. Nach § Ila Abs. 2 ArbGG kann eine Beiordnung nur unterbleiben, wenn sie aus besonderen Gründen nicht erforderlich oder wenn die GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § lla Rdnr. 6. Vgl. zum folgenden GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 11a Rdnrn. 7 ff. für die Beiordnung und Rdnrn. 92 ff. für die Prozeßkostenhilfe. 245

24fi

13 Müller-Boruttau

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos ist. Dies bedeutet, daß die Beiordnung eines Rechtsanwaltes auch dann noch möglich ist, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint oder eine Erfolgsaussicht nicht besteht247 • Wird also bei der Möglichkeit einer Beiordnung zugunsten des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit248 von einer grundsätzlichen Beiordnungmöglichkeit ausgegangen, die nur wiederum ausgeschlossen werden kann, so ist Anspruchsvoraussetzung für die Prozeßkostenhilfe nach §§ lla Abs.3 ArbGG, 114 ff. ZPO, daß eine Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung nicht vorliegt. Damit wird eine "niedrigere Mutwilligkeitsgrenze" als Maßstab herangezogen 249 • Sollte § lla ArbGG auf die vorliegende Untersuchung anwendbar sein, so bestünde die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, daß der Arbeitgeber bei eigener anwaltlicher Vertretung und gleichzeitiger Versagung eines Rechtsschutzes durch die Gewerkschaft250 für den Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats die Kosten für die anwaltliche Vertretung des Betriebsrats oder eines seiner Mitglieder nicht zu tragen hätte.

2. Direkte Anwendung von § J Ja ArbGG

Nach dem Wortlaut des § lla Abs. 1 ArbGG kann nur einer "Partei" im "Urteilsverfahren" auf entsprechenden Antrag durch den Vorsitzenden des Arbeitsgerichtes ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Alternativ dazu besteht aufgrund der Verweisung in § 11 a Abs. 3 ArbGG die Möglichkeit der Gewährung von Prozeßkostenhilfe vor den Gerichten für Arbeitssachen für eine "Partei". Damit folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, daß eine Anwendung auf Beteiligte im Beschlußverfahren nicht möglich ist, da sowohl § 11 a Abs. 1 ArbGG als auch §§ 114 ff. ZPO von "Parteien" sprechen. Darüber hinaus erklärt § 80 Abs. 2 ArbGG als zentrale Verweisungsnorm des Beschlußverfahrens den § 11 a ArbGG auch nicht für das Beschlußverfahren für anwendbar. Eine direkte Anwendung scheidet aus.

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GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 11a Rdnr. 61 f. GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § lla Rdnr. 1 und Grunsky, ArbGG,

§ Ila Rdnr. 8. 249 Bader, in: GK-ArbGG, § Ila Rdnr. 201. 250 Vgl. zu diesem im Rahmen von § lla ArbGG umstrittenen Punkt Grunsky, ArbGG, § 11 a Rdnr. 2a und 10, Brommann, RdA 1984, S. 342 ff. und Oswald AnwBI. 1987, S. 484 f.

V. Möglichkeiten der Beiordnung eines Rechtsanwaltes

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3. Analoge Anwendung von § ll a ArbGG Aufgrund der noch darzustellenden Vennögenslosigkeit des Betriebsrats251 und unter Einbeziehung von verfassungsrechtlichen Vorgaben wird an anderer Stelle2S2 ein Bedürfnis zur Gewährung von staatlich finanziertem Rechtsbeistand und damit die analoge Anwendung von § Ila ArbGG bejaht. In einer Reihe von Entscheidungen habe des BVerfG gefordert, daß aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip das Gebot abzuleiten sei, daß die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend angeglichen werden müsse 2S3 • Auch erfülle das Institut der Prozeßkostenhilfe eine Funktion sowohl im Rahmen der Gleichheit in der Reihe, als auch in der Gleichheit der Waffen zweier Prozeßgegner. Sie müsse als notwendiges Instrument zur Beseitigung von bestehender Waffenungleichheit vor den Gerichten angesehen werden 254 . Auch könnte die Nichtgewährung eines Rechtsbeistands zu einer Versperrung des Rechtsweges für die betriebsverfassungsrechtlichen Organe aufgrund ihrer Vennögenslosigkeit führen. Kennzeichnend für das Rechtsstaatsprinzip und die Geltung der Rechtsordnung sei aber ein wirksamer Rechtsschutz. Die zugewiesenen Rechte gewinnen erst dadurch ihren eigentlichen Wert, daß sie auch durchgesetzt werden können und der Rechtsinhaber auf den Gang und die Gestaltung des Verfahrens Einfluß nehmen kann 255 . Auch spreche die Nutzenverteilung der Mitwirkung und Mitbestimmung zugunsten des Allgemeinheit und des Staates fur eine analoge Anwendung. Darüber hinaus sei auch die für einen Analogieschluß notwendige Gesetzeslücke vorhanden. Im Arbeitsgerichtsgesetz gebe es keine Nonn, die den Beteiligten des Beschlußverfahrens ausdrücklich staatlich finanzierten Rechtsbeistand gewährt. Die Vorschrift des § Ila ArbGG regele die Frage der Prozeßkostenhilfe nur im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren. Der Umstand, daß § II a Abs. 1 Satz I ArbGG und damit für den gesamten § 11 a ArbGG nur von Parteien spricht, stehe dem nicht entgegen. Zwar verweise § 80 Abs. 2 ArbGG auch nicht unmittelbar auf § Ila ArbGG. Doch aus dem Umstand, daß in § 80 Abs. 2 ArbGG auf § 1I ArbGG verwiesen wird, könne auch die Geltung der 251 Vgl. zunächst BAG NZA 1987, S. 100 (101) und Kraft, in: GK-BetrVG, § I Rdnr. 72; auf die Rechts- und Vermögenunfähigkeit des Betriebsrats wird in Kapitel 8, I, I, a näher eingegangen werden. 252 Bader, in: GK-ArbGG, § II a Rdnr. 174, Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § Ila Rdnr. 87 ff., Platz, Grundsatz der prozessualen WaffengIeichheit, S. 138 ff. 253 Vgl. Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 138 ff. unter Berufung auf u.a. BVerfGE 22, S. 83 (86), 35 S. 348 (355), 56, S: 139 (143) und 67, S. 245 (248). Diesen Grundsatz gibt auch Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 19 IV Rdnr. 16 wieder. 254 Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 139 m.w.N. 255 BVerfG in BVerfGE 40; S. 275 ff.; Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 19 IV Rdnr. 16.

196

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Verweisung auf § 11 a ArbGG angenommen werden, da diese Regelung nur im Zusammenhang mit der Vertretungsregelung des § 11 ArbGG gesehen werden könnte 256 . Weiterhin spreche rur eine analoge Anwendung des § lla ArbGG die Vorschrift des § 10 ArbGG, der die Beteiligtenfahigkeit auch wiederum im Zusammenhang mit der Parteifähigkeit regele und nicht auf die Rechts- oder Vermögensfahigkeit abstelle 257 . Aus all diesem rechtfertige sich eine analoge Anwendung des § 11 a ArbGG im Beschlußverfahren.

4. Stellungnahme

Den Vertretern einer analogen Anwendung des § 11 a ArbGG ist zwar insoweit zuzustimmen, daß es aufgrund der Rechts- und Vermögenslosigkeit des Betriebsrats schwierig sein könnte, dem Betriebsrat im Falle der willkürlichen Einleitung eines Verfahrens oder der mutwilligen Verteidigung in einem Verfahren die Kosten des Beschlußverfahrens aufzuerlegen. Doch kann einer uneingeschränkten analogen Anwendung nicht zugestimmt werden. Zum einen kann das Argument der Nutzenverteilung der Mitwirkung und Mitbestimmung auch zugunsten der Allgemeinheit und des Staates nicht soweit gehen, selbst willkürliche Rechtsverfolgung durch Beiordnung eines Rechtsanwaltes mit staatlichen Mitteln zu fördern. Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung auch davon aus, daß - aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht - keine Kostenerstattung nach § 40 Abs. 1 BetrVG möglich ist, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung mißbräuchlich oder mutwillig war 58 . Etwas anderes kann hier nicht gelten. Als eine Absicherung der Ansprüche des Verfahrensbevollmächtigten gegen den Betriebsrat kommt in solchen Fällen ein Anspruch des Betriebsrats gegen seinen Bevollmächigten wegen fehlerhafter Beratung in Betrachf59. Auch steht dem Arbeitgeber kein Ermessenspielraum zu, ob er die Kosten der Betriebsratstätigkeit übernehmen will oder nicht. Aufgrund gesetzlicher Anordnung ist er bei Vorliegen der Voraussetzungen dazu verpflichtet. § 40 Abs. 1 BetrVG muß als materiellrechtliche Kosteniastverteilungsnorm als lex specialis hinsichtlich der Kostentragungspflicht rur Rechtsstreitigkeiten angesehen werden. Eine Regelungslücke besteht mithin nicht.

GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § lla Rdnr. 11. GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 11 a Rdnr. 11. m Vgl. noch einmal BAG APNr. 14 und 18 zu § 40 BetrVG 1972 und die daraus entwickelten Fallgruppen unter Kapitel 6, III. 259 Dütz, BB 1978, S. 213 (216), Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 18 und LAG Düsseldorf, BB 1989, S. 501, das allerdings einen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats annimmt; vgl. dazu ausführlich den Exkurs nach Kapitel 7. 256

257

VI. Fehlende Aufnahme des Beschlußverfahrens

197

Überdies sprechen koalitionspolitische Erwägungen gegen eine analoge Anwendung. Häufig werden konkrete Beschlußverfahren von Gewerkschaften unter dem Deckmantel der Betriebsratstätigkeit eingeleitet und zu Grundsatzverfahren mit dem Arbeitgeber gemacht. Die Gewerkschaften würden bei einer analogen Anwendung des § 11 a ArbGG in die Kostentragung durch Gewährung von Rechtsschutz mit eingebunden werden. Dies würde dazu führen, daß über die Beiordung und die Kostentragung durch die Staatskasse den Gewerkschaften mittelbar die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten und damit die Durchsetzung von Eigeninteressen gewährt wird. Als einziger Fall einer analogen Anwendung des § 11 a ArbGG ist daher denkbar und bisher entschieden260 , daß Prozeßkostenhilfe dann gewährt wird, wenn der Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Freistellung oder Erstattung von den bzw. der Prozeßkosten mangels Vermögen des Arbeitgbers nicht realisierbar ist. Dies entspricht auch dem Grundsatz der Subsidiarität der Beiordnung eines Rechtsanwalts und der Gewährung von Prozeßkostenhilfe. Voraussetzung ist nämlich, daß die beantragende Partei aufgrund ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten zu bestreiten. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, müßte der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats nachweisen, daß ein Kostenfreistellungs- oder -erstattungsanspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG gegen den Arbeitgeber nicht realisierbar ist261 • Insofern und nur für diesen Fall besteht tatsächlich eine Regelungslücke, da dann § 40 Abs. 1 BetrVG als die analoge Anwendung von § 11 a ArbGG ausschließende gesetzliche Regelung keine Anwendung findet.

VI. Fehlende Aufnahme des Beschlußverfahrens in den Wortlaut von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG Eine auf den ersten Blick diametral entgegengesetzte Ansicht zur bisher dargestellten Kostentragungsregelung scheint sich aus dem Wortlaut des § 12a Abs. 1 S. I ArbGG und der darin ausgeschlossenen Kostenerstattung im erstinstanzlichen Urteilsverfahren zu ergeben.

260 LAG Rheinland-Pfalz NZA 1991, S.32 (32); Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 40 Rdnr. 22. 26\ BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 52 und 62; so auch richtig verstanden GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 11 a Rdnr. 14 in Widerspruch zu § 11 a Rdnr. 88, siehe auch Bader, in: GK-ArbGG, § 11 a Rdnr. 22, Stein/Jonas/Bork, ZPO, Bd. I, § 114 Rdnr.62.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Dieser Ausschluß betrifft zunächst den prozessualen Kostenerstattungsanspruch nach §§ 91 ff ZP0 262 • Er betrifft allerdings auch einen eventuellen materiellen Kostenerstattungsanspruch z.B. aus Verzug für die anwaltlichen Kosten 263 • Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 12a Abs. 1 ArbGG könnte man vertreten, daß im Beschlußverfahren die §§ 91 ff. ZPO Anwendung finden, d. h. daß entgegen der Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG der unterlegende Beteiligte die Kosten der Gegenseite zu tragen hat. Doch wird diese - vom Wortlaut her - schlüssige Ansicht sowohl von der Rechtsprechung264 als auch von der herrschenden Meinung in der Literatur65 abgelehnt. Aus der alleinigen Erwähnung des Urteilsverfahrens in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ergebe sich eine eindeutige und nicht analogiefahige Beschränkung des Anwendungsbereiches für das Urteilsverfahren. Eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist auch nicht erforderlich, da im Beschlußverfahren nach h.M. keine Kostenentscheidung zu treffen ist266 • Damit besteht auch keine für die analoge Anwendung erforderliche Regelungslücke. Auch gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine irrtümliche Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG oder dafür, daß die materiellrechtlichen Kostenerstattungsansprüche im Beschlußverfahren dem Willen des Gesetzgebers zu wider laufen267 • Auch der Zweck des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG spricht gegen eine Anwendung im Beschlußverfahren. Dieser besteht vornehmlich darin, das erstinstanzliche Urteilsverfahren trotz Beteiligung von rechts- und vermögensfähigen Parteien zu verbilligen, um damit die sich aus etwaigen Erstattungsansprüchen für eine Partei ergebenden Kostenrisiken zu verringern 268 • Darüber hinaus wird eine Anwendung des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG auf das Beschlußverfahren auch damit abgelehnt, daß sich die Ansprüche der im Beschlußverfahren Beteiligten

262 Vgl. nur GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 12a Rdnr. 8 und Grunsky, ArbGG, § 12a Rdnr. 2. 263 BAG in BAGE 10, S.39 (45), 21, S. 1 (3), BAG APNr. 6 BI. 1 R zu § 12 a ArbGG 1979; NJW 1990, S. 2643 (2644); GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 12a Rdnr.9 ff., Grunsky, ArbGG, § 12a Rdnr. 3, Loritz, Konkurrenz der Kostenerstattungsansprüche, S. 126. 2M BAG DB 1995, S. 835 (836), AP Nr. 8 BI. 2 zu § 12a ArbGG 1979 mit der Ablehnung einer erforderlichen Regelungslücke für die analoge Anwendung des § 12a ArbGG im Beschlußverfahren. 265 GermelmanniMatthes/Prütting, ArbGG, § 12a Rdnm. 4, 6 und 34. 266 BAG AP Nr. 8 BI. 3 zu § 12a ArbGG 1979 m.w.N., DB 1995, S. 835 (836) und unter Kapitel 2, I, I, b, dd. 267 BAG AP Nr. 8 BI. 3 zu § 12a ArbGG 1979, DB 1995, S. 835 (836). 26M BAG BAGE 10, S. 39 (45), AP Nr. 8 BI. 2 f zu § 12a ArbGG 1979, DB 1995, S. 835 (836).

VII. Zusammenfassung

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auf Erstattung von Kosten nach materiellrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen zu richten haben. Als solche sind § 40 Abs. 1 BetrVG und die gleichlautenden Regelungen in den Personalvertretungsgesetzen der Länder und des Bundes anzusehen. Diese gesetzliche Konzeption darf nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG unterlaufen werden 269 •

VII. Zusammenfassung Das vorangegangene Kapitel diente der Untersuchung von neuen Ansätzen zur Beschränkung der Kostentragungspflicht fiir Rechtsanwaltskosten durch den Arbeitgeber im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG. Dabei wurde im Gegensatz zu den bisher entwickelten und vor allem die materiellen Anspruchsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG betreffenden Fallgruppen ein besonderer Schwerpunkt auf prozeßrechtliche Ansätze gelegt. Im einzelnen lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: 1. Im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren können aufgrund einer Gestaltungs- und Tatbestandswirkung auf der einen und der materiellen Rechtskraft auf der anderen Seite mit Eintritt der formellen Rechtskraft von Beschlüssen Bindungswirkungen fiir Nachfolgeverfahren eintreten. Die Folge einer solche Bindungswirkung ist zum einen, daß eine Änderung der Entscheidung und der Rechtsfolge des vorangegangenen Beschlusses nicht mehr möglich ist und zum anderen, daß eine erneute Entscheidung über den gleichen Sachverhalt ausgeschlossen ist. Derartige Bindungswirkungen sind insbesondere bei dem Betriebsabgrenzungsverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG, einer Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG und einem arbeitsgerichtlichen Beschluß über die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen von Individualansprüchen nach § 37 Abs. 2 BetrVG, § 37 Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 und § 37 Abs. 7 BetrVG anzunehmen. Gleiches gilt fiir eine rechtskräftige Entscheidung über den Inhalt, die Auslegung und die Verbindlichkeit von Betriebsvereinbarungen nach § 77 BetrVG und über das Bestehen oder den Umfang von Mitbestimmungsrechten im Rahmen von § 87 Abs. 1 BetrVG. 2. Seit der Änderung des Wesens des Beschlußverfahrens von einem Verfahren zur Klärung von betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und Kompetenzen im Jahre 1979 hin zu einem Verfahren zur konkreten Bestimmung und 269 Dieser Grundsatz gilt allerdings nur für die Rechtsverfolgung im Beschlußverfahren. Machen Amtsträger Ansprüche im Urteilsverfahren geltend, die ihre Rechtsgrundlage im Betriebsverfassungsgesetz haben (z.B. Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 37 Abs.2 BetrVG), gilt der Ausschluß der Kostenerstattung nach § 12a Abs. I S. I ArbGG. Alleiniges Abgrenzungskriterium ist die jeweils gewählte Verfahrensart, vgl. dazu BAG AP Nr. 8 BI. 3 f. zu § 12a ArbGG 1979; GermelmanniMattheslPrütling, ArbGG, § 12a Rdnr. 35, Grunsky, ArbGG, § 12a Rdnr. 3.

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Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

Durchsetzung der Rechte und Kompetenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Organe hat auch die Rechtsprechung des BAG bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresses als Sachurteilsvoraussetzung eine Wandelung vollzogen. Zulässiger Streitgegenstand eines Beschlußverfahrens kann nur noch ein Sachverhalt sein, der für die Beteiligten des Verfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Arbeitsgericht noch Rechtswirkungen entfalten kann. Dem Antrag an das Arbeitsgericht zur Einleitung eines Beschlußverfahrens zur Klärung eines bereits abgeschlossenen Sachverhaltes fehlt das Rechtsschutzinteresse, da es nicht Aufgabe der Gerichte im allgmeinen und der Arbeitsgerichte im speziellen sein kann, gutacherterlich rur einen der Beteiligten tätig zu werden. Die Änderung der Rechtsprechung des BAG hat sich mit unterschiedlicher Tragweite auf die im Beschlußverfahren statthaften Anträge ausgewirkt. So entfallt das Rechtsschutzinteresse bei Gestaltungsklagen, wenn der arbeitsgerichtliche Beschluß keine gestaltende Wirkung mehr entfalten kann. Bei Feststellungsanträgen ist das Feststellungsinteresse als besondere Form des Rechtsschutzinteresses dann zu verneinen, wenn sich der das Interesse an einer alsbaldigen Entscheidung begründende Sachverhalt bis zur Entscheidung erledigt hat oder der den Verfahrensgegenstand des Feststellungsantrages bildende Sachverhalt vergleichbar ist mit einem, über den bereits rur den Betrieb rechtskräftig entschiedenen worden ist. 3. Aus dem Erforderlichkeitsgrundsatz und dem Kostenminimierungsgebot folgt, daß der Betriebsrat oder ein einzelnes Mitglied des Betriebsrats verpflichtet sein kann, ein einmal ordnungsgemäß eingeleitetes Verfahren während der Anhörung vor der Kammer vorzeitig durch Antragsrücknahme oder Erledigungserklärung zu beenden. Teilt der Vorsitzende der Kammer dem Antragsteller seine Rechtsauffassung und wahrscheinliche Entscheidung mit und droht eine den Antrag zurückweisende Entscheidung, so ist der antragstellende Betriebsrat oder das einzelne Mitglied aufgrund des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG und der auch dem Betriebsrat und dem einzelnen Mitglied des Betriebsrats übertragenen Verantwortung rur den Betrieb des Arbeitgebers verpflichtet, den kostengünstigsten Weg zur Beendigung des Beschlußverfahrens zu wählen. Kosten rur die anwaltliche Tätigkeit, die nach dem richterlichen Hinweis, insbesondere rur eine Beweisaufnahme anfallen, sind ab diesem Zeitpunkt wegen rechtsmißbräuchlicher Verursachung nicht mehr von § 40 Abs. 1 BetrVG erfaßt. 4. Der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats können grundsätzlich nicht auf den in § I1 a Abs. 1 ArbGG explizit rur das Urteilsverfahren geregelten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes bei gleichzeitiger Vertretung des Arbeitgebers verwiesen werden. Ebenso ist die Gewährung von Prozeßkostenhilfe nach §§ Ila Abs. 3 i.V.m. 114 ffZPO nicht möglich. § lla Abs. 1 bis 3 ArbGG sind weder direkt noch analog im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren anzuwenden. Für eine analoge Anwendung besteht keine Regelungslük-

VII. Zusammenfassung

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ke, da § 40 Abs. 1 BetrVG als lex specialis die Anwendung von § 1la ArbGG ausschließt. Solange und soweit der Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats einen Freistellungs- oder Kostenerstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat, sind die betriebsverfassungsrechtlichen Organe nicht als arm i.S.v. §§ lla Abs. 3 ArbGG i.V.m. 114 ff ZPO anzusehen. Ein Ausschluß der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers kann auch nicht mit § 12a Abs. 1 ArbGG begründet werden. Der Wortlaut des § 12a Abs. 1 ArbGG beschränkt den Anwendungsbereich auf das Urteilsverfahren. Diese prozessuale Kostenverteilungsnorm wird durch die speziellere Kostennorm des § 40 Abs. 1 BetrVG für das Beschlußverfahren verdrängt.

Exkurs Nicht zu neuen Erkenntnissen in dieser Untersuchung führend, aber auch nicht von der Thematik der Untersuchung zu trennen, ist die Frage, ob der Betriebsrat seinerseits bei der Kostenverursachung durch Einleitung eines nicht erforderlichen oder nicht verhältnismäßigen Beschlußverfahrens Rückgriff bei einem Dritten nehmen kann. Bisher wurden eine ganze Reihe von Abgrenzungskriterien entwickelt, anhand derer festgestellt werden kann, ob ein Beschlußverfahren erforderlich und verhältnismäßig im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG war. Nun sind allerdings Fälle denkbar, in denen sich der Betriebsrat oder ein Betriebsratsmitglied einer rechtsanwaltschaftlichen oder gewerkschaftlichen Vertretung bedienen und erst durch deren Rat zu einem Beschlußverfahren veranlaßt oder nicht hinreichend über die Erfolgsaussichten des angestrebten Beschlußverfahrens aufgeklärt werden. Stellt sich im Nachhinein heraus, daß die Kosten der Vertretung nicht vom Arbeitgeber zu erstatten sind, so fragt sich, ob für den Betriebsrat als Antragsteller in einem solchen Verfahren ein (Schadensersatz-) Anspruch vor allem gegen den Anwalt wegen der Verursachung der Kosten besteht. In diesem Zusammenhang wird ein möglicher Schadenersatzanspruch des Betriebsrats gegen den ihn vertretenden Rechtsanwalt unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung des durch die Mandatsübemahme zustandegekommenen Geschäftsbesorgungsvertrages i.S.v. §§ 611, 675 BGB vorgeschlagen27o • Nimmt ein Anwalt eine rechtsanwaltliche Vertretung eines Be-

270 Dü(z BB 1978, S. 213 (216), Platz, Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, S. 141; a.a. Stelle wird dem Anwaltsvertrag eine Schutzwirkung für Dritte beigemessen, kraft dessen den Prozeßbevollmächtigten Sorgfaltspflichten gegenüber dem Arbeitgeber aufgrund der Regelung des § 40 BetrVG auferlegt werden, siehe LAG Düsseldorf BB 1989, S. 505 und Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 18. Gegenstand der Sorgfaltspflichten ist die Kostenschonung des Arbeitgebers mit der Folge, daß erstattungsfähig

202

Kap. 7: Neue Lösungsansätze zur Beschränkung der Kostentragungspflicht

triebsrats an, so gelten auch für dieses Mandat die allgemein zur Anwaltshaftung entwickelten Grundsätze in vollem Umfang271 • So ist der Rechtsanwalt zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Diese Belehrungspflicht besteht auch grundsätzlich dann, wenn der Mandant rechtskundig ist2 n . Der Umfang der Belehrung und Beratung ist am Einzelfall orientiert. Auch ist der Rechtsanwalt zur Klärung des Sachverhaltes und zu einer rechtlichen Prüfung der ihm angetragenen Frage verpflichtet. Dabei muß er sich über den Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung laufend in den Fachzeitschriften informieren und sich bei der rechtlichen Beurteilung grundsätzlich an den Ergebnissen der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientieren. Auch muß der Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung sorgfliltig prüfen und den Mandanten über das Ausmaß des Risikos informieren. Bei der hier in Frage stehenden Problematik heißt dies, daß der Rechtsanwalt den Betriebsrat oder das Betriebsratsmitglied auf die Grenzziehung zwischen noch erforderlicher und verhältnismäßiger Einleitung eines Beschlußverfahrens und rechtsmißbräuchlicher oder willkürlicher Einleitung hinzuweisen und darüber aufzuklären hat. Verletzt der mandatierte Rechtsanwalt diese Pflicht oder vertritt er den Betriebsrat unter Außerachtlassung dieser umfangreichen Verpflichtungen, eventuell sogar gegen die eigene Überzeugung des Betriebsrats in einem Beschlußverfahren, so macht sich der Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung des Geschäftsbesorgungsvertrages nach §§ 611, 675 BGB. Im Rahmen des Schadensersatzanspruches nach §§ 249 ffBGB ist der Betriebsrat so zu stellen, als wenn das schädigende Ereignis, d. h. die fehlende Beratung, nicht stattgefunden hätte. Dies kann zum einen darin bestehen, daß es zu einer Nichtentstehung der Honorarforderung des Anwalts kommt oder zum anderen, daß der Betriebsrat bei einer Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber wiederum bei dem Rechtsanwalt Ersatz verlangen oder ihm im Folgeverfahren den Streit verkünden kann bzw. muß.

nur die Kosten solcher Verfahren sind, die nach § 40 BetrVG der Betriebsrat durchzufuhren berechtigt war. 271 Vgl. dazu Vol/kommer, Anwaltshaftungsrecht, 1989; Palandt-Heinrichs, BGB, § 276 Rdnrn. 39 ff. m.umfr. N., Soergel-Wolf, BGB, Bd. 2, § 276 Rdnrn. 174 ff. 272 BGH NJW 1992, S. 820 (821).

Kapitel 8

Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers gegen eine rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung Verfolgt der Betriebsrat oder ein Betriebsratsmitglied die nicht von § 40 Abs. 1 BetrVG umfaßten Rechtsanwaltskosten außergerichtlich und letztlich auch gerichtlich, so führt dies zu der Frage, welche "Verteidigungsmöglichkeiten" dem Arbeitgeber gegen den Betriebsrat oder das Betriebsratsmitglied zur Verfügung stehen. Naheliegend erscheinen zunächst allgemeine, insbesondere schuldrechtlichen Möglichkeiten I. Aus diesem Bereich kann eine Haftung des Betriebsrats als Organ oder eine Haftung der einzelnen Betriebsratsmitglieder in Betracht kommen. Darüber hinaus - und wohl bedeutsamer - sind die betriebsverfassungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten des § 23 Abs. 1 BetrVG2 • Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber mittels eines an das Arbeitsgericht gerichteten Antrages sowohl den Ausschluß eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat (§ 23 Abs. 1 S. 1 I. Alt BetrVG) als auch die Auflösung des gesamten Betriebsrates (§ 23 Abs. 1 S. I 2. Alt. BetrVG) wegen grober Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten erreichen. Ebenfalls von großer Bedeutung sind die individualrechtlichen Möglichkeiten, insbesondere die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, als dessen Folge die Mitgliedschaft des Betriebsratsmitgliedes nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erlische. Im folgenden wird untersucht, inwieweit die vorgenannten "Verteidigungsmöglichkeiten" auf die rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung Anwendung finden und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.

I. Schuld rechtliche Möglichkeiten

Als erste der zu untersuchenden Reaktionsmöglichkeiten kommen eine Haftung des Betriebsrats als Organ oder eine Haftung der Mitglieder des Be-

I 2

3

Siehe Kapitel 8 I. Siehe Kapitel 8 11. Siehe Kapitel 8 III.

204

Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

triebsrats aus vertraglichen, quasi-vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen in Betracht4 • Bevor allerdings auf die möglichen Haftungsgrundlagen und deren Voraussetzungen eingegangen werden kann, ist es notwendig, die Rechtsfahigkeit und vermögensrechtliche Stellung des Betriebsrats als Voraussetzung eines Haftungsprozesses näher zu beleuchten.

1. Vermägensrechtliche Stellung des Betriebsrats

Nach bisher nahezu einhelliger Meinung ist der Betriebsrat, da er nicht rechtsfahig ist, auch nicht vermögensflihig5 • Diese immer wieder pauschal wiedergegebene Formulierung kann allerdings nicht absolut gelten 6• Soweit das Gesetz dem Betriebsrat ausdrücklich Rechte zuerkennt oder ihm Pflichten auferlegt, muß von einer partiellen (betriebsverfassungsrechtlichen) Rechtsfahigkeit ausgegangen werden? Dies gilt zum Beispiel für den Informationsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG und die Beteiligungsflihigkeit nach § 10 ArbGG. Darüber hinaus ist der Betriebsrat als Organ auch nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG vor den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten parteifahig. Auch die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers in § 40 Abs. 1 BetrVG und die Pflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 2 BetrVG, dem Betriebsrat Sachmittel für seine Tätigkeit zur Verfügung zu stellen, zeigen, daß der Betriebsrat im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes Träger vermögensrechtlicher Ansprüche und Rechtspositionen sein kann. Dies gilt um so mehr, wenn ihm zur Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ein Etat zur Verfügung gestellt wird, dessen Mittel zwar genauso wie die Sachmittel im Eigentum des Arbeitgebers verbleiben, über den der Betriebsrat aber verfü-

4 Umfassend dazu Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 13 ff., Brm AuR 1980, S. 353, Kraft, in GK-BetrVG, § 1 Rdnrn 76 ff. 5 BAG APNr. 35 BI. 3 zu § 37 BetrVG 1972, NZA 1987, S. 100 (101), LAG BadenWürttemberg BB 1964, S. 963 (964); Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 287 m. umfr. Nachw., Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 26 Rdnr. 8 und § 1 Rdnr. 22, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 1 Rdnrn. 192 f., Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, vor § 1 Rdnr.41, MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 291 Rdnr.19, ders. BetrVG § 4 11, Konzen, ZfA 1985, S. 469 (485). 6 Vgl. auch Weber DB 1992, S. 2135 (2135). 7 Konzen ZfA 1985, S. 469 (486), Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 73, MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3, § 291 Rdnr. 19; weitergehend Weber DB 1992, S. 2135 (2136), der sogar eine Vollrechtsfähigkeit annimmt, da das Gesetz keine Teilrechtsfähigkeit kenne und bei Übertragung von Rechten und Pflichten ohne Rücksicht auf den Umfang der Übertragung die Rechts- und Vermögensfähigkeit zu bejahen sei.

I. Schuldrechtliche Möglichkeiten

205

gungsbefugt ist. Auch kann der Betriebsrat im Rahmen seiner Befugnisse mit Dritten Verträge schließen8 •

2. Neuer Ansatz

Neben diesen bisher zumindest teilweise anerkannten Fällen der Vermögens- und Rechtsfahigkeit ist eventuell nach den Entscheidungen des EUGH in den Rechtssachen "Bötei" 9 und "Lewark"lo eine andere Sichtweise geboten. Mit dem in Art. 119 EGV positivierten Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts wurde in diesen Fällen im Rahmen von zwei Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV eine Lohnfortzahlung flir Betriebsratsmitglieder begründet, die als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen an einer über ihre Teilzeitarbeitszeit hinausgehenden ganztägigen Betriebsratsschulung teilgenommen hatten. Der EUGH hat in beiden Entscheidungen auch entgegen den Schlußanträgen des Generalanwaltes Jacobs ll - den jeweiligen Arbeitgeber verpflichtet, die über die individualvertragliche Arbeitszeit hinausgehende Schulungszeit als Betriebsratsarbeit nach dem Lohnausfallprinzip zu vergüten l2 . Es ist zu überlegen, ob ein teilzeitbeschäftigtes Mitglied des Betriebsrats, dem vom Arbeitgeber die über seine vertragliche Arbeitszeit hinausgehende Zeit der Schulungsteilnahme als Arbeitszeit vergütet worden ist, verpflichtet sein kann, dieses Entgeld flir die Betriebsratstätigkeit zu verwenden, da die

H Kraft, in: GK-BetrVG, § I Rdnr. 74, Wiese, in: GK-BetrVG, § 40 Rdnr. 17 sowie unten Kapitel 8, I. 9 EUGH Slg. 1992, S. 3589 ff. = NZA 1992, S. 687 ff. = DB 1992, S. 1481 ff. auf Vorlage des LAG Berlin NZA 1991, S. 281. 10 EUGH NZA 1996, S. 278 ff. = EuZW 1996, S. 150 ff. = DB 1996, S. 379 ff. auf Vorlage des BGH NZA 1994, S. 278; in diesem Vorlagebeschluß bezweifelte das BAG schon den Anwendungsbereich des Art. 119 EGV mangels Vorliegens des Merkmales "Arbeit" in dem zugrunde liegenden Fall, desweiteren bestritt es eine Ungleichbehandlung und das Fehlen einer objetiven Rechtfertigung, was allerdings - so die Mutmaßung des BAG - auf Mißverständnissen des EuGH über die Rechtsstellung des Betriebsrats im deutschen Betriebsverfassungsgesetz zurückzuführen gewesen sei. Siehe nun BAG vom 05.03.1997, 7 AZR 581/92 in Pressemitteilung des BAG DB 1997, S. 580 (580). 11 EuGRZ 1995, S. 436 ff. 12 In der Rechtssache "BöteI" hat der EuGH weiter ausgeführt, daß es den Mitgliedsstaaten unbenommen bliebe nachzuweisen, daß diese Differenzierung durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Die Tatsache, daß eine Vergütung für die in die Freizeit fallende Schulungsteilnahmen wegen der Unentgeldlichkeit und Ehrenamtlichkeit des Betriebsratsamtes unterschiedslos für teil- und vollzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder nicht in Betracht kommt, reiche dafür allerdings nicht aus, NZA 1992, S. 687.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

vom EUGH entwickelte Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers in krassen Widerspruch zu den Regelungen des deutschen Betriebsverfassungsrechtes steht lJ • Nach § 37 Abs. I BetrVG ist das Betriebsratsamt ein Ehrenamt, aus dem das Betriebsratsmitglied keine finanziellen Vorteile erlangen darf, um nicht in eine Abhängigkeit von dem Arbeitgeber zu geraten 14. Dieses Ehrenamtsprinzip müsse auch strikt gehandhabt werden, wozu es auch gehöre zu unterbinden, daß die teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieder ihr Amt zur Ausweitung des Stundendeputats mißbrauchen, um höhere Vergütungen zu erwirtschaften 15. Darüber hinaus ergibt sich aus der Verweisung des § 37 Abs. 6 BetrVG allein auf § 37 Abs. 2 BetrVG, daß nach dem in § 37 Abs. 2 BetrVG anzuwendenden Lohnausfallprinzip nur die Zeit zu vergüten ist, die auch tatsächlich gearbeit worden wäre. Bei einer Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung, die teilweise in die Freizeit des Betriebsratsmitglieds fällt, sind nach der Rechtsprechung des BAG diese Zeiten aufgrund der EhrenamtIichkeit der Betriebsratstätigkeit als zumutbare Freizeitopfer hinzunehmen l6 • Das BAG begründet den Ausschluß dieser Tätigkeit von der arbeitgeberseitigen Lohnfortzahlungspflicht u.a. damit, daß zwar von einer Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung und sonstiger Betriebsratsarbeit auszugehen seil?, hinsichtlich des Anspruches auf Freizeitausgleich stelle allerdings die Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung keine Tätigkeit i.S.v. § 37 Abs. 3 BetrVG dar, da § 37 Abs. 6 BetrVG unzweifelhaft nur auf § 37 Abs. 2 BetrVG, nicht aber auch auf § 37 Abs. 3 BetrVG verweise l8 • Auch gebiete das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG keine andere Lösung, da § 37 Abs. 6 BetrVG als lex specialis zu § 78 S. 2 BetrVG anzusehen sei l9 • Dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz läßt sich mit der Recht-

13 Vgl. ausführlich zur deutschen Regelung BengelsdorjNZA 1989, S. 905 (906 ft), kritisch vor diesem eindeutigen betriebsverfassungsrechtIichen Hintergrund Junker NJW 1994, S. 2527, Schiejer/Erasmy, Anm. zu EuGH DB 1992, S. 1481 (1482), Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 55. 14 Schon RAG ARS 2, S. 36 (38), BAG vom 05.03.1997, 7 AZR 581/92 in Pressemitteilung des BAG, DB 1997, S. 580 (580); Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 8. 15 BAG NZA 1994, S. 278 (281) = EuZW 1994, S.184 (187); ebenso DietzlRichardi, BetrVG, § 37 Rdnr. 5, GalperinlLöwisch, BetrVG § 37 Rdnr. 9, StegelWeinspach, BetrVG, § 37 Rdnr.1, Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 82. 16 Vgl. nur BAG AP Nr. 3 BI. 1 R ff. zu 37 BetrVG 1972 = NJW 1974, S.335, AP Nr. 31 BI. 1 R ff. zu § 37 BetrVG 1972, NZA 1994, S. 278 (280); Wiese, in: GKBetrVG, § 37 Rdnr. 80 m. umfr. Nachw. 17 BAG EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 12 = AP Nr. 5 zu § 40 BetrVG 1972, NZA 1994, S. 278 (281). IM Ständige Rechtsprechung BAG AP Nr. 3 BI. 1 R ff. zu § 37 BetrVG 1972, NZA 1990, S.698 (698), NZA 1991, S.200 (200); vgl. für die Literatur Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 80. 19 BAG NZA 1991, S. 200 (200).

I. Schuldrechtliche Möglichkeiten

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sprechung des BAG für die Zahlung des Lohnes daher keine gesetzliche Grundlage entnehmen. Hat der Arbeitgeber einen Anspruch erfüllt, so k.~n ihm ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB (conditio indebiti) gegen das Betriebsratsmitglied zustehen. Ein Rechtsgrund für die Bezahlung des Lohnes gibt es nicht. Aber auch ein anderer "rechtlicher Grund" LS.v. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB läßt sich nicht fmden. Weder die Entscheidungen des EUGH können die Bereicherung rechtfertigen, da ihnen keine "inter-omnes Wirkung" über das jeweilige Verfahren hinaus zukommt2°. Ebensowenig hilft eine abzulehnende europarechtskonforme Auslegung von § 37 BetrVG weiter. Vor dem Hintergrund der EUGH-Rechtsprechung wird gefordert, den teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern einen "fiktiven" Lohn entsprechend § 37 Abs. 2 BetrVG zuzusprechen, der dem Lohn entspricht, den sie bei Vollzeitbeschäftigung im Betrieb erhalten hätten21 • Die teilzeitbeschäftigten Betriebsräte könnten auf diese Weise den vollzeitbeschäftigten völlig gleich gestellt werden und als Lohnausfall, soweit sich die Schulungsveranstaltung in der betrieblich regelmäßigen Arbeitszeit gehalten hatte, die Zeit zwischen der individuellen Arbeitszeit und der betrieblichen Arbeitszeit vergütet bekommen. Darüber hinausgehende Zeiten müßten dann von den teilzeitbeschäftigen Betriebsratsmitgliedern genauso hingenommen werden, wie von den vollzeitbeschäftigen Betriebsratsmitgliedern22 • Diese Ansicht widerspricht aber schon dem Wortlaut des § 37 BetrVG und der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, daß Freizeitaufwendungen von Betriebsratsmitgliedern nicht bezahlt, sondern mit Freizeit ausgeglichen werden sollen, wenn die Betriebsratsarbeit betriebsbedingt außerhalb der Arbeitszeit stattfinden mußte23 • Auch verstößt die Leistung des Lohnes für den Zeitraum zwischen der individuellen und der betrieblichen Arbeitszeit gegen § 37 Abs. 1 BetrVG. Die Bezahlung ist danach wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB nichtig24 •

20 Geiger, EG-Vertrag, Art. 177 Rdnr. 33, Garabitz/Hilj, EG-Vertrag, Art. 177 Rdnr. 72, Hailbronner, in: EGV-Kommentar, Art. 177 Rdnr. 45. 21 Deinert NZA 1997, S. 183 (188 f), Mauer NZA 1993, S. 56 (57), ReichiDieball AuR 1991, S. 225 (235). 22 Mauer NZA 1993, S. 56 (57), ReichiDieball AuR 1991, S. 225 (235), 23 BAG AP Nr. 3 BI. 2 f. zu § 37 BetrVG 1972; Bengelsdorf, NZA 1989, S.905 (906 f.), Wiese, in: GK-BetrVG § 37 Rdnm. 67, 74, 80 und 82. 24 Wiese, in:GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 15.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Die skizzierten Auswirkungen dieser neuen EUGH-Rechtsprechung sollten an dieser Stelle aber nur als Denkanstöße gegeben werden, ohne eine abschließende Beantwortung der aufgeworfenen Frage zu geben.

3. Haftung des Betriebsrats als Organ

Aufgrund der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats und der Tatsache, daß der Betriebsrat nirgends als Träger von Schadensersatzpflichten genannt ist, muß nach wie vor davon ausgegangen werden, daß er (als Gremium) nicht Schuldner von Schadensersatzanspruchen sein kann 25 • Dies gilt auch für Anspruche aus einem von dem Betriebsrat geschlossenen Vertrag mit Dritten. Allerdings kommt in einem solchen Fall eine gesamtschuldnerische Haftung derjenigen Betriebsratsmitglieder in Betracht, die dem Beschluß zum Abschluß des Vertrages zugestimmt haben26 •

4. Haftung der Mitglieder des Betriebsrats

Eine wesentlich umfangreichere Rechtsprechung und Diskussion in der literatur hat allerdings die Frage erfahren, ob einzelne Betriebsratsmitglieder alle ine oder mehrere gemeinsam als Gesamtschuldner haften können27 • Dabei stellt sich das Meinungsspektrum von einer grundsätzlichen Ablehnung der Haftung der Betriebsratsmitgliedei8 oder zumindest einer Beschränkung der Haftung auf eine Haftung nach den Regeln der unerlaubten Handlungen 29 bis zu der Ansicht dar, daß eine Haftung sowohl nach vertraglichen als auch vertragsähnlichen30 und deliktischen Grundsätzen in Betracht kommei. Im einzelnen lassen sich folgende Erfüllungs- und Haftungsanspruche gegen Betriebsratsmitglieder systematisieren.

25 BAG NZA 1987, S. 100 (101); so auch Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 26 Rdnr. 8, Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 76. 2~ BAG NZA 1987, S. 100 (101), Bril/ AuR 1980, S.353 (355), Kraft, in:

GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 77. 27 Vgl. Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 77, Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § I Rdnrn. 192 ff., Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 13 ff. 28 Weiß RdA 1974, S. 269 (276 ff.). 2Y Derleder AuR 1980, S. 360 (362), Konzen ZfA 1985, S. 469 (476 ff.). 30 Hanau RdA 1979, S. 324 (326), Neumann-Duesberg NJW 1954, S. 617 ff. 3i Nachweise bei Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 27 ff., Wiese, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnrn.77 ff., Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 1 Rdnrn 192 ff., HueckNipperdey, ArbR, Bd. 2 2. Halbband, S. 1108 ff.

I. Schuldrechtliche Möglichkeiten

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a) Vertragliche Ansprüche 32 Schließen die Betriebsratsmitglieder Verträge im eigenen Namen ab, so richtet sich ihre Haftung nach allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen. Sind sie außerhalb des im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Aufgabenbereichs und der daraus folgenden Befugnisse tätig geworden, so unterliegen sie der persönlichen Inanspruchnahme durch Dritte und der individuellen Haftung 33 • Beruht der Abschluß eines solchen Rechtsgeschäftes auf einem Beschluß des Betriebsrats, so haften auch die Betriebsratsmitglieder, die dem Beschluß zugestimmt haben, gemeinsam als Gesamtschuldne~4. Aus dem Betriebsverfassungsgesetz lassen sich - wie dargestellt - keine Anhaltspunkte für eine gesetzliche Vertretungsmacht oder eine Verpflichtungsermächtigung zu Lasten des Arbeitgebers ableiten. Die Betriebsratsmitglieder haben nur insoweit gegen den Arbeitgeber einen Freistellungs- oder Erstattungsanspruch, als die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und Befugnisse ihnen ein rechtsgeschäftliches und damit kostenverursachendes Handeln erlauben.

b) Quasi-vertragliche Ansprüche aa) Die Ansicht von Hanau

Neben diesen vertraglichen Erfüllungsansprüchen gegen Betriebsratsmitglieder wird von Hanau in Anlehnung an die Simultantheorie35 vertreten, daß die von den Betriebsratsmitgliedern zu beachtenden Amtspflichten nicht nur kündigungs-, sondern auch haftungsrechtlich in das Arbeitsverhältnis eingebettet seien J6 • Verstöße gegen und Verletzungen von Amtspflichten könnten gleichzeitig auch Verstöße gegen und Verletzungen von arbeitsvertraglichen Pflichten sein, die wie bei jedem Arbeitnehmer eine Haftung nach den Grundsätzen einer positiven Vertrags verletzung des Arbeitsvertrages auslösen können. In einem solchen Fall müßten die Betriebsratsmitglieder den übrigen Arbeitnehmern gleichgestellt werden und einer persönlichen Haftung unterlie-

32 Außerhalb dieser Betrachtung bleiben die Fälle, in denen dem Betriebsrat oder einem Mitglied des Betriebsrats vom Arbeitgeber ausdrücklich Vertretungs- oder Botenmacht eingeräumt wurde oder sich der Arbeitgeber das Verhalten eines Betriebspartners über die Grundsätze der Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht zurechenen lassen muß. 33 Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 26 Rdnr. 11, Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr.77. 34 BAG NZA 1987, S. 100 (101); Brill AuR 1980, S.353 (355), Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 77. 35 V gl. Kapitel 8, IIl, 1 d). 36 Hanau RdA 1979, S. 324 (326).

14 Müller·Boruttau

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

gen 37 • Nach Ansicht VOn Hanau könne nicht nur ein Ptlichtverstoß bei der Erbringung der Arbeitsleistung, sondern auch eine grob ptlichtwidrige Ausübung von betriebsverfassungsrechtlichen Rechten oder Befugnissen eine Haftung der Betriebsratsmitglieder auslösen. Auf die vorliegende Untersuchung übertragen bedeutet dies, daß ein Betriebsratsmitglied, das ein Beschlußverfahren einleitet, welches nicht entsprechend der in Kapitel 6 dargestellten Grundsätze zu § 40 Abs. 1 BetrVG die Kostentragungsptlicht des Arbeitgebers auslöst, seinem Verfahrensbevollmächtigten zwangsläufig als alleiniger Schuldner des Honoraranspruches gegenübersteht. Ebenso kann sich aus einer betriebsverfassungswidrigen Ausübung der Geltendmachung von betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüchen eine Haftung nach den Grundsätzen einer positiven Vertragsverletzung des Arbeitsvertrages ergeben. Betriebsratsmitglieder sind Arbeitnehmer und als solche grundsätzlich den gleichen Pflichten unterworfen wie die übrigen Arbeitnehmer.

bb) Die Ansicht von Neumann-Duesberg Ebenfalls zu einer Haftung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung, allerdings mit einer unterschiedlichen zu der vorgenannten Begründung, gelangt Neumann-Duesberg38 • Er nimmt ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat an 39 • Die Mitglieder des Betriebsrats stünden in einem gesetzlichen Sozialrechtsverhältnis einerseits zum Arbeitgeber und andererseits zu den Arbeitnehmern. Aus einer Reihe von Normen des Zivilrechtes 40 ließe sich das allgemeine Prinzip ableiten, daß derjenige, der ein Amt übernehme, rur seine Amtsruhrung und Amtshandlungen einzustehen habe41 • Auch wenn in der übrigen Literatur die Ansicht von Neumann-Duesberg keine weiteren Anhänger gefunden hat und sogar abgelehnt wird42 , würde auch diese Ansicht eine Haftung des Betriebsratsmitgliedes rur den hier untersuchten Fall der rechtsmißbräuchlichen Kostenverursachung im Rahmen von § 40 Abs. 1 BetrVG annehmen.

Vgl. Hanau RdA 1979, S. 324 (326 0. Neumann-Duesberg, BetrVG, S. 338 ff., ders. NJW 1954, S. 617 ff. 3" Neumann-DuesbergNJW 1954, S. 617 (618 f.). 40 §§ 1833,2219 BGB, § 82 KO, § 154 ZVG, § 42 VgIO. 41 Neumann-DuesbergNJW 1954, S. 617 (618 und 620). 42 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § I Rdnr. 78 m.w.N., Konzen, ZfA 1988, S. 53 (73). 37 3M

I. Schuldrechtliche Möglichkeiten

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c) Deliktische Ansprüche Soweit ein Mitglied des Betriebsrats den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfiillt, greifen die zivilrechtlichen Anspruchsnormen der unerlaubten Handlungen nach §§ 823 ff. BGB ein43 • Ersatzansprüche des Arbeitgebers nach § 823 Abs. 1 BGB kämen in Frage, wenn eines der von § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechte durch die rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruches verletzt wird. Zu denken ist vorliegend an eine Beeinträchtigung des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Darüber hinaus wird als Anspruchsgrundlage auch § 823 Abs.2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz diskutiert44 • Bei der Geltendmachung von nicht gerechtfertigten Anwaltskosten ist allerdings nicht eines dieser genannten geschützten Rechte betroffen, sondern nur das Vermögen des Arbeitgebers insgesamt.

5. Zusammeyifassung

Es ist zu überlegen, ob von der fehlenden Vermögensfähigkeit des Betriebsrats als Gremium abzurücken ist. Nach den Entscheidungen des EUGH in den Rechtssachen "Bütel" und "Lewark" kann sich bei dem Betriebsrat durch die versehentliche Erfiillung eines einem Betriebsratsmitglied nicht zustehenden Anspruches auf Vergütung der Zeit zwischen der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit und der darüber hinausgehenden Zeit der Teilnahme an einer Schulungsoder Bildungsveranstaltung ein "Etat" bilden, auf den der Betriebsrat und dessen Mitglieder de lege lata keinen Anspruch haben. Über diesen Ansatz hinaus muß aber weiterhin davon ausgegangen werden, daß der Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung mangels Rechts- und Vermögensfähigkeit einer Haftung nicht unterliegt. Anders stellt sich hingegen die rechtliche Situation bei der Haftung des einzelnen Betriebsratsmitgliedes dar. Hierbei ist anerkannt, daß ein Betriebsratsmitglied aufgrund allgemeiner schuldrechtlicher Bestimmungen, insbesondere aufgrund von vertraglichen Ansprüchen in Anspruch genommen werden kann. Das Betriebsratsmitglied kann somit bei nicht von § 40 Abs. I BetrVG umfaßter Inanspruchnahme rechtlicher Vertretung durch einen Anwalt einem Erfiillungsanspruch des Anwaltes auf dessen Honorar ausgesetzt sein. Das immer wieder zitierte Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG steht einer Haftung nicht entgegen, da bei rechtsmißbräuchlicher Beauftragung diese nicht vom Betriebsverfassungsgesetz gedeckt war und damit auch gleichzeitig außer43 44

H.M. vgl. nur Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 79 m.w.N. Vgl. wiederum nur Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 Rdnr. 79 m.w.N.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

halb des Schutzbereiches des § 78 Satz 2 BetrVG lag. Nimmt man eine Haftung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung - entweder in Anlehnung an die Simultantheorie bei gleichzeitiger Verletzung von vertragsund betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten oder analog bei Verletzung eines angenommenen Sozialrechtsverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber - an, so steht dem Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch mit dem Umfang der §§ 249 ff. BGB zu.

11. Betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten

Das Betriebsverfassungsgesetz räumt dem Arbeitgeber eine Reihe von Möglichkeiten ein, auf betriebsverfassungswidriges Verhalten des Betriebsrats und seiner Mitglieder zu reagieren. Die Verursachung von Kosten, die nicht von § 40 Abs. I BetrVG gedeckt sind, tallt in den Bereich der Gesetzmäßigkeit der Amtsausübung des Betriebsrats. Bei Handlungen außerhalb der gesetzlichen Rechte und Befugnisse des Betriebsrats oder der Betriebsratsmitglieder bestehen für den Arbeitgeber die Möglichkeiten, .das Organ Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BetrVG insgesamt gerichtlich auflösen oder ein einzelnes Betriebsratsmitglied nach § 23 Abs. I S. 1 1. Alt. BetrVG aus dem Betriebsrat ausschließen zu lassen.

I. Zweck des § 23 Abs. I BetrVG Der Zweck des § 23 Abs. I BetrVG wird heute eher zweitrangig behandelt. Zumeist begnügen sich Rechtsprechung und Literatur unter Anknüpfung an ein obiter dictum in Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichtes45 mit einem Hinweis auf einen vermeintlich disziplinarrechtlichen oder weitergehend auf einen strafrechtlichen Charakter des § 23 Abs. 1 BetrVG46 • Gegen diese Zweckbestimmung spricht aber zum einen der Standort des § 23 Abs. 1 BetrVG, da er nicht im sechsten Teil des Betriebsverfassungsgesetzes betreffend die Strafund Bußgeldvorschriften zu finden ist, sondern im zweiten Teil, zweiter Abschnitt des BetrVG und damit in mitten der Vorschriften über die Amtszeit des Betriebsrats. Zum anderen spricht die Reichweite des § 23 Abs. 1 BetrVG gegen eine solche Zweckbestimmung. Durch diese Anträge können nur der Ausschluß aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats, dagegen keine darüber hinausgehenden Sanktionen gegen die Betriebsratsmitglieder oder den Betriebsrat erreicht werden. Der Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG kann daher RAG ARS 6 S. 393 (396), 10 S. 122 (128). BAG AP Nr. 4 BI. I R zu § 101 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. I, GalperinlLöwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 9. 45

46

11. Betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten

213

vielmehr nur so verstanden werden, daß pflichtwidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Amtstätigkeit des Organs Betriebsrat oder der einzelnen Betriebsratsmitglieder sanktioniert werden so1l47. Die Amtsenthebung des einzelnen Mitgliedes oder die Auflösung des Betriebsrats ist das betriebsverfassungsrechtliche Mittel, um ein Mindestmaß gesetzmäßiger Amtsausübung des Betriebsrats für die Zukunft sicherzustellen. Ausgehend von dem so verstandenen Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG soll im folgenden untersucht werden, inwieweit § 23 Abs. 1 BetrVG bei einer nicht von § 40 Abs. 1 BetrVG gedeckten Kostenverursachung dem Arbeitgeber als Sanktionsmittel gegen den Betriebsrat oder gegen ein Mitglied des Betriebsrats zur Verfügung steht.

2. Ausschlußantrag des Arbeitgebers gegen ein einzelnes Betriebsratsmitglied nach § 23 Abs. I S.I I. Alt. BetrVG Nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG kann der Arbeitgeber den Ausschluß eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beim Arbeitsgericht beantragen.

a) Verletzung gesetzlicher Pflichten § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG verlangt zur Begründung des Ausschlußantrages gegen ein Mitglied des Betriebsrats, daß das Betriebsratsmitglied gesetzliche Pflichten i.S.v. § 23 Abs. 1 S. I BetrVG verletzt hat. Unter diesen gesetzlichen Pflichten sind sämtliche Pflichten eines Betriebsratsmitglieds, die sich aus seiner Amtsstellung ergeben können, zu verstehen48 . Darunter fallen vor allem die im Betriebsverfassungsgesetz explizit genannten und die im Wege der Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes und anderer allgemeiner oder speziellerer Gesetze zu ermittelnden Ptlichten49 ; gleichgültig ist, ob die Ptlich-

47 BAG AP Nr. 8 BI. 4 f zu § 23 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23 Rdnr. 38a, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 10 m.w.N. 48 BAG AP Nr. 8 BI. 4 R zu § 23 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 23 Rdnr. 15, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 14. 49 Vgl. die systematischen Auflistungen bei MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, Bd. 3 § 292 Rdnrn. 36 ff., Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnrn. 23 ff. und § 23 Rdnrn. 14 ff., Schlochauer, in: Hess/Sch1ochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 15; daneben zählen auch die einem Betriebsratsmitglied vom Betriebsrat im Rahmen seiner Kompetenz zugewiesenen Aufgaben und die Pflichten aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen zu den Pflichten LS.v. § 23 Abs. I BetrVG, Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 12.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

ten gegenüber dem Arbeitgeber, dem Betriebsrat oder der Belegschaft bestehen so . Neben der Verletzung von gesetzlichen Pflichten wird von § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG 1972 auch die Vernachlässigung und Verletzung gesetzlicher Befugnisse sanktioniertSI. Im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 BetrVG 1952 ist in § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG 1972 zwar nur noch die Verletzung gesetzlicher Pflichten als Tatbestandsmerkmal aufgenommen, doch besteht EinigkeitS2, daß zwischen diesen beiden Normen kein sachlicher Unterschied bestehen soll. Sämtliche, dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern nach dem Betriebsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse sind ihnen nicht um ihrer selbst willen, sondern um der ihnen vom Gesetzgeber zugedachten Funktion willen eingeräumt worden. Auch diese müssen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens wahrgenommen werden. Sie sind pflichtgebundene Rechte s3 . Um einen solchen Fall von pflichtgebundenen Rechten handelt es sich bei § 40 Abs. 1 BetrVG. Wie dargestellt, kann der Betriebsrat oder ein Betriebsratsmitglied die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit nur dann von dem Arbeitgeber erstattet verlangen, wenn er die Beauftragung nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich und verhältnismäßig halten durfte und sich im Laufe des Verfahrens nicht gezeigt hat, daß sein Vorhaben rechtsmißbräuchlich war. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist dies eine rechtsmißbräuchliche Ausübung von Befugnissen. Der Rechtsrnißbrauch ist aber ein Handeln ohne Recht S4 . Die Betriebsratsmitglieder dürfen jedoch nur im Rahmen ihrer Rechte und Befugnisse tätig werden. Werden sie außerhalb ihrer Befugnisse tätig oder überschreiten sie durch die Geltendmachung von ihnen nicht zustehenden Rechten ihre Befugnisse, so handelt es sich um eine Verletzung von gesetzlichen Pflichten, genauer gesagt von gesetzlich vorgesehenen Befugnissen. Eben dieser Fall liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied Kosten verursacht hat, die wegen ihrer Rechtsmißbräuchlichkeit nicht erforderlich waren.

50 Dazu gehören z.B. §§ 82 Abs. 2 S. 2 und 3, 83 Abs. I S. 2 und 3, 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG , vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 14. 51 Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. I, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdrn. 17. 52 BAG AP Nr. 8 BI. 3 zu § 23 BetrVG 1972; DietzlRichardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 2, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 12. 53 Wiese RdA 1968, S. 455 (457), ders., in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 17. 54 Vgl. noch einmal Soergel-Mormann, BGB vor § 226 Rdnr. 12, Wiese, in: GKBetrVG, § 23 Rdnr. 18.

11. Betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten

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b) Grobe Pflichtverletzung aa) Bestimmung der Voraussetzungen

Der Antrag auf Ausschluß eines Mitgliedes des Betriebsrats ist nur bei grober Verletzung der gesetzlichen Befugnisse begründet. Bei diesem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. In der Rechtsprechung wurde versucht, die grobe Pflichtverletzung durch das Merkmal der "Offensichtlichkeit" der Pflichtverletzung näher zu bestimmen55 • Das ergänzende Merkmal der Offensichtlichkeit verlangt, daß die konkrete Pflichtverletzung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten, des Anlasses der Verletzung und der Persönlichkeit des Betriebsratsmitgliedes so erheblich ist, daß sie eindeutig ist und besonders schwerwiegend gegen Sinn und Zweck des Gesetzes verstößt56 • Als weiteres Merkmal für die Bewertung der Schwere des Pflichtenverstoßes wird eine Progone57 angestellt, anhand der geklärt werden soll, ob die Pflichtverletzung oder die mißbräuchliche Ausübung von Befugnissen eine weitere Amtsausübung als untragbar erscheinen lassen58 • Ob und wann eine weitere Amtsausübung als untragbar zu werten ist, ist allerdings wiederum umstritten 59 • Eine enge Ansicht fordert dafür unter Anlehnung an die zur Abmahnung entwickelten Grundsätze und damit letztlich aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mehrmalige und gegen die gleiche Pflicht oder Befugnis gerichtete Verstöße durch das Mitglied des Betriebsrats6o • Eine andere Ansicht stellt auf die weitere Amtsausübung und das dem Betriebsratsmandat bzw. dem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zugrundeliegende Vertrauensverhältnis ab. Danach ist ein Ausschlußantrag nur dann begründet, wenn mehrere, allerdings auch gegen unterschiedliche Pflichten 55 BAG AP Nr. I BI. 8 zu § 74 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 3 zu § 23 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 3 zu § 44 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 31. 56 Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 31, Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 16, diese fordern zwar darüberhinaus eine weitergehende nachhaltige Störung oder Gefährdung des Betriebsfriedens oder der Ordnung im Betrieb. Doch können solche Anforderungen dem Gesetz nicht entnommen werden; auch sind sie vom Zweck des § 23 Abs. I S. 1 BetrVG nicht geboten. Entscheidender Maßstab ist nur die Zumutbarkeit der weiteren konkreten Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern. 57 Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 31. § 23 BetrVG dient nicht dazu, früheres Verhalten zu sanktionieren; dies kann nur den Anknüpfungspunkt rur die Amtsenthebung um die Gesetzmäßigkeit der Betriebsratsarbeit rur die Zukunft zu gewährleisten, Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 17. 5R Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 16, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 31. 59 Übersichtlich dazu Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 32. 60 Thiele, in: GK-BetrVG, 2. Bearbeitung, § 23 Rdnr. 28.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

oder Befugnisse verstoßende Verhaltensweisen vorliegen61 • Die überwiegende Ansicht läßt einen einmaligen Verstoß gegen gesetzliche Pflichten als schwerwiegenden Verstoß genügen 62 • Der zuletzt genannten Ansicht ist auch zu folgen. Dem Gesetz ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten i.S.v. § 23 Abs. 1 S.1 BetrVG ein gesetzwidriges Dauerverhalten oder wiederholte Verstöße gegen eine Pflicht voraussetzt63 • Auch spricht gegen das Postulat einer wiederholten Pflichtverletzung, daß eine bereits begangene grobe Pflichtverletzung nicht durch nachträgliche Wiedergutmachung oder das Geloben von Besserung wieder beseitigt werden kann 64 • Ausgehend von Zweck und Ziel der Vorschrift, die Gesetzmäßigkeit der Betriebsratsarbeit für die Zukunft zu gewährleisten, kann auch ein einmaliger schwerwiegender Verstoß ausreichen, um den Antrag nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG zu begründen. Auch sind im Rahmen von § 23 Abs. 1 1. Alt. BetrVG keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Anwendung des im Kündigungsrecht herrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordem65 •

bb) Anwendung der Grundsätze auf die rechtsmißbräuchliche Weiterverfolgung des Kostenerstattungsanspruchs

Nach dem hier vertretenen Verständnis der unzulässigen Geltendmachung von Anwaltskosten reicht eine einmalige Geltendmachung von Betriebsratskosten aus, um einen solchen schwerwiegenden Verstoß zu rechtfertigen. Ein Betriebsratsmitglied, das nach dem richterlichen Hinweis seine vermeintlichen Rechte weiter verfolgt, handelt rechtsmißbräuchlich und verstößt damit gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG und die ihm obliegende Mitverantwortung für den Betrieb des Arbeitgebers. Es greift damit bewußt und zielgerichtet in das Vermögen und den Rechtskreis des

61 RAG ARS 17, S. 43 (47), BAG AP Nr. 1 BI. 3 zu § 44 BetrVG 1972, LAG BadenWürttemberg WA 1963, S. 139. 62 BAG AP Nr. 3 BI. 2 R zu § 23 BetrVG 1972; DietzlRichardi, § 23 Rdnr. 19, FittinglKaiserlHeitherlEngels, § 23 Rdnr. 14, Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/ Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 16. GalperinlLöwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 18. 63 So auch Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 32. M Vgl. DietzlRichardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 19 und wiederum Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 32. 65 Bei einem gesetzwidrigen Dauerverhalten oder wiederholten Verstößen gegen die Amtspflichten kann aber um so eher ein schwerwiegender Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten und Befugnisse bejaht werden, da unter dem Blickwinkel der weiteren Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat das Vertrauensverhältnis zerstört ist, so auch DietzlRichardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 19.

11. Betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten

217

Arbeitgebers ein, denn es weiß nach dem richterlichen Hinweis, daß die Erfolgsaussichten seines Antrages gering sein werden. Zumindest nimmt es ein Betriebsratsmitglied nach dem richterlichen Hinweis billigend in Kauf, daß es durch die Fortruhrung des Verfahrens zu einer Gefährdung des Vermögens des Arbeitgebers beiträgt. Das Mitglied des Betriebsrats muß seine rechtsmißbräuchliche Geltendmachung als möglich erkennen, soweit es Kosten durch die Fortruhrung des Verfahrens nach dem richterlichen Hinweis verursacht. Verfolgt es trotzdem sein Begehren weiter, so handelt das Betriebsratsmitglied ohne jegliche betriebsverfassungsrechtliche Rechtsgrundlage. Sein Verhalten muß als überwiegend nur noch gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtet gewertet werden. Dieses Verhalten ist auch objektiv erheblich und verstößt schwerwiegend gegen Sinn und Zweck des Gesetzes, da der Betriebsrat und seine Mitglieder auf der einen und der Arbeitgeber auf der anderen Seite in vertrauensvollem Verhältnis zusammenarbeiten sollen und das Betriebsratsmitglied nicht willkürlich auf Kosten des Arbeitgebers, dessen Interessen es auch zu wahren hat, Kosten im allgemeinen und Kosten fiir Rechtsstreitigkeiten im speziellen verursachen darf. Auch bei der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann hier von einer erheblichen Pflichtverletzung ausgegangen werden. Ein solches vermögensschädigendes Verhalten des Betriebsratsmitgliedes zeigt in seiner Persönlichkeit einen Mangel zur Bereitschaft zu einer vertrauensvollen und verantwortungsbewußten Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber und zum Wohle des Betriebs. Ein solcher Verstoß des Betriebsratsmitglieds gegen seine Amtspflicht ist auch nicht nur objektiv erheblich, sondern auch offensichtlich so schwerwiegend, daß zur Sicherung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung das Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden muß. Das Betriebsratsmitglied kann sich bei eindeutigem richterlichen Hinweis nicht darauf berufen, daß die Erfolgsaussichten und die Prozeßsituation ungeklärt waren. Das Betriebsratsmitglied weiß, daß es keinen Anspruch auf und kein Recht an den Mitteln hat und setzt sich über die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse hinweg. Es bemächtigt sich einer ihm nicht zustehenden Rechtsposition. Nicht allein entscheidend rur der Eindeutigkeit und Offensichtlichkeit des Verstoßes können die angefallenen Kosten des Prozeßbevollmächtigten sein. Zwar mag rur die Offensichtlichkeit und damit rur die Schwere des Verstoßes die Höhe indizielle Bedeutung haben, d. h. je höher der Betrag der geltend gemachten Anwaltskosten ist, desto schwerwiegender muß auch der Befugnismißbrauch gewertet werden. Allerdings können auch geringe Anwaltskosten zu einem groben Verstoß ruhren. Maßgeblich ist nicht nur die konkrete rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung, sondern die Zerstörung des Vertrauensver-

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

hältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied aufgrund der nach außen getretenen Einstellung des Betriebsratsmitglieds66 •

c) Zusammenfassung Hat ein Betriebsratsmitglied in rechtsmißbräuchlicher Art und Weise Kosten in einem Beschlußverfahren verursacht, so stellt dies einen groben Verstoß gegen gesetzliche Befugnisse, hier gegen die Befugnis zur kostenverursachenden Betriebsratstätigkeit, dar. Dieser Verstoß ist auch als so schwerwiegend zu werten, daß dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer erfolgsversprechenden Durchfiihrung eines Amtsenthebungsverfahens nach § 23 Abs. 1 BetrVG offensteht. Nur auf diesem Wege kann ein Mindestmaß an vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem übrigen Betriebsrat fiir die Zukunft gesichert werden.

3. Aujlösungsantrag des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 S. 12. Alt. BetrVG Neben der Gefahr der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen durch die einzelnen Betriebsratsmitglieder besteht auch die gleiche Gefahr durch den Betriebsrat als Organ. Wie dargestellt, kann die Verfolgung von betriebsverfassungsrechtlichen Rechten mittels anwaltlicher Vertretung in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fallen. Als Reaktionsmöglichkeit steht dem Arbeitgeber dagegen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht der Auflösungsantrag nach § 23 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BetrVG zur Verfiigung.

a) Grobe Pflichtverletzung i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BetrVG Schon aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG ergibt sich, daß der Auflösungsantrag gegen den Betriebsrat unter den gleichen Voraussetzungen wie der Ausschlußantrag gegen das einzelne Betriebsratsmitglied möglich ist.

66 Zuzustimmen ist auch der überwiegenden Meinung, daß nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 I. Alt. BetrVG und zum Schutz der ungestörten Amtsausübung nicht auf ein Verschulden des Betriebsratsmitgliedes abzustellen ist. Die Betriebsräte sollen die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Befugnisse ausschöpfen dürfen, ohne befürchten zu müssen, daß leichte, aber verschuldete Ptlichten- oder Befugnisverletzungen zu Sanktionen nach § 23 Abs. 1 S. 1 l. Alt. BetrVG führen, vgl. BAG AP Nr. 8 BI. 4 zu § 23 BetrVG 1972 im Gegensatz BAG AP Nr. 1 BI. 3 R zu § 44 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr.33, a.A: Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 17 m.w.N.

11. Betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten

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Auch der Autlösungsantrag setzt eine vorangegangene grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten oder Befugnisse des Betriebsrats voraus 67 • Maßgeblich für die Erfolgsaussichten des Autlösungsantrags ist somit, ob eine objektive erhebliche Verletzung der gesetzlichen Ptlichten vorliegt, die die weitere Amtsführung durch den Betriebsrat als Organ untragbar erscheinen läßt68 . Voraussetzung ist allerdings, daß die gesetzliche Pflicht bzw. Befugnis dem Betriebsrat als Organ obliegt und zusteht und auch von dem Betriebsrat als Organ verletzt und überschritten worden ist69 . Als Besonderheit im Vergleich zu dem Umfang der gesetzlichen Pflichten der Mitglieder des Betriebsrats führt auch die Duldung von Amtspflichtverletzungen seiner Mitglieder zu einer Amtspflichtverletzung i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG durch den Betriebsrat als Organ 70 •

b) Anwendung der Grundsätze auf die rechtsmißbräuchliche Weiterverfolgung des Kostenerstattungsanspruches Im Gegensatz zu einem einzelnen seine Ansprüche persönlich verfolgenden Betriebsratsmitglied wird der Betriebsrat nach dem Beschluß zur Einleitung des Beschlußverfahrens vor dem Arbeitsgericht in der Regel durch seinen Vorsitzenden vertreten 71 • Die Kenntniserlangung des Betriebsrats von der Rechtsmißbräuchlichkeit der Weiterverfolgung des Anspruches und die Zurechnung des Wissens um die Rechtsmißbräuchlichkeit richten sich nach den zivilrechtlichen Stellvertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB72 • Durch den Beschluß zur Einleitung und Durchführung des Beschlußverfahrens wird der Vertreter des Betriebsrats bevollmächtigt i.S.v. § 167 Abs. 1

67 BAG AP Nr. 33 zu § 23 BetrVG 1972; Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 90 m.w.N. 68 Vgl. nur wiederum Wiese, in: GK.BetrVG, § 23 Rdnrn. 93 f. 69 Fitting/Kaiser/HeitheriEnge/s, BetrVG, § 23 Rdnr. 29, Ga/perinlLöwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 33, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 90, nach zitierter h.M. genügt es daher nicht, daß sämtliche Betriebsratsmitglieder als einzelne - sei es auch gleichzeitig und gemeinsam - gegen die Pflichten verstoßen oder die Befugnisse mißbraucht haben; allerdings folgt aus der Organbezogenheit der Pflichten und Befugnisse, daß nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder an der Pflicht- oder Befugnisverletzung mitgewirkt haben müssen, vgl. wiederum Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 91. 70 Ga/perinlLöwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 30, Glaubitz, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 46, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 95. 71 Vgl. § 26 Abs. 3 S. I BetrVG. 72 Vgl. zur Anwendbarkeit der allgemeinen Stellvertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB auf die Vertretung des Betriebsrats durch den Betriebsratsvorsitzenden Fitting/KaiseriHeither/Enge/s, BetrVG, § 26 Rdnrn. 33 ff. und Dietz/Richardi, BetrVG, § 26 Rdnrn. 40 ff.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

BGB, in dem vom Beschluß vorgegebenen Rahmen den Anspruch des Betriebsrats gerichtlich zu verfolgen. Teilt das Gericht dem Vertreter des Betriebsrats seine Rechtsauffassung und die Einschätzung der Erfolgsaussichten des Antrages des Betriebsrats auf KostenfreisteIlung oder Kostenerstattung mit, so richtet sich die Rechtsmißbräuchlichkeit der weiteren Verfolgung des Anspruches nach § 166 Abs. I BGB. Das den Betriebsrat vor Gericht vertretende Betriebsratsmitglied weiß nach dem richterlichen Hinweis, daß die vom Betriebsrat begehrte KostenfreisteIlung oder Kostenerstattung diesem nicht zugesprochen werden wird. Dieses Wissen muß sich der Betriebsrat zurechnen lassen, da es hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsmißbräuchlichkeit der weiteren Geltendmachung des Anspruches aus § 40 Abs. 1 BetrVG nach § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des den Betriebsrat vertretenden Betriebsratsmitglieds ankommt.

111. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

Neben den vorgenannten betriebsverfassungs- und damit kollektivrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten wird im folgenden untersucht, ob und welche individualarbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten dem Arbeitgeber gegen eine rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung zur Verfiigung stehen. Dabei soll der Schwerpunkt der Untersuchung auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsmitglied gelegt werden. Bevor auf die einzelnen Kündigungsvoraussetzungen eingegangen werden kann - immerhin genießen Mitglieder des Betriebsrats nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG besonderen Kündigungsschutz und wegen § 103 Abs. 1 BetrVG ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich - ist es notwendig, das Verhältnis der Amtspflichten des Betriebsratsmitgliedes zu seinen Vertragspflichten zu untersuchen. 1. Verhältnis von betriebsverfassungsrechtlichen Amtspflichten zu arbeitsvertraglichen Pflichten

Ein Arbeitnehmer, der durch die Wahl zu einem Betriebsratsmitglied bestimmt worden ist, wird damit zwar Amtsträger LS.d. Betriebsverfassung, er verliert durch die Wahl aber nicht seine Arbeitnehmereigenschaft, da passiv wahlberechtigt nach § 8 BetrVG nur die Arbeitnehmer des betreffenden Betriebes sind73 und die Amtszeit des Betriebsratsmitglieds nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 73 Zu Einzelheiten der Berechnung der 6 monatigen Betriebszugehörigkeit und dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Betriebszugehörigkeit vgl. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 8 Rdnrn. 16 ff. und 23 ff.

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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BetrVG von dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt. Aus diesem Doppelstatus des Arbeitnehmers folgen nicht nur Rechte, sondern das Betriebsratsmitglied unterliegt gleichzeitig den Pflichten aus dem Arbeitsvertrag und aus dem Betriebsverfassungsgesetz74 • Für das Verhältnis dieser Rechte- und Pflichtenkreise lassen sich dem Betriebsverfassungsgesetz allerdings keine eindeutigen und abschließenden Anhaltspunkte entnehmen. Zur Abgrenzung der Pflichtenkreise werden dementsprechend variantenreiche Ansichten vertreten 75. Besondere Schwierigkeiten entstehen dann, wenn durch eine Handlung des Betriebsratsmitglieds sowohl gegen Amts- als auch gegen Vertragspflichten verstoßen wird. Dies ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn ein Betriebsratsmitglied eine Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs.2 BetrVG in Anspruch nimmt, obwohl er weiß, daß deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Seine Betriebsratstätigkeit ist in einem solchen Fall nicht vom Betriebsverfassungsgesetz erfaßt und der Verstoß gegen seine vertragliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung ist nicht durch § 37 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt. Zu klären ist rur derartige Fälle, ob sowohl eine Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG als auch eine Kündigung nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG zulässig ist, und ob - bei Bejahung einer Paralellität der Sanktionsmöglichkeiten - die Anforderungen an den wichtigen Grund bei der außerordentlichen Kündigung zu verändern sind.

a) Erweiterungstheorie Diese vor allem zum BRG 1920 und BetrVG 1952 vertretene Ansicht geht von der grundsätzlichen Trennung der Amts- und Vertragspflichten aus, sieht aber die Amtspflichten zugleich als Arbeitsvertragspflichten an 76 • Sie erweitert damit die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Pflichten um die Amtspflichten des Betriebsratsmitglieds. Beide Pflichtenkreise stünden gleichzeitig nebeneinander, doch könne eine Amtspflichtverletzung gleichzeitig auch zu einer Arbeitsvertragsverletzung ruhren. Über die arbeitsvertragliche Treuepflicht als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag sei jeder Arbeitnehmer verpflichtet,

74 Vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23 Rdnr. 21, Wiese, in: GKBetrVG, § 23 Rdnr. 19, die folgerichtig auch von der Möglichkeit der Verletzung von bei den Ptlichtenkreisen ausgehen. 75 Vgl. die Diskussion bei Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnrn. 19 ff. und die detaillierte Darstellung bei Bieback RdA 1978, S. 82 ff., ebenso Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnm. 14 ff., GalperinlLöwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 7. 76 LG Dortmund JW 1922, S. 1737 (1738); Säcker RdA 1965, S. 372, Schwerdtner, ArbR Bd. 1 S. 219 ff., H.-J. Weber NJW 1973, S. 787 (788).

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

auf die Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, insbesondere Schaden von ihm abzuwenden 77. Diese Interpretation der Pflichtenkreise hat sich aber weder in der höchstinstanzlichen Rechtsprechung noch in der Literatur durchgesetzt. Gegen die Erweiterungstheorie wird und wurde vor allem vorgebracht, daß sie zu einer erheblichen Verschlechterung der Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder ruhre, da diese alleine auf Grund der mit ihrer Amtsstellung verbundenen und zu beachtenden Pflichten in erheblich größerem Umfang Pflichten unterworfen seien, als die übrigen Arbeitnehmer. Mit der von der Erweiterungstheorie vorgeschlagenen Interpretation der Pflichten- und Rechtekreise ließe sich letztlich mit jeder Amtspflichtverletzung auch eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten begründen. Diese Ansicht muß aus den genannten Überlegungungen schon vom Ausgangspunkt und der Grundüberlegung her als eindeutiger Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 BetrVG angesehen und dementsprechend - weil nicht mit dem Betriebsverfassungsgesetz vereinbar - abgelehnt werden 78 •

b) Amtshandlungstheorie Im krassen Gegensatz zur Erweiterungstheorie steht die von Säcker entwikkelte Amtshandlungstheorie79 • Nach dieser Lehrmeinung soll eine Amtshandlung eines Betriebsratsmitgliedes allein nach den rur die Amtstätigkeit geltenden Normen beurteilt werden. Ausgehend von einer "Lehre vom Amt" will Säcker unter Heranziehung von Parallelen zu anderen gesetzlich normierten Aufgabenträgern, wie zum Beispiel Eltern, Testamentsvollstreckern, Schöffen, Beamten, Abgeordneten zu einer rur alle Amtsverhältnisse geltenden "Monopolisierung der Gebundenheit der Amtswalter" kommen 8o • Hiernach solle der Amtsträger bei seinen Amtshandlungen alleine nach den sein Amt regelnden Normen beurteilt werden, wenn nach dem "normativ-institutionellen Sinn der gesetzlich festgelegten Aufgabe" das Amt "der Befriedigung objektiver und nicht bloß einseitig subjektiver Interessen" dient, da sonst die amtliche Unabhängigkeit nicht gewährleistet werden könne 81 • Konsequenz dieser Ansicht ist, daß rur die in betriebsverfassungsrechtlicher Funktion handelnden Arbeitnehmer die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ruSchwerdtner, ArbR Bd. 1 S. 222. Bieback RdA 1978 S. 82 (85), Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 19. 79 Säcker RdA 1965, S.372 (373 ff.), ders. DB 1967, S.2072 (2073), im Ansatz auch schon Sinzheimer JW 1922, S. 1737 (1738) zum BRG 1920. HO Säcker RdA 1965, S. 372 (375 f.). HI Säcker RdA 1965, S. 372 (375 f.). 77 7H

III. IndividualarbeitsrechtIiche Möglichkeiten

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hen, wenn und soweit die Amtsträger in der Überzeugung rechtmäßiger Amtsausübung tätig werden. Als einschlägige Sanktionen kämen daher gegen eine Verletzung der Pflichten und Befugnisse aus der Amtshandlung nur die betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten in Betracht. Eine Sanktion wegen Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ist nach dieser Ansicht nur dann möglich, wenn und soweit der Amtsträger nicht in seiner Eigenschaft als Amtsträger oder in vorsätzlicher Verkennung seiner Amtspflichten gehandelt hat82 . Gegen diese Ansicht wird allerdings vorgetragen, daß schon der ihr zugrundeliegende Gedanke verfehlt sei. Das Betriebsratsamt unterscheide sich von allen anderen zur Begründung herangezogenen Ämtern dadurch, daß neben dem Amtsverhältnis noch eine spezielle schuldrechtliche Beziehung in Form des Arbeitsverhältnisses bestehe, auf die das Amt notwendigerweise aufbaue (§§ 8 Abs. 1,24 Abs. I NT. 3 BetrVG)83. Auch sei diese Ansicht mit der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes abzulehnen. Die Ansicht Säckers, während der Dauer des Betriebsratsamtes ruhten die arbeitsvertrag lichen Pflichten, widerspreche schon dem Wortlaut und dem Sinn der §§ 103 Abs. I BetrVG, 15 Abs. I S. I KSchG, die davon ausgehen, daß jedes Betriebsratsmitglied auch arbeitsvertraglichen Pflichten unterliegt und diese ebenfalls verletzen kann 84 . Darüber hinaus liefe es auch auf eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern hinaus, wenn die von ihnen gleichzeitig mit einer Amtspflichtverletzung begangene Vertragspflichtverletzung individualrechtlich sanktionslos bleiben würde.

c) Trennungstheorie Weber 85 versteht das Arbeitsverhältnis und Betriebsratsamt als zwei nach Begründungsakt, Rechtsnatur und Inhalt völlig verschiedene Rechtsverhältnisse. Ausgehend von dieser scharfen Trennung könne eine Handlung des Betriebsratsmitglieds deshalb auch nur das eine oder das andere Rechtsverhältnis, eine Amtshandlung also nicht Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzen. Auch habe bei Amtspflichtverletzungen das Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. I S. 1 1. Alt. BetrVG den Vorrang vor den arbeitsvertraglichen

Säcker RdA 1965, S. 372 (375 f.). Bieback RdA 1978, S. 82 (85). K4 Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. I, Bieback RdA 1978, S. 82 (85), Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23 Rdnr. 22. K5 H.-J Weber NJW 1973, S. 787 ff. 82

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Sanktionen, insbesondere vor der Kündigung. Ein Rückgriff auf die kündigungsrechtlichen Möglichkeiten bestehe für den Arbeitgeber nicht86 • Gegen diese Ansicht ist allerdings einzuwenden, daß sie übersieht, daß das Mitglied des Betriebsrats eben nicht zwei völlig voneinander getrennten Pflichtenkreisen unterworfen ist, sondern daß von der Gesetzeskonzeption und -systematik her eine Überschneidung der Pflichtenkreise vorgesehen ist87 •

d) Simultantheorie Nach der vom BAG in ständiger Rechtsprechung 88 vertretenen Simultantheorie stehen Betriebsratsamt und Arbeitsverhältnis nicht immer streng getrennt nebeneinander, sondern es ist nach der angestrebten Sanktion gegen eine Pflichtverletzung zu unterscheiden. Bei einem Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. I S. I I. Alt. BetrVG seien die arbeitsvertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten voneinander getrennt zu betrachten und beeintlußten sich nicht gegenseitig. Bei diesem Verfahren dürfe nur die Verletzung von Amtsptlichten, nicht aber die von arbeitsvertrag lichen Pflichten berücksichtigt werden. Anders verhält es sich hingegen nach der Simultantheorie bei der Kündigung. Da beide Ptlichtenkreise nicht grundsätzlich völlig gleichberechtigt nebeneinander stehen, solle eine Amtshandlung nicht nur zu einer Amtsptlichtverletzung, sondern vielmehr auch zu einer Arbeitsvertragsverletzung führen können 89 • Ein wichtiger Kündigungsgrund soll vorliegen, sofern eine Handlung sowohl eine Amtspflichtverletzung als auch einen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstelle oder die Vertragsverletzung nur deshalb

H -J. Weber NJW 1973, S. 787 (791 f.). H-J. Weber NJW 1973, S. 787 (792) offenbart gleichzeitig eine Inkonsequenz seiner Ansicht, da er das Arbeitsverhältnis auch als das "GrundverhäItnis" ansieht und jede Handlung erst auf seine Vereinbarkeit mit diesem überprüfen will, vgl. Bieback RdA 1978, S. 82 (85) mit weiteren Argumenten gegen die Trennungstheorie. KR BAG AP Nr. 1 BI. 5 R zu § 103 BetrVG 1972, AP Nr. 1 BI. 2 f zu § 15 KSchG 1969, AP Nr. 2 BI. 2 R zu § 13 KSchG m. zust. Anm. A. Hueck, AP Nr. 3 BI. 2 zu § 13 KschG m. zust. Anm. A. Hueck, AP Nr. 4 BI. 3, Nr. 16 BI. 1 f., Nr. 19 BI. 2 R zu § 13 KSchG m.zust. Anm. A. Hueck, AP Nr. 35 zu § 626 BGB; dieser Ansicht folgt auch die überwiegende Literatur: Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 16, Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, BetrVG, § 23 Rdnr.22, Galperin/Löwisch, BetrVG, § 23 Rdnr.7 und § 103 Rdnr. 18, Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr.90, v. Hoyningen-Huene, BetrVG, § 4, V, 3 d und § 10, VI, I c, KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 26, Schlochauer, in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 23 Rdnr. 23 und § 103 Rdnr. 29, Wiese, in: GKBetrVG, § 23 Rdnr. 24. R9 Vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23 Rdnr.22, Wiese, in: GKBetrVG, § 23 Rdnr. 19. R6

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III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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eingetreten ist, weil der Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied tätig geworden ist90 • Über die arbeitsvertragliche Treuepflicht91 , nach der jeder Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf die Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und Schaden von ihm abzuwenden, könne ein Verstoß gegen eine Amtspflicht auch zu einer Arbeitsvertragsverletzung führen. In einem solchen Fall könne eine arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG gerechtfertigt sein, wenn (unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabes) das pflichtwidrige Verhalten als ein schwerer Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu werten sei. Dabei scheide eine Pflichtverletzung im Leistungsbereich zwar in aller Regel aus, vor allem wenn das Betriebsratsmitglied nach § 38 BetrVG freigestellt ist. Aber auch das freigestellte Betriebsratsmitglied könne immer noch (Neben-) Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzen und dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat derart stören, daß trotz der Amtsenthebung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar wird92 •

e) Stellungnahme Die unterschiedlichen, teilweise extremen Ansichten spiegeln die Schwierigkeit, aber auch Bedeutung der Frage nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Pflichtenkreise zueinander wieder. Eine Entscheidung gestaltet sich daher auch besonders schwierig. Weder das Betriebsverfassungs- noch das Kündigungsschutzgesetz enthalten klärende und hilfreiche eindeutige Regelungen. Sie enthalten keine Normen, nach denen die arbeitsvertraglichen Pflichten stets ruhen, noch Regelungen, nach denen die betriebsverfassungsrechtlichen Amtspflichten absoluten Vorrang haben, noch ordnen sie ein gleichgewichtiges Nebeneinander bei der Pflichtenkreise an. Die Lösung hat mithin aus der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes, den Vorstellungen des Gesetzgebers und allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen.

90 Fitting/KaiseriHeitheriEngels, BetrVG, § 23 Rdnr. 22, Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 90. 91 Bieback RdA 1978, S. 82 (84); allgemein zur arbeitsvertraglichen Treuepflicht siehe MünchArbR-Blomeyer, Bd. 1 § 49 Rdnm. 2 und 16 ff. 92 BAG AP Nr. 1 BI. 5 R zu § 103 BetrVG 1972.

15 MüUer·Boruttau

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

aa) Eindeutige Fälle Als eindeutig sind die Fälle anzusehen 9l, in denen ein Betriebsratsmitglied entweder ausschließlich Amtspflichten oder ausschließlich Vertragspflichten verletzt. Im ersten Fall sind die betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionen, insbesondere die Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG möglich. Im zweiten Fall steht ein Betriebsratsmitglied jedem anderen Arbeitnehmer gleich. Insbesondere ist ein Betriebsratsmitglied dann auch kündbar, allerdings unter der Privilegierung der §§ 626 Abs. I BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, 103 BetrVG. Eine darüber hinausgehende Verbindung und Verknüpfung der individualvertragsrechtlichen oder kollektivrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten besteht nicht. Eine Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG und eine außerordentliche Kündigung nach §§ 626 Abs 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG kommen daher je nach Art der Pflichtverletzung unabhängig und nebeneinander in Betracht. Die einzige Verbindung zwischen diesen beiden Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers besteht darin, daß eine wirksame Kündigung eine mittelbare Wirkung auf das weitere Betriebsratsmandat des Arbeitnehmers hat. Das Betriebsratsmitglied verliert nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG kraft gesetzlicher Anordnung mit rechtskräftiger Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung und damit über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses sein Amt.

bb) Erheblichkeit der unterschiedlichen Ansichten und deren Abgrenzung Für die Fälle, in denen ein Verhalten des Betriebsratsmitgliedes sowohl Amtspflichten als auch Vertragspflichten verletzt, sind die Amtshandlungs-, Trennungs- und Simultantheorie - über die bisherigen kurzen Anmerkungen hinaus - voneinander abzugrenzen und gegeneinander abzuwägen.

(1) Ablehnung der Amtshandlungstheorie

Nicht gefolgt werden kann der Amtshandlungstheorie. Diese "Lehre vom Amt" ist mit den betriebsverfassungsrechtlichen Grundwerten und gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Säcker übersieht, daß neben dem Amtsverhältnis zum Arbeitgeber noch eine spezielle schuldrechtliche Beziehung, nämlich das Arbeitsverhältnis besteht, auf die das Amt notwendigerweise aufbaut (§§ 8 Abs. 1, 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Das Betriebsverfassungsgesetz beschränkt die 93 Ebenso Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 14 f., Galperin/Löwisch, BetrVG, § 23 Rdnr. 7, Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, § 23 Rdnr. 21.

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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Vertragspflichten nur soweit, wie es zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Amtsausübung erforderlich ist. So wird zum Beispiel nach § 37 Abs. 2 BetrVG nur die fortbestehende Arbeitspflicht vorübergehend aufgehoben. Auch werden bei der Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes nach § 38 BetrVG insbesondere nur die Amtspflicht, nicht dagegen die übrigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis berührt94 • Die rechtliche Ausgestaltung der fiir die Begründung der "Lehre vom Amt" herangezogenen Rechtsverhältnisse ist vollkommen anders. Führen die genannten Personen ihr Amt aus, so unterliegen sie nur den Pflichten des jeweiligen Amtsverhältnisses. Ein zugrundeliegendes schuldrechtliches Vertragsverhältnis besteht hingegen niches. Die rechtliche Verbindung von Betriebsratsamt als Kollektivamt und individuellem Arbeitsverhältnis ergibt sich auch daraus, daß ein Betriebsratsmitglied hinsichtlich des fortzuzahlenden Entgeltes bei Betriebsratstätigkeiten entsprechend dem Lohnausfallprinzip den Lohn beanspruchen kann, den es erhalten würde, wenn es gearbeitet hätte. Betriebsratsmitglieder können mithin trotz ihrer Amtstätigkeit Rechte aus dem Arbeitsverhältnis weiter geltend machen. Auch ordnen §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 2. HS BetrVG an, daß die BetriebsratsmitgIeider in ihrer berufliche Entwicklung und bei der Entwicklung ihres Arbeitsentgeltes im Vergleich zu den regulär arbeitenden Mitarbeitern nicht benachteiligt werden dürfen 96 • Im krassen Widerspruch dazu würde stehen, daß die Betriebsratsmitglieder zwar den übrigen Arbeitnehmern des Betriebes gleichgestellt wären, aber die aus dem allgemeinen Gebot von Treu und Glauben abgeleiteten und in jedem Rechtsverhältnis geltenden gegenseitigen Rücksichtsnahmepflichten nicht zu achten hätten 97 • (2) Ablehnung der Trennungstheorie Schwieriger ist eine Entscheidung zwischen der Trennungs- und Simultantheorie zu treffen. Den Beftirwortern der Trennungstheorie ist zuzustimmen, 94 Aus neuerer Zeit BAG NZA 1993, S. 220 (221), NZA 1994, S. 500 (501); Bieback RdA 1978, S. 82 (85), Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 22, ders. in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 17 und § 38 Rdnr. 7 f., Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 37 Rdnr. 14 und § 38 Rdnr. 7. 95 Vgl. nur Palandt-Diederichsen, BGB, Einf. V. § 1626 Rdnr. 3 und § 1626 Rdnrn. 3 ff. für die Eltern, Palandt-Edenhofer, BGB, Einf. v. § 2197 Rdnr. 2 für den Testamentsvollstrecker, Dersch/Volkmar, ArbGG, § 20 Rdnr. 10a für die Schöffen und die gesetzliche Regeung des § 5 Abs. 1 AbgG für die Abgeordneten des Bundestages. 9fi Vgl. BAG NZA 1993, S.909; zum Umfang des Benachteiligungsverbotes hinsichtlich der beruflichen Entwicklung Kreutz, in: GK-BetrVG, § 78 Rdnr. 44; auch aus diesem Benachteiligungsverbot kann gefolgert werden, daß das Betriebsverfassungsgesetz von einem fortdauernden rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Amtszeit ausgeht. 97 Im Ergebnis ebenso Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 22.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

daß die arbeitsvertraglichen Treue- und Friedenspflichten und die Amtspflichten verschiedene Zielrichtungen aufweisen und daß daraus auch unterschiedliche Maßstäbe zur Beurteilung von Pflichtverletzungen gefolgert werden könnten 98 . Die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten haben als begleitende Pflichten die Erfüllung des Arbeitsvertrages und die Befriedigung der Interessen des Vertragspartners und damit des Arbeitgebers zum Ziel. Im Gegensatz dazu bestehen die Betriebsratspflichten grundsätzlich nicht darin, die Interessen des Arbeitsvertragspartners zu fördern, sondern, wie § 2 Abs. 1 BetrVG als zentrale Vorschrift mit grundsätzlicher Bedeutung für die Rechtsstellung des Betriebsrats vorschreibt, das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zu fördern. Ebenfalls zuzustimmen ist der Trennungstheorie dahingehend, daß es für den Arbeitgeber unter Umständen ausreichend sein kann, von der Möglichkeit des Ausschlußes des Betriebsratsmitglieds nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG Gebrauch zu machen 99 • Wie dargestellt, besteht der Zweck des § 23 Abs. 1 BetrVG in der Gewährleistung der ordnungsgemäßen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat oder einem seiner Mitglieder. Handelt es sich mithin um einen Verstoß gegen Amtspflichten, so mag § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG zur Befriedigung des Interesses des Arbeitgebers ausreichend sein. Dennoch ist auch die Trennungstheorie abzulehnen. Für die Ablehnung spricht das krasse Beispiel, daß ein Betriebsratsmitglied seine Amtsbefugnisse mißbraucht. Nützt ein Betriebsratsmitglied seine Befreiung von der Arbeitspflicht nach § 37 Abs. 2 BetrVG zu privaten Tätigkeiten, so wird diese Handlung nach Ansicht der Trennungstheorie nicht zu einer auch arbeitsvertraglich zu bewertenden Handlung. Vielmehr solle auch in einer solchen Extremsituation der alleinige Zusammenhang mit der Amtsführung bestehen bleiben. Dem Betriebsratsmitglied obliege nur die Amtspflicht, seine Befreiung nicht für andere Zwecke als für Amtstätigkeiten zu nutzen 100. Doch aus diesem Beispiel wird deutlich, daß auch die Trennungstheorie zu einer unzulässigen Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern i. S. v. § 78 Satz 2 BetrVG führen kann lOl • Bei dem dargestellten Fall müßte ein Arbeitnehmer, der nicht Betriebsratsmitglied ist, mit einer Abmahnung oder bei Wiederholungen mit einer (außer-) ordentlichen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung oder unentschuldigtem Fernbleiben von der Arbeit rechnen 102 •

Bieback RdA 1978 S. 82 (86). Bieback RdA 1978, S. 82 (88), H. -J Weber NJW 1973 S. 787 (791 f). 100 So die Ansicht von Bieback RdA 1978, S. 82 (88 f.). Für einen solchen Fall will allerdings auch Säcker, RdA 1965, S. 372 ff. den Grundsatz der "Monopolisierung der Gebundenheit des Amtswalters" zurücktreten lassen. 101 Ebenso ohne Begründung Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 23. 102 Vgl. KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 307. 9K 99

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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Auch ist ein Vorrang der betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den arbeitsvertraglichen Sanktionen mit den Grundwerten des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vereinbar. Wie dargestellt, setzt das Amt des Betriebsratsmitgliedes nicht nur das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus (§ 24 Abs. 1 NT. 3 BetrVG), sondern die Amtsstellung entbindet auch nicht von den allgemeinen arbeitsvertraglichen Pflichten. Auch wenn die Zielrichtungen der unterschiedlichen Pflichtenkreise voneinander divergieren, so rechtfertigt diese Divergenz doch nicht eine Begünstigung in der soeben aufgezeigten weitreichenden Art und Weise. Vielmehr sind auch Überschneidungen und Parallelen zwischen der allgemeinen arbeitsvertraglichen Treuepflicht und den Amtspflichten gegeben und die Verletzung von Amtspflichten kann sehr wohl auf die arbeitsvertraglichen Pflichten durchschlagen. Ebenso ist der Ansatzpunkt der Vertreter der Trennungstheorie durch die Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten überholt worden. Die Anhänger argumentieren mit einer kaum durchzufUhrenden Präzisierung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten lO3 • Doch sind mittlerweile durch die jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu verhaltensbedingten Kündigungen die Treuepflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und anderearbeitsvertragliche Nebenpflichten soweit konkretisiert worden, daß ein ganzer Katalog von Nebenpflichten zur Verfiigung steht 104 • Auch beziehen sich die Nebenpflichten nicht nur auf die Unterstützung der vertraglichen Hauptleistungspflichten. Vielmehr bestehen Nebenpflichten der Arbeitnehmer auch hinsichtlich der Wahrung der Interessen des Arbeitgebers, der Wahrung und des Schutzes des Vermögens des Arbeitgebers und der Wahrung und des Schutzes des Betriebes insgesamt. Die Arbeitnehmer haben über ihre Arbeitsleistung hinaus auch die Verpflichtung, Schaden und Beeinträchtigungen vom Betrieb abzuwenden. Zusammenfassend betrachtet ist der von der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur meist ohne ausfUhrliche Begründung vertretenen Simultantheorie zu folgen. Sie hält sich in den Grenzen des § 78 S. 2 BetrVG und fUhrt weder zu einer unzulässigen Begünstigung noch zu einer ebenso unzulässigen Benachteiligung des einzelnen Mitglieds des Betriebsrats. Überdies wird sie den Interessen des Arbeitgebers am besten gerecht und gibt ihm die Möglichkeit, bei Verstößen gegen Amtspflichten entweder den Ausschluß aus dem Betriebsrat oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu wählen. Nicht zuletzt deswegen fUgt sich die Simultantheorie am besten in die Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes ein und wird dem Parallellauf der Amts- und Ver-

Bieback RdA 1978, S. 82 (86). Siehe die Darstellung bei KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnrn. 299 ff., sowie die Auflistungen und Beschreibungen bei Schaub, ArbR, § 125, VII sowie StahlhakkelPreis, Kündigungsrecht, Rdnrn. 567 ff. 103

104

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

tragspflichten während der Amtszeit des Betriebsratsmitglieds vollkommen gerecht.

2. Verhältnis von § 626 Abs. 1 BGB zu § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG

Allerdings führt die Simultantheorie - und darauf weist Bieback lO5 zurecht hin - zu der Frage, in weIchem Verhältnis die betriebsverfassungsrechtliche Sanktionsmöglichkeit des § 23 Abs. 1 S. 1 I. Alt. BetrVG und die Kündigungsmöglichkeit nach § 626 Abs. 1 BGB zueinander stehen. Ausgangspunkt fur diese Frage ist, daß eine Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG - wie dargestellt - nur bei grober Verletzung der Amtspflichten des Betriebsratsmitgliedes erfolgversprechend beantragt werden kann. Die durch § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG angeordnete Absicherung der Amtstätigkeit darf nicht dadurch unterlaufen werden, daß die außerordentliche Kündigung zugelassen wird, obwohl eine grobe Pflichtverletzung i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG zu verneinen ist. Somit kann die Fallkonstellation eintreten, daß eine Vertragsverletzung des Betriebsratsmitglieds zwar die außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde, aber ein Ausschlußantrag nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG nicht begründet wäre lO6 • Dementsprechend ist es umstritten, ob die in § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG angeordnete Beschränkung auf grobe Pflichtverletzungen die Anforderungen an den wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu beeinflussen vermag.

a) Ansicht der Rechtsprechung Das BAG vertritt in ständiger Rechtsprechung 107 , daß die für die Ahndung von Amtspflichtverletzungen vorgesehene Sanktion der Ausschluß aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt BetrVG sei und demzufolge an die Rechtfertigung einer gegebenenfalls zusätzlich ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung ein strengerer Maßstab als bei der außerordentlichen Kündigung eines sonstigen Arbeitnehmers anzulegen sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Vertragsverletzung mit der Amtsausführung des Betriebsrats zusammenhängt; denn Betriebsratsmitglieder können infolge ihrer exponierten StelBieback RdA 1978, S. 82 (86). Auf diese Fallkonstellation weist auch Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 23 hin; ebenso Bieback RdA 1978, S. 82 (86). 107 BAG AP Nr. 2 BI. 2 R zu § 13 KSchG m. zust. Anm. Hueck, AP Nr. 4 BI. 3, Nr. 16 BI. I f, Nr. 19 BI. 2 zu § 13 KSchG, AP Nr. 8 BI. 3 f zu § 626 BGB Druckkündigung, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Abmahnung, AP Nr. 95 BI. 3 zu § 626 BGB, NZA 1993, S. 220 (221), NZA 1994, S. 500 (SOl). 105

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lung und gerade bei aktiver Betriebsratstätigkeit leichter als andere Arbeitnehmer in Kollisionen mit arbeitsvertrag lichen Pflichten geraten \08.

b) Ansichten der Literatur Etzel\09 vertritt hingegen eine Gleichwertigkeit der Pflichtverletzungen eines Amtsträgers mit den Verletzungen eines Arbeitnehmers des Arbeitsvertrages und plädiert für die Anwendung von identischen Beurteilungsmaßstäben. Jede andere Sichtweise liefe nach Etzel auf eine nicht zu rechtfertigende und damit verbotene Begünstigung des Amtsträgers i.S.v. § 78 Satz 2 BetrVG hinaus. Etzel geht davon aus, daß bei Zusammentreffen von Amtspflichtverletzung und Vertragsverletzung zunächst nur der Ausschluß des Arbeitnehmers aus seinem Amt gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG zu erwägen sei. Der Ausschluß darf von den Gerichten nur bei einer "groben Verletzung" der Amtspflichten ausgesprochen werden, wobei sich die Pflichtverletzung in der laufenden Amtsperiode ereignet haben muß. Wenn danach die Interessen des Arbeitgebers durch einen Ausschluß des Arbeitnehmers aus seinem Amt ausreichend gewahrt werden können, bestehe kein "wichtiger Grund" für eine außerordentliche Kündigung llo .

c) Stellungnahme Trotz des auf den ersten Blick zutreffenden Hinweises auf eine nach § 78 S. 2 BetrVG verbotene Begünstigung ist der zweitgenannten Ansicht nicht zu folgen. Diese geht von einem Verhältnismäßigkeitsverhältnis zwischen dem Amtsenthebungsverfahren und der außerordentlichen Kündigung aus. Danach soll zunächst der Arbeitgeber auf das Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG verwiesen werden, um somit eine Pflichtverletzung ausreichend zu ahnden und dadurch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber zumutbar zu machen. Ein solcher Vorrang des Ausschlußverfahrens ist aber weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzessystematik zu entnehmen 111.

108 Ebenso Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, § 23 Rdnr. 23, HueckJv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 91, Wiese, in GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 21. 109 KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 26a, ebenso Kraft, in: GK-BetrVG, § 103 Rdnr. 25, MünchArbR-Berkowsky, Bd. 2, § 153 Rdnrn. 43 f. 110 KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 26a. 111 Dietz/Richardi, BetrVG, § 23 Rdnr. 25, Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 26.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Doch auch die Begründung des BAG ist nur von geringer Überzeugungskraft. Den Betriebsratsmitgliedern obliegen die gleichen Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis wie den Arbeitnehmern, die nicht betriebsverfassungsrechtliche Organe per Wahl geworden sind. Auch die Betriebsräte haben die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und sind gehalten, Schaden von dessen Betrieb abzuwenden und den Arbeitgeber nicht in seiner Person anzugreifen. Dies ergibt sich auch aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Dennoch ist die Erhöhung der Anforderungen an die Rechtferigung des "wichtigen Grundes" i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB aus kollektivrechtlichen Gründen geboten. Im Rahmen der Überprüfung der Rechtfertigung der Kündigung hat eine umfassende Interessenabwägung für jeden Einzelfall stattzufinden. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch das kollektive Interesse der Belegschaft an der Beibehaltung ihrer gewählten Vertreter zu berücksichtigen. Ebenso muß berücksichtigt werden, ob sich ein Betriebsratsmitglied in seinem Amt bewährt hat und damit schwerer zu ersetzen ist. Dem Arbeitgeber kann die Weiterbeschäftigung eines für die Belegschaft nur schwer zu entbehrenden Amtsträgers zuzumuten sein. Die in diesem strengeren Prüfungsmaßstab zum Ausdruck kommende Tat- und Situationsgerechtigkeit soll auch die freie Amtsausübung gewährleisten und stellt keine nach § 78 S. 2 BetrVG untersagte Begünstigung dar, sondern berücksichtigt vielmehr das Zusammentreffen vom Amts- und Vertragspflichtverletzungen 112. Allerdings schließt dies nicht aus, daß bei Abwägung nach dem eingeschränkten Beurteilungsspielraum im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber trotz Amtsenthebung des Betriebsratsmitgliedes unter Berücksichtigung aller Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Eine solche Unzumutbarkeit der Fortsetzung kann sich vor allem aus dem Bruch des Vertrauens verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Eine Unzumutbarkeit aufgrund einer Verletzung des Leistungsbereiches erscheint zwar eher fernliegend, da diese Pflichten während der Betriebsratstätigkeit ruhen 113. Ist aber das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich zerstört, so muß für den Arbeitgeber die Möglichkeit bestehen, das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsratsmitglied trotz seiner Stellung als betriebsverfassungsrechtliches Organ zu beenden. Diese Ansicht ist auch mit § 78 Satz 2 BetrVG zu vereinbaren. Aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG ergibt sich nicht die Konsequenz, daß ein Betriebsratsmitglied vor jeder Kündigung zu schützen sei l14 • Liegen so

Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 91. Vgl. noch einmal Fitting/Kaiser/HeitheriEngels, BetrVG, § 37 Rdnr. 14 und § 38 Rdnr. 7, Wiese, in: GK-BetrVG, § 37 Rdnr. 17 und § 38 Rdnrn. 7 f. 114 So auch Wiese, in: GK-BetrVG, § 23 Rdnr. 27. 112 113

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schwerwiegende Verstöße eines Betriebsratsmitglieds vor, so haben die kollektiven Interessen der Belegschaft zurückzutreten.

3. Zusammenfassung Als Ergebnis der Betrachtung der individual- und kollektivrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf Verletzungen von Amts- und/oder Vertragspflichten durch ein Betriebsratsmitglied kann mithin festgehalten werden, daß für die Anwendung der Sanktonsmöglichkeiten zwischen der Art der konkreten Pflichtverletzung zu unterscheiden ist. Läßt sich der Pflichtverstoß eindeutig dem Bereich der Amtspflichten oder eindeutig dem Bereich der Vertragspflichten zuordnen, so hat der Arbeitgeber im ersten Fall die Möglichkeit, ein Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt BetrVG einzuleiten und im zweiten Fall eine außerordentliche Kündigung nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG unter Beachtung des Zustimmungserfordernisses des § 103 Abs. 1 BetrVG auszusprechen. Hat ein Verhalten hingegen sowohl die Verletzung von Amts- und als auch von Vertragspflichten zur Folge, so stehen dem Arbeitgeber grundsätzlich beide Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Allerdings ist dabei ein strengerer Maßstab an den Kündigungsgrund im Rahmen von §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG als bei sonstigen außerordentlichen, fristentbundenen Kündigungen anzulegen. Aufgrund der Wahlmöglichkeit kann der Arbeitgeber aber auch beide Verfahren miteinander hilfsweise verbinden. Eine ordentliche Kündigung ist allerdings wegen § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG ausgeschlossen. Unbenommen bleibt es dem Arbeitgeber allerdings, weder eine Amtsenthebung zu betreiben noch dem Betriebsratsmitglied außerordentlich zu kündigen, sondern lediglich eine Abmahnung auszusprechen 115. Zur Rechtfertigung der Abmahnung muß keine grobe Pflichtverletzung i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorliegen. Es reicht aus, wenn ein Betriebsratsmitglied zumindest auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten durch eine Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Befugnisse verletzt hat l16 •

115 BAG AP Nr. 2 und Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, NZA Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 73, die zurecht auf den § 15 Abs. I S. I KSchG verweisen, aus neuerer Zeit BAG NZA 1994, NZA 1995, S. 225 (227). 116 BAG NZA 1993, S.220 (221), NZA 1994, S.500 (501), NZA (227), NZA 1995, S. 964 (965).

1987, S. 153; Wortlaut des S. 500 (501), 1995, S.225

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

4. Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG Ausgehend von der grundsätzlichen Wahlmöglichkeit zwischen dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG und der außerordentlichen Kündigung nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG bei Verletzung sowohl der betriebsverfassungsrechtlichen als auch der arbeitsvertrag lichen Befugnisse und Pflichten ist zu klären, ob eine rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung durch Weiterverfolgung eines dem Betriebsratsmitglied nicht zustehenden Anspruches nach dem richterlichen Hinweis zu einer Rechtfertigung einer arbeitgeberseitigen, außerordentlichen und fristentbundenen Kündigung führen kann.

a) Grundsätze und Systematik des besonderen Kündigungsschutzes Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitgliedes des Betriebsrats grundsätzlich unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen!!7 118. Darüber hinaus muß der 117 Dieser besondere Kündigungsschutz ist seit dem BRG 1920 dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Kündigungsschutz fllr Mitglieder der Organe der Betriebsverfassung immanent. Der Zweck des besonderen Kündigungsschutzes besteht zum einen darin, die Furcht des Arbeitnehmers vor eventuellen Repressalien des Arbeitgebers auf Grund der betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeit abzubauen und eine geordnete Betriebsratstätigkeit zu sichern, Amt!. Begründung, RdA 1951, S. 65, Matthes, DB 1980 S. 1165 (1165). Zum anderen in der Sicherung der personellen Stetigkeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung fllr die Wahlperiode. Der Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 S. I KSchG und § 103 BetrVG dient damit vor allem dem kollektiven Interesse der Belegschaft an der Amtsfllhrung des Betriebsrats und der Absicherung der Amtsfllhrung und damit nicht dem persönlichen Interesse des einzelnen Betriebsratsmitgliedes. Daher ist § 15 KSchG auch nicht als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der einzelnen unter diese Bestimmungen fallenden Personen anzusehen, siehe hierzu HueckJv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnrn. 1 ff., StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 970. IIK Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz I KSchG sind sämtliche Formen der ordentliche Arbeitgeberkündigung, einschließlich der Änderungskündigung ausgeschlossen; zulässig ist nach § 15 Abs. 4 KSchG die ordentliche Kündigung nur bei Betriebsstillegung. Vom Kündigungsverbot erfaßt ist die bedingte Kündigung, soweit sie zulässig ist und die Wirksamkeit der Kündigung nur von einer Potestativbedingung des Betriebsratsmitgliedes abhängt, HueckJv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnrn. 54 ff. m. umfr. N., StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 990. Zu der Frage der Zu lässigkeit einer ordentlichen Massen- oder Gruppenänderungskündigungen, durch die die Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer des Betriebes einschließlich der der Amtsträger geändert werden sollen vg!. HueckJv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnrn.60 f., Matthes, DB 1980 S. 1165 (1166), StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 991 und die Änderung der Rechtsprechung des Zweiten Senates des BAG durch Urteil vom 21.06.1995, NZA 1995, S. 1157 = BB 1995, S. 2113.

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Betriebsrat nach § 103 Abs 1 BetrVG der Kündigung vor deren Ausspruch zugestimmt haben oder der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung durch gerichtliche Entscheidung nach § 103 Abs. 2 BetrVG in einem Beschlußverfahren ersetzt haben lassen 119. Nach herrschender, allerdings nicht unbestrittener Ansiche 20 stellt das Verbot einer ordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB dar. Das betroffene Betriebsratsmitglied kann sich ohne Einhaltung der Präklusionsfrist der §§ 4, 13 Abs. 1 KSchG auf die Nichtigkeit berufen, da sie eine Unwirksamkeit der Kündigung "aus anderen Gründen" im Sinne des § 13 Abs.3 KSchG darstellt. Da die §§ 1-14 KSchG keine Anwendung finden, kann weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer nach §§ 9, 10 KSchG die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung beantragen l21 • Ebenfalls zu einer Unwirksamkeit "aus anderen Gründen" im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG führt der Ausspruch der Kündigung vor Erteilung der Zustimmung durch den Betriebsrat oder deren gerichtlicher Ersetzung nach § 103 Abs. 2 BetrVG 122 • § 15 KSchG ist zwingend 123 • Diese Schutznorm kann weder durch einzelvertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied noch durch Betriebsvereinbarungen oder betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen in einem Tarifvertrag im Voraus l24 ausgeschlossen werden 125 •

119 Vgl. zu den Einzelheiten der Zustimmung und des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens KR-Etzel, § 103 BetrVG Rdnrn. 19 ff., FittinglKaiserlHeitherlEngels, § 103 Rdnrn. 17 ff. und Rdnm. 27 ff. 120 StahlhaekelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 990, KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 38. 121 Dies gilt für den Arbeitgeber auch bei sonstigen außerordentlichen Kündigungen, KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 38; ein Betriebsratsmitglied kann allerdings innerhalb der drei Wochen Frist der §§ 4, 7 KSchG Kündigungsschutzklage mit der Begründung erheben, daß kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen habe, und den Antrag nach § 9 KSchG stellen, DietzlRiehardi, BetrVG, § 103 Rdnr. 51, Hueek/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 140, KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 38. 122 Biebaek, AuR 1977, S. 331, KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 39 m.w.N. 123 Hueek/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 2. 124 Ein Betriebsratsmitglied kann aber nach Ausspruch einer nichtigen Kündigung auf den besonderen Kündigungsschutz aufgrund der Beendigungsfreiheit der Parteien nach §§ 241, 305 BGB wirksam im Rahmen einer Abwicklungsvertrages verzichten, BAG AP Nr. 4 zu § 4 KSchG 1969 m. Anm. Hersehel; StahlhaekelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 969. 125 Der Beginn und das Ende des besonderen Kündigungsschutzes für den einzelnen Funktionsträger siehe KR-Etzel, § 103 BetrVG Rdnrn. 19 ff., StahlhaekelPreis, Kündigungsrecht, Rdnrn. 972 ff.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers b) Zu lässigkeit der außerordentlichen Kündigung

Im folgenden wird untersucht, ob die rechtsmißbräuchliche Verfolgung eines Anspruches und die dadurch verursachten Kosten zu einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes führen können.

aa) Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung i.S. v. § 626 Abs. 1 BGB (1) Einleitung Wenn § 15 Abs. I S. I KSchG die Kündigung für den Fall zuläßt, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, ist damit die fristlos erklärte, außerordentliche Kündigung gemeint. Diese hat ihre eigenständige Grundlage vor allem in § 626 Abs. 1 BGB 126 • Über die Inbezugnahme sind die in § 626 Abs. 1 BGB enthaltenen und aus dieser Vorschrift abgeleiteten allgemeinen Voraussetzungen zur Zu lässigkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund auch bei der außerordentlichen Kündigung eines Amtsträgers im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG anzuwenden 127 • Die Eigenschaft als Amtsträger i.S.v. § 15 KSchG verändert dabei nicht das Gewicht einer Pflichtverletzung und darf weder zu Gunsten noch zu Lasten des Amtsträgers berücksichtigt werden 128. Entsprechend § 626 Abs. 1 BGB ist somit Voraussetzung für den Erfolg einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung, daß Tatsachen vorliegen, die dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Allerdings sind die vorgenannten und erhöhten Anforderungen aus dem Verhältnis der §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG zu § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen 129.

120 Vgl. nur Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 81; weitere gesetzliche Anordnungen einer außerordentlichen, entfristeten Beendigungmöglichkeit durch den Arbeitgeber finden sich in § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, § 29 IV HAG, § 89a HGB, §§ 64 68, 78 Abs. 2 SeemsG. 127 Vgl. KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnm. 50 ff., Schaub, ArbR, § 125 V, VI, Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 86. 12K BAG AP Nr. 3 BI. 1 R ff. zu § 103 BetrVG 1972 m. zust. Anm. Hueck, AP Nr. 95 zu § 626 BGB = EWiR § 626 1/87 mit Kurzkomm. v. Hoyningen-Huene, AP Nr. 35 zu § 15 KSchG 1969; KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 34, Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 86.

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Bei der Bestimmung des Kündigungsgrundes müssen zum einen Tatsachen vorliegen, die die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung begründen. Zum anderen ist der Zeitraum bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen, auf den im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitglieds durch den Arbeitgeber abzustellen ist. Zwar ist für das Verhältnis zwischen Kündigungsgrund und Vertragsdauer nicht höchstrichterlich eine "feste Regel" dahingehend aufgestellt worden, daß eine außerordentliche Kündigung bei einer langfristigen Bindung der Vertragspartner oder gar einer ordentlichen Unkündbarkeit des Arbeitnehmers stets erleichtert ist, und damit die Frage geklärt, ob sich die Länge der Kündigungsfrist oder die Dauer eines befristeten Vertrages erleichternd oder erschwerend auf die Anerkennung eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB auswirken. Doch wird teilweise im Schrifttum lJO und in der Rechtsprechung 13 1 aus Wertungsgesichtspunkten die Ansicht vertreten, daß das Gewicht des wichtigen Grundes in einem umgekehrten Verhältnis zur Dauer der Bindung der Vertragsparteien stehe oder zumindest die Dauer der beabsichtigten oder aufgrund von Gesetz und Tarifvertrag fortdauernden Bindung an das Arbeitsverhältnis ein wesentlicher, bei der erschöpfenden Interessenabwägung und damit bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu berücksichtigender Umstand sei J32 • Es ist daher notwendig, zunächst den im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigenden Zeitraum zu bestimmen. Bei der Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB gegenüber einem durch § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG geschützten Betriebsratsmitglied ist jedoch die Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes aufgrund der ordentlichen Unkündbarkeit umstritten.

129 Vgl. oben und noch einmal KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 27, Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 86ajeweils mit Beispielen. IJO Hersehel Anm. zu AP Nr. 1 zu § 44 TVAL 11; Wiesner, in: Handbuch des Gesellschaftsrechtes, Bd. 4 § 21 Rdnr. 68 sieht eine solche Abhängigkeit des wichtigen Grundes von der Dauer des Anstellungsvertrages auch bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft und folgert daraus, daß bei kurzer Restlaufzeit des Anstellungsverhältnisses an das Vorliegen des wichtigen Grundes (§ 626 Abs. I BGB) besonders strenge Anforderungen zu stellen seien. IJI BAG AP Nr. 6 und 16 zu § 626 BGB, EzA § 626 BGB Nr. I. 132 KR-Etzel, § 626 BGB Rdnr. 204, Stahlhaeke, Kündiungsrecht, Rdnr. 332 m.w.N.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

(2) Die Bedeutung der zukünftigen Dauer des Arbeitsverhälnisses des Betriebsratsmitglieds § 626 Abs. 1 BGB verlangt, daß dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfrist oder bis zu einer vereinbarten Beendigung des Arbeitsvertrages nicht zumutbar ist. Diese Alternativen können allerdings bei Betriebsratsmitgliedern nicht vorliegen. Wegen der ordentlichen Unkündbarkeit der Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. I S. 1 KSchG findet keine der möglichen Kündigungsfristen auf ihr Arbeitsverhältnis direkt Anwendung. Das Gesetz enthält insoweit eine Regelungslücke l3J • Dementsprechend ist auch zwischen Rechtsprechung und Literatur umstritten, auf welchen Zeitraum die Zumutbarkeitsprüfung zu beziehen ist.

Etzel 134 geht von der zutreffenden und bereits genannten Überlegung aus, daß bei der Prüfung der Zumutbarkeit stets der nächste ordentliche Kündigungstermin maßgeblich sei. Demzu folge kommt Etzel zu dem Ergebnis, daß bei einem Betriebsratsmitglied der frühstmögliche Zeitpunkt einer ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der erste Entlassungstermin bei Zugang einer ordentlichen Kündigung ein Jahr nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsratsmitglieds sei. Nur auf diesen Zeitpunkt könne abgestellt werden, da bis zum Ablauf dieses Jahres ein Betriebsratsmitglied Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG genieße. Demgegenüber gehen das BAG in ständiger Spruchpraxis 135 und weite Teile der Literatur 136 davon aus, daß auf eine fiktive Kündigungsfrist abzustellen sei, nämlich auf die Kündigungsfrist, die ohne den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG rur eine ordentliche Kündigung gegenüber diesem Arbeitnehmer gelten würde 137. Das von Etzel gegen die Rechtsprechung seines eigenen Senates vorgetragene Argument, daß die Rechtsprechung des BAG dem Sinn und Zweck des § 626 Abs. 1 BGB nicht gerecht werde und zu einer fiktiven Zumutbarkeitsprüfung ruhre, rur die eine Auslegung des Geset-

Zutreffend KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 23. KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 23. 135 Für die Beendigungskündigung: BAG AP Nr. 57 zu § 626 BGB, AP Nr. 19 zu § 15 KschG 1969 m. zust. Anm. Schlaeper, AP Nr. 35 zu § 15 KSchG 1969; EzA § 15 KSchG Nr. 40, NZA 1985, S. 426 = NJW 1985, S. 1852 = APNr. 83 zu § 626 BGB; für die Änderungskündigung: BAGE 51, S. 200 = NZA 1987, S. 102. 136 Huecklv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 88, StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 999, Schmidt RdA 1973, S. 295. 137 Diese ist zunächst nach den tariflichen Kündigungsfristen der einschlägigen Tarifverträge zu berechnen. Bei Fehlen einer solchen tariflichen Kündigungsfrist soll nach BAG NZA 1995, S. 1157 (1159) und HueckJv. Hoyningen-Huene, KSchG, § 15 Rdnr. 88 auf § 622 Abs. 2 BGB abgestellt werden. 133

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III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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zes keinen Anhaltspunkt biete 138, kann nicht überzeugen. Er selbst führt an, daß eine Regelungslücke hinsichtlich der Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen von § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG in Verbindung mit § 626 Abs. 1 BGB bestehe. Darüber hinaus würde das Abstellen auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum ersten Beendigungstermin aufgrund einer ein Jahr nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrat erklärten Kündigung im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung dem Sinn des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG konterkarieren. Der Arbeitgeber könnte sich mit Hilfe einer außerordentlichen Kündigung leichter von einem nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG geschützten Arbeitnehmer als von einem anderen Arbeitnehmer lösen 139 • Das BAG hat allerdings in seiner Entscheidung vom 21.06.1995 140 seine ständige Rechtsprechung für einen Ausnahmefall dahingehend abgeändert, daß nicht mehr auf die dargestellte fiktive Kündigungsfrist abzustellen sei. Diesem Fall lag eine betriebsbedingte Massenänderungskündigung zugrunde, die auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern ausgesprochen wurde. In dieser Entscheidung hat das BAG erkannt, daß es zu einer sachlich nicht begründbaren Besserstellung von Betriebsratsmitgliedern gegenüber der übrigen Belegschaft führe, wenn hier auf die fiktive Kündigungsfrist abzustellen sei und eine außerordentliche Kündigung dann nicht möglich wäre l41 • Das BAG hat damit seine Ansicht zu dem Verhältnis von § 15 Abs. 1 KSchG zu § 78 S. 2 BetrVG ansatzweise neu überdacht l42 • Diese Entscheidung kann allerdings nicht verallge-

KR-Etzel, § 15 KSchG Rdnr. 23. Diese, den Sinn und Zweck des besonderen Kündigungsschutzes berücksichtigende Argumentation wird vor allem bei den altersgesicherten und tariflich oder sonst unkündbaren Arbeitnehmern angewandt, vgl. KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 207. Bei diesen Arbeitnehmern führen sie allerdings zu einer Beschränkung der außerordentlichen Kündigung in der Weise, daß die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber nur unter EinhaItung der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfrist, der sogenannten Auslauffrist, zugelassen wird, vgl. KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 207, Münch-Komm-Schwerdtner, § 626 Rdnr. 128, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr.429. Die Überlegung der Verkehrung des besonderen und verstärkten Kündigungsschutzes in dessen Gegenteil wegen einer eher zu bejahenden Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kommt aber auch hier zum Tragen. 140 BAG NZA 1995, S. 1157 = BB 1995, S. 2113. 141 BAG NZA 1995, S. 1157 (1159) ähnlich Schlaeper in der Anmerkung zu BAG AP Nr. 19 zu § 15 KSchG 1969; vgl. auch die sich gegen die frühere Rechtsprechung des BAG argumentierende h.M. in der Literatur Dietz/Richardi, BertVG, § 78 Rdnr. 21, Fitting/KaiseriHeither/Engels, BetrVG, § 103 Rdnr. 10, Herschel/Löwisch, KSchR, § 15 Rdnr. 45, Matthes DB 1980, S. 1165 (1166 f.), Stege/Weinspach, BetrVG, § 103 Rdnr.3. 142 Das BAG geht zwar weiter davon aus, daß § 15 KSchG lex specialis gegenüber § 78 S. 2 BetrVG sei, vgl. dazu auch Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr. 991. Doch besage dies nach neuerer Ansicht des BAG nicht, daß auch noch der Ausschluß der außerordentlichen Änderungskündigung wegen § 15 KSchG hingenommen werden 138

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

meinert werden, da nach Ansicht des Senates bei einer Änderungskündigung, bei der ein Arbeitsplatz als solcher gesichert sei, rur die Arbeitgeber die Einhaltung einer hypothetisch zu veranschlagenden Kündigungsfrist vom eingeschränkten Schutzzweck der Normen der §§ 2, 15 KSchG her gesehen nicht zu fordern sei. Dem besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG werde Rechnung getragen, weil der Fortbestand und die Stetigkeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung gesichert sei. Da es nicht um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern "nur" um eine inhaltliche Umgestaltung gehe, relativiere sich die Zumutbarkeitsprüfung. In einer solchen Fallkonstellation könne den Interessen des Arbeitgebers an der Umsetzung seiner beabsichtigten personellen Maßnahme der Vorrang bei Vorliegen der sonstigen kündigungsrechtlichen Voraussetzungen eingeräumt werden l43 • Festzuhalten ist somit, daß bei der Zumutbarkeitsprüfung auf eine fiktive Kündigungsfrist abzustellen ist. Zur Bestimmung der Frist und damit des Zeitraums, der der Zumutbarkeitsprüfung zugrunde zu legen ist, ist auf den jeweiligen Arbeitsvertrag, den einschlägigen Tarifverträgen oder letztlich auf § 622 Abs. 2 BGB zurückzugreifen.

bb) Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs "wichtiger Grund" Nach § 626 Abs. 1 BGB ist bei allen Kündigungssachverhalten, die zu einer außerordentlichen und fristentbundenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ruhren sollen, eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich l44 • Das Erfordernis, die Besonderheiten des Einzelfalles umfassend zu berücksichtigen, schließt es aus, bestimmte Tatsachen stets als wichtige Gründe zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen. Wegen dieser "relativen Erheblichkeit" des wichtigen Grundes gibt es im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB keine unbedingten (absoluten) Kündigungsgründe l45 • Nur in ganz besonders seltenen Fällen kann der Beurteilungsspielraum im Rahmen der Interessenabwägung so eingeengt sein, daß aus der "relativen" eine "absolute" Erheblichkeit wird und damit die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum

müsse, BAG NZA 1995, S. 1157 (1l60) unter Hinweis auf NZA 1987, S. 102 = AP Nr. 19 zu § 15 KSchG. 143 BAG NZA 1995, S. 1157 (1159 f). 144 BAG AP Nr. 81 zu § 626 BGB = NZA 1985, S. 288, BAG NZA 1985, S. 426 = NJW 1985, S. 1851; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 55, Schaub, ArbR, § 125, V, 2. 145 Vgl. für die Rspr. BAG EzA § 626 BGB Nr. 66 und 95; für die Lit. Galperin DB 1964, S. 1115 f, Herschel, in: FS Müller, S. 202, KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 55, Münch-Komm-Schwerdtner, BGB, § 626 Rdnr.61, StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 448.

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Ende der (fiktiven) Kündigungsfrist stets zu bejahen ist l46 • Diese, der Einzelfallgerechtigkeit dienende Sichtweise führt allerdings zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit. Gleichwohl herrscht Einigkeit, daß die Regelung des § 626 BGB rechtspolitisch nicht verfehlt ist l47 , da es unmöglich ist, die Tatbestände des wichtigen Grundes durch eine abschließende gesetzliche Regelung so zu bestimmten, daß die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der denkbaren Kündigungssachverhalte gesetzlich erfaßt werden können. Zur näheren Bestimmung des wichtigen Grundes kann auf die vom BAG entwickelten Maßstäbe zur revisionsrechtlichen Nachprüfung des wichtigen Grundes zurückgegriffen werden 148. Die Anwendung und Auslegung des § 626 Abs. 1 BGB ist im Revisionsverfahren dahingehend zu überprüfen, ob zum einen ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles "an sich geeignet" ist, einen wichtigen Grund darzustellen und zum anderen ob bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und einer Interessenabwägung alle vemünftigerweise in Betracht kommenden Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt worden sind. Der Begriff "wichtiger Grund" ist mithin systematisch in zwei getrennte Abschnitte zu unterteilen 149. Zurückzuführen ist dieser zweistufige Prüfungsaufbau auf den Wortlaut des § 626 BGB, wonach zunächst zu prüfen ist, ob ein Sachverhalt vorliegt, der an sich geeignet ist, eine außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen 150. Diese objektive Theorie wird ergänzt durch die subjektive Theorie, nach der die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auch von der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist für den Kündigenden abhängt l51 •

14fi Galperin OB 1964, S. 115, Hersehel, in: FS Nikisch, S. 58 ff., KR-Hillebreeht, § 626 BGB Rdnr. 55. 147 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 57, zurecht wird aber gefordert, daß zur Wahrung der Rechtssicherheit eine Systematisierung der Kündigungsgründe anhand typischer Kündigungssachverhalte und die Entwicklung allgemeiner Richtlinien für die Beurteilung bestimmter Kündigungsgründe notwendig ist, vgl. BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n. F. Nr. 7 und EzA § I KSchG Nr. 25; Herschel, in: FS Müller, S. 200 f, KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnm. 83 ff., König RdA 1969, S. 13 ff., Schaub, ArbR, § 125, V, 3, ZöllnerlLoritz, ArbR, S. 250 ff. mit eigener Systematisierung. 148 Vgl. statt vieler BAG AP Nr. 42 zu § 626 BGB. 149 BAG AP Nr. 42 zu § 626 BGB; Dütz Anm. zu § 626 BGB n. F. Nr. 91, ders. NJW 1990, S.2090 f. m. umfr. N., KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 59, Münch-KommSchwerdtner, BGB, § 626 Rdnr. 62, StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 453, Schaub, ArbR, § 125, V, 2, b. ISO Diese sogenannte objektive Theorie wird vor allem von Herschel, in: FS Müller, S. 194 ff. vertreten. 151 Vgl. KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 59a.

16 Müller-Boruttau

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Der Schwerpunkt der nachfolgenden Untersuchung soll daher auf die objektiven Umstände gelegt und die ,;an sich geeigneten"-Gründe für eine arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung sollen untersucht werden. Ob ein Sachverhalt einen solch wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB für den Einzelfall darstellt und eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, ist - wie dargestellt - eine Frage des Einzelfalles 152 • Hier soll daher nur die Frage beantwortet werden, ob eine außerordentliche Kündigung dem Grunde nach in Betracht kommt.

(1) An sich geeignete Gründe

Vor allem die Gewerbeordnung l53 und das Handelsgesetzbuch l54 sahen eine Reihe enummerativ aufgeführter absoluter Kündigungsgründe vor. Nach deren Wegfall in der GewO und dem HGB stellen diese Kündigungsgründe zwar immer noch Gründe dar, die eine außerordentliche Kündigung mit aller Wahrscheinlichkeit rechtfertigen können 155. Doch war die Rechtsprechung und die Literatur gefordert, den objektiven Tatbestand des wichtigen Grundes allgemein und umfassend neu zu umschreiben. Nach wohl herrschender Lehre l56 und ständiger Rechtsprechung des BAG I57 ist für das Vorliegen des objektiven Tatbestandes des wichtigen Grundes Voraussetzung, daß Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist damit jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet, der so schwerwiegend ist, daß 152 Darauf kann es in dieser Untersuchung abschließend nicht ankommen, da die im Einzelfall zu berücksichtigenden Sozialdaten des Arbeitnehmers auf der einen Seite und die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf der anderen vom jeweiligen Einzelfall abhängen, vgl. KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnrn. 184 ff., Hueck/v.Hoyningen-Huene, KSchG, § 1 Rdnrn. 135 ff., Schaub, ArbR, § 125, V, 3, StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 456. 153 § 123 Abs. 1 Nr. 1 GewO sah als wichtigen Grund den Anstellungsbetrug und § 123 Abs. I Nr. 3 GewO die beharrliche Arbeitsverweigerung vor. 154 So rechtfertigen nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 HGB eine dauernde oder anhaltende Arbeitsunfähigkeit, nach § 72 Abs. I Nr. 1 HGB eine grobe Verletzung der Treuepflicht, nach § 72 Abs. 1 Nr. I HGB Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot und nach § 72 Abs. I Nr. 3 HGB die Dienstverhinderung des Arbeitnehmers wegen längerer Freiheitsstrafe die außerordentliche Kündigung. 155 BAG AP Nr. 87 zu § 626 BGB = NZA 1985, S. 661, AP Nr. 99 zu § 626 = NZA 1989, S. 261. 156 Vgl. nur AdomeitlSpiniti, AR-Blattei, Kündigung IX, A 11, Schwab, ArbR, § 125, V, 2, c, Münch-Komm-Schwerdtner, BGB, § 626 Rdnrn. 28 und 174. 157 Vgl. nur BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 22 und 71.

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist 158 • Dies setzt auch voraus, daß sich die Umstände oder Verhaltensweisen nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, d.h. den durch Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt erheblich verletzen oder die Abwicklung wesentlich stören i59 • Im Interesse der Rechtssicherheit und aus systematischen und pragmatischen Gründen kann also nicht das Motiv oder der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern nur der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlaß zum Ansatzpunkt für die Bestimmung des wichtigen Grundes gewählt werden 160. Diese objektive Bestimmung des Kündigungsgrundes wirkt sich auch auf den Maßstab der Prüfung aus. Es müssen Umstände gegeben sein, die nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen 161. Der subjektive Standpunkt des Kündigenden ist ebensowenig entscheidend wie die subjektive Würdigung des Gekündigten oder das Motiv des kündigenden Arbeitgebers l62 •

(2) Systematisierung der Kündigungsgründe nach der Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis Ausgehend von der Bedeutung der außerordentlichen Kündigung wird gefolgert, daß zunächst nur solche Umstände und Verhaltensweisen, die sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, d. h. den durch Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt verletzen oder die Abwicklung stören, einen wichtigen Grunde darstellen können 163. Umstritten ist, ob geringrugigen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, die zu einer als geringrugig anzusehenden Schädigung des Arbeitgebers ruhren, von vornherein die Eignung rur einen wichti-

158 BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 22 und 71, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 4, OB 76, S. 386, OB 1980 967; aus den umfangreichen Erörterungen in der Literatur vgI. Adomeit/Spiniti, AR-Blattei, Kündigung IX, A H, Beuthin, SAE 1974, S. 46, Galperin OB 1964, S. 1115, KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 68, Mayer-Maly 1963, S. 113, Münch-Komm-Schwerdtner, BGB, § 626 Rdnm. 28 und 174 f., Schaub, ArbR, § 125, V, 2, c, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr. 451. 159 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 64b, Zöllner/Loritz, ArbR, S. 250. I~O BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr.22 und 27; Adomeit/Spiniti, AR-Blattei, Kündigung IX, A H, Schaub, ArbR, § 125, V, 2, c, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr.451. 161 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 70, Münch-Komm-Schwerdtner, BGB, § 626 Rdnr. 63, Schaub, ArbR, § 125, V, 2, c, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr. 329. 162 So schon BAG EzA § 626 BGB Nr. 1; Galperin OB 1964, S. 1117, Hueck Anm. zu AP Nr. 42 zu § 626 BGB, KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 72, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr. 329. 163 KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 89 m.w.N., Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnm. 447 und 451 m.w.N.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

gen Grund abzusprechen sei. Nach Ansicht des BAG I64 ist eine solche Begrenzung nicht möglich, da es eine von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängende Wertungs frage sei, ob eine bestimmte Vertragsverletzung und die daraus folgende Störung des Arbeitsverhältnisses als geringrugig anzusehen ise 65 • Nach den Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und zu einer Vereinheitlichung der Beurteilung des wichtigen Grundes hat das BAG eine Systematisierung der Kündigungsgründe dahingehend eingeleitet, daß es durch einen objektiven Sachverhalt zu Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich, im Vertrauensbereich und im Unternehmensbereich kommen kann 166. Bei der Überprüfung eines etwaigen Kündigungsgrundes und dessen Auswirkungen muß daher exakt zwischen der Privatsphäre und der Stellung als Arbeitnehmer unterschieden werden l67 • Im Rahmen von revisionsrechtlichen Überprüfungen von Kündigungen wegen Straftaten wurde entschieden, daß es bei diesen nicht auf die strafrechtliche Wertung, sondern darauf ankomme, ob dem Kündigenden deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist l68 • Dies setzt voraus, daß die Straftaten das Arbeitsverhältnis belasten, indem sie zum Beispiel bei objektiver Betrachtung ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit oder der Eignung des Arbeitnehmers rur die von ihm zu verrichtende Tätigkeit begründen l69 • Als "an sich geeignete" Sachverhalte, die das Arbeitsverhältnis mit einem so schweren Grund belasten, daß die Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar ist, sind u a. eine beharrliche Arbeitsverweigerung 170, Beleidigungen und Tätlichkeiten gegen den Arbeitgeber l7l , schuldhafte Verursachung von Waren-

164 BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 90; ebenso KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 64h mit Nachweisen der anderen Ansicht. 165 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 64h unterstützt die Ansicht des BAG auch mit dem Argument, daß bei einer in jedem Einzelfall durchzuführenden Prüfung der "Ansich-Geeignetheit" des Verhaltens die bisherige Systematik aufgegeben werden würde. Die Gewichtung der Schwere des Pflichten verstoßes ist nur bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen. 166 BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7, EzA § 1 KSchG 1969 Nr. 25; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnm. 83 und 89. 167 BAG EzA § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 9,12, 14 und 18; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr.91, Münch-Komm-Schwerdtner, BGB, § 626 Rdnr. 96, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnm. 525 ff. und 706. 16K BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr.8 und 16; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 91, Münch-Komm-Schwerdtner, BGB, § 626 Rdnm. 86 f. 169 BAG EzA § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 9,12, 14 und 18; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 91, Stahlhacke/Preis, Kündigungsrecht, Rdnr. 706. 170 BAG NZA 1995, S.355, EzA § 273 BGB Nr.3; KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr.307. 171 BAG AP Nr. 13 zu § 626 BGB; KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 310.

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oder Geldmanko 172 , ein Spesenbetrug und strafbare Handlungen 173 und der eigenmächtige Urlaubs antritt oder die eigenmächtige Urlaubsüberschreitung l74 anerkannt 175 •

c) Anwendung auf die vorliegende Untersuchung Nach der Klärung der grundsätzlichen Parallelität der betriebsverfassungsrechtlichen und individualarbeitsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers und des für die Zumutbarkeitsprüfung maßgeblichen Zeitraumes, soll nun im folgenden untersucht werden, ob die Weiterverfolgung eines nach materiellem Recht dem Betriebsratsmitglied nicht zustehenden Anspruches einen solch wichtigen Grund darstellt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar machen kann, das Mitglied des Betriebsrats bis zum Ende der fiktiv zu bestimmenden Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

aa) Straftatbestände

Wendet sich ein Betriebsratsmitglied in einem Beschlußverfahren mit dem Antrag, von Betriebsratskosten freigestellt zu werden oder mit dem Antrag, die Kosten der Betriebsratstätigkeit erstattet zu bekommen an das Arbeitsgericht, und weist der Vorsitzende darauf hin, daß diese Anträge keine Aussicht auf Erfolg haben werden, so verändert sich die kostenrechtliche Situation nach dem in dieser Untersuchung entwickelten Ergebnis vollkommen. Aus der zu Beginn des Verfahrens rechtmäßigen wird eine rechtsmißbräuchliche Kostenverursachung für die nach dem richterlichen Hinweis entstehenden Rechtsanwaltsgebühren. Das vormals zutreffenderweise von der Rechtmäßigkeit der kostenverursachenden Betriebsratstätigkeit ausgehende Betriebsratsmitglied weiß nun oder nimmt nun zumindest billigend in Kauf, daß eine weitere Kostenverursachung nicht mehr von § 40 Abs. 1 BertVG erfaßt ist. Verfolgt er dennoch seinen Anspruch auf KostenfreisteIlung oder Kostenerstattung weiter, so stellt sich die Frage nach einer strafrechtlichen Relevanz dieses Prozeßverhaltens. Im einzelnen erscheinen die folgenden Straftatbestände einer näheren Betrachtung wert.

KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 322. BAG AP Nr. 49 zu § 626 BGB; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 333. 174 Hessisches Landesarbeitsgericht BB 1984, S.786, LAG Düsseldorf EzA § 626 BGB Nr. 99; KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 336. 175 Vgl. auch die umfassende Auflistung bei KR-Hillebrecht, § 626 Rdnr. 307 ff. 172

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

(1) Versuchter Prozeßbetrug l76 nach §§ 263 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2, 12 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB

Da der Richter nicht über die Begründetheit des Antrages irrt, liegt kein vollendeter Betrug vor, sondern es kommt nur ein ebenfalls strafbarer versuchter Prozeßbetrug in Betracht. Allerdings ist fraglich, ob das Betriebsratsmitglied den notwendigen Tatentschluß zur Begehung eines Prozeßbetruges hatte. Ein solcher Tatentschluß setzt nach §§ 22 i.V.m. 15 StGB zumindest bedingten Vorsatz voraus I77 • Nach der h. A. zur Bestimmung des bedingten Vorsatzes muß der Täter den Taterfolg zumindest billigend in Kauf genommen haben 178 • Dabei ist zu beachten, daß der Vorsatz des Betriebsratsmitglieds darauf gerichtet sein muß, bei der Kammer einen Irrtum über Tatsachen hervorzurufen 179. Unter Tatsachen sind alle konkreten, vergangenen oder gegenwärtigen Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens zu verstehen l80 • Als Tatsache ist allerdings auch nicht nur das tatsächlich, sondern auch das angeblich geschehene oder bestehende anzusehen, sofern diesem das Merkmal der objektiven Bestimmtheit oder Gewißheit eigen ist l81 • Den Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen bilden Urteile und Meinungsäußerungen. Bei diesen handelt es sich um Mitteilungen von subjektiven persönlichen Wertungen des Täuschenden 182 • In der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur ist umstritten 183, wie Tatsachenbehauptungen von Meinungsäußerungen oder Urteilen abzugrenzen sind. Die Grenzen zwischen beiden sind fließend. Bei der Unterscheidung ist weniger auf die Form der Äußerung oder die sinnliche Wahrnehmbarkeit des Äußerungs gegenstandes als vielmehr darauf abzustellen, ob sich aus dem Erklärungswert der Äußerung ein objektiver Tatsachenkern ergibt, über dessen

176 Ein solche Fallkonstellation ist möglich, da zwischen Getäuschtem, hier Richter und Geschädigtem, hier Arbeitgeber keine Identität zu bestehen braucht, siehe 8chönke/8chröder-Cramer, § 263 Rdnr. 69. 177 BGH in BGH8t 22, 8. 82 ff.; Trändie, 8tGB, § 22 Rdnr. 2. 178 80 die wohl herrschende Einwilligungstheorie des BGH, siehe BGH in BGH8t 7, 363 ff., 36, 8.9 ff.; 8chönke/8chröder-Cramer, 8tGB, § 15 Rdnr. 73, Trändie, 8tGB, § 15 Rdnr. 10. 179 Vgl. zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 8tGB Trändie, 8tGB, § 263 Rdnr. la. 180 Vgl. nur 8chönke/8chröder-Cramer, 8tGB, § 263 Rdnr. 8 m.w.N. IRI Vgl. nur 8chönke/8chröder-Cramer, 8tGB, § 263 Rdnr. 8 m.w.N. 182 Vgl. 8chönke/8chröder-Cramer, 8tGB, § 263 Rdnr. 9, Trändie, 8tGB, § 263 Rdnr.4. 183 Vgl. den 8treitstand und die umfangreichen Nachweise bei 8chönke/8chröderCramer, 8tGB, § 263 Rdnr. 9 und Graul, JZ 1995, 8. 595 ff.

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

247

Vorhandensein oder Fehlen beim Getäuschten unrichtige Vorstellungen geweckt werden sollen 184 • In der der Untersuchung zugrundeliegenden Fallkonstellation will das Mitglied des Betriebsrats bei der Kammer einen Irrtum über die Begründetheit seines Kostenerstattungs- oder freistellungsantrags hervorrufen. Dazu beharrt es auf dem bisherigen Sachvortrag, der rechtlich nicht die Voraussetzungen der Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG erfüllt und damit nicht geeignet ist, den behaupteten Anspruch zu begründen. Die Einordnung einer solchen Rechtsbehauptung eines nicht zustehenden Rechtes als Tatsachenbehauptung oder bloße Meinungsäußerung ist jedoch sehr umstritten. So wird von Meurer l85 vertreten, daß die Verbreitung von Rechtsansichten - ohne Unterschied wer Adressat der Äußerung ist - weder innere noch äußere Tatsachen seien, sondern sie stünden gerade im Gegensatz dazu und seien schon begrifflich (Wert-) Urteile und damit keine Tatsachenbehauptungen. An anderer Stelle werden Rechtsbehauptungen zumindest bei einer außer- oder vorgerichtlichen Äußerung als Tatsachenbehauptungen anerkannt, wenn sie die Verwendung von allgemein bekannten Rechtsbegriffen wie Eigentum, Kauf, Miete oder Darlehen in Bezug auf einen konkreten Sachverhalt darstellen, da diese Begriffe als solche auch einem Nichtjuristen geläufig seien und damit einen objektiven Erklärungswert beinhalten 186 • Darüber hinaus seien Rechtsbehauptungen zumindest wenn sie im außergerichtlichen Verfahren vertreten werden - dann als Tatsachenbehauptungen anzusehen, wenn sie mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit und Richtigkeit vertreten werden und deshalb mit der Rechtsbehauptung die Tatsache verbunden ist, die wiedergegebene Beurteilung entspreche allgemein anerkannter Rechtsüberzeugung oder Erfahrung!87. Cramer l88 hingegen will schon die Behauptung einer nicht zustehenden Rechtsposition genügen lassen, da dadurch konkludent erklärt werde, daß das Geforderte auch tatsächlich geschuldet sei, so daß in der Forderung einer nicht geschuldeten Leistung die betrugsrelevante unwahre Behauptung der Existenz des Anspruches liege. Auch wenn die Ansicht von Cramer und der unstreitig anerkannte Fall, daß der andere Vertragspartner auch über innere Tatsachen, wie die Zahlungsfähigkeit oder die Zahlungsbereitschaft des Käufers, getäuscht werden kann, auf den ersten Blick bei der hier zu entscheidenden Fallkonstellation flir die Annahme sprechen, die Behauptung des nicht von § 40 Abs. 1 BetrVG getragenen AnSchönke/Schröder-Cramer, StGB, § 263 Rdnr. JuS 1970, S. 300 (302). IR6 Schönke/Schröder-Cramer, StGB, § 263 Rdnr. IR7 OLG Stuttgart NJW 1979, S.2573 (2574); Krey BT 2. Halbband Rdnrn. 342 f. IH8 Schönke/Schröder-Cramer, StGB, § 263 Rdnr. IR4

9, TrändIe, StGB, § 263 Rdnr. 3.

IR5

9. Schräder JR 1958 S. 106 (107), 16c m.w.N.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

spruches auf Kostenerstattung oder -freistellung als Tatsachenbehauptung anzusehen, kann eramer nicht gefolgt werden. Der von eramer gefolgerte Grundsatz basiert auf einem speziell geregelten Abrechnungsverfahren des Kassen- und Vertragsarztrechts. Für das von eramer bemühte, öffentlich-rechtlich ausgestaltete Abrechungsverfahren nach der BMAIE-G0 I89 sind spezielle Formulare entwickelt worden, in der anhand genau vorgegebener Gebührenordnungsnummern die ärztlichen Leistungen mit den Krankenkassen abgerechnet werden 190. Es handelt sich also nicht nur um ein bloßes Behaupten eines Anspruches gegenüber einer beliebigen Person, sondern ein nicht zustehender Anspruch wird mittels eines den Anschein der Rechtmäßigkeit erweckenden Verfahrens geltend gemacht. Insoweit ist diese Fallkonstellation mit der Geltendmachung eines Anspruches mittels eines Mahnbescheides zu vergleichen, bei dem auch durch die offizielle Form der Anschein der Verbindlichkeit erweckt wird und sich daraus erst der objektive Erklärungswert der Äußerung und der für § 263 Abs. 1 StGB erforderliche Tatsachenkern ergibt. Die Behauptung eines nicht begründeten Anspruches gegenüber dem Gericht enthält daher nach allen Ansichten keinen objektiven Erklärungswert und dementsprechend keinen Tatsachenkern, sondern beruht nur auf einer - fehlerhaften - Wertung des Betriebsratsmitglieds. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, daß der Betriebsrat oder das Betriebsratsmitglied allerdings nicht über Tatsachen durch Angabe von falschen Beweismitteln oder unrichtigen Urkunden täuschen wollte, sondern auf einer fehlerhaften Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung des § 40 Abs. 1 BetrVG beharrt und damit eine nicht als Tatsachenbehauptung anzuerkennende, auf einer Wertung beruhende Behauptung eines nicht zustehenden Rechtes vorträgt 191 • Ein Tatentschluß zur Täuschung über Tatsachen scheidet mithin aus.

Bewertungsmaßstäbe für alle Kassenärzte und Vertragsärzte der Ersatzkassen. Vgl. die ausführlichen Sachverhaltsschilderungen der von Cramer zur Ünterstützung seiner Ansicht zitierten Urteile des BGH NStZ 1993, S. 388 ff. und NStZ 1995, S. 85 ff. 191 Ganz anders hat die strafrechtliche Würdigung des Pozeßverhaltens des Betriebsratsmitglieds natürlich dann auszufallen, wenn ihm von vomeherein bewußt ist, daß es keinen Anspruch auf die Kostenfreistellung oder- erstattung hat und mit Hilfe von gefälschten Quittungen, falschen Zeugenaussagen und sonstigen unwahren Beweismitteln versucht, einen ihm nicht zustehenden Anspruch durchzusetzen. 189

190

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

249

(2) Schwere mittelbare Falschbeurkundung nach §§ 271 Abs. 1,272 Abs. 1 StGB Die AntragsteIlung während des Anhörungstennines nach § 83 Abs. 4 S. 1 ArbGG und dessen Protokollierung im Verhandlungsprotokoll, mit dem Ziel, einen materiellrechtlich nicht zustehenden Freistellungs- oder Kostenerstattungsanspruch zu erlangen, könnte den Tatbestand einer schweren mittelbaren Falschbeurkundung nach §§ 271 Abs. 1,272 Abs. 1 StGB erfiillen. Ein Richter bzw. die Protokollfiihrerin als dessen Hilfsperson sind auch als Mitglieder des Gerichtes als eine öffentliche Behörde i.S.v. § 11 Nr. 7 StGB anzusehen l92 . Ebenso stellt die Aufuahme des Sachantrags in das Protokoll nach dessen Stellung das Bewirken der Erklärung i.S.v. § 271 Abs. 1 StGB dar l93 • Doch erscheint es sehr zweifelhaft, ob das Verhandlungsprotokoll als eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 271 Abs. 1 StGB angesehen werden kann. Nach dem fiir den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung maßgeblichen Urkundsbegriff des § 415 ZPO l94 werden als öffentliche Urkunden solche verkörperten Gedankenerklärungen angesehen, die von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihrer Zuständigkeit fonngerecht aufgenommen sind und die Aufgabe haben, aufgrund ihrer absoluten Beweiswirkung Beweis fiir und gegen jedennann zu erbringen l95 . Gerade aber bei Verhandlungsprotokollen in Zivil- und Strafsachen ist umstritten, ob diese als öffentliche Ur-kunden anzusehen sind, insbesondere wie weit deren Beweiskraft reicht. Dabei ist die Rechtsprechung eher zurückhaltend und will den Protokollen eine Beweiswirkung nur in dem konkreten Verfahren zukommen lassen l96 • Das Schrifttum vertritt eine weitergehende Ansicht 197 . Einigkeit besteht allerdings darüber, daß die Erklärungen der Parteien zur Sache

Trändie, StGB § 11 Rdnr. 26 und 35. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, Teilband 2, § 66 Rdnr. 15. 194 So ganz h.M. vgl. OLG Hamm NJW 1977, S.592 f.; Trändie, StGB, § 271 Rdnr. 4, Krey, BT I Rdnr. 740, Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, Teilband 2, § 66 Rdnr.5. 195 BGHSt 6, S. 380, 33, S. 191 f.; Krey, BT 1 Rdnr. 740, Schönke/Schröder-Cramer, StGB, § 271 Rdnr. 8. 196 RG 59, S. 19, OLG Hamm NJW 77, S. 592, nach diesen kann ein Gerichtsprotokoll keinenfalls etwas über die tatsächliche Identität des Klägers oder Angeklagten aussagen und beweise nur die Beachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten, vgl. auch Krey, BT 1, Rdnr. 741 m.w.N. 197 Protokolle begründen mit absoluter Beweiswirkung jedenfalls die Identität für die Parteien und den Angeklagten vgl. die Nachweise bei Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, Teilband 2, § 66 Rdnr. 11. 192 193

250

Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

und die Anträge von der rur und gegen Jedennann geltenden Beweiswirkung nicht erfaßt werden und damit die Anwendbarkeit des § 271 Abs. 1 StGB auf eine Stellung von nicht der materiellen Rechtslage entsprechenden Anträgen ausscheidet l98 . Darüber hinaus scheidet die Anwendung aus einem anderen Grunde aus. Im Rahmen vOn § 271 Abs. 1 StGB muß die Beurkundung materiell unrichtig sein 199. Wie bereits dargestellt, handelt es sich allerdings bei der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung eines Anspruches um eine - wenn auch verfehlte - Beurteilung eines Sachverhaltes, aber nicht um eine Angabe vOn unrichtigen Tatsachen im Protokoll des Arbeitsgerichtes. Eine Strafbarkeit nach §§ 271 Abs.l, Abs. 2, 272 Abs. 1 StGB wegen schwerer mittelbarer Falschbeurkundung durch die AntragsteIlung zu Protokoll des Gerichts im Anhörungstennin scheidet ebenfalls aus.

(3) Urkundenfälschung durch Fertigung der Antragsschrift oder weiterer Schriftsätze nach § 267 Abs. 1 1. und 3. Alt. StGB Kurz angesprochen sei die Möglichkeit, daß das Betriebsratsmitglied durch Fertigen der Antragsschrift oder von weiteren Schriftsätzen während des Beschlußverfahrens jeweils eine unechte Urkunde herstellt und diese auch gebraucht i.S.v. § 267 Abs.l 1. und 3. Alt. StGB. Bei den Schriftsätzen handelt es sich zwar um Urkunden i.S.v. § 267 StGB, da sie eine verkörperte Gedankenerklärung enthalten, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und ihren Aussteller erkennen läßt2oo . Doch scheidet eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift aus, da das Betriebsratsmitglied weder in der Antragsschrift noch in den weiteren Schriftsätzen über den Aussteller täuscht20I , sondern unter der richtigen Beteiligtenbezeichnung einen Sachverhalt falsch würdigt und die der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden Forderungen geltend macht. Ein solches Täterverhalten stellt aber nur eine strafrechtlich nicht relevante schriftliche Lüge 202 dar.

Vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald, BT, Teilband 2, § 66 Rdnr. 11. Schönke/Schröder-Cramer, StGB, § 271 Rdnr. 24, TrändIe, StGB, § 271 Rdnr.15. 21M) Vgl. BGHSt 13, S. 239 ff., 18, S. 66; TrändIe, StGB, § 267 Rdnr. 2 zum Begriff der Urkunde i.S.v. § 267 StGB. 201 Vgl zu Tathandlungsalternative des Herstellens einer unechten Urkunde TrändIe, StGB, § 267 Rdnr. 18. 202 Siehe zur Abgrenzung des strafbaren Herstellen einer unechten Urkunde zur straflosen Erstellung einer schriftlichen Lüge den sehr instruktiven Aufsatz von Samson JA 1979, S. 658 ff. 19M

199

III. Individualarbeitsrechtliche Möglichkeiten

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bb) Verdachtskündigung Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder eine erwiesene Vertragsverletzung eines Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht einer von einem Arbeitnehmer begangenen strafbaren Handlung oder Arbeitsvertragsverletzung einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB fiir eine außerordentliche Kündigung darstellen 203 .

(1) Voraussetzungen an den Verdacht im Rahmen der Verdachtskündigung Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn es gerade der beim Arbeitgeber erweckte Verdacht hinsichtlich einer strafbaren Handlung ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers an die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört hat oder aber zumindest zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses fiihrt204. An Verdachtskündigungen sind aHerdings hohe Anforderungen zu steHen, da die Gefahr besteht, daß sie einen Unschuldigen treffen können. Der Verdacht muß objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet sein, die subjektive Wertung des Arbeitgebers ist unmaßgeblich, d.h. der Verdacht muß sich aus objektiven Umständen ergeben, die so beschaffen sind, daß sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können20s . Für die Rechtfertigung einer auf einen Verdacht gestützten arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung ist daher entscheidend, ob eine große Wahrscheinlichkeit besteht, daß nur und aHeine der zu kündigende Arbeitnehmer die den Verdacht begründende Straftat oder Pflichtverletzung begangen hat206 . Für die Rechtfertigung einer Verdachtskündigung ist der Ausgang eines gegen einen Arbeitnehmer eingeleiteten Strafverfahrens ohne Bedeutung, da diese strafverfolgende Entscheidung weder im Falle einer Verurteilung noch im Falle eines Freispruches wegen § 14 Abs. 2 S. 1 EGZPO fiir den Kündigungsschutzprozeß bindend ist. Ein Strafurteil, das den Verdacht eines vertragswidrigen Verhaltens 203 BAG EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5, APNr. I, Nr. 12 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnm. 153 ff., Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § I Rdnm. 260 ff., StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr. 578. 204 Vgl. auch so ausdrücklich StahlhackelPreis, Kündigungsecht, Rdnr. 578, KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 153. 205 BAG AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = SAE 65, S.65; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 153a, StahlhackelPreis, Kündigungsrecht, Rdnr.579. 206 BAG EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, Nr.5; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 153a, StahlhackelPreis, Kündingsrecht, Rdnr. 578.

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Kap. 8: Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

erhärtet, stellt deswegen auch keinen selbständigen Grund zur Rechtfertigung der arbeitgeberseitigen Kündigung dar, der die tatrichterliche Würdigung im Kündigungsschutzprozeß entbehrlich macheo7• Folglich kann allein der Verdacht einer vom Arbeitnehmer begangenen Straftat eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht einer - nicht erwiesenen, aber mit aller Wahrscheinlichkeit von dem zu kündigenden Arbeinehmer begangenen - strafbaren Handlung habe das tUr die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört.

(2) Anwendung der Grundsätze zur VerdachtskUndigung Diese Grundsätze des Kündigungsgrundes "Verdachtskündigung" können eine arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung des Betriebsratsmitgliedes in der hier untersuchten Fallkonstellation nicht rechtfertigen. Der Arbeitgeber mag zwar in seiner Laiensphäre annehmen, daß die gerade angedachten Straftatbestände durch ein Mitglied des Betriebsrats verwirklicht worden seien. Allerdings ist - wie dargestellt - eine tatsächliche Strafbarkeit nicht gegeben. Das betriebsverfassungsrechtliche Organ verwirklicht keinen der Straftatbestände. Insoweit ist eine Straftat nicht erwiesen bzw. nicht erweislich, sondern es liegt schon gar keine Straftat vor und der Verdacht ist unbegründet. Eine Verdachtskündigung scheidet daher aus.

ce) Schlußfolgerungen Auf die aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht rechtsmißbräuchliche gerichtliche Geltendmachung und Weiterverfolgung eines auf einer fehlerhaften Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 40 Abs. I BetrVG beruhenden Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruches kann eine arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung nicht gestützt werden. Ein solches Verfahrensverhalten stellt weder einen versuchten Prozeßbetrug nach §§ 263 Abs. I i.V.m. Abs. 2, 12 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB noch eine schwere mittelbare Falschbeurkundung nach §§ 271 Abs. 1,272 Abs. 1 StGB noch eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 1. und 3. Alt. StGB zulasten des Betriebsratsmitgliedes dar. Eine Verdachtskündigung scheidet nicht wegen des Nichtnachweises einer Straftat, sondern schon wegen Nichtvorliegens einer Straftat aus.

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KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdnr. 154.

Kapite/9

Zusammenfassung der Untersuchung und Darstellung der Ergebnisse I. Gegenstand und Ziel der vorangegangenen Untersuchungen war es herauszufinden, ob und welche rechtlichen Möglichkeiten einem Arbeitgeber zur Verrugung stehen, wenn ein Betriebsrat als Organ oder ein Mitglied des Betriebsrats ein Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber einleitet und sich dabei - ohne betriebsverfassungsrechtliche Grundlage - anwaltlicher Beratung und Vertretung bedient. Die bei einer solchen Vertretung entstehenden Kosten wären bei einer undifferenzierten Anwendung des fiir die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers rur die Kosten der Betriebsratstätigkeit einschlägigen Vorschrift des § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragen. Eindeutige gesetzliche Regelungen bergen allerdings auch stets die Gefahr ihres Mißbrauchs in sich. Daher dient die vorgelegte Untersuchung auch dazu, den Umfang der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers fiir Rechtsstreitigkeiten mit dem Betriebsrat näher zu bestimmen. Dabei wurde - in Fortfiihrung der bisherigen nOlmenkonkretisierenden Beschränkungen von § 40 Abs. 1 BetrVG - versucht, die konträren Positionen - Mißbrauch auf der einen Seite und Aushöhlung des Rechtes zur kostenverursachenden Betriebsratstätigkeit auf der anderen Seite - in Einklang zu bringen. 11.

Weder die während der Geltung des BRG 1920 und des BetrVG 1952 noch des heute geltenden BetrVG 1972 mit der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG befaßten Senate des Reichs- und Bundesarbeitgerichts noch die Literatur konnten bis zum heutigen Tage eine in sich schlüssige und allgemein anzuerkennende dogmatische Begründung der in § 40 Abs. 1 BetrVG angeordneten Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entwickeln. Auch § 40 Abs. 1 BetrVG selbst mit seinem die uneingeschränkte Kostentragung des Arbeitgebers rur die Kosten der Betriebsratstätigkeit anordnenden Wortlaut hilft in dieser Hinsicht nicht weiter. Als dogmatische Grundlagen werden in der Literatur eine Aufwendungsersatzpflicht des Geschäftsherrn nach § 670 BGB und ähnlichen anderen Bestim-

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Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

mungen vorgeschlagen, ein schuldrechtlicher, insbesondere stellvertretungsrechtlicher Lösungsansatz und ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werden angenommen und fingiert; auch wird auf die fehlende Vermögensfahigkeit des Betriebsrats und damit auf die Unmöglichkeit der Kostentragung durch das Organ Betriebsrat abgestellt; über dies wird mittels einer Nutzenanalyse der Mitbestimmung und der dabei festgestellten Nutzenverteilung eine in sich schlüssige und umfassende Erklärung rur die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kostentragung vorgeschlagen. Ebenfalls als Begründungsversuche werden das Benachteiligungsverbot des einzelnen Betriebsratsmitgliedes nach § 78 Satz 2 BetrVG auf der Arbeitnehmerseite und die Sozialbindung des Eigentums an den Produktionsmitteln auf der Arbeitgeberseite herangezogen. Die Ansichten gehen so weit, daß eine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit von § 40 Abs. I BetrVG bei wortlautgetreuer Anwendung angenommen wird.

IH.

Das Bundesarbeitsgericht macht den Anspruch des Betriebsrats oder eines Mitglieds des Betriebsrats auf Kostenfreistellung oder -erstattung von drei aufeinander aufbauenden kumulativen Anspruchsvoraussetzungen abhängig. Es verlangt zunächst, daß die Kosten durch eine im Aufgabenbereich der betriebsverfassungsrechtlichen Organe liegenden Tätigkeit verursacht sein müssen. Darüber hinaus fordert das BAG, daß die im Einzelfall entstandenen und einzeln nachzuweisenden Kosten zum einen als erforderlich und zum anderen als verhältnismäßig angesehen werden können. Diese, im Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht enthaltenen Anspruchsvoraussetzungen rur eine Kostenfreistellung oder -erstattung wurden von der Rechtsprechung zum einen aus den Vorgängern des die Kostenlast verteilenden § 40 Abs. 1 BetrVG des BRG 1920 (§ 36 BRG) und des BetrVG 1952 (§ 39 BetrVG) abgeleitet und zum anderen aus einer Reihe anderer Kostenverteilungsnormen des BetrVG 1972 auf § 40 Abs. 1 BetrVG übertragen. Der Wortlaut und Anwendungsbereich von § 40 Abs. 1 BetrVG wird vom Bundesarbeitsgericht und den Instanzgerichten mithin restriktiv ausgelegt. Maßgeblich rur die Beurteilung der vorgenannten Voraussetzungen durch den Betriebsrat ist eine von den Gerichten anzustellende ex-ante Betrachtung unter Zugrundelegung des Maßstabes eines vernünftigen Dritten. Zu den Kosten der vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Betriebsratstätigkeit zählen auch die Kosten rur die Rechtsverfolgung oder -verteidigung durch die betriebsverfassungsrechtlichen Organe. Nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung des BAG und den dazu in der Literatur vertretenen Ansichten sind die Kosten der Rechtsverfolgung und -verteidigung des Betriebsrats oder

Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

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eines Mitgliedes des Betriebsrats - bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen und fiir jede Instanz gesondert gefaßten Beschlusses - unter folgenden Voraussetzungen zu erstatten: Die gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung der Rechte des Betriebsrats und der Mitglieder des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber und darüber hinaus die Befugnis zur Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitfragen fällt dann in den Aufgabenbereich des Betriebsrats, wenn das geltend gemachte Rechte selbst wiederum von dem Aufgabenbereich der Betriebsratstätigkeit erfaßt ist und damit die dem Beschlußverfahren zugrundeliegende Streitfrage selbst wiederum dem Betriebsrat oder seinen Mitgliedern im Betriebsverfassungsgesetz als Aufgabe zugewiesen war (Abhängigkeit der Aufgabenbezogenheit). Steht aufgrund der Aufgabenbezogenheit der im Streit befindlichen Frage des Beschlußverfahrens dem Betriebsrat oder einem seiner Mitglieder das Recht zu einer Einleitung eines Beschlußverfahrens an sich zu, so besteht die Kostentragungspflicht aber nur insoweit, als die Kostenverursachung und der Kostenaufwand durch die Rechtsverfolgung erforderlich und verhältnismäßig waren. Als erforderlich sind unstreitig die Kosten anzusehen, die von Gesetzes wegen notwendigerweise entstehen. Darunter fallen die Kosten fiir die von Gesetzes wegen in § 94 ArbGG erforderliche Unterstützung des Betriebsrats oder eines Mitglieds des Betriebsrats im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Nach § 94 Abs. 1 ArbGG müssen sowohl die Rechtsbeschwerdeschrift als auch die Rechtsbeschwerdebegründung von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Über diese eindeutige, von Gesetzes wegen erforderliche Kostenverursachung hinaus sind von der Rechtsprechung und der Literatur teils übereinstimmende, teils unterschiedliche Fallgruppen entwickelt worden, in denen die Kosten der rechtsanwaltlichen Vertretung in einem Beschlußverfahren gegen den Arbeitgeber nicht erforderlich sind. Dies trifft zunächst fiir die Fälle zu, in denen die Rechtsverfolgung als aussichtslos erscheinen mußte. Gleiches gilt fiir unverhältnismäßig hohe Kosten fiir einen mandatierten Verfahrensbevollmächtigten und fiir eine nicht zweckentsprechende Verfolgung der Rechte durch den Betriebsrat oder durch ein Mitglied des Betriebsrats mit Hilfe eines Anwaltes. Ebenfalls als nicht erforderlich sind die Anwaltskosten anzusehen, die durch eine mutwillige Anwaltsbeauftragung entstanden oder fiir ein Verfahren angefallen waren, dessen Gegenstand eine einfache Sach- und Rechtslage darstellte. Darüber hinaus sind die Kosten einer Verfahrensvertretung nicht erforderlich, wenn bei einer größeren Anzahl von vergleichbaren Verfahren sämtliche Parallelverfahren durchgefiihrt wurden oder im Nachgang zu einem bereits durchgefiihrten Beschlußverfahren weitere (Parallel-) Verfahren eingeleitet werden.

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Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

]n einer sehr praxisrelevanten Fallkonstellation offenbart das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung allerdings eine entscheidende Inkonsequenz. Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird zwar erkannt, aber nicht zu Lasten des Betriebsrats oder des Mitglieds des Betriebsrats berücksichtigt und damit sehenden Auges zugelassen, daß ein Betriebsrat oder ein Mitglied des Betriebsrats unmittelbar einen Rechtsanwalt mit der Interessenvertretung in einem Beschlußverfahren beauftragen darf, ohne sich vorher an eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft gewandt und um deren kostenlosen Rechtsschutz ersucht zu haben, wenn ein Mitglied des Betriebsrats oder das seine eigenen Ansprüche verfolgende Mitglied des Betriebsrats in einer Gewerkschaft organisiert ist. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes muß aber auch in einem solchen Fall der ansonsten von der Rechtsprechung so hochgehaltene Grundsatz der Erforderlichkeit konsequent angewandt werden. Die grundsätzlich kostenlose Vertretung durch einen Gewerkschaftssekretär muß der kostenverursachenden Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgezogen werden. Liegt einer der genannten Ausnahmefälle vor, so war die Anwaltsbeauftragung durch den Betriebsrat oder durch das Mitglied des Betriebsrats im vorangegangenen Beschlußverfahren trotz Aufgabeneröffnung entweder schon nicht erforderlich oder zumindest nicht verhältnismäßig. Die Folge davon ist, daß der Arbeitgeber die in einem nachfolgenden Beschlußverfahren geforderten Kosten der Rechtsanwaltsbeauftragung nicht zu erstatten oder den Betriebsrat und ein Mitglied des Betriebsrats von diesen Kosten nicht freizustellen braucht.

IV. Während sich die vorgenannten Ansätze in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend mit den materiellen Anspruchsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG beschäftigt haben, wurde in dieser Untersuchung der Schwerpunkt auf zwar bereits bekannte, aber im Zusammenhang mit der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG - soweit ersichtlich - noch nicht angesprochene prozessuale Ansätze gelegt. Der das Beschlußverfahren einleitende Antrag LS.v. § 81 Abs. 1 ArbGG unterliegt wie jedes andere Rechtsgesuch an ein Gericht einer Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung. Entsprechend dem als allgemein anerkannt anzusehenden Grundsatz der Vorrangigkeit der Sachurteilsvoraussetzungen vor der Prüfung der Begründetheit wurden eine Reihe von Sachurteilsvoraussetzungen näher untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, daß sowohl das prozessuale Instrument der materiellen Rechtskraft als auch die dem materiellen Recht zuzuordnende präjudizielle Wirkung von Entscheidungen mittels der Tatbestands- und Ge-

Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

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staltungswirkung einer vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung und die Einbindung von Dritten mittels einer Erweiterung der Grenzen der materiellen Rechtskraft in die Wirkung von vorangegangenen Entscheidungen in einem Beschlußverfahren zu einer Unzulässigkeit des Antrages führen können. Dies ist zum einen unter dem Gesichtspunkt der entgegenstehenden Rechtskraft und zum anderen unter dem Gesichtpunkt des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Einen Unterfall der zuletzt genannten Sachurteilsvoraussetzung stellen auch die Fälle der sogenannten "ständigen Rechtsprechung im Betrieb" dar. Als weitere Beschränkung der Zulässigkeit des Antrags nach § 81 Abs. 1 ArbGG wurde nachgewiesen, daß das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG filr die gerichtliche Verfolgung und Geltendmachung eines Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruches Anwendung findet. Nach dieser fiir das gesamte Betriebsverfassungsgesetz geltenden Vorschrift und im Zusammenhang mit der den Betriebspartnern übertragenen Verantwortung rur das Wohl und den Bestand des Betriebes sind sowohl der Betriebsrat als auch ein Mitglied des Betriebsrats verpflichtet, nach einem, ihren Antrag als unbegründet beurteilenden richterlichen Hinweis im Rahmen der Anhörung vor der Kammer nach § 83 Abs. 4 ArbGG den Antrag noch im Anhörungstermin zurückzunehmen. Andernfalls stellt dies einen weiteren Fall des vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Grundsatzes einer mißbräuchlichen Kostenverursachung dar. Ein Ausschluß der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers rur die Kosten der Betriebsratstätigkeit nach § 40 Abs. 1 BetrVG durch eine Verweisung des Betriebsrats oder eines Mitgliedes des Betriebsrats auf die Beantragung einer Beiordnung eines Rechtsanwaltes oder auf die Beantragung von Prozeßkostenhilfe nach § 11 a Abs. 1 bis 3 ArbGG konnte fiir den Regelfall wegen des Vorranges von § 40 Abs. 1 BetrVG als materiellrechtliche Kostennorm nicht nachgewiesen werden. Gleiches gilt fiir eine analoge Anwendung des § 12a Abs. 1 ArbGG mit dem dort rur das Urteilsverfahren angeordneten Ausschluß einer Kostenerstattung der unterlegenen Partei rur das erstinstanzliche Verfahren. Auch hier geht die materiellrechtliche Kostenverteilung des § 40 Abs. I BetrVG vor.

v. Die Untersuchung der "Verteidigungsmöglichkeiten" des Arbeitgebers gegen in unzulässiger Weise verursachte Anwaltskosten im Rahmen eines Beschlußverfahrens wurde bewußt breitgefächert angelegt und erstreckte sich auf das allgemeine Zivilrecht, das Betriebsverfassungsgesetz und das Individualarbeitsrecht.

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Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

In dieser Untersuchung sollte eine Haftung des Betriebsrats als Organ nicht erarbeitet werden. Darauf war die Untersuchung nicht ausgerichtet. Allerdings ist die Annahme der Vennögenslosigkeit des Betriebsrats nach den Entscheidungen des EUGH in den Rechtssachen "Bötei" und "Lewark" neu zu überdenken, da bei Erfiillung der von einem Betriebsratsmitglied geforderten Lohnoder Gehaltszahlung fiir die Differenzstunden zwischen der individuellen Arbeitszeit und der Dauer der Teilnahme an einer Schulungs- oder Bildungsveranstaltung i.S.v. § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG dem Betriebsrat vom Arbeitgeber finanzielle Mittel zugewendet werden, auf die dieser weder einen betriebsverfassungsrechtlichen noch sonst erkennbaren allgemeinen Anspruch hat. Ein über die bisherigen Ansätze hinausgehender neuer dogmatischer Ansatz fiir die Haftung der einzelnen Betriebsratsmitglieder wurde ebenfalls nicht entwickelt. Es wurde vor dem Hintergrund der Ausrichtung der Untersuchung aber aufgezeigt, daß einzelne Mitglieder des Betriebsrats alleine oder mehrere zusammen als Gesamtschuldner fiir nicht von § 40 Abs. 1 BetrVG umfaßte Anwaltskosten persönlich haften können. Als betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten stehen einem Arbeitgeber das Ausschlußverfahren gegen das einzelne Betriebsratsmitglied nach § 23 Abs. I S. I I. Alt. BetrVG und der Auflösungsantrag gegen das Organ Betriebsrat nach § 23 Abs. I S. I 2. Alt. BetrVG zur Verfiigung. Diese Verfahren sind über den Wortlaut hinaus auch auf einen groben Mißbrauch von betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen anzuwenden. Unter Zugrundelegung der vor allem vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung und überwiegenden Teilen der Literatur vertretenen Simultantheorie stehen die betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten und die individualarbeitsrechtliche Beendigungsmöglichkeit des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige, außerordentliche und fristentbundene Kündigung nach §§ 626 Abs. I BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG unter Beachtung des § 103 BetrVG nebeneinander dem Arbeitgeber zur Verfiigung. Allerdings ist bei der Wahl zwischen den vorgenannten Sanktionsmöglichkeiten zu differenzieren, ob nur Amtspflichten oder nur Vertragspflichten oder aber beide Pflichtenkreise gleichzeitig durch eine Handlung des Betriebsratsmitgliedes verletzt worden sind. Läßt sich der Pflichtverstoß oder Befugnismißbrauch eindeutig dem Bereich der Amtspflichten oder eindeutig dem Bereich der Vertragspflichten zuordnen, so hat der Arbeitgeber im ersteren Fall nur die Möglichkeit, ein Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. I S. I I. Alt. BetrVG gegen das einzelne Betriebsratsmitglied oder ein Auflösungsverfahren nach § 23 Abs. I S. I 2. Alt. BetrVG gegen den Betriebsrat als Organ einzuleiten. Im anderen Falle ist eine außerordentliche, fristentbundene Kündigung nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. I S. I KSchG als gesetzlich vorgesehene Reaktionsmöglichkeit gegenüber

Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

259

dem Mitglied des Betriebsrats auszusprechen. Maßgeblich für die Wahl der jeweils einschlägigen Sanktionsmöglichkeit ist die Art der Pflichtverletzung. Führt ein Verhalten des Mitgliedes des Betriebsrats allerdings sowohl zu einer Verletzung von Amts- als auch von Vertragspflichten oder zu einem Mißbrauch von betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen, so stehen dem Arbeitgeber grundsätzlich beide Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Er kann mithin einen Ausschlußantrag nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG stellen oder das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsratsmitglied nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 1 S. 1 KSchG außerordentlich fristentbunden kündigen. Aufgrund einer zwischen den Sanktionsmöglichkeiten bestehenden Wahlmöglichkeit kann der Arbeitgeber auch beide Reaktionsmöglichkeiten miteinander verbinden. Die Fortführung eines Beschlußverfahrens nach einem dem Antrag des Betriebsrats oder eines Mitgliedes des Betriebsrats auf KostenfreisteIlung oder Kostenerstattung den Erfolg absprechenden richterlichen Hinweis in der Anhörung und die damit verbundene nicht erforderliche Verursachung von weiteren Rechtsanwaltskosten stellen eine grobe Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG dar. Der Betriebsrat oder das einen eigenen Anspruch verfolgende Betriebsratsmitglied wissen ab diesem Zeitpunkt, daß sie keinen Anspruch auf die beantragte KostenfreisteIlung oder Kostenerstattung haben und die Fortführung des Beschlußverfahrens kann nur noch als ein allein gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtetes Handeln gewertet werden. Die durch die Fortführung des Verfahrens entstehenden Kosten stellen einen groben Mißbrauch des Rechtes zur kostenverursachenden Betriebsratstätigkeit dar. Ein wichtiger Grund i.S.v. §§ 626 Abs. 1 BGB, 15 Abs. I S. 1 KSchG konnte bei diesem betriebsverfassungsrechtswidrigen Verhalten für den Regelfall nicht nachgewiesen werden, da durch die Fortführung des Beschlußverfahrens keine als "an-sieh-geeignet" anerkannten Kündigungsgründe, wie Z.B. die Begehung von Strafttatbeständen, erfüllt werden. Insbesondere scheidet ein versuchter Prozeßbetrug aus. Ein Mitglied des Betriebsrats kann nicht den Tatentschluß fassen, mittels einer ausnahmsweise als Tatsachenbehauptung anzusehenden Rechtsbehauptung zu versuchen, das Gericht zu täuschen. Das Betriebsverfassungsorgan hat vielmehr nur eine rechtlich nicht zutreffende Würdigung der Voraussetzungen des Kostenfreistellungs- oder -erstattungsanspruches gegen den Arbeitgeber nach § 40 Abs. I BetrVG vorgenommen. Will das Mitglied des Betriebsrats dennoch das Gericht täuschen, so begeht es ein strafrechtlich nicht relevantes Wahndelikt. Ein versuchter Prozeßbetrug kann allerdings immer dann angenommen werden, wenn ein Mitglied des Betriebsrats mit gefälschten Rechnungen und Belegen, unwahren Zeugenaussagen oder sonstigen zur Täuschung des Gerichtes bestimmten Beweismitteln versucht, einen nicht von § 40 Abs. 1 BetrVG umfaß-

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Kap. 9: Zusammenfassung und Darstellung der Ergebnisse

ten Kostenfreistellungs- oder -erstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. Insoweit haben die gleichen Grundsätze wie bei der Kündigung eines Nicht-Betriebsratsmitglieds zu gelten. Liegt ein solcher Fall vor, kann der Arbeitgeber das Ausschlußverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BetrVG einleiten oder die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG aussprechen.

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Sachwortverzeichnis Abtretung des Anspruches 59

Aufhebung von Betriebsratsbeschlüssen 103

Amtsenthebung des einzelnen Mitgliedes 213

Aufklärungspflicht 182, 184, 186

Amtsenthebungsverfahren 104, 224, 225,232,233,258

Auflösungsantrag 218

Amtsermittlungsgrundsatz 41, 183

Aufsichtsrat 30

Amtshandlungstheorie 222, 226

Ausfiihrungsverschulden 192, 193

Amtsträger 103, 109, 199, 220, 223, 231,232,236

Ausschluß eines Betriebsratsmitglieds 172,213

An sich geeignete Gründe 242

Ausschlußfristen 61

Anerkennungsverfahren (§ 37 Abs.7 BetrVG) 156

Ausschlußverfahren 104, 105, 231, 258,260

Anerkennungsverwaltungsakt 157

Außerordentliche Kündigung 108, 221, 225, 226, 230, 231, 233, 234, 236, 239,240,241,242,243,251,252, 260

Anfechtung von Betriebsratswahlen nach § 19 Abs. I BetrVG 152 Anhörung der Parteien 184 Anhörungstermin 174, 181, 183, 184, 188,193,249,250,257 Antragsrücknahme 187, 200 Anwaltshaftung 202

des

Arbeitgebers

Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung 118

Bedeutung der Sache 49

Anwaltskosten 47

Begünstigung des Betriebsratsmitgliedes 107

Arbeiterschutzgesetz 1891 84

Beibringungsgrundsatz 184

Arbeitskampf 99

Beiordnung eines Anwaltes 124, 137

Arbeitszeit 35, 51, 84, 87, 91, 93, 98, 106, 163, 187,205,207,211,258

Beispiele 32, 38, 50, 55, 93, 111, 119, 149,163,172

Aufgabenbereich 97

Belehrungspflicht des Anwalts 202

Aufgabenbezogenheit 97, 104, 106, 108, 109, 134, 255

Beleidigungen 244

272

Sachwortverzeichnis

Benachteiligungsverbot 36, 76, 77, 79, 80,211,223,228,231,232,254 Beschleunigungsgrundsatz 183, 188

Deutsches Kaiserreich von 1871 82 Dispositionsmaxime 40

Beschlußverfahren 39

Doppelstatus des Betriebsratsmitglieds 221

Beschlußverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 6 BetrVG 155

Durchsetzung von Individualansprüchen 147

Beschlußverfahren im Rahmen von § 37 Abs. 7 BetrVG 155

Durchsetzung von kollektiven Rechten 147

Besserstellung von gliedern 239

Betriebsratsmit-

Bestehen und Umfang von Mitwirkungsrechten 163 Beteiligtenkosten 47

ehrenamtliche Richter 42 Einfache Sach- und Rechtslage 123

Beteiligungsfahigkeit 62, 204 Betriebsabgrenzungsverfahren § 18 Abs. 2 BetrVG 150

nach

Betriebsrätegesetz 1920 88

im

Einführung in den Sach- und Streitstand 184 Einigungsstellenverfahren 37,40 Einseitige Erledigungserklärung 187

Betriebsübergang 162 Betriebsvereinbarung kungsstadium 161

Ehrenamt 36, 60, 64, 72, 82, 88, 91, 94,206

Nachwir-

Betriebsverfassungsgesetz 1952 92

Einwand der rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung 175 Entschädigungen wegen Zeitversäumnis 55

Betriebsversammlung 34

Erforderlichkeit 31,47,94, 108, 109, 110, 111, 112, 116, 117, 121, 124, 125, 132, 133, 135, 154, 155, 200,256

Beurteilungsspielraum 115

Erlöschen der Berechtigung 189, 190

Bindungswirkung 138, 139, 141, 142, 145, 149, 150, 157, 158, 164, 165, 166,167,199

Errnessensspielraum 116

Betriebsverfassungsgesetz 1972 94 betriebsverfassungsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten 223, 229, 258

104, 113, 129, 167,

\07, 115, 131, 187,

Ersetzungsverfahren 108, 109 Erweiterung der materiellen Rechtskraft 138

Dauerrechtsverhältnis 177 Dauerschuldverhältnis 177, 178 Deliktische Ansprüche gegen Betriebsratsmitglieder 211

Erweiterungstheorie 221 Etat 60, 204, 211 Etat für Betriebsratskosten 60

Sachwortverzeichnis

273

Haftung des Betriebsrats als Organ 203,208,258

Fahrt- und Reisekosten 35 Fehleinschätzung 190, 191

Hilfsdienstgesetz 1916 85

Feststellungsantrag 173 Feststellungsinteresse 167, 173, 200

Hinweis- und Aufklärungspflicht 184, 185, 186

Frankfurter Paulskirche 83 Freistellungsanspruch 57

Inanspruchnahme rechtlicher Beratung 100, 103, 104, 105, 107

Freizeitopfer 206

Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit 65, 131, 171, 186, 200 Geeignetheit 111

Individualarbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten 220 Inhalt des Anspruches 57 Innerbetriebliche Gestaltungsmöglichkeiten 60

Gegenseitige Rücksichtnahme 178 Gegenstandswertfestsetzung 41

Keine zweckentsprechende Verfolgung der rechtlichen Interessen 121

Gerichtskosten 39, 41 Geschäftsflihrungsbefugnis 189 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 193490

Kompensations- und Koppelungsgeschäfte 37 Konfliktlösung durch Dialog 177, 181

Gesetzesanalogie 189 Konkurs des Arbeitgebers 62 Gesetzmäßigkeit der 212

Amtsausübung Kontrollratsgesetz NT. 22 1946 91 Kooperation statt Konfrontation 176 f., 181

Gestaltungsantrag 172 Gestaltungswirkung 138, 165, 166, 256 f.

141, 142, Kostenentscheidung im Beschlußverfahren 43

Gleichrangigkeit der Urteilsvoraussetzungen 137

Kostenerstattungsanspruch 58

Gleichwertigkeit der Pflichtverletzungen 231

Kostenerstattungsklagen 107

Große Pflichtverletzung 215,218

Kostenreduzierung 188

Grundsatz der prozessualen fengleichheit 194

Waf-

Kostenfestsetzungsbeschluß 47

Kurzarbeit 38, 98, 153, 163

Leistungsantrag 172 Haftung der Mitglieder des Betriebsrats 203 f., 208

274

Sachwortverzeichnis

Lohnausfallprinzip 35, 154, 205, 206, 227

Positives Konsensprinzip 163 Postulat zur Kostenminimierung 187

Lohnklagen einzelner Betriebsratsmitglieder 105

Präjudiziabilität 143

Lohnkosten 34, 187

Prozeßkostenhilfe 125, 137, 193, 194, 195,197,200,257 Prozeßvoraussetzungen 136, 137

Materielle Rechtskraft 133, 142, 143, 152,164,165,166 Mitbestimmung ebene 30

auf Unternehmens-

Quasi-vertragliche Ansprüche gegen . Betriebsratsmitglieder 209

Mittelbare Diskriminierung 205 Mitverantwortung des Betriebsrats rur den Betrieb 176 Musterverfahren 133, 135, 171 Mutwillige Anwa1tsbeauftragung 122, 131

Rechtsbeschwerde 54 Rechtsfähigkeit 43, 204, 205 Rechtskrafterstreckung kraft sentation 138, 146

Reprä-

Rechtskraftwirkung 141, 142, 160 Rechtsmißbräuchlichkeit 175,214,219

Nationalversammlung 1848 83 ne-bis-in-idem 143 nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten 42, 48 Nichtzulassungsbeschwerde 53 Nutzenverteilung 66, 72, 75, 195, 254

Rechtsschutzinteresse 49, 137, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173,200, 257 Rechtsverfolgung durch einen Verbandsvertreter 125 Regelstreitwert 42, 48, 50, 51 Regelungslücke 182, 183, 196, 197, 198, 200 f, 238, 239

Obsiegensprinzip 29

Regelungssperre 159

Offensichtlichkeit 118, 215, 217

Repräsentation des Betriebsrats 138, 156

Parallel verfahren 132, 133, 134, 255 parteipolitische Betätigung 98 f parteiübergreifende Entscheidung 138 Personalkosten 112 Pflichtgebundene Rechte 214 Pflichtwidrigkeit des HandeIns 192

Sachkosten 113 sachliche Mittel 36, 96, 113 Sachurteil 136, 137,200,256,257 Sachurteilsvoraussetzungen 136, 137, 256

Sachwortverzeichnis

275

Sachverständige 42

Unkündbarkeit 237

Schadensersatzansprüche 35

Unterstützungsfunktion 129

Schuldner des Anspruches 56

Untersuchungsgrundsatz 40, 181, 182, 185

Schulungs- und Bildungsveranstaltung 35,112 Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen 98, 113 Schwere mittelbare dung 249

Falschbeurkun-

Schwierigkeitsgrad der Sache 49 Simultantheorie 209, 212, 224, 229, 230,258

Untragbarkeit der Amtsausübung 215 Unverhältnismäßig hohe Kosten 120 unzulässige Rechtsausübung 137, 257 unzulässige Rechtsausübung im engeren Sinne 174 Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung 236, 237 Urkundenfälschung 250

Spesenbetrug 245 Sprechstunde 35

Verbandsvertreter 40, 125, 126, 127, 131

Strafbare Handlung 245

Verbot der ordentlichen Kündigung 235

Straftatbestände 245, 252 Streitwertbeschwerde 49 Systematisierung gründe 243

der

Kündigungs-

Tatbestandswirkung 139, 140, 141, 145,165, 166f., 199

Verdachtskündigung 251, 252 Verhältnismäßigkeit 75, 78, 96, 108, 109,110, Ill, 113, 114, 116, 117, 119, 124, 131, 135, 159 f., 215, 216,231

Tatsachenbehauptungen 246, 247

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 113,114

Trennungstheorie 223, 224, 227, 228, 229

Verhandlungsgrundsatz 177

111,

Verhandlungsmaxime 184 Verhandlungsprotoko1l249

Übermaßverbot 110, 115, 124 Überprüfbarkeit von Betriebsvereinbarungen 158 Umfang von Mitbestimmungsrechten 165 Umlageverbot 36, 89 Ungerechtfertigte Bereicherung 207

Ve~iährungsfrist

61

Vermögenslosigkeit des Betriebsrats 208 Vermögensrechiliche Stellung des Betriebsrats 204 vermögensrechtliches Rechtsverhältnis 48

276

Sachwortverzeichnis

Verordnung 191886

Wahlmöglichkeit 128

versuchter Prozeßbetrug 246

Weimarer Republik 86

vertragliche Ansprüche gegen triebsratsmitglieder 209

Be-

Wichtiger Grund 221, 230, 232, 237, 240,241,242,243,245,251

Vertragsdauer 237 vertrauensvolle Zusammenarbeit 65, 116, 122, 123, 128, 131, 133, 171, 175,178,179,181,186,200,216 Verursachungsprinzip 29 Verzugs- und Prozeßzinsen 61 Voraussetzungen tUr individualrechtliche Ansprüche nach § 37 BetrVG 153 Voraussetzungen von mungsrechten 163

Mitbestim-

Zeugen 42 zukünftige Dauer des Arbeitsverhältnisses 238 Zu lässigkeit der Kündigung 236

außerordentlichen

Zu lässigkeit des Antrages 137 Zulässigkeitsvoraussetzungen 136 Zumutbarkeitsprüfung 237, 238, 240, 245