Die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz im Verwaltungsprozess [1 ed.] 9783428526451, 9783428126453

Mit dem Elfes-Urteil hat das BVerfG eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, die auch heute noch - ein halbes Jahr

149 117 2MB

German Pages 217 Year 2008

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz im Verwaltungsprozess [1 ed.]
 9783428526451, 9783428126453

Citation preview

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1088

Die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz im Verwaltungsprozess Von

Alexander Köpfler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER KÖPFLER

Die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz im Verwaltungsprozess

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1088

Die Bedeutung von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz im Verwaltungsprozess

Von

Alexander Köpfler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12645-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen, nachdem sie im April 2007 ihren Abschluss gefunden hat. Besonders reizvoll war für mich die Auseinandersetzung mit Art. 2 Abs. 1 GG und dessen Bedeutung im Verwaltungsprozess, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein – nach überwiegender Auffassung – äußerst weit auszulegendes Grundrecht auf die restriktive Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis trifft, womit Spannungen vorprogrammiert scheinen. Während ich anfangs noch meinte, vor spezifischen Problemen der extensiven Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG zu stehen, führte mich die nähere Untersuchung bald zu grundlegenderen und weit über Art. 2 Abs. 1 GG hinausreichenden Fragestellungen der allgemeinen Grundrechtsdogmatik, die im Kern vor allem die Wirkung des einfachen Rechts auf die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte betreffen. In ihrer Beantwortung liegt meines Erachtens der Schlüssel, um auch die Probleme, die mit einer weiten Auslegung des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess einhergehen, in einer Weise zu lösen, die das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in den Kanon der speziellen Freiheitsrechte integriert, ohne ein Sonderregime für dieses Grundrecht zu etablieren. Danken möchte ich insbesondere meinem Doktorvater Prof. Dr. Kahl, der die Entstehung der Arbeit durchweg mit regem Interesse und großem Engagement begleitet hat, mir aber stets die nötige Freiheit ließ, die ein wissenschaftliches Arbeiten zwingend erfordert. Ich konnte mich dadurch ganz im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG frei entfalten. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Möstl für seine ausgesprochen zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die es mir ermöglicht haben, mich voll und ganz auf Studium, Pomotion und Referendariat zu konzentrieren, so dass ich diese drei Phasen zügig, mit viel Zuspruch und frei von finanziellen Sorgen durchlaufen konnte. Ihrem Beispiel will ich folgen. Gießen, im Januar 2008

Alexander Köpfler

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

B. Die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundmodelle zur normativen Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts . . . . . 2. Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus . . . . . . . . . . . 3. Theorie von der bipolaren Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kritische Würdigung der Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungswidrige Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Würdigung der Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verständnis der Verfassung als Grundordnung oder als Rahmenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rahmenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Präferenz einer bipolaren Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte . . a) Die beiden Ebenen grundrechtsbeschränkender Gesetze . . . . . . . . . . . aa) Die freiheitsverkürzende Ebene grundrechtsbeschränkender Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die individualrechtsschutzverneinende Ebene grundrechtsbeschränkender Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das subjektive öffentliche Recht im einfachen Recht . . . . . . . . . . . . . aa) Die Korrekturbedürftigkeit der Schutznormtheorie . . . . . . . . . . . bb) Die Grundrechtsdogmatik als Korrektiv der Schutznormtheorie c) Verwaltungsgerichtliche Prüfung der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . .

17 19 19 20 21 21 22 22 25 26 26 27 27 28 29 30 34 34 35 35 36 38 38 42 44

8

Inhaltsverzeichnis aa) Fehlende Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lückenlose Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Lückenhafte Normierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Praktische Relevanz der normexternen Grundrechtswirkung im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG: Schutzbereich, Eingriff und Verhältnis zu anderen Grundrechtsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertungstheorien (Persönlichkeitskerntheorien) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertneutralitätstheorie (Allgemeine Handlungsfreiheit) . . . . . . . . . . . c) Kombinationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsgeschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Genese des Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Systematische Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Leerlauf des Art. 2 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unbenannte Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Eingriffsbegriff im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der klassische Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der erweiterte Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Finalität und Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verwaltungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Privatverhalten ohne eigenständigen Schädigungsgehalt . (b) Privatverhalten mit eigenständigem Schädigungsgehalt . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Eingriffsbegriff bei Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 45 48 49 51 53 53 53 57 58 62 62 62 63 66 69 71 75 76 77 80 82 83 83 83 84 85 85 87 87 88 88 90 90 91 93 93 94

Inhaltsverzeichnis

9

aa) Rückbesinnung auf den klassischen Eingriffsbegriff . . . . . . . . . 94 bb) Erweiterung des klassischen Eingriffsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Homogene Eingriffsdogmatik für sämtliche Freiheitsrechte . . . . . . . . 97 III. Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten . . . . . . 100 1. Auffangfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Sachliche Sperrwirkung der speziellen Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . 101 b) Personelle Sperrwirkung der Bürgerrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Absolute Sperrwirkung der Art. 2 Abs. 2, 4 ff. GG . . . . . . . . . . 103 bb) Personelle Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . 104 cc) Ausländische EU-Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Schutzergänzungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Unbenannte Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG mit den bislang gewonnenen Erkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adressatenklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressatentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adressatentheorie bei Leistungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontrollerlaubnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmebewilligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Staatliche Leistungen im materiellen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klagen gegen belastende Nebenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klagen gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlich-rechtliche Zwangsverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Echte Multipolarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privatverhalten ohne eigenständigen Schädigungsgehalt . . . . . . . . . . aa) Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Privatverhalten mit eigenständigem Schädigungsgehalt . . . . . . . . . . aa) Nachbarklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmegenehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unechte Multipolarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 110 110 110 114 115 118 120 121 128 133 134 141 144 144 144 144 149 152 152 154 157

10

Inhaltsverzeichnis III. Art. 2 Abs. 1 GG als subjektives öffentliches Abwehrrecht im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analoge Anwendung der Adressatentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normenkontrollanträge mittelbar Betroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prozessökonomische Folgenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adressatenklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagen Drittbetroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte oder gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Die Bedeutung der objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfahrens- und organisationsrechtliche Gehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Derivative Teilhabe- und originäre Leistungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Derivative Teilhaberechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Originäre Leistungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG mit dem hier vertretenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Bedeutung der objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Quintessenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 164 165 166 166 167 169 170 173 173 177 180 183 183 184 186 188 188 188 191 191 192 192 193

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. Abs. ÄKammerG SH AöR Art. Aufl. Az BAG BAGE BauGB BauNVO BauR BayBO BayGO BayJG BaySammlG BayStrWG BayVBl. BayVwVfG BayWG BB BBauG BbgStrG BFH BFHE BGB BGH BGHZ BImSchG

BNatSchG BSG BSGE BT-Drucks. BVerfG BVerfGE

andere(r) Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Ärztekammergesetz Schleswig-Holstein Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Baugesetzbuch Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung) Baurecht Bayerische Bauordnung Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern Bayerisches Jagdgesetz Bayerisches Sammlungsgesetz Bayerisches Straßen- und Wegegesetz Bayerische Verwaltungsblätter Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz Bayerisches Wassergesetz Der Betriebs-Berater Bundesbaugesetz Brandenburgisches Straßengesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Bundesnaturschutzgesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

12 BVerfGG BVerwG BVerwGE DAR DB ders. dies. DJT DÖD DÖV DStR DV DVBl. EG EGV EU EuGRZ EWiR f. ff. FG Fn. FS GewArch GG GO BW GO NW GS HeilBerG SH HFR HGO HGZ Hrsg. Hs. HSammlG HStrG i. V. m. IHK JA JöR Jura JuS JZ LadSchlG (L)VwVfG m. w. N. MDR

Abkürzungsverzeichnis Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsches Autorecht Der Betrieb derselbe dieselben Deutscher Juristentag Der öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaft(en) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende fortfolgende Festgabe Fußnote Festschrift Gewerbearchiv Grundgesetz Gemeindeordnung für Baden-Württemberg Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen Gedächtnisschrift Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe (Heilberufegesetz) Schleswig-Holstein Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Hessische Gemeindeordnung Hessische Städte- und Gemeindezeitung Herausgeber Halbsatz Hessisches Sammlungsgesetz Hessisches Straßengesetz in Verbindung mit Industrie- und Handelskammer Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Gesetz über den Ladenschluss Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht

Abkürzungsverzeichnis n. F. NGO NJW NJW-RR Nr. NSammlG NStrG NuR NVwZ NVwZ-RR NWVBl. NZV OVG PBefG RdA Rn. SaarlSammlG SaarlStrG SächsGO SächsStrG SammlG M-V SozR StBerG StGB StVG StVO ThürSammlG ThürStrG TierSchG UPR UR U. v. UWG Var. VerwA VGH vgl. VVDStRL VwGO VwGOÄndG VwVfG WRP ZAR ZfBR ZG ZHR ZIP

13

neue Fassung Niedersächsische Gemeindeordnung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Niedersächsisches Sammlungsgesetz Niedersächsisches Straßengesetz Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Oberverwaltungsgericht Personenbeförderungsgesetz Recht der Arbeit Randnummer Saarländisches Sammlungsgesetz Saarländisches Straßengesetz Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen Straßengesetz für den Freistaat Sachsen Sammlungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern Sozialrecht Steuerberatungsgesetz Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Thüringer Sammlungsgesetz Thüringer Straßengesetz Tierschutzgesetz Umwelt- und Planungsrecht Umsatzsteuer-Rundschau Urteil vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Variante Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtshof vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

A. Einleitung Der Erste Senat des BVerfG traf mit dem Elfes-Urteil vom 16. 01. 1957 eine fundamentale und richtungsweisende Entscheidung, die auch heute noch – ein halbes Jahrhundert danach – die Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG in der Rechtsprechung bestimmt. Das Gericht führte damals aus, dass das Grundgesetz mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht nur die Entfaltung innerhalb jenes Kernbereichs der Persönlichkeit gemeint haben könne, der das Wesen des Menschen als geistig-sittliche Person ausmacht. Vielmehr meine Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne 1. An dieser Interpretation hat nicht nur das BVerfG unentwegt festgehalten 2, auch das BVerwG 3, der BFH 4, das BSG 5, der BGH 6 und das BAG 7, kurzum sämtliche Fachgerichtsbarkeiten, sind ihr ausnahmslos gefolgt. Die Anzahl der Entscheidungen, in denen Art. 2 Abs. 1 GG eine Rolle spielte, zeigt dabei eindrucksvoll die praktische Relevanz dieser Verfassungsbestimmung im Rechtsleben auf. Mit der vorliegenden Arbeit soll vor allem die abwehrrechtliche Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess näher untersucht und hinterfragt werden, ob der unmittelbare Rückgriff auf dieses Grundrecht, der in der Verwaltungsrechtsprechung häufig zu beobachten war und nach wie vor zu beobachten ist, mit der Grundrechtsdogmatik in Einklang steht. Von der Betrachtung aus-

1

BVerfGE 6, 32 (36). BVerfGE 12, 341 (347); 20, 150 (154); 25, 371 (407); 54, 143 (146); 55, 159 (165); 59, 275 (278); 63, 88 (108); 65, 196 (210); 70, 1 (25); 75, 108 (154); 80, 137 (152); 90, 145 (171); 91, 335 (338); 97, 332 (340); 106, 275 (304); 109, 96 (109); 110, 141 (167); 110, 370 (394). 3 BVerwGE 39, 77 (78); 40, 347 (351); 65, 362 (364); 84, 287 (291); BVerwG, NVwZ -RR 1995, 83 (84); BVerwGE 98, 163 (179); 104, 154 (160); BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1296); BVerwG, NJW 2004, 2844 (2845). 4 BFHE 73, 387 (394); BFH, HFR 1964, 459 (459); BFHE 93, 102 (111); 124, 480 (483); BFH, UR 1989, 192 (193); BFH, DStR 1998, 1752 (1752); BFHE 189, 413 (419); 196, 185 (190); 203, 263 (265). 5 BSGE 9, 199 (206); 30, 94 (98); 60, 248 (250); 63, 51 (53); 71, 285 (289); BSG, SozR 3–4100 § 111 Nr 17 S. 64; SozR 3–2600 § 2 Nr 5 S. 31; SozR 3–2600 § 70 Nr 6 S. 14; SozR 4–2500 § 266 Nr 5 Rn. 12; SozR 4–2600 § 260 Nr 1 Rn. 10; SozR 4–7190 § 1 Nr 1 Rn. 35. 6 BGHZ 79, 111 (115); BGH, JZ 1982, 421 (421); BGHZ 140, 395 (397); 144, 146 (148). 7 BAG, NJW 1986, 2208 (2208); NJW 1990, 3036 (3038); BAGE 70, 337 (344); 76, 155 (166); 78, 56 (65); 82, 173 (176); 95, 221 (226); BAG, BB 2004, 1909 (1911). 2

16

A. Einleitung

geklammert bleibt aufgrund seiner weitgehenden Verselbständigung und seiner spezifischen Verbindung zu Art. 1 Abs. 1 GG allerdings das „Allgemeine Persönlichkeitsrecht“, wenngleich es auch als unbenanntes Freiheitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG seine Wurzeln hat 8. Bevor jedoch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG näher beleuchtet werden kann, muss zunächst geklärt werden, ob die Grundrechte im Verwaltungsprozess überhaupt in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte zum Zuge kommen können und falls dem so sein sollte, unter welchen Voraussetzungen sich ihre normexterne Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entfaltet. Erst nachdem diese Frage geklärt und damit das nötige Fundament für die weiteren Überlegungen geschaffen worden ist, macht eine Auseinandersetzung mit den spezifischen Eigenheiten des Art. 2 Abs. 1 GG Sinn. Dementsprechend widmet sich die Arbeit zunächst – unabhängig vom Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit – der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess 9. Erst im Anschluss daran wird Art. 2 Abs. 1 GG in den Blick genommen und herausgearbeitet, wie der Schutzbereich dieses Grundrechts zu umreißen ist, wann in diesen Schutzbereich eingegriffen wird und in welchem Verhältnis Art. 2 Abs. 1 GG zu den anderen Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes steht 10. Darauf aufbauend kann das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sodann mit den Erkenntnissen zur normexternen Wirkung der Grundrechte im Verwaltungsprozess in Beziehung gesetzt und das Ergebnis mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte abgeglichen werden 11. Um die Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess umfassend würdigen zu können, werden am Ende der Arbeit noch die objektiv-rechtlichen Gehalte dieses Grundrechts in den Blick genommen und erörtert, ob beziehungsweise inwiefern sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Tragen kommen können 12.

8 Vgl. BVerfGE 54, 148 (153); 72, 155 (170); 79, 256 (268); 95, 220 (241);D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 59 ff.; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 86 ff. 9 Siehe B. 10 Siehe C. 11 Siehe D. 12 Siehe E.

B. Die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess Die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte dient der Sicherung des status negativus, also der individuellen Freiheitssphäre, „in welcher die streng individuellen Zwecke durch die freie Tat des Individuums ihre Befriedigung finden“ 1. Unter dem Aspekt der Abwehr kann der Einzelne von der öffentlichen Gewalt verlangen, Übergriffe in den staatsfreien, das Imperium verneinenden Raum zu unterlassen, sofern diese bevorstehen, beziehungsweise zu beseitigen, wenn sie erfolgt sind 2. Auch die neuere Grundrechtsdogmatik, welche auf eine Ausdehnung grundrechtlicher Gehalte drängt, stellt diese Funktion nicht in Frage 3. Während in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG für das verfassungsprozessuale Verfahren ausdrücklich klargestellt ist, dass der Bürger eine Verletzung seiner Grundrechte vor dem BVerfG rügen kann, fehlen solche Vorschriften für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Die in diesem Kontext maßgeblichen Vorschriften der VwGO sprechen nur von den „Rechten“ des Klägers (§§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zwar ist allgemein anerkannt, dass damit (zumindest in erster Linie) subjektive öffentliche Rechte gemeint sind 4, worunter die dem Einzelnen kraft Öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht zu verstehen ist, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen fordern zu können 5. Dieser Definition werden die Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion auch eindeutig gerecht, da der einzelne Bürger unter Berufung auf sie von der öffentlichen Gewalt 1 Vgl. zum negativen Status G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1919, S. 87. Gegen die Jellineksche Statuslehre A. Scherzberg, DVBl. 1989, 1128 (1134 f.). 2 J. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 76; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Auflage 2007, Rn. 58; M. Sachs, in: D. Merten / H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band II, 2006, § 39 Rn. 38; ders., Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, A 4 Rn. 15; B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (61). 3 H. D. Jarass, AöR 120 (1995), 345 (347); I. von Münch, in: ders. / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19 Rn. 17. 4 F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 81; D. Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, 2000, § 18 Rn. 16. 5 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 8 Rn. 2; F.-J. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Rn. 246.

18

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

verlangen kann, Übergriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche zu unterlassen, sofern diese bevorstehen, beziehungsweise zu beseitigen, wenn sie erfolgt sind. Jedoch finden sich solche Rechte nach weit verbreiteter Auffassung nicht nur in den Grundrechten, sondern auch im einfachen Verwaltungsrecht 6. O. Bühler, der als Begründer der klassischen Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten gilt 7, rückte das einfache Gesetz sogar in den Vordergrund. Zwar erkannte er die Grundrechte als „echte subjektive öffentliche Rechte“ an 8 und bezeichnete sie sogar als deren „Prototyp“ 9. Gleichzeitig konstatierte er aber auch ihre weitgehende Bedeutungslosigkeit. Sie seien zum einen vielfach durch spätere Reichs- und Landesgesetze außer Kraft gesetzt oder modifiziert worden, zum anderen habe sie das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung überholt 10. Unter der Geltung des Grundgesetzes hat sich das subjektive öffentliche Recht in einen „eigentümlichen Dualismus“ hineinentwickelt 11. Während auf der einen Seite eine weitgehend verselbständigte Grundrechtslehre steht, deren Augenmerk primär auf die Entfaltung der Grundrechtsdogmatik gerichtet ist, findet sich auf der anderen Seite eine primär im einfachen Verwaltungsrecht verwurzelte Lehre, die in Orientierung an den Grundlagen der Schutznormtheorie nach Weiterentwicklung strebt. Exemplarisch sei nur auf die baurechtliche Nachbarklage verwiesen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob dem Nachbarn grundrechtsunmittelbarer Drittschutz zu gewähren ist. Die Antwort wird in der Grundrechtsdogmatik gesucht, etwa im Eingriffsbegriff 12. Dem stehen vom einfachen Verwaltungsrecht ausgehende Bestrebungen gegenüber, dem einfachgesetzlichen Normprogramm subjektiv-rechtliche Gehalte über die Lehre vom baurechtlichen Rücksichtnahmegebot abzuringen 13. Zu klären ist daher zunächst, 6 Vgl. zu ihrer Identifizierung nach der herrschenden Schutznormtheorie BVerwGE 80, 259 (260); 92, 313 (317); H.-J. Koch / R. Rubel / F. S. M. Heselhaus, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2003, § 8 Rn. 45; F. O. Kopp / U. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2005, Einführung Rn. 71; A. Scherzberg, in: H.-U. Erichsen / D. Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 11 Rn. 9 ff.; H. J. Wolff / O. Bachof / R. Stober / W. Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 43 Rn. 12. 7 U. Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (504). 8 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 129. 9 O. Bühler, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, 3. Aufl. 1929, S. 121 f. 10 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 63, 130 f. 11 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 130 ff.; ders., DVBl. 1986, 208 (212 f.); F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 180 f. 12 Vgl. dazu B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (81) m. w. N. 13 Vgl. BVerwGE 52, 122 (125, 129 ff.) zu § 35 Abs. 3 BBauG; BVerwG, DVBl. 1981, 928 (929 f.) zu § 34 BBauG; BVerwGE 82, 343 (347) zu § 31 Abs. 2 BauGB; BVerwGE 67, 334 (339) zu § 15 Abs. 1 BauNVO.

I. Grundmodelle zur normativen Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte

19

in welcher (oder in welchen) Rechtsquelle(n) das subjektive öffentliche Recht im Verwaltungsprozess zu suchen ist. Erst danach kann eine nähere Auseinandersetzung mit den spezifischen Eigenheiten der jeweiligen Rechtsquelle, etwa dem passenden Eingriffsbegriff, Sinn machen. Den normativen Anknüpfungspunkt bilden dabei die §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 und 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Beziehen sie sich nur auf das einfache Recht als Quelle subjektiver öffentlicher Rechte oder sprechen sie zumindest auch oder gar nur die Grundrechte als Medium derartiger Rechtspositionen an? Mit der bloßen und nicht zu beanstandenden Feststellung, die Grundrechte seien subjektive öffentliche Rechte „par excellence“ 14 ist hier wenig gewonnen, behält diese Feststellung ihre Gültigkeit doch auch dann, wenn die Grundrechte dem Kläger nur im Verfassungsprozess als individuelle Rechtspositionen zur Seite stehen.

I. Grundmodelle zur normativen Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte im Verwaltungsprozess Ausgehend vom „kleinsten und zumindest weitgehend gemeinsamen Nenner in der Diskussion des subjektiven öffentlichen Rechts“ 15, nämlich der Annahme, dass ein solches nur auf einem Satz des objektiven Rechts beruhen kann, kommen für seine normative Verankerung im Verwaltungsprozess drei Möglichkeiten in Betracht. 1. Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts Denkbar wäre, von einem absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts auszugehen, wie ihn vornehmlich R. Wahl präferiert 16. Dann könnten die Grundrechte allenfalls eine mittelbare Rolle bei der Auslegung einfacher Rechtssätze spielen und sich nur über das intermediär transformierende Gesetzesrecht entfal14 M. Ibler, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Stand: Okt. 2002, C Art. 19 IV Rn. 122; F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 121; H. H. Rupp, AöR 88 (1963), 479 (484); M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 37; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 157; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 392; M. Wallerath, NJW 2001, 781 (784); R. Wernsmann, DV 36 (2003), 67 (84). 15 W. Krebs, in: FS für C.-F. Menger, 1985, S. 191 (201). 16 R. Wahl, DVBl. 1996, 641 (642 ff.); ders., in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 49 ff., 75 ff. Vgl. daneben noch A. Blankenagel, DV 26 (1993), 1 (10 ff.); M. Sauthoff, BauR 2000, 195 (199 ff.); R Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. SchmidtAßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 56 ff., 70.

20

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

ten, was als „norminterne Wirkung“ 17 zu bezeichnen ist. Eine davon losgelöste „normexterne Wirkung“ 18 käme den Grundrechten im Verwaltungsprozess nicht zu. Folglich könnten sie auch nicht Quelle subjektiver öffentlicher Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO sein und kämen nicht als verletzte Rechte im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO in Betracht. Ihr subjektiv-rechtlicher Abwehrgehalt könnte allein im Verfassungsprozess fruchtbar gemacht werden. Dies hätte im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG weitreichende Konsequenzen. Beispielsweise könnte dieses Grundrecht die weit verbreitete und in ständiger Rechtsprechung praktizierte Adressatentheorie 19 nicht mehr tragen 20. 2. Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus Dem lässt sich eine Theorie diametral gegenüberstellen, die bei konkreter Betroffenheit eines Grundrechtsträgers im status negativus zur Herleitung subjektiver öffentlicher Abwehrrechte ausschließlich auf die Grundrechte rekurriert und dem einfachen Recht insoweit keine Bedeutung beimisst. Als besonders konsequenter Vertreter dieses Ansatzes ist M. Zuleeg zu nennen 21, der „das ganze Gewirr der

17 Siehe zum Begriff der norminternen Wirkung E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 123 f. (begriffsprägend); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 118 ff.; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 394; R. Wahl, DVBl. 1996, 641 (647). 18 Siehe zum Begriff der normexternen Wirkung E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 125 f. (begriffsprägend); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 284; F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 121 ff.; M. SchmidtPreuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 49; R. Wahl, DVBl. 1996, 641 (647); M. Wallerath, NJW 2001, 781 (784 f.). 19 Vgl. zu dieser Theorie BVerwGE 75, 147 (148); BVerwG, NJW 1988, 2752 (2753); BVerwG, NVwZ 1993, 884 (885); BVerwG, U. v. 5.4.01, Buchholz 115, Nr. 37, 40 (41); BVerwG, DÖV 2004, 166 (166); VGH Kassel, FEVS 12 (1966), 182 (184); OVG Koblenz, GewArch 1993, 289 (290); J. von Albedyll, in: J. Bader / M. FunkeKaiser / S. Kuntze / J. von Albedyll (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2007, § 42 Rn. 98; J. Hüttenbrink, in: W. Kuhla / J. Hüttenbrink / J. Endler, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, D Rn. 59; F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 14 Rn. 75; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 510; B. Kienemund, in: J. Brandt / M. Sachs (Hrsg.), Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2. Aufl. 2003, M Rn. 41; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 383; P. J. Tettinger / V. Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 2005, § 17 Rn. 19; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 280. 20 R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 70. 21 M. Zuleeg, DVBl. 1976, 509 (514 ff.). Vgl. daneben noch R. Bernhardt, JZ 1963, 302 (306 f.); M. Bothe, JZ 1975, 399 (401); W. Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245 (272 f.);

II. Stellungnahme

21

Schutznormtheorie“ beiseite wischen will 22. Die damit einhergehende Aufwertung der Grundrechte und somit auch des Art. 2 Abs. 1 GG auf Kosten des einfachen Rechts ist evident. 3. Theorie von der bipolaren Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte Zwischen diesen beiden Polen steht eine vermittelnde Ansicht, die von einer bipolaren Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte ausgeht und diese sowohl im einfachen Recht als auch in den Grundrechten verortet. Dann stellt sich allerdings die Frage, in welchem Verhältnis diese beiden Rechtskreise zueinander stehen. Die unter diese Meinungsgruppe fallenden Ansichten weisen zwar teils erhebliche Differenzen auf, unterscheiden sich zum Teil aber auch nur in Nuancen. Exemplarisch kann insofern auf H. Maurer 23, T. Koch 24, F. Dirnberger 25 und E. Schmidt-Aßmann 26 verwiesen werden 27. Während die beiden anderen Ansätze entweder den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts negieren oder ihn zum strengen Dogma erheben, geht es hier um eine dazwischenliegende Grenzziehung. Art. 2 Abs. 1 GG käme nach dieser Auffassung grundsätzlich als subjektives öffentliches Recht im Verwaltungsprozess in Betracht, hätte aber das einfache Recht als „Konkurrenten“ neben sich zu berücksichtigen.

II. Stellungnahme Im Folgenden gilt es, die dargelegten Ansätze auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und den eigenen Standpunkt hierzu zu umreißen.

M. Hoffmann, Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, 1969, S. 53 ff.; M. Hoffmann-Becking, DVBl. 1970, 850 (854 f.); ders., JuS 1973, 615 (618); R. Schmidt, NJW 1967, 1635 (1640 f.). 22 M. Zuleeg, DVBl. 1976, 509 (514 f.). 23 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 8 Rn. 10 ff.; ders., DÖV 1975, 217 (224). 24 T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 401 ff. 25 F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 66 f. 26 E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Auflage 2006, Zweites Kapitel Rn. 55 ff. 27 Vgl. auch H. Bauer, AöR 113 (1988), 582 (610), welcher bei der Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte auf eine Gesamtbetrachtung des jeweils in Rede stehenden Rechtsverhältnisses abstellt und daher für eine Verfassungs- und Verwaltungsrecht integrierende Betrachtung plädiert.

22

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

1. Kritische Würdigung der Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts Der Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts liegt die These zugrunde, dass es subjektive öffentliche Rechte im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO nur auf der Ebene des einfachen Rechts geben kann 28. Diese These ist widerlegt, wenn sich Fälle finden lassen, in denen der unmittelbare Rückgriff auf Grundrechte zur Begründung der Klagebefugnis im Verwaltungsprozess unausweichlich ist. a) Verfassungswidrige Ermächtigungsgrundlagen Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Verwaltung in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen hat, obwohl das zum Eingriff ermächtigende postkonstitutionelle Parlamentsgesetz formell oder materiell verfassungswidrig ist. Der Bürger wird dann in seinen Grundrechten verletzt. Denn wie sich bei Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt schon aus diesem, bei den vorbehaltlos garantierten Grundrechten aus einem Erst-Recht-Schluss 29 und dem allgemeinen Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes 30 ergibt, kann ein Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden, wenn er auf einer wirksamen gesetzlichen Grundlage basiert. Daran fehlt es aber gerade, weil verfassungswidrige Gesetze nichtig sind. Da Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG demjenigen, der eine Verletzung subjektiver Rechte durch die öffentliche Gewalt geltend macht, effektiven Rechtsschutz garantiert 31 und die Grundrechte als subjektive öffentliche Rechte zu qualifizieren sind, muss dem betroffenen Bürger in einem solchen Fall der Rechtsweg offen stehen. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG kann er sich zumindest an das BVerfG wenden und dort die Verletzung seiner Grundrechte im Wege der Verfassungsbeschwerde rügen 32. Wie § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG besagt, setzt 28 R. Wahl, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 54. 29 Vgl. stellvertretend V. Epping, Grundrechte, 3. Aufl. 2007, Rn. 80. 30 Dieses Prinzip ist maßgeblich in Art. 20 Art. 3 GG verankert; vgl. BVerfGE 40, 237 (248); 48, 210 (221); 49, 89 (126); BVerwGE 109, 29 (37); R. Herzog, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Sept. 1980, Art. 20 VI Rn. 55; J. Pietzcker, JuS 1979, 710 (712); M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 20 Rn. 114; M. Wehr, JuS 1997, 419 (420); a. A. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 6 Rn. 4. Es verbietet der vollziehenden Gewalt Eingriffe in die Rechts- und Freiheitssphäre des Bürgers ohne gesetzliche Grundlage; vgl. M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 20 Rn. 113; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl. 1984, S. 805. 31 Vgl. BVerfGE 35, 263 (274); 81, 123 (129); 84, 34 (49); 96, 27 (39); H. Hofmann, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 19 Rn. 29 m. w. N.

II. Stellungnahme

23

dies aber die vorherige Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtsweges voraus, sofern ein solcher gegeben ist. Damit kommt § 42 Abs. 2 VwGO (gegebenenfalls analog 33) ins Spiel. Könnte sich der betroffene Bürger im Rahmen dieser Norm nur auf jene subjektiven öffentlichen Rechte berufen, die im einfachen Recht wurzeln, nicht aber auf Grundrechte, so verschlösse sich ihm der Verwaltungsrechtsweg und er müsste sich unmittelbar an das BVerfG wenden, welches eine von ihm erhobene Verfassungsbeschwerde dann nicht mehr unter Berufung auf § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG zurückweisen könnte. Zwar wäre es durchaus denkbar, derartige Fallkonstellationen direkt der Justitiabilität des BVerfG zu unterstellen und dafür spräche sogar, dass dann sogleich das für verfassungsrechtliche Fragen prädestinierte Gericht mit der Sache betraut wäre. Dem stehen jedoch die ratio des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG und der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Sowohl mit dem gesetzlich verankerten Erfordernis der Rechtswegerschöpfung als auch mit dem richterrechtlich geschaffenen Subsidiaritätsprinzip wird bezweckt, das BVerfG zu entlasten, ihm einen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht aufbereiteten Fall zuzuführen und ihm die Rechtsauffassung und Fallanschauung der Fachgerichte zu vermitteln 34. Diese Zwecke würden durch eine grundrechtsunfreundliche Interpretation des § 42 Abs. 2 VwGO, welche die unmittelbare Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zur Folge hätte, konterkariert. Hinzu kommt, dass die Wahrung und Durchsetzung der Grundrechte zunächst und zuvörderst den Fachgerichten obliegt, was in § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG deutlich zum 32 Ob Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG mit dem Begriff „Rechtsweg“ auch das BVerfG und insbesondere das Verfahren der Verfassungsbeschwerde anspricht, ist umstritten. Wie hier P. M. Huber, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 443; M. Ibler, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Stand: Okt. 2002, C Art. 19 IV Rn. 176; W. Krebs, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rn. 63; a. A. F. Mayer, in: FS für F. A. Freiherr von der Heydte, 1977, S. 1067 (1072); U. Ramsauer, in: E. Denninger / W. HoffmannRiem / H.-P. Schneider / E. Stein (Hrsg.), Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Band 2, Stand: Okt. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rn. 85. 33 § 42 Abs. 2 VwGO wird nach weit verbreiteter Auffassung über seinen Wortlaut hinaus nicht nur auf die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angewandt, sondern auch auf andere Klagearten; vgl. J. von Albedyll, in: J. Bader / M. Funke-Kaiser / S. Kuntze / J. von Albedyll (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2007, § 42 Rn. 111; M. Happ, in: E. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 80; F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 62 ff.; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 370 ff.; R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 21 ff. 34 Vgl. BVerfGE 4, 193 (198); 16, 124 (127); 77, 381 (401); 79, 174 (189 f.); 86, 382 (386 f.); BVerfG, NJW 2003, 58 (58); R. Fleury, Verfassungsprozessrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 319; H. Lechner / R. Zuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 5. Auflage 2006, § 90 Rn. 157; P. Sperlich, in: D. C. Umbach / T. Clemens / F.-W. Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 90 Rn. 107.

24

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

Ausdruck kommt und in der Rechtsprechung des BVerfG zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde seine Bestätigung findet 35. Daher muss in Fällen formell oder materiell verfassungswidriger (beziehungsweise für verfassungswidrig gehaltener) Ermächtigungsgrundlagen die Anfechtung der auf ihnen basierenden hoheitlichen Einzelakte unter Berufung auf Grundrechte vor den Verwaltungsgerichten möglich sein. Verfahrensrechtlich wird das BVerfG freilich dennoch einbezogen – entweder im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG, wenn das Verwaltungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage erkennt, oder im Wege der Verfassungsbeschwerde, wenn das Verwaltungsgericht die Norm für verfassungsgemäß erachtet und die Klage letztinstanzlich abweist. Häufig wird sich der Kläger aber auch von den Sachargumenten des Verwaltungsgerichts überzeugen lassen und von der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde absehen, wodurch die Entlastungsfunktion des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG ihre Bestätigung findet. Aus denselben Gründen muss die Berufung auf Grundrechte im Verwaltungsprozess auch dann statthaft sein, wenn sich der Bürger einem Grundrechtseingriff ausgesetzt sieht, der sich auf ein vorkonstitutionelles Parlamentsgesetz gründet, welches mit der Verfassung nicht in Einklang steht. Die ratio des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG streitet dann um so mehr dafür, den Betroffenen zunächst auf den Verwaltungsrechtsweg zu verweisen, da in einem solchen Fall die mit dieser Norm intendierte Entlastungsfunktion noch stärker zum Tragen kommt. Denn den Verwaltungsgerichten steht im Hinblick auf vorkonstitutionelle Gesetze nicht nur die Prüfungs-, sondern auch die Verwerfungskompetenz zu 36. Folglich können sie der Beschwer des klagenden Bürgers effektiv abhelfen, ohne zuvor das BVerfG im Wege einer konkreten Normenkontrolle anrufen zu müssen. Werden grundrechtliche Schutzbereiche in Anwendung untergesetzlicher Normen verkürzt, die gegen die Verfassung verstoßen, so kann nichts anderes gelten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass die Verwaltungsgerichte auch in derartigen Konstellationen zur Verwerfung der betreffenden Rechtssätze befugt sind 37 und somit die Entlastungsfunktion des § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG effektiv 35 Vgl. BVerfGE 49, 252 (258); 107, 395 (414); H. Bethge, in: T. Maunz / B. SchmidtBleibtreu / F. Klein / H. Bethge (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Band 2, Stand: Feb. 2007, § 90 Rn. 377. 36 Grundsätzlich besteht die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG nur für nachkonstitutionelle Gesetze; vgl. W. Meyer, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Band 3, 5. Aufl. 2003, Art. 100 Rn. 13; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 100 Rn. 6, 8; J.-R. Sieckmann, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Aufl. 2005, Art. 100 Abs. 1 Rn. 26; G. Sturm, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 100 Rn. 11. 37 Die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG betrifft nur formelle Gesetze; vgl. B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik

II. Stellungnahme

25

verwirklichen können, sondern vor allem aus einem argumentum a fortiori. Wenn schon bei belastenden Einzelmaßnahmen des Staates auf der Grundlage verfassungswidriger formeller Gesetze die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gilt, so muss dies erst recht gelten, wenn hoheitliche Einzelakte auf der Grundlage von verfassungswidrigen Rechtsverordnungen oder Satzungen in Rede stehen, da diese in der Normenhierarchie unter dem formellen Gesetz rangieren. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, die Verfassungsbeschwerde bei höherrangigen Normen nur als „ultima ratio des Grundrechtsschutzes“ 38 zuzulassen, bei rangniedrigeren Normen aber sofort auf sie zurückzugreifen. Somit ist die Berufung auf Grundrechte zur Begründung der Klagebefugnis und Rechtsverletzung im Verwaltungsprozess jedenfalls dann statthaft, wenn eine als Grundrechtseingriff zu qualifizierende Maßnahme der Verwaltung auf einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage beruht und der Bürger inzidenten Rechtsschutz gegen diese begehrt. Die These der Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts, es könne subjektive öffentliche Rechte im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO nur auf der Ebene des einfachen Rechts geben, ist damit widerlegt. b) Art. 1 Abs. 3 GG Gegen die Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts spricht ferner und vor allem Art. 1 Abs. 3 GG 39. Diese Verfassungsnorm ist als Reaktion auf die Grundrechtslehre in der Weimarer Republik zu verstehen, welche die Grundrechte größtenteils als bloße Programmsätze qualifizierte 40. Sie leitete den Verfassungsstaat der Vergangenheit in den demokratischen Grundrechtsstaat der Gegenwart über 41. Treffend wird sie als „Leitnorm“ 42 und als „Schlüsselnorm für die aktuelle Bewertung der Grundrechte“ 43 bezeichnet. Ihre Bedeutung für die Interpretation der Grundrechte ist folglich hoch zu veranschlagen. Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 100 Rn. 6; A. Rinken, in: E. Denninger / W. HoffmannRiem / H.-P. Schneider / E. Stein (Hrsg.), Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Band 3, Stand: Okt. 2001, Art. 100 Rn. 10; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band III, 2000, Art. 100 Rn. 10. 38 H.-U. Erichsen, Jura 1991, 638 (641); A. Scherzberg, Jura 2004, 513 (516). 39 Vgl. U. Hösch, DV 30 (1997), 211 (220 f.); J. Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2007, Rn. 1057; T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 422. 40 Vgl. G. Robbers, in: D. C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2002, Art. 1 Rn. 81. 41 H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 96. 42 BVerfGE 31, 58 (72). 43 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1178. Auf dessen Begrifflichkeit bezugnehmend R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 160.

26

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

Inhaltlich setzt Art. 1 Abs. 3 GG den erklärten Willen des Verfassungsgebers um, außer Diskussion zu stellen, dass die Grundrechte die gesamte Staatsgewalt als unmittelbar geltendes Recht binden und nicht als bloße Programmsätze zu verstehen sind 44. Mit dem Gebot unmittelbarer Grundrechtsbindung ist die Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts aber kaum in Einklang zu bringen. Nach dieser Theorie sollen sich die Grundrechte im Verwaltungsprozess nur normintern über das intermediär transformierende Gesetzesund Richterrecht entfalten können – mit anderen Worten nur mittelbar. Sie sollen im Verwaltungsprozess hingegen nicht selbst als Quelle subjektiver öffentlicher Rechte in Betracht kommen. Daraus folgt unweigerlich, dass die Exekutive nach der Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts auch nur durch die Vermittlung des einfachen Rechts und damit eben nur mittelbar an die Grundrechte gebunden sein kann. Könnte sie nämlich auch ohne diese Vermittlung an die Grundrechte gebunden sein, so könnte sie die Grundrechte auch unabhängig vom einfachen Recht verletzen. Dann ließe sich aber nicht erklären, warum eine solche Verletzung im Verwaltungsprozess nicht angreifbar sein soll, sondern nur die Verletzung einer Norm des einfachen Rechts. Schließlich wiegt die Verletzung eines Grundrechts prinzipiell schwerer als die Verletzung einer einfach-gesetzlichen oder richterrechtlich geschaffenen Norm. Da die Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts bei näherer Betrachtung zu einer gesetzes- und richterrechtlich vermittelten Grundrechtsbindung der Exekutive führt, Art. 1 Abs. 3 GG aber die unmittelbare Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte vorschreibt, kann dieser Theorie auch deshalb nicht gefolgt werden. c) Zwischenergebnis Das Modell vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts ist zu verwerfen. Somit kommen die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte auch im Verwaltungsprozess zur Geltung. 2. Kritische Würdigung der Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus Der Ansicht, die bei konkreter Betroffenheit eines Grundrechtsträgers im status negativus zur Herleitung subjektiver öffentlicher Rechte ausschließlich auf die Grundrechte rekurrieren will, könnte nur gefolgt werden, wenn die Verfassung

44 Vgl. zur Genese des Art. 1 Abs. 3 GG H.-D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 116 ff.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1191 ff.

II. Stellungnahme

27

dem Gesetzgeber die Befugnis absprechen würde, bei der Ausgestaltung der einfachen Rechtsordnung innerhalb eines gewissen Rahmens über die Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zu disponieren. Verfügte der Gesetzgeber dagegen über diese Befugnis, ließe sich eine solche Theorie nicht halten, da ansonsten jede individualrechtsschutzverneinende Normierung des Gesetzgebers umgangen werden könnte – schließlich könnte der von einer staatlichen Maßnahme konkret betroffene Bürger stets auf die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte zurückgreifen, wenn ihm das einfache Recht subjektive Rechtspositionen vorenthielte 45. Zu klären ist daher an erster Stelle, ob der einfache Gesetzgeber über einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen verfügt. Ist dies zu bejahen, ist die Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus nicht haltbar. Ist dies hingegen zu verneinen, ergibt sich daraus aber keineswegs im Sinne eines Umkehrschlusses die Bestätigung dieser Theorie. Vielmehr müsste dann noch geklärt werden, ob die von der Verfassung in zwingender und abschließender Weise vorgegebenen subjektiven öffentlichen Rechte grundrechtsunmittelbar gelten oder vom Gesetzgeber (dann freilich ohne Gestaltungsspielraum) in einfaches Recht umzusetzen sind. a) Das Verständnis der Verfassung als Grundordnung oder als Rahmenordnung aa) Grundordnung Kein Gestaltungsspielraum käme dem Normgeber zu, wenn die Verfassung als quantitative Grundordnung zu verstehen wäre 46. Von einer quantitativen Grundordnung wird gesprochen, wenn die Ausgestaltung der gesamten Rechtsordnung von der Verfassung bis ins Detail determiniert wird und dieser von der Legislative nur noch im Wege der Interpretation und Auslegung entnommen werden muss. Die Verfassung gibt dem Gesetzgeber dann für jeden erdenklichen Regelungsbereich einen genauen Bauplan in Form eines vollumfänglichen Ge- und Verbotsgefüges vor und überlässt somit keinen Bereich seiner eigenverantwortlichen Entscheidungsfindung 47. Eine deutliche Tendenz in diese Richtung lässt auch ein 45

Vgl. M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Auflage 2005, S. 37, welcher bemerkt, dass „das Konzept eines direkten Durchgriffs auf Grundrechte . . . dem einfachen Gesetzgeber die Entscheidung darüber (nimmt), ob er den Ausgleich kollidierender Privatinteressen subjektiv- oder nur objektiv-rechtlich ausgestaltet“. 46 Nicht zu verwechseln ist die quantitative Grundordnung mit der qualitativen, welche weniger strenge Vorgaben statuiert. Vgl. zu beiden die Darstellung bei R. Alexy, VVDStRL 61 (2002), 7 (14 f.). 47 Vgl. R. Alexy, VVDStRL 61 (2002), 7 (14 f.).

28

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

anderer, als Werttheorem bezeichneter Ansatz erkennen, der in den Grundrechten vornehmlich eine objektive Wertordnung oder – neutraler formuliert – Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens sieht, die als Optimierungs- und Konkretisierungsgebote an den Gesetzgeber adressiert sind und die Ausgestaltung der gesamten Rechtsordnung steuern 48. Je nachdem, welche Stärke diesen Steuerungsimpulsen zugeschrieben wird, welche auf die Verwirklichung der grundrechtlichen Gehalte drängen, verbleibt der Legislative kein oder zumindest kaum Entscheidungsspielraum. Das Verfassungsrecht wird dann „die Disziplin, in der Gesetzgebungspolitik im Gewand der (Verfassungs)Rechtsdogmatik betrieben werden kann“ 49. Nach beiden Ansätzen wird dem Gesetz – zugespitzt formuliert – die Rolle eines mediatisierenden Anwendungs- und Vollzugshelfers der Verfassung zu Teil, dem Eigenständigkeit und Substanz weitgehend fehlen. Der einfache Gesetzgeber kann dann in der Tendenz nicht als autonomes Rechtsetzungsorgan begriffen werden, sondern als ein von heteronomen Grundrechtsdeterminanten gesteuerter Befehlsempfänger. bb) Rahmenordnung Dem steht das Verständnis der Verfassung als Rahmenordnung gegenüber. Bei dieser Sichtweise gibt die Verfassung der Legislative bloß einen Rahmen vor, indem sie ihr einiges verbietet – dies geschieht etwa durch die Ausstattung des Bürgers mit Abwehrrechten –, ihr einiges gebietet – damit sind etwa die Schutzpflichten angesprochen – und den dazwischenliegenden Raum zu ihrer Disposition freistellt 50. Dadurch werden dem Gesetzgeber nur äußerste Grenzen gesetzt und ihm auf diese Weise eigenverantwortlich wahrzunehmende Gestaltungsspielräume innerhalb dieser Grenzen eröffnet 51. Die Verfassung stellt nicht das komprimierte Speichermedium der gesamten Rechtsordnung dar, welches im Wege der Rechtsetzung nur noch entpackt und dekomprimiert werden müsste. Vielmehr fungiert sie als Komplementär des einfachen Rechts, da erst der verfassungsrechtliche Rahmen und seine einfach-gesetzliche Ausformung zusammen das Ganze der Rechtsordnung ergeben 52.

48 Ausführliche Darstellung dieses Ansatzes bei M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 77 ff. 49 R. Wahl, NVwZ 1984, 401 (407). 50 Vgl. R. Alexy, VVDStRL 61 (2002), 7 (14). 51 C. Starck, JZ 1996, 1033 (1038); R. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (507). 52 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 76 f.

II. Stellungnahme

29

cc) Stellungnahme Vor dem Hintergrund der Konsequenzen, die eine als quantitative Grundordnung konzipierte Verfassung für die Rolle der Legislative nach sich zöge, wird schnell ersichtlich, dass sich das Grundgesetz einem solchen Verfassungsverständnis verschließt. Denn das Grundgesetz will den Gesetzgeber keineswegs auf die rein technokratische Position eines Vollzugsorgans reduziert wissen, welches lediglich die in der Verfassung vorfindlich gespeicherte Rechtsordnung herauszulesen und in einfache Rechtssätze zu transformieren hat. Vielmehr weist es ihm die Rolle eines kreativen Architekten zu, der das staatliche Rechtsgebäude in einem schöpferisch-denkenden Prozess kreiert. Dies ergibt sich schon aus den Art. 70 ff. GG, die in komplexer Weise die Gesetzgebung regeln. So wird beispielsweise zwischen den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder differenziert, was überflüssig wäre, wenn sich bereits der Verfassung selbst die Ausgestaltung der gesamten Rechtsordnung entnehmen ließe. Denn welche gesteigerte Relevanz hätte es dann noch, ob der Bund oder die Länder den vorgegebenen Verfassungsinhalt in Form einfach-gesetzlicher Normierung aussprechen dürfen? Zur Verwirklichung landesspezifischer Wünsche und rechtspolitischer Vorstellungen bliebe aufgrund der mangelnden gesetzgeberischen Entfaltungsfreiheit ohnehin wenig oder kein Raum. Und warum sollte ein unmittelbar aus der Verfassung deduziertes Gesetz noch der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder durch seinen Einspruch verzögert beziehungsweise blockiert werden können? Schließlich wäre es in seiner konkreten Gestalt und in seinem konkreten Gehalt von der Verfassung zwingend vorgegeben und die Legislative daher von vornherein ohne Alternative gestellt. Zudem würde durch ein Verfassungsverständnis, welches Gesetzgebungspolitik durch Verfassungsdeduktion ersetzt, das ausbalancierte Gleichgewicht zwischen den Gewalten empfindlich gestört, da mit einer Ausdehnung des materiellen Verfassungsgehalts notwendig auch eine Ausdehnung der Kontrollkompetenzen des BVerfG zu Lasten des parlamentarischen Gesetzgebers einhergeht 53. Letztlich offenbaren auch die Staatszielbestimmungen (beispielsweise Art. 20a GG) und das ausdifferenzierte System der Grundrechtsschranken, dass dem Gesetzgeber ein gewisser Gestaltungsspielraum zustehen muss und die Grundrechte keine abschließende Antwort auf alle Rechtsfragen bereithalten 54. Könnte der Gesetzge53

Vgl. E.-W. Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 2. Aufl. 1992, S. 198 f.; M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 78; R. Wahl, NVwZ 1984, 401 (408). Verschärft wird die Problematik einer Hypertrophie der Judikative gegenüber der Legislative noch dadurch, dass die originäre Aufgabe des BVerfG – nämlich die Verfassungsinterpretation – nicht auf die Auslegung einzelner Regelungen beschränkt ist, sondern auch die Entscheidung über das Grundverständnis der Verfassung selbst umfaßt, wie P. Lerche, BayVBl. 1997, Heft 17 VI (VI) und E.-W. Böckenförde, NJW 1999, 9 (13) feststellen. Von einer Kompetenz-Kompetenz des BVerfG zur Erweiterung seines Einflußbereiches ist dort die Rede. 54 A. Scherzberg, DVBl. 1999, 356 (363).

30

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

ber nur über den Weg der Verfassungsänderung Einfluss auf die Gestaltung der Rechtsordnung nehmen, wäre ihm jede Möglichkeit der Feinnivellierung genommen. Er könnte nicht mehr punktuell, rechtsgebiets- und problemspezifisch auf gesellschaftliche Missstände oder Bedürfnisse reagieren. Das Grundgesetz ist folglich nicht im Sinne einer quantitativen Grundordnung zu verstehen. Der Legislative kommt bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts vielmehr ein von den verfassungsrechtlichen Vorgaben begrenzter Gestaltungsspielraum zu. Ihr ist aufgegeben, den Ausgleich zwischen den Individualinteressen der Bürger auf der einen Seite und dem Allgemeininteresse auf der anderen sowie zwischen den konfligierenden Individualinteressen untereinander herzustellen. Die konkrete Art und Weise dieses Ausgleichs wird von der Verfassung nicht verbindlich vorentschieden 55, sie ist „nicht so sehr konkretes wie konzentriertes Recht“ 56. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus zu verwerfen ist. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn dem Gesetzgeber nicht nur bei der Ausgestaltung der einfachen Rechtsordnung in sachlich-inhaltlicher Hinsicht eine gewisse Dispositionsfreiheit zustünde, sondern gerade auch im Hinblick auf die Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen. Nur dann ließe sich eine Theorie, die bei konkreter Betroffenheit eines Grundrechtsträgers stets auf die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte rekurrieren will, nicht mehr halten, da sie jede individualrechtsschutzverneinende Normierung des Gesetzgebers überspielen würde. b) Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen Gegen eine Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers im Hinblick auf die Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen und für einen extensiven Rückgriff auf Grundrechte bei konkreter Betroffenheit des Klägers in eigenen Angelegenheiten spricht, dass die Durchsetzungskraft der objektiven Rechtsgehalte wesentlich erhöht wird, wenn dem Bürger weitreichende Klagemöglichkeiten zugestanden werden. Denn die Zuerkennung subjektiver öffentlicher Rechte bewirkt nicht nur den effektiven Schutz individueller Rechtspositionen, sondern bedeutet gegenüber der Statuierung bloß objektiver Gebote zugleich auch ein höheres Maß an Normrealisierung 57. Dies illustriert die Einführung der altruis-

55

Ebenso T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 402 f. P. Lerche, DVBl. 1961, 690 (692); dem folgend J. Ruthig, in: ders. / S. Storr (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005, Rn. 14; E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, Erstes Kapitel Rn. 18. 56

II. Stellungnahme

31

tischen Verbandsklage in das BNatSchG, welche der Reduzierung von Vollzugsdefiziten dient, die infolge eines Mangels subjektiv-rechtlich aufgeladener Normen im Naturschutzrecht entstanden sind 58. Zwar gebietet bereits der in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Vorrang des Gesetzes, an den die vollziehende Gewalt gebunden ist, eine ausnahmslose und vollumfängliche Beachtung aller verfassungsgemäßen Rechtssätze. Es lässt sich aber angesichts der zahllosen, erfolgreich geführten Klagen des Bürgers nicht bezweifeln, dass diesem verfassungsrechtlichen Postulat in der Rechtswirklichkeit nicht immer Rechnung getragen wird. Der mit weitreichenden Klagemöglichkeiten einhergehende Nebeneffekt einer erhöhten Durchsetzungskraft objektiver Normgehalte ist daher positiv zu bewerten. Jedoch ist der Preis, mit dem dieser Effekt erkauft wird, höher als sein Nutzen und letztlich mit der Verfassung nicht zu vereinbaren. Fördert der extensive Rückgriff auf Grundrechte im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) auf den ersten Blick noch die Sicherung grundrechtlicher Freiheit, weil er dem Bürger umfassende Abwehrmöglichkeiten vermittelt, sofern dieser in rechtswidriger Weise in eigenen Angelegenheiten konkret betroffen ist, so hemmt und erschwert er auf den zweiten Blick die Ausübung grundrechtlicher Freiheit. Dies wird in horizontalen Verwaltungsverhältnissen besonders deutlich und soll anhand der Dreieckskonstellation einer Nachbarklage im öffentlichen Baurecht exemplifiziert werden. Plant der Bauwillige von seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Gebrauch zu machen, indem er auf seinem Grundstück eine Fabrik errichtet, wird die konkrete Betroffenheit seines Nachbarn in der Regel nicht zu verneinen sein. Da es auf die Verletzung drittschützender Normen nach der Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus gerade nicht mehr ankommen soll 59, wäre es dem Nachbarn folglich möglich, die für das Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter Berufung auf seine Grundrechte vor den Verwaltungsgerichten vollumfänglich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Der Bauwillige sähe sich somit den Klagemöglichkeiten des Nachbarn und gegebenenfalls sogar weiterer Personen – das Merkmal der konkreten Betroffenheit in eigenen Angelegenheiten ist schließlich wenig restriktiv – gegenüber. Dies würde seine Bereitschaft, von seiner grundrechtlich verbürgten Baufreiheit Gebrauch zu machen, faktisch beschränken. Der Einwand, die Klage seines Nachbarn zeitige nach § 212a Abs. 1 BauGB keinen Suspensiveffekt, würde hieran wenig ändern, da ihm gleichwohl das Risiko bliebe, im Falle einer Niederlage vor Gericht auch noch mit den Kosten eines Rückbaus belastet zu werden. Wenn dem Bauwilligen die Verwirklichung

57 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 414; H. H. Klein, DVBl. 1994, 489 (493). 58 E. Gassner, in: ders. / G. Bendomir-Kahlo / A. Schmidt-Räntsch / J. Schmidt-Räntsch (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. 2003, § 61 Rn. 2; T. Wilrich, in: U. Marzik / T. Wilrich (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, 2004, § 61 Rn. 1. 59 M. Zuleeg, DVBl. 1976, 509 (514 f.).

32

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

seiner grundrechtlichen Freiheit zwar auch nach der Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus rechtlich unbenommen bleibt, so schrumpft sie faktisch doch ganz erheblich zusammen, da der Gebrauch seiner Freiheit in nicht unerheblichem Maße mit Prozessrisiken belastet wird. Dies wäre freilich nicht weiter zu beanstanden, wenn sich seine Belastung mit guten Gründen rechtfertigen ließe. Das ist aber gerade nicht der Fall. Zum einen sind berechtigte Interessen des Nachbarn, die derart weitgefasste Klagemöglichkeiten rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich – weshalb sollte der Nachbar etwa eine Baugenehmigung mit Erfolg anfechten können, die lediglich deshalb rechtswidrig ist, weil bestimmte Fenster des geplanten Bauwerks nicht gefahrlos gereinigt werden können (Art. 38 Abs. 2 S. 1 BayBO) 60? Zum anderen vermag auch der oben ins Spiel gebrachte Aspekt, über die Einräumung weitreichender Klagemöglichkeiten könne die Durchsetzungskraft der objektiven Rechtsgehalte signifikant erhöht werden, bei genauerer rechtlicher Betrachtung nicht zu überzeugen. Denn dieses Argument läuft auf die Etablierung der Popularklage hinaus, welche dem deutschen Rechtsschutzsystem fremd ist, wie Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und die §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 VwGO zeigen 61. So stellt das Interesse an einer möglichst lückenlosen Beachtung der Rechtsordnung durch die öffentliche Gewalt ein Allgemeininteresse dar, dessen Sachwalter der Bürger würde, wenn er über den grundrechtlichen Hebel – lediglich gefiltert durch das grobe Sieb der konkreten Betroffenheit – mit Erfolg auch Verstöße gegen solche Rechtsnormen rügen könnte, die ersichtlich in keinerlei Beziehung zu seiner Person stehen. Der isoliert betrachtet positive Nebeneffekt eines extensiven Rückgriffs auf Grundrechte im Verwaltungsprozess – die Erhöhung der Durchsetzungschancen der objektiv-rechtlichen Normgehalte – kann daher bei Gesamtbetrachtung nicht in einen Vorteil verwandelt werden. Vielmehr gilt es, den damit einhergehenden und schwerer wiegenden Nachteil einer faktischen Entwertung grundrechtlicher Freiheit sowie die systemfremde Etablierung der Popularklage zu vermeiden. Dafür eignet sich in besonderem Maße ein Ansatz, der dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf die Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen einen (verfassungsrechtlich begrenzten) Gestaltungsspielraum zugesteht und die Klagebefugnis nicht schon bei konkreter Betroffenheit des Klägers in eigenen Angelegenheiten über den Hebel der Grundrechte bejaht. 60 Sehr plastisch ist ferner das Beispiel von J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 2. Aufl. 1997, S. 186. 61 Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG bezieht sich auf die Verletzung subjektiver Rechte und trifft daher eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz; ebenso W. Krebs, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rn. 58; E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; J. F. Schwachheim, in: D. C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2002, Art. 19 IV Rn. 162. Diese Systementscheidung wird von §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 VwGO lediglich nachvollzogen.

II. Stellungnahme

33

Denn nach einem solchen Ansatz kann der Gesetzgeber die Normen des einfachen Rechts (innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen) auch rein objektivrechtlich ausgestalten und auf diesem Wege die Klagemöglichkeiten des Nachbarn begrenzen. So wird ein feinnivellierter Interessenausgleich möglich, der zwischen dem Interesse des Bauwilligen, sein Vorhaben ungehindert zu realisieren, und dem berechtigten Interesse des Nachbarn vermittelt, die Realisierung solcher Vorhaben zu verhindern, die gegen Normen verstoßen, welche seine Sphäre nicht nur völlig unwesentlich berühren. Für einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum in subjektiv-rechtlicher Hinsicht spricht auch noch eine andere Überlegung: Wenn der Gesetzgeber schon befugt ist, dem Bürger eine Freiheitsposition in objektiv-inhaltlicher Hinsicht zu entziehen, indem er dessen Grundrechte durch ein den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügendes Gesetz einschränkt, dann muss es ihm erst recht gestattet sein, dem Bürger diese Position zu belassen, ihm aber die Möglichkeit der rechtlichen Durchsetzbarkeit zu nehmen. Denn dies stellt gegenüber dem Vollentzug lediglich ein Weniger dar. Das soll anhand der bauordnungsrechtlichen Regelungen zur Abstandsfläche exemplifiziert werden: Dem Gesetzgeber kommt unbestritten die Aufgabe zu, die von den Bauherrn einzuhaltenden Abstandsflächen normativ festzulegen. Er ist dabei an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden, die ihm insbesondere eine unverhältnismäßige Ausgestaltung verbieten. Die genaue Meterzahl der festzulegenden Abstandsflächen lässt sich der Verfassung aber nicht entnehmen, weshalb der Normgeber über einen gewissen Gestaltungsspielraum innerhalb der verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen verfügt. Diese Grenzen geben ihm vor, eine bestimmte Tiefe nicht zu unter- beziehungsweise nicht zu überschreiten. Beispielsweise wäre es ebenso unverhältnismäßig, stets eine Abstandsfläche von 5 cm festzusetzen, wie von 100 m. Welche Grenzen die Verfassung genau vorgibt, mag in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Sie können abstrakt mit X als Mindestmaß und Z als Höchstmaß dargestellt werden. Die Legislative kann sich nun für X, Z oder eine dazwischenliegende Zahl Y entscheiden, nicht aber darf Y  X oder Y  Z sein. Dem Nachbarn, der sich durch das Vorhaben des Bauwilligen gestört fühlt, wird eine Festlegung von Y nahe Z oder gar Z selbst am ehesten zusagen. Wenn es dem Gesetzgeber aber möglich ist, Y nahe X festzusetzen und damit dem Nachbarn objektiv eine ungünstigere Position aufzubürden, dann muss es ihm erst recht möglich sein, ihm die günstigere Position von Y nahe Z einzuräumen, dieser aber die subjektiv-rechtliche Durchsetzbarkeit zu nehmen. Denn dies ist für den Nachbarn weniger einschneidend. Im ersten Fall wird er sich nämlich stets mit einer grenznahen Bebauung abfinden müssen, im zweiten nur, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Missachtung ihrer Gesetzesbindung aus Art. 20 Abs. 3 GG in rechtswidriger Weise die Baugenehmigung entgegen der Abstandsflächenregelung erteilt (bei genehmigungsbedürftigen Vorhaben) oder nicht gegen das Vorhaben einschreitet (bei genehmigungsfreien Vorhaben). Was der Normgeber objektiv-inhaltlich entziehen kann, muss er auch gekürzt um seine subjektiv-rechtliche Durchsetzbarkeit gewähren können.

34

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

c) Zwischenergebnis Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass dem Gesetzgeber nicht nur bei der sachlich-inhaltlichen Ausgestaltung der einfachen Rechtsordnung ein gewisser Gestaltungsspielraum zusteht, sondern auch dann, wenn es um die Einräumung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen geht. Die Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus ist damit nicht in Einklang zu bringen, weil sich mit ihrer Hilfe individualrechtsschutzverneinende Entscheidungen der Legislative umgehen lassen. 3. Präferenz einer bipolaren Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte Nach alledem kann das subjektive öffentliche Recht im Verwaltungsprozess weder ausschließlich dem einfachen Recht noch ausschließlich den Grundrechten entnommen werden. Es ist vielmehr beiden Rechtsquellen immanent. Dies wirft aber unweigerlich die Frage auf, wann das einfache Recht und wann die Grundrechte heranzuziehen sind, wenn es darum geht, zu bestimmen, ob der Kläger im Verwaltungsprozess klagebefugt ist. Da diese Frage unmittelbar das Verhältnis zweier Rechtsquellen zueinander betrifft, kann sie nur in Orientierung am Dogma der Normenhierarchie, das als zentrale Ordnungsmaxime der Rechtsquellen zu verstehen ist, beantwortet werden. Ausgehend von diesem Dogma ist zunächst festzuhalten, dass die Grundrechte in der Normenhierarchie über dem einfachen Recht rangieren. Aus diesem Grund bestimmen sie allein ihr Verhältnis zu den Normen des einfachen Rechts. Daraus folgt zugleich, dass die unterschiedlichen Dogmen des einfachen Rechts, welche den spezifischen Besonderheiten der einzelnen Rechtsgebiete Rechnung tragen, bei der Beantwortung der hier gestellten Frage außen vor bleiben müssen. Entscheidend ist allein die Grundrechtsdogmatik. Dieser lassen sich nun zwei elementare Grundsätze entnehmen, die der weiteren Untersuchung den Weg weisen. Zum einen handelt es sich um den Grundsatz, dass jeder Eingriff in ein Freiheitsgrundrecht die abwehrrechtliche Schutzfunktion des betroffenen Grundrechts eröffnet. Zum anderen um den Grundsatz, dass die Freiheitsrechte durch Gesetz eingeschränkt werden können. Geltung beanspruchen diese Grundsätze für alle Freiheitsrechte, selbst für jene, die ihrem Wortlaut nach vorbehaltlos gewährleistet sind (wie etwa Art. 4 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 3 S. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG). Denn obwohl diese Grundrechte nur im kollidierenden Verfassungsrecht ihre Grenzen finden 62, bedarf es zu ihrer Einschränkung ebenfalls eines Gesetzes 63, welches

62

Vgl. BVerfGE 28, 243 (261); 30, 173 (193); 57, 70 (99); 84, 212 (228); 94, 268 (284); 100, 271 (283); 103, 293 (306); BVerwG, NVwZ 1999, 991 (992).

II. Stellungnahme

35

inhaltlich allerdings darauf fixiert ist, die verfassungsimmanenten Schranken zu konkretisieren 64. Eröffnet nun jeder Grundrechtseingriff die abwehrrechtliche Schutzfunktion des betroffenen Grundrechts und sind die Grundrechte gerade in dieser Primärfunktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte par excellence zu verstehen, so müsste aus dem ersten Grundsatz folgen, dass der Einzelne sich im Verwaltungsprozess immer dann auf seine Grundrechte berufen kann, um seine Klagebefugnis zu begründen, wenn die angegriffene Verwaltungsmaßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Wichtig ist allerdings, bei dieser Erkenntnis nicht stehen zu bleiben, sondern, auf den Konsequenzen des ersten Grundsatzes aufbauend, die Konsequenzen des zweiten Grundsatzes zu ziehen. Wenn nämlich die Grundrechte durch das einfache Recht eingeschränkt werden können, so bedeutet dies nichts anderes, als dass sie auch in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte eingeschränkt werden können. In dieser Erkenntnis liegt der Dreh- und Angelpunkt des hier präferierten Modells, nach dem grundrechtsbeschränkende Gesetze auf zwei verschiedenen Ebenen wirken können. a) Die beiden Ebenen grundrechtsbeschränkender Gesetze aa) Die freiheitsverkürzende Ebene grundrechtsbeschränkender Gesetze Die erste Ebene betrifft die sachlich-inhaltliche Verkürzung grundrechtlicher Freiheit. Auf dieser Ebene geht es allein darum, die Handlungsmöglichkeiten des Bürgers unmittelbar zu begrenzen oder der Exekutive die Befugnis zu einer solchen Begrenzung einzuräumen. Die Legislative intendiert damit, die im Rahmen der grundrechtlichen Schutzbereiche zunächst unbeschränkt bestehende Freiheit des Individuums einzuschränken, um Spannungen und Kollisionen zu vermeiden, die durch einen unbeschränkten Freiheitsgebrauch der Bürger zwangsläufig entstehen würden. Gesetzestechnisch sind es insbesondere die Verbotsgesetze, die auf freiheitsverkürzender Ebene grundrechtseinschränkend wirken.

63 Vgl. BVerfGE 83, 130 (142); BVerwGE 90, 112 (122); R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 262 f.; H. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (47); C. Enders, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C vor Art. 1 Rn. 117; H. D. Jarass, AöR 120 (1995), 345 (372); G. Lübbe-Wolff , Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 94 ff.; I. von Münch, in: ders. / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19 Rn. 57. 64 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 141.

36

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

bb) Die individualrechtsschutzverneinende Ebene grundrechtsbeschränkender Gesetze Auf der zweiten Ebene geht es demgegenüber allein um die Frage, wann die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte vom einfachen Recht eingeschränkt werden. Wie bereits ausgeführt, eröffnet jeder Eingriff in ein Freiheitsgrundrecht die abwehrrechtliche Schutzfunktion des betroffenen Grundrechts, es sei denn, das einfache Recht schränkt diese Funktion ein. Einschränkend wirken einfach-gesetzliche Normen immer dann, wenn sie in verfassungsrechtlich zulässiger Weise rein objektiv-rechtlich ausgestaltet worden sind und somit eine individualrechtsschutzverneinende Aussage treffen. Ebenso wie der Bürger innerhalb der grundrechtlichen Schutzbereiche eine zunächst unbeschränkte Freiheit genießt, die erst durch das einschränkende Gesetz ihre Grenzen findet, steht ihm aus den Grundrechten auch ein zunächst unbeschränktes subjektives öffentliches Abwehrrecht bei rechtswidrigen Eingriffen in diese Schutzbereiche zur Seite, welches gleichermaßen erst durch das einschränkende Gesetz seine Grenzen findet. Im ersten Fall wirkt das einfache Recht auf freiheitsverkürzender Ebene grundrechtseinschränkend, im zweiten Fall auf individualrechtsverneinender Ebene. Die Fragestellung hat aus grundrechtlicher Sicht daher nicht zu lauten: Gewährt das einfache Recht dem Bürger ein subjektives öffentliches Abwehrrecht? Und falls nicht, können die Grundrechte gegebenenfalls lückenschließend wirken? Ein solcher Ansatz wäre nur zutreffend, wenn die Vorschriften des einfachen Rechts die Spitze der Normenhierarchie markieren würden. Aus grundrechtlicher Sicht ist vielmehr zu fragen: Liegt ein Grundrechtseingriff vor? Wenn ja, sind die Grundrechte selbst Quelle subjektiver öffentlicher Abwehrrechte, es sei denn, das einfache Recht hat in verfassungsgemäßer Weise ihre subjektiv-rechtliche Defensivfunktion eingeschränkt. Ob eine verfassungsgemäße Einschränkung vorliegt, hängt davon ab, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen SchrankenSchranken beachtet hat. Denn ebenso wie die Legislative bei der Verkürzung grundrechtlicher Freiheit an Schranken-Schranken gebunden ist, die ihr etwa eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechende Normierung verbieten, ziehen ihr diese Schranken-Schranken auch dann Grenzen, wenn es um die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung einfacher Rechtssätze und damit um die Einschränkung grundrechtlicher Abwehrpositionen geht. Daher darf der Gesetzgeber eine Norm des einfachen Rechts insbesondere nur dann rein objektiv-rechtlich ausgestalten, wenn der damit einhergehende Entzug subjektiv-rechtlicher Grundrechtspositionen einem legitimen Zweck dient, sowie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Mittels dieser verfassungsrechtlichen Kautelen wird sichergestellt, dass Art. 19 Abs. 4 GG, welcher die zu schützenden subjektiven öffentlichen Rechte nicht selbst gewährt, sondern voraussetzt 65, nicht leer läuft, indem der Gesetzgeber die gesamte einfache Rechtsordnung rein objektiv-rechtlich aus-

II. Stellungnahme

37

gestaltet und dadurch die grundrechtliche Defensivfunktion praktisch ins Abseits stellt. Zwar bricht der hier vertretene Ansatz mit dem überkommenen Grundsatz, dass nur ein in jeder Hinsicht rechtmäßiger Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann 66, weil der betroffene Grundrechtsträger nach hier vertretener Auffassung Eingriffe in seine Grundrechte auch dann hinzunehmen hat, wenn diese gegen rein objektiv-rechtlich ausgestaltete Normen des einfachen Rechts verstoßen. Dieser Bruch wird aber durch den Umstand kompensiert, dass die Zulässigkeit einer rein objektiv-rechtlichen Ausgestaltung einfach-gesetzlicher Normen selbst an den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken zu messen ist. Hinzu kommt, dass allein dieser Ansatz sowohl dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der ihm bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechte zusteht, Rechnung trägt als auch der ersten und vornehmsten Aufgabe der Grundrechte, nämlich subjektive öffentliche Abwehrrechte „par excellence“ zu sein. Denn zum einen kann die legislative Entscheidung, dem Bürger ein subjektives öffentliches Recht zu versagen, indem eine Norm des einfachen Rechts rein objektiv-rechtlich ausgestaltet wird, nicht durch den direkten Rückgriff auf Grundrechte konterkariert werden. Zum anderen kann sich der Bürger im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) auf die Abwehrfunktion seiner Grundrechte berufen, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt und das einfache Recht die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte nicht in verfassungsgemäßer Weise einschränkt. Dies jedenfalls dann, wenn das einfache Recht dem Bürger nicht schon seinerseits subjektive öffentliche Rechte vermittelt. Ist eine einfach-gesetzliche Norm nämlich selbst subjektiv-rechtlich aufgeladen, verbietet sich ein Rückgriff auf Grundrechte schon aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts 67. In diesem Fall besteht allerdings auch kein Bedarf, auf die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension der Grundrechte zurückzugreifen, da dem Bürger bereits das einfache Recht Individualrechtsschutz bietet.

65 BVerfGE 15, 275 (281); 61, 82 (110); 84, 34 (49); 103, 142 (156); BVerwGE 84, 375 (377); S. König, Drittschutz, 1993, S. 195; J. Masing, in: W. Hoffmann-Riem / E. SchmidtAßmann / A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2006, § 7 Rn. 126; W.-R. Schenke, in: R. Dolzer / K. Vogel / K. Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 4, Stand: Dez. 1982, Art. 19 Abs. 4 Rn. 287; E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 119. 66 Vgl. zu diesem Grundsatz G. Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl. 2007, Rn. 178 f. 67 Vgl. zum Anwendungsvorrang des einfachen Rechts H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 78; M. Happ, in: E. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 90; U. Hösch, DV 30 (1997), 211 (220); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 118; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 8 Rn. 11; U. Schliesky, DVBl. 1999, 78 (85).

38

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

Vor dem Hintergrund, dass nach hier vertretener Auffassung jede subjektivrechtlich aufgeladene Norm die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte verdrängt und jede (in verfassungsgemäßer Weise) rein objektiv-rechtlich ausgestaltete Norm die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte einschränkt, können die Grundrechte nur noch in zwei Fällen normextern wirken: Zum einen, wenn der Gesetzgeber einen Lebensbereich keiner oder nur einer nichtigen einfach-gesetzlichen Normierung zugeführt hat. Dann sind von vornherein keine einfach-gesetzlichen Normen vorhanden, welche die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion einschränken oder verdrängen könnten. Dies ist im Hinblick auf die Lücken auch bei lückenhaften Gesetzen der Fall. Zum anderen wirken Grundrechte normextern, wenn die rein objektivrechtliche Ausgestaltung einer Norm nicht den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken entspricht und daher als verfassungswidrig zu qualifizieren ist. Dann vermag die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung der Norm, die subjektivrechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte nicht wirksam einzuschränken. b) Das subjektive öffentliche Recht im einfachen Recht Da nach hier vertretener Auffassung jede (in verfassungsgemäßer Weise) rein objektiv-rechtlich ausgestaltete Norm die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte einschränkt und nach bisheriger Lesart die weitaus meisten Normen des Verwaltungsrechts rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind, liegt auf den ersten Blick der Schluss nahe, dem Bürger werde mit der hier präferierten Sichtweise in großem Umfang die Möglichkeit genommen, Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu suchen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Trugschluss, da nach dem hier vertretenen Ansatz weit mehr Normen als subjektiv-rechtlich aufgeladen zu qualifizieren sind, als unter der Ägide der Schutznormtheorie in ihrer bislang praktizierten Form. aa) Die Korrekturbedürftigkeit der Schutznormtheorie Auf die von O. Bühler 68 begründete und von O. Bachof 69 weiterentwickelte Schutznormtheorie wird bis heute in der Rechtsprechung zurückgegriffen, um die subjektiv-rechtlich aufgeladenen Normen zu identifizieren und von den rein objektiv-rechtlichen zu unterscheiden 70. Nach der Schutznormtheorie verleiht eine Norm dem Bürger dann ein subjektives öffentliches Recht, wenn sie nicht nur den 68 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21. 69 O. Bachof, in: GS für W. Jellinek, 1955, S. 287 (294 ff.). 70 BVerwGE 72, 226 (229 f.); 80, 259 (260); 92, 313 (317); BVerwG, NVwZ-RR 1996, 537 (537); OVG Münster, NVwZ 2006, 481 (481).

II. Stellungnahme

39

Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch seinen Individualinteressen zu dienen bestimmt ist 71. Zur Entscheidung der Frage, ob ein Rechtssatz nur dem Interesse der Allgemeinheit oder auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist, griff die ältere Schutznormtheorie vorrangig auf die Gesetzesmaterialien und damit auf den Willen des Gesetzgebers zurück 72. Demgegenüber räumen die neueren Ansätze dem Willen des Normgebers keine herausgehobene Stellung mehr ein 73. Sie sehen in der Schutznormtheorie vielmehr „eine Sammelbezeichnung für einen Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll“ 74. Dem kann indes nur gefolgt werden, wenn sich den Gesetzesmaterialien der legislative Wille nicht entnehmen lässt. Dies dürfte der Regelfall sein. Kann der Wille des Gesetzgebers jedoch ermittelt werden, so ist dieser allein maßgeblich, da dem Gesetzgeber nach der hier vertretenen Auffassung die Befugnis zusteht, innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen über die Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zu disponieren. Dies ist zum einen von Bedeutung, weil der Gesetzgeber auch Normen, die Individualinteressen schützen, rein objektiv-rechtlich ausgestalten kann und zum anderen, weil er befugt ist, auch solche Normen subjektiv-rechtlich aufzuladen, die keine Individualinteressen schützen. Letzteres etwa, um den Bürger für die Durchsetzung beziehungsweise Förderung öffentlicher Interessen zu mobilisieren, beispielsweise, um Vollzugsdefiziten im geltenden Recht zu begegnen 75.

71 Vgl. M. Happ, in: E. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 86; F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 83; H. von Nicolai, in: K. Redeker / H.-J. von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2004, § 42 Rn. 102; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 158; C. Sennekamp, in: M. Fehling / B. Kastner / V. Wahrendorf (Hrsg.), Verwaltungsrecht VwVfG · VwGO, 2006, § 42 VwGO Rn. 59; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 386. 72 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 44 f. 73 Vgl. zu beiden Ansätzen H. Bauer, AöR 113 (1988), 582 (587 ff.); ders., in: D. Heckmann / K. Meßerschmidt (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 (119 ff.); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 83; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage 2006, § 42 Rn. 387 f. 74 E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Februar 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 128. 75 Zu Recht weist J. Masing, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann / A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2006, § 7 Rn. 102 ff. darauf hin, dass subjektive öffentliche Rechte im modernen Verwaltungsrecht nicht nur im individuellen Interesse, sondern auch zur Durchsetzung von öffentlichen Interessen eingeräumt werden können. Auch E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, Zweites Kapitel Rn. 74 erkennt an, dass Einzelpersonen Klagerechte zum Schutz allgemeiner Rechtsdurchsetzungsinteressen eingeräumt werden können, plädiert

40

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

Vor dem Hintergrund, dass es bezüglich des subjektiv-rechtlichen Gehalts einer Norm keine Indifferenz oder Neutralität geben kann 76, jede Norm also entweder ein subjektives öffentliches Recht gewährt oder vorenthält, ergibt sich aus der Schutznormtheorie zwangsläufig nicht nur, welche Normen subjektiv-rechtlich aufgeladen sind, sondern auch, welche Vorschriften rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind. Gemessen an den Maßstäben der Schutznormtheorie zeigt sich indes, dass die weitaus meisten Normen des Verwaltungsrechts dem Bürger kein subjektives öffentliches Recht vermitteln, da sie ausschließlich Allgemeininteressen zu dienen bestimmt sind. Subjektiv-rechtlich aufgeladene Normen stellen daher bislang nicht die Regel, sondern die Ausnahme dar. Dies führt mitunter zu erheblichen Problemen, wie beispielsweise die Vollzugsdefizite im Umweltrecht belegen, welche zumindest auch auf die fehlenden Möglichkeiten Privater zurückzuführen sind, die Einhaltung umweltrechtlicher Normen einzuklagen 77. Um die Probleme zu verdeutlichen, die mit einer Theorie einhergehen, welche den Normen des einfachen Rechts in der Regel nur eine objektiv-rechtliche und keine subjektiv-rechtliche Wirkung beimisst, kann ferner auf den defizitären Rechtsschutz privater Wirtschaftssubjekte verwiesen werden, die sich gegen die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden wenden. Zwar sind detaillierte Regelungen darüber, wann die Gemeinden sich wirtschaftlich betätigen dürfen, in den Gemeindeordnungen der Länder vorhanden 78. Drittschützender Natur sind diese Regelungen nach Meinung der überwiegenden Rechtsprechung, welche sich an der Schutznormtheorie orientiert, allerdings nicht 79. Es wird argumentiert, die kommunalrechtlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden dienten ausschließlich der Wahrung öffentlicher Interessen und dem Schutz der Gemeinden vor den Gefahren einer

jedoch dafür, diese Klagerechte von der Kategorie des subjektiven Rechts getrennt zu halten. 76 U. Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (530). 77 In diesem Sinne G. Lübbe-Wolff , NuR 1993, 217 (228); vgl. zu den sonstigen Ursachen der Vollzugsdefizite A. Lorenz, UPR 1991, 253 (254 ff.); R. Schmidt / W. Kahl, Umweltrecht, 7. Aufl. 2006, § 1 Rn. 85. 78 Art. 87 BayGO, § 121 HGO, § 102 GO BW, § 97 SächsGO, § 107 GO NW, § 108 NGO. 79 So BVerwGE 39, 329 (336); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153); VGH Mannheim, NJW 1984, 251 (252); NJW 1995, 274 (274); VGH Kassel, DÖV 2005, 210 (211); OLG Karlsruhe, NVwZ 2001, 712 (713 f.). Anders VerfGH Rh.-Pf., DVBl. 2000, 992 (995); OVG Münster, NVwZ 2003, 1520 (1521 f.). Siehe zu den wesentlichen Entscheidungen in diesem Zusammenhang die Darstellung bei J. Ipsen, ZHR 170 (2006), 422 (436 ff.). Die Literatur ist gespalten; vgl. J. Gerke, Jura 1985, 349 (355 f.); D. Ehlers, DVBl. 1998, 497 (501); M. Pagenkopf, GewArch 2000, 177 (183 f.); W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416 (446); R. Hauck, WRP 2006, 323 (324 ff.). Siehe zum Ganzen auch die weiteren Nachweise bei T. Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 224 Fn. 197, 198.

II. Stellungnahme

41

unternehmerischen Betätigung 80. Für die privaten Konkurrenten einer wirtschaftlich aktiven Gemeinde hat dies zur Konsequenz, dass sie sich selbst dann nicht mit Erfolg gegen deren wirtschaftliche Betätigung wenden können, wenn die gemeindliche Wirtschaftstätigkeit gegen die kommunalrechtlichen Bestimmungen verstößt und somit rechtswidrig ist. Erst wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die wirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde in unerträglichem Maße eingeschränkt und die Privatunternehmer in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt werden oder gar eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb stattfindet, sollen dem privaten Wettbewerber subjektive öffentliche Abwehrrechte gegen die kommunale Wirtschaftstätigkeit zur Seite stehen – dann aber aus Grundrechten 81. Die Verwaltungsrechtsprechung gewährt den privaten Wirtschaftssubjekten, orientiert an der Schutznormtheorie, folglich erst auf weit zurückgezogener Linie Rechtsschutz. Dies ist insbesondere deshalb bedenklich, weil kommunale Unternehmen private Konkurrenten auch dann empfindlich stören und schädigen können, wenn sie die Konkurrenz nicht auszehren und keinen Verdrängungswettbewerb betreiben, also knapp unterhalb der Schwelle bleiben, ab der die Verwaltungsrechtsprechung den Schutz der Grundrechte aktiviert sieht. Für die privaten Wettbewerber wirkte sich die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte jedoch bis vor wenigen Jahren nicht allzu gravierend aus, da sie zumindest vor den Zivilgerichten Rechtsschutz fanden. Diese argumentierten, die wirtschaftsrechtlichen Bestimmungen der Gemeindeordnungen dienten auch dem Schutz der privaten Wirtschaft gegen eine privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, so dass ein Verstoß gegen diese Bestimmungen gleichzeitig auch sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG a. F. sei 82. Den privaten Wettbewerbern stand danach ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG a. F. zu. Der BGH hat dieser Rechtsprechung allerdings im Jahr 2002 eine Absage erteilt, indem er entschied, dass ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art. 87 BayGO nicht zugleich sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG a. F. ist 83. Damit sind die Möglichkeiten privater Unternehmer, sich gegen die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden zur Wehr zu setzen, auf ein bedenkliches Mindestmaß zusammengeschmolzen. Nur noch in Extremfällen, wenn eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb stattfindet, können sie, gestützt auf ihre Grundrechte, vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz suchen 84. 80

Vgl. VGH Kassel, DÖV 2005, 210 (211) m. w. N. Vgl. BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); VGH München, BayVBl. 1976, 628 (630); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274). 82 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1470 (1471); OLG Hamm, NJW 1998, 3504 (3504 f.); OLG Düsseldorf, NVwZ 2000, 111 (111); LG München, GewArch 1999, 413 (413 ff.). 83 BGHZ 150, 343 (346 ff.). 81

42

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

Würde jedoch nicht (nur) der Schutznormtheorie gefolgt, welche einer subjektiv-rechtlichen Auslegung einfach-gesetzlicher Normen häufig im Wege steht, sondern einer Lehre, welche den Normen des einfachen Rechts nicht nur in Ausnahmefällen subjektiv-rechtliche Wirkung beimisst, ließe sich das vorgenannte Rechtsschutzproblem der privaten Unternehmer über eine subjektiv-rechtliche Auslegung der kommunalrechtlichen Bestimmungen lösen. Aufgrund der Probleme, die sich daraus ergeben, dass die meisten Normen des Verwaltungsrechts nach den Prämissen der Schutznormtheorie keine individualrechtsschützende Funktion aufweisen, kann die Schutznormtheorie nicht der alleinige Indikator subjektiver öffentlicher Rechte auf einfach-gesetzlicher Ebene sein. Vielmehr bedarf es eines übergeordneten Korrektivs, an dessen Maßstäben die Ergebnisse der Schutznormtheorie zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren sind. Völlig zu verwerfen ist die Schutznormtheorie hingegen nicht. Zwar weist sie deutliche Schwächen auf und hat daher zu Recht Kritik auf sich gezogen 85, jedoch konnte die Jurisprudenz trotz einer mehr als hundertjährigen Diskussion der Frage, wie sich das subjektive öffentliche Recht bestimmen lässt, bislang kein tragfähigeres Alternativkonzept anbieten. bb) Die Grundrechtsdogmatik als Korrektiv der Schutznormtheorie Wie bereits dargelegt, gilt der Grundsatz, dass die Grundrechte dem Bürger immer dann als subjektive öffentliche Abwehrrechte zur Verfügung stehen, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt und die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte vom einfachen Recht nicht wirksam eingeschränkt oder verdrängt wird. Zu einer Einschränkung kommt es, wenn eine Norm des einfachen Rechts in verfassungsgemäßer Weise rein objektiv-rechtlich ausgestaltet wurde. Dann soll der Bürger gerade keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf die Einhaltung dieser Norm haben. Verdrängt wird die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts hingegen, wenn eine Norm dem Bürger selbst ein subjektives öffentliches Recht auf ihre Einhaltung gewährt.

84 Es sei denn, der Landesgesetzgeber hat, wie 2005 in Hessen geschehen, eine „echte Subsidiaritätsklausel“ geschaffen und in seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Klausel Drittschutz für private Anbieter entfalten soll. Dann können sich die Verwaltungsgerichte auch und gerade vor dem Hintergrund der Schutznormtheorie einer drittschützenden Auslegung nicht mehr verschließen. Vgl. zur Reform der HGO und zur Intention des hessischen Landesgesetzgebers im Hinblick auf die Frage des Drittschutzes T. Rahner, HGZ 2006, 70 (71 f.). 85 Eine umfangreiche Zusammenstellung kritischer Veröffentlichungen findet sich bei H. Bauer, AöR 113 (1988), 582 (585 Fn. 11).

II. Stellungnahme

43

Ist letzteres nach den Prämissen der Schutznormtheorie der Fall, so ergeben sich für den klagenden Bürger im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) keine Probleme. Das einfache Recht vermittelt ihm dann die Klagebefugnis. Es besteht keine Notwendigkeit für eine Korrektur. Anders gestaltet sich die Sachlage aber unter Umständen, wenn die verletzte Norm vor dem Hintergrund der Schutznormtheorie rein objektiv-rechtlich zu verstehen ist. Denn dann schränkt das einfache Recht nach hier vertretener Sichtweise zugleich die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte ein, so dass dem Bürger grundsätzlich die Klagebefugnis abzusprechen ist. Dieses Ergebnis muss als solches nicht beunruhigen, da die Verfassung mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz getroffen hat 86 und dies zwangsläufig dazu führt, dass der Bürger nicht immer klagen kann, wenn er es möchte. Zu bedenken ist allerdings, dass die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung eines Rechtssatzes nach hier vertretener Auffassung eine Grundrechtseinschränkung darstellt und deshalb die verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, beachtet werden müssen. Dient eine Norm nun ausschließlich Allgemeininteressen, ist sie nach den Vorgaben der Schutznormtheorie also rein objektiv-rechtlich auszulegen, und steht diese Auslegung mit den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken nicht in Einklang, so ist sie verfassungswidrig. Der Norminterpret hat sich in einem solchen Fall die Frage zu stellen, ob eine verfassungskonforme Auslegung der Norm im Sinne ihrer Subjektivierung in Betracht kommt. Lässt sich die Norm verfassungskonform auslegen, gewährt sie selbst dem Bürger das subjektive öffentliche Recht, welches ihn die Hürde der Klagebefugnis überspringen lässt. Scheitert die verfassungskonforme Auslegung, so kann sich der Kläger im Verwaltungsprozess unmittelbar auf seine Grundrechte berufen, da die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung der Norm verfassungswidrig ist und die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte daher nicht wirksam einzuschränken vermag. Dies hat praktisch zur Konsequenz, dass sich der Bürger im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) auf seine Grundrechte berufen und mit ihrer Hilfe die Verletzung eben jener einfach-gesetzlichen Norm rügen kann, die aus dem Blickwinkel der Schutznormtheorie betrachtet rein objektiv-rechtlich ausgelegt wurde. Auf diese Weise wird das Ergebnis der Schutznormtheorie korrigiert. Denn nach der Schutznormtheorie gewährt eine rein objektiv-rechtlich zu verstehende Norm dem Bürger gerade kein subjektives öffentliches Recht. Der Einzelne soll die Verletzung einer solchen Norm durch die Verwaltung gerade nicht rügen können. Aus dem Blickwinkel der Grundrechts-

86 Vgl. P. M. Huber, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 344; W. Krebs, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rn. 58; E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; J. F. Schwachheim, in: D. C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2002, Art. 19 IV Rn. 162.

44

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

dogmatik betrachtet, muss dieses Ergebnis aber korrigiert werden, wenn es mit den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken nicht in Einklang zu bringen ist. Die Grundrechtsdogmatik lässt sich folglich als Korrektiv der mitunter defizitären Schutznormtheorie heranziehen, wobei sich die Korrektur entweder im Wege verfassungskonformer Auslegung vollzieht oder über die normexterne Wirkung der Grundrechte. c) Verwaltungsgerichtliche Prüfung der Klagebefugnis Die Art und Weise sowie die Komplexität der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Klagebefugnis hängt nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis entscheidend vom einfach-gesetzlichen Normbestand ab, auf den das Verwaltungsgericht im konkreten Fall trifft. Insofern ist zwischen drei verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden. aa) Fehlende Normierung Fehlt es an einer gesetzlichen Regelung schlechthin, weil der Gesetzgeber einen Lebensbereich keiner Normierung zugeführt hat, wie dies im Bereich der Leistungsverwaltung (etwa bei der Vergabe von Subventionen) mitunter der Fall ist, so scheidet das einfache Recht nicht nur von vornherein als Quelle subjektiver öffentlicher Rechte für den Kläger aus. Vielmehr sind auch keine einfach-gesetzlichen Normen vorhanden, welche die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte einschränken oder verdrängen könnten. Ebenso verhält es sich, wenn zwar eine gesetzliche Regelung geschaffen wurde, diese aber im Ganzen verfassungswidrig und daher nichtig ist (etwa weil dem Bundes- oder Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz fehlt). In diesen Fällen kann sich die Klagebefugnis des Klägers mangels (wirksamer) gesetzlicher Regelung nur aus einem normexternen Rückgriff auf seine Grundrechte ergeben 87. Daher stellt sich für die Verwaltungsgerichte ausgehend von der Möglichkeitstheorie 88 im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis einzig die Frage, ob von vornherein und nach

87 Vgl. zum unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte bei fehlender gesetzlicher Normierung W. Henke, in: FS für W. Weber, 1974, S. 495 (502); D. Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, 2000, § 18 Rn. 28; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 49 f.; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 163 a. E.; R. Wernsmann, DV 36 (2003), 67 (87). 88 Vgl. zur Möglichkeitstheorie BVerwGE 44, 1 (3); 68, 241 (242 f.); 75, 147 (154); 82, 246 (249); 92, 32 (35); 95, 133 (134); 95, 333 (334 f.); H.-U. Erichsen, Jura 1989, 220 (220); M. Happ, in: E. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 93; F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 14 Rn. 143; F. O. Kopp / W.R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 66; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 494.

II. Stellungnahme

45

jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden kann, dass die angegriffene staatliche Maßnahme den Kläger in seinen Grundrechten verletzt. Nicht auszuschließen ist eine solche Grundrechtsverletzung schon dann, wenn die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise einen Grundrechtseingriff darstellt. Sofern sich nämlich im Rahmen der Begründetheitsprüfung zeigen sollte, dass die angegriffene staatliche Maßnahme tatsächlich als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist, impliziert dies bereits die Grundrechtsverletzung, da ein Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden kann, wenn er auf einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage beruht und es an einer solchen in den hier thematisierten Fallkonstellationen gerade fehlt. Hat ein Lebensbereich also von vornherein keine Normierung erfahren oder ist die geschaffene Normierung im Ganzen nichtig, so folgt aus dem Vorstehenden, dass sich die Verwaltungsgerichte bei der Prüfung der Klagebefugnis darauf beschränken können zu ermitteln, ob die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise einen Grundrechtseingriff darstellt. Im Rahmen der Begründetheitsprüfung bleibt sodann nur noch zu prüfen, ob tatsächlich ein Grundrechtseingriff vorliegt. Zu beachten ist allerdings, dass zusätzlich noch das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG angerufen werden muss, um die Nichtigkeit der einfach-gesetzlichen Regelung festzustellen, wenn der Gesetzgeber nicht untätig geblieben ist, seine Normierung aber aus verfassungsrechtlichen Gründen im Ganzen nichtig ist. Vorzulegen hat das Verwaltungsgericht ein aus seiner Sicht verfassungswidriges Gesetz aber erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung, weil für die Bejahung der Klagebefugnis bereits die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Kläger ausreichend ist und bei Zweifeln an der Wirksamkeit der gesetzlichen Grundlage eines Grundrechtseingriffs eine Verletzung der Grundrechte des Klägers gerade nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann. bb) Lückenlose Normierung Den Regelfall stellen die soeben erörterten Konstellationen einer von vornherein fehlenden oder im Ganzen nichtigen Normierung freilich nicht dar. In den meisten Fällen finden die Verwaltungsgerichte vielmehr ein lückenloses Normprogramm vor. Der Kläger rügt dann zumeist, die Verwaltung habe einzelne Normen des Verwaltungsrechts missachtet. Aus diesem Grund sei die von ihm angegriffene hoheitliche Maßnahme rechtswidrig. Sind von der Verwaltung tatsächlich eine oder mehrere Vorschriften des gesetzlichen Regelwerks verletzt worden, so ist die Klage des Bürgers zum einen dann begründet, wenn ihm die verletzten Vorschriften einen Anspruch auf ihre Einhaltung vermitteln, wenn sie mit anderen Worten subjektiv-rechtlich aufgeladen sind. Zum anderen ist die Klage aber auch begründet, wenn die verletzten Vorschriften in verfassungswidriger Weise rein

46

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

objektiv-rechtlich ausgestaltet wurden und die angegriffene staatliche Maßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Denn dann sind die verletzten Normen entweder verfassungskonform im Sinne ihrer Subjektivierung auszulegen oder die Grundrechte verschaffen sich, sofern eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich sein sollte, normextern Geltung, indem sie dem Kläger unmittelbar in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte zur Seite stehen. Für die Verwaltungsgerichte folgt daraus, dass sie die Klagebefugnis des Klägers in einem mehrstufigen Verfahren zu prüfen haben. Zunächst haben sie zu ermitteln, ob die Verwaltung möglicherweise gegen eine oder mehrere Normen des einfachen Rechts verstoßen hat. Dies ist in Anlehnung an die Möglichkeitstheorie bereits dann zu bejahen, wenn ein Rechtsverstoß nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden kann 89. Handelt es sich bei der oder den potentiell verletzten Normen ausschließlich um Vorschriften, die nach der Schutznormtheorie als individualrechtsschützend zu qualifizieren sind, so ist die Klagebefugnis ohne weiteres zu bejahen. Wegen des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts darf dann nicht mehr auf Grundrechte zurückgegriffen werden. Steht hingegen ausschließlich die Verletzung von Vorschriften in Rede, die nach der Schutznormtheorie rein objektivrechtlich zu verstehen sind, so ist zu fragen, ob die angegriffene Maßnahme möglicherweise als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Falls nicht, muss die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen werden. Andernfalls ist weiter zu fragen, ob die nach der Schutznormtheorie rein objektiv-rechtlich interpretierten Vorschriften in verfassungsgemäßer Weise die grundrechtliche Abwehrdimension einschränken. Ist dies offensichtlich der Fall, bleibt dem Kläger nichts anderes übrig, als die staatliche Maßnahme hinzunehmen, selbst wenn diese rechtswidrig sein sollte, da die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte dann vom einfachen Recht wirksam eingeschränkt wird. Seine Klage ist dann als unzulässig abzuweisen. Zweifelt das Verwaltungsgericht in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Vorgaben hingegen daran, dass die anhand der Schutznormtheorie gewonnene objektiv-rechtliche Auslegung verfassungsgemäß ist, so hat es die Klagebefugnis zu bejahen. Denn dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der Schutznormtheorie zu korrigieren ist, indem die betreffenden Normen entweder im Sinne ihrer Subjektivierung verfassungskonform ausgelegt werden oder indem die Grundrechte normextern zur Geltung kommen und auf diese Weise die Überprüfung der Einhaltung der betreffenden Normen ermöglichen. Beantwortet werden muss die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der rein objektiv-rechtlichen Auslegung aber erst im Rahmen der Begründetheit und dies auch 89 Direkt anwendbar ist die Möglichkeitstheorie nicht, da sie ausschließlich auf die mögliche Verletzung des Klägers in subjektiven öffentlichen Rechten und nicht auf den objektiven Rechtsverstoß als solchen gerichtet ist; siehe zur Möglichkeitstheorie die Nachweise in B. Fn. 88.

II. Stellungnahme

47

nur, wenn dort zuvor festgestellt worden ist, dass die Verwaltung tatsächlich die betreffenden Normen missachtet hat und die angegriffene Maßnahme tatsächlich einen Grundrechtseingriff darstellt. Verdichten sich nun die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der rein objektiv-rechtlichen Auslegung zur Gewissheit, so hat sich das Verwaltungsgericht zunächst um eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften im Sinne ihrer Subjektivierung zu bemühen. Scheitert dieses Unterfangen, weil die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung erreicht sind, muss das BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG angerufen werden 90. Nur wenn das BVerfG die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts teilt und die anhand der Schutznormtheorie vorgenommene rein objektiv-rechtliche Auslegung ebenfalls für verfassungswidrig hält, können die Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion unmittelbar herangezogen und zugunsten des Klägers fruchtbar gemacht werden. Denn erst die Nichtigerklärung der den Rückgriff sperrenden Wirkung des einfachen Rechts macht den Weg zu den Grundrechten prozessual frei 91. Systematisch kann es sich dabei um eine quantitative oder qualitative Teilnichtigkeit handeln 92. Quantitativer Art ist sie dann, wenn eine Norm expressis verbis ihren objektiv-rechtlichen Charakter zum Ausdruck bringt und nur der verfassungswidrige Satzteil der Norm für nichtig erklärt werden muss, um verfassungsgemäße Zustände zu erreichen. Dies dürfte nur sehr selten vorkommen. Die qualitative Teilnichtigkeit, welche vorliegt, wenn der Wortlaut einer Norm mehrere Regelungen umfasst, die textlich nicht isoliert werden können, wird dementsprechend den größten Teil aller Fälle ausmachen. Das BVerfG erklärt dann den Regelungsgehalt, der den objektiv-rechtlichen Charakter der Norm ausspricht, für nichtig. Zu beachten ist allerdings, dass die Grundrechte den Kläger nur dazu berechtigen, den exekutiven Verstoß gegen jene Normen zu rügen, die aufgrund der Verfassungswidrigkeit ihrer rein objektiv-rechtlichen Ausgestaltung zu bean90

Ist eine verfassungskonforme Auslegung hingegen möglich, steht sie einer Vorlage nach Art. 100 Art. 1 GG entgegen; vgl. BVerfGE 68, 337 (344); 76, 100 (105); 78, 20 (24); 90, 145 (170); BVerfG, NVwZ 1994, 894 (894); H.-B. Brockmeyer, in: B. SchmidtBleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 100 Rn. 12; J. Lüdemann, JuS 2004, 27 (30); K. Schlaich / S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 7. Aufl. 2007, Rn. 145. 91 Materiell-rechtlich besteht zwar keine Sperrwirkung, da verfassungswidrige Normen beziehungsweise verfassungswidrige Normteile ipso iure nichtig sind; vgl. J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980, S. 166; K. Schlaich / S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 7. Aufl. 2007, Rn. 379. Aber die fehlende Verwerfungskompetenz der Verwaltungsgerichte macht die Nichtigerklärung durch das BVerfG bei postkonstitutionellen Parlamentsgesetzen nötig. 92 Vgl. zu diesen beiden Formen der Nichtigkeit M. Graßhof, in: D. C. Umbach / T. Clemens / F.-W. Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 78 Rn. 18 f.; E. Klein, in: E. Benda / E. Klein (Hrsg.), Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 1264; K. Schlaich / S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 7. Aufl. 2007, Rn. 386.

48

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

standen sind. Sie dienen nicht als Schlüssel, um den angegriffenen Hoheitsakt vollumfänglich auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, da Normen, die im Einklang mit der Verfassung rein objektiv-rechtlich auszulegen sind, die subjektivrechtliche Defensivfunktion der Grundrechte einschränken. Zu bemerken ist ferner, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum durch den direkten Rückgriff auf Grundrechte nicht angetastet wird, da der Rückgriff nur zulässig ist, wenn die rein objektiv-rechtliche Auslegung als verfassungswidrig zu beurteilen ist und dementsprechend im Umkehrschluss allein die subjektivrechtliche Ausgestaltung des zu beanstandenden Rechtssatzes verfassungsgemäß gewesen wäre. Der Gesetzgeber hat in einem solchen Fall von vornherein keinen Entscheidungsspielraum. Die soeben dargestellten Konstellationen behandelten Fälle, in denen entweder sämtliche potentiell verletzten Normen nach der Schutznormtheorie subjektivrechtlich aufgeladen oder rein objektiv-rechtlich zu verstehen waren. Dem stehen Mischkonstellationen gegenüber, in denen sowohl die Verletzung subjektivrechtlich aufgeladener wie rein objektiv-rechtlich verstandener Normen möglich erscheint. Der Kläger ist dann mit Blick auf die mögliche Verletzung der individualrechtsschützenden Vorschriften stets klagebefugt. Dies ändert allerdings nichts an der Notwendigkeit, auch im Hinblick auf die rein objektiv-rechtlich interpretierten Rechtssätze seine Klagebefugnis in der soeben dargestellten Weise zu prüfen, also zu fragen, ob die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise einen Grundrechtseingriff darstellt und die rein objektiv-rechtliche Auslegung möglicherweise verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Denn die im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) als möglicherweise verletzt benannten Rechte determinieren unmittelbar den Umfang der Begründetheitsprüfung. cc) Lückenhafte Normierung Die dritte und letzte Konstellation betrifft Fälle, in denen eine gesetzliche Regelung vorliegt, diese aber von vornherein lückenhaft ist oder einzelne Vorschriften enthält, die verfassungswidrig und daher nichtig sind, ohne dass dies die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes nach sich zieht. Bezüglich der vorhandenen respektive wirksamen Vorschriften kann nichts anderes gelten als für die Beurteilung der Klagebefugnis bei einem lückenlosen Gesetz. Individualrechtsschützende Normen begründen einen Anwendungsvorrang des einfachen Rechts und sperren somit den Rückgriff auf Grundrechte. Bezüglich der möglichen Verletzung rein objektiv-rechtlich verstandener Rechtssätze ist zu prüfen, ob die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise einen Grundrechtseingriff darstellt und die Verfassungsmäßigkeit der objektiv-rechtlichen Ausgestaltung zweifelhaft ist. Denn dann kann nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen

II. Stellungnahme

49

werden, dass die nach der Schutznormtheorie rein objektiv-rechtlich verstandenen Rechtssätze im Rahmen der Begründetheit verfassungskonform subjektiv-rechtlich ausgelegt werden oder der Kläger nach einer konkreten Normenkontrolle ihre Einhaltung über den unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte verlangen kann. Was die Gesetzeslücken anbelangt, gilt die oben aufgestellte Maxime, dass die Grundrechte dem Bürger solange bei Grundrechtseingriffen als subjektive öffentliche Abwehrrechte zur Seite stehen, bis sie in dieser Funktion durch das einfache Recht in verfassungsgemäßer Weise eingeschränkt oder verdrängt werden. Im Rahmen der Klagebefugnis ist daher wie in den Fällen einer fehlenden Normierung zunächst zu prüfen, ob möglicherweise ein Grundrechtseingriff vorliegt. Darüber hinaus muss aber zudem gefragt werden, ob der für möglich gehaltene Grundrechtseingriff mit den bestehenden Teilen des lückenhaften Regelwerks prinzipiell gerechtfertigt werden könnte. Ist dies nämlich der Fall, so stellt sich lediglich die Frage, ob sich die Verwaltung an die bestehenden Teile des Normprogramms gehalten hat. Was aber die vorhandenen respektive wirksamen Vorschriften anbelangt, ist das gleiche Prüfungsverfahren zugrunde zu legen, wie bei einer lückenlosen Normierung, wo zwischen der möglichen Verletzung subjektiv-rechtlich aufgeladener und rein objektiv-rechtlich ausgelegter Normen zu differenzieren ist. d) Praktische Relevanz der normexternen Grundrechtswirkung im Verwaltungsprozess Bedenkt man zum einen, dass jeder Rechtssatz, der in verfassungsgemäßer Weise rein objektiv-rechtlich ausgelegt wird oder selbst subjektive öffentliche Rechte gewährt, die subjektiv-rechtliche Defensivfunktion der Grundrechte einschränkt beziehungsweise verdrängt, und vergegenwärtigt man sich zum anderen die hohe Normierungsdichte der Rechtsordnung, so schrumpft die ursprünglich unbeschränkte Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess doch erheblich zusammen. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass selbst in den Fällen, in denen die objektiv-rechtliche Auslegung einer Norm an sich als verfassungswidrig einzustufen wäre, zumeist eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne ihrer Subjektivierung möglich sein wird, was den unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte ausschließt. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG findet die verfassungskonforme Auslegung erst dort ihre Grenzen, „wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde“ 93. Der Wortlaut wird bei der gegenwärtigen Normierungspraxis aber kaum jemals der subjektiv-rechtlichen Auslegung einer Norm ein unüberwindbares Hin93 Vgl. BVerfGE 18, 97 (111); 71, 81 (105); 90, 263 (275); 93, 37 (81). Dem folgend H. Dreier, DV 36 (2003), 105 (110 f.);J. Lüdemann, JuS 2004, 27 (29). Hingegen sollen nach U. Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (531) die Grenzen verfassungskonformer Auslegung erst dann erreicht sein, wenn „der Normgeber subjektive öffentliche Rechte unter allen

50

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

dernis in den Weg setzen. Gleiches gilt für den legislativen Willen, ist dieser, was die Frage nach dem individualrechtsschützenden Charakter einer Vorschrift betrifft, doch nur selten eindeutig zu ermitteln, da sich die Gesetzesmaterialien zu diesem Punkt meist ausschweigen 94. Gleichwohl ist der hier vertretene Ansatz aber nicht mit der Theorie von R. Wahl zu verwechseln. Dieser geht davon aus, dass den Grundrechten im Verwaltungsprozess keine normexterne Wirkung zukommt. Nach seiner Ansicht scheiden die Grundrechte als Quelle subjektiver öffentlicher Rechte im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO völlig aus 95. R. Wahl vertritt folglich die Theorie vom absoluten Anwendungsvorrang des einfachen Rechts. Demgegenüber ist der hier vertretene Ansatz der Theorie von der bipolaren Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte zuzuordnen, da sowohl die Grundrechte als auch das einfache Recht als Quelle subjektiver öffentlicher Rechte im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) in Betracht kommen. Normextern wirken die Grundrechte nämlich immer dann, wenn der Gesetzgeber einen Lebensbereich keiner beziehungsweise nur einer nichtigen einfach-gesetzlichen Normierung zugeführt hat oder wenn die rein objektivrechtliche Ausgestaltung einer Norm nicht den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken entspricht und eine verfassungskonforme Auslegung der Norm im Sinne ihrer Subjektivierung scheitert. Beides mag in Anbetracht der hohen Normierungsdichte und der weitreichenden Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung zwar nur selten der Fall sein. Wie noch zu zeigen sein wird, verbleiben aber durchaus Fälle, in denen die normexterne Grundrechtswirkung zum Tragen kommt. Praktische Relevanz kann den Grundrechten auch im Berufungs- und Revisionsverfahren zukommen. Beispielsweise, wenn ein Verwaltungsgericht zu Unrecht die Verfassungsmäßigkeit der rein objektiv-rechtlichen Auslegung einer Norm bejaht und die Klage infolgedessen mit der Begründung abgewiesen hat, die betreffende Norm sei zwar von der Verwaltung missachtet worden, aufgrund ihrer rein objektiv-rechtlichen Wirkung werde der Kläger dadurch aber nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt. Denn dann verletzt das klageabweisende Urteil zwangsläufig Grundrechte des Klägers, da es die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte zu Unrecht durch das einfache Recht eingeschränkt sieht und die Grundrechte dementsprechend weder normintern bei der Auslegung des

Umständen, d. h. auch für den Extremfall einer Grundrechtsverletzung, habe ausschließen wollen“. 94 Schon O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 45 erkannte, dass den Gesetzesmaterialien „sehr häufig“ keine bestimmte Aussage entnommen werden kann. 95 R. Wahl, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 54: „Subjektive öffentliche Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 existieren nur auf der Ebene des einfachen Rechts“.

III. Ergebnis

51

von der Verwaltung missachteten Rechtssatzes im Sinne seiner Subjektivierung wirken lässt noch normextern (nach einer konkreten Normenkontrolle). Sollten auch das OVG und das BVerwG an der rein objektiv-rechtlichen Auslegung des Verwaltungsgerichts festhalten, bleibt dem Kläger in letzter Konsequenz nur der Gang vor das BVerfG. Dort kann er im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde rügen, die Verwaltungsgerichte hätten bei der rein objektiv-rechtlichen Auslegung des von der Verwaltung missachteten Rechtssatzes verkannt, dass diese Auslegung zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Einschränkung der grundrechtlichen Abwehrfunktion führe und ein auf dieser Auslegung basierendes Urteil deshalb seine Grundrechte verletze.

III. Ergebnis Die Grundrechte stellen nicht nur im Verfassungsprozess, sondern auch im Verwaltungsprozess subjektive öffentliche Abwehrrechte „par excellence“ dar. Der Einzelne kann sich im Rahmen von §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 und § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO allerdings nur dann auf seine Grundrechte berufen, wenn das einfache Recht deren negatorische Defensivfunktion weder einschränkt noch verdrängt. Verdrängend wirken einfach-gesetzliche Normen, wenn sie subjektiv-rechtlich aufgeladen sind. Einschränkend, wenn sie rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind. Ob eine Norm subjektiv-rechtlich aufgeladen ist und somit individualrechtsschützend wirkt, hängt in erster Linie vom Willen des Gesetzgebers ab, da diesem auch im Hinblick auf die Einräumung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen eine gewisse Dispositionsfreiheit zusteht, die nur von der Verfassung und insbesondere von den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken begrenzt wird. Folglich ist insofern die ältere Schutznormtheorie maßgebend. Lässt sich der legislative Wille jedoch nicht ermitteln, weil sich die Gesetzmaterialien über den individualrechtsschützenden Gehalt einer Norm ausschweigen, was die Regel sein dürfte, so ist die Schutznormtheorie in ihrem heutigen Verständnis als Sammelbezeichnung für einen Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll, als Indikator heranzuziehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass jede – nach der Schutznormtheorie – rein objektiv-rechtlich auszulegende Norm die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension der Grundrechte einschränkt und somit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Gelingt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht, weil die Einschränkung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder eine andere Schranken-Schranke missachtet, so ist die rein objektiv-rechtliche Auslegung als verfassungswidrig anzusehen. Die Verwaltungsgerichte haben sich dann zunächst um eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne der Subjektivierung der betreffenden Norm zu bemühen, um das anhand der Schutznormtheorie gewonnene Ergebnis zu korrigieren. Sofern eine verfassungskonforme Auslegung scheitert, was angesichts der weit zurückgezogenen Grenzen dieser Auslegungs-

52

B. Die Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess

direktive nur selten der Fall sein dürfte, ist von den Verwaltungsgerichten das Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuleiten. Erst wenn dieses durchgeführt und die Verfassungswidrigkeit der rein objektiv-rechtlichen Auslegung vom BVerfG festgestellt worden ist, ist der Weg zu den Grundrechten in der Begründetheitsprüfung der Klage frei. Die Grundrechte können im Verwaltungsprozess somit nur in zwei Fällen ihre normexterne Wirkung entfalten (vorausgesetzt, dass auch ein Grundrechtseingriff vorliegt): Erstens, wenn es schlechthin an gesetzlichen Regelungen fehlt, weil der Gesetzgeber entweder einen Lebensbereich von vornherein keiner Normierung zugeführt hat oder die von ihm getroffene Regelung verfassungswidrig und daher im Ganzen nichtig ist. Ein Gesetz, welches die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte einschränken oder verdrängen könnte, ist dann von vornherein nicht vorhanden. Zweitens, wenn zwar eine lückenlose gesetzliche Regelung existiert, diese aber Vorschriften enthält, die nach der Schutznormtheorie entgegen der Verfassung rein objektiv-rechtlich auszulegen sind und sich einer verfassungskonformen Auslegung im Sinne ihrer Subjektivierung entziehen. Die verbleibenden Fälle lückenhafter Normierung bilden demgegenüber keine eigenständige Fallgruppe, da sie sich tatbestandlich aus den Elementen der beiden vorgenannten Fallkonstellationen zusammensetzen und daher im Wesentlichen nach deren Muster elementspezifisch aufzulösen sind.

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG: Schutzbereich, Eingriff und Verhältnis zu anderen Grundrechtsbestimmungen Nachdem nun geklärt ist, wann die Grundrechte im Verwaltungsprozess als unmittelbare Quelle subjektiver öffentlicher Abwehrrechte in Erscheinung treten können, soll im Folgenden Art. 2 Abs. 1 GG in den Blick genommen und untersucht werden, wie weit der Schutzbereich dieses Grundrechts reicht, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit von einem Eingriff in diesen Schutzbereich gesprochen werden kann und in welchem Verhältnis Art. 2 Abs. 1 GG zu den anderen Grundrechtsbestimmungen steht. Dadurch wird die nötige Erkenntnisgrundlage geschaffen, um das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG sodann mit der bereits dargelegten Systematik zur normexternen Wirkung der Grundrechte im Verwaltungsprozess in Beziehung setzen zu können.

I. Schutzbereich 1. Sachlicher Schutzbereich Die in der Literatur vertretenen Ansichten zur Reichweite des sachlichen Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG teilen sich im Wesentlichen in zwei Lager. Während auf der einen Seite diejenigen stehen, die das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit extensiv im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit auslegen 1, fin-

1 Vgl. M. Antoni, in: D. Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. 2007, Artikel 2 Rn. 2; P. Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, C Rn. 108; H. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (20); ders., in: FS für J. Isensee, 2007, S. 613 (614 f.); A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 22 Rn. 8 ff.; G. Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, S. 114, 212 ff.; M. Burgi, Erholung in freier Natur, 1993, S. 236; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 417 f.; C. Degenhart, JuS 1990, 161 (164); T. Dehler, JZ 1960, 727 (728 f.); U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 12 f.; F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 71; A. Dietz, NuR 2003, 477 (480); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 27; V. Epping, Grundrechte, 3. Aufl. 2007, Rn. 538; H.-U. Erichsen, Jura 1987, 367 (368); ders., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 13 ff.; H.-U. Gallwas, Grundrechte, 2. Aufl. 1995, Rn. 283; A. Hamann, BB 1957, 229 (229); C. Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, S. 115 f.; ders., in: D. C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2002, Art. 2 I Rn. 37 f.;

54

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

den sich auf der anderen Seite diejenigen, die eine restriktivere Interpretation bevorzugen und vom Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG nur bestimmte Handlungen (die sich mehr oder weniger weit dem Persönlichkeitskern annähern) umfasst sehen 2.

W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 26; H. Hofmann, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 2 Rn. 3; F. Hufen, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 105 (121 f.); H. Hutzelmann, Die prozessuale Bedeutung des Elfes-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 32), 1970, S. 83 ff.; J. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, 9. Aufl. 2006, Rn. 722; H. D. Jarass, DÖV 1995, 674 (675); ders., in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 3; W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 39; ders, AöR 131 (2006), 579 (611 ff.); F. Klein, BayVBl. 1971, 125 (125); H. Kube, JuS 2003, 111 (111 f.); P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 12 ff., 93; J. Lege, Jura 2002, 753 (755, 757); J. F. Lindner, NJW 1998, 1208 (1208 ff.); ders., Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 193 ff.; D. Lorenz, in: FS für H. Maurer, 2001, S. 213 (213 f.); G. Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl. 2007, Rn. 205; H. Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 9 Rn. 8; D. Merten, JuS 1976, 345 (345 f.); O. Model / K. Müller, Grundgesetz, 11. Aufl. 1996, Art. 2 Rn. 4; D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 43; J. Pelka, DVBl. 1970, 887 (888); B. Pieroth, AöR 115 (1990), 33 (44); ders. /B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 368; A. Reich, Magdeburger Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 2 [Freiheitsrechte] Rn. 1; M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 2 Rn. 12; W.-R. Schenke, JuS 1987, L 65 (L 66 f.); F. E. Schnapp, NJW 1998, 960 (960); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 8 ff.; K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1, 2006, S. 878; J. M. Wintrich, in: FS für W. Apelt, 1958, S. 1 (4); R. Zippelius / T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl. 2005, § 22 II. 1. a). 2 Vgl. O. Bachof, in: K. A. Bettermann / H. C. Nipperdey / U. Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Band III/1, 2. Aufl. 1972, S. 155 (167); W. Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, 1968, S. 121 f.; G. Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozeßrecht, 1995, S. 150 ff.; ders., NJW 1997, 3353 (3353 ff.); H. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (82 ff.); G. Erbel, Das Sittengesetz als Schranke der Grundrechte, 1971, S. 169 ff.; D. Grimm, Sondervotum, BVerfGE 80, 164 (165); W. Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, 1957, S. 31 f.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 428; W. Hoppe, in: H.-U. Erichsen / H. Kollhosser / J. Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 73 (81 ff.); W. Knies, VVDStRL 57 (1998), 149 (150 f.); P. Lerche, in: FS für W. Schmitt Glaeser, 2003, S. 41 (46 f.); N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 4. Aufl. 1999, S. 78 f.; H. Peters, in: FS für R. Laun, 1953, S. 669 (673 ff.); ders., Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1963, S. 47 ff.; ders., BayVBl. 1965, 37 (38 ff.); U. Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (38 Fn. 111); H.-P. Schneider, NJW 1999, 1497 (1499 f.); H. Schulz-Schaeffer, Der Freiheitssatz des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 1971, S. 31 ff.; C. Sennekamp, in: M. Fehling / B. Kastner / V. Wahrendorf (Hrsg.), Verwaltungsrecht VwVfG · VwGO, 2006, § 42 VwGO Rn. 60. Vgl. zur älteren Literatur die Darstellung bei J. Müller, Auswirkungen der unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter des Art. 2 Abs. 1 GG und zu dessen Schranken, 1970, S. 13 ff.

I. Schutzbereich

55

Dazwischen liegt eine Ansicht, welche sich aus einer Kombination der beiden vorgenannten Sichtweisen zusammensetzt 3. Die zu Beginn der Verfassungsdiskussion teilweise vertretene Auffassung, Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht als Grundrecht zu qualifizieren 4, gilt heute allgemein als überholt. Die Rechtsprechung des BVerfG war bis zum fundamentalen Elfes-Urteil 5 von Zurückhaltung geprägt. Das Gericht vermied es, eindeutig Stellung zu beziehen. Dies war möglich, da die vorgelegten Fallkonstellationen keine konkrete Entscheidung erzwangen. So konnte sich das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob das Investitionshilfegesetz gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verstößt, darauf beschränken, die unterschiedlichen Auffassungen zur Interpretation dieses Grundrechts wiederzugeben, um anschließend zu konstatieren, dass nach keiner der Auffassungen ein Grundrechtsverstoß zu bejahen sei 6. In einem anderen Fall führte es aus, es könne dahingestellt bleiben, ob das durch Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistete elterliche Erziehungsrecht als eine besondere Ausprägung des Art. 2 Abs. 1 GG anzusehen sei oder „eine eigengeartete Form der Betätigung der menschlichen Persönlichkeit“ darstelle, die von Art. 2 Abs. 1 GG nicht mitumfasst werde. Denn auch im ersten Fall derogiere die Sonderbestimmung des Art. 6 Abs. 2 GG jedenfalls die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 GG 7. Im Elfes-Urteil ließ sich die Entscheidung dann aber nicht länger aufschieben 8. Hier war die Ausreisefreiheit des ausreisewilligen Beschwerdeführers nicht von Art. 11 Abs. 1 GG geschützt und außer Art. 2 Abs. 1 GG kam kein anderes Grundrecht in Betracht. Das BVerfG musste den sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG weit auslegen, wollte es den Beschwerdeführer nicht schutzlos stellen. Denn die Ausreisefreiheit konnte ersichtlich nicht mehr zur Entfaltung jenes Kernbereichs der Persönlichkeit gezählt werden, der das Wesen des Menschen als geistig-sittliche Persönlichkeit ausmacht. Seit dieser Entscheidung hält das Gericht ständig an seiner Weichenstellung fest, Art. 2 Abs. 1 GG als Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne zu verstehen 9. Dies führte dazu, dass im Laufe seiner Rechtsprechung die unterschied3

M. Hochhuth, JZ 2002, 743 (744 ff.). So D. Haas, DÖV 1954, 70 (71); H. von Mangoldt / F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 1957, S. 164, 167 ff.; H. Wehrhahn, AöR 82 (1957), 250 (267 ff.); W. Wertenbruch, DVBl. 1958, 481 (486). 5 J. Lege, Jura 2002, 753 (754) spricht von der wichtigsten Entscheidung des Gerichts zu den Grundrechten. 6 BVerfGE 4, 7 (15 f.). 7 BVerfGE 4, 52 (56 f.). 8 BVerfGE 6, 32 (36). 9 Zu Unrecht sieht H. Peters, Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1963, S. 16 Fn. 27 in BVerfGE 10, 55 (59) einen „Schlenker“ auf die Persönlichkeitskerntheorie. Das Gericht bekräftigt in dieser Entscheidung lediglich seine schon in BVerfGE 6, 32 (41) zum Ausdruck gebrachte Auffassung, 4

56

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

lichsten Handlungen, Betätigungen und Verhaltensweisen sowie Verpflichtungen und Belastungen der Grundrechtsträger am Maßstab dieses Grundrechts gemessen wurden: Sammlungen und sammlungsähnliche Veranstaltungen 10, das Füttern von Tauben auf Straßen und Anlagen 11, die Beizjagd ohne den Nachweis waffentechnischer Kenntnisse und Fähigkeiten 12, das Kraftradfahren ohne Schutzhelm 13, die familienrechtliche Pflicht zum Versorgungsausgleich 14, die richterliche Umdeutung einer Satzungsbestimmung zu betrieblichen Versorgungsleistungen 15, die Preisgestaltung im Gesundheitswesen 16, die Pflicht zur Zahlung der Künstlersozialabgabe 17, das Reiten im Walde 18, die Strafbarkeit des unerlaubten Umgangs mit Cannabisprodukten 19, die Zustellung einer im Ausland erhobenen Klage im Wege der Rechtshilfe 20, die Erhebung von Kindergartengebühren 21, das Schächten von Tieren 22 etc 23. Auch die Fachgerichte sehen von Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt 24. Zu bemerken ist jedoch, dass in der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur der letzten Jahre deutliche Verschiebungen im Grundrechtsgefüge sichtbar geworden sind, die auf eine interpretatorische und im Normtext nicht angelegte Restriktion grundrechtlicher Schutzbereiche zielen und möglicherweise erst in der Aufgabe der Elfes-Doktrin ihr Ende finden werden 25. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Beschlüsse „Osho“ und „Glykol“ zu verweisen, welche besonders deutlich die Tendenz des BVerfG zeigen, die Grundrechtsdogmatik vom weiten Schutzbereich weg und zum engen Gewährleistungsgehalt hin zu führen 26. So soll bei nicht diffamierenden und nicht verfälschenden Äußerungen dass es einen verfassungskräftig geschützten Bereich menschlicher Freiheit gebe, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen sei. 10 BVerfGE 20, 150 (154 ff.). 11 BVerfGE 54, 143 (146 f.). 12 BVerfGE 55, 159 (165 ff.). 13 BVerfGE 59, 275 (278 f.). 14 BVerfGE 63, 88 (108 ff.). 15 BVerfGE 65, 196 (209 ff.). 16 BVerfGE 70, 1 (25 ff.). 17 BVerfGE 75, 108 (154 ff.). 18 BVerfGE 80, 137 (152 ff.). 19 BVerfGE 90, 145 (171 ff.). 20 BVerfGE 91, 335 (338 ff.). 21 BVerfGE 97, 332 (340 ff.). 22 BVerfGE 104, 337 (345 ff.). 23 Siehe auch die Entscheidungen jüngeren Datums, in denen Art. 2 Abs. 1 GG als Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit benannt wurde BVerfGE 106, 275 (304); 109, 96 (109); 110, 141 (167); 110, 370 (394). 24 Siehe A. Fn. 3, 4, 5, 6, 7. 25 Vgl. W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (175 f.).

I. Schutzbereich

57

staatlicher Stellen, welche eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft betreffen, bereits der Schutzbereich der Religions- beziehungsweise Weltanschauungsfreiheit nicht berührt sein 27. Im Fall „Osho“ prüfte das BVerfG daher nicht, ob die Bezeichnung der Osho-Bewegung als „Jugendsekte“ oder als „Psychosekte“ einen Grundrechtseingriff darstellt und wie es um die verfassungsrechtliche Rechtfertigung steht. Im Fall „Glykol“ führte es aus, Art. 12 Abs. 1 GG schütze „nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein können, selbst wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken“ 28. Zwar schließt die Lehre vom engen Gewährleistungsgehalt der Grundrechte ein extensives Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit nicht zwingend aus, die Frage der Verzichtbarkeit der Elfes-Doktrin ist vor dem Hintergrund dieser Lehre aber schon aufgeworfen worden. So erwägt W. Hoffmann-Riem nach einigen kritischen Anmerkungen zu dieser Doktrin, ob jetzt die Zeit nicht reif für die Feststellung sei, „dass der Rechtsstaat in Deutschland so etabliert ist, dass die Währung der kleinen Münze des rechtlichen Entfaltungsschutzes auch ohne verfassungsrechtliche Überhöhung stabil ist“ 29. Es sei angezeigt, die Frage, ob jedes menschliche Verhalten grundrechtlich geschützt ist, erneut zu überdenken 30. Sollte das BVerfG seinen Kurs beibehalten und sich in Zukunft noch stärker an der Lehre vom engen Gewährleistungsgehalt orientieren, könnte es folglich durchaus sein, dass die über Jahrzehnte gefestigte Elfes-Doktrin ins Wanken gerät 31. a) Wertungstheorien (Persönlichkeitskerntheorien) Den Wertungstheorien, welche oftmals auch unter dem Oberbegriff „Persönlichkeitskerntheorien“ thematisiert werden 32, ist gemein, dass sie nicht jedes 26 Beide Judikate sind im Schrifttum sehr kritisch aufgenommen worden; vgl. W. Höfling, in: FS für W. Rüfner, 2003, S. 329 (332 ff.); P. M. Huber, JZ 2003, 290 (292 ff.); D. Murswiek, NVwZ 2003, 1 (2 ff.). 27 BVerfGE 105, 279 (295). 28 BVerfGE 105, 252 (265). 29 W. Hoffmann-Riem, in: M. Bäuerle / A. Hanebeck / C. Hausotter / M. Mayer / J. Mohr / M. Mors / K. Preedy / A. Wallrabenstein (Hrsg.), Haben wir wirklich Recht?, 2004, S. 53 (66 ff.). 30 W. Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (214 f.). 31 Siehe zur grundsätzlichen Kritik an der Lehre vom engen Gewährleistungsgehalt und an der neueren Rechtsprechung des BVerfG W. Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (184 ff.); ders., AöR 131 (2006), 579 (605 ff.) und zur Verteidigung dieser Lehre W. Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (203 ff.). Vgl. zur Lehre vom engen Gewährleistungsgehalt auch die Untersuchung von U. Volkmann, JZ 2005, 261 (265 ff.). 32 Vgl. W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 31 f.; A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 5 f.

58

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

menschliche Verhalten in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG einbeziehen, sondern nur solche Handlungen, die eine besondere Qualität aufweisen. In der Differenzierung zwischen persönlichkeitsrelevanten und -irrelevanten Betätigungen liegt das wertende Element dieser Theorien, die sich im Hinblick auf die Definition dessen, was für die Entfaltung der Persönlichkeit von Bedeutung sein soll, aber mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Als besonders restriktiv erweisen sich die älteren Ansätze, welche den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG auf die Entfaltung „des echten Menschentums im Sinne der abendländischen Kulturauffassung“ 33 oder auf ein Mindestmaß „menschlicher Handlungsfreiheit, ohne das der Mensch seine Wesensanlage als geistig-sittliche Person überhaupt nicht entfalten kann“, beschränken wollen 34. Sie gelten heute als überholt 35. Hingegen vertritt K. Hesseeine modifizierte Persönlichkeitskerntheorie. Nach seiner Auffassung gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG die engere persönliche, aber nicht auf rein geistige und sittliche Entfaltung beschränkte, Lebenssphäre des Einzelnen 36. In Anlehnung an K. Hesse plädiert D. Grimm dafür, individuelles Verhalten dann dem Schutzregime des Art. 2 Abs. 1 GG zu unterstellen, wenn es eine gesteigerte, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbare Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung besitzt. Zwischen dem unantastbaren Persönlichkeitskern einerseits und der allgemeinen Handlungsfreiheit andererseits eröffne sich eine Zone von Freiheitsbetätigungen, die zwar nicht den Schutz spezieller Freiheitsrechte gefunden hätten, für die Persönlichkeitsentfaltung aber gleichwohl von erheblicher Bedeutung seien 37. Demgegenüber will G. Duttge zur Vermeidung von Freiheitsverlusten einen großzügigeren Maßstab anlegen. Es soll nach ihm nur einer gewissen, keiner gesteigerten Relevanz der individuellen Verhaltensweise für die Persönlichkeitsentfaltung bedürfen, um den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG zu aktivieren. Eine Vergleichbarkeit mit den Schutzgütern der benannten Freiheitsrechte verlangt er nicht, es dürfe lediglich nicht zu weit hinter deren Bedeutung zurückgeblieben werden 38. b) Wertneutralitätstheorie (Allgemeine Handlungsfreiheit) Wird Art. 2 Abs. 1 GG demgegenüber im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit verstanden, so ist von seinem sachlichen Schutzbereich „jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf erfasst, welches Gewicht der Betätigung für die

33

So die Formulierung von H. Peters, in: FS für R. Laun, 1953, S. 669 (673). H. von Mangoldt / F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 1957, S. 173. 35 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 31 f. 36 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 428. 37 D. Grimm, Sondervotum, BVerfGE 80, 164 (165 f.). 38 G. Duttge, NJW 1997, 3353 (3355). 34

I. Schutzbereich

59

Persönlichkeitsentfaltung zukommt“ 39. Mit den kurzen und klaren Worten des Abgeordneten L. Lensing im Parlamentarischen Rat gesprochen: „Freie Entfaltung umfasst alles“ 40. Insbesondere fallen unter die allgemeine Handlungsfreiheit auch all jene banalen und alltäglichen Handlungen, die von den diversen Wertungstheorien aus dem grundrechtlichen Schutzsystem ausgeklammert werden. Etwas enger ist eine Mindermeinung innerhalb dieser Lehre, die solches Verhalten vom Schutz ausnimmt, das nach den Maßstäben der Verfassung unter keinen Umständen eine grundrechtlich geschützte Vorrangstellung gegenüber Rechten anderer oder Gemeinschaftsbelangen einnehmen kann. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang in erster Linie auf die strafbaren Handlungen 41. Eine solche Einschränkung auf tatbestandlicher Ebene harmoniert allerdings nicht mit der Grundidee der allgemeinen Handlungsfreiheit, welche gerade von der Wertneutralität des Freiheitsschutzes ausgeht. Zudem birgt der einschränkende Ansatz die latente Gefahr in sich, dass der Gesetzgeber über den Weg des Erlasses neuer Straftatbestände den Umfang des grundrechtlichen Schutzes verkürzt. Ferner können sozialschädliche Handlungen durch freiheitsverkürzende Gesetze auch dann verboten beziehungsweise pönalisiert werden, wenn sie vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG erfasst werden 42. Abgesehen von dieser somit abzulehnenden Mindermeinung sind sich die Anhänger der Elfes-Konstruktion darin einig, jedwede Betätigung unabhängig von ihrer Art und Güte in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG einzubeziehen. Neben der aktiven Komponente, der Handlungsfreiheit im eigentlichen Wortsinn, ist auch die negative, nämlich die Freiheit, unliebsame Handlungen zu unterlassen, vom Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung umfasst 43. Aufgrund dieses umfassenden Verständnisses ist das in Art. 2 Abs. 1 GG enthaltene Grundrecht mit zahlreichen Bezeichnungen belegt worden. Die Rede ist unter anderem vom Hauptfreiheitsrecht 44, vom Muttergrundrecht 45, vom Auffang- 46, Komplementär- 47 und Blankettgrundrecht 48 sowie vom Quell- 49 und Generalfrei-

39

BVerfGE 80, 137 (152); 90, 145 (171). W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (57). 41 C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 13. 42 Zu Recht ablehnend daher U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 16; D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 53. 43 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 311; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 3; D. Merten, JuS 1976, 345 (346); D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 43. 44 G. Dürig, AöR 81 (1956), 117 (121); ders., JZ 1957, 169 (170 f.); H.-U. Gallwas, Grundrechte, 2. Aufl. 1995, Rn. 283; W. Kahl, AöR 131 (2006), 579 (611); K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1, 2006, S. 878. 40

60

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

heitsrecht 50. Zumindest der Terminus „Muttergrundrecht“, welcher die speziellen Freiheitsrechte als Ableger des Art. 2 Abs. 1 GG ausweist, ist aber für die Umschreibung des Rechts auf allgemeine Handlungsfreiheit ungeeignet 51. Zwar erfasst eine universell verstandene Verhaltensfreiheit tatbestandlich auch die Handlungsmodi des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG oder des Art. 8 Abs. 1 GG, da die Äußerung einer Meinung oder das Versammeln phänomenologisch ebenso eine Handlung darstellt, wie das Reiten im Walde. Jedoch verkennt der Begriff „Muttergrundrecht“ die historischen Zusammenhänge. Denn er legt die Vermutung nahe, dass zunächst die allgemeine Handlungsfreiheit bestand, welche sodann die speziellen Freiheitsrechte „gebar“. Tatsächlich entwickelten sich die Grundrechte aber als partielle Gewährleistungen, die das Eigentum, die Freiheit der Berufswahl, die Gewissens-, Presse- und Auswanderungsfreiheit sowie weitere punktuelle Bereiche des menschlichen Verhaltens und Daseins schützten. Das abstrakt formulierte Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit trat demgegenüber in Deutschland 52 erst recht spät in Erscheinung. Seinen unmittelbaren normtextlichen Vorläufer findet es in Art. 1 Abs. 1 S. 2 der rheinland-pfälzischen Verfassung vom 18. 5. 1947. Ein umfassendes Freiheitsrecht normierten – wenngleich mit anderem Wortlaut – auch Art. 2 der Verfassung von Württemberg-Baden vom 24. 10. 1946, Art. 2 der hessischen Verfassung vom 1. 12. 1946, Art. 101 der bayerischen Verfassung vom 2. 12. 1946, Art. 3 der Verfassung Bremens vom 21. 10. 1947 und Art. 2 S. 1 der Verfassung des Saarlandes vom 15. 12. 1947 53. Vor 1946 gab es 45 H. C. Nipperdey, in: K. A. Bettermann / H. C. Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Band IV/2, 2. Aufl. 1972, S. 741 (759 f.). 46 M. Burgi, ZG 9 (1994), 341 (359 f.); F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 71; W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 45; H. Hutzelmann, Die prozessuale Bedeutung des Elfes-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 32), 1970, S. 88; B. Pieroth, AöR 115 (1990), 33 (33); ders. /B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 369; M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 2 Rn. 41; J. M. Wintrich, in: FS für W. Apelt, 1958, S. 1 (8). 47 U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 15. 48 J. Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (80). 49 A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 22 Rn. 1. 50 R. Scholz, AöR 100 (1975), 80 (83). 51 Ebenso M. Burgi, ZG 9 (1994), 341 (357). 52 Eine allgemeine Freiheitsvermutung findet sich außerhalb des deutschen Verfassungsgebiets in Art. 1 der Virginia Bill of Rights vom 12. 6. 1776 und in Art. 4 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen vom 16. 8. 1789; abgedruckt bei A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 75 f., 95 f. 53 Vgl. die Zusammenstellung der benannten Verfassungstexte bei A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 22 ff.

I. Schutzbereich

61

in der deutschen Verfassungsgeschichte hingegen keine ausdrückliche umfassende Freiheitsgewährleistung 54, weshalb die Titulierung des Art. 2 Abs. 1 GG als Muttergrundrecht fehl geht. Treffender ist hingegen, vom Auffanggrundrecht zu sprechen. Sieht man von Art. 2 Abs. 1 GG nämlich die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt, welche jedes denkbare menschliche Verhalten einschließt, so deckt das Grundrecht den gesamten Bereich menschlicher Betätigung ab und umfasst somit all jene Handlungen, Duldungen und Unterlassungen, die durch die Maschen der speziellen Freiheitsrechte fallen. Das sind, wie die zahlreichen, oben zusammengetragenen Urteile aus der Judikatur des BVerfG und der fünf Bundesgerichte belegen, nicht wenige 55. Man kann sich folglich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Netz des spezialgrundrechtlich vermittelten Schutzes eher weitmaschig geknüpft und der Bedarf nach einem Auffanggrundrecht nicht zu leugnen ist 56. Daran ändert auch die Versuchung nichts, die eine oder andere umstrittene Handlung als banal und daher wenig schutzwürdig abzutun. Denn die Rechtsprechung hatte sich keineswegs nur mit den scheinbar trivialen Anliegen von Taubenfütterern und Reitern zu befassen 57, sondern subsumierte auch die Gewährleistung fundamentaler Freiheiten unter den weiten Schutzbereich des Grundrechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Zu denken ist hier nur an die Vertragsfreiheit 58, welche als eine der tragenden Säulen des Zivilrechts in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen ist, oder an das Recht des Bürgers, nur aufgrund solcher Vorschriften mit einer Geldleistungspflicht belastet zu werden, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen 59. Gerade Letzteres wird von keiner der diversen Wertungstheorien erfasst.

54 Erste Ansätze eines allgemeinen Freiheitsrechts sind jedoch den §§ 79, 90, 94 EinlPrAGB von 1971 und den §§ 83, 87 EinlPrALR zu entnehmen. Das PrAGB kam aber nicht über den Entwurf hinaus und auch das PrALR enthielt lediglich vorkonstitutionelle Verbürgungen. Vgl. A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 111 ff. und S. 132 ff. zu den Bestrebungen einer Mindermeinung, der grundrechtlichen Einzelgarantie der Fortbewegungsfreiheit eine tatbestandlich umfassende Freiheit zu entnehmen. 55 Siehe A. Fn. 2, 3, 4, 5, 6, 7. 56 Eben jenen Bedarf hat das BVerfG im Blick, wenn es ausführt, der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG dürfe nicht einengend ausgelegt werden, da der umfassende Schutz menschlicher Handlungsfreiheit neben den benannten Freiheitsrechten eine wertvolle Funktion in der Freiheitssicherung erfülle. Daran anknüpfend weist B. Pieroth, AöR 115 (1990), 33 (36 ff.) nach, welche Freiheitseinbußen mit der Ablehnung eines weiten Schutzbereichsverständnisses einhergingen. 57 BVerfGE 54, 143 (146 f.); 80, 137 (152 ff.). 58 BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 60, 329 (339); 70, 115 (123); 74, 129 (151 f.); 88, 384 (403); 95, 267 (303). 59 BVerfGE 91, 207 (221); 92, 191 (196); 96, 375 (397 f.); 97, 332 (340 f.).

62

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Der bloße Bedarf nach einem Auffanggrundrecht bedeutet aber freilich nicht, dass Art. 2 Abs. 1 GG auch ein solches Recht gewährt 60. Der Streit um die beiden grundlegenden Auslegungsansätze wird daher gemeinhin mit historischen, genetischen, grammatischen, systematischen, rechtstheoretischen und rechtsökonomischen Argumenten geführt. c) Kombinationstheorie Nach einem jüngeren Ansatz sollen sowohl die Wertungstheorien als auch die Wertneutralitätstheorie in einem Kombinationsmodell zur Anwendung kommen 61. Art. 2 Abs. 1 GG sei immer dann im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit zu verstehen, wenn die Nachprüfung untergesetzlicher Eingriffe in Rede stehe, der Eingriff also von der Verwaltung oder den Fachgerichten ausgehe. Hingegen seien gesetzgeberische Eingriffe, die den weiten Schutzbereich betreffen, vom BVerfG in materieller Hinsicht nur darauf zu prüfen, ob sie den Wesensgehalt des Grundrechts antasten und somit gegen Art. 19 Abs. 2 GG verstoßen. Der Wesensgehalt soll sich im Ergebnis aus der „kleinen, haltbaren Schnittmenge der . . . Wertungstheorien“ ergeben. d) Bewertung aa) Verfassungsgeschichtlicher Hintergrund Was den rechtshistorischen Aspekt anbelangt, hat A. Kukk in seiner verfassungsgeschichtlichen Arbeit zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit fundiert nachgewiesen, dass die Gewährleistung eines umfassenden Freiheitsgrundrechts „keinesfalls als ungeschichtlich und ohne historische Vorgänger, als gänzlich neu erdacht angesehen werden kann“ 62. Gleichwohl hat seine Untersuchung aber auch gezeigt, dass den deutschen Verfassungen vor 1946 eine derartige Freiheitsverbürgung fremd war 63. Für die weite oder enge Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG lassen sich aus beiden Befunden keine Argumente herleiten. So kann das Fehlen artverwandter Vorgängernormen auf nationaler Ebene nicht zwin60

Ähnlich D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 44: „Damit, dass diese Funktion wertvoll ist, lässt sich aber nicht beweisen, dass Art. 2 I sie normiert“. 61 M. Hochhuth, JZ 2002, 743 (744 ff.). 62 A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 225; ebenso K. Stern, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 109 Rn. 89: „keinesfalls außerhalb jeder Grundrechtstradition“. 63 A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 133; ebenso J. Lege, Jura 2002, 753 (755).

I. Schutzbereich

63

gend zum Ausschluss der extensiven Interpretation führen, da ansonsten jeder innovativen Weiterentwicklung des Rechts die Gefolgschaft zu versagen wäre. Ebenso stellen die umfassenden Freiheitsgewährleistungen ausländischer Konstitutionen (Art. 1 der Virginia Bill of Rights oder Art. 4 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen) kein Argument gegen die Anhänger eines restriktiven Grundrechtsverständnisses dar, determinieren sie doch nicht zwingend die Entscheidung des deutschen Verfassungsgebers. bb) Genese des Art. 2 Abs. 1 GG Von größerer Bedeutung ist demgegenüber die Genese des Art. 2 Abs. 1 GG, wie sie sich aus den Entwürfen und Beratungen des Herrenchiemseer Konvents und vor allem des Parlamentarischen Rats ergibt. Der Herrenchiemsee-Entwurf vom 23. 8. 1948 sah die Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit vor, indem er in Art. 2 Abs. 2 formulierte: „Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet“ 64. Die damit einhergehende Neuerung gegenüber der Weimarer Verfassung erfolgte bewusst 65. Auch die zur vierten Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates vom 23. 9. 1948 vorgelegte, veränderte Fassung sprach davon, dass der Mensch tun und lassen darf, was die Rechte anderer nicht verletzt oder die verfassungsmäßige Ordnung des Gemeinwesens nicht beeinträchtigt 66. Diese Fassung tauchte in der ersten Lesung des Grundsatzausschusses vom 18. 10. 1948 nochmals auf 67, bevor sie in der zweiten Lesung vom 19. 11. 1948 durch die noch heute geltende Wendung von der freien Entfaltung der Persönlichkeit ersetzt 68 und am 3. 12. 1948 vom Hauptausschuss in erster Lesung ohne jede Erörterung oder Kritik in dieser Form angenommen wurde 69. Der Allgemeine Redaktionsausschuss bekräftigte in seiner Fassung des Art. 2 vom 16. 11. 1948 ebenfalls die Freiheit eines jeden, zu tun und zu lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt 70. Er hielt sogar noch bis zum 2. 5. 1949 an der „tun und lassen-Formel“ fest (vgl. seine Vorschläge vom 13. 12. 1948 und vom 25. 1. 1949 71) 72. Die dadurch begründete

64

Wiedergegeben bei T. Dehler, JZ 1960, 727 (728). Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, 1948, S. 21: „Artikel 2 hatte in der Weimarer Verfassung kein Vorbild.“ 66 Als Vorbild diente dabei Art. 2 Abs. 1 der hessischen Verfassung; siehe W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (55). 67 Wiedergegeben bei T. Dehler, JZ 1960, 727 (728). 68 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (58). 69 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (59). 70 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (56). 65

64

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Differenz zum Grundsatz- und Hauptausschuss bestand aber nur in sprachlicher Hinsicht. Inhaltlich befand man sich auf einer Linie, wie die Ausführungen H. von Mangoldts zeigen, auf den die Entfaltungsformel zurückgeht 73: Der Grundsatzausschuss habe sich nicht entschließen können, dem Formulierungsvorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu folgen, weil dieser zu vulgär klinge und das Würdevolle im Klang, das man in die Grundrechte hineinlegen wolle, durchbreche 74. Folglich waren allein stilistische Motive für das Festhalten an der Entfaltungsformel ausschlaggebend, während in der Sache nach wie vor jegliches Tun und Lassen, mit anderen Worten, die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt bleiben sollte 75. Zwar ist der Einwand durchaus richtig, außer der vereinzelt gebliebenen Bemerkung H. von Mangoldts ließen sich der Textgeschichte von Art. 2 Abs. 1 GG keine ausdrücklichen Hinweise darauf entnehmen, dass die ursprüngliche Fassung vom Tun und Lassen nur aus sprachlichen Gründen, nicht aber aus rechtlichen geändert worden sei 76. Dem ist aber mit dem Hinweis zu begegnen, dass die textliche Umstellung ohne weitschweifende Diskussionen vonstatten ging und am Ende auch der Allgemeine Redaktionsausschuss auf die Entfaltungsformulierung einschwenkte, ohne diesen Wechsel einer näheren Kommentierung zu würdigen. Stünde die Entfaltungsformel tatsächlich für ein enges Schutzbereichsverständnis und die „tun und lassen-Formel“ für ein weites, wären sie also nicht kongruent, so hätte der Vorschlag H. von Mangoldts Anlass zu ausgiebigen Diskussionen und Beratungen geben müssen. Zumindest wäre er aber nicht „ohne jede Erörterung oder Kritik“ vom Hauptausschuss übernommen worden 77. In dieses Bild fügt sich auch der Aufsatz von T. Dehler, einem Mitglied des Allgemeinen Redaktionsausschusses, zur Entstehungsgeschichte des Art. 2 Abs. 1 GG nahtlos ein, der ganz selbstverständlich vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit spricht, ohne diesbezügliche Differenzen zwischen den Ausschüssen zu erwäh71

W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (59, 62). Wiedergegeben bei T. Dehler, JZ 1960, 727 (730). 73 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (57). 74 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (61). 75 Ebenso BVerfGE 6, 32 (36 f.); 80, 137 (154); U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 13; E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 I GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmässigen Ordnung“, 1968, S. 30 f.; A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 213 ff.; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 13; D. Merten, JuS 1976, 345 (345); D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 2, 43; R. Scholz, AöR 100 (1975), 80 (87); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 8. 76 G. Duttge, NJW 1997, 3353 (3354). 77 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (59). 72

I. Schutzbereich

65

nen. Zur letzten Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 2. 5. 1949, welche terminologisch auf die Entfaltungsformel umschwenkte, bemerkt er, diese habe mit der Fassung vom 16. 11. 1948, welche noch die „tun und lassen-Formel“ zugrunde legte, inhaltlich völlig übereingestimmt 78. Der Parlamentarische Rat ging folglich ganz einhellig von einem umfassenden Freiheitstatbestand aus. Einzig die Genese der Schranken vermag hier zu irritieren. So muss ein Grundrecht, welches die allgemeine Handlungsfreiheit garantiert, wegen seines unbegrenzten Charakters zwangsläufig weitreichenden Einschränkungsmöglichkeiten unterworfen sein, sofern die Gefahren für Dritte und die Allgemeinheit kompensiert werden sollen, welche aus der Inanspruchnahme zunächst ungebunden gedachter Freiheit resultieren 79. Diese Wechselwirkung 80 zwischen dem Grundrechtstatbestand und seinen Schranken wurde vom BVerfG bereits in der ElfesEntscheidung erkannt und veranlasste das Gericht, die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung weit im Sinne aller formell und materiell verfassungsgemäßen Normen auszulegen 81. Mit der Entstehungsgeschichte der Schrankentrias harmoniert dieses Auslegungsergebnis aber nicht 82. Als der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung in der Fassung zur vierten Sitzung des Grundsatzausschusses vom 23. 9. 1948 erstmals in Abs. 2 des Entwurfs eingeführt wurde, war in Abs. 3 noch davon die Rede, dass die Verwaltung in die allgemeine Handlungsfreiheit nur im Rahmen der Rechtsordnung eingreifen dürfe 83. Es existierten also ursprünglich zwei Schranken. Dieser Dualismus setzte sich in sämtlichen Fassungen des Grundsatz- und Hauptausschusses bis zum 2. 5. 1949 fort und zeigt, dass die Mitglieder dieser Ausschüsse die verfassungsmäßige Ordnung keineswegs mit

78

T. Dehler, JZ 1960, 727 (730). U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 39. 80 Vgl. zu dieser Wechselwirkung, die auch unter dem Schlagwort „Kehrseitentheorie“ behandelt wird W. Berg, Staatsrecht, 5. Aufl. 2007, Rn. 624; W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 67; H. Hutzelmann, Die prozessuale Bedeutung des Elfes-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 32), 1970, S. 92; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 19; D. Merten, JuS 1976, 345 (346); W.-R. Schenke, JuS 1987, L 65 (L 67). W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 46 Fn. 284 sieht darin eher Pragmatismus, denn methodologischen Zwang. 81 BVerfGE 6, 32 (37 f.); 17, 306 (313); 35, 382 (399); 41, 88 (116); 49, 24 (57); 59, 275 (278); 80, 137 (153); 88, 384 (403); 90, 145 (171 f.); 95, 267 (306); 96, 375 (397 f.); 104, 337 (346). 82 Ebenso T. Dehler, JZ 1960, 727 (727 ff.); K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1, 2006, S. 886. 83 W. Matz, JöR 1 (1951), 1 (55). 79

66

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

der Rechtsordnung gleichgesetzt haben können 84. Dafür spricht auch die Haltung des Allgemeinen Redaktionsausschusses, der sich zum einen vehement gegen die in Abs. 3 enthaltene Schranke wandte, da er das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit unter keinen, wie auch immer gearteten, Gesetzesvorbehalt stellen wollte, zum anderen aber die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung ohne Vorbehalt akzeptierte. Er kann diese folglich nicht im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Interpretation, sondern nur enger verstanden haben 85. Die Entstehungsgeschichte der Schranken spricht daher eher für eine weniger weitreichende Auslegung des Begriffs der verfassungsmäßigen Ordnung, was vor dem Hintergrund einer Korrespondenz von Schutzbereich und Schranke auf einen weniger weitreichenden Schutzbereich hindeuten könnte. Von diesem Aspekt abgesehen finden sich in den Materialien aber keine Hinweise auf ein enges Tatbestandsverständnis 86. Zusammengenommen überwiegen daher die Anhaltspunkte deutlich, die für den Willen des Parlamentarischen Rates sprechen, ein Grundrecht allgemeiner Handlungsfreiheit zu statuieren 87. cc) Wortlaut Der Wortlaut einer Norm ist das Medium, mit dessen Hilfe rechtliche Vorstellungen artikuliert werden. Er gibt dem legislativen Willen erst seine substanzielle Form und stellt den unmittelbaren Ausfluss gesetzgeberischen Wirkens dar. Die These, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleiste die allgemeine Handlungsfreiheit, muss sich folglich an der Formulierung „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit . . . “ messen lassen. Der Begriff der Persönlichkeit dürfte dabei am schwersten zu umreißen sein. Richtig ist sicher der Einwand, ein Nicht-Jurist mit normalem Sprachempfinden käme kaum auf die Idee, jede menschliche Handlung, wie alltäglich oder banal sie auch sein mag, als Persönlichkeitsentfaltung zu klassifizieren 88. Doch relativiert sich dieser Einwand schon, wenn die fortlaufend und rechtsgebietsübergreifend anzutreffende Differenz zwischen dem allgemeinen Sprachgebrauch und der juris84 Ebenso A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 216. 85 T. Dehler, JZ 1960, 727 (728 ff.). 86 Ebenso A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 217. 87 Anders H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 9; D. Grimm, Sondervotum, BVerfGE 80, 164 (165); H. Peters, Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1963, S. 19; A. Podlech, in: E. Denninger / W. Hoffmann-Riem / H.-P. Schneider / E. Stein (Hrsg.), Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Band 1, Stand: Okt. 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 4 f. 88 G. Erbel, Das Sittengesetz als Schranke der Grundrechte, 1971, S. 169.

I. Schutzbereich

67

tisch gefärbten Sinnbelegung einzelner Wörter bedacht wird (exemplarisch sei nur an die strenge Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz in der juristischen Fachwelt erinnert 89, die dem Laien gemeinhin unbekannt sein dürfte). Zuzugeben ist allerdings, dass auch die fachterminologische Durchdringung der Verfassungsund Gesetzestexte dort ihre Grenzen findet, wo sie sich zum allgemeinen Sprachgefühl der Rechtsunterworfenen in Gegensatz setzt oder von diesen nicht mehr nachvollzogen werden kann. Ob die weite Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG sich aber tatsächlich so weit vom Allgemeinverständnis der Grundrechtsträger entfernt, wird noch zu hinterfragen sein. Zunächst soll aber untersucht werden, welche Hinweise das Grundgesetz selbst für die Auslegung des Terminus „Persönlichkeit“ bereithält. Es fällt auf, dass in der Verfassung nur in Art. 2 Abs. 1 GG expressis verbis von der Persönlichkeit die Rede ist. Sprachlich am nächsten kommt diesem Begriff noch der Begriff der Person, welcher in zahlreichen Verfassungsbestimmungen Verwendung findet (Art. 2 Abs. 2 S. 2, 13 Abs. 5 S. 1 und 7, 19 Abs. 3, 28 Abs. 1 S. 3, 36 Abs. 1 S. 2, 47 S. 1, 73 Nr. 8, 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 96 Abs. 4, 104 Abs. 1 und 4, 131 S. 1 und 2 GG). Wie sich aus diesen Normen ergibt, können die beiden Begriffe aber nicht synonym verstanden werden, sondern sind vielmehr strikt auseinander zu halten 90. So wird der Begriff „Person“ durchweg als Platzhalter verwandt, der sich darin erschöpft, an den Menschen als solchen anzuknüpfen, während er den Einzelnen in seiner Eigenschaft als Individuum außen vor lässt. Zur Verdeutlichung: Nicht die Freiheit einer bestimmten Person ist nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG unverletzlich, sondern die Freiheit der Person schlechthin, mit anderen Worten die Freiheit eines jeden, unabhängig von seinen spezifischen psychischen und physischen Eigenschaften. Dies wird besonders deutlich, wenn in den genannten Verfassungsbestimmungen der Begriff „Person“ gedanklich durch den Begriff „Mensch“ ersetzt wird. Eine Veränderung des Aussagegehalts geht damit nicht einher, allenfalls der Wohlklang wird gestört (eine Ausnahme stellt freilich Art. 19 Abs. 3 GG dar). Nimmt man die Gegenprobe bei Art. 2 Abs. 1 GG vor, zerbricht das Sinngefüge des Satzes hingegen völlig. Die „Persönlichkeit“ muss demnach etwas anderes sein, als es der Begriff „Person“ zu umschreiben vermag. Ihm lassen sich daher trotz seiner sprachlichen Verwandtschaft keine Anleihen entnehmen. Den entscheidenden Hinweis für die Bestimmung des zentralen Tatbestandsmerkmals der Persönlichkeit liefert vielmehr das Personalpronomen im ersten Halbsatz des Art. 2 Abs. 1 GG. Danach hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit 91. Das Grundgesetz geht folglich davon aus, dass die 89 F. Baur / J. F. Baur / R. Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 3 Rn. 24; K. Vieweg / A. Werner, Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 2. 90 Unzutreffend daher E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 I GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmässigen Ordnung“, 1968, S. 24 f.

68

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Persönlichkeit ihrem Wesen nach ein Phänomen darstellt, das sich der Verallgemeinerung entzieht. Es gibt nicht die absolute Persönlichkeit, sondern nur die relative, auf das jeweilige Individuum bezogene. Sie ist das Resultat des überaus komplexen Zusammenspiels aller Neigungen, Talente, Interessen, Vorlieben, Ängste, Wünsche und Fähigkeiten eines Menschen, welche durch ihre Art und Zusammensetzung ein einmaliges Muster ergeben, das kein Ebenbild kennt und das charakteristische Verhalten eines Individuums bestimmen 92. Ist die Persönlichkeit aber von der individuellen Struktur des jeweiligen Grundrechtsträgers abhängig, so können auch die Handlungen, welche für ihre Entfaltung von Relevanz sind, nur in spezifischer Weise für jedes Individuum gesondert bestimmt werden. Ein Standpunkt, welcher in generalisierender Weise eine bestimmte Handlung als schlechthin irrelevant für die Persönlichkeitsentfaltung negiert 93, muss daher von vornherein fehl gehen. Er ließe sich nur unter der theoretisch-absurden Prämisse halten, dass ein jeder danach befragt würde, ob die betreffende Handlung für seine individuelle Persönlichkeitsentfaltung bedeutsam ist, und ein jeder dies wahrheitsgemäß verneinen würde. Können die persönlichkeitsrelevanten Handlungen aber nur in Relation zum und vom jeweiligen Grundrechtsträger definiert werden, so kann dem in Art. 2 Abs. 1 GG manifestierten Recht eines jeden auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nur Genüge getan werden, wenn der Kreis potentiell persönlichkeitsrelevanter Verhaltensweisen offen gehalten und keine Verhaltensweise von vornherein aus dem Schutzbereich ausgeklammert wird. Dies kann nur über das Konstrukt der allgemeinen Handlungsfreiheit bewerkstelligt werden, welches allerdings nicht missverstanden werden darf. Die weite Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG führt keineswegs dazu, das Taubenfüttern, welches hier stellvertretend für alle vermeintlich banalen Tätigkeiten stehen soll, generell als persönlichkeitsrelevante Handlung zu qualifizieren und es pauschal unter den Schutz der Verfassung zu stellen. Sie führt lediglich dazu, das Taubenfüttern als eine potentiell persönlichkeitsrelevante Handlung anzuerkennen, der vom einzelnen Grundrechtsträger Persönlichkeitsrelevanz beigemessen werden kann und die deshalb nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ausgeschlossen werden darf. Es bleibt auf die Frage zurückzukommen, ob ein solches Auslegungsergebnis noch vom allgemeinen Sprachempfinden der Grundrechtsträger gedeckt wird. Das 91

A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 22 Rn. 9; H.U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 3. Aufl. 1982, S. 138 f.; H.G. Sokolish, JuS 1976, 776 (777). 92 Vgl. M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 71. Anders G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, 1999, S. 219 f., der den Persönlichkeitsbegriff nicht wertungsneutral im Sinne der Individualität des einzelnen Menschen versteht, sondern ihn mit der Forderung nach Sittlichkeit verknüpft sieht. 93 Beispielsweise D. Grimm, Sondervotum, BVerfGE 80, 164 (170): „Die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen hängt nicht von der Möglichkeit ab, im Walde zu reiten“.

I. Schutzbereich

69

kann bejaht werden, sofern die Frage nicht vordergründig gestellt wird. Man wird wohl eher auf Unverständnis stoßen, wenn man fragt, ob das Taubenfüttern für die Entfaltung der Persönlichkeit von Bedeutung ist. Fragt man hingegen, ob die Persönlichkeit etwas Individuelles, Ureigenes und Einzigartiges ist, das sich nicht vom Staat diktieren, sondern nur autogen entwickeln lässt, wird man eher auf Zustimmung stoßen. Erkennt man die Individualität als Wesensmerkmal der Persönlichkeit aber an, muss man auch anerkennen, dass ein Dritter seinen individuellen Neigungen entsprechend auch solche Handlungen für sich als persönlichkeitsrelevant definieren kann, die der eigenen Persönlichkeit als unbedeutend erscheinen mögen. Der Schritt, das Taubenfüttern mit der Persönlichkeitsentfaltung in Verbindung zu bringen, ist dann nicht mehr allzu groß. Aus alledem ergibt sich: Unabhängig davon, wie der Begriff der Persönlichkeit im Detail auch zu umreißen sein mag, wird kaum bestritten werden können, dass ihm als fundamentales Wesensmerkmal die Individualität eigen ist 94. Das reicht für den vorliegenden Kontext bereits aus. Nähere Definitionsversuche erübrigen sich damit. Denn Individualität zwingt unweigerlich zu Universalität. Werden bestimmte Handlungen von vornherein aus dem Kreis persönlichkeitsrelevanter Betätigungen ausgegrenzt, indem nur besonderen, qualifizierten Handlungen das Attribut der Persönlichkeitsrelevanz zuerkannt wird, so führt dies zu einem präformierten und genormten Persönlichkeits- beziehungsweise Menschenbild. Ein solches ist aber mit dem Wesen der Individualität nicht zu vereinbaren. dd) Art. 1 Abs. 1 GG Getragen wird diese Auslegung auch von Art. 1 Abs. 1 GG, welcher die Unantastbarkeit der Menschenwürde ohne Einschränkung festschreibt. Nach den Worten des BVerfG markiert die Würde des Menschen den obersten Wert in der grundgesetzlichen Ordnung 95. Sie ist tragendes Konstitutionsprinzip 96, oberstes Verfassungsprinzip 97 und Mittelpunkt des grundrechtlichen Wertsystems 98. P. Häberle bringt dies auf den Punkt, wenn er von der „Staatsfundamentalnorm“ spricht 99. Aufgrund dieser herausragenden Rolle steuert Art. 1 Abs. 1 GG als dirigierendes Prinzip leitlinienartig die Auslegung aller Grundrechte 100 und somit auch die des Art. 2 Abs. 1 GG. 94

H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 20. 95 BVerfGE 5, 85 (204); 6, 32 (41); 27, 1 (6); 32, 98 (108); 50, 166 (175). 96 BVerfGE 6, 32 (36); 72, 105 (115); 87, 209 (228); 96, 375 (399); 102, 370 (389). 97 BVerfGE 54, 341 (357). 98 BVerfGE 7, 198 (205); 21, 362 (372). 99 P. Häberle, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 56.

70

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Unter den Versuchen, der Menschenwürdegarantie greifbare Konturen abzugewinnen und sie rechtspraktischer Handhabbarkeit zuzuführen, kommt der auf G. Dürig 101 zurückgehenden Objektformel besondere Bedeutung zu. Nach dieser Formel ist die Würde des Menschen betroffen, wenn er zum bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert wird 102. Worin unterscheidet sich nun das Objekt vom Subjekt? Dem Subjekt ist die Fähigkeit zur Selbstbestimmung eigen, es kann aktiv seine Geschicke lenken und zwischen verschiedenen Handlungsoptionen autonom wählen. Demgegenüber ist das Objekt passiv. Es hat die Wahl des Subjekts hinzunehmen, ohne über einen eigenen Entscheidungsspielraum zu verfügen. Da die Würde des Menschen dazu zwingt, ihn als Subjekt anzuerkennen und die Subjekteigenschaft ohne Selbstbestimmung nicht denkbar ist, impliziert Menschenwürde Selbstbestimmung 103. Lässt man diese Erkenntnis nun in die Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG einfließen, was geboten ist, da die Grundrechte „im Dienste der Würde des Menschen“ stehen 104, so spricht dies für die allgemeine Handlungsfreiheit. Denn nur die allgemeine Handlungsfreiheit grenzt keine Handlung von vornherein aus dem Schutzbereich des Grundrechts aus und ermöglicht dem Grundrechtsträger auf diese Weise, selbstbestimmt die für die Entfaltung seiner Persönlichkeit relevanten Handlungen zu definieren. Demgegenüber negieren die Wertungstheorien letztlich das Selbstbestimmungsrecht des Individuums, da sie dem Einzelnen fremdbestimmt vorschreiben, welche seiner Handlungen für die Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit von Bedeutung zu sein hat und welche nicht. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Selbstbestimmung heißt auch Bestimmung dessen, was für die eigene Persönlichkeit von Bedeutung ist 105.

100 Vgl. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Rn. 162; W. Höfling, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 1 Rn. 53; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 1 Rn. 2, 5. 101 G. Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127). 102 Vgl. zur Objektformel (mitunter auch kritisch) BVerfGE 27, 1 (6); 28, 386 (391); 30, 1 (25 f.); 45, 187 (228); 50, 166 (175); 57, 250 (275); 87, 209 (228); BVerfG, NJW 1993, 3315 (3315); BVerfGE 96, 375 (399); BVerfG, NJW 2004, 999 (1001 f.); BVerwGE 64, 274 (278); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 1 I Rn. 53; V. Epping, Grundrechte, 3. Aufl. 2007, Rn. 581 f.; G. Geller / F. von Schlabrendorff / H. Rupp, Sondervotum, BVerfGE 30, 33 (39 f.); M. Herdegen, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Feb. 2005, Art. 1 Abs. 1 Rn. 33 ff.; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 1 Rn. 22 f.; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 359 f.; M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 1 Rn. 10 ff.;K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 24 f. 103 So J. F. Lindner, NJW 1998, 1208 (1209); ders., DÖV 2003, 185 (189); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 1 Abs. 1 Rn. 11 „Zur Würde gehört Selbstbestimmung“. 104 P. Häberle, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 57.

I. Schutzbereich

71

Überdies drängt sich bei Zugrundelegung der Wertungstheorien die Frage auf, wer in der Rechtspraxis überhaupt die Fremdbestimmung zu leisten hätte, in wessen Händen es also läge, die persönlichkeitsrelevanten von den -irrelevanten Handlungen zu scheiden 106. Letztverbindlich könnte diese Aufgabe nur dem BVerfG zufallen, was zu einer Förderung staatlichen Freiheitsrichtertums führen würde, die sich in das „Koordinatensystem des Grundgesetzes“ nicht einfügt 107. Hinzu kommt, dass durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG die grundrechtliche Freiheit mit der grundrechtlichen Gleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) in einer Weise verknüpft wird, die das „Prinzip gleicher Freiheit für jedermann“ entstehen lässt 108. Denn Menschenwürde bedeutet nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Gleichwertigkeit des Menschen. Sie verlangt damit prinzipiell nach gleicher Freiheit. Würden vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG jedoch nur bestimmte Handlungen erfasst, so liefe dies darauf hinaus, allen anderen Handlungen die freiheitsrechtliche Relevanz zu versagen, sofern sie nicht von speziellen Freiheitsrechten geschützt werden. Die Folge wäre, dass sich all jene Menschen freier entfalten könnten, deren persönliche Entfaltungsvorstellungen im Rahmen dessen bleiben, was von den Wertungstheorien dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG zugeordnet wird. Von einem Prinzip gleicher Freiheit für jedermann könnte dann nicht mehr gesprochen werden. ee) Systematische Argumentation Das BVerfG zog neben seinen textgeschichtlichen Erwägungen auch systematische heran, um sein weites Schutzbereichsverständnis zu untermauern. So führte es aus, der Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG könne nicht auf die Entfaltung jenes Kernbereichs der Persönlichkeit beschränkt sein, der das Wesen des Menschen als geistig-sittliche Person ausmacht, da ansonsten die Schranken dieses Grundrechts ins Leere griffen 109. In der Tat ist kaum vorstellbar, wie die rein geistig-sittliche Persönlichkeitsentfaltung gegen das Sittengesetz, die verfassungsmäßige Ordnung oder die Rechte anderer verstoßen soll 110. Daraus aber zu folgern, dass das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne meint, ist verfehlt. Diese Folgerung wäre nur stringent, wenn die Auslegungsmöglichkeiten des Grundrechts auf die Alternativen einer sehr en105

So F. Hufen, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 105 (123). Darin sieht M. Burgi, ZG 9 (1994), 341 (355) das „Hauptproblem“ der Persönlichkeitskerntheorien. 107 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 34. 108 Siehe dazu und zu den Konsequenzen, die sich daraus für die Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG ergeben J. F. Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 197 ff. 109 BVerfGE 6, 32 (36). 110 Vgl. W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 33 Fn. 194; W.-R. Schenke, JuS 1987, L 65 (L 66). 106

72

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

gen oder sehr weiten Interpretation beschränkt wären. Denn mit der angestellten Erwägung lassen sich lediglich die besonders restriktiven Varianten der Persönlichkeitskerntheorie verwerfen, nicht jedoch deren moderate Ausprägungen. Wollte man beispielsweise mit D. Grimm all jene individuellen Verhaltensweisen vom Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst sehen, die „eine gesteigerte, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbare Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung besitzen“ 111, so wäre die Vertragsfreiheit durchaus in den Schutzbereich des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit einzubeziehen 112. Dass die konkrete Ausgestaltung eines Vertrages aber gegen das Sittengesetz verstoßen kann, dürfte unumstritten sein. Zudem ist gerade der argumentative Rekurs auf die Schranken für das weite Grundrechtsverständnis gefährlich. Denn die extensive Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßige Ordnung“ begegnet nicht nur entstehungsgeschichtlichen, sondern auch systematischen Einwänden, die eine restriktivere Interpretation dieser Schranke und damit korrespondierend des Schutzbereichs angezeigt erscheinen lassen 113. So führt die Gleichsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung mit der verfassungsgemäßen Rechtsordnung zu einer Hypertrophie dieser Schranke, hinter der die Rechte anderer und das Sittengesetz weitgehend zurücktreten müssen 114. Beide Vorbehalte haben in der Judikatur des BVerfG dementsprechend auch keine nennenswerte Rolle gespielt 115. Diese Konsequenz wird der systematischen Struktur der Schrankentrias jedoch kaum gerecht, da der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG keine Privilegierung der verfassungsmäßigen Ordnung vor den anderen Schranken erkennen lässt und im Gegenteil sogar die Rechte anderer an erster Stelle genannt werden. Ferner ist auch nicht ersichtlich, warum das Grundgesetz auf der einen Seite den nach verfassungsgerichtlicher Deutung in Art. 2 Abs. 1 2. Hs. GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt gerade mit den Worten „verfassungsmäßige Ordnung“ umschreiben sollte, wenn es auf der anderen Seite zahlreiche Grundrechtsbestimmungen mit eindeutigen Worten unter einen Gesetzesvorbehalt gestellt hat 116. Zumindest stehen aber die anderen Verfassungsbestimmungen, in denen der Begriff „verfassungsmäßige Ordnung“ Verwendung 111

D. Grimm, Sondervotum, BVerfGE 80, 164 (165). Anders B. Pieroth, AöR 115 (1990), 33 (37). 113 Vgl. zur Wechselwirkung zwischen Schutzbereich und Schranke A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 22 Rn. 7. 114 U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 44, 46; V. Epping, Grundrechte, 3. Aufl. 2007, Rn. 552 f.; W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 66; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 18 f.; H. Kube, JuS 2003, 111 (115 f.); P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 19, 26; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 385, 388; E. Stein / G. Frank, Staatsrecht, 20. Aufl. 2007, § 31 III. 115 Siehe aber BVerfGE 6, 389 (434 ff.); 49, 286 (299 f.). 116 O. Model / K. Müller, Grundgesetz, 11. Aufl. 1996, Art. 2 Rn. 16. 112

I. Schutzbereich

73

findet, dem extensiven Schrankenverständnis und der damit korrelierenden extensiven Interpretation des Schutzbereichs nicht entgegen, da sie heterogen ausgelegt werden. In Art. 9 Abs. 2 GG sollen etwa nur gewisse elementare Grundsätze der Verfassung beziehungsweise (konkretisierend) die freiheitliche demokratische Grundordnung gemeint sein 117, in Art. 20 Abs. 3 und Art. 20a GG die Gesamtheit der Normen des Grundgesetzes 118, in Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 GG der konkrete Gesamtzustand politischer Einheit und sozialer Ordnung 119 und in Art. 98 Abs. 2 S. 1 GG wiederum die freiheitliche demokratische Grundordnung 120. Der Blick auf die Schranken offenbart somit zwar eine der Schwächen der besonders restriktiven Persönlichkeitskerntheorien. Er vermag die Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit aber keineswegs positiv zu stützen. Demgegenüber spricht aus systematischer Sicht für ein wertungsfreies und weites Schutzbereichsverständnis der Umstand, dass die Schutzbereiche der anderen Freiheitsrechte auch nicht unter qualitativ-wertenden Gesichtspunkten abgesteckt werden 121. So unterliegt die grundrechtliche Gewährleistung der Kunst- 122, Pres117 H. Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 57; W. Höfling, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 9 Rn. 44; H. Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 23 Rn. 8; D. Merten, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 144 Rn. 74; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 749. 118 Zu Art. 20 Abs. 3 GG H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 20 Rn. 32; F. E. Schnapp, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 5. Aufl. 2001, Art. 20 Rn. 42; K.-P. Sommermann, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 5. Aufl. 2005, Art. 20 Abs. 3 Rn. 250. Zu Art. 20a GG D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 20a Rn. 58; R. Wolf, in: E. Denninger / W. Hoffmann-Riem / H.-P. Schneider / E. Stein (Hrsg.), Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Band 2, Stand: Okt. 2001, Art. 20a Rn. 39. 119 M. Nierhaus, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 28 Rn. 8; K. Stern, in: R. Dolzer / K. Vogel / K. Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 5, Stand: Dez. 1964, Art. 28 Rn. 20, 196, 199; K. Vogelgesang, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Stand: Feb. 2001, C Art. 28 Rn. 20; demgegenüber will B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 28 Rn. 3 die verfassungsmäßige Ordnung als verfassungsmäßige Rechtsordnung verstehen. 120 C. D. Classen, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Aufl. 2005, Art. 98 Abs. 2 Rn. 6; S. Detterbeck, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 98 Rn. 13; H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band III, 2000, Art. 98 Rn. 36. 121 M. Burgi, Erholung in freier Natur, 1993, S. 236; C. Degenhart, JuS 1990, 161 (162 f.); W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 36. 122 BVerfGE 75, 369 (377); 81, 298 (305).

74

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

se- 123 oder Meinungsfreiheit 124 nicht dem Vorbehalt eines gewissen inhaltlichen Mindestniveaus. Keine Durchschlagskraft ist dem mitunter ins Feld geführten Argument beizumessen, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG knüpfe die Befugnis zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde an die Verletzung enumerativ aufgeführter Grundrechte beziehungsweise grundrechtsgleicher Rechte, womit sich die extensive Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG nicht vertrage, mit deren Hilfe auch Verstöße gegen objektives Verfassungsrecht, etwa gegen bloße Kompetenzvorschriften, gerügt werden könnten und das Rechtsstaatsprinzip schlechthin versubjektiviert werde 125. Dem ist nämlich entgegenzuhalten, dass Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG lediglich eine prozessuale Regelung darstellt, die bestimmt, dass jedermann mit der Behauptung, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben kann. Wann ein Grundrecht oder ein grundrechtsgleiches Recht verletzt ist, lässt sich dieser Norm hingegen nicht entnehmen. Dies hängt allein von der materiell-rechtlichen Beurteilung ab 126. Insofern verhält es sich ähnlich wie mit anderen prozessualen Bestimmungen des Grundgesetzes. Beispielsweise besagt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auch nur, dass jedermann der Rechtsweg offen steht, der geltend machen kann, durch die öffentliche Gewalt in subjektiven Rechten verletzt zu sein, während sich dieser Vorschrift keine Aussage darüber entnehmen lässt, wann ein solches Recht vorliegt oder verletzt ist 127. Zudem stellt das Recht des Beschwerdeführers, im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde die formelle Verfassungswidrigkeit grundrechtsbeschränkender Gesetze zu rügen, keineswegs eine Besonderheit der weiten Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG dar, sondern begegnet ebenso im Bereich der speziellen Freiheitsrechte, da eine wirksame Beschränkung grundrechtlicher Freiheit nur durch ein in jeder Hinsicht verfassungsgemäßes Gesetz gelingen kann 128. Das ergibt sich bereits aus der schlichten Überlegung, dass verfassungswidrige 123

BVerfGE 34, 269 (283); 66, 116 (134). BVerfGE 33, 1 (14 f.); 61, 1 (7); 85, 1 (14 f.); 90, 1 (14 f.); 90, 241 (247). 125 So argumentieren G. Duttge, NJW 1997, 3353 (3355); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 427. Ausführlich dagegen argumentierend H. Bethge, in: FS für J. Isensee, 2007, S. 613 (617 ff.). 126 Zutreffend weisen C. Degenhart, JuS 1990, 161 (163) und H. Kube, JuS 2003, 111 (114) darauf hin, dass das Verfassungsprozessrecht dem materiell-rechtlichen Regime nachgeordnet und somit auf den tatbestandlichen Geltungsbereich der Grundrechte abzustimmen ist – nicht umgekehrt. 127 Vgl. BVerfGE 15, 275 (281); 61, 82 (110); 84, 34 (49); 103, 142 (156); BVerwGE 84, 375 (377); W.-R. Schenke, in: R. Dolzer / K. Vogel / K. Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 4, Stand: Dez. 1982, Art. 19 Abs. 4 Rn. 287; E. SchmidtAßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 119; J. F. Schwachheim, in: D. C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2002, Art. 19 IV Rn. 163. 128 D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 57. 124

I. Schutzbereich

75

Gesetze nichtig sind. Selbst die Vertreter der Wertungstheorien kommen kaum umhin, die Rüge rein objektiv-rechtlicher Verfassungsverstöße durch den Grundrechtsträger zuzulassen. Denn auch bei der Annahme, Art. 2 Abs. 1 GG schütze nur einen Kernbereich der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung und enthalte dementsprechend nur einen restriktiven Schrankenvorbehalt, „wird man schwerlich das Ergebnis vertreten wollen, Ausdruck ,verfassungsmäßiger Ordnung‘ sei auch ein Gesetz, das zwar substanziell Erfordernissen der Verfassung genügt, aber formell die Verfassung (etwa Kompetenz- oder Verfahrensnormen) verletzt“ 129. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG kann also von vornherein nicht so verstanden werden, nur die Rüge spezifisch grundrechtlicher Verfassungswidrigkeit sei zulässig. ff) Leerlauf des Art. 2 Abs. 1 GG? Mitunter wird der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit entgegengehalten, die weite Interpretation führe zu einer Entleerung und Entwertung des Grundrechts 130. Diese Kritik basiert auf der zutreffend erkannten Wechselwirkung zwischen Schutzbereich und Schranke. In der Tat zieht ein Grundrecht, welches umfassend die allgemeine Handlungsfreiheit garantiert, das Bedürfnis nach weitreichenden Einschränkungsmöglichkeiten nach sich. Ansonsten könnte der Staat seiner Aufgabe, das Gemeinwesen zu regeln und die divergierenden Interessen Privater in Ausgleich zu bringen, kaum mehr in adäquater Weise nachkommen, geht mit der Erfüllung dieser Aufgabe doch zumeist eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit einher. Dementsprechend legen die Anhänger einer weiten Grundrechtsinterpretation nicht nur den Schutzbereich, sondern auch die Schranken extensiv aus, indem sie den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung mit der verfassungsgemäßen Rechtsordnung gleichsetzen 131. Der Gedanke liegt nahe, dadurch werde die effektive Reichweite des grundrechtlichen Schutzes in die Hände des Gesetzgebers gelegt und somit das Grundrecht in seiner originären Abwehrfunktion gegen denselben entwertet. Tatsächlich ist damit aber kein Leerlauf des Art. 2 Abs. 1 GG verbunden 132, wie das BVerfG schon im Elfes-Urteil zutreffend herausgestellt hat 133. Denn ein Gesetz zählt nur dann 129

J. Schwabe, DÖV 1973, 623 (624). H. Peters, Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1963, S. 49 f.; ders., BayVBl. 1965, 37 (39 f.); H.-P. Schneider, NJW 1999, 1497 (1500). 131 So BVerfGE 6, 32 (37 f.); 17, 306 (313); 35, 382 (399); 41, 88 (116); 49, 24 (57); 59, 275 (278); 80, 137 (153); 88, 384 (403); 90, 145 (171 f.); 95, 267 (306); 96, 375 (397 f.); 104, 337 (346); M. Antoni, in: D. Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. 2007, Artikel 2 Rn. 8; W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 67 ff.; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 17; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 22, 26. 130

76

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

zur verfassungsmäßigen Ordnung, wenn es sowohl in formeller wie auch in materieller Hinsicht den Vorgaben der Verfassung genügt. Der Gesetzgeber hat folglich insbesondere die Zuständigkeits- und Verfahrenserfordernisse, den Bestimmtheitsgrundsatz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG zu beachten. Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit steht also keineswegs zu seiner beliebigen Disposition. Vielmehr verbleibt dem Bürger ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung, der dem Zugriff der öffentlichen Gewalt entzogen ist 134. Außerhalb dieses Bereichs unterliegt der Staat dem Zwang, jede Beschränkung individueller Freiheit mit der geeigneten, erforderlichen und angemessenen Verfolgung eines legitimen Zwecks zu rechtfertigen. gg) Prozessökonomie Mit der extensiven Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit geht notwendig eine Ausweitung der Möglichkeiten einher, Verfassungsbeschwerde zu erheben 135. Denn je weiter der Schutzbereich eines Grundrechts gezogen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass staatliche Maßnahmen in diesen eingreifen und das Grundrecht verletzen. Wird Art. 2 Abs. 1 GG nun als thematisch unbegrenztes Auffanggrundrecht verstanden, welches das menschliche Verhalten in umfassender Weise ohne Berücksichtigung von dessen Art und Güte schützt, so muss sich diese Wahrscheinlichkeit in Relation zu den restriktiven Varianten der Wertungstheorien zwangsläufig erhöhen. Verstärkt wird dies noch durch die extensive Interpretation der Schranken, welche als Reaktion auf das weite Schutzbereichsverständnis unausweichlich ist 136. Kann nämlich nur eine formell wie materiell mit der Verfassung in Einklang stehende Rechtsnorm eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit rechtfertigen, so kann sich 132

Ebenso P. Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, C Rn. 109; C. Degenhart, JuS 1990, 161 (163 f.); U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 40; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 61; D. Merten, JuS 1976, 345 (346); W.-R. Schenke, JuS 1987, L 65 (L 66 f.); F. E. Schnapp, JuS 1978, 729 (731); anders aber A. Hamann, BB 1957, 229 (231); ders., DÖV 1952, 132 (133); H. Peters, BayVBl. 1965, 37 (40); H. H. Rupp, NJW 1965, 993 (994); J.-G. Schätzler, NJW 1957, 818 (819). 133 BVerfGE 6, 32 (40 f.). 134 BVerfGE 27, 344 (350 f.); 32, 373 (378 f.); 34, 238 (245); 54, 143 (146). 135 Vgl. C. Degenhart, JuS 1990, 161 (163); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 26. 136 Vgl. BVerfGE 6, 32 (37 f.); W. Berg, Staatsrecht, 5. Aufl. 2007, Rn. 624; U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 39; W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 67.

I. Schutzbereich

77

der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Verfassungsbeschwerde auch darauf berufen, die beschränkende Norm sei nichtig, weil sie unter Verletzung etwa von Kompetenz- und Verfahrensvorschriften zustande gekommen sei 137. Er braucht folglich keine spezifisch grundrechtlichen Einwände zu erheben, was seine Möglichkeiten, vor das BVerfG zu gelangen, erheblich erhöht. Kritiker werfen dem BVerfG daher vor, mit seiner weiten Interpretation des Grundrechts ein „Arbeitsbeschaffungsprogramm gigantischen Ausmaßes“ 138 zu initiieren und plädieren angesichts der chronischen Überlastung des Gerichts 139 dafür, den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG enger auszulegen, um auf diesem Wege eine Arbeitsentlastung zu erreichen 140. Dem Rechtsstaat würde jedoch ein trauriges Zeugnis ausgestellt, wenn die Grundrechtsinterpretation und damit die Reichweite des effektiven Grundrechtsschutzes maßgeblich von der Belastungssituation der Judikative abhängig gemacht würde 141. Der negative Eindruck, der bei den Rechtsunterworfenen zwangsläufig entstünde, wenn die Gerichte ihnen mit dem Argument der eigenen Arbeitsentlastung bislang genossene Abwehrrechte entzögen, wäre verheerend. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Gerichte würde nachhaltig gestört. In anderem Zusammenhang hat das Plenum des BVerfG daher zutreffend ausgeführt, dass es verfassungswidrig sei, eine Norm zur Selbststeuerung der gerichtlichen Arbeitslast einzusetzen 142. Somit kann der weiten Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG das Argument der Prozessökonomie nicht mit Erfolg entgegengehalten werden 143. hh) Ergebnis Aus der Ideengeschichte lassen sich weder zwingende Argumente für noch gegen ein thematisch unbegrenztes Auffanggrundrecht herleiten. Zwar kennen

137

BVerfGE 10, 89 (99 f.); 10, 354 (360); 11, 105 (110); 11, 192 (198); 18, 315 (328); 28, 364 (373); 29, 402 (408); 38, 281 (298 f.); 67, 256 (274); 75, 108 (146); 78, 205 (209); 80, 137 (153); 93, 319 (338); 97, 332 (340 f.). 138 So H.-P. Schneider, NJW 1999, 1497 (1500); vgl. auch H. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (85). 139 Vgl. zur Arbeitsbelastung des BVerfG die statistischen Angaben bei W. Kunze, in: D. C. Umbach / T. Clemens / F.-W. Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, Vor §§ 17 ff. Rn. 33. 140 H.-P. Schneider, NJW 1996, 2630 (2631 f.). 141 E. Benda, NJW 1997, 560 (562) „unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten kaum zu rechtfertigen“. 142 BVerfGE 54, 277 (282, 294 f.) – in dieser Entscheidung ging es um die Auslegung des § 554 b ZPO. 143 Vgl. W. Kahl, AöR 131 (2006), 579 (617), der zutreffend feststellt, dass die Befreiung des BVerfG von grundrechtlichem Prüfungspensum keinen legitimen Grund für eine Verengung des Schutzbereichs der Freiheitsgrundrechte darstellt.

78

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

ältere ausländische Konstitutionen umfassende Freiheitsgewährleistungen 144, den deutschen Verfassungen waren derartige Verbürgungen vor 1946 jedoch fremd 145. Deutlich für eine extensive Interpretation spricht hingegen die Genese des Art. 2 Abs. 1 GG, wenngleich sie im Hinblick auf die Schranken nicht völlig frei von Widersprüchen ist. Die systematische Auslegung führt zu widersprüchlichen Ergebnissen: Auf der einen Seite schlägt zugunsten eines wertungsfreien und somit weiten Schutzbereichsverständnisses zu Buche, dass die speziellen Freiheitsrechte ebenfalls nicht unter qualitativ-wertenden Gesichtspunkten abgesteckt werden 146. Auf der anderen Seite führt die Gleichsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung mit der verfassungsgemäßen Rechtsordnung, welche sich als Kehrseite eines thematisch unbegrenzten Schutzbereichs erweist, zu einer Hypertrophie dieser Schranke, hinter der die Rechte anderer und das Sittengesetz weitgehend zurücktreten und ihre praktische Wirksamkeit einbüßen müssen. Das erscheint nicht stringent, da die Rechte anderer innerhalb der Schrankentrias sogar an erster Stelle rangieren. Ferner ist wenig plausibel, warum das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 2. Hs. GG einen schlichten Gesetzesvorbehalt mit der Formulierung „verfassungsmäßige Ordnung“ normiert haben sollte, wenn es doch in zahlreichen anderen Bestimmungen einen solchen Gesetzesvorbehalt mit klaren Worten zum Ausdruck bringt. Trotz dieser systematischen Einwände ist der weiten Deutung des Grundrechts im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit zu folgen, da allein dieser Interpretationsansatz dem Begriff „Persönlichkeit“ gerecht zu werden vermag. Die Persönlichkeit des Menschen ist der verallgemeinernden Präformierung nicht zugänglich. Sie ist höchst individuell. Eine Aussage darüber, welche Handlungen für die Persönlichkeitsentfaltung von Relevanz sind, kann daher auch nur in Relation zu einem bestimmten Individuum und letztlich nur durch dieses selbst getroffen werden. Absolute und pauschalierende Betrachtungen darüber, was persönlichkeitsrelevant ist und was nicht, verbieten sich vor diesem Hintergrund. Da grundsätzlich jede Handlung vom Grundrechtsträger zum Mittel seiner Persönlichkeitsentfaltung gemacht werden kann, müssen auch alle Handlungen als potentiell persönlichkeitsrelevant gelten und vom sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst sein. Würden „banale“ Verhaltensweisen von vornherein aus dem sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG verbannt, so könnte der Staat all jenen Individuen, die gerade diesen Handlungen Relevanz für ihre Persönlichkeitsentfaltung beimessen, die

144 Art. 1 der Virginia Bill of Rights oder Art. 4 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen. 145 A. Kukk, Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, S. 133; J. Lege, Jura 2002, 753 (755). 146 M. Burgi, Erholung in freier Natur, 1993, S. 236; C. Degenhart, JuS 1990, 161 (162 f.); W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 36.

I. Schutzbereich

79

Entfaltung ihrer individuellen Persönlichkeit willkürlich verwehren, ohne dass dagegen Rechtsschutz erlangt werden könnte. Entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Grundrechts wäre dann nicht mehr „jeder“, sondern nur noch ein exklusiver Personenkreis geschützt. Der normative Gehalt des Art. 2 Abs. 1 GG liegt nach alledem nicht in der positiven Aussage, jeder vom menschlichen Willen getragenen Handlung Persönlichkeitsrelevanz beizumessen, sondern in der negativen, keiner Handlung von vornherein die Persönlichkeitsrelevanz abzusprechen. Auf einen kurzen Nenner gebracht, enthält das Grundrecht eine strikte Kompetenzverteilungsregel, die dem einzelnen Menschen eine Interessendefinitionskompetenz zuschreibt, mit der ein Interessenbewertungsverbot auf Seiten des Staates korreliert 147. Bestätigt wird diese Auslegung vom obersten Verfassungsprinzip, der Menschenwürdegarantie, da Menschenwürde das Recht auf Selbstbestimmung impliziert und allein die extensive Interpretation des sachlichen Schutzbereichs im Sinne allgemeiner Handlungsfreiheit den Einzelnen in die Lage versetzt, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, welche Handlung für die Entfaltung seiner Persönlichkeit von Relevanz sein soll. Zudem wird durch die Menschenwürde die grundrechtliche Freiheit mit der grundrechtlichen Gleichheit in einer Weise verbunden, die das Prinzip gleicher Freiheit entstehen lässt. Mit diesem Prinzip kann eine restriktive Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne der Wertungstheorien, welche bestimmte Arten der Persönlichkeitsentfaltung privilegieren, während sie andere schutzlos stellen, nicht in Einklang gebracht werden 148. Somit gilt: „Wer ,seine‘ Persönlichkeit entfalten darf, darf sich nach eigenem Entwurf und Bilde entfalten. Wer sich nach eigenem Entwurf entfalten darf, darf das Verhalten, das er dafür erforderlich hält, in eigener Regie zusammenstellen“ 149. Das individuelle Selbstverständnis des jeweiligen Grundrechtsträgers ist folglich der entscheidende Maßstab für die Konstituierung des grundrechtlichen Schutzgutes 150. Im Umkehrschluss ist für die Wertungstheorien somit kein Raum. Dies gilt auch im Hinblick auf die Kombinationstheorie, welche bei untergesetzlichen Eingriffen von Art. 2 Abs. 1 GG zwar die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt sieht, bei gesetzgeberischen Eingriffen jedoch auf die Wertungstheorien rekurriert 151. Denn nach der Kombinationstheorie wird nur noch demjenigen, der seine Persönlichkeit zufälligerweise in einer Art und Weise entfalten möchte, die von den Wertungstheorien als persönlicheitsrelevant anerkannt wird, effektiver

147 So J. F. Lindner, NJW 1998, 1208 (1210); ders., Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 199 f.; dem folgend G. Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, S. 213. 148 Vgl. J. F. Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 197 ff. 149 D. Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen, 1976, S. 57; diesen zitierend G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, 1999, S. 222; M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 74. 150 M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 75. 151 Siehe zur Kombinationstheorie M. Hochhuth, JZ 2002, 743 (744 ff.).

80

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Schutz gegen freiheitsbeschränkende Gesetze mit der Begründung gewährt, der Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG werde angetastet. Allen anderen soll bei gesetzgeberischen Eingriffen in ihre allgemeine Handlungsfreiheit – und seien sie auch noch so unverhältnismäßig – kein gerichtlicher Rechtsschutz zustehen. Dies ist aus gleichheitsrechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigen 152. Eine Abnutzung, Überforderung oder Entwertung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist in der weiten Auslegung nicht zu erblicken 153. Ebenso wenig ein Verkommen der Grundrechte zu kleiner Münze 154. Auch wird Art. 2 Abs. 1 GG dadurch nicht zum „Grundrecht zweiter Klasse“ 155. Vielmehr erfährt es durch die weite Deutung seines Schutzbereichs gerade eine Aufwertung. Denn was könnte es Wichtigeres geben als eine Verfassung, welche die individuellen Eigenheiten und Interessen von 80 Millionen Bürgern, mit anderen Worten 80 Millionen unterschiedliche Lebenskonzepte, in ihrer jeweiligen Form schützt? Ein höheres Maß an flexibler Schutzgewähr für den Einzelnen kann eine Verfassung kaum bieten. e) Unbenannte Freiheitsrechte Die wertneutrale Offenheit des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG und seine mangelnde Präformierung bedeuten indes nicht, dass sich aus dem Grundrecht keine konturierten Freiheitsgewährleistungen entwickeln ließen 156. Vielmehr wird gerade durch die sachlich-inhaltliche Unbestimmtheit der Nährboden bereitet, um, flexibel an den Gefährdungslagen der Rechtswirklichkeit orientiert, typisierte Gewährleistungsgehalte mit einer quasi verselbständigten dogmatischen Verfestigung herauszuarbeiten, die an den Konkretisierungsgrad der speziellen Freiheitsrechte heranreichen. Diese Gewährleistungsgehalte werden aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit den benannten Freiheitsrechten als „unbenannte Freiheitsrechte“ 157 oder als „Innominatfreiheitsrechte“ 158 bezeichnet. Das BVerfG hat in seiner Recht152 Weitere Argumente gegen die Kombinationstheorie finden sich bei J. F. Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, S. 195 Fn. 73. 153 So und ähnlich aber H. Siekmann / G. Duttge, Staatsrecht I: Grundrechte, 3. Auflage 2000, Rn. 829; D. Grimm, Sondervotum, BVerfGE 80, 164 (168); H. von Mangoldt / F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 1957, S. 161 ff.; H. Peters, in: FS für R. Laun, 1953, S. 669 (673). 154 So aber W. Knies, VVDStRL 57 (1998), 149 (150 f.); vgl. dagegen F. Hufen, NJW 1999, 1504 (1509); ders., in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 105 (122 f.). 155 So aber G. Duttge, NJW 1997, 3353 (3354). 156 H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 24. 157 H.-U. Erichsen, Jura 1987, 367 (370); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1

I. Schutzbereich

81

sprechung zahlreiche Verfestigungen dieser Art herauskristallisiert. Zu nennen sind etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht, aus welchem selbst wiederum vielfältig ausgeformte Schutzgüter entwickelt wurden 159, die Ausreisefreiheit 160, die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr mitsamt der Vertragsfreiheit 161, die Freiheit von Zwangsmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Verbänden 162 und die Sammlungsfreiheit 163. Sinn dieser Fallgruppenbildung ist es, durch dogmatische Verfeinerungen ein höheres Maß an Rechtsklarheit zu schaffen, den Bedeutungsgehalt der allgemeinen Freiheitsgarantie für einzelne Lebensbereiche hervorzuheben und auf diese Weise die Schlagkraft des Grundrechts zu erhöhen 164. Weder wird Art. 2 Abs. 1 GG erst durch diese Fallgruppenbildung in den Stand eines subjektiv-rechtlich wirkenden Grundrechts erhoben 165, noch stellen die Verfestigungen selbst eigenständige Freiheitsrechte dar. Sie bleiben vielmehr Anwendungsfälle der allgemeinen Handlungsfreiheit 166. Treffend bringt dies R. Alexy auf den Punkt: „Die unbenannten Freiheitsrechte sind damit nicht etwas gegenüber dem allgemeinen Freiheitsrecht . . . qualitativ Verschiedenes, sie sind vielmehr . . . qualifizierte Formen desselben“ 167.

Rn. 17; dieser Bezeichnung eher skeptisch gegenüberstehend U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 19. 158 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 33 f. 159 BVerfGE 35, 202 (219); 54, 148 (153); 72, 155 (170); 79, 256 (268); 80, 367 (373); 89, 69 (82); 95, 220 (241); 96, 171 (181); 97, 228 (268); 99, 185 (193); 101, 361 (379). 160 BVerfGE 6, 32 (41 f.); 72, 200 (245). 161 BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 65, 196 (210); 70, 115 (123); 73, 261 (270); 74, 129 (151 f.); 75, 108 (154); 78, 232 (244); 88, 384 (403); 89, 48 (61); 95, 267 (303). 162 Vgl. BVerfGE 10, 89 (102); 10, 354 (361 ff.); 12, 319 (323 f.); 15, 235 (239); 32, 54 (64); 38, 281 (297 f.); BVerfG, GewArch 2002, 111 (112); BVerwGE 32, 308 (312); 34, 69 (74); 39, 100 (102); 59, 231 (237 f.); 59, 242 (245); BVerwG, NJW 1982, 1298 (1298); NJW 1982, 1300 (1300); BVerwGE 87, 324 (325); 106, 64 (69); 107, 169 (173); 108, 169 (172); 109, 97 (99); VGH Mannheim, GewArch 2001, 418 (418); VG Würzburg, GewArch 2001, 415 (416); VG Frankfurt, GewArch 2000, 332 (333). 163 BVerfGE 20, 150 (154). 164 U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 20; H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 24. 165 So aber W. Schmidt, AöR 91 (1966), 42 (82 ff.); dagegen R. Scholz, AöR 100 (1975), 80 (99 Fn. 118). 166 Aus diesem Grund wird die Kategorie „unbenannte Freiheitsrechte“ von Teilen der Literatur abgelehnt; vgl. J. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, 9. Aufl. 2006, Rn. 728; W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 59 ff. 167 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 335.

82

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

2. Persönlicher Schutzbereich Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet jedem das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, knüpft also an das Menschsein und nicht an die Staatsangehörigkeit oder sonstige personenbezogene Tatbestandsmerkmale an. Er ist also ein Menschenrecht 168. Um Missverständnisse im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 GG zu vermeiden, wird auch von einem Jedermann-Recht gesprochen 169. Der Schutz des Grundrechts umfasst Kinder und Minderjährige 170, nicht aber ungeborene oder bereits verstorbene Personen (jedenfalls soweit es um die allgemeine Handlungsfreiheit geht) 171. Ausländer und Staatenlose können sich zwar grundsätzlich auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen 172. Ob dies aber auch für die Ausübung solcher Betätigungen gilt, die in den sachlichen Regelungs- oder Schutzbereich eines Deutschengrundrechts fallen, hängt von der Frage ab, in welchem Konkurrenzverhältnis die allgemeine Handlungsfreiheit zu den speziellen Freiheitsrechten steht. Dem wird an späterer Stelle nachzugehen sein 173. Neben natürlichen genießen auch juristische Personen im Sinne von Art. 19 Abs. 3 GG den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG, was insbesondere in Bezug auf die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Relevanz ist 174.

168 BVerfGE, 35, 382 (399); BVerwGE 60, 284 (286); A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 22 Rn. 62; U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 10; J. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, 9. Aufl. 2006, Rn. 719; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 3; D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 39. 169 M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, A 6 Rn. 3, B 2 Rn. 20; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 42; K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1, 2006, S. 938. 170 BVerfGE 53, 185 (203); 59, 360 (382). 171 BVerfGE 30, 173 (194); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 46; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 9; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 5. 172 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 46; W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 79; H. Hofmann, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 2 Rn. 3. 173 Siehe C. III. 1. b). 174 BVerfGE 10, 89 (99); 10, 221 (225); 15, 235 (239); 19, 206 (215); 20, 283 (290); 20, 323 (336); 23, 12 (30).

II. Eingriff

83

II. Eingriff Die Grundrechte kommen in ihrer Funktion als Abwehrrechte erst dann zum Tragen, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt 175. Ist eine staatliche Maßnahme nicht als Eingriff zu qualifizieren, kann sie auch nicht unter Berufung auf Grundrechte abgewehrt werden. Die Definition dessen, was ein Eingriff ist, schlägt folglich unmittelbar auf die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes durch. 1. Der Eingriffsbegriff im Allgemeinen a) Der klassische Eingriffsbegriff Allgemein ist anerkannt, dass jedenfalls dann ein Grundrechtseingriff vorliegt, wenn die Kriterien des so genannten „klassischen“ Eingriffsbegriffs erfüllt sind, eine staatliche Maßnahme also final, unmittelbar und in Form eines imperativ durchsetzbaren Rechtsaktes grundrechtliche Freiheit verkürzt 176. Zwar ist überzeugend nachgewiesen worden, dass es einen einheitlichen, allgemein akzeptierten Eingriffsbegriff vor 1949 nicht gab und das Attribut „klassisch“ daher einer historischen Analyse nicht standhält 177. Aufgrund der weiten Verbreitung soll an dieser Terminologie aber dennoch festgehalten werden. Bezogen auf die unterschiedlichen Handlungsformen staatlicher Gewalt, zielt der klassische Eingriffsbegriff auf die traditionellen Instrumente staatlicher Freiheitsverkürzung ab: Rechtssätze, Verwaltungsakte und Urteile. Realakte sowie alle unbeabsichtigten oder nur mittelbar wirkenden Beeinträchtigungen bleiben hingegen außen vor.

175

M. Albers, DVBl. 1996, 233 (236); H. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (10 f.); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Vorb. vor Art. 1 Rn. 26; U. Rüssel, JA 1998, 406 (406). 176 Vgl. H. Bethge, VVDStRL 57 (1998), 7 (38); T. Discher, JuS 1993, 463 (464); E. Gurlit, DV 28 (1995), 449 (465); J. Ipsen, JZ 1997, 473 (478); ders., Staatsrecht II – Grundrechte, 9. Aufl. 2006, Rn. 130; J. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 61; T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 18 f.; M. Sachs, JuS 1995, 303 (303 f.); ders., in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 78 ff.; B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (60 f.). Teilweise wird noch die Adressierung der staatlichen Maßnahme verlangt; vgl. A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 12 Rn. 34 ff.; ders. / R. Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (373); R. Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 175 f. 177 Vgl. A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 134; W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, S. 7 ff.; M. Sachs, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 82 ff.

84

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

b) Der erweiterte Eingriffsbegriff Würde allein der klassische Eingriffsbegriff gelten, so wäre der staatlichen Gewalt die Möglichkeit gegeben, durch die Wahl ihrer Mittel über den Grundrechtsschutz zu disponieren und sich auf diese Weise von ihrer in Art. 1 Abs. 3 GG verankerten Grundrechtsbindung zu lösen 178. Zudem ist zu beachten, dass der einzelne Grundrechtsträger durch Realakte und mittelbar wirkende Maßnahmen der Hoheitsgewalt ebenso stark in seiner Freiheitssphäre tangiert werden kann, wie durch imperative Maßnahmen, zuweilen sogar stärker 179. Dies spricht für seine Schutzwürdigkeit 180. Ferner hat sich durch den Übergang vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat, der neben die traditionelle Eingriffsverwaltung die Leistungsverwaltung gestellt hat, nicht nur der Aufgabenbereich des Staates, sondern auch sein Handlungsinstrumentarium erheblich erweitert. Sollen die Grundrechte vor diesem Kontext nicht in weiten Bereichen leer laufen, darf ihr Schutz nicht auf den klassischen Eingriffsbegriff beschränkt werden 181. Letztendlich ist aus Sicht des Grundrechtsträgers auch nur die faktische Verkürzung seiner Freiheit relevant und nicht die Handlungsmodalität, mit der diese Verkürzung bewirkt wird 182. In Rechtsprechung und Literatur herrscht dementsprechend Einigkeit darüber, die grundrechtliche Abwehrfunktion auch auf solche Beeinträchtigungen zu erstrecken, die den genannten Anforderungen des klassischen Eingriffsbegriffs nicht genügen 183. Die Rede ist insofern häufig von „faktischen Beeinträchtigungen“ 184. Eine praktikable und treffsichere Dogmatik, wann diesen Eingriffsqualität 178 A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 142; vgl. zur Argumentation mit Art. 1 Abs. 3 GG auch M. Albers, DVBl. 1996, 233 (234); R. Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 108 f.; W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, S. 264 f.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1207; dagegen P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 1 Rn. 50. 179 E. Schmidt-Aßmann, in: FS für K. Redeker, 1993, S. 225 (236). 180 H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 62. 181 A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 12 Rn. 40; vgl. auch A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 141. 182 B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (76). 183 Vgl. BVerfGE 46, 120 (137 f.); 61, 291 (308); 85, 386 (398 f.); 105, 252 (273); 105, 279 (299 ff.); BVerwGE 71, 183 (189 ff.); 82, 76 (79); 87, 37 (39 ff.); 90, 112 (118 ff.); H.-J. Cremer, JuS 2003, 747 (749); U. Di Fabio, JZ 1993, 689 (694 f.); T. Discher, JuS 1993, 463 (464); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 125; C. Enders, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C vor Art. 1 Rn. 106; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Vorb. vor Art. 1 Rn. 28; I. von Münch, in: ders. / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1 –19 Rn. 51 a; D. Murswiek, DVBl. 1997, 1021 (1025); W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 498.

II. Eingriff

85

zukommt, hat sich bislang aber noch nicht herauskristallisieren können. Von einem erweiterten Eingriffsbegriff mit klar umrissenen Konturen ist sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur weit entfernt. Insbesondere das BVerfG navigiert von Fall zu Fall. Eine klare Richtung ist seiner Judikatur nicht zu entnehmen 185. Zum einen werden im „Osho-Beschluss“ vom 26. 6. 2002 mittelbar faktisch wirkende Äußerungen eines Hoheitsträgers als rechtfertigungsbedürftige Grundrechtsbeeinträchtigungen qualifiziert. Dazu heißt es, das Grundgesetz habe den Grundrechtsschutz nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden 186. Zum anderen wird in einem Beschluss zur Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze vom 4. 2. 2004 zwar konstatiert, die Beschwerdeführerin werde durch die Erhöhung faktisch mittelbar betroffen. Daran knüpft sich sodann aber nur die Feststellung, derartige Folgen von Regelungen, die Versicherte beträfen, seien für Unternehmen im Gesundheitssystem regelmäßig nicht am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG zu messen 187. Warum eine faktisch mittelbare Betroffenheit im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beachtlich, im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG – ohne nähere Begründung – unbeachtlich sein soll, ist nicht plausibel und verwundert umso mehr, als im „Glykol-Beschluss“ vom 26. 6. 2002 die grundsätzliche Möglichkeit einer faktisch mittelbaren Beeinträchtigung von Art. 12 Abs. 1 GG anerkannt wurde 188. aa) Finalität und Intensität (1) Verwaltungsrechtsprechung Das BVerwG orientiert sich im Wesentlichen an Finalitäts- und Schwerekriterien. So vertrat es lange Zeit die Ansicht, dass dem Nachbarn erst dann unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ein Abwehranspruch gegen die Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung zustehe, wenn die Genehmigung beziehungsweise ihre Ausnutzung die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert und dadurch den Nachbarn schwer und unerträglich trifft 189. Entsprechende Aussagen 184 Vgl. W. Cremer, DÖV 2003, 921 (925 f.). Prägend für diese Begrifflichkeit H.U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 10 ff.; U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 28 ff. 185 J. F. Lindner, DÖV 2004, 765 (768) spricht zutreffend von „Unsicherheit“. 186 BVerfGE 105, 279 (300 f.). 187 BVerfG, NZS 2005, 479 (480). 188 BVerfGE 105, 252 (273). Vgl. auch die frühere, sich weit vom klassichen Eingriffsbegriff entfernende Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfGE 46, 120 (137 f.); 61, 291 (308); 82, 209 (223 f.); 86, 28 (37). 189 BVerwGE 32, 173 (178 f.); BVerwG, DVBl. 1970, 61 (61); DVBl. 1970, 62 (62); DVBl. 1970, 65 (66); DVBl. 1970, 66 (66); DVBl. 1972, 684 (685); BVerwGE 44, 244 (246); 45, 309 (329 f.); 50, 282 (286 ff.); 52, 122 (124 f.); 54, 211 (222); ebenso OVG Lüneburg, NJW 1980, 253 (253). Mittlerweile hat das BVerwG diese Rechtsprechung zwar aufgegeben, begründet wurde dies aber ausschließlich mit der spezifischen Normprägung

86

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

tätigte das Gericht auch im Hinblick auf die Drittanfechtung wasserrechtlicher Gestattungen, wobei es ausdrücklich auf seine Rechtsprechung zum Baunachbarrecht verwies 190. In ähnlicher Weise wurde in Bezug auf die Wettbewerbsfreiheit mit der Beeinträchtigungsintensität operiert und die maßgebliche Belastungsschwelle mit den Kriterien der Unerträglichkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit umschrieben 191. Im Rahmen von Art. 4 GG führte das Gericht aus, das Kriterium der schwerwiegenden oder nachhaltigen Grundrechtsbeeinträchtigung diene dazu, „bei bloß faktischen und damit in der Regel unspezifischen Einwirkungen des Staates auf die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre, grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen von solchen ohne Grundrechtsrelevanz zu unterscheiden“ 192. Und im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG hieß es, der Schutz dieses Grundrechts wäre „unvollständig, wenn an ihm nicht auch mit staatlicher Autorität vorgenommene Handlungen gemessen würden, die als nicht bezweckte, aber voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirken“ 193. Allerdings kamen Intensitätsgesichtspunkte regelmäßig erst dann zum Tragen, wenn der angegriffenen staatlichen Maßnahme die Finalität abzusprechen war. So hob das BVerwG hervor, dass finale Verkürzungen der grundrechtlichen Freiheitssphäre auch dann abgewehrt werden könnten, wenn sie weniger schwer wögen 194. In anderen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen wurde zunächst geprüft, ob die staatliche Maßnahme final erfolgte und das Schwerekriterium nur in den Blick genommen, weil dies zu verneinen war 195. Die Finalität ist nach der Verwaltungsrechtsprechung somit keine notwendige, aber eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs 196. Von einer klaren Dogmatik mit gefestigten Konturen kann aber keine Rede sein 197.

des Art. 14 Abs. 1 GG und nicht mit einer Kritik am Intensitätskriterium; vgl. BVerwGE 101, 364 (373). 190 BVerwGE 36, 248 (251); 41, 58 (66). 191 BVerwGE 30, 191 (198 f.); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274). 192 BVerwGE 90, 112 (121). 193 BVerwGE 87, 37 (43 f.); ebenso BVerwGE 89, 281 (283); BVerwG, NJW 1996, 3161 (3161). 194 BVerwGE 90, 112 (121). 195 BVerwGE 87, 37 (42 ff.); VGH Mannheim, NJW 1997, 754 (756). 196 Vgl. zu diesem Befund T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 253 f. 197 M. Albers, DVBl. 1996, 233 (235): „Die dogmatische Handhabung ist freilich uneinheitlich und unsicher“.

II. Eingriff

87

(2) Schrifttum Einen gemeinsamen Nenner hat auch die Literatur noch nicht gefunden. In dem Bemühen, das grundrechtsrelevante Terrain außerhalb des klassischen Eingriffsbegriffs abzustecken, greift sie ebenfalls häufig auf die Kriterien der Finalität 198 und Beeinträchtigungsintensität 199 zurück 200. Dies findet seinen Grund nicht zuletzt in der drohenden Lähmung der staatlichen Organe, die ein gänzlich entformalisierter Eingriffsbegriff nach sich zöge 201. Würde jede faktische Verkürzung grundrechtlicher Schutzbereiche als relevante Grundrechtsbeeinträchtigung qualifiziert, so unterlägen auch völlig unvorhersehbare und atypische Neben-, Folge- und Fernwirkungen 202 dem Zwang verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. Die Sorge, eine dieser Wirkungen nicht bedacht zu haben und infolgedessen ungerechtfertigt in ein Grundrecht einzugreifen, müsste jeden Hoheitsträger vor dem Hintergrund von Art. 1 Abs. 3 GG in seiner Entscheidungsfreudigkeit hemmen. Insbesondere staatliche Maßnahmen mit komplexen Wirkungszusammenhängen wären kaum mehr sicher kalkulierbar. (3) Stellungnahme Die finalen Grundrechtsverkürzungen sind stets als Grundrechtseingriffe zu qualifizieren. Bei ihnen ist die Gefahr besonders hoch, dass sich der Staat seiner 198

Vgl. A. Bleckmann / R. Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (377); U. Di Fabio, JZ 1993, 689 (695); T. Discher, JuS 1993, 463 (465); R. Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 231; G. Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl. 2007, Rn. 127; A. Philipp, Arzneimittellisten und Grundrechte, 1995, S. 113 f.; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 208 ff. 199 Vgl. A. Bleckmann / R. Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (381) bei fehlender Voraussehbarkeit; U. Di Fabio, JZ 1993, 689 (695); C. Enders, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C vor Art. 1 Rn. 110; H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 80; H. D. Jarass, NVwZ 1984, 473 (476); J. Lege, DVBl. 1999, 569 (571); W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 498; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 265; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1207. 200 Anders aber die Anhänger der Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus, welche dem Kläger im Verwaltungsprozess die grundrechtsgestützte Klagebefugnis schon bei konkreter Betroffenheit beziehungsweise tatsächlicher Belastung zugestehen wollen – vgl. W. Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245 (273); M. Hoffmann, Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, 1969, S. 56 f.; M. Zuleeg, DVBl. 1976, 509 (516) – und demzufolge einen fast grenzenlosen Eingriffsbegriff zugrunde legen. 201 A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 12 Rn. 40; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 163 f.; B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (76). 202 Vgl. zu den Begriffen „Neben- und Folgewirkungen“ H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 13 ff.

88

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Grundrechtsbindung entzieht. Denn er weiß genau um den freiheitsverkürzenden Effekt seines Handelns und könnte daher umso eher versucht sein, zur Umgehung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungszwänge auf Handlungsformen auszuweichen, die vom klassischen Eingriffsbegriff nicht mehr erfasst werden. Diese Versuchung wird umso größer sein, je problematischer die Rechtfertigung erscheint. Schutzlücken würden also gerade in den Fällen entstehen, in denen effektiver Grundrechtsschutz besonders wichtig ist. Dem lässt sich die Sorge um eine Lähmung der staatlichen Organe nicht entgegenhalten. Denn bei finalen Beeinträchtigungen sieht der Hoheitsträger die Grundrechtsrelevanz seines Handelns klar voraus und kann es folglich problemlos an den Maßstäben der Verfassung ausrichten. Demgegenüber ist das Intensitätskriterium grundsätzlich abzulehnen. Es vermag schon aufgrund seiner Konturlosigkeit nicht zu überzeugen 203. Zudem stellt es einen Wertungswiderspruch dar, wenn bei imperativen Eingriffen die Schwere der Beeinträchtigung unerheblich sein soll, bei nicht-imperativen dagegen nicht. Es ist nicht plausibel, dem Grundrechtsträger, der durch einen Verwaltungsakt zur Zahlung eines Geldbetrages verpflichtet wird, den vollen Grundrechtsschutz zuzugestehen, einem nur faktisch Betroffenen, der durch die staatliche Maßnahme eine finanzielle Einbuße in Höhe desselben Betrages erleidet, aber den Grundrechtsschutz unter Verweis auf Intensitätsgesichtspunkte zu versagen 204. Auch streitet die grammatische Auslegung dafür, den Eingriffsbegriff nicht auf intensive Beeinträchtigungen der grundrechtlichen Schutzgüter zu verengen 205. Allenfalls könnte erwogen werden, den Grundrechtsschutz generell von der Überschreitung einer Minimalschwelle abhängig zu machen. Diese Bagatellgrenze müsste dann aber unabhängig von der Einwirkungsweise für alle Beeinträchtigungen (also auch für die Fälle des klassischen Grundrechtseingriffs) gelten 206. bb) Vorhersehbarkeit (1) Grundsätzliche Relevanz Die Ablehnung des Intensitätskriteriums bedeutet freilich nicht, dass lediglich finale Verkürzungen grundrechtlicher Freiheit als Eingriff zu qualifizieren sind. Vielmehr tritt neben die Finalität noch die objektive Vorhersehbarkeit als hinreichende Bedingung für die Bejahung eines Grundrechtseingriffs 207. Sie ist zu bejahen, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situati203

Vgl. T. Discher, JuS 1993, 463 (466); M. Schulte, DVBl. 1988, 512 (517). Vgl. W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, S. 274 f. 205 Siehe W. Cremer, DÖV 2003, 921 (927). 206 M. Sachs, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 158. 204

II. Eingriff

89

on bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln den grundrechtlichen Freiheitsraum verkürzen beziehungsweise ein grundrechtliches Schutzgut tangieren wird. Auf das tatsächlich vorhandene Vorstellungsbild des konkret handelnden Hoheitsträgers kommt es hingegen nicht an. Das Merkmal der Vorhersehbarkeit stellt einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Individualinteresse der Grundrechtsträger an effektivem Grundrechtsschutz und dem Allgemeininteresse an einer funktions- respektive handlungsfähigen Verwaltung her. Denn indem die strengen Kriterien des klassischen Eingriffsbegriffs durch das großzügigere Kriterium der Vorhersehbarkeit aufgelöst werden, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Grundrechtsträger durch Realakte und mittelbar wirkende Maßnahmen ebenso stark in ihrer Freiheitssphäre tangiert werden können, wie durch imperative Akte. Gleichzeitig geht die Auflösung aber nicht so weit, auch unvorhersehbare und daher unkalkulierbare Neben- und Folgewirkungen einer staatlichen Maßnahme als rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe zu qualifizieren, weil dies zu einer Lähmung der staatlichen Organe im oben dargelegten Sinne und zu einer Überdehnung des Art. 1 Abs. 3 GG führen würde. Denn von den drei staatlichen Gewalten würde Unmögliches verlangt, wenn auch unvorhersehbare Wirkungen dem grundrechtsrelevanten Bereich unterfielen, da sie selbst dann noch verpflichtet wären, die Vorgaben der Grundrechte zu beachten, wenn eine Berührung derselben objektiv nicht vorhersehbar ist – impossibilium nulla est obligatio. Grundrechtsbindung ist Verantwortungszurechnung. Verantwortung aber setzt die Möglichkeit der Erkennbarkeit voraus 208. Allgemein hat daher zu gelten, dass eine staatliche Maßnahme immer dann den Zwang zu verfassungsrechtlicher Rechtfertigung auslöst und somit einen Grundrechtseingriff darstellt, wenn die Verkürzung grundrechtlicher Freiheit nach objektiven Maßstäben vorhergesehen werden kann. Da dies bei allen klassischen und finalen Freiheitsverkürzungen der Fall ist, könnte angedacht werden, einen potentiellen Eingriffsakt nur noch im Hinblick auf das Vorhersehbarkeitskriterium zu prüfen. Die Vorhersehbarkeit ist aber im Vergleich zur Finalität schwerer feststellbar. Daher behält Letztere bei der Prüfung des Eingriffscharakters ihren eigenständigen Wert. Hingegen kommt dem klassischen Eingriffsbegriff keine Bedeutung mehr zu, da bereits mit der bloßen Bejahung der Finalität auch die Eingriffsqualität zu bejahen ist, ohne dass es noch einer weiteren Erörterung der Kriterien Unmittelbarkeit, Rechtsakt und Imperativität bedürfte. 207

Mit dem Kriterium der Vorhersehbarkeit arbeiten auch (allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung) A. Bleckmann / R. Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (380); C. Enders, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C vor Art. 1 Rn. 110; H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 84; M. Schulte, DVBl. 1988, 512 (518); B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (90). 208 U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 49.

90

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

(2) Ausnahmen Fraglich ist jedoch, ob das Vorhersehbarkeitskriterium auch dort uneingeschränkt zur Geltung kommen kann, wo zwischen die staatliche Maßnahme und die Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter noch die autonome Entscheidung eines Privaten tritt. Denn diese Entscheidung könnte als Unterbrechung des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs zu bewerten sein. In diesem Zusammenhang gilt es, zwei Konstellationen zu unterscheiden. (a) Privatverhalten ohne eigenständigen Schädigungsgehalt Zum einen kann es sein, dass der Staat auf Private einwirkt und diese aufgrund der Einwirkung ihr Verhalten gegenüber anderen Grundrechtsträgern ändern, ohne dadurch allerdings selbst grundrechtliche Schutzgüter zu beeinträchtigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verhalten des Einzelnen durch staatliche Informationen beeinflusst wird. Beispielsweise lässt die Warnung vor einem bestimmten Produkt die Nachfrage nach diesem Produkt sinken 209, die Information über das Wesen einer Sekte schreckt potentielle Neumitglieder ab oder führt sogar zu Mitgliederschwund 210. Gemein ist diesen Fällen, dass das Verhalten der staatlich Beeinflussten für sich genommen keine grundrechtlichen Schützgüter Dritter tangiert. So steht es jedem frei, seine Kaufentscheidung nach eigenem Gutdünken zu treffen oder einer bestimmten Glaubensgemeinschaft fern zu bleiben. Diese Freiheit wird sogar grundrechtlich von der in Art. 2 Abs. 1 GG enthaltenen Vertragsfreiheit 211 beziehungsweise der in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verankerten Glaubensfreiheit geschützt. Daher könnte argumentiert werden, die bloße Ausübung grundrechtlicher Freiheit durch einen Privaten könne schwerlich als staatlicher Eingriff in die Grundrechte eines anderen Privaten begriffen werden. Diese Erwägung vermag aber kaum zu tragen, verkennt sie doch den kausalen Initiativcharakter des hoheitlichen Handelns, welcher klar zutage tritt, wenn die staatliche Maßnahme hinweggedacht wird. So dürfte es beispielsweise keinem Zweifel unterliegen, dass der Absatz eines Unternehmens signifikant sinkt, wenn sich der Staat zu einem Produkt des Unternehmens negativ äußert, und dass er ohne diese Äußerung höher ausfällt. Aus Sicht der negativ betroffenen Grundrechtsträger ist zudem nur die tatsächliche Beeinträchtigung ihrer grundrechtlichen Freiheit relevant. Wie diese verursacht wird – ob durch staatliche Informationen oder durch staatliche Maßnahmen mit Rechtswirkung – ist für sie letztlich ohne

209 Vgl. aus der Rechtspraxis dazu BVerfGE 105, 252 ff.; BVerwG, JZ 1991, 624 ff.; OVG Münster, AfP 1988, 284 ff. 210 Vgl. aus der Rechtspraxis dazu BVerfGE 105, 279 ff.; BVerwG, NJW 1991, 1770 ff.; OVG Münster, KirchE 28, 106 ff.; VG Köln, KirchE 24, 10 ff. 211 Vgl. zum Schutz der Vertragsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 60, 329 (339); 70, 115 (123); 74, 129 (151 f.); 88, 384 (403); 95, 267 (303).

II. Eingriff

91

Bedeutung. Das Dazwischentreten der eigenverantwortlichen Entscheidung eines Privaten vermag daher den Kausal- und Zurechnungszusammenhang in derartigen Konstellationen nicht zu unterbrechen. Gründe, weshalb vom Kriterium der Vorhersehbarkeit abgewichen werden sollte, sind somit nicht ersichtlich. (b) Privatverhalten mit eigenständigem Schädigungsgehalt Der soeben dargelegten Konstellation stehen Fälle gegenüber, in denen sich zwischen die staatliche Maßnahme und den Beeinträchtigungserfolg zwar auch die autonome Entscheidung eines Privaten schiebt, dessen Verhalten aber als solches – also unabhängig von jeder hoheitlichen Tätigkeit – eine Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter darstellt. Exemplarisch sei auf die Durchführung drittgefährdender, genehmigungsbedürftiger Vorhaben verwiesen. Der staatliche Beitrag liegt in der Erteilung der Genehmigung. Die konkreten Beeinträchtigungen gehen aber nicht von der Genehmigungserteilung selbst aus, sondern allein von dem zugelassenen Vorhaben 212. Sie ergeben sich als Folge der privatautonomen Realisierung des Vorhabens, welche zwar ebenso wie in der ersten Konstellation als Grundrechtsgebrauch des Privaten zu qualifizieren ist, aber bereits für sich genommen grundrechtliche Schutzgüter Dritter tangiert. So beeinträchtigt eine emittierende Anlage die Gesundheit der Nachbarn unabhängig davon, ob sie genehmigt oder als Schwarzbau errichtet wurde. Den staatlichen Kontrollerlaubnissen wird daher vom ganz überwiegenden Schrifttum der Eingriffscharakter abgesprochen, was der Verwaltung aber keineswegs einen grundrechtsfreien Raum eröffnen soll. Vielmehr soll nur die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension der Grundrechte gesperrt sein, während die objektiv-rechtliche Dimension in der Schutzpflichtdogmatik zur Entfaltung komme 213. Für diese Sichtweise und gegen die Qualifikation der Genehmigung als Eingriff spricht auch die weitgehende Austauschbarkeit der staatlichen Mittel zur Gefahrenabwehr. Anstelle eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt könnte der Gesetzgeber nämlich zumeist auch nachträglich einsetzende Kontroll- und Aufsichtsmechanismen zur Überwachung privater Tätigkeit festsetzen. Bliebe die Verwaltung dann untätig, könnte darin kein Grundrechtseingriff gesehen werden, da kein Handlungsmoment als Anknüpfungspunkt auszumachen wäre. Der klassisch-defensive Grundrechtsschutz hinge folglich von der aufsichtsrechtlichen Formenwahl ab, was wenig plausibel wäre 214.

212 Ebenso C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 425; F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 85. 213 Vgl. D. Rauschning, VVDStRL 38 (1980), 167 (184 f.); E. Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981), 205 (214 ff.); G. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 5 (7); B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (81); U. Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 (523). Für einen differenzierenden Mittelweg zwischen Eingriffs- und Schutzpflichtkonstruktion spricht sich G. Lübbe-Wolff , Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 196 ff. aus.

92

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Für die Eingriffsvorstellung 215 scheint hingegen ein formal-prozessuales Argument zu streiten. Drittklagen werden nicht als Leistungs-, sondern als Anfechtungsklagen geführt. Das Klagebegehren des Dritten ist nicht auf die Erzwingung einer positiven Schutzhandlung gerichtet, sondern auf die Abwehr bereits erfolgter hoheitlicher Tätigkeit. Dies widerspricht der Schutzpflichtkonstruktion bei näherer Betrachtung aber keineswegs. Denn die Schutzpflichten richten sich primär an den Gesetzgeber 216. Dieser hat sie sowohl in objektiv-rechtlicher wie in subjektivrechtlicher Hinsicht bei der Ausgestaltung der einfachen Rechtsordnung zu berücksichtigen. Er hat den Dritten folglich auch mit subjektiven öffentlichen Rechten auf einfach-gesetzlicher Ebene auszustatten. Die Verletzung dieser Rechte und nicht der Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte wird im Verwaltungsprozess gerügt 217. Der Rechtsbehelf der Anfechtungsklage fügt sich daher problemlos in die Schutzpflichtkonstruktion ein. Mitunter wird gegen diese Konstruktion aber noch ins Feld geführt, es sei nicht einsichtig, wieso die hoheitliche Erlaubnis eines privaten Vorhabens an Schutzpflichten gemessen werden solle, die Realisierung des gleichen Vorhabens durch den Staat selbst aber an den grundrechtlichen Nichteingriffspflichten 218. Darauf lässt sich erwidern: Weil die Gefahr im einen Fall privat verursacht ist, im anderen staatlich, und die Grundrechte eben nur Abwehrrechte gegen den Staat, nicht gegen Private darstellen. Es verwundert schließlich auch niemanden, dass die körperlichen Misshandlung durch einen Polizeibeamten in Ausübung seines Dienstes den Rechtfertigungszwängen des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG unterworfen ist, nicht jedoch die körperliche Misshandlung durch einen Privaten. Anknüpfungspunkt für den negatorischen Grundrechtsschutz ist nicht ein bestimmtes Verhalten als solches, sondern die Frage, ob der Handelnde im Lager des Staates steht. Der Private verliert seine Eigenschaft Privater zu sein aber nicht dadurch, dass der Staat sein drittgefährdendes Handeln genehmigt, er tritt dadurch nicht in das Lager des Staates über.

214 Vgl. U. G. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 138; F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 86. 215 Vgl. die ältere Judikatur zu Art. 14 Abs. 1 GG BVerwGE 32, 173 (178 f.); BVerwG, DVBl. 1970, 61 (61); DVBl. 1970, 62 (62); DVBl. 1970, 65 (66); DVBl. 1970, 66 (66); DVBl. 1972, 684 (685); BVerwGE 36, 248 (251); 41, 58 (66); 44, 244 (246); 45, 309 (329 f.); 50, 282 (286 ff.); 52, 122 (124 f.); 54, 211 (222); OVG Lüneburg, NJW 1980, 253 (253) und zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG BVerwGE 54, 211 (222 f.); BVerwG, NJW 1989, 2766 (2766). Vgl. aus der Literatur A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 150 ff.; J. Schwabe, NVwZ 1983, 523 (524 ff.). 216 Vgl. J. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 2. Aufl. 2005, S. 181; H. Dreier, Dimensionen der Grundrechte, 1993, S. 47; J. Fluck, UPR 1990, 81 (83); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 951. 217 U. G. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 139 ff. 218 J. Schwabe, NVwZ 1983, 523 (525).

II. Eingriff

93

c) Ergebnis Ein Grundrechtseingriff ist nach alledem zu bejahen, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln den grundrechtlichen Freiheitsraum verkürzen beziehungsweise ein grundrechtliches Schutzgut tangieren wird. Das tatsächliche Vorstellungsbild des konkret handelnden Hoheitsträgers ist dementsprechend ohne Belang. Erfolgt die Grundrechtsbeeinträchtigung in finaler Weise, impliziert dies bereits die Vorhersehbarkeit, so dass keine weiteren Überlegungen mehr anzustellen sind. Vor diesem Hintergrund kann auch der klassische Eingriffsbegriff aufgegeben werden, da seine sonstigen Kriterien (Unmittelbarkeit, Rechtsakt und Imperativität) für die Qualifikation einer Maßnahme als Eingriff irrelevant sind. Differenzierend ist vorzugehen, wenn zwischen die angegriffene staatliche Maßnahme und den Beeinträchtigungserfolg die autonome Entscheidung eines Privaten tritt. Dann stellt sich die Frage, ob dadurch der Kausal- und Zurechnungszusammenhang unterbrochen wird. Diese Frage ist zu bejahen, wenn das Privatverhalten bereits für sich genommen – also unabhängig von jeder hoheitlichen Tätigkeit – eine Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter darstellt und ihm dementsprechend ein eigenständiger Schädigungsgehalt zukommt. Der Beeinträchtigungserfolg ist dann als privatverursacht anzusehen und kann dem Staat folglich unabhängig davon, ob er objektiv vorhersehbar war, nicht mehr als Grundrechtseingriff zugerechnet werden. 2. Der Eingriffsbegriff bei Art. 2 Abs. 1 GG Fraglich ist, ob für das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein restriktiverer Eingriffsbegriff zu entwickeln ist. Dies könnte angesichts der besonders extensiven Auslegung des sachlichen Schutzbereichs geboten sein. Schützt Art. 2 Abs. 1 GG nämlich jedes menschliche Verhalten ohne Rücksicht auf dessen Wert, so müsste bei Zugrundelegung des Vorhersehbarkeitskriteriums fast jede staatliche Maßnahme als Grundrechtseingriff qualifiziert werden, da kaum eine staatliche Maßnahme denkbar ist, die nicht in irgendeiner Weise das menschliche Verhalten vorhersehbar tangiert. Zahlreiche Fälle wären aus grundrechtlicher Perspektive zu betrachten, in denen die Gewährung grundrechtlichen Schutzes zumindest auf den ersten Blick seltsam anmutet. Zu denken ist beispielsweise an den Spaziergänger oder Wanderer, der seinen Weg nicht wie gewohnt fortsetzen kann, weil dieser vom Bau einer Autobahn zerschnitten wird. Sogar die Errichtung eines öffentlichen Gebäudes, welches einem benachbart wohnenden Mieter den Blick auf ein gewöhnliches Mischgebiet versperrt, müsste als Eingriff qualifiziert werden. Selbiges hätte zu gelten, wenn der Rat unter ausschlaggebender Mitwirkung eines deutschen Ministers gemäß Art. 26 EGV den Gemeinsamen Zolltarif für Textilprodukte senkt, weil durch die Einfuhr billigerer Textilprodukte die

94

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Absatzmöglichkeiten der heimischen Textilfabrikanten in vorhersehbarer Weise verringert werden 219. Es verwundert daher nicht, wenn verbreitet Skepsis besteht, den weiten Eingriffsbegriff auf Art. 2 Abs. 1 GG anzuwenden 220. a) Schrifttum aa) Rückbesinnung auf den klassischen Eingriffsbegriff Einige Stimmen favorisieren im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG den Rekurs auf den klassischen Eingriffsbegriff 221. Dieser soll mitunter allerdings dort eine Erweiterung erfahren, wo aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit konturierte und somit abgrenzbare Einzelverbürgungen entwickelt wurden beziehungsweise werden. Zu denken ist etwa an den Schutz der Intim- und Privatsphäre und an die sonstigen unbenannten Freiheitsrechte, welche durch Rechtsprechung und Literatur eine quasi verselbständigte dogmatische Verfestigung erlangt haben 222. Dahinter steht die Überlegung, dass sich die unbenannten den benannten Freiheitsrechten durch die Herausbildung typisierter Schutzprofile annähern und dementsprechend ebenso wie diese zu behandeln sind. bb) Erweiterung des klassischen Eingriffsbegriffs Der überwiegende Teil der Literatur erkennt im Einklang mit der Rechtsprechung hingegen an, dass Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich auch gegen solche staatlichen Maßnahmen „jenseits von Befehl und Zwang“ 223 Schutz gewährt, die ausschließlich die allgemeine Handlungsfreiheit in ihrer unspezifischen, nicht durch besonders verdichtete Einzelverbürgungen konturierten Form betreffen. Wann genau aber eine faktische Beeinträchtigung als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff zu qualifizieren sein soll, wird unterschiedlich beurteilt. Am weitesten verbreitet sind Ansätze, die nach den Kriterien der Finalität, Intensität und Vorhersehbarkeit differenzieren 224. Da sich die Entscheidungsfreiheit nicht anders als final begren219 Vgl. D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 80. Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht einschlägig, da dieses Grundrecht nicht vor Konkurrenz schützt; vgl. BVerfGE 34, 252 (256); 55, 261 (269); 94, 372 (395); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 12 Rn. 29. 220 W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 61. 221 Vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 422; G. Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl. 2007, Rn. 211; B. Pieroth / B. J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (424); B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 380; J. Pietzcker, in: FS für O. Bachof, 1984, S. 131 (145 ff.). 222 Siehe zu den Innominatfreiheitsrechten C. III. 3. 223 W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 85.

II. Eingriff

95

zen ließe, setzten Eingriffe notwendig Finalität voraus 225. H.-U. Erichsen verweist demgegenüber zunächst auf die Kompetenz des Gesetzgebers zur „Verteilung von realen Freiheitschancen“, die auch die Entscheidung darüber beinhalte, welche Interessen der Bürger zu subjektiven öffentlichen Rechten ausgestaltet werden. Um diese Kompetenz nicht zu unterlaufen, komme ein Rückgriff auf Grundrechte und damit auf Art. 2 Abs. 1 GG bei faktischen Beeinträchtigungen nur in Betracht, wenn es von vornherein an einer gesetzlichen Grundlage fehle oder die Legislative die grundrechtlichen Steuerungsvorgaben nicht hinreichend beachtet habe. Selbst in diesen Fällen sei darüber hinaus aber noch eine erhöhte Betroffenheitsintensität sowie eine hinreichende Erfolgsbeziehung zwischen dem hoheitlichen Ausgangsakt und der Beeinträchtigung zu fordern, um den grundrechtlichen Schutz zu aktivieren. Was die Betroffenheitsintensität im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG anbelangt, sollen Beeinträchtigungen um so mehr an Gewicht gewinnen, „je intensiver sich der Betroffene an der verfassungsrechtlich zulässigen Verwirklichung der selbstgesetzten Ziele seiner Entfaltung gehindert sieht“ 226. Einen völlig anderen Ansatz verfolgen die Anhänger der bereits dargelegten Theorie von der Grundrechtsdominanz im status negativus. Nach ihrer Auffassung spielt das einfache Recht als Quelle subjektiver öffentlicher Abwehrrechte keine Rolle. Vielmehr sollen die Grundrechte dem Bürger mit ihrer negatorischen Defensivfunktion immer schon dann zur Seite stehen, wenn dieser in eigenen Angelegenheiten konkret betroffen ist 227. Die Anforderungen an die Bejahung eines Grundrechtseingriffs sind bei dieser Sichtweise zwangsläufig äußerst gering. b) Rechtsprechung aa) BVerfG Das BVerfG hat Versuche, Art. 2 Abs. 1 GG als subjektives öffentliches Abwehrrecht gegen jede tatsächliche Belastung oder Nachteilszufügung durch einen vom Rechtskreis des Beschwerdeführers noch so entfernten staatlichen Akt in Stellung zu bringen, abgewehrt. So verwarf es Verfassungsbeschwerden gegen 224 Vgl. U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 49 (mit zurückhaltender Grundtendenz); W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 62; P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 18; J. Lege, Jura 2002, 753 (760); K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1, 2006, S. 926 f. 225 D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 82 f. 226 H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 75 ff. 227 R. Bernhardt, JZ 1963, 302 (306 f.); W. Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245 (272 f.); M. Zuleeg, DVBl. 1976, 509 (514 ff.).

96

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

die so genannten Ostverträge und gegen das Regelungsgesetz über die Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg mangels Beschwerdebefugnis bereits im Rahmen der Zulässigkeit 228. Ferner sah es durch die Auflösung des Deutschen Bundestags und die Durchführung von Neuwahlen die allgemeine Handlungsfreiheit des Wählers nicht berührt 229. Das Gericht erkennt folglich nicht jedes faktische Betroffensein als grundrechtserheblichen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG an. Die in seinen frühen Judikaten getätigte Aussage, die freie Entfaltung der Persönlichkeit umfasse „in unserer grundgesetzlichen Ordnung auch den grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist“ 230, steht dazu nicht in Widerspruch. Denn in diesen Fällen ging es ausschließlich um klassische Eingriffskonstellationen 231. Lediglich die Formulierung wurde verfehlt weit gefasst 232. Spätere Urteile belegen eindeutig, dass ein staatlich verursachter Nachteil allein nicht ausreicht, um den grundrechtlichen Schutzgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG zu aktivieren 233. Andererseits schraubt das BVerfG den Grundrechtschutz aber auch nicht auf das Niveau des klassischen Eingriffsbegriffs zurück, sondern erkennt prinzipiell die Möglichkeit faktischer Beeinträchtigungen der allgemeinen Handlungsfreiheit an, die den Zwang zu verfassungsrechtlicher Rechtfertigung auslösen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Ladenschlussgesetzes hinzuweisen. Das Gericht führte aus, die Beschwerdeführerinnen seien zwar nicht selbst Adressaten des Gesetzesbefehls, Läden zu bestimmten Zeiten zu schließen, die an die Ladeninhaber gerichtete Bestimmung hindere die Kundschaft aber zwangsläufig am Einkauf und wirke daher wie ein unmittelbar an diese gerichteter Gesetzesbefehl 234. Genaue Kriterien, wann einer faktischen Beeinträchtigung im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG Eingriffsqualität zukommt, stellte das Gericht bislang aber nicht auf. bb) BVerwG Das BVerwG hatte sich insbesondere im Bereich der Wettbewerbsfreiheit, welche von ihm häufig (aber nicht nur 235) in Art. 2 Abs. 1 GG verortet wird 236, mit Klagen zu befassen, die keine imperativen Hoheitsakte zum Gegenstand hatten.

228

BVerfGE 40, 141 (150, 156); 49, 15 (23). BVerfGE 62, 397 (399); 63, 73 (75). 230 BVerfGE 9, 83 (88); 29, 402 (408). 231 Vgl. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 51 Fn. 197. 232 J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 2. Aufl. 1997, S. 177 f. 233 BVerfGE 76, 1 (72) – Nachteil: Hinderung des Nachzugs von Familienangehörigen; BVerfGE 98, 218 (259) – Nachteil: erhöhtes wirtschaftliches Risiko der Schulbuchverlage. 234 BVerfGE 13, 230 (233). 229

II. Eingriff

97

Ziel der Kläger war es etwa, Subventionen 237 oder Ausnahmegenehmigungen 238 abzuwehren, die Konkurrenten begünstigten. Daneben wurde auch die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand angegriffen 239. Eine Verletzung der Wettbewerbsfreiheit soll nach Ansicht des BVerwG erst dann zu bejahen sein, wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die staatliche Einflussnahme in einem für den Kläger unerträglichen Maße eingeschränkt und er in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt wird 240. Dogmatisch wenig überzeugend differenziert das Gericht nicht zwischen Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung, sondern prüft lediglich einstufig, ob die von ihm festgesetzte Belastungsschwelle überschritten wird. Allein in diesem Fall soll dem Kläger ein grundrechtlicher Abwehranspruch zustehen. Das macht nur Sinn, wenn Eingriff und Verletzung gleich gesetzt werden. Könnte ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit nämlich auch vorliegen, ohne dass die staatliche Einflussnahme unerträgliche und unzumutbare Wirkungen entfaltet, so hätte das Gericht auch den Bereich vor dieser Schwelle in den Blick nehmen müssen, was aber nicht geschehen ist. c) Homogene Eingriffsdogmatik für sämtliche Freiheitsrechte Richtigerweise sind all jene Ansätze, die ein spezifisch auf Art. 2 Abs. 1 GG fixiertes Sonderregime der Eingriffsdogmatik präferieren, abzulehnen 241. Der erweiterte Eingriffsbegriff, welcher im Hinblick auf die speziellen Freiheitsrechte herausgearbeitet wurde, muss unverändert auch für das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in seiner Ausprägung als allgemeine Handlungsfreiheit gelten. Dies erhellt, wenn die bereits dargelegten Argumente, die für eine Ausweitung des klassischen Eingriffsbegriffs streiten, in Erinnerung gerufen werden. Die Gefahr, der Staat könne sich bei einer Beschränkung der grundrechtlichen 235 Offen gelassen in BVerwGE 71, 183 (189 f.); auf Art. 12 Abs. 1 GG abstellend BVerwGE 89, 281 (283), BVerwG, NJW 1996, 3161 (3161). 236 BVerwGE 17, 306 (309); 30, 191 (198); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwGE 60, 154 (159 f.); 65, 167 (174); 79, 326 (329 f.); BVerwG, U. v. 28. 12. 1990, Buchholz 415.1, Nr. 112, 94 (95); siehe auch OVG Münster, NJW 1980, 2323 (2324); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274). Kritisch gegenüber dem häufigen Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG OVG Münster, NVwZ 1984, 522 (524); M. Erdemir, JA 1996, 927 (928); U. Hösch, DV 30 (1997), 211 (226); U. Schliesky, JA 1997, 902 (906); R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Allgemeiner Teil, 1990, S. 163; R. Scholz, AöR 100 (1975), 80 (128 f.). Dagegen stellt P. Badura, in: D. Merten / H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band II, 2006, § 29 Rn. 13 auf Art. 2 Abs. 1 GG ab. 237 BVerwGE 30, 191 ff. 238 BVerwGE 65, 167 ff. 239 BVerwG, DVBl. 1996, 152 ff.; VGH Mannheim, NJW 1995, 274 f. 240 BVerwGE 30, 191 (198 f.); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153); vgl. daneben noch BVerwGE 65, 167 (174). 241 Ebenso W. Kahl, AöR 131 (2006), 579 (607 f.); H. Kube, JuS 2003, 111 (114).

98

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Defensivfunktion auf bestimmte Handlungsmodi durch die Wahl seiner Mittel seiner Grundrechtsbindung entziehen, was Art. 1 Abs. 3 GG widersprechen würde, der einen umfassenden und wirksamen Schutz gegen alle staatliche Gewalt gewährleisten will 242, besteht im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG in ebensolcher Weise wie bei den speziellen Freiheitsrechten. Ferner kann der Einzelne durch Realakte und mittelbar wirkende Maßnahmen der Hoheitsgewalt ebenso stark – mitunter sogar stärker – in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit tangiert werden, wie durch imperative Maßnahmen. Beispielsweise ist für den Konsumenten unerheblich, ob ihm der Einkauf zu bestimmten Zeiten gesetzlich verboten wird oder deshalb unmöglich ist, weil ein Gesetz dem Einzelhandel den Verkauf verbietet und er daher vor verschlossenen Türen steht. Aus Sicht des Grundrechtsträgers ist nur die faktische Verkürzung seiner Freiheit relevant und nicht die Art und Weise, mit der diese bewirkt wird 243. Warum sollte es also von der Beeinträchtigungsmodalität abhängen, ob eine Handlung, die ein Grundrechtsträger für seine Persönlichkeitsentfaltung als relevant definiert, effektiven Grundrechtsschutz genießt? Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Taubenfütterer, an den eine Ordnungsverfügung ergangen ist, auf seine allgemeine Handlungsfreiheit soll berufen können, der Spaziergänger, dessen gewohnte Route durch den Bau einer Autobahn zerschnitten wird, aber nicht. Beiden wird durch ein allein dem Staat zurechenbares Verhalten die freie Persönlichkeitsentfaltung verwehrt. Wollte man hier differenzieren, so liefe man Gefahr, durch die Hintertür des Eingriffsbegriffs doch wieder wertende Elemente in Art. 2 Abs. 1 GG hineinzutragen, da Handlungen, die typischerweise faktischen statt rechtlichen Bedrohungen ausgesetzt sind, im Ergebnis aus dem Grundrechtsschutz exkludiert würden. Dies widerspräche der prinzipiellen – jedes menschliche Verhalten in seinen Schutzbereich einbeziehenden – Offenheit des Grundrechts. Zudem spielt das Argument, durch den Übergang vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat sei die Eingriffs- um die Leistungsverwaltung und somit um neue Handlungsformen ergänzt worden, die das Bedürfnis nach einem weiten Eingriffsbegriff nach sich zögen, wenn der effektive Grundrechtsschutz des Bürgers nicht zur Disposition gestellt werden solle 244, gerade bei Art. 2 Abs. 1 GG eine besondere Rolle. Exemplarisch sei hier auf die Rechtsprechung zur negativen Konkurrentenklage gegen Subventionen verwiesen, welche bekanntlich im Rahmen der Leistungsverwaltung gewährt werden und den nicht geförderten Unternehmer nur faktisch in seiner Wettbewerbsfreiheit beeinträchtigten 245. Gelten somit sämtliche Argumente, die allgemein für die Erweiterung des klassischen 242 Vgl. A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 142. 243 B. Weber-Dürler, VVDStRL 57 (1998), 57 (76). 244 Vgl. A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 12 Rn. 40; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 141. 245 BVerwGE 30, 191 (198 f.); vgl. aus der Literatur T. Busch, JuS 1992, 563 (565); H.-J. Friehe, JuS 1981, 867 (870 f.); P. Miebach, JuS 1987, 956 (960).

II. Eingriff

99

Eingriffsbegriffs sprechen, in unveränderter Form auch bei Art. 2 Abs. 1 GG, so muss auch dieses Grundrecht dem oben herausgearbeiteten Eingriffsbegriff unterstellt werden. Eine staatliche Maßnahme greift folglich immer dann in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln die allgemeine Handlungsfreiheit eines Grundrechtsträgers verkürzen wird. Allerdings gilt das Vorhersehbarkeitskriterium ebenso wie bei den speziellen Freiheitsrechten ausnahmsweise dort nicht, wo die Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzgutes als privatverursacht anzusehen ist. Das ist immer dann der Fall, wenn zwischen die staatliche Maßnahme und den Beeinträchtigungserfolg das autonome Verhalten eines Privaten tritt und diesem Privatverhalten ein eigenständiger Schädigungsgehalt zukommt. Eine nennenswerte Restriktion des Anwendungsbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG geht mit dem Kriterium der Vorhersehbarkeit freilich nicht einher, wie die obigen Beispielsfälle demonstrieren. Für die Planfeststellungsbehörde beziehungsweise den Straßenbaulastträger ist keineswegs unvorhersehbar, dass der Bau einer Autobahn Spaziergängern den gewünschten Weg versperren kann. Ebenso weiß jedermann (folglich auch jeder Hoheitsträger) um den sichtbeschränkenden Effekt oberirdischer Baulichkeiten. Dies ruft verständlicherweise die Sorge hervor, die Verbindung eines thematisch unbestimmten und daher extensiv weiten Schutzbereichsverständnisses mit einem gleichfalls weit gefassten Eingriffsbegriff versetze den Bürger in den Stand, fast jede staatliche Maßnahme gerichtlich anzugreifen und die ohnehin schon chronisch überlastete Judikative gänzlich zu überfordern. Während sich das BVerfG noch unter Berufung auf die Zuständigkeiten der Fachgerichtsbarkeit darauf zurückziehen kann, lediglich die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts zu prüfen 246, scheint für die Verwaltungsgerichte eine erhebliche Mehrbelastung unausweichlich. Das Schild des § 42 Abs. 2 VwGO (analog) scheint durch das Gewicht der Grundrechte gleichsam niedergedrückt und dies, obwohl seiner ratio, die Popular- und Interessentenklage auszuschließen 247, bei 246 Vgl. die ständige Rechtsprechung zur Beschränkung des verfassungsgerichtlichen Prüfungsumfangs BVerfGE 1, 418 (420); 18, 85 (92); 30, 173 (196 f.); 42, 143 (147 f.); 60, 79 (90); 67, 213 (222 f.); 68, 361 (372); 80, 109 (122); 97, 12 (27). Vgl. ferner H.-J. Papier, in: FG aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band I, 1976, S. 432 (434 f.) m. w. N. 247 Vgl. BVerwGE 17, 87 (91); 36, 192 (199); 60, 123 (125); 92, 263 (264); H.U. Erichsen, Jura 1989, 220 (220); J. Hüttenbrink, in: W. Kuhla / J. Hüttenbrink / J. Endler, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, D Rn. 57; F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 1; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 490; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 150; E. Schwerdtner, NVwZ 1990, 630 (631); H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 365; R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 8.

100

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

rechtlicher Betrachtung nicht widersprochen wird. Denn der sich auf Art. 2 Abs. 1 GG stützende Kläger macht weder Rechte Dritter geltend, noch sucht er Allgemeininteressen zu verteidigen. Vielmehr beruft er sich auf ein ihm zustehendes subjektives öffentliches Abwehrrecht. Dass es sich dabei um das thematisch unbestimmte Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit handelt, nimmt seiner Klage nicht den individualrechtsschützenden Charakter. Ob mit dem hier vertretenen Ansatz aber tatsächlich eine nicht zu bewältigende Arbeitslast für die Verwaltungsgerichte verbunden ist, wird sich zeigen, wenn die Überlegungen zur normativen Verankerung subjektiver öffentlicher Rechte im Verwaltungsprozess mit der zu Art. 2 Abs. 1 GG herausgearbeiteten Schutzbereichsund Eingriffsdogmatik zusammengeführt werden.

III. Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten Da vom sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG nach dem oben Gesagten jedes menschliche Verhalten unabhängig von seiner Art und Güte erfasst wird, inkorporiert das Grundrecht thematisch auch sämtliche spezialgrundrechtlich geschützten Verhaltensweisen 248. Dies wirft unweigerlich die Frage nach dem Verhältnis der allgemeinen Handlungsfreiheit zu den speziellen Freiheitsrechten auf 249. 1. Auffangfunktion Im Grundsatz sind sich die Vertreter eines weiten Schutzbereichsverständnisses im Schrifttum darin einig, Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht zu qualifizieren, welches bei Einschlägigkeit spezieller Freiheitsrechte hinter diese zurücktreten soll 250. Es gilt das konkurrenzregelnde Prinzip „lex specialis derogat legi generali“.

248

G. Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl. 2007, Rn. 206. Keine Konkurrenzprobleme ergeben sich im Hinblick auf die Gleichheitsrechte. Ein und dieselbe Maßnahme kann sowohl diese als auch Art. 2 Abs. 1 GG verletzen; vgl. U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 24; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 93; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 61. 250 G. Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, S. 213; C. Degenhart, JuS 1990, 161 (169); U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 21; H. Hutzelmann, Die prozessuale Bedeutung des Elfes-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 32), 1970, S. 86 ff.; H. Kube, JuS 2003, 111 (113); J. Lege, Jura 2002, 753 (758); D. Merten, JuS 1976, 345 (347); W.-R. Schenke, JuS 1987, L 65 (L 67 f.); R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Allgemeiner Teil, 1990, S. 160; 249

III. Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten

101

Die Judikatur des BVerfG stimmt damit im Wesentlichen überein 251, wenngleich sich auch „Ausreißer“ finden lassen, die das Spezialitätsverhältnis verkennen 252. a) Sachliche Sperrwirkung der speziellen Freiheitsrechte Umstritten ist indes nach wie vor, ob die den Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG sperrende Wirkung der benannten Freiheitsrechte schon dann greift, wenn deren Regelungsbereich betroffen ist 253 oder ob dafür auch deren Schutzbereich eröffnet sein muss 254. Relevant wird dies, wenn sich die staatlicherseits verkürzte Verhaltensfreiheit thematisch zwar einem speziellen Freiheitsrecht zuordnen lässt, aber aufgrund einschränkender Tatbestandsmerkmale nicht von dessen Schutzbereich erfasst wird. Exemplarisch wird zumeist auf die unfriedliche Versammlung verwiesen, die zwar vom sachlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG ausgeschlossen ist, gleichwohl aber in dessen Regelungsbereich fällt. Während der eine Ansatz der unfriedlichen Versammlung jeglichen Grundrechtsschutz vorenthält, können sich deren Teilnehmer nach der Gegenauffassung zumindest auf die allR. Scholz, AöR 100 (1975), 80 (112 ff.); J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 2. Aufl. 1997, S. 327; A. Söllner, RdA 1989, 144 (147). 251 BVerfGE 6, 32 (37); 32, 98 (107); 65, 196 (209); 89, 48 (61); 101, 54 (74). 252 So wurde beispielsweise in den folgenden Fällen zunächst die Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG geprüft, bevor spezielle Freiheitsrechte in den Blick genommen wurden BVerfGE 4, 7 (15 ff.); 8, 274 (327 ff.); 17, 306 (313 ff.). Vgl. zur mitunter widersprüchlichen und inkonsequenten Rechtsprechung des BVerfG jeweils m. w. N. W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 3 Fn. 10; G. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, S. 133 f.; R. Scholz, AöR 100 (1975), 80 (114). Anfänglich vertrat das BVerfG sogar die Auffassung, die formelle Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes sei auch dann über Art. 2 Abs. 1 GG zu rügen, wenn in sachlicher Hinsicht ausschließlich spezielle Freiheitsrechte einschlägig sind; vgl. BVerfGE 11, 105 (110 ff.); 11, 192 (198 ff.); 11, 234 (236 ff.); E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 I GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmässigen Ordnung“, 1968, S. 58 f. 253 So C. Degenhart, JuS 1990, 161 (169); H.-U. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 3. Aufl. 1982, S. 141 f.; ders., Jura 1987, 367 (370); ders., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 26; W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 19 ff.; W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 39; K.-A. Schwarz, JZ 2000, 126 (130); H.-G. Sokolish, JuS 1976, 776 (778); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 49, 71. 254 So A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 14 Rn. 11 f.; U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 26 f.; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 2; D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 137; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 341 f., 369; M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 2 Rn. 41 f.

102

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

gemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn im Wege der Interpretation bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Hs. GG ausgeklammert werden 255. Zunächst lässt sich kaum bestreiten, dass der Verfassungsgeber mit dem Ausschluss der unfriedlichen Versammlung aus Art. 8 Abs. 1 GG ein bewusstes und gezieltes Werturteil gegen diese Art von Versammlung gefällt hat 256. Andererseits führt diese Ansicht aber zu dem zweifelhaften Ergebnis, dass mangels eines Grundrechtseingriffs all jene rechtsstaatswidrigem Verhalten der Staatsgewalt völlig schutzlos gegenüberstünden, denen an der Verwirklichung von Verhaltensweisen gelegen ist, welche zwar in den Regelungsbereich eines speziellen Freiheitsrechts fallen, nicht aber in dessen Schutzbereich. Würden etwa polizeiliche Maßnahmen gegen unfriedliche Versammlungen auf der Grundlage von Gesetzen ergehen, die unter Missachtung der Gesetzgebungskompetenz, des Gesetzgebungsverfahrens, des Bestimmtheitsgrundsatzes und der Anforderungen des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG zustande gekommen sind, oder würde die Polizei ganz ohne gesetzliche Grundlage und in unverhältnismäßiger Weise tätig, so könnte gegen dieses rechtsstaatswidrige Verhalten kein Rechtsschutz erlangt werden 257. Die mit diesem Ansatz verbundenen Missbrauchsgefahren erscheinen daher nicht unbedeutend, während die gegenteilige Auffassung, welche auch der unfriedlichen Versammlung den Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit zugesteht, in ihren Folgen völlig unschädlich ist, da die weite Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 1 2. Hs. GG ein gesetzliches Verbot derartiger Versammlungen problemlos ermöglicht 258. Als Kompromisslösung bietet sich daher an, den Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG zumindest insoweit nicht hinter die speziellen Freiheitsrechte zurücktreten zu lassen, als es um die Geltendmachung allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsätze geht 259.

255 Vgl. zu dieser Ausklammerung BVerfGE 54, 208 (219); 61, 1 (8); 85, 1 (15); 90, 1 (15); 90, 241 (249); R. Scholz / K. Konrad, AöR 123 (1998), 60 (85 f.). Das BVerfG hat in den entschiedenen Fällen nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen. Für einen solchen Rückgriff spricht sich H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 5 Rn. 4 aus; dagegen H. Bethge, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 5 Rn. 48 a. 256 Darauf abstellend W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 20. 257 Vgl. A. Bleckmann, Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, § 14 Rn. 11. 258 Vgl. M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 2 Rn. 42. 259 So R. Herzog, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band II, Stand: Jan. 1987, Art. 8 Rn. 77.

III. Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten

103

b) Personelle Sperrwirkung der Bürgerrechte Kontrovers diskutiert wird auch die Frage, ob sich Ausländer und Staatenlose auf das allgemeine Freiheitsrecht berufen können, wenn das in Rede stehende Verhalten dem sachlichen Schutzbereich eines speziellen Freiheitsrechts unterfällt, welches ausdrücklich nur Deutschen vorbehalten ist (Art. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1, 12 Abs. 1, 16 Abs. 2 S. 1 GG). aa) Absolute Sperrwirkung der Art. 2 Abs. 2, 4 ff. GG Gegen den Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit im Gewährleistungsbereich von Deutschenrechten wird in erster Linie angeführt, dadurch würde die vom Verfassungsgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Deutschen- und Jedermann-Grundrechten außer Acht gelassen 260. Es wird argumentiert, das Recht der Versammlung unter freiem Himmel und die Berufsfreiheit seien einem einfachen Gesetzes- beziehungsweise Regelungsvorbehalt unterworfen (Art. 8 Abs. 2, 12 Abs. 1 S. 1 GG). Da auch Art. 2 Abs. 1 2. Hs. GG (zumindest nach weit überwiegender Auffassung) als Schranke einen schlichten Gesetzesvorbehalt enthalte 261, würde eine Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf Ausländer und Staatenlose über die allgemeine Handlungsfreiheit die Privilegierung der Deutschen negieren 262. Die Beschränkung des persönlichen Schutzbereichs auf Deutsche sei nicht so zu verstehen, dass hinsichtlich der Ausländer keine Regelung bestehe und somit eine über Art. 2 Abs. 1 GG zu füllende Lücke existiere. Vielmehr ergebe sich aus der grundgesetzlichen Differenzierung zwischen Jedermann- und Bürgerrechten eine negative Ausschlusswirkung letzterer zuungunsten der Ausländer 263. Denn andernfalls könnten sich diese auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen, ohne an die schutzbereichsimmanenten Beschränkungen der Deutschenrechte gebunden zu sein. Beispielsweise wäre ein aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitetes Recht auf Versammlungsfreiheit ohne die Einschränkung „friedlich und ohne Waffen“ gewährleistet 264. 260 K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band IV/1, 2006, S. 985. 261 M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 2 Rn. 27. 262 H.-U. Erichsen, Jura 1987, 367 (369 f.); ders., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 48; A. von Mutius, Jura 1988, 30 (33). 263 So K.-P. Dolde, Die politischen Rechte der Ausländer in der Bundesrepublik, 1972, S. 61; L. H. Fohmann, EuGRZ 1985, 49 (57); W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 22. Im Ergebnis ebenso K. Hailbronner, NJW 1983, 2105 (2110); W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 39 f.; H. C. Nipperdey, in: K. A. Bettermann / H. C. Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Band IV/2, 2. Aufl. 1972, S. 741 (777); F. Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (4); J. Schwabe, NJW 1974, 1044 (1044 f.); ders., Probleme der Grundrechtsdogmatik, 2. Aufl. 1997, S. 31.

104

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

bb) Personelle Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG Das überwiegende Schrifttum will Ausländern hingegen im Einklang mit der Rechtsprechung grundrechtlichen Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG zusprechen 265. Dem ist zu folgen. Insbesondere steht die Spezialität der Bürgerrechte einer solchen Sichtweise nicht entgegen, da von einem Spezialitätsverhältnis immer nur dann die Rede sein kann, wenn ein Lebenssachverhalt gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen der speziellen als auch der allgemeinen Norm erfüllt. Andernfalls ergibt sich von vornherein kein Konkurrenzproblem, das über den Grundsatz lex specialis derogat legi generali gelöst werden müsste. Wird einem Deutschen nun die Ausübung eines bestimmten Berufes gesetzlich untersagt, so verkürzt dieses gesetzliche Verbot sowohl seine allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG als auch seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die beiden Grundrechtsbestimmungen treten daher in ein Konkurrenzverhältnis zueinander. Wird hingegen einem Ausländer die Ausübung eines bestimmten Berufes untersagt, so verkürzt dieses Verbot zwar ebenfalls seine allgemeine Handlungsfreiheit, seine Berufsfreiheit vermag es aber nicht zu verkürzen, da ihm Art. 12 Abs. 1 GG keine solche Freiheit gewährt. Somit existiert kein Konkurrenz- und infolgedessen auch kein Spezialitätsverhältnis. Zudem würde es einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn jede beliebige und noch so triviale Aktivität des Nichtdeutschen vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt wäre, nicht aber die besonders relevanten Bereiche der Versammlungs- und Berufsfreiheit 266. Dies erschiene umso widersprüchlicher, als gerade die Ausübung eines bestimmten Berufs für viele Menschen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Persönlichkeitsentfaltung ist. Ferner wird die unübersehbare rechtliche Wertung des Grundgesetzes, wonach die deutschen Staatsbürger durch die exklusiven Deutschenrechte eine Privilegie264

H.-U. Erichsen, Jura 1987, 367 (370); ders., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 49. 265 BVerfGE 35, 382 (399); 78, 179 (196 f.); BVerfG, NJW 2002, 663 (663); H. Bauer, NVwZ 1990, 1152 (1153); C. Degenhart, JuS 1990, 161 (167 f.); K. H. Friauf, JA 1984, 537 (540); W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 81 f.; J. Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (80); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 10; K. M. Meessen, JuS 1982, 397 (401); D. Merten, JuS 1976, 345 (350 f.); J. Pietzcker, JZ 1975, 435 (437); G. Robbers, in: E. Benda / W. Maihofer / H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 13, 17; M. Sachs, BayVBl. 1990, 385 (390); ders., Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, B 2 Rn. 44; W.-R. Schenke, JuS 1987, L 65 (L 68); D. Schmalz, Grundrechte, 4. Aufl. 2001, Rn. 464; G. Schwerdtfeger, Verhandlungen des 53. DJT, Band I, 1980, Gutachten A, S. A 29 f.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1040 f.; R. Wernsmann, Jura 2000, 657 (658); M. Zuleeg, DÖV 1973, 361 (362); ders., DVBl. 1974, 341 (344). 266 So auch C. Degenhart, JuS 1990, 161 (168); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 48.

III. Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten

105

rung erfahren sollen, keineswegs überspielt, da die allgemeine Handlungsfreiheit der Ausländer und Staatenlosen unter dem „weitesten und elastischsten Schrankenvorbehalt des Grundrechtskatalogs“ 267 steht. Sie ist dementsprechend leichter einschränkbar als die speziellen Bürgerrechte 268. Das ist im Hinblick auf den qualifizierten Gesetzesvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG evident, gilt aber ebenso im Hinblick auf die einfachen Gesetzesvorbehalte in Art. 8 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG 269. Denn der grundgesetzlichen Differenzierung zwischen Menschen- und Bürgerrechten ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne stets Rechnung zu tragen. Die Güterabwägung ermöglicht es, die Distanz zu den Deutschenrechten zu wahren. Beispielsweise kann sich der Nichtdeutsche, der sich gegen Beschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit wehren möchte, nicht auf die besondere Wertigkeit berufen, die Art. 12 Abs. 1 GG der beruflichen Betätigung des Deutschen verleiht. Vielmehr ist er darauf verwiesen, ein schlichtes Handlungsinteresse geltend zu machen 270. In der Prüfung der Angemessenheit wirkt sich dies dergestalt aus, dass die Bedeutung und das Gewicht des von der angegriffenen staatlichen Maßnahme tangierten Grundrechts weniger hoch veranschlagt werden, als dies der Fall wäre, wenn ein Deutscher durch die gleiche Maßnahme einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erlitten hätte. Dementsprechend kann die vom BVerfG kreierte Dreistufentheorie 271 im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG zugunsten des Nichtdeutschen keine Anwendung finden 272. Es kann folglich keine Rede davon sein, dass die von der Verfassung intendierte Privilegierung deutscher Staatsbürger nivelliert wird. Daran ändert auch die von Teilen der Literatur befürwortete Intensivierung des grundrechtlichen Schutzes der Ausländer und Staatenlosen bei langer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet 273 nichts, solange diese Intensivierung nicht bis zur Gleichstellung betrieben wird 274. 267

J. Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (80 Fn. 73). U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 33. 269 M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, A 6 Rn. 17. 270 Vgl. M. Sachs, BayVBl. 1990, 385 (389). 271 BVerfGE 7, 377 (405 ff.). 272 U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 34. 273 Vgl. H. Bauer, NVwZ 1990, 1152 (1154); K. M. Meessen, JuS 1982, 397 (401); G. Robbers, in: E. Benda / W. Maihofer / H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 14. 274 So aber G. Schwerdtfeger, Verhandlungen des 53. DJT, Band I, 1980, Gutachten A, S. A 31 ff. Noch weitergehend M. Wollenschläger, ZAR 1985, 156 (159), der die Asylberechtigten im Hinblick auf die Berufsfreiheit sogar unabhängig von der Aufenthaltsdauer den deutschen Staatsbürgern gleichstellen will. Wie hier gegen eine Gleichstellung auch bei längerer Aufenthaltsdauer K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 1041. 268

106

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

cc) Ausländische EU-Bürger Ausländischen EU-Bürgern muss aufgrund des allgemeinen Diskriminierungsverbots aus Art. 12 EGV und der in den Grundfreiheiten manifestierten speziellen Diskriminierungsverbote im Anwendungsbereich des EGV der gleiche Grundrechtsschutz zuteil werden wie den deutschen Staatsbürgern. Art. 2 Abs. 1 GG ist daher europarechtskonform auszulegen 275. Zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen dann nur noch solche Gesetze, die auch gegenüber deutschen Staatsbürgern in Ansehung ihrer Bürgerrechte ergehen dürften. Auf diese Weise hält etwa die Dreistufentheorie Einzug in Art. 2 Abs. 1 GG. Die mitunter favorisierte Gleichstellung der EU-Bürger über die direkte Anwendung der Deutschenrechte auf sie 276 ist mit dem eindeutigen Wortlaut der Verfassung nicht in Einklang zu bringen, welcher auch der europarechtskonformen Auslegung Grenzen setzt 277. 2. Schutzergänzungsfunktion Wie ein Blick in die Rechtsprechungspraxis zeigt, wäre es allerdings zu kurz gegriffen, das Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten schlicht mit der Auffangfunktion und dem Spezialitätsgrundsatz zu umreißen. So finden sich zahlreiche Judikate, in denen Art. 2 Abs. 1 GG supplementierend den besonderen Freiheitsrechten beispringt 278 oder jene, was indes seltener der Fall ist, ihrerseits das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verstärkend ergänzen 279. Daraus ist zu folgern, dass Art. 2 Abs. 1 GG nicht nur eine Auffang-, sondern auch eine Schutzergänzungsfunktion zugesprochen wird 280. Das Konkurrenzver-

275

H. Bauer / W. Kahl, JZ 1995, 1077 (1081 ff.); M.-E. Geis, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Sept. 2004, C Art. 8 Rn. 69; W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 24; J. Lege, Jura 2002, 753 (756); G. Manssen, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 12 Abs. 1 Rn. 265; W. Rüfner, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 116 Rn. 12. 276 So im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG R. Breuer, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 147 Rn. 21; D. Ehlers, JZ 1996, 776 (781); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 10; R. Wernsmann, Jura 2000, 657 (659 ff.). 277 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 24. 278 BVerfGE 35, 35 (39 f.); 42, 234 (236 f.); 90, 255 (259); BVerfG, NJW 1997, 185 (185 f.). 279 BVerfGE 57, 170 (177 f.); 104, 337 (346). 280 Eingehend setzt sich W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 1 ff. mit der Schutzergänzungsfunktion auseinander. Vgl. daneben H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 28; W. Schmitt Glaeser, AöR 113 (1988), 52 (63 ff.); R. Scholz,

III. Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den speziellen Freiheitsrechten

107

hältnis zu den übrigen Freiheitsrechten ist dementsprechend nicht im Sinne einer Totalspezialität, sondern lediglich im Sinne einer Teilspezialität zu verstehen 281. Schutzergänzend wirkt Art. 2 Abs. 1 GG im grundrechtlichen Schutzsystem immer dann, wenn ein teilbarer oder vielschichtig-komplexer Lebenssachverhalt von den speziellen Freiheitsgrundrechten nur partiell abgedeckt wird und ein flächendeckender Grundrechtsschutz daher erst dann möglich ist, wenn die Spezialfreiheitsrechte und das Generalfreiheitsrecht zusammengenommen werden 282. Für die Auffangfunktion verbleiben demnach die Fälle, in denen ein Lebenssachverhalt von keinem Spezialgrundrecht erfasst wird und Grundrechtsschutz somit von vornherein nur mit Hilfe des Art. 2 Abs. 1 GG erlangt werden kann 283. Während sich im Rahmen der Auffangfunktion die bereits beantworteten Fragen stellten, inwieweit Art. 2 Abs. 1 GG als personelles Auffanggrundrecht wirken und ob sein Schutzgehalt auch dann noch aktiviert werden kann, wenn der Regelungsbereich eines speziellen Freiheitsrechts tangiert ist, stellt sich im Rahmen der Schutzergänzungsfunktion die Frage, in welchem Verhältnis Art. 2 Abs. 1 GG zu dem gleichfalls einschlägigen Spezialgrundrecht steht. Diese Frage kann nicht abstrakt, sondern nur fallspezifisch anhand einer Schwerpunktbetrachtung beantwortet werden, welche sich an den Kriterien der „Meistbetroffenheit“ beziehungsweise der größeren „Sachnähe“ zu orientieren hat. Dabei kann das in erster Linie beziehungsweise im Kern betroffene Grundrecht, welches im konkreten Fall sozusagen den „Zentralbereich“ abdeckt, als führendes Grundrecht bezeichnet werden, das im „Randbereich“ supplementierend hinzutretende als geführtes. Die Prüfung des Eingriffs, der Schranken und der Schranken-Schranken hat sich sodann am führenden Grundrecht auszurichten, also entweder an Art. 2 Abs. 1 GG oder am speziellen Freiheitsrecht 284. 3. Unbenannte Freiheitsrechte Letztlich ist noch das Verhältnis des Art. 2 Abs. 1 GG zu den so genannten Innomitatfreiheitsrechten anzusprechen, als deren prominentester Vertreter das allgemeine Persönlichkeitsrecht genannt werden kann 285, aber auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr einschließlich der Vertragsfreiheit 286 oder die Freiheit von Zwangsmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Verbänden 287. Da all diese AöR 100 (1975), 80 (117 ff.); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 50. 281 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 43. 282 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 12 f. 283 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 16. 284 W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 13 f. 285 BVerfGE 35, 202 (219); 54, 148 (153); 72, 155 (170); 79, 256 (268); 80, 367 (373); 89, 69 (82); 95, 220 (241); 96, 171 (181); 97, 228 (268); 99, 185 (193); 101, 361 (379).

108

C. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG

Rechte und Freiheiten in Art. 2 Abs. 1 GG wurzeln und daher nur besonders konturierte Facetten ein und desselben Grundrechts sind, nämlich des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, muss für sie im Verhältnis zu den Spezialfreiheitsrechten ebenso die grundsätzliche Generalität des Art. 2 Abs. 1 GG gelten wie für die allgemeine Handlungsfreiheit auch 288. Lediglich im Binnenbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, also im Verhältnis zur allgemeinen Handlungsfreiheit, sind sie vorrangig zu prüfen 289.

IV. Ergebnis Den Wertungstheorien, welche sämtlich darauf hinauslaufen, den sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG durch die Etablierung restriktiver Kriterien zu begrenzen, ist nicht zu folgen. Vielmehr ist das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit als allgemeines Freiheitsrecht zu verstehen. Es schützt folglich das Verhalten des Menschen in seiner Gesamtheit, ohne auf die Art und Güte des Verhaltens abzustellen. Das Grundrecht zeigt sich somit wertneutral. Trotz des weiten Schutzbereichs unterliegt der Eingriffsbegriff bei Art. 2 Abs. 1 GG aber keinem Sonderregime. Es ist vielmehr derselbe – weite – Eingriffsbegriff zugrunde zu legen, wie er auch für die speziellen Freiheitsrechte gilt. Dementsprechend ist ein Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Freiheitsrechts immer dann zu bejahen, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln die allgemeine Handlungsfreiheit eines Grundrechtsträgers verkürzen wird. Ebenso wie bei den speziellen Freiheitsrechten gilt das Kriterium der objektiven Vorhersehbarkeit aber dort nicht, wo die Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit als privatverursacht zu qualifizieren ist. Das ist immer dann der Fall, wenn zwischen die staatliche Maßnahme und den Beeinträchtigungserfolg das autonome Verhalten eines Privaten tritt und diesem Privatverhalten ein eigenständiger Schädigungsgehalt zukommt.

286 BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 65, 196 (210); 70, 115 (123); 73, 261 (270); 74, 129 (151 f.); 75, 108 (154); 78, 232 (244); 88, 384 (403); 89, 48 (61); 95, 267 (303). 287 Vgl. BVerfGE 10, 89 (102); 10, 354 (361 ff.); 12, 319 (323 f.); 15, 235 (239); 32, 54 (64); 38, 281 (297 f.); BVerfG, GewArch 2002, 111 (112); BVerwGE 32, 308 (312); 34, 69 (74); 39, 100 (102); 59, 231 (237 f.); 59, 242 (245); BVerwG, NJW 1982, 1298 (1298); NJW 1982, 1300 (1300); BVerwGE 87, 324 (325); 106, 64 (69); 107, 169 (173); 108, 169 (172); 109, 97 (99); VGH Mannheim, GewArch 2001, 418 (418); VG Würzburg, GewArch 2001, 415 (416); VG Frankfurt, GewArch 2000, 332 (333). 288 Anders D. Lorenz, in: FS für H. Maurer, 2001, S. 213 (217 f.), nach dessen Ansicht unbenannte Freiheitsrechte konkurrierende spezielle Freiheitsrechte auch verdrängen können. 289 Vgl. W. Kahl, Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, S. 59 f.

IV. Ergebnis

109

Mit Blick auf die anderen Grundrechtsbestimmungen bleibt festzuhalten, dass Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Eigenschaft als subjektives öffentliches Abwehrrecht nur dann zum Zuge kommen kann, wenn kein spezielles Freiheitsrecht einschlägig ist. Es sei denn, die Schutzergänzungsfunktion greift.

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG mit den bislang gewonnenen Erkenntnissen Die bisherigen Ausführungen haben zum einen gezeigt, wann die Grundrechte im Verwaltungsprozess als unmittelbare Quelle subjektiver öffentlicher Abwehrrechte in Erscheinung treten 1, zum anderen wurde dargelegt, wann ein Grundrechtseingriff in Art. 2 Abs. 1 GG gegeben ist und in welchem Verhältnis das allgemeine Freiheitsrecht zu den speziellen Freiheitsrechten steht 2. Nun gilt es, diese beiden Komplexe miteinander zu verbinden und mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur negatorischen Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG zu vergleichen.

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse Die bipolaren oder auch vertikalen Verwaltungsverhältnisse sind dadurch gekennzeichnet, dass sich nur zwei Parteien einander gegenüberstehen. Auf der einen Seite der Staat in Form der handelnden Verwaltung, auf der anderen der private Kläger als unmittelbar Betroffener der staatlichen Maßnahme. Je nachdem, wie die Verwaltung handelt, lässt sich zwischen Adressatenklagen, Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte, gegen Nebenbestimmungen und gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln differenzieren. 1. Adressatenklagen a) Adressatentheorie Wendet sich der Kläger gegen einen belastenden Verwaltungsakt, der an ihn adressiert ist, so soll die Klagebefugnis nach der Adressatentheorie, welcher nicht nur die weit überwiegende Literatur 3 , sondern auch die ständige Verwaltungs1

Siehe B. Siehe C. 3 Vgl. N. Achterberg, DVBl. 1981, 278 (278); J. von Albedyll, in: J. Bader / M. Funke-Kaiser / S. Kuntze / J. von Albedyll (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2007, § 42 Rn. 98; R. Appel, Grundrechte als Grundlage von Rechten im Sinne des § 42 II VwGO, 1974, S. 5; U. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

111

rechtsprechung anhängt 4, ohne weiteres zu bejahen sein. Begründet wird dies mit Art. 2 Abs. 1 GG. Da jeder belastende Verwaltungsakt dem Bürger ein Tun, Dulden oder Unterlassen gebiete und somit zumindest in dessen grundrechtlich verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit eingreife, könne eine Verletzung dieses Grundrechts nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden. Diese Ansicht geht folglich davon aus, dass Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte unmittelbar und unabhängig von der Ausgestaltung des einfachen Rechts zur Anwendung kommen, wenn der Kläger einen belastenden und an ihn adressierten Verwaltungsakt angreift. Den einfach-gesetzlichen Normen wird für die Beurteilung der Klagebefugnis dann keine Relevanz mehr beigemessen. Dies ist eine Sichtweise, die zu dem hier zugrunde gelegten Verständnis vom Verhältnis der grundrechtlichen Defensivfunktion zum einfach-gesetzlichen Normprogramm in scharfen Gegensatz tritt. Denn nach der hier vertretenen Auffassung kommt ein unmittelbarer Rückgriff auf Grundrechte im Verwaltungsprozess nur in Betracht, wenn das angegriffene Verwaltungshandeln als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist und die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte nicht durch das einfache Recht verdrängt beziehungsweise eingeschränkt werden. Verdrängt werden sie, wenn einfach-gesetzliche Normen selbst subjektive öffentliche Rechte gewähren, da dann der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts 3. Aufl. 2002, S. 92; D. Birk, NuR 1982, 1 (1); A. Bleckmann / R. Eckhoff, DVBl. 1988, 373 (374); U. G. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 214; J. Hüttenbrink, in: W. Kuhla / J. Hüttenbrink / J. Endler, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, D Rn. 59; F. Hufen, DVBl. 1988, 69 (72); ders., Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rn. 75; H.-J. Koch / R. Rubel / F. S. M. Heselhaus, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2003, § 8 Rn. 50; F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 69; J. Masing, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann / A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2006, § 7 Rn. 111; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 10 Rn. 29; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 510; B. Kienemund, in: J. Brandt / M. Sachs (Hrsg.), Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2. Aufl. 2003, M Rn. 41; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 146; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 383; P. J. Tettinger / V. Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 2005, § 17 Rn. 19; C. H. Ule, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 1987, S. 206; T. Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 280. Kritisch gegenüber der Adressatentheorie E. Gurlit, DV 28 (1995), 449 ff.; M. Happ, in: E. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 88; A. Hipp / U. Hufeld, JuS 1998, 802 (805); H. P. Schechinger, DVBl. 1991, 1182 (1184); C. Sennekamp, in: M. Fehling / B. Kastner / V. Wahrendorf (Hrsg.), Verwaltungsrecht VwVfG · VwGO, 2006, § 42 VwGO Rn. 60; R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2, Rn. 48, 70. 4 Vgl. BVerwGE 75, 147 (148); BVerwG, NJW 1988, 2752 (2753); BVerwG, NVwZ 1993, 884 (885); BVerwG, U. v. 5.4.01, Buchholz 115, Nr. 37, 40 (41); VGH Kassel, FEVS 12 (1966), 182 (184); OVG Koblenz, GewArch 1993, 289 (290); OVG Greifswald, NVwZ -RR 2000, 549 (550).

112

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

greift. Zu einer Einschränkung der grundrechtlichen Defensivfunktion kommt es hingegen, wenn einfach-gesetzliche Normen nach der Schutznormtheorie rein objektiv-rechtlich auszulegen sind und diese Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Da das einfache Recht bei dieser Sichtweise einen erheblichen Einfluss auf die Reichweite der normexternen Grundrechtswirkung hat, spielt es im Gegensatz zur Auffassung der vorherrschenden Adressatentheorie eine gewichtige Rolle bei der Beurteilung der Klagebefugnis. Gleichwohl gelangen aber beide Ansätze zu identischen Resultaten. Denn auch nach der hier vertretenen Auffassung ist der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets klagebefugt, lediglich die Begründung, die zu diesem Ergebnis führt, ist eine andere. So können rein objektiv-rechtlich ausgestaltete Rechtssätze die subjektiv-rechtliche Defensivfunktion der Grundrechte im Hinblick auf Adressatenklagen in der Regel nicht wirksam einschränken, weil eine solche Einschränkung grundsätzlich eine Verletzung der verfassungsrechtlichen SchrankenSchranken – konkret des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – bedeuten würde. Ein legitimer Zweck, der es erforderlich und angemessen erscheinen lassen könnte, dem Adressaten die Möglichkeit der subjektiv-rechtlichen Durchsetzbarkeit von Normen zu nehmen, die beim Erlass der an ihn adressierten und ihn somit final belastenden Verwaltungsakte zu beachten sind, wird nämlich nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben sein. Zu denken ist etwa an die von § 46 VwVfG angesprochenen Fallkonstellationen. Hat eine Behörde einen Verwaltungsakt unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit erlassen, ohne dass diese Verletzung ihre Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, so ist es vertretbar, den legitimen Zweck der Verfahrensökonomie höher als das Interesse des Betroffenen an einer auch formell rechtmäßigen Entscheidung zu bewerten, wenn und weil der Verwaltungsakt sachlich richtig ist und mit dem gleichen Inhalt ohne den formalen Fehler erneut erlassen werden könnte. Die betreffenden Verfahrens-, Form- und Zuständigkeitsvorschriften könnten also auch rein objektiv-rechtlich ausgestaltet werden, wenngleich davon vor dem Hintergrund der im Schrifttum zu § 46 VwVfG geäußerten Kritik 5 auch abzuraten ist. Jedenfalls ist es dem Gesetzgeber aber angesichts der Schranken-Schranke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Regel verwehrt, die subjektiv-rechtliche Defensivfunktion der Grundrechte bei Adressatenklagen einzuschränken, indem er das einfach-gesetzliche Normprogramm rein objektiv-rechtlich ausgestaltet. Sollte entgegen der verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken gleichwohl eine rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung erfolgt sein, so sind die betreffenden Normen des einfachen Rechts in verfassungskonformer Weise subjektiv-rechtlich auszulegen. Scheitert eine verfassungskonforme Auslegung in diesem Sinne, so ist der individualrechtsschutzverneinende Regelungsgehalt der betreffenden Nor5

Vgl. F. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl. 2002, Rn. 626; H. J. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl. 2000, § 49 Rn. 52.

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

113

men nichtig, weil verfassungswidrig, und die Grundrechte ermöglichen über ihre normexterne Wirkung die subjektiv-rechtliche Durchsetzbarkeit der betreffenden Normen. Daraus folgt, dass der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts im Regelfall klagebefugt ist, weil der Gesetzgeber das einfache Recht entweder zu seinen Gunsten subjektiv-rechtlich ausgestaltet hat oder weil die verfassungswidrige, rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung des Gesetzgebers im Wege der verfassungskonformen Auslegung beziehungsweise im Wege der normexternen Grundrechtswirkung korrigiert wird. Nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen auch bei adressierten Verwaltungsakten mit belastender Wirkung eine rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung des einfachen Rechts zulässig ist, müsste dem Adressaten trotz seiner Adressatenstellung die Klagebefugnis abgesprochen werden. Da es sich hierbei jedoch um seltene Ausnahmefälle handelt, wird bei Adressatenklagen in der Regel nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig die Möglichkeit ausgeschlossen werden können, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Adressat in subjektiven öffentlichen Rechten verletzt ist. Zu betonen bleibt aber, dass die subjektiven öffentlichen Rechte des Adressaten im Gegensatz zur vorherrschenden Auffassung grundsätzlich nicht aus den speziellen Freiheitsrechten oder der Generalklausel des Art. 2 Abs. 1 GG resultieren, sondern aus den Normen des einfachen Rechts, die (gegebenenfalls in verfassungskonformer Weise) subjektiv-rechtlich auszulegen sind 6 . Nur wenn eine solche Auslegung scheitert oder es an einfach-gesetzlichen Normen fehlt, was kaum jemals der Fall sein dürfte, treten die Grundrechte in ihrer negatorischen Defensivfunktion auch in Adressatenkonstellationen wieder in Aktion. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine theoretische Differenz: Wird die Adressatentheorie auf Art. 2 Abs. 1 GG und die speziellen Freiheitsrechte gestützt, so müsste die Klage an sich immer schon dann begründet sein, wenn der belastende Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Denn ein rechtswidriger Verwaltungsakt verletzt nicht nur den Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG, sondern findet auch keine ausreichende Stütze in den grundrechtsbeschränkenden Gesetzen und steht folglich außerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG. Vor dem Hintergrund einer grundrechtlich fundierten Adressatentheorie ginge mit einem rechtswidrigen Verwaltungsakt daher immer eine Grundrechtsverletzung und damit eine Verletzung des Adressaten in seinen subjektiven öffentlichen Rechten einher, was zwangsläufig zur Begründetheit einer von ihm erhobenen Anfechtungsklage führen müsste. Die Verwaltungsrechtsprechung bekennt sich zwar zur grundrechtlich fundierten Adressatentheorie, den eben dargelegten Schluss von der Rechtswidrigkeit des belastenden Verwaltungsakts auf 6 Im Ergebnis ebenso R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 70.

114

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

die Begründetheit der Anfechtungsklage zieht sie jedoch nicht (mehr). So konstatiert das BVerwG, dass „aus der objektiven Rechtswidrigkeit eines belastenden Verwaltungsakts nicht gleichsam automatisch der Schluss auf eine Verletzung des Adressaten in seinen subjektiven Rechten gezogen werden“ könne 7. Es folgt damit dem BVerfG, welches zuvor bezweifelte, „ob sich allein aus der objektiven Rechtswidrigkeit der Beförderungsverbote eine Verletzung der Klägerinnen in subjektiven Rechten und damit die Begründetheit der von ihnen erhobenen Klagen“ ergibt, obwohl die Klägerinnen die Adressaten jener belastenden Beförderungsverbote waren 8. Das ist wenig konsequent. Demgegenüber geht die hier vertretene, in den meisten Fällen einfach-gesetzlich fundierte Adressatentheorie davon aus, dass die exekutive Verletzung eines Rechtssatzes nur in der Regel zur Begründetheit der Klage führt. Denn sie erkennt an, dass der Gesetzgeber in Ausnahmefällen auch bei Adressatenklagen Normen des einfachen Rechts im Einklang mit der Verfassung rein objektiv-rechtlich ausgestalten und damit dem Adressaten die Möglichkeit nehmen kann, die Verletzung dieser Normen zu rügen. Somit lässt die hier vertretene Sichtweise Raum für notwendige Ausnahmen von der Regel und vermeidet dadurch Widersprüche in der Begründetheit. b) Adressatentheorie bei Leistungsklagen Hat die Verwaltung den Erlass eines Verwaltungsakts oder die Erbringung einer Leistung, die zuvor vom Bürger beantragt wurde, diesem gegenüber abgelehnt, so ist der Bürger Adressat eines ablehnenden und daher belastenden Verwaltungsakts. Es fragt sich deshalb, ob die Adressatentheorie auch in einem solchen Fall Anwendung findet. Dies wird vom weit überwiegenden Schrifttum verneint 9, während eine Mindermeinung die Klagebefugnis grundsätzlich bejaht, ohne indes ausdrücklich auf die Adressatentheorie abzustellen 10. Die Rechtsprechung operiert im Einklang mit dem weit überwiegenden Schrifttum allein in Anfechtungskonstellationen mit der Adressatentheorie. Dem ist vor dem Hintergrund der hier präferierten, in der Regel einfach-gesetzlich fundierten Adressatentheorie zu folgen. Dies soll anhand der unterschiedlichen Fallkonstellationen gezeigt werden, in denen ein Antrag des Bürgers auf Erlass eines Verwaltungsakts beziehungs7

BVerwG, Az: 11 B 2/98 (Quelle: http://www.juris.de). BVerfGE 97, 49 (60 ff.). 9 Vgl. F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 14 Rn. 77; F. O. Kopp / W.R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 69; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 512; V. Schlette, Jura 2004, 90 (95); H. A. Wolff, in: ders. / A. Decker (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), 2. Aufl. 2007, § 42 VwGO Rn. 88. 10 Vgl. W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 295; K. Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit, 8. Aufl. 2000, Rn. 456. 8

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

115

weise auf Erbringung einer Leistung in Betracht kommt. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang Anträge, mit denen der Bürger eine Kontrollerlaubnis, eine Ausnahmebewilligung oder eine staatliche Leistung im materiellen Sinne begehrt. aa) Kontrollerlaubnisse Hat der Gesetzgeber eine bestimmte Betätigung nicht deshalb verboten, weil sie generell unterbleiben soll, sondern lediglich, weil vorweg behördlich geprüft werden soll, ob die Betätigung im konkreten Einzelfall mit den materiell-rechtlichen Normen in Einklang steht, so liegt ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vor 11. Das Verbot wendet sich nicht gegen eine bestimmte Betätigung als solche, sondern dient nur dem Zweck, durch Kontrolle Rechtsverstöße zu verhindern. Aus diesem Grund wird die vom Bürger zu beantragende Genehmigung auch Kontrollerlaubnis genannt 12. Exemplarisch kann auf die Baugenehmigung 13, die Gaststättenerlaubnis 14, die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften 15 und die Fahrerlaubnis 16 verwiesen werden. Stünde nun jedem Bürger, dessen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt wurde, die Klagebefugnis zu, so müsste auch derjenige, der erfolglos eine Fahrerlaubnis beantragt hat, stets klagebefugt sein. Vor dem Hintergrund, dass das Führen von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen eine Handlung darstellt, die vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst wird 17, könnte sich seine Klagebefugnis aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben. Dies wäre nach hier vertretener Auffassung allerdings nur dann der Fall, wenn in der Versagung der Fahrerlaubnis ein Grundrechtseingriff gesehen werden müsste und das einfache Recht die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG weder einschränken noch verdrängen würde. Ein Grundrechtseingriff ist immer dann zu bejahen, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln den grundrechtlichen Freiheitsraum

11 Vgl. U. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2002, S. 130 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 9 Rn. 51; W. Wolff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2004, 9. Kap Rn. 33. 12 D. Ehlers, in: H.-U. Erichsen / D. Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, § 1 Rn. 36. 13 Art. 72 BayBO. 14 § 2 Abs. 1 S. 1 GastG. 15 § 32 Abs. 1 S. 1 KWG. 16 § 2 Abs. 1 S. 1 StVG. 17 BVerfG, NJW 2002, 2378 (2378).

116

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

verkürzen beziehungsweise ein grundrechtliches Schutzgut tangieren wird. Bei rechtsfolgenorientierter Betrachtungsweise müsste ein Grundrechtseingriff aber schon deshalb verneint werden, weil der Kläger von der Verwaltung eine positive Handlung – nämlich die Erteilung einer Fahrerlaubnis – begehrt und die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension der Grundrechte typischerweise darauf gerichtet ist, eine Handlung des Staates abzuwehren, anstatt sie zu erzwingen. Hinzu kommt, dass Kontrollerlaubnisse formell als begünstigende Verwaltungsakte zu qualifizieren sind und die Grundrechte dem Bürger in ihrer Eigenschaft als Abwehrrechte keine staatlichen Begünstigungen verschaffen, sondern ihn vor staatlichen Beeinträchtigungen schützen sollen. Diesen Überlegungen ist jedoch entgegenzuhalten, dass Kontrollerlaubnisse den Rechtskreis des Bürgers bei materieller Betrachtungsweise nicht erweitern, da sie nur die grundrechtlich garantierte Bau-, Gewerbe- oder Handlungsfreiheit wiederherstellen und dem Bürger somit nur das geben, was ihm verfassungsrechtlich ohnehin zusteht 18. Der Bürger begehrt mit seiner Klage auf Erteilung einer Kontrollerlaubnis materiell daher keineswegs eine ihn begünstigende Leistung des Staates, sondern er verteidigt damit lediglich seine grundrechtlich verbürgte Freiheit, die beabsichtigte Handlung (beispielsweise den Bau eines Hauses, den Betrieb einer Gaststätte oder das Führen eines Kraftfahrzeugs auf öffentlichen Straßen) verwirklichen zu können, wenn der Verwirklichung keine Rechtsnormen entgegenstehen. Betroffen ist folglich der status negativus und nicht der status positivus 19. Seine Bestätigung findet dieses Ergebnis in der Erwägung, dass das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nur eines der möglichen Kontrollinstrumente aus dem Arsenal des Verwaltungsrechts darstellt und der Gesetzgeber an seiner Stelle auch nachträglich einsetzende Kontrollen, bewehrt mit Verbotsermächtigungen, hätte anordnen können. Nachträgliche Verbote, eine Gaststätte zu betreiben oder auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug zu führen, wären aber stets als Grundrechtseingriffe zu qualifizieren. Hinge die Bejahung eines Grundrechtseingriffs nun davon ab, welches Kontrollinstrument der Gesetzgeber gewählt hat, so läge es in seinen Händen, durch gezielte Formenwahl die Anwendbarkeit der Grundrechte auszuschließen. Dies würde den Zweck der Grundrechte, den Einzelnen vor der Staatsgewalt zu schützen, ad absurdum führen. Folglich muss die Versagung einer beantragten Kontrollerlaubnis und dementsprechend auch die Versagung der Fahrerlaubnis als Grundrechtseingriff gewertet werden. Die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG ist damit zwar grundsätzlich eröffnet, sie könnte aber vom einfachen Recht eingeschränkt oder

18 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 9 Rn. 52; F.J. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Rn. 471. 19 Vgl. zur status-Lehre R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 229 ff.; B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 57 ff.; M. Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, A 4 Rn. 38 ff.

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

117

verdrängt worden sein. Als einfach-gesetzliche Norm, die einen Verdrängungsoder Einschränkungseffekt zeitigen könnte, kommt insbesondere § 2 Abs. 2 S. 1 StVG in Betracht. Diese Norm bezeichnet die grundlegenden materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und würde die negatorische Defensivfunktion des allgemeinen Freiheitsrechts einschränken, wenn sie rein objektiv-rechtlich zu verstehen wäre und dieses Verständnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde. Indes ist kein legitimer Zweck ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, dem Antragsteller selbst dann kein subjektives öffentliches Recht und dementsprechend keinen Individualrechtsschutz zuzugestehen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Erteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen vom Antragsteller erfüllt werden. Da eine objektiv-rechtliche Auslegung des § 2 Abs. 2 S. 1 StVG folglich zu einer unverhältnismäßigen und daher verfassungswidrigen Einschränkung der negatorischen Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG führen würde, muss § 2 Abs. 2 S. 1 StVG in verfassungskonformer Weise subjektiv-rechtlich ausgelegt werden. Eine solche Auslegung wäre nur dann nicht möglich, wenn eine derartige Interpretation die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung sprengen würde, mit anderen Worten also der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers und der Wortlaut der Norm entgegenstünden 20. Beides ist indes nicht der Fall. Ob § 2 Abs. 2 S. 1 StVG auch nach den Prämissen der Schutznormtheorie individualrechtsschützend zu interpretieren ist, kann indes dahinstehen, da ein individualrechtsschutzverneinendes Ergebnis der Schutznormtheorie ohnehin aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu korrigieren wäre. Es bleibt folglich festzuhalten, dass § 2 Abs. 2 S. 1 StVG subjektiv-rechtlich aufgeladen ist und somit aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts das allgemeine Freiheitsrecht in seiner Eigenschaft als subjektives öffentliches Abwehrrecht verdrängt. Der Bürger hat allerdings einen einfach-gesetzlich begründeten Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind 21. Daraus folgt nun aber keineswegs, dass derjenige, dessen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zurückgewiesen wurde, stets klagebefugt ist. Kann im Verwaltungsprozess nämlich von vornherein offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllt sind, so ist die Klagebefugnis des Klägers zu verneinen. Während manche der in § 2 Abs. 2 S. 1 StVG genannten Voraussetzungen unter Umständen eine komplizierte Sachaufklärung erfordern (zu denken ist etwa an die Frage, ob der Kläger die zum Führen von Kraftfahrzeugen notwendigen geistigen Anforderungen erfüllt), ist das Vorliegen oder Fehlen anderer Voraussetzungen häufig evident 20

Siehe zu den Grenzen der verfassungskonformen Auslegung B. Fn. 93. Vgl. P. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 2 StVG Rn. 31; J. Jagow, in: H. Janiszewski / J. Jagow / M. Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl. 2006, § 2 StVG Rn. 14. 21

118

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

und kann ohne besondere Schwierigkeiten bereits im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis festgestellt werden (beispielsweise, ob der Kläger das erforderliche Mindestalter erreicht oder wiederholt gegen Strafgesetze verstoßen hat). Es kann daher auch nach dem hier vertretenen Ansatz keine Rede davon sein, dass die Klagebefugnis in allen Fällen zu bejahen ist, in denen der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Kontrollerlaubnis abschlägig beschieden wurde. bb) Ausnahmebewilligungen Im Gegensatz zu den präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt untersagen die repressiven Verbote mit Befreiungsvorbehalt ein bestimmtes Verhalten nicht bloß, um eine vorbeugende Rechtmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, die in der Regel zur Erlaubnis führt, sondern weil das verbotene Verhalten vom Gesetzgeber als sozialschädlich oder sozial unerwünscht klassifiziert wird und daher grundsätzlich unterbleiben soll. Nur in besonders gelagerten Ausnahmeund Härtefällen ist daher die Möglichkeit einer Befreiung vorgesehen, welche als Ausnahmebewilligung oder Dispens bezeichnet wird 22. Exemplarisch kann auf die Befreiungsmöglichkeiten nach § 31 Abs. 2 BauGB, § 23 Abs. 1 S. 1 LadSchlG und § 46 Abs. 2 S. 1 StVO verwiesen werden. Beantragt der Bürger eine Ausnahmebewilligung und wird ihm diese durch einen ablehnenden Verwaltungsakt versagt, stellt sich auch hier wieder die Frage, ob er in seiner Eigenschaft als Adressat des ablehnenden Bescheides stets klagebefugt ist. Wäre derjenige, der erfolglos eine Ausnahmebewilligung beantragt hat, stets klagebefugt, so müsste, um es an einem konkreten Beispiel festzumachen, auch der Bürger, der ein Rennen mit Kraftfahrzeugen veranstalten will, aber keine Ausnahmebewilligung nach § 46 Abs. 2 S. 1 StVO vom repressiven Verbot aus § 29 Abs. 1 StVO erhalten hat 23, klagebefugt sein. Da sich Autorennen, welche im Rahmen privater Freizeitgestaltung durchgeführt werden, keinem speziellen Freiheitsrecht zuordnen lassen, unterfallen sie dem Schutz des Auffanggrundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Klagebefugnis desjenigen, dessen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Veranstaltung eines Autorennens abgelehnt wurde, könnte sich daher aus dem allgemeinen Freiheitsrecht ergeben. Dafür müsste die Versagung der Bewilligung zum einen als Grundrechtseingriff zu qualifizieren sein, zum anderen dürfte die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension des Art. 2 Abs. 1 GG nicht durch das einfache Recht eingeschränkt oder verdrängt werden.

22 Vgl. H. J. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl. 2000, § 46 Rn. 44; W. Wolff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2004, 9. Kap Rn. 33. 23 Vgl. dazu, dass § 29 Abs. 1 StVO der Ausnahmereglung des § 46 Abs. 2 S. 1 StVO unterfällt, BVerwG, NVwZ 1998, 1300 (1301).

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

119

Im Schrifttum wird häufig ausgeführt, der Dispens erweitere den Rechtskreis des Bürgers, da ihm eine Betätigung erlaubt werde, die an sich verboten sei. Die Ausnahmebewilligung sei deshalb im Gegensatz zur Kontrollerlaubnis nicht nur formell, sondern auch materiell als begünstigender Verwaltungsakt zu verstehen 24. Wäre dem zu folgen, könnte die Versagung einer Befreiung nicht als Grundrechtseingriff qualifiziert werden, da die versagende Behörde den rechtlichen status quo des Bürgers nicht verringern würde, sondern ihm lediglich einen rechtlichen Vorteil vorenthielte. Dagegen spricht jedoch, dass die Ausnahmebewilligung dem Bürger zumindest in manchen Fällen – ebenso wie die Kontrollerlaubnis – nur das gibt, was ihm verfassungsrechtlich zusteht und seinen Rechtskreis somit keineswegs erweitert. Zu denken ist dabei an Fallkonstellationen, in denen eine Befreiung verfassungsrechtlich geboten ist, weil ansonsten der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt würde. Das Ermessen der Verwaltung, welches ihr bei repressiven Verboten mit Befreiungsvorbehalt in der Regel zusteht, ist dann auf Null reduziert. Die Verwaltung gewährt dem Bürger in diesen Fällen daher nicht mehr, als sie ihm von Verfassungs wegen zwingend gewähren muss. Von einer Rechtskreiserweiterung im materiellen Sinne kann in solchen Fällen nicht gesprochen werden. Allenfalls erweitert die Ausnahmebewilligung den Rechtskreis des Bürgers in formeller Hinsicht, da sie einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, auf den sich der Bürger berufen kann, wenn ihm die erlaubte Betätigung im nachhinein verboten werden soll. Insofern zeitigt sie aber die gleichen Wirkungen wie die Kontrollerlaubnis und geht nicht über diese hinaus. Eine rechtliche Ungleichbehandlung der beiden Erlaubnisformen ist daher nicht angebracht, wenn das Ermessen der Verwaltung im konkreten Fall auf Null reduziert ist. In der Versagung der Ausnahmebewilligung ist dann ebenso wie in der Versagung einer Kontrollerlaubnis ein Grundrechtseingriff zu sehen. Liegt hingegen keine Ermessensreduktion auf Null vor, erweitert die Verwaltung durch die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht den Rechtskreis des Bürgers, da sie diesem – ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein – eine Betätigung gestattet, die grundsätzlich verboten ist. In der Versagung eines Vorteils, auf den kein Anspruch besteht, kann aber schwerlich ein Grundrechtseingriff gesehen werden, weshalb in solchen Fallkonstellationen die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte von vornherein nicht zum Zuge kommen kann. Die Klagebefugnis des Bürgers kann sich dann nur noch aus den Normen des einfachen Rechts ergeben. Beantragt ein Bürger eine Ausnahmebewilligung, weil er im Rahmen seiner Freizeitgestaltung ein Autorennen veranstalten will und wird ihm die Befreiung nach § 46 Abs. 2 S. 1 StVO versagt, ist folglich ein Grundrechtseingriff in Art. 2

24

Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 9 Rn. 55; F.J. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Rn. 473.

120

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

Abs. 1 GG nur dann zu bejahen, wenn eine Ermessensreduktion auf Null zugunsten des Antragstellers gegeben ist. Lässt sich dies von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausschließen, kann die Versagungsgegenklage nicht auf das allgemeine Freiheitsrecht gestützt werden. Die Klagebefugnis des Antragstellers hängt dann allein davon ab, ob ihm § 46 Abs. 2 S. 1 StVO einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung gewährt und ein Ermessensfehler zumindest möglich erscheint. Selbiges gilt allerdings auch dann, wenn eine Ermessensreduktion auf Null zugunsten des Antragstellers vorliegt. Zwar ist in einem solchen Fall ein Grundrechtseingriff zu bejahen, mit § 46 Abs. 2 S. 1 StVO ist aber zugleich eine Norm des einfachen Rechts gegeben, welche die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG entweder einschränkt oder verdrängt, je nachdem, ob die Norm in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise rein objektiv-rechtlich zu verstehen ist oder dem Einzelnen einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung vermittelt. Unabhängig davon, wie nun § 46 Abs. 2 S. 1 StVO auszulegen ist, steht jedenfalls fest, dass nicht jede Ermessensnorm subjektiv-rechtlich aufgeladen ist und dem Bürger einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung vermittelt. Daher kann auch nach dem hier vertretenen Ansatz keine Rede davon sein, dass der Adressat eines ablehnenden Bescheides, der eine Ausnahmebewilligung von einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt beantragt hat, stets klagebefugt ist. cc) Staatliche Leistungen im materiellen Sinne Beantragt der Bürger eine staatliche Leistung im materiellen Sinne, über deren Gewährung in Form eines Verwaltungsakts zu entscheiden ist, wie dies nach der Zweistufentheorie häufig im Subventionsrecht der Fall ist, wenn der Kläger beispielsweise die Bewilligung eines zinsgünstigen Darlehens begehrt 25, so kommen die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte von vornherein nicht in Betracht, da die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte lediglich dem Schutz der grundrechtlich verbürgten Freiheitssphäre des Bürgers dient und nicht darauf abzielt, dessen Rechtskreis zu erweitern. Ob der Bürger einen Anspruch auf den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts hat, ergibt sich aus der einfachen Rechtsordnung, die dem Staat entweder keine Leistungspflicht, nur eine objektive Leistungspflicht oder eine Leistungspflicht mit korrelierendem Anspruch des Bürgers auferlegen kann. Die Klagebefugnis des Antragstellers lässt sich daher nicht pauschal bejahen, sondern ist vielmehr von Fall zu Fall anhand einer genauen Analyse des einfachen Rechts zu ermitteln. 25

Vgl. zur Anwendung der Zweistufentheorie in diesem Fall BVerwGE 45, 13 (14); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 17 Rn. 12.

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

121

Wird der Antrag des Bürgers abgelehnt, so ist für die Adressatentheorie folglich auch nach dem hier vertretenen Ansatz kein Raum. Dasselbe gilt, wenn der Bürger eine Leistung begehrt, die nicht in einem Verwaltungsakt besteht. 2. Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte Ist das Begehren des Klägers darauf gerichtet, einen adressatenlosen Verwaltungsakt anzufechten, der seine Wirksamkeit im Wege öffentlicher Bekanntmachung erlangt hat, führt die Adressatentheorie unabhängig davon, ob sie mit dem Schrifttum und der Rechtsprechung grundrechtlich oder wie hier überwiegend einfach-gesetzlich fundiert wird, nicht weiter. Die Frage, wie in solchen Fällen über die Klagebefugnis des Anfechtenden zu entscheiden ist, soll exemplarisch anhand einer Klage gegen die Einziehung einer Straße beantwortet werden. Zu qualifizieren ist die Einziehung als Allgemeinverfügung 26. Sie stellt einen adressatenlosen Verwaltungsakt dar 27, der öffentlich bekannt zu machen ist 28. Nachteile, die den gewöhnlichen Straßenbenutzer dazu veranlassen könnten, sich prozessual gegen eine Straßeneinziehung zu wehren, ergeben sich für ihn insofern, als durch die Einziehung die gemeingebräuchliche Nutzungsbefugnis aufgehoben wird 29 und er zum Beispiel Umwege in Kauf nehmen muss, um das von ihm gewünschte Ziel zu erreichen oder schlichtweg die freie Fahrt durch eine reizvolle Landschaft nicht mehr genießen kann. Nach der Rechtsprechung wird der schlichte Gemeingebrauch beziehungsweise das Recht auf Teilhabe am Gemeingebrauch zwar von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, dieses Recht soll aber dort enden, „wo es für seine Ausübung an einem Substrat fehlt“ 30. Der Teilnehmer am schlichten Gemeingebrauch habe sich mit dem abzufinden, was – und wie lange es – geboten wird 31. Durch den Wegfall des Gemeingebrauchs werde er nicht in subjektiven öffentlichen Rechten verletzt, ihm fehle daher die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage gegen gemeingebrauchsentziehende Maßnahmen 32. 26 Vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 BbgStrG, § 8 Abs. 1 S. 1 SächsStrG, § 8 Abs. 1 S. 1 SachsAnhStrG, § 8 Abs. 1 S. 1 ThürStrG; F. O. Kopp / U. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2005, § 35 Rn. 108; P. Stelkens / U. Stelkens, in: P. Stelkens / H. J. Bonk / M. Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 234. 27 H. Krämer, in: K. Kodal / H. Krämer (Hrsg.), Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kapitel 10 Rn. 12. 1. 28 Vgl. § 2 Abs. 6 S. 4 FStrG; § 8 Abs. 1 S. 3 BbgStrG; § 8 Abs. 3 NStrG; § 8 Abs. 3 SaarlStrG; § 8 Abs. 1 S. 3 SächsStrG. Für Bayern folgt dies aus Art. 41 Abs. 3 S. 2 BayVwVfG. 29 Vgl. § 2 Abs. 7 S. 1 FStrG; Art. 8 Abs. 4 BayStrWG; § 8 Abs. 5 S. 1 BbgStrG; § 8 Abs. 4 NStrG; § 8 Abs. 4 SaarlStrG; § 8 Abs. 5 SächsStrG. 30 BVerwGE 32, 222 (225); VGH Mannheim, VBlBW 1999, 313 (313). 31 BVerwGE 32, 222 (225); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 282 (282); VGH Mannheim, VBlBW 1999, 313 (313).

122

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

Nach dem hier vertretenen Ansatz stehen dem Kläger die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte im Verwaltungsprozess immer dann zur Seite, wenn die angegriffene staatliche Maßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist und das einfache Recht die negatorische Defensivfunktion der betroffenen Grundrechte oder des betroffenen Grundrechts nicht einschränkt oder verdrängt. In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob in der Einziehung einer Straße ein Grundrechtseingriff zu sehen ist. Dies wäre – ausgehend vom Kriterium der objektiven Vorhersehbarkeit 33 – der Fall, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass mit der Einziehung einer Straße ein grundrechtliches Schutzgut tangiert wird. Art. 2 Abs. 1 GG schützt jede Handlung unabhängig von ihrer Art und Güte. In den sachlichen Schutzbereich des allgemeinen Freiheitsrechts fällt somit auch die Fortbewegung auf Straßen. Da mit der Einziehung einer Straße der Gemeingebrauch aufgehoben und dem Grundrechtsberechtigten das Recht genommen wird, die Straße im Rahmen ihrer Widmung zur Fortbewegung zu nutzen, was vom handelnden Hoheitsträger nicht nur objektiv vorhergesehen werden kann, sondern gerade intendiert ist, muss ein Grundrechtseingriff in Art. 2 Abs. 1 GG bejaht werden 34. In einem zweiten Schritt ist nun zu untersuchen, ob das einfache Recht die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion des allgemeinen Freiheitsrechts im Falle der Straßeneinziehung einschränkt oder verdrängt. Wie bereits dargelegt wurde, schränken einfach-gesetzliche Normen die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte ein, wenn sie rein objektiv-rechtlich auszulegen sind und gegen diese Auslegung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Dem Bürger soll dann gerade kein subjektives öffentliches Recht auf die Einhaltung dieser Normen zur Seite stehen, er soll sich im Verwaltungsprozess nicht auf ihre Verletzung berufen können. Verdrängt werden die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als individuelle Abwehrrechte hingegen, wenn die einfach-gesetzlichen Normen selbst subjektiv-rechtlich aufgeladen sind. Dann gilt der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts. Im Hinblick auf die Straßeneinziehung ist folglich die Frage zu klären, ob die Vorschriften der Straßen- und Wegegesetze der Länder, welche Regelungen über die Zuständigkeiten, das Verfahren und die Voraussetzungen der Einziehung enthalten 35, dem Bürger subjektive öffentliche Rechte auf ihre Einhaltung vermitteln 32

VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 282 (282). D. I. 2. a). 34 Im Ergebnis ebenso, allerdings auf einer anderen dogmatischen Grundlage aufbauend M. Burgi, ZG 9 (1994), 341 (363 f.). 35 Vgl. § 8 BayStrWG; § 6 HStrG; § 8 NStrG; § 8 SaarlStrG; § 8 BbgStrG, § 8 SächsStrG. 33

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

123

oder in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise rein objektiv-rechtlich auszulegen sind. Maßgeblich ist insofern der Wille des jeweiligen Landesgesetzgebers, da der Legislative auch im Hinblick auf die Einräumung oder Versagung subjektiver Rechtspositionen ein gewisser Gestaltungsspielraum zusteht. Als dogmatisches Instrument zur Erforschung des legislativen Willens ist die Schutznormtheorie in ihrer älteren Fassung heranzuziehen, welche auf der Grundlage der Gesetzesmaterialien danach fragt, ob eine Norm nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich dem Schutz von Allgemeininteressen oder zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Nur wenn sich der legislative Wille nicht ermitteln lässt, weil sich die Gesetzmaterialien über den individualrechtsschützenden Gehalt einer Norm ausschweigen, ist die Schutznormtheorie in ihrem heutigen Verständnis als Sammelbezeichnung für einen Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll, als Indikator heranzuziehen. So liegt der Fall hier, wenn stellvertretend für die Straßen- und Wegegesetze der Länder das BayStrWG in den Blick genommen wird, da sich aus den Gesetzesmaterialien zum BayStrWG nicht ergibt, ob der Bayerische Landesgesetzgeber die Einziehungsvorschriften individualrechtsschützend verstanden wissen wollte oder nicht. Demzufolge ist für die weitere Prüfung die neuere Schutznormtheorie maßgeblich, welche nicht vorrangig auf den legislativen Willen abstellt, sondern auf sämtliche Auslegungsmethoden rekurriert. Bei systematischer Auslegung stößt der Norminterpret in den meisten Straßen- und Wegegesetzen der Länder auf eine Norm, die besagt, dass kein Rechtsanspruch auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht 36. Vor dem Hintergrund dieser Normen versagt das überwiegende Schrifttum im Einklang mit der Rechtsprechung dem Teilnehmer am schlichten Gemeingebrauch subjektive öffentliche Abwehrrechte bei der Straßeneinziehung 37. Dem ist beizupflichten. Zwar lässt sich allein aus dem bloßen Ausschluss eines Rechtsanspruchs auf den Fortbestand des Gemeingebrauchs noch nicht zwingend der Rückschluss ziehen, der Einzelne könne sich auch gegen rechtswidrige Straßeneinziehungen nicht zur Wehr setzen. Schließlich begründet die rechtliche Möglichkeit, eine dem Recht widersprechende Einziehungsverfügung anzufechten, noch keinen Anspruch auf die generelle Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs. Jedoch 36 Vgl. Art. 14 Abs. 3 BayStrWG; § 14 S. 2 HStrG; § 14 Abs. 2 NStrG; § 14 Abs. 2 SaarlStrG; § 14 Abs. 1 S. 2 BbgStrG; § 14 Abs. 1 S. 2 SächsStrG. Das ThürStrG enthält keine derartige Regelung. 37 Vgl. H. Krämer, in: K. Kodal / H. Krämer (Hrsg.), Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kapitel 10 Rn. 12.41; W. Otte, NWVBl. 1996, 41 (43); H.-J. Papier, in: N. Achterberg / G. Püttner / T. Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band I, 2. Aufl. 2000, § 10 Rn. 125; M. Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 418; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 472. Zur Gegenansicht; vgl. U. Steiner, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, IV F Rn. 124.

124

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

müssen die anspruchsverneinenden Normen bei systematischer Auslegung so verstanden werden, dass sie subjektive öffentliche Abwehrrechte des Straßenbenutzers in jedem Fall und somit auch dann ausschließen, wenn eine Straße eingezogen wird, obwohl die gesetzlichen Einziehungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Denn der Umstand, dass dem Einzelnen kein genereller Anspruch auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs zustehen kann, ergibt sich bereits in evidenter Weise aus den straßenrechtlichen Normen, welche die Einziehung regeln, da für diese Normen ansonsten kein Anwendungsbereich verbliebe – bestünde ein Rechtsanspruch auf den Fortbestand des Gemeingebrauchs, könnte eine Straße schließlich nie eingezogen werden. Es ist daher kaum anzunehmen, dass sich der Sinn der anspruchsverneinenden Vorschriften darin erschöpfen soll, diese Selbstverständlichkeit festzustellen. Vielmehr sind diese Bestimmungen so zu verstehen, dass der einzelne Bürger in Bezug auf den Fortbestand der einmal dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen keinerlei Ansprüche – mit anderen Worten überhaupt keine subjektiven öffentlichen Rechtspositionen – haben soll. Die Straßen- und Wegegesetze schränken im Hinblick auf den gewöhnlichen Straßenbenutzer folglich die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dies jedenfalls dann, wenn sie anhand der neueren Schutznormtheorie ausgelegt werden. Zu prüfen bleibt allerdings noch, ob die mit dieser Auslegung verbundene Grundrechtseinschränkung verfassungsgemäß ist. Wäre sie es nicht, so müsste das mit Hilfe der Schutznormtheorie gewonnene Ergebnis korrigiert werden. Wie jedes andere grundrechtsbeschränkende Gesetz auch, müssen sich die anspruchsverneinend ausgelegten Rechtssätze der landesrechtlichen Straßen- und Wegegesetze innerhalb der verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken bewegen, insbesondere verhältnismäßig sein, um vor der Verfassung bestehen zu können. Mit dem generellen Ausschluss der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG im Falle der Straßeneinziehung müsste also ein legitimer Zweck verfolgt werden. Schränkt der Gesetzgeber die negatorische Defensivfunktion von Grundrechten ein, kommen für die Rechtfertigung derartiger Einschränkungen insbesondere zwei Zwecke in Betracht. Zum einen ist ein legitimer Zweck immer dann gegeben, wenn die Verringerung subjektiver Grundrechtspositionen des Beschwerten dem Schutz der grundrechtlichen Stellung eines Dritten dient und das Ergebnis einer vertretbaren Abwägung zwischen der schutzbedürftigen Grundrechtsposition des Dritten und der eingeschränkten Grundrechtsposition des Beschwerten ist. Zum anderen liegt ein legitimer Zweck vor, wenn der Popularklage Einhalt geboten werden soll. Denn die Verfassung selbst trifft mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz 38. Der 38 Vgl. P. M. Huber, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 344; W. Krebs, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rn. 58;

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

125

einfache Gesetzgeber bewegt sich daher im Rahmen der Verfassung, wenn er diese Entscheidung auf einfach-gesetzlicher Ebene nachvollzieht und bestrebt ist, der Möglichkeit, Popularklage zu erheben, entgegenzuwirken. Grundrechtspositionen Dritter, deren Schutz die anspruchsverneinend ausgelegten Normen der Straßen- und Wegegesetze dienen könnten, sind – wie sich aus der Gegenprobe ergibt – nicht ersichtlich. Könnte nämlich jeder, der am gewöhnlichen Gemeingebrauch teilnimmt, die Rechtmäßigkeit einer Straßeneinziehung vor den Verwaltungsgerichten unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 1 GG prüfen lassen, so würden Dritte dadurch in keiner Weise am Gebrauch ihrer Grundrechte gehindert. Es bleibt daher zu untersuchen, ob sich die anspruchsverneinend ausgelegten Normen auf den legitimen Zweck, die Popularklage auszuschließen, stützen lassen. Unter einer Popularklage wird gemeinhin die Klage einer Person verstanden, welche im Prozess keine eigenen Rechte wahrnimmt, sondern sich zum Sachwalter der (vermeintlichen) Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Dritter macht 39. Von dieser Definition ausgehend, drängt sich der Verdacht eines Zirkelschlusses auf. Denn das einfache Recht kann die grundrechtliche Defensivfunktion nur einschränken und muss dementsprechend auch nur dann auf seine Verhältnismäßigkeit geprüft werden, wenn zuvor ein Grundrechtseingriff bejaht worden ist. Fehlt es nämlich schon an einem Grundrechtseingriff, so ist die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte von vornherein nicht eröffnet und kann folglich auch nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden. Ist aber ein Grundrechtseingriff bejaht worden, so kann sich der einzelne Grundrechtsträger stets auf das beeinträchtigte Grundrecht und damit auf ein ihm zustehendes subjektives öffentliches Recht par excellence berufen. Folglich existiert – zumindest auf den ersten Blick – kein quivis ex populo, den es mit Hilfe rein objektiv-rechtlich ausgestalteter und damit grundrechtsbeschränkender Normen des einfachen Rechts vom Sachurteil fernzuhalten gälte. Der Ausschluss der Popularklage könnte damit nie den legitimen Zweck für eine einfach-gesetzliche Beschränkung der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte abgeben, weil eine einfach-gesetzliche Beschränkung der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion überhaupt nur in Betracht kommt, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt. Liegt aber ein Grundrechtseingriff vor, so fehlt es – auf den ersten Blick – am Popularkläger. Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass dieser Schein trügt, da auch derjenige, der im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO (analog) einen Eingriff in seine Grundrechte darlegen kann, unter Umständen als quivis ex populo E. Schmidt-Aßmann, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand: Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; J. F. Schwachheim, in: D. C. Umbach / T. Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2002, Art. 19 IV Rn. 162. 39 J. von Albedyll, in: J. Bader / M. Funke-Kaiser / S. Kuntze / J. von Albedyll (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2007, § 42 Rn. 60; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 490; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 150.

126

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

zu qualifizieren ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die angegriffene staatliche Maßnahme nur deshalb rechts- und verfassungswidrig ist, weil sie gegen eine Norm verstößt, welche allein den Interessen der Allgemeinheit dient, während alle anderen Normen offensichtlich beachtet wurden. Dies erhellt, wenn die verletzte Norm hinweggedacht wird. Dann wäre von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass der Kläger in seinen Grundrechten oder anderen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt ist, da die staatliche Maßnahme dann mit der Rechtsordnung in Einklang stünde (unterstellt, die hinweggedachte Norm wird von der Verfassung nicht zwingend verlangt). Dem Kläger würde folglich die Klagebefugnis fehlen. Vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Norm, die allein öffentlichen Interessen dient, kann die subjektive Rechtsposition des Einzelnen und damit einhergehend seine Klagebefugnis aber nicht abhängen, da eine derartige Norm in keinerlei Beziehung zum Individuum als solchem und seiner Rechtssphäre steht. Würde dem Einzelnen im Falle der möglichen Verletzung einer solchen Norm über den prozessualen Hebel der Grundrechte dennoch die Klagebefugnis zuerkannt, wäre es ihm möglich, die Verletzung von Normen gerichtlich zu verfolgen, die überhaupt keinen Bezug zu ihm in seiner Eigenschaft als Individuum aufweisen, da sie allein öffentlichen Interessen dienen. Der Einzelne würde somit zum Sachwalter der von diesen Normen geschützten Allgemeininteressen. Am konkreten Beispiel veranschaulicht, bedeutet dies, dass jedermann auch dann mit der Behauptung, die Errichtung eines öffentlichen Gebäudes nehme ihm die gewohnte Aussicht und greife daher in sein allgemeines Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ein, Klage erheben könnte, wenn allein die Verletzung einer bauordnungsrechtlichen Norm möglich erschiene, die ausschließlich den Interessen der Allgemeinheit dient und seine Rechtssphäre nicht im mindesten tangiert. Dies wäre etwa der Fall, wenn lediglich nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnte, dass Art. 35 Abs. 5 BayBO oder Art. 45 Abs. 2 S. 1 BayBO verletzt ist, weil Zweifel darüber bestehen, ob die nutzbare Breite der Treppenläufe innerhalb des Gebäudes für den größten zu erwartenden Verkehr ausreicht oder Aufenthaltsräume über eine für ihre Benutzung ausreichende Nutzfläche verfügen. Der Erfolg einer solchen Klage hinge dann allein davon ab, ob diese Normen, die ersichtlich nicht dem Schutz der Individualinteressen des Klägers dienen und in keiner Beziehung zu seiner Rechtssphäre stehen, verletzt sind oder nicht. Bei Lichte besehen würde sich der Kläger daher – wenngleich auch zur Verfolgung eigener Interessen – zum Sachwalter von Allgemeininteressen machen, indem er die von Art. 35 Abs. 5 BayBO und Art. 45 Abs. 2 S. 1 BayBO geschützten Allgemeininteressen als Mittel zum Zweck wahrnehmen würde, um sein Anliegen, die freie Aussicht zu erhalten, durchzusetzen. Faktisch liefe dies auf eine Popularklage hinaus, die den Kläger nur reflexartig begünstigen würde. Indem der Gesetzgeber Normen, die ausschließlich Allgemeininteressen dienen, objektiv-rechtlich ausgestaltet und dadurch zugleich die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension der Grundrechte einschränkt, nimmt er dem Einzelnen die Möglichkeit, die Verletzung solcher Normen mit dem prozessualen Hebel

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

127

der Grundrechte geltend zu machen. Damit verfolgt er den legitimen Zweck, der faktischen Popularklage Einhalt zu gebieten und vollzieht auf diese Weise die Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 GG für den Individualrechtsschutz nach. Übertragen auf die Straßeneinziehung fragt sich nun, ob die anspruchsverneinend ausgelegten Normen der Straßen- und Wegegesetze geeignet sind, den legitimen Zweck zu fördern, die faktische Popularklage auszuschließen oder zurückzudrängen. Bejaht werden könnte die Geeignetheit, wenn die Verwaltungsbehörden bei der Straßeneinziehung Vorschriften zu beachten hätten, die ausschließlich Allgemeininteressen dienen. Dies soll anhand des BayStrWG geprüft werden. Art. 8 Abs. 3 BayStrWG ordnet an, dass die Einziehung von Kreisstraßen der Behörde mitzuteilen ist, die das Straßenverzeichnis führt. Eine Beziehung zur Rechtssphäre des einzelnen Bürgers als solchem weist diese Norm ersichtlich nicht auf, sie dient ausschließlich Allgemeininteressen. Der am schlichten Gemeingebrauch Teilnehmende würde sich daher faktisch als quivis ex populo gerieren, wenn er unter formaler Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG die Verletzung des Art. 8 Abs. 3 BayStrWG rügen könnte. Zumindest in Bezug auf diese straßenrechtliche Norm ist der generelle Ausschluss subjektiver Rechtspositionen, der durch Art. 14 Abs. 3 BayStrWG nach obiger Auslegung bewirkt wird, geeignet, die faktische Popularklage auszuschließen. Die Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne verlangt darüber hinaus, dass das grundrechtsbeschränkende Gesetz erforderlich ist. Es darf kein milderes Mittel geben, welches den legitimen Zweck ebenso effektiv fördern würde. Erforderlich wäre der generelle Ausschluss subjektiver Abwehrrechte gegen Straßeneinziehungen nur, wenn alle von der Verwaltung bei der Einziehung zu beachtenden Normen ausschließlich Allgemeininteressen dienen würden. Andernfalls schlösse Art. 14 Abs. 3 BayStrWG subjektive Rechtspositionen auch im Hinblick auf die Verletzung solcher Normen aus, die dem Interesse Einzelner dienen und daher nicht in den Bereich der faktischen Popularklage fallen. Der legitime Zweck, der faktischen Popularklage Einhalt zu gebieten, könnte dann ebenso gut erreicht werden, wenn allein im Hinblick auf die straßenrechtlichen Normen, die ausschließlich Allgemeininteressen dienen, die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG durch die objektiv-rechtliche Ausgestaltung eben dieser Normen eingeschränkt würde. Ein genereller Ausschluss, wie ihn Art. 14 Abs. 3 BayStrWG nach obiger Auslegung anordnet, wäre dann nicht erforderlich. Art. 8 Abs. 2 S. 1 BayStrWG gibt der Verwaltung auf, die Absicht der Einziehung einer Straße drei Monate vorher in den Gemeinden, die von der Straße berührt werden, ortsüblich bekannt zu machen. Dadurch soll jedem, der sich von der beabsichtigten Einziehung betroffen fühlt, Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen zu erheben 40.

40

Vgl. H. Krämer, in: K. Kodal / H. Krämer (Hrsg.), Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kapitel 10 Rn. 11.1; M. Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 411. In der bundesrechtlichen

128

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

Art. 8 Abs. 2 S. 1 BayStrWG dient somit in erster Linie dem Schutz des einzelnen Bürgers und seiner Interessen. Ein Kläger, der unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG die Verletzung dieser straßenrechtlichen Verfahrensvorschrift rügt, geriert sich daher nicht als quivis ex populo. Dementsprechend ist es zur Verhinderung der faktischen Popularklage auch nicht erforderlich, ihm über den generellen Ausschluss subjektiver Rechtspositionen durch Art. 14 Abs. 3 BayStrWG die Möglichkeit der rechtlichen Durchsetzbarkeit des Art. 8 Abs. 2 S. 1 BayStrWG zu nehmen. Die obige Auslegung des Art. 14 Abs. 3 BayStrWG führt folglich zu einer unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Einschränkung der negatorischen Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG. Das anhand der Schutznormtheorie gewonnene Ergebnis ist daher zu korrigieren. Als Mittel der Korrektur kommt in erster Linie die verfassungskonforme Auslegung in Betracht. Je nachdem, ob die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung eng oder weit gezogen werden, ist Art. 14 Abs. 3 BayStrWG entweder restriktiv auszulegen und nicht auf die Regelungen des BayStrWG anzuwenden, die Individualinteressen dienen, oder eine konkrete Normenkontrolle durchzuführen, in deren Verlauf das BVerfG dann die qualitative Teilnichtigkeit des Art. 14 Abs. 3 BayStrWG insoweit festzustellen hat, als sich diese Norm auch auf solche straßenrechtlichen Regelungen bezieht, die nicht nur Allgemeininteressen dienen. 3. Klagen gegen belastende Nebenbestimmungen Wendet sich der Kläger im Verwaltungsprozess gegen eine belastende Nebenbestimmung, so ist umstritten, welche Klageart statthaft ist. Während eine Mindermeinung Rechtsschutz nur über die Verpflichtungsklage gewähren will 41, erachtet die inzwischen überwiegende Ansicht grundsätzlich die Anfechtungsklage für statthaft 42. Dazwischen liegt eine Auffassung, welche dafür plädiert, nur bei der Auflage Rechtsschutz über die Anfechtungsklage zu gewähren, hinsichtlich der anderen Nebenbestimmungen aber auf die Verpflichtungsklage abzustellen 43. Das BVerwG hat seine frühere Rechtsprechung, nach der unselbständige Nebenbestimmungen wie die Bedingung als nicht getrennt anfechtbar galten 44,

Parallelnorm (§ 2 Abs. 5 S. 1 FStrG) heißt es zum Zweck der öffentlichen Bekanntmachung expressis verbis: „um Gelegenheit zu Einwendungen zu geben“. 41 B. J. Fehn, DÖV 1988, 202 (207 ff.); H. Stadie, DVBl. 1991, 613 (614 ff.). 42 M. Brenner, JuS 1996, 281 (286 f.); F. Hufen / C. Bickenbach, JuS 2004, 867 (870 f.); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 22; H.W. Laubinger, VerwA 73 (1982), 345 (363); W.-R. Schenke, in: FS für G. Roellecke, 1997, S. 281 (283 ff.); ders., Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 295 ff.; H.-D. Sproll, NJW 2002, 3221 (3222). 43 P. Axer, Jura 2001, 748 (752); J. Pietzcker, NVwZ 1995, 15 (16 ff.). 44 BVerwGE 29, 261 (265); 36, 145 (153 f.).

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

129

mittlerweile aufgegeben und teilt die Ansicht der nunmehr herrschenden Literaturmeinung 45. Im hiesigen Kontext kommt dem allerdings keine Bedeutung zu, da die Verwaltungsgerichte unabhängig davon, ob die Verpflichtungs- oder die Anfechtungsklage als statthafte Klageart gewertet wird, die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zu prüfen haben. Es stellt sich somit nach jeder dieser Ansichten die Frage, inwiefern zur Begründung der Klagebefugnis unmittelbar auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage soll exemplarisch die Sammlungsfreiheit in den Blick genommen werden, da diese in der Judikatur 46 und in der Darstellung des Art. 2 Abs. 1 GG im Schrifttum 47 ihren festen Platz einnimmt. So hatte das BVerwG beispielsweise über die Rechtmäßigkeit der Befristung einer Sammlungsgenehmigung zu entscheiden, welche einem Blindenhilfsverein erteilt worden war, der sich daraufhin gegen die Befristung wandte 48. Dem Rechtsstreit lag § 7 S. 1 des Gesetzes zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen (Sammlungsgesetz) vom 5. 11. 1934 49 zugrunde. Nach dieser Vorschrift konnte eine Sammlungsgenehmigung nur für eine bestimmte Zeit erteilt werden. Zwar ist das Sammlungsgesetz kurze Zeit nach dem Urteil des BVerwG vom BVerfG für nichtig erklärt worden 50, jedoch enthalten zahlreiche der – verfassungsgemäßen – landesrechtlichen Sammlungsgesetze ähnliche Regelungen 51. Damit bleibt die Frage aktuell, ob dem Kläger im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO subjektive öffentliche Rechte zur Seite stehen, wenn er vor den Verwaltungsgerichten gegen die Befristung einer ihm erteilten Sammlungserlaubnis vorgehen will, weil ihm die gesetzte Frist zu kurz erscheint. Die Grundrechte können in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte jedenfalls erst dann in Betracht gezogen werden, wenn die angegriffene Verwaltungsmaßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Geklärt werden muss daher zunächst, ob die mit einer Befristung versehene Sammlungserlaubnis, welche in zeitlicher Hinsicht hinter den Vorstellungen des Veranstalters zurück

45

BVerwG, NVwZ 2001, 429 (429). Vgl. dazu C. Brüning, NVwZ 2002, 1081 (1081 f.), der zutreffend feststellt, dass von der im Urteil behaupteten „gefestigten Rechtsprechung“ mit Blick auf die vorherige Judikatur keine Rede sein kann. 46 BVerfGE 20, 150 (154); BVerwG, DÖV 1965, 848 (849). 47 P. Kunig, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 29; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 122. 48 BVerwG, DÖV 1965, 848 (848 f.). 49 RGBl. 1934 I S. 1086. 50 BVerfGE 20, 150 (150). 51 Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1, 2 BaySammlG, § 3 Abs. 1 S. 1 HSammlG, § 3 Abs. 1 S. 1 SaarlSammlG, § 3 Abs. 1 S. 1, 2 ThürSammlG; § 3 Abs. 1 S. 1 NSammlG, § 3 Abs. 1 S. 2 SammlG M-V.

130

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

bleibt, in dessen Grundrechte eingreift. Geschützt wird die Freiheit, Sammlungen von Geld- oder Sachspenden durchzuführen, vom allgemeinen Freiheitsrecht, sofern die Sammlung nicht kirchlichen oder religiösen Zwecken dient, da sonst Art. 4 Abs. 2 GG als lex specialis einschlägig ist 52. Wie das BVerfG ausgeführt hat, ist kein öffentliches Interesse ersichtlich, welches erfordert, das Sammlungsrecht im Sinne eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt auszugestalten. Eine solche Ausgestaltung (wie im Sammlungsgesetz vom 5. 11. 1934 53) ist daher nicht verfassungsgemäß 54. Die Sammlungsgesetze der Länder enthalten dementsprechend nur präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt, weshalb die erteilte Sammlungserlaubnis auch nur bei formeller Betrachtung als begünstigender Verwaltungsakt verstanden werden kann, während sie bei materieller Betrachtung keinesfalls als Begünstigung des Bürgers zu qualifizieren ist, da sie nur die allgemeine Handlungsfreiheit wieder herstellt, indem sie dem Bürger das gibt, was ihm verfassungsrechtlich ohnehin zusteht 55. Grundrechtsdogmatisch ist daher bei der Versagung einer Sammlungserlaubnis – ebenso wie bei der Versagung jeder anderen Kontrollerlaubnis auch – der status negativus tangiert und die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte angesprochen. Ist eine Sammlungserlaubnis zwar erteilt worden, deckt sie aber nicht den vollen zeitlichen Rahmen ab, für den der Veranstalter die Erlaubnis beantragt hat (liegt mit anderen Worten eine Befristung vor), so kann nichts anderes gelten. Schließlich liegt in der Erteilung einer Sammlungserlaubnis, die nur für eine kürzere Zeit als beantragt gilt, zugleich eine teilweise Versagung im Hinblick auf den Zeitraum, in dem der Antragsteller nicht wie begehrt sammeln darf. Von einem Grundrechtseingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann aber, ebenso wie bei jedem anderen Freiheitsrecht auch, nur die Rede sein, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln den grundrechtlichen Freiheitsraum verkürzen wird. An der objektiven Vorhersehbarkeit der Freiheitsbeschränkung, welche darin zu sehen ist, dass dem Veranstalter nicht erlaubt wird, die Sammlung im beantragten Zeitraum durchzuführen, sondern nur in einem kürzeren, wird es indes nie fehlen, da die Behörde stets um den beantragten Zeitraum und ihr Zurückbleiben dahinter weiß. Damit ist ein Grundrechtseingriff in Art. 2 Abs. 1 GG zu bejahen.

52 Vgl. BVerfGE 24, 236 (247); C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 122 Fn. 425. 53 RGBl. 1934 I S. 1086 ff. 54 BVerfGE 20, 150 (157, 161). 55 Instruktiv zur Differenzierung zwischen formeller und materieller Betrachtung bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 9 Rn. 52.

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

131

Ob das allgemeine Freiheitsrecht aber auch die Klagebefugnis des Veranstalters im Verwaltungsprozess begründen kann, lässt sich erst sagen, nachdem das einfache Recht in den Blick genommen worden ist, da einfach-gesetzliche Normen, wie bereits dargelegt, die Grundrechte in ihrer negatorischen Defensivfunktion einschränken oder verdrängen können. Zu einer Verdrängung kommt es aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts, wenn einfach-gesetzliche Normen dem Einzelnen selbst subjektive öffentliche Rechte vermitteln, mit deren Hilfe er ihre Einhaltung beanspruchen und durchsetzen kann. Zu einer Einschränkung kommt es hingegen, wenn einfach-gesetzliche Normen im Einklang mit der Verfassung rein objektiv-rechtlich auszulegen sind. Im Folgenden soll stellvertretend für die Sammlungsgesetze der Länder vom BaySammlG ausgegangen werden. Dieses sieht in Art. 4 Abs. 1 S. 1 BaySammlG vor, dass die Sammlungserlaubnis für eine bestimmte Zeit und höchstens für zwei Monate zu erteilen ist. Will der Veranstalter Waren vertreiben, um auf diesem Weg gemeinnützige oder mildtätige Zwecke zu verfolgen und bringt er dies zur Kenntnis der Käufer, so kann gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 2 BaySammlG die Erlaubnis auch für eine längere Zeit erteilt werden. Weitere Vorgaben, wann welcher Zeitraum festzusetzen ist, finden sich nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlaubnisbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden haben, was nach Art. 40 BayVwVfG bedeutet, dass sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck des BaySammlG auszuüben haben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten müssen (etwa die nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 BaySammlG zu beachtende Zweimonatsgrenze). Ein subjektives öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, welches Art. 2 Abs. 1 GG in seiner negatorischen Defensivfunktion verdrängen könnte, enthält Art. 40 BayVwVfG allerdings nicht. Ein solches Recht wird dem Einzelnen nur zugestanden, wenn die Vorschrift, welche die Behörde zur Ermessensentscheidung ermächtigt, zumindest auch dem Schutz der Interessen des Einzelnen zu dienen bestimmt ist 56 und ihm folglich selbst ein subjektives öffentliches Recht vermittelt. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass Art. 40 BayVwVfG nur objektiv-rechtlicher Natur ist. Ansonsten käme es für den Kläger nicht mehr darauf an, ob die Normen, welche die Verwaltung zur Ermessensausübung ermächtigen, subjektiv-rechtlich aufgeladen sind oder nicht. Diese Auslegung des Art. 40 BayVwVfG entspricht dem Willen des Gesetzgebers 57 und ist stringent, weil der Einzelne andernfalls auch solche Ermessensentscheidungen unter Berufung auf Art. 40 BayVwVfG angreifen könnte, die in keiner Beziehung zu ihm stehen. Ein solches Ergebnis

56 BVerwGE 39, 235 (237); 51, 264 (267); 85, 220 (222); 92, 153 (156); F. O. Kopp / W.R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 42 Rn. 93; R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 85. 57 Vgl. für das Bundes-VwVfG BT-Drucks. 7/910, S. 61; ebenfalls auf die Gesetzesmaterialien verweisend S. Liebetanz, in: K. Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, § 40 Rn. 48.

132

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

wäre mit § 42 Abs. 2 VwGO nicht in Einklang zu bringen, dessen Sinn und Zweck darin besteht, die Popular- und Interessentenklage auszuschließen. Es würde auch schlecht mit Art. 19 Abs. 4 GG harmonieren, der eine grundsätzliche Systementscheidung für den Individualrechtsschutz enthält. Zudem ist nicht ersichtlich, warum der Einzelne fehlerhafte Ermessensentscheidungen, die ihn nicht berühren, soll anfechten können, nicht aber fehlerhafte Entscheidungen, die im Rahmen der gebundenen Verwaltung ergehen. Obwohl Art. 40 BayVwVfG somit rein objektivrechtlich zu verstehen ist, geht damit keine Einschränkung der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte im Hinblick auf Ermessensentscheidungen einher. Denn die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass für die Frage, ob dem Einzelnen nach einfach-gesetzlicher Wertung ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zustehen soll, nicht Art. 40 BayVwVfG maßgeblich ist, sondern die Vorschrift, welche der Verwaltung Ermessen einräumt. Ob die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG eingeschränkt ist, wenn der Kläger rügt, dass die ihm erteilte Erlaubnis in zeitlicher Hinsicht hinter seinem Antrag zurückbleibt, hängt demnach davon ab, ob Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG rein objektiv-rechtlich auszulegen ist und gegen eine solche Auslegung keine verfassungsrechtlichen Einwände zu erheben sind. Maßgeblich für die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG ist in erster Linie der Wille des Gesetzgebers, der innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen frei über die Einräumung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechte disponieren kann. Da sich den Gesetzesmaterialien allerdings keine Anhaltspunkte entnehmen lassen, anhand derer darauf geschlossen werden könnte, ob der bayerische Landesgesetzgeber dem sammlungswilligen Bürger im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG ein subjektives öffentliches Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zugestehen will oder nicht, muss die Schutznormtheorie in ihrem heutigen Verständnis als Indikator herangezogen werden. Zu untersuchen ist folglich, ob Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG nur dem Schutz von Allgemeininteressen oder zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen der Veranstalter einer Sammlung zu dienen bestimmt ist. Gegen einen individualrechtsschützenden Gehalt spricht zunächst, dass mit der Befristung vornehmlich Allgemeininteressen verfolgt werden, da die Befristung dem Zweck dient, eine effektive Kontrolle der erlaubnisbedürftigen Sammlungen zu ermöglichen. Gilt eine Sammlungserlaubnis nämlich nur für einen bestimmten Zeitraum, so ist der Veranstalter genötigt, stets aufs Neue eine Erlaubnis zu beantragen, wenn der zuvor festgesetzte Zeitraum verstrichen ist. Dadurch wird verhindert oder zumindest erschwert, dass die Sammlung schleichend hinter die Voraussetzungen zurückfällt, die der Gesetzgeber für die Erteilung einer Erlaubnis normiert hat. Jedoch ist zu bedenken, dass sich die Erlaubnisbehörde im grundrechtsrelevanten Raum bewegt, da sie mit der Festsetzung einer gering bemessenen Zeitspanne unmittelbar in die grundrechtlich geschützte Sammlungsfreiheit der

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

133

Veranstalter eingreift. Sie darf deshalb bei der Ausübung ihres Ermessens die Interessen der Veranstalter keineswegs außen vor lassen, sondern muss diese in ihre Ermessensentscheidung mit einbeziehen. Dies zwingt dazu, Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG subjektiv-rechtlich auszulegen. Würde diese Norm nämlich rein objektiv-rechtlich interpretiert, stünde dem einzelnen Veranstalter selbst dann kein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung zu, wenn die Behörde die Erlaubnis aus bloßer Willkür nur für eine kurze Zeit erteilen würde. Schließlich ginge mit einem objektiv-rechtlichen Verständnis des Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG zugleich eine Einschränkung der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG einher. Das kann vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Bezuges der Ermessensentscheidung im Sammlungsrecht nicht verfassungsgemäß sein. Art. 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BaySammlG ist daher subjektivrechtlich auszulegen und steht dem klagenden Veranstalter im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO als subjektives öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung zur Seite. Art. 2 Abs. 1 GG wird in seiner negatorischen Defensivfunktion infolgedessen vom einfachen Recht verdrängt. Wendet sich der Kläger mit seiner Klage gegen eine Nebenbestimmung, gelten somit die gleichen Grundsätze wie bei anderen Klagen, die sich gegen staatliches Handeln richten, das in die Grundrechtssphäre des Bürgers eingreift. Vom dogmatischen Ansatz aus betrachtet, ist dabei irrelevant, ob die Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, den Verwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung zu versehen oder ob sie diese Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat. 4. Klagen gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln Begehrt der Kläger die Unterlassung oder Beendigung einer Störung, die von einem schlicht hoheitlichen Handeln ausgeht und somit keinen Verwaltungsakt darstellt, muss er ebenfalls die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts geltend machen, um mit seiner Unterlassungsklage durchdringen zu können. Selbiges gilt, wenn er im Rahmen einer positiven Leistungsklage von einem Hoheitsträger begehrt, durch schlichtes Verwaltungshandeln auf ein Privatrechtssubjekt einzuwirken, welches von eben diesem Hoheitsträger kontrolliert wird und ihn stört. Das ist etwa der Fall, wenn sich ein Privater gegen die wirtschaftliche Betätigung einer mit ihm konkurrierenden GmbH wendet, deren Alleingesellschafterin eine Gemeinde ist 58. Sowohl bei der positiven wie bei der negativen Leistungsklage kommt § 42 Abs. 2 VwGO dann analog zur Anwendung 59. 58

Exemplarisch S. Schlacke, JA 2002, 48 (48 ff.). Vgl. zur analogen Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO auf die allgemeine Leistungsklage BVerwGE 36, 192 (199); 60, 144 (150); 62, 11 (14); BVerwG, NVwZ 1982, 103 (104); VGH Mannheim, NVwZ 1991, 184 (185); J. von Albedyll, in: J. Bader / M. FunkeKaiser / S. Kuntze / J. von Albedyll (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2007, 59

134

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

a) Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand In der Verwaltungsrechtsprechung spielt Art. 2 Abs. 1 GG bei Klagen gegen die direkte beziehungsweise indirekte (das heißt über ein Privatrechtssubjekt vermittelte) wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand eine Rolle, weil das Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit, dessen Gegenstand die freie Leistungskonkurrenz ist 60, also das Recht der privaten Wirtschaftssubjekte, sich im Wettbewerb mit Konkurrenten möglichst ohne hoheitliche Beeinflussung und ohne staatlich initiierte Wettbewerbsverzerrungen zu messen 61, von der Rechtsprechung häufig (auch) dem Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung zugeordnet wird 62. Dem Kläger soll ein Abwehranspruch (zumindest auch) aus Art. 2 Abs. 1 GG erwachsen, wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden oder des Staates in unerträglichem Maße eingeschränkt und der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt wird oder eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb stattfindet 63. Die Entscheidungen, in denen diese Prämissen aufgestellt wurden, betrafen zum einen eine GmbH, die sich mit Wirtschaftsförderung und Maklertätigkeiten im Gebiet einer baden-württembergischen Gemeinde befasste, welche an ihr beteiligt war 64, und zum anderen das Recht der Stadt München, im Rahmen der Stadtverwaltung eine städtische Wohnungsvermittlung zu betreiben 65. § 42 Rn. 111; W. Schmitt Glaeser / H.-D. Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 387; H. Sodan, in: ders. / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 42 Rn. 371; H. A. Wolff, in: ders. / A. Decker (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), 2. Aufl. 2007, § 42 VwGO Rn. 1. Dagegen H.-U. Erichsen, Jura 1992, 384 (386); J. Hüttenbrink, in: W. Kuhla / J. Hüttenbrink / J. Endler, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, D Rn. 207; H. von Nicolai, in: K. Redeker / H.-J. von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2004, § 42 Rn. 153. 60 Vgl. E. R. Huber, DÖV 1956, 135 (137); R. Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 15. Aufl. 2006, § 18 I 2. 61 R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht – Allgemeiner Teil, 1990, S. 163; ders., in: ders. / T. Vollmöller (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2007, § 2 Rn. 81. 62 Vgl. BVerwGE 17, 306 (309); 30, 191 (198); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwGE 60, 154 (159 f.); 65, 167 (174); 79, 326 (329 f.); BVerwG, U. v. 28. 12. 1990, Buchholz 415.1, Nr. 112, 94 (95); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); OVG Münster, NJW 1980, 2323 (2324); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274); VG Berlin, Az: 4 A 495.04 (Quelle: http://www.juris.de). Offen gelassen in BVerwGE 71, 183 (189 f.); VG Karlsruhe, Az: 1 K 1394/05 (Quelle: http://www.juris.de). Auf Art. 12 Abs. 1 GG abstellend BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); BVerwGE 89, 281 (283); BVerwG, NJW 1996, 3161 (3161). 63 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); VGH München, BayVBl. 1976, 628 (630); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274). 64 VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.).

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

135

Nach der hier vertretenen Auffassung können die Grundrechte ihre normexterne Wirkung im Verwaltungsprozess indes nur entfalten, wenn das angegriffene Verwaltungshandeln einen Grundrechtseingriff darstellt und der direkte Rückgriff auf Grundrechte nicht durch das einfache Recht gesperrt wird. Ersteres ist der Fall, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln den grundrechtlichen Freiheitsraum verkürzen beziehungsweise ein grundrechtliches Schutzgut tangieren wird. Letzteres, wenn keine einfach-gesetzlichen Normen vorhanden sind, die dem Kläger ein subjektives öffentliches Recht auf ihre Einhaltung gewähren oder in verfassungsgemäßer Weise rein objektiv-rechtlich auszulegen sind und ihm daher die Möglichkeit, Individualrechtsschutz zu erlangen, vorenthalten. Wird dieser Ansatz auf die Urteile zur indirekten und direkten wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden projiziert, so hätte vor einem unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte zunächst gefragt werden müssen, ob die von den Klägern jeweils angegriffenen Tätigkeiten Grundrechtseingriffe darstellen und ob einfachgesetzliche Normen vorhanden sind, welche den Rückgriff sperren. Sowohl die Maklertätigkeit einer unter kommunaler Beteiligung agierenden GmbH als auch die Wohnungsvermittlung im Rahmen der Stadtverwaltung hätten als Eingriff gewertet werden müssen, da in beiden Fällen für die Gemeinden objektiv vorhersehbar war, dass sich ihre Betätigungen negativ auf all jene Privatrechtssubjekte auswirken werden, welche die entsprechenden Dienstleistungen ebenfalls anbieten, und dass somit zumindest deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG oder ein spezielles Freiheitsgrundrecht tangiert wird. Einfach-gesetzliche Normen, welche die Zulässigkeit und die Führung wirtschaftlicher Unternehmen regeln, waren zum Zeitpunkt der Entscheidungen und sind auch heute noch sowohl in der baden-württembergischen als auch in der bayerischen Gemeindeordnung vorhanden (insbesondere § 102 GO BW und Art. 89 BayGO a. F., heute Art. 87, 95 BayGO). Somit lag und liegt ein Regelungsprogramm vor, welches grundsätzlich geeignet war beziehungsweise ist, die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte zu verdrängen beziehungsweise einzuschränken. In den beiden entschiedenen Fällen hätten die Verwaltungsgerichte daher ermitteln müssen, ob die gemeindlichen Aktivitäten möglicherweise gegen eine dieser Vorschriften verstoßen und ob die betreffenden Vorschriften dem Kläger selbst subjektive öffentliche Rechte gewähren oder in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise rein objektiv-rechtlich auszulegen sind. Tatsächlich wurde bezüglich der Maklertätigkeit der GmbH in Baden-Württemberg § 102 GO BW in den Blick genommen und bezüglich der städtischen Wohnungsvermittlung in München Art. 89 BayGO a. F. Beiden Normen wurde eine individualrechtsschützende Wirkung abgesprochen 66. 65 66

VGH München, BayVBl. 1976, 628 (630); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376). VGH München, BayVBl. 1976, 628 (629 f.); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274).

136

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rein objektiv-rechtliche Interpretation dieser Rechtssätze wurden nicht geäußert. Wird dem hier zugrunde gelegten Verständnis vom Verhältnis des einfachen Rechts zu den Grundrechten gefolgt und anerkannt, dass rein objektiv-rechtliche Normen die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Defensivfunktion einschränken, so wäre ein unmittelbarer Rückgriff auf Grundrechte in Anbetracht der objektiv-rechtlichen Interpretation der kommunalrechtlichen Normen durch die Verwaltungsgerichte nur noch in zwei Fällen möglich gewesen: Zum einen, wenn die objektiv-rechtliche Interpretation als verfassungswidrig zu qualifizieren gewesen wäre und sich die kommunalrechtlichen Normen einer verfassungskonformen Auslegung im Sinne ihrer Subjektivierung entzogen hätten. Zum anderen, wenn das kommunalrechtliche Normprogramm lückenhaft gewesen wäre. Denn dann hätte der normexternen Wirkung der Grundrechte zumindest im Hinblick auf die Lücken keine einfach-gesetzliche Norm im Wege gestanden, welche die negatorische Abwehrfunktion der Grundrechte hätte einschränken oder verdrängen können. Zumindest im Hinblick auf die BayGO fehlte und fehlt es auch heute an einer solchen Lücke, weil die von der Rechtsprechung formulierten Tatbestandsvoraussetzungen für einen unmittelbaren Grundrechtsrückgriff, nämlich die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße und die unzumutbare Schädigung des privaten Unternehmers in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten 67, in Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. aufgingen beziehungsweise heute in Art. 95 Abs. 2 BayGO aufgehen. Nach diesen Normen dürfen gemeindliche Unternehmen nämlich keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken. Wird die Wettbewerbsfreiheit nun durch die wirtschaftliche Tätigkeit einer Gemeinde in unerträglichem Maße eingeschränkt und der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt oder findet eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb statt, so wird darin zugleich auch immer eine wesentliche Schädigung der selbständigen Betriebe zu sehen sein. Eine gesetzliche Lücke bestand dementsprechend weder zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch besteht sie heute. Folglich wäre zumindest im Fall der kommunalen Wohnungsvermittlung der Stadt München ein unmittelbarer Grundrechtsrückgriff nur möglich gewesen, wenn die objektivrechtliche Auslegung des Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. als verfassungswidrig hätte eingestuft werden müssen und eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm im Sinne ihrer Subjektivierung nicht möglich gewesen wäre. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, ob auch die drittschutzverneinende und damit ebenfalls

67

BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274).

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

137

rein objektiv-rechtliche Auslegung des Art. 89 Abs. 1 BayGO a. F. (heute Art. 87 Abs. 1 S. 1 BayGO) den Vorgaben der Verfassung genügte 68. Denn diese Norm betraf in erster Linie das „Ob“ der wirtschaftlichen Betätigung, während die zu überprüfende Rechtsprechung zum unmittelbaren Grundrechtsrückgriff auf das „Wie“ der wirtschaftlichen Betätigung abzielt. Nach den Kriterien der Judikative soll dem Privatunternehmer ein grundrechtlicher Abwehranspruch nämlich nur dann zustehen, wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden oder des Staates in unerträglichem Maße eingeschränkt und der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt wird oder eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb stattfindet. Ob die Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße eingeschränkt oder die Konkurrenz ausgezehrt beziehungsweise verdrängt wird, hängt indes nicht davon ab, ob sich eine Gemeinde wirtschaftlich betätigt, sondern wie sie es tut. Daher kommen bei der Suche nach einfach-gesetzlichen Normen, welche die richterrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für einen unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte beinhalten und einem solchen Rückgriff (aufgrund ihrer grundrechtseinschränkenden oder -verdrängenden Wirkung) entgegenstehen könnten, nur Vorschriften in Betracht, die nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ der wirtschaftlichen Betätigung regeln. Im vorliegenden Fall war dies Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. (heute Art. 95 Abs. 2 BayGO). Dass die rein objektiv-rechtliche Auslegung dieser Norm, wie sie von der Rechtsprechung vorgenommen wurde, nach dem hier vertretenen Ansatz als verfassungswidrig hätte qualifiziert werden müssen, wird deutlich, wenn die Konsequenzen einer rein objektiv-rechtlichen Auslegung in den Blick genommen werden. Für denjenigen, der sich in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten von der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand unzumutbar geschädigt sieht, ergibt sich bei objektiv-rechtlicher Auslegung des Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. nämlich folgende Situation: Zum einen kann er die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte nicht mehr zu seinem Schutz in Stellung bringen, da Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. bei rein objektiv-rechtlichem Verständnis die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte einschränkt. Zum anderen kann er sich aber auch nicht auf die gemeinderechtliche Vorschrift selbst berufen, da deren rein objektiv-rechtliche Interpretation ihm gerade das subjektive öffentliche Recht auf ihre Einhaltung verweigert. Der Betroffene wäre folglich bei unzumutbaren Schädigungen, die der staatlichen Gewalt zuzurechnen und als Grundrechtseingriff zu bewerten sind, rechtsschutzlos gestellt. Da

68 Vgl. zur drittschutzverneinenden Auslegung des Art. 89 Abs. 1 BayGO a. F. VGH München, BayVBl. 1976, 628 (629 f.) und zur Auslegung von Art. 87 Abs. 1 S. 1 BayGO M. Bauer / T. Böhle / G. Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: März 2003, Art. 87 GO Rn. 7; E. Glaser / J. Hermann / S. Marcic-Schaller / A. Meyer, in: J. Widtmann / W. Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: Juni 1999, Art. 87 Rn. 3.

138

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

eine derart weitgehende Einschränkung der grundrechtlichen Defensivfunktion verfassungswidrig wäre (weil unverhältnismäßig) 69, hätte Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. nicht objektiv-rechtlich und damit grundrechtseinschränkend ausgelegt werden dürfen, sondern es hätte eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm im Sinne ihrer Subjektivierung erfolgen müssen. Weder der Wortlaut noch der eindeutige Wille des Gesetzgebers hätten dem entgegengestanden. Zu konstatieren bleibt somit, dass die von der Rechtsprechung benannten Voraussetzungen für einen unmittelbaren Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Tatbestand des einfach-gesetzlichen Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. aufgingen. Da diese Norm dem Kläger bei verfassungskonformer Auslegung auch ein subjektives öffentliches Recht auf ihre Einhaltung gewährt hätte, war für einen Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG kein Raum. Was nun die Maklertätigkeit der unter gemeindlicher Beteiligung agierenden GmbH in Baden-Württemberg anbelangt, ist zu konstatieren, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine dem Art. 89 Abs. 2 BayGO a. F. entsprechende Regelung existierte, die den Rückgriff auf Grundrechte hätte sperren können. Die von der Rechtsprechung formulierten Tatbestandsvoraussetzungen für einen unmittelbaren Grundrechtsrückgriff, nämlich die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße und die unzumutbare Schädigung des Privatunternehmers in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten 70, gingen in keiner Norm der baden-württembergischen Gemeindeordnung auf. Daher lag eine Gesetzeslücke vor, die von der baden-württembergischen Gemeindeordnung bis heute nicht geschlossen worden ist. Daraus folgt, dass sich der Privatunternehmer in Baden-Württemberg im Einklang mit der Rechtsprechung auf die Verletzung seiner Grundrechte berufen kann, wenn er rügt, die Wettbewerbsfreiheit werde durch die wirtschaftliche Betätigung eines kommunalen Unternehmens in unerträglichem Maße eingeschränkt und er in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt. Schließlich ist aufgrund der Gesetzeslücke keine einfach-gesetzliche Norm vorhanden, die einem unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte in dieser Fallkonstellation im Wege stehen könnte. Zu beachten ist dabei jedoch, dass dem privaten Unternehmer dann in erster Linie seine Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG als subjektive öffentliche Abwehrrechte zur Seite stehen 71, da die speziellen Freiheitsrechte dem 69 Siehe zu den Schranken-Schranken, denen Gesetze unterliegen, welche die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion beschränken B. II. 3. a) bb). 70 BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274). 71 Vgl. M. Erdemir, JA 1996, 927 (928); H.-U. Erichsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 152 Rn. 62; B. Pieroth / B. J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428); S. Schlacke, JA 2002, 48 (52); U. Schliesky, JA 1997, 902 (904 ff.). Auch nach dem Konzept von J. F. Lindner, DÖV 2003, 185 (189 ff.), der

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

139

allgemeinen Auffanggrundrecht vorgehen und dieses verdrängen. Die These des BVerwG, Art. 12 GG schütze nicht vor Konkurrenz und damit auch nicht vor dem Wettbewerb durch die öffentliche Hand 72, vermag hier nicht zu überzeugen 73. Denn sie verkennt, dass private und staatlich-kommunale Konkurrenz nicht vergleichbar ist. Während der private Konkurrent nämlich von seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit Gebrauch macht, wenn er sich wirtschaftlich betätigt, bleiben die Kommunen, auch wenn sie wirtschaften, staatliche und damit grundrechtsgebundene Kompetenzträger. Der bloße Umstand, dass der private Konkurrent und die Kommune das Gleiche tun, wenn sie sich erwerbswirtschaftlich betätigen, rechtfertigt aus grundrechtlicher Sicht keine Gleichbehandlung. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, die körperliche Misshandlung durch einen Polizisten der körperlichen Misshandlung durch einen Privaten gleichzusetzen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Grundrechte zwar auch bei Konkurrentenklagen gegen die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand relevant werden können, Art. 2 Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang aber entgegen der Rechtsprechung keine nennenswerte Bedeutung zukommt 74. Der Vorteil des hier vertretenen Ansatzes liegt in Folgendem: Die Rechtsprechung trennt die normexterne Grundrechtswirkung weitgehend von der Ausgestaltung des einfachen Rechts und ruft für ihr Eingreifen richterrechtlich geschaffene und nirgends normierte Tatbestandsvoraussetzungen auf den Plan, die wenig Trennschärfe aufweisen, weil sie die Aktivierung grundrechtlicher Abwehransprüche „von kaum rationalisierbaren Intensitätsskalierungen abhängig machen“ 75 (man denke nur an die Vokabeln „unerträglich“ und „unzumutbar“). Demgegenüber rekurriert der hier vertretene Ansatz primär auf das einfache Recht und räumt somit der Rechtsquelle den Vorrang ein, die aufgrund ihrer rechtsgebietsspezifischen Ausgestaltung weit präzisere Vorgaben für die Lösung konkreter Fälle bereit hält als das Verfassungsrecht. Damit geht zum einen ein höheres Maß an Rechtssicherheit einher, weil Gerichtsentscheidungen, die sich am einfachen Recht orientieren, vorhersehbarer sind als Entscheidungen, die sich von wenig trennscharfen Kriterien des Richterrechts leiten lassen. Zum anderen wird auch der Grundkonzeption der Verfassung als Rahmenordnung besser Rechnung getragen, wenn auf die einfach-gesetzliche Konkretisierung und Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Rahmens rekurriert wird anstatt auf die Grundrechte die Wettbewerbsfreiheit nicht als freiheitsrechtliche Grundkategorie anerkennt, dürfte bei einer unerträglichen und unzumutbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig sein, da in einem solchen Fall nicht lediglich die Erfolgschancen des Privaten minimiert werden, sondern seine Teilnahme am Wettbewerb auf dem Spiel steht. 72 BVerwGE 39, 329 (336). 73 Ebenso J. Suerbaum, DV 40 (2007), 29 (48 f.). 74 Anders W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416 (445 f.). 75 W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), 416 (445).

140

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

und damit auf den Rahmen selbst. Vor allem fällt gegen die Vorgehensweise der Rechtsprechung aber ins Gewicht, dass sie den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verkennt, der ihm bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zusteht. Ob sich der Kläger im Verwaltungsprozess auf ein subjektives öffentliches Abwehrrecht berufen kann, hängt nämlich in erster Linie von der legislativen Ausgestaltung des einfachen Rechts und nicht davon ab, ob bestimmte richterrechtliche Kriterien erfüllt sind. Hat der Gesetzgeber einen Lebensbereich beispielsweise einer rein objektiv-rechtlichen Normierung zugeführt und begegnet die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, so hat er damit zugleich die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte in verfassungsgemäßer Weise eingeschränkt. Der Kläger kann dann weder aus dem einfachen Recht noch aus den Grundrechten eine subjektive öffentliche Rechtsposition herleiten – selbst dann nicht, wenn bestimmte richterrechtliche Kriterien erfüllt sind. Bevor eine subjektive öffentliche Rechtsposition des Klägers bejaht werden kann, ist folglich in Anerkennung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums das einfache Recht daraufhin zu untersuchen, ob es in verfassungsgemäßer Weise rein objektiv-rechtlich und damit individualrechtsschutzverneinend ausgestaltet worden ist. Dies kann allein im Wege der Auslegung ermittelt werden und hängt nicht von richterrechtlichen Kriterien ab. Die Judikative verkennt dies, wenn ohne eine genaue Untersuchung des einfachen Rechts auf seine individualrechtsschutzverneinenden Gehalte auf die normexterne Wirkung der Grundrechte zurückgegriffen und dem Kläger auf diese Weise ein subjektives öffentliches Abwehrrecht vermittelt wird. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung zu einem merkwürdig anmutenden Bruch mit der weithin anerkannten Grundrechtsdogmatik führt, wonach zwischen Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung zu differenzieren ist. Nach der Judikatur steht Art. 2 Abs. 1 GG dem Betroffenen als subjektives öffentliches Abwehrrecht nämlich erst dann zur Verfügung, wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in unerträglichem Maße eingeschränkt und der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt wird oder eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb stattfindet 76. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung kaum gelingen können, weshalb es durchaus plausibel ist, in einem solchen Fall per se einen Grundrechtseingriff und eine Grundrechtsverletzung zu bejahen sowie die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als Abwehrrechte zu aktivieren – dies jedenfalls dann, wenn entgegen der hier vertretenen Auffassung die grundrechtsbezogenen Wirkungen des einfachen Rechts einmal außen vor gelassen werden, welche die subjektiv-rechtliche 76 Vgl. BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); VGH München, BayVBl. 1976, 628 (630); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274).

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

141

Defensivfunktion verdrängen beziehungsweise einschränken. Weniger stringent ist hingegen, dass ein Grundrechtseingriff nur und erst dann vorliegen soll, wenn diese hoch gesteckten Voraussetzungen erfüllt sind und somit Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung stets zusammenfallen. Dass dem so ist, ergibt sich aus folgender Überlegung: Würden die Verwaltungsgerichte davon ausgehen, dass ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG allein aufgrund der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden und nicht erst bei Erreichen der skizzierten Belastungsschwelle gegeben sein kann, so hätten sie auch den Bereich vor dieser Schwelle in den Blick nehmen und diesbezüglich die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung prüfen müssen. Das unterblieb jedoch 77. b) Öffentlich-rechtliche Zwangsverbände Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit spielt in der Rechtsprechung im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Zwangsverbände eine bedeutende Rolle 78. Es soll den Einzelnen davor schützen, „durch Zwangsmitgliedschaft von ,unnötigen‘ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden“ 79. Ein Gesetz, welches die Pflichtmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vorschreibt, muss deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören, das heißt in formeller wie materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Für die Verwaltungsgerichte ergeben sich insofern keine Besonderheiten. Sie haben stets zu prüfen, ob die den konkreten Fall betreffenden Gesetze verfassungsgemäß und damit wirksam sind 80. Neben dem Recht, von der Mitgliedschaft in einem unnötigen Verband verschont zu bleiben, sollen die Mitglieder nötiger Pflichtverbände von dem Verband aber auch „die Einhaltung der Grenzen verlangen können, die seinem Tätigwerden durch die gesetzlich normierte Aufgabenstellung gezogen sind“ 81. Dies wird ebenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG gefolgert, der dem Einzelnen „auch ein Abwehrrecht gegen solche Eingriffe des Verbandes in seine Handlungsfreiheit“ gewähre, „die sich nicht im Wirkungskreis legitimer 77 Vgl. J. Suerbaum, DV 40 (2007), 29 (47), der ebenfalls feststellt, dass nach der Rechtsprechung „als ein verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff eine mittelbare Beeinträchtigung durch das Hinzutreten staatlicher Konkurrenz erst dann zu qualifizieren sein soll, wenn private Konkurrenz unmöglich gemacht“ wird, etc. 78 BVerfGE 10, 89 (102); 15, 235 (239); 38, 281 (297 f.); BVerfG, GewArch 2002, 111 (112); BVerwGE 32, 308 (312); 59, 242 (245); BVerwG, NJW 1982, 1298 (1298); NJW 1982, 1300 (1300); BVerwGE 87, 324 (325); 106, 64 (69); 109, 97 (99). 79 BVerfGE 38, 281 (298); BVerwGE 107, 169 (173); 108, 169 (172); 109, 97 (99). 80 Die Prüfungskompetenz steht den Verwaltungsgerichten vollumfänglich zu, nur die Verwerfungskompetenz ist eingeschränkt; vgl. H. Geiger, in: E. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 1 Rn. 10; J.-R. Sieckmann, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Aufl. 2005, Art. 100 Abs. 1 Rn. 2. 81 BVerwGE 64, 115 (117); 64, 298 (301).

142

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

öffentlicher Aufgaben halten oder bei deren Wahrnehmung nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen wird“ 82. Nach der hier vertretenen Auffassung können die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte allerdings nur dann unmittelbar herangezogen werden, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt und das einfache Recht die negatorische Defensivfunktion der betroffenen Grundrechte oder des betroffenen Grundrechts nicht einschränkt oder verdrängt. Bezogen auf die in der Rechtsprechung behandelten Fälle hätte daher nicht nur untersucht werden müssen, ob ein Grundrechtseingriff in Art. 2 Abs. 1 GG zu bejahen ist, wenn eine Steuerberaterkammer ihren Mitgliedern die Abnahme einer von ihr ausgewählten und mit Haushaltsmitteln finanzierten Fachzeitschrift zur Pflicht macht 83 oder wenn die Ärztekammer Schleswig-Holsteins in den von ihr herausgegebenen Verbandszeitschriften Beiträge allgemeinpolitischen Inhalts veröffentlicht 84. Vielmehr hätte auch untersucht werden müssen, ob die Vorschriften des StBerG oder die Vorschriften des (mittlerweile obsoleten 85) schleswig-holsteinischen Ärztekammergesetzes einem unmittelbaren Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG im Wege stehen. Illustriert werden soll die hier präferierte Vorgehensweise am letztgenannten Fall. Im ÄKammerG SH fanden sich weder Vorschriften, die eine allgemeinpolitische Betätigung ausdrücklich zuließen 86, noch solche, die eine derartige Betätigung ausdrücklich untersagten. Allerdings ergab sich aus § 2 Abs. 1 ÄKammerG SH, welche Aufgaben der Ärztekammer damals oblagen. Da diese Norm in ihren einzelnen Nummern durchweg einen Bezug zur Ärzteschaft, dem Arzt, dem Gesundheitsdienst oder der Heilkunde herstellte, kann aus ihr geschlossen werden, dass die Ärztekammer berechtigt war, bezüglich aller Fragen tätig zu werden und sich zu äußern, die von allgemeinem Interesse für die Ärzteschaft waren. Bedenkt man nun weiter, dass die Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlichrechtlichen Körperschaft einen Grundrechtseingriff darstellt 87, der verfassungs82

BVerwGE 64, 115 (117); 64, 298 (301). So der Fall bei BVerwG, NJW 1982, 1298 (1298 f.). 84 So der Fall bei BVerwG, NJW 1982, 1300 (1300 f.). 85 Vgl. zur aktuellen Rechtslage § 3 Abs. 1 HeilBerG SH. 86 Nach BVerwGE 59, 231 (238 f.); BVerwGE 64, 298 (303) verstieße eine gesetzliche Ermächtigung, zu beliebigen Fragen der Politik Stellung zu nehmen und sonstige politische Aktivitäten ohne verbandsbezogenen Inhalt zu entfalten, ohnehin gegen Art. 2 Abs. 1 GG und wäre demnach verfassungswidrig. 87 In welches Grundrecht eingegriffen wird, ist in der Literatur allerdings heftig umstritten. Für Art. 2 Abs. 1 GG: G. Frentzel / E. Jäkel / W. Junge, Industrie- und Handelskammergesetz, 6. Aufl. 1999, § 2 Rn. 3; R. Jahn, GewArch 1998, 453 (454); ders., JuS 2000, 129 (130 f.); ders., GewArch 2002, 98 (100 f.); W. Kluth, NVwZ 2002, 298 (299); W. Löwer, GewArch 2000, 89 (94 ff.); ders., in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kom83

I. Bipolare Verwaltungsverhältnisse

143

rechtlicher Rechtfertigung bedarf und dementsprechend nur zulässig ist, wenn er geeignet, erforderlich und angemessen ist, so ist aus § 2 Abs. 1 ÄKammerG SH bei verfassungskonformer Auslegung der Schluss zu ziehen, dass überall dort, wo keine spezifischen Interessen der Ärzteschaft in Rede standen, ein Engagement der Ärztekammer zu unterbleiben hatte. Eine einfach-gesetzliche Norm, welche die Rechte der Ärztekammer und die Grenzen ihrer Rechte umschrieb, war demnach zum Zeitpunkt der Entscheidung vorhanden. Das BVerwG hätte daher prüfen müssen, ob diese Norm einem unmittelbaren Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG im Wege steht. Dies wäre zum einen der Fall gewesen, wenn § 2 Abs. 1 ÄKammerG SH dem klagenden Pflichtmitglied selbst ein subjektives öffentliches Abwehrrecht vermittelt hätte. Denn dann wäre die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts von § 2 Abs. 1 ÄKammerG SH verdrängt worden. Zum anderen hätte auf das allgemeine Freiheitsrecht aber auch dann nicht zurückgegriffen werden können, wenn § 2 Abs. 1 ÄKammerG SH in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise rein objektiv-rechtlich zu interpretieren gewesen wäre. Denn dann hätte diese Norm die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG in zulässiger Weise eingeschränkt. Daraus folgt, dass für einen unmittelbaren Rückgriff auf das allgemeine Freiheitsrecht nur noch Raum gewesen wäre, wenn § 2 ÄKammerG SH aufgrund seines Wortlauts und des eindeutigen Willens des Landesgesetzgebers zwingend rein objektiv-rechtlich hätte interpretiert werden müssen und mit diesem Normgehalt als verfassungswidrig zu qualifizieren gewesen wäre. Dann wäre eine verfassungskonforme Auslegung der Norm im Sinne ihrer Subjektivierung nämlich nicht mehr möglich gewesen und § 2 ÄKammerG SH hätte aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG nicht mehr wirksam einschränken können. Ob § 2 ÄKammerG SH den Mitgliedern der Ärztekammer nun ein subjektives öffentliches Recht auf seine Einhaltung gewährte oder ihnen eine derartige Rechtsposition vorenthielt und ob eine solche Vorenthaltung verfassungswidrig gewesen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden, da sich die Norm einer verfassungskonformen Auslegung im Sinne ihrer Subjektivierung jedenfalls nicht mentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 9 Rn. 20; D. Merten, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 144 Rn. 58 ff.; J. Ruthig, in: ders. / S. Storr (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005, Rn. 107 ff.; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 133 ff. Für Art. 9 Abs. 1 GG: H. Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 47; H. Bethge, JA 1979, 281 (284 f.); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rn. 413 f.; D. Jung, JA 1984, 467 (468 f.); D. Murswiek, JuS 1992, 116 (118 f.); A. von Mutius, Jura 1984, 193 (196 f.); B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 728 ff.; B. Schöbener, VerwA 91 (2000), 374 (396 ff.); R. Scholz, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band II, Stand: Feb. 1999, Art. 9 Rn. 89 f.; R. Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, 1989, S. 49 ff.

144

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

verschlossen hätte. Weder der Wortlaut noch der eindeutige Wille des Gesetzgebers hätten dem entgegengestanden. Fest steht damit, dass für einen direkten Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG entgegen der Rechtsprechung kein Raum war.

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse 1. Echte Multipolarität In den Fällen echter Multipolarität 88, welche gegeben ist, wenn ein horizontales Verwaltungsverhältnis vorliegt, tritt zwischen den Staat und den belasteten Kläger noch ein weiterer Privater, der durch seine autonome Entscheidung die Beeinträchtigung erst vermittelt. Dabei ist zwischen Konstellationen, in denen das Verhalten des privaten Dritten keinen eigenständigen Schädigungsgehalt aufweist und solchen, in denen ihm ein eigenständiger Schädigungsgehalt zukommt, zu unterscheiden 89. a) Privatverhalten ohne eigenständigen Schädigungsgehalt Das zwischen die angegriffene staatliche Maßnahme und die konkrete Belastung des Klägers tretende Privatverhalten weist dann keinen eigenständigen Schädigungsgehalt auf, wenn es für sich genommen – also unabhängig von jeder hoheitlichen Tätigkeit – keine Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter darstellt und der Beeinträchtigungserfolg somit nicht als privatverursacht angesehen werden kann 90. Ob der Beeinträchtigungserfolg der Staatsgewalt in einem solchen Fall zuzurechnen und dementsprechend ein Grundrechtseingriff zu bejahen ist, hängt dann davon ab, ob die Kriterien des hier favorisierten erweiterten Eingriffsbegriffs erfüllt sind, ob also die Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter beziehungsweise grundrechtlicher Freiheit für einen pflichtgemäß handelnden Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar war. aa) Subventionen Greift der Kläger eine Subvention an, die seinem Konkurrenten staatlicherseits gewährt wurde („negative Konkurrentenklage“ 91), so liegt ein Fall des Privat88 Vgl. zur Unterscheidung zwischen echter und unechter Multipolarität M. SchmidtPreuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, S. 28 ff. 89 Siehe C. II. 1. b) bb) (2). 90 Siehe C. II. 1. b) bb) (2) (a). 91 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit W. Brohm, in: FS für C.-F. Menger, 1985, S. 235 (235 f.); F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 14 Rn. 16; W.-R. Schenke,

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

145

verhaltens ohne eigenständigen Schädigungsgehalt vor. Denn der Begünstigte begleicht mit den erhaltenen Subventionsmitteln lediglich fällige Rechnungen, vergütet damit seine Angestellten oder tätigt Investitionen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, etc. All diese Handlungen stellen als solche aber keine Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit dar, sondern repräsentieren alltägliche Wirtschaftsprozesse, die sowohl von Subventionsempfängern als auch von Nichtbegünstigten gleichermaßen durchgeführt werden. Würden diese Handlungen nicht mit öffentlichen Geldern finanziert, sondern mit Geldmitteln, die das Resultat einer besonders geschickten Geschäftstätigkeit sind, wären sie von vornherein nicht zu beanstanden, weshalb das Privatverhalten selbst keinen eigenständigen Schädigungsgehalt aufweist. Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit tritt in diesem Kontext ebenso wie bei Klagen gegen die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in Erscheinung, weil die Verwaltungsrechtsprechung die Wettbewerbsfreiheit häufig dem sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG zuordnet 92. Subventionen sollen unter Rückgriff auf dieses Grundrecht abgewehrt werden können, wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die staatliche Förderung in einem für den Kläger unerträglichen Maße eingeschränkt und er unzumutbar geschädigt wird 93. Nach hier vertretener Auffassung können die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte im Verwaltungsprozess allerdings erst dann zur Geltung kommen, wenn ein Grundrechtseingriff vorliegt und ihre negatorische Defensivfunktion vom einfachen Recht nicht eingeschränkt oder verdrängt wird. Da für einen Grundrechtseingriff nach hier vertretener Sichtweise schon die objektive Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter ausreicht, ist auch die Subventionierung eines Konkurrenten im Hinblick auf den Nichtbegünstigten als Grundrechtseingriff zu werten. Schließlich ist für einen pflichtgemäß handelnden Hoheitsträger bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar, dass die Vergabe einer Subvention zwangsläufig zu einem Wettbewerbsvorteil für den privilegierten Marktteilnehmer führt und somit das grundrechtlich verbürgte Recht der privaten Wirtschaftssubjekte tangiert, sich im Wettbewerb mit Konkurrenten möglichst ohne hoheitliche Beeinflussung und ohne staatlich initiierte Wettbewerbsverzerrungen zu messen. Es stellt sich daher nur die Frage, ob die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte in den Fällen der negativen Konkurrentenklage vom einfachen Recht eingeschränkt oder verdrängt wird. Dann wäre dem klagenden Konkurrenten der Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 272; P. J. Tettinger / V. Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 2005, § 17 Rn. 22; R. Wernsmann, DV 36 (2003), 67 (70). 92 Siehe D. Fn. 62. 93 BVerwGE 30, 191 (198 f.); vgl. auch OVG Münster, NVwZ 2003, 1520 (1524).

146

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

unmittelbare Rückgriff auf seine Grundrechte versagt. Angesichts der Normierungsarmut, welche das Subventionsrecht kennzeichnet und der Tatsache, dass die Subventionsvergabe zumeist nur auf die etatmäßige Bereitstellung der erforderlichen Mittel im Haushaltsplan und auf Verwaltungsvorschriften zurückgeführt werden kann, wird in der Regel kein einfach-gesetzliches Normprogramm vorhanden sein, welches die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion verdrängen oder einschränken könnte. Folglich stehen die Grundrechte den klagenden Konkurrenten im Rahmen der Klagebefugnis 94 als subjektive öffentliche Abwehrrechte entgegen der Rechtsprechung nicht erst dann zur Seite, wenn die Wettbewerbsfreiheit durch die staatliche Förderung in einem für sie unerträglichen Maße eingeschränkt wird und sie unzumutbar geschädigt werden, sondern bereits dann, wenn für einen pflichtgemäß handelnden Hoheitsträger ihre Beeinträchtigung objektiv vorhersehbar ist. Letzteres ist grundsätzlich der Fall. Im Rahmen der Begründetheit stellt sich sodann die Frage, ob der staatlich bewirkte Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Diese Frage ist von äußerster Brisanz, da Grundrechtseingriffe einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung gelingen soll, sich das Subventionsrecht aber gerade durch eine besondere Normierungsarmut auszeichnet. Damit ist eines der umstrittensten Problemfelder des öffentlichen Wirtschaftsrechts eröffnet, nämlich die Thematik, ob die Verwaltung auch im Bereich der Leistungsverwaltung und insbesondere im Bereich des Subventionsrechts nur tätig werden darf, wenn die Legislative sie vorher per Gesetz dazu ermächtigt hat. Die Verwaltungsrechtsprechung geht im Grundsatz davon aus, dass „neben dem förmlichen Gesetz auch jede andere parlamentarische Willensäußerung, insbesondere die etatmäßige Bereitstellung der zur Subvention erforderlichen Mittel als hinreichende Legitimation verwaltungsmäßigen Handelns“ angesehen werden kann 95. Ausnahmsweise soll aber eine klare gesetzliche Grundlage erforderlich sein, wenn etwa die unmittelbare Subventionierung eines Presseunternehmens in Rede steht 96 oder ein privater Verein gefördert wird, um die Öffentlichkeit 94 Wurde die Subvention durch Verwaltungsakt vergeben, ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart und dementsprechend § 42 Abs. 2 VwGO einschlägig. Bei einer Vergabe durch Verwaltungsvertrag ist die Feststellungsklage statthaft; vgl. H.-U. Erichsen, Jura 1994, 385 (385); P. Groeschke, BB 1995, 2329 (2330); C. Gusy, JA 1991, 327 (332); W. Kahl / L. Diederichsen, in: R. Schmidt / T. Vollmöller (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2007, § 7 Rn. 121. Auf diese kommt § 42 Abs. 2 VwGO nach umstrittener Ansicht analog zur Anwendung; vgl. BVerwG, NVwZ 1990, 470 (471); BVerwG, DVBl. 1995, 1250 (1250); BVerwGE 100, 262 (271); C. Brüning, JuS 2004, 882 (884 f.); D. Ehlers, NVwZ 1990, 105 (110 f.). 95 Vgl. BVerwGE 6, 282 (287); BVerwG, NJW 1977, 1838 (1839); BVerwGE 58, 45 (48); BVerwG, DVBl. 1992, 1038 (1042); OVG Münster, NVwZ 1982, 381 (381); OVG Lüneburg, NVwZ 1985, 499 (499).

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

147

vor dem Wirken religiöser beziehungsweise weltanschaulicher Bewegungen zu warnen 97. Das BVerfG hat noch nicht eindeutig Stellung bezogen 98. Die Literatur zeigt sich gespalten. Während ein Teil der Autoren der Verwaltungsrechtsprechung zuneigt und die Subventionsvergabe grundsätzlich nicht an das Vorliegen einer spezialgesetzlichen Regelung bindet 99 (den Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG also nicht auf diesen Bereich der Leistungsverwaltung erstreckt), halten andere Autoren eine spezialgesetzliche Grundlage prinzipiell für erforderlich 100. Wie M. Zuleeg bereits 1974 konstatierte, hat sich „der Kampf um den Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen . . . zu einer Hängepartie entwickelt“ 101. Nach den bisherigen Ausführungen ist indes der letztgenannten Literaturmeinung zu folgen. Denn ist erst einmal der Eingriff in Grundrechte bejaht, determiniert dies unweigerlich das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage, soll die verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht scheitern und eine Grundrechtsverletzung die Folge sein. Nun liegt formal zwar auch dann, wenn man mit der Rechtsprechung die etatmäßige Bereitstellung der zur Subventionierung erforderlichen Mittel im Haushaltsplan als hinreichende Legitimation genügen lässt, ein Gesetz vor, da der Haushaltsplan nach Art. 110 Abs. 2 GG durch das Haushaltsgesetz festgestellt wird. Das Haushaltsgesetz ist allerdings nicht geeignet, Eingriffe in Grundrechte zu rechtfertigen. Dies liegt nicht nur daran, dass ihm, jedenfalls soweit es den Haushaltsplan feststellt 102, keine Außenwirkung zukommt und es insofern als Organgesetz 103 zu verstehen ist 104. Vielmehr kann es auch den Anforderungen 96 OVG Berlin, NJW 1975, 1938 (1940); vgl. auch OLG Frankfurt, NVwZ 1993, 706 (707). 97 BVerwGE 90, 112 (126 f.); OVG Münster, NVwZ 1991, 174 (175); a. A. OVG Berlin, NVwZ 1991, 798 (798). 98 Diese Einschätzung wird von M. Rodi, Die Subventionsrechtsordnung, 2000, S. 506 und R. Stober, GewArch 1993, 136 (141) unter Verweis auf BVerfGE 38, 121 (126); 73, 1 (39); 80, 124 (132) geteilt. 99 W. Frotscher, JuS 1984, 692 (695 f.); H. P. Ipsen, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 2. Aufl. 1999, § 92 Rn. 39 f.; H. D. Jarass, JuS 1980, 115 (117); R. Stober, GewArch 1993, 136 (145 ff.). 100 H. Bauer, DÖV 1983, 53 (53 ff.); M. C. Jakobs, BayVBl. 1985, 353 (355 f.); W. Kahl / L. Diederichsen, in: R. Schmidt / T. Vollmöller (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2007, § 7 Rn. 55 ff.; M. Zuleeg, DÖV 1984, 733 (734 f.). 101 M. Zuleeg, Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage, 1974, S. 82; ihm folgend M. Rodi, Die Subventionsrechtsordnung, 2000, S. 505. 102 Zu möglichen weiteren Inhalten des Haushaltsgesetzes siehe Art. 110 Abs. 4 GG. 103 Zu diesem Begriff K. Stern, in: ders. / P. Münch / K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, 2. Aufl. 1972, S. 68; ders., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, S. 1203. 104 M. Heintzen, in: I. von Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 5. Aufl. 2003, Art. 110 Rn. 31, 33; C. Hillgruber, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 5. Aufl. 2005, Art. 110 Abs. 2 Rn. 63 f.; H. Siekmann, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 110 Rn. 24, 36.

148

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

des Bestimmtheitsgrundsatzes, welcher in der grundrechtlichen Dogmatik als Schranken-Schranke fungiert, nicht genügen, da im Haushaltsplan neben dem Gesamtbetrag der bereitgestellten Mittel regelmäßig nur der Förderungszweck angegeben wird, während die Regelung der konkreten Vergabekriterien und des Vergabeverfahrens den von der Exekutive geschaffenen Subventionsrichtlinien überlassen bleibt. Diese eignen sich als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in Grundrechte aber ebenso wenig, da sie als Verwaltungsvorschriften erlassen werden und ihnen daher kein Rechtsnormcharakter zukommt 105. In der Regel ist somit keine gesetzliche Grundlage vorhanden, die den durch die Subventionierung hervorgerufenen Eingriff in die Grundrechte der Konkurrenten des Begünstigten rechtfertigen könnte. Folglich verletzt die bisherige Vergabepraxis deren Grundrechte und ist deshalb als verfassungswidrig zu qualifizieren. Die an der Rechtsprechung zur negativen Konkurrentenklage gegen Subventionen zu äußernde Kritik deckt sich mit jener, die bereits an der Judikatur zur Konkurrentenklage Privater gegen die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden geäußert wurde 106. Denn die Rechtsprechung operiert hier wie dort mit den wenig trennscharfen Kriterien der Unerträglichkeit und Unzumutbarkeit. Ebenso differenziert sie entgegen der gängigen Grundrechtsdogmatik nicht zwischen Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung und verkennt auch im Subventionsrecht, dass die speziellen Freiheitsrechte (insbesondere Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG) dem allgemeinen Auffangrundrecht vorgehen, weshalb für Art. 2 Abs. 1 GG allenfalls ein schmaler Anwendungsbereich verbleibt 107. Zufall ist die ähnliche Behandlung der beiden Konkurrentenklagen in der Judikatur freilich nicht, sondern Programm, stand die Leitentscheidung zum Grundrechtsschutz gegen Subventionen der Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz gegen kommunale Wirtschaftstätigkeit doch Pate 108. Im Ergebnis wirkt sich die Sichtweise der Judikatur im Subventionsrecht aber negativer aus als im Gemeindewirtschaftsrecht, da sie den Gesetzgeber von seiner originären Pflicht entbindet, im Wege der Rechtsetzung die einander widerstreitenden Individual- und Allgemeininteressen in Ausgleich zu bringen und ihn aus seiner Verantwortung entlässt, die wesentlichen Entscheidungen selber zu treffen. Denn obwohl die Subventionsvergabe in Grundrechte der mit dem Begünstigten konkurrierenden Marktteilnehmer eingreift und das Organisationsgefüge von 105

BVerwGE 104, 220 (222); P. Badura / P. M. Huber, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, 3. Kap Rn. 86. 106 Siehe D. I. 4. a). 107 Anders jedoch A. Bleckmann, Subventionsrecht, 1978, S. 151; H.-J. Friehe, JuS 1981, 867 (870 f.); P. Miebach, JuS 1987, 956 (960); M. Zuleeg, Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage, 1974, S. 77 ff. 108 Vgl. die Verweisung auf BVerwGE 30, 191 (198 f.) in BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376) und BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153).

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

149

Staat und Gesellschaft in erheblicher Weise betrifft 109, soll es weitgehend der Exekutive überlassen bleiben, ihre Ausgestaltung in Form von Verwaltungsvorschriften zu regeln. Das ist mit der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG nicht in Einklang zu bringen 110, nach welcher der Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung . . . alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“ 111 hat. Demgegenüber nimmt die hier vertretene Auffassung die Legislative ganz im Sinne der Wesentlichkeitstheorie in die Pflicht und verhilft ihr zu effektiver Durchsetzung, indem sie den betroffenen Marktteilnehmern die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion uneingeschränkt an die Seite stellt. Solange der Gesetzgeber in Untätigkeit verharrt und seinem Verfassungsauftrag zur Rechtsetzung nicht nachkommt, brauchen die Konkurrenten keine negativen Folgen einer verfassungswidrigen Subventionierung hinzunehmen. Dadurch wird einer weiteren Erosion der Wahrnehmung legislativer Pflichten – wie sie neben dem Subventionsrecht beispielsweise auch im kollektiven Arbeitsrecht zu beobachten ist 112 – Einhalt geboten. bb) Vergaberecht Wendet sich der Kläger gegen die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an seinen Konkurrenten, so ist die Fallgruppe des Privatverhaltens ohne eigenständigen Schädigungsgehalt ebenfalls einschlägig. Denn der erfolgreiche Konkurrent erbringt aufgrund der Vergabeentscheidung lediglich Bau- oder Dienstleistungen. Eine Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter ist in diesem Verhalten, das im Wirtschaftsleben alltäglich ist, nicht zu erblicken. Einzig der Umstand, dass der Staat als Auftraggeber agiert, könnte hier einen Bezug zu den Grundrechten der Bieter herstellen. Die Frage, ob beziehungsweise inwiefern dem unterlegenen Bieter im Vergaberecht die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte zur Seite stehen, begegnet im Verwaltungsprozess allerdings nur, wenn das Regelungsregime der §§ 97 ff. GWB nicht einschlägig ist und mit Teilen der 109 Vgl. dazu H. Bauer, DÖV 1983, 53 (56 f.), dessen Ausführungen trotz des mittlerweile gesunkenen Subventionsvolumens ihren grundlegenden Aussagegehalt nicht eingebüßt haben. 110 Ebenso W. Kahl / L. Diederichsen, in: R. Schmidt / T. Vollmöller (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2007, § 7 Rn. 56 f. 111 BVerfGE 49, 89 (126 f.); 61, 260 (275); 77, 170 (230 f.); 84, 212 (226); 88, 103 (116). 112 Dort erwartet man im Hinblick auf das Arbeitskampfrecht schon gar kein Tätigwerden des Gesetzgebers mehr; vgl. L. Michalski, Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2005, Rn. 944; A. Söllner, ZG 10 (1995), 1 (5).

150

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

Rechtsprechung und des Schrifttums die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bejaht wird 113. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen dann zumeist die über Art. 3 Abs. 1 GG zu begründende Selbstbindung der Verwaltung und die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Mitunter wird aber auch die Wettbewerbsfreiheit als eigenständiges dogmatisches Schutzgut in Bezug genommen 114. Das BVerfG hat sich jedoch in seiner grundlegenden Entscheidung vom 13. 06. 2006 ausschließlich mit Art. 12 Abs. 1 GG auseinandergesetzt, ohne die Wettbewerbsfreiheit als eigenständiges grundrechtliches Schutzgut zu thematisieren 115. Subjektive öffentliche Abwehrrechte sollen dem unterlegenen Bieter nach Auffassung des Gerichts aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht zustehen, da schon der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht eröffnet sei 116. Dem kann nicht gefolgt werden, da durch die Auftragsvergabe die Wettbewerbsposition des erfolgreichen Bieters gegenüber dem unterlegenen verbessert und dadurch sein künftiges Marktbehauptungsvermögen gestärkt wird 117. Vor dem Hintergrund des hier präferierten weiten Eingriffsbegriffs reicht dies aus, um die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte zu Gunsten des unterlegenen Bieters zu aktivieren. Freilich stellt sich aber auch hier wieder die Frage, ob die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte vom einfachen Recht eingeschränkt oder verdrängt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte infolge der Zweiteilung des Vergaberechts nach dem Hausaltsrecht von Bund, Ländern und Kommunen richten. Dem Haushaltsrecht lassen sich jedoch kaum einfach-gesetzliche Normen entnehmen, die zu einer Einschränkung oder Verdrängung der grundrechtlichen Defensivfunktion führen könnten. Dies soll anhand des Regelungsregimes auf Bundesebene verdeutlicht werden. Dort ist § 55 BHO zu beachten. Dessen erster Absatz verlangt, dass dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorausgeht, während der zweite Absatz fordert, dass beim Abschluss von Verträgen nach einheitlichen Richtlinien verfahren wird. Diese Richtlinien sind vom Bundesministerium der Finanzen in Form von Verwaltungsvorschriften konkretisiert worden (VV-BHO zu § 55 BHO). Da Verwaltungsvorschriften aber keine 113 So OVG Koblenz, DVBl. 2005, 988 (988 f.); OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 223 (223); OVG Bautzen, ZfBR 2006, 511 (511 f.); OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 842 (842 ff.); H. Pünder, VerwA 95 (2004), 38 (57). Dagegen OVG Lüneburg, ZfBR 2006, 701 (702 f.); OVG Berlin-Brandenburg, DVBl. 2006, 1250 (1250 ff.); VGH Mannheim, VBlBW 2007, 147 (147 f.); U. Hösch, BayVBl. 1997, 193 (196); J. Pietzcker, ZfBR 2007, 131 (134 f.). 114 P. M. Huber, JZ 2000, 877 (881); W. Kahl, in: FS für F. von Zezschwitz, 2005, S. 151 (159 f.); T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (481). Vgl. auch VG Berlin, Az: 4 A 495.04 (Quelle: http://www.juris.de). 115 BVerfG, NJW 2006, 3701 (3702 f.). 116 BVerfG, NJW 2006, 3701 (3702). 117 Ebenso W. Kahl, in: FS für F. von Zezschwitz, 2005, S. 151 (159 f.); T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (482).

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

151

unmittelbare Außenwirkung entfalten, sondern nur zu einer Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 GG führen, vermögen sie die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte nicht wirksam einzuschränken oder zu verdrängen. Dementsprechend bleibt als grundrechtsbeschränkende oder -verdrängende Norm nur noch § 55 Abs. 1 BHO zu prüfen. Ob diese Norm Bewerbern um öffentliche Aufträge selbst subjektive öffentliche Rechte verleiht oder individualrechtsschutzverneinend auszulegen ist, richtet sich in erster Linie nach dem Willen des Gesetzgebers. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung zahlreicher EG-Richtlinien über das Öffentliche Auftragswesen, welches 1993 zur sogenannten „haushaltsrechtlichen Lösung“ führte. Der Gesetzgeber versuchte damals, die Vorgaben der EG korrekt umzusetzen, gleichzeitig aber das Vergaberecht nicht aus seiner haushaltsrechtlichen Verankerung zu lösen 118. Wie sich aus dem Regierungsentwurf ergibt, wurde das Ziel verfolgt, „individuelle, einklagbare Rechtsansprüche der Bieter nicht entstehen zu lassen“ 119. Folglich ging der Gesetzgeber davon aus, dass Bewerbern um öffentliche Aufträge keine subjektiven öffentlichen Rechtspositionen (auch nicht aus § 55 Abs. 1 BHO) zustehen. Daran hat sich vor dem Hintergrund der nunmehr geltenden Zweispurigkeit des Vergaberechts im Hinblick auf den unterschwelligen Bereich nichts geändert. § 55 Abs. 1 BHO ist somit nach dem legislativen Willen rein objektiv-rechtlich auszulegen und schränkt infolgedessen die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte ein. Es fragt sich allerdings, ob diese Grundrechtseinschränkung mit den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken in Einklang zu bringen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auch eine derart weitgehende Einschränkung der grundrechtlichen Abwehrfunktion noch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen würde. Das ist zu verneinen, da kein legitimer Zweck ersichtlich ist, der es angemessen erscheinen lassen könnte, den Bewerbern um öffentliche Aufträge ein subjektives öffentliches Recht im Hinblick auf die Vorgabe des § 55 Abs. 1 BHO zu verweigern, nach der in der Regel eine Ausschreibung durchzuführen ist. Denn zum einen vermag eine rein objektiv-rechtliche und damit individualrechtsschutzverneinende Ausgestaltung des § 55 Abs. 1 BHO weder dem Schutz von Grundrechtspositionen Dritter zu dienen, da Grundrechte Dritter nicht in schutzwürdiger Weise tangiert werden, wenn den Bewerbern ein Anspruch auf die Durchführung einer Ausschreibung eingeräumt wird. Zum anderen kann mit Hilfe einer rein objektiv-rechtlichen Ausgestaltung des § 55 Abs. 1 BHO auch nicht der faktischen Popularklage Einhalt geboten werden, da die Vorgabe, eine Ausschreibung durchzuführen, mit der beruflichen Betätigung der Bewerber und damit mit deren Rechtssphäre in Zusammenhang steht. Sofern die Grenzen der 118

N. Crass, Der öffentliche Auftraggeber, 2004, S. 37. BT-Drucks. 12/4636, S. 12; BT-Drucks. 13/9340 S. 12. Darauf verweist auch F. Wollenschläger, DVBl. 2007, 589 (595). 119

152

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

verfassungskonformen Auslegung mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG weit gezogen werden, ist § 55 Abs. 1 BHO daher entweder verfassungskonform im Sinne seiner Subjektivierung auszulegen, oder – nach einer konkreten Normenkontrolle – unmittelbar auf die Grundrechte der Bewerber zurückzugreifen. Auch dies hilft aber nicht über das eigentliche Grundproblem hinweg: Da eine Auftragsvergabe als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist, bedarf es zu ihrer Rechtfertigung eines hinreichend bestimmten Gesetzes 120. Verwaltungsvorschriften wie die VV-BHO zu § 55 BHO reichen für die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aber nicht aus. Und der verbleibende § 55 Abs. 1 BHO genügt mit seiner bloßen Vorgabe, dass im Regelfall eine Ausschreibung durchzuführen ist, nicht den Anforderungen, die an eine hinreichend bestimmte gesetzliche Regelung zu stellen sind. b) Privatverhalten mit eigenständigem Schädigungsgehalt Liegt zwischen der angegriffenen staatlichen Maßnahme und der konkreten Belastung des Klägers die autonome Entscheidung eines privaten Dritten, so weist dessen Privatverhalten dann einen eigenständigen Schädigungsgehalt auf, wenn es die grundrechtlichen Schutzgüter des Klägers bereits für sich genommen – also unabhängig von der staatlichen Maßnahme – beeinträchtigt 121. Exemplarisch wurde bereits auf die emittierende Anlage verwiesen, welche die Gesundheit der Nachbarn und damit das grundrechtliche Schutzgut des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG unabhängig davon schädigt, ob sie genehmigt oder als Schwarzbau errichtet wurde. Da die Schädigung in einem solchen Fall privatverursacht ist, die Grundrechte aber nur gegen den Staat Abwehrrechte begründen und der Private durch die Ausnutzung einer Genehmigung nicht in dessen Lager übertritt, kann die Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzgutes dem Staat nicht als Eingriff zugerechnet werden. Verwaltungsprozessual begegnen die Genehmigungsfälle im Rahmen der Drittanfechtungsklage, als deren wichtigster Unterfall die Nachbarklage zu nennen ist. aa) Nachbarklagen Das BVerwG hat im Hinblick auf die Nachbarklage ausgeführt, Art. 2 Abs. 1 GG schaffe nicht „die für eine gerichtliche Kontrolle unerlässliche rechtliche Beziehung zwischen dem Kläger und der von ihm begehrten Kontrolle“, sondern

120 Vgl. zur Problematik des Gesetzesvorbehalts im Vergaberecht W. Kahl, in: FS für F. von Zezschwitz, 2005, S. 151 (161); T. Puhl, VVDStRL 60 (2001), 456 (482 f.). 121 Siehe C. II. 1. b) bb) (2) (b).

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

153

setze voraus, „dass sich eine solche Beziehung aus der sonstigen Rechtsordnung ergibt“ 122. Erst wenn eine bestimmte gesetzliche Berechtigung bestehe, könne gefragt werden, „ob diese Berechtigung dem Rechtsträger in einer solchen Weise zugeordnet ist, dass sie als Bestandteil seiner ,Persönlichkeit‘ auch dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG untersteht“ 123. Begründet hat das BVerwG seine Ausführungen mit der Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers, dessen Sache es sei, bestimmte Rechtssubjekte mit subjektiven Rechten auszustatten und auf diesem Wege darüber zu entscheiden, „wer berufen sein soll, etwaige Unrechtmäßigkeiten zu einer gerichtlichen Kontrolle zu stellen“ 124. Damit koppelt das BVerwG den Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG an die Existenz einfach-gesetzlich normierter subjektiver öffentlicher Rechte, wodurch das Grundrecht in eine Gesetzesabhängigkeit gerät, die mit Art. 1 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren ist 125. Ferner drängt sich die Frage auf, welchen eigenständigen Schutzbeitrag Art. 2 Abs. 1 GG noch zu leisten vermag, wenn sein Schutz nicht über die im einfachen Recht wurzelnden Rechtspositionen hinausreichen soll 126. Zudem stellt ein Ansatz, der die Gewährung grundrechtlichen Schutzes von der vorherigen Gewährung einfach-gesetzlicher Berechtigungen abhängig macht, die Normenpyramide auf den Kopf. Letztlich ist die Entscheidung des BVerwG zur Nachbarklage auch nicht konsequent, da das Gericht bei staatlichen Eingriffen in den Wettbewerb Art. 2 Abs. 1 GG durchaus normextern wirken lässt 127. Allein aus diesen Gründen kann die Entscheidung schon nicht überzeugen. Wird zudem die hier vertretene Eingriffsdogmatik zugrunde gelegt, scheiden die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte bei Nachbarklagen, die sich in Form der Anfechtungsklage gegen Baugenehmigungen richten, welche Privaten erteilt wurden, von vornherein aus. Denn die Bejahung eines Grundrechtseingriffs setzt neben der objektiven Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter auch voraus, dass diese nicht privatverursacht ist. Zwar kann jeder Hoheitsträger objektiv vorhersehen, dass die Errichtung eines Gebäudes den freien Blick der Nachbarn verstellen wird, wodurch deren allgemeine Handlungsfreiheit tangiert wird. Er kann daher auch vorhersehen, dass die Erteilung einer Baugenehmigung der Beeinträchtigung eines grundrechtlichen Schutzgutes Vorschub leistet. Jedoch ist die Beeinträchtigung als privatverursacht anzusehen, da erst die Realisierung des Vorhabens, welche

122

BVerwGE 54, 211 (221). BVerwGE 54, 211 (221). 124 BVerwGE 54, 211 (221); zustimmend D. Frers, GewArch 1989, 73 (79). 125 Vgl. E. Gassner, DÖV 1981, 615 (619). 126 Vgl. T. Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, S. 409. 127 Vgl. BVerwGE 30, 191 (198 f.); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwGE 65, 167 (174); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153) unter Verweis auf BVerwGE 30, 191 (198 f.); vgl. auch VGH München, BayVBl. 1976, 628 (630). 123

154

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

allein der autonomen Entscheidung des privaten Bauherrn überlassen bleibt, den Nachbarn die freie Aussicht nimmt – unabhängig davon, ob eine Baugenehmigung vorliegt oder ein Schwarzbau errichtet wird. Kommen die Grundrechte somit nicht als Quelle subjektiver öffentlicher Abwehrrechte gegen Baugenehmigungen in Betracht 128, ist der klagende Nachbar bei seiner Suche nach subjektiven Rechten auf das einfache Recht verwiesen 129. Wird er dort nicht fündig, stellt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht nur die Frage, inwiefern sich den Grundrechten Schutzpflichten gegenüber dem Gesetzgeber entnehmen lassen, die diesen verpflichten, dem Nachbarn subjektive öffentliche Abwehrrechte auf einfach-gesetzlicher Ebene einzuräumen. Diese Frage betrifft dann aber ausschließlich die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte und nicht deren subjektiv-rechtliche Abwehrdimension. Wird diesem Ansatz gefolgt, ergeben sich die Probleme, denen das BVerwG mit seiner in sich unschlüssigen Argumentation auszuweichen versucht, erst gar nicht. Die Rechtsprechung ist ersichtlich von der Befürchtung einer kaum mehr zu bändigenden Flut von Klagen Dritter geleitet, die sich ergäbe, wenn diesen in Dreiecksverhältnissen aus dem inhaltlich unbestimmten Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit subjektiv-rechtliche Abwehrpositionen zugestanden würden. Um dies zu verhindern, sieht sich das BVerwG veranlasst, Art. 2 Abs. 1 GG in derartigen Konstellationen als subjektives öffentliches Abwehrrecht auszuschalten – allerdings mit dogmatisch nicht überzeugenden Konstruktionen. Wird hingegen mit dem hier vertretenen Ansatz davon ausgegangen, dass die Grundrechte bei Klagen gegen Baugenehmigungen ohnehin nur in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension relevant werden können, entfällt das Problem einer grundrechtlich begründeten Ausuferung von Klagemöglichkeiten Dritter von vornherein. bb) Ausnahmegenehmigungen In der Rechtsprechung ist Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfreiheit und Konkurrentenklagen nicht nur relevant geworden, wenn es um die Abwehr von Subventionen und kommunaler Wirtschaftstätigkeit ging, sondern auch in Fällen, in denen sich Ladeninhaber gegen die Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 23 Abs. 1 S. 1 LadSchlG an Konkurrenten wandten. Das 128

Anders die Rechtsprechung und Teile der Literatur, welche zumindest Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zugunsten des Nachbarn normextern wirken lassen; vgl. BVerwGE 54, 211 (223); O. Schlichter, ZfBR 1978, 12 (16); dagegen K. Finkelnburg / K.-M. Ortloff , Öffentliches Baurecht, Band II, 5. Aufl. 2005, S. 292 f.; K.-M. Ortloff , NVwZ 1998, 581 (585). 129 Bezogen auf die Fallgruppe der Nachbarklage gelangt die hier vertretene Auffassung zu den gleichen Ergebnissen wie die Auffassung von R. Wahl, DVBl. 1996, 641 (650), nach der ein subjektives öffentliches Recht nur entstehen kann, wenn es in Rechtssätzen des einfachen Rechts zum Ausdruck kommt.

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

155

BVerwG hat ausgeführt, die mit den Ausnahmebewilligungen möglicherweise verbundenen Beeinträchtigungen der Kläger könnten erst dann einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellen, wenn durch die Ausnahmebewilligungen ihre Fähigkeit zur Teilnahme am Wettbewerb derart eingeschränkt wird, dass ihre Möglichkeit, sich als verantwortliche Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen, beeinträchtigt wird 130. Damit kreiert das Gericht wieder andere, nirgends normierte Kriterien für das Eingreifen grundrechtlichen Schutzes, die aber im Gegensatz zu den häufiger gebrauchten Wendungen der Unerträglichkeit und Unzumutbarkeit 131, welche sich lediglich dem Vorwurf geringer Trennschärfe ausgesetzt sehen, geradezu nichtssagend sind 132. Demgegenüber können die Grundrechte nach hier vertretener Auffassung im Verwaltungsprozess nur dann normextern zur Geltung kommen, wenn die angegriffene staatliche Maßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist und das einfache Recht die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Defensivfunktion weder einschränkt noch verdrängt. Ersteres setzt neben der objektiven Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter auch voraus, dass die Beeinträchtigung nicht privatverursacht ist. Zwar kann ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger durchaus vorhersehen, dass die Erteilung einer Ausnahmebewilligung geeignet ist, das Schutzgut der grundrechtlich verbürgten Wettbewerbsfreiheit zu beeinträchtigen, weil der Begünstigte dadurch gegenüber seinen Konkurrenten eine Privilegierung erfährt. Schließlich erhöhen die ihm gewährten längeren Öffnungszeiten seine Chancen, Kunden an sich zu binden, und die Kaufkraft der Kunden, die in seinem Laden ihren Bedarf befriedigen, geht seinen Konkurrenten verloren. Jedoch ist der Beeinträchtigungserfolg als privatverursacht anzusehen. Denn zum einen wird das grundrechtliche Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit nur dann tangiert, wenn der Begünstigte von der erteilten Ausnahmebewilligung auch tatsächlich Gebrauch macht, was allein von seiner privatautonomen Entscheidung abhängt. Zum anderen würde die Wettbewerbsfreiheit in ebensolcher Weise beeinträchtigt, wenn der Begünstigte über keine Ausnahmebewilligung verfügen würde, sondern seinen Laden einfach entgegen der gesetzlichen Vorgaben über die Ladenöffnungszeiten hinaus offen hielte. Die Sachlage stellt sich somit nicht anders dar als bei der emittierenden Anlage, welche die Gesundheit der Nachbarn unabhängig davon schädigt, ob sie genehmigt oder als Schwarzbau errichtet wurde. In der Erteilung der Ausnahmebewilligung kann folglich kein Grundrechtseingriff gesehen werden, was allerdings nicht bedeutet, dass diese staatliche Maßnahme grund130

BVerwGE 65, 167 (174). BVerwGE 30, 191 (198 f.); BVerwG, BayVBl. 1978, 375 (376); BVerwG, DVBl. 1996, 152 (153); VGH Mannheim, NJW 1995, 274 (274); OVG Münster, NVwZ 2003, 1520 (1524). 132 Ebenso M. Wallerath, NJW 2001, 781 (787). 131

156

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

rechtlich ohne Relevanz ist. Das kann sie schon deshalb nicht sein, weil Art. 1 Abs. 3 GG die gesamte Tätigkeit der öffentlichen Hand an die Grundrechte bindet. Als Konsequenz ergibt sich daraus aber lediglich, dass sich die Grundrechte in diesem Kontext im Rahmen der Schutzpflichtdogmatik entfalten und nicht in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte. Noch angemerkt sei, dass die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte selbst dann nicht zum Zuge käme, wenn der Staatsgewalt – entgegen der hier vertretenen Ansicht – der Beeinträchtigungserfolg zugerechnet und ein Grundrechtseingriff bejaht würde, da dann jedenfalls das einfache Recht dem unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte entgegenstünde. Mit § 23 Abs. 1 S. 1 LadSchlG hat der Gesetzgeber nämlich eine Norm geschaffen, welche die Zulässigkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung regelt. Verdrängen würde diese Norm die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte, wenn sie dem nichtbegünstigten Konkurrenten selbst ein subjektives öffentliches Recht auf ihre Einhaltung gewähren würde. Denn dann könnte sich der Konkurrent mit Erfolg vor den Verwaltungsgerichten gegen rechtswidrige Ausnahmebewilligungen wehren, ohne dass es noch eines Rückgriffs auf Grundrechte bedürfte. Nun kommt § 23 Abs. 1 S. 1 LadSchlG nach Ansicht der Rechtsprechung allerdings keine drittschützende Wirkung zugunsten des Konkurrenten zu 133, während in der Literatur häufig auch die Gegenauffassung vertreten wird 134. Hier braucht dieser Streit indes nicht entschieden zu werden, da unabhängig davon, welcher Ansicht gefolgt wird, der unmittelbare Rückgriff auf Grundrechte zu verneinen ist. Wird nämlich den Teilen des Schrifttums gefolgt, die § 23 Abs. 1 S. 1 LadSchlG eine drittschützende Wirkung zugunsten des Konkurrenten zusprechen, so verdrängt die Norm aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts die Grundrechte in ihrer subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion. Wird hingegen der Rechtsprechung gefolgt, so muss gefragt werden, ob die rein objektiv-rechtliche Auslegung der Norm verfassungsgemäß ist. Bejaht man dies, kommt es zu einer Einschränkung der grundrechtlichen Defensivfunktion. Wird die Frage verneint, ist § 23 Abs. 1 S. 1 LadSchlG in verfassungskonformer Weise subjektivrechtlich auszulegen. Da einer solchen Auslegung weder der Wortlaut noch der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegenstünde, wäre dieser Weg auf jeden Fall gangbar. Die Grundrechte kämen in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte dann wiederum nicht zum Zuge, weil sie vom verfassungskonform ausgelegten einfachen Recht verdrängt würden.

133 BVerwGE 65, 167 (171); OVG Bautzen, NJW 1999, 2539 (2540); OVG Greifswald, NVwZ-RR 2000, 549 (550); a. A. VGH Mannheim, GewArch 1979, 391 (391 ff.). 134 Vgl. A. Schunder, in: R. Stober (Hrsg.), Ladenschlussgesetz, 4. Aufl. 2000, § 23 Rn. 39; E. Schwerdtner, GewArch 1982, 313 (314); R. Wahl / P. Schütz, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Band I, Stand: April 1996, § 42 Abs. 2 Rn. 320.

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

157

2. Unechte Multipolarität Die Fälle unechter Multipolarität zeichnen sich dadurch aus, dass der dazwischentretende Dritte ein Hoheitsträger ist und kein Privater, wie bei den soeben dargestellten horizontalen Verwaltungsverhältnissen. Fälle unechter Multipolarität begegnen unter anderem im Fachplanungsrecht. Exemplarisch soll hier auf den bereits angesprochenen Spaziergänger oder Wanderer zurückgegriffen werden, der seinen Weg nicht wie gewohnt fortsetzen kann, weil dieser vom Bau einer Autobahn zerschnitten wird 135. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 1. Hs. FStrG ist der Bund Träger der Straßenbaulast und infolgedessen auch Vorhabenträger im Planfeststellungsverfahren. Zwischen den Planfeststellungsbeschluss, der gemäß § 17 Abs. 5 S. 1 FStrG von der obersten Landesstraßenbaubehörde erlassen wird, und die Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Spaziergängers oder Wanderers schiebt sich folglich noch die Entscheidung des Bundes über die Durchführung des Plans. Denn nicht der Planfeststellungsbeschluss als solcher, sondern erst die tatsächliche Verwirklichung des festgestellten Plans macht es dem Spaziergänger unmöglich, seinen Weg wie gewohnt fortzusetzen. Insofern stellt sich die Sachlage nicht anders dar als im Falle echter Multipolarität, wenn sich ein Bürger gegen die seinem Nachbarn erteilte Baugenehmigung wendet. Im Gegensatz zu den horizontalen Verwaltungsverhältnissen ist hier aber nicht fraglich, ob die Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter als privatverursacht zu qualifizieren und ein Grundrechtseingriff daher zu verneinen ist. Denn die Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Wanderers oder Spaziergängers hängt hier nicht von der autonomen Entscheidung eines privaten Bauherrn ab, sondern von der Entscheidung eines Hoheitsträgers. Zu einer Unterbrechung des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs kommt es daher nicht. Vielmehr ist die Verkürzung der grundrechtlichen Freiheit des Spaziergängers oder Wanderers dem Staat voll zurechenbar und ein Grundrechseingriff zu bejahen 136. Die negatorische Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG ist zugunsten des klagenden Spaziergängers daher zunächst eröffnet. Es stellt sich aber die Frage, inwiefern das einfache Recht die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion des allgemeinen Freiheitsrechts einschränkt oder verdrängt. Dabei ist im Hinblick auf die Möglichkeiten des Wanderers, die materielle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses gerichtlich überprüfen zu lassen, vor allem zu bedenken, dass das Abwägungsgebot, welches in § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG eine gesetzliche Positivierung gefunden hat, dem Kläger ein subjektives öffentliches Recht auf eine gerechte Abwägung seiner Belange mit den für das Vorhaben streitenden Belangen vermittelt 137. Sofern sich der Wanderer also darauf 135 136

Siehe C. II. 2. Anders R. Steinberg / T. Berg / M. Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000, § 6 Rn. 22 ff.

158

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

beruft, die Planfeststellungsbehörde habe bei ihrer Abwägung nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, dass durch den Bau einer Autobahn zahlreiche Wege zerschnitten und das Wandern dadurch erschwert wird, steht der subjektivrechtlich auszulegende § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG einem unmittelbaren Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG entgegen 138. Auch was die übrigen einfach-gesetzlichen Normen anbelangt, die im fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren und bei der Planfeststellung zu beachten sind, gilt, dass für jede Norm gesondert zu bestimmen ist, ob sie in verfassungsrechtlich zulässiger Weise rein objektiv-rechtlich auszulegen ist oder subjektive öffentliche Rechte vermittelt. Denn in beiden Fällen wird der unmittelbare Rückgriff auf die Grundrechte gesperrt. Wurde im Planfeststellungsverfahren beispielsweise § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG verletzt, weil der Plan nicht ausgelegt wurde, so kann sich der klagende Wanderer im Verwaltungsprozess nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen, um diese Rechtsverletzung geltend zu machen, da § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend im Sinne seiner Subjektivierung auszulegen ist und infolgedessen die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte verdrängt. Mit einer rein objektiv-rechtlichen Auslegung dieser Norm würde nämlich eine Einschränkung der negatorischen Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG einhergehen, die mit der verfassungsrechtlichen Schranken-Schranke des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht in Einklang gebracht werden könnte, da kein legitimer Zweck ersichtlich ist, dem die Einschränkung der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG dienlich sein könnte. Denn die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung beziehungsweise Auslegung des § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG wäre weder geeignet, den legitimen Zweck zu fördern, Grundrechtspositionen Dritter zu schützen, noch die faktische Popularklage auszuschließen. Grundrechtspositionen Dritter sind von vornherein nicht ersichtlich, weil kein privater Vorhabenträger involviert ist, sondern der Staat, welcher als Träger von Grundrechten nicht in Betracht kommt. Eine faktische Popularklage wäre nur dann zu befürchten, wenn § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG in keinerlei Beziehung zum Rechtskreis des Wanderers stehen würde und infolgedessen die Gefahr bestünde, 137 Vgl. BVerwGE 48, 56 (66); 67, 74 (75); BVerwG, DÖV 1983, 678 (679); BVerwG, UPR 1998, 149 (149); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2007, 450 (450). 138 Auch wenn das jeweilige Fachplanungsgesetz die Notwendigeit einer Abwägung nicht explizit ausspricht, ist anerkannt, dass das Gebot gerechter Abwägung unabhängig von einer gesetzlichen Positivierung aus dem Wesen rechtsstaatlicher Planung folgt und daher bundesverfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip verankert ist; vgl. BVerwGE 59, 253 (257 f.); 61, 295 (301); 64, 270 (272 f.); R. Steinberg / T. Berg / M. Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000, § 3 Rn. 57; J. Ziekow, in: ders. (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, 2004, Rn. 645. Zu einer Einschränkung oder Verdrängung der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte kann es in diesen Fällen aber nicht kommen, da keine einfachgesetzliche Norm vorhanden ist, die den Rückgriff auf die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte im Hinblick auf eine Verletzung des rechtsstaatlichen Abwägungsgebots sperren könnte.

II. Multipolare Verwaltungsverhältnisse

159

dass dieser sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG lediglich als prozessualen Hebel benutzt, um die Verletzung einer Norm zu rügen, die keine Verbindung zu ihm aufweist. Tatsächlich steht § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG aber gerade in Beziehung zum Wanderer, da mit dieser Norm bezweckt wird, den Bürger von dem geplanten Vorhaben in Kenntnis zu setzen, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Einwendungen, die sich auch auf den Belang des ungestörten Wanderns beziehen können 139, rechtzeitig vorzubringen 140. Die mit einer rein objektiv-rechtlichen Ausgestaltung beziehungsweise Auslegung des § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG einhergehende Einschränkung der negatorischen Defensivfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG wäre folglich nicht geeignet, den legitimen Zweck zu fördern, die faktische Popularklage auszuschließen. Sie müsste daher als verfassungswidrig – weil unverhältnismäßig – verworfen werden. Daraus ergibt sich, dass § 17 Abs. 3b S. 2 FStrG in verfassungskonformer Weise subjektiv-rechtlich auszulegen ist. Dasselbe gilt für § 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG im Hinblick auf die einzuhaltende Monatsfrist. Wurde im Planfeststellungsverfahren hingegen § 17 Abs. 3b S. 1 a. E. FStrG verletzt, weil die Anhörungsbehörde zur Stellungnahme eine längere Frist gesetzt hat, als in dieser Norm vorgesehen, so muss die Klage des Wanderers bereits als unzulässig abgewiesen werden 141. Denn zum einen dient § 17 Abs. 3b S. 1 a. E. FStrG nach der Schutznormtheorie nicht dem Schutz seiner Interessen, sondern allenfalls dem Interesse des Vorhabenträgers an einer zügigen Abwicklung des Planfeststellungsverfahrens. Die Norm ist daher (zumindest im Hinblick auf den Wanderer) rein objektiv-rechtlich auszulegen. Zum anderen schränkt diese Auslegung auch das Grundrecht des Wanderers aus Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Eigenschaft als subjektives öffentliches Abwehrrecht ein, da die rein objektivrechtliche Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Insbesondere ist sie verhältnismäßig. Als legitimer Zweck, dem die rein objektivrechtliche Auslegung dient, lässt sich der Ausschluss der faktischen Popularklage benennen. Da § 17 Abs. 3b S. 1 a. E. FStrG nämlich in keinerlei Beziehung zum Rechtskreis des Wanderers steht, würde sich dieser – bei materieller Betrachtung – als Popularkläger gerieren, wenn er unter formaler Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG eine Verletzung dieser Norm rügen könnte. Das allgemeine Freiheitsrecht würde dann als Vehikel missbraucht, um in der Sache die Verletzung einer Norm geltend zu machen, die keine Verbindung zum Kläger und seiner Sphäre aufweist. Dies

139 Als Gegenstand beziehungsweise Grundlage einer Einwendung genügen auch schutzwürdige Belange, die lediglich ideeller Natur sind; vgl. F. O. Kopp / U. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2005, § 73 Rn. 55; M. Wickel, in: M. Fehling / B. Kastner / V. Wahrendorf (Hrsg.), Verwaltungsrecht VwVfG · VwGO, 2006, § 73 VwVfG Rn. 75. 140 Vgl. zum Sinn und Zweck der Planauslegung BVerwGE 75, 214 (224); H. J. Bonk / W. Neumann, in: P. Stelkens / H. J. Bonk / M. Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 73 Rn. 38. 141 Unbegründet wäre sie wegen § 46 VwVfG ohnehin.

160

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

ist mit einem System, das auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet ist, nicht in Einklang zu bringen.

III. Art. 2 Abs. 1 GG als subjektives öffentliches Abwehrrecht im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO Wendet sich der Kläger im Rahmen einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO gegen eine Rechtsverordnung oder Satzung, so bestimmt sich seine Antragsbefugnis zwar nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO analog, sondern nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO. Entsprechend der Intention des Gesetzgebers 142 gelten seit der Novellierung dieser Norm durch das 6. VwGOÄndG aber hier wie dort im Wesentlichen die gleichen Grundsätze. Der Antragsteller ist folglich auch im Normenkontrollverfahren erst beziehungsweise schon dann antragsbefugt, wenn er geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung möglicherweise in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt zu sein oder – insofern besteht ein Unterschied zu § 42 Abs. 2 VwGO – in absehbarer Zeit verletzt zu werden 143. Obwohl das Normenkontrollverfahren als objektives Beanstandungsverfahren zu qualifizieren ist 144, weil der Erfolg eines Normenkontrollantrags nicht von der Verletzung einer den Kläger schützenden Vorschrift abhängt, sondern bereits dann gegeben ist, wenn die angegriffene Rechtsnorm gegen höherrangiges Recht verstößt, kann der Einzelne das Verfahren somit nur in Gang setzen, wenn ihm ein subjektives öffentliches Recht zur Seite steht. Die Frage, ob Art. 2 Abs. 1 GG ein solches Recht gewährt, stellt sich daher in diesem Kontext ebenso wie bei § 42 Abs. 2 VwGO. Das BVerwG bejaht diese Frage. So hat es beispielsweise in einem Fall, in dem es um das Reiten im Walde ging, festgestellt, dass die Antragsteller ihre Antragbefugnis unmittelbar auf Art. 2 Abs. 1 GG stützen können 145. In dieser Entscheidung finden sich auch Anklänge der im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO

142

BT-Drs. 13/3993, S. 10. Vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 732 (732 f.); BVerwG, DVBl. 1999, 100 (101); BVerwGE 108, 182 (184); BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1296 f.); BVerwGE 119, 312 (313 f.); W. Kahl, JA 2005, 280 (282); W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Rn. 890; M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1999, 103 (103). 144 W. Kahl, JA 2005, 280 (283); M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1999, 103 (103); J. Ziekow, in: H. Sodan / J. Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 47 Rn. 37. 145 BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1296 f.). Auch die Oberverwaltungsgerichte greifen auf Art. 2 Abs. 1 GG zurück, um die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren zu begründen; vgl. OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2001, 742 (743); OVG Schleswig, NuR 2005, 269 (270). Vor der Novellierung des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO wurde ebenfalls auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen; vgl. VGH Kassel, UPR 1992, 360 (360); OVG Schleswig, NuR 1994, 505 (505). 143

III. Art. 2 Abs. 1 GG als Abwehrrecht im Normenkontrollverfahren

161

vertretenen Adressatentheorie wieder. Nach dieser Theorie sollen, wie bereits dargelegt, die Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts stets klagebefugt sein. Ähnliches wird auch im Hinblick auf die Adressaten untergesetzlicher Verbotsnormen behauptet, wenn es heißt, dass diese zu jenem Personenkreis gehören, „für den die Bejahung der Antragsbefugnis nach § 47 II 1 VwGO in aller Regel keine Schwierigkeiten bereitet“ 146. Auch nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis vom Verhältnis des einfachen Rechts zu den Grundrechten in ihrer negatorischen Defensivfunktion ist der normexterne Rückgriff auf Grundrechte und damit auf Art. 2 Abs. 1 GG keineswegs von vornherein ausgeschlossen. Es ist allerdings nach den gleichen Grundsätzen und folglich ebenso differenziert vorzugehen wie bei der Prüfung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog). Das bedeutet insbesondere, dass auch in diesem Kontext der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts und die (verfassungsrechtlich begrenzte) Befugnis des Gesetzgebers zur Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zu beachten sind. Einfach-gesetzliche Normen, welche den unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte sperren können, sind meist schon deshalb vorhanden, weil die Exekutive nur auf der Grundlage eines förmlichen Gesetzes rechtssetzend tätig werden darf, sofern sie nicht ausnahmsweise schon von der Verfassung selbst zur Rechtssetzung ermächtigt wird, wie dies bei der kommunalen Satzungsautonomie nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG der Fall ist 147, welche allerdings nur zum Erlass nichtgrundrechtsbeschränkender Satzungen ermächtigt 148. Die Verwaltungsgerichte haben daher zunächst zu ermitteln, ob die Exekutive beim Erlass der angegriffenen untergesetzlichen Normen möglicherweise gegen eine oder mehrere einfach-gesetzliche Normen verstoßen hat. Dies ist in Anlehnung an die Möglichkeitstheorie bereits dann zu bejahen, wenn der Rechtsverstoß nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden kann 149. Handelt es sich auch nur bei einer der potentiell verletzten Normen um eine individualrechtsschützende Vorschrift, wie dies etwa bei § 1 Abs. 7

146 BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1297); vgl. auch F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 47 Rn. 47; W.-R. Schenke, VerwA 90 (1999), 301 (307); V. Schlette, Jura 2004, 90 (96). 147 H. P. Bull / V. Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 7. Auflage 2005, Rn. 218, 220; H.-J. Koch / R. Rubel / F. S. M. Heselhaus, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2003, § 3 Rn. 109 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 4 Rn. 17. 148 A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 251; K. Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 471. 149 Direkt anwendbar ist die Möglichkeitstheorie nicht, da sie ausschließlich auf die mögliche Verletzung des Klägers in subjektiven öffentlichen Rechten und nicht auf den objektiven Rechtsverstoß als solchen gerichtet ist; siehe zur Möglichkeitstheorie die Nachweise in B. Fn. 88.

162

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

BauGB der Fall ist 150, muss die Antragsbefugnis bejaht werden, ohne dass noch die mögliche Verletzung von Grundrechten geprüft werden müsste. Denn das Normenkontrollverfahren stellt ein objektives Beanstandungsverfahren dar, für dessen Erfolg es völlig ausreichend ist, dass die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts in Betracht kommt 151. Die Grundrechte können in dieser Konstellation ihre normexterne Wirkung folglich nicht entfalten. Ein anderes Bild ergibt sich indes, wenn ausschließlich die Verletzung solcher einfach-gesetzlichen Vorschriften möglich erscheint, die rein objektiv-rechtlich auszulegen sind. Dann stellt sich durchaus die Frage, ob die Grundrechte dem Antragsteller in ihrer Funktion als subjektive öffentliche Abwehrrechte beispringen und das Tor zur Normenkontrolle aufstoßen können. Diese Frage ist positiv zu beantworten, wenn die angegriffene untergesetzliche Norm möglicherweise einen Grundrechtseingriff darstellt und die rein objektiv-rechtlich auszulegenden Rechtssätze die grundrechtliche Defensivfunktion möglicherweise nicht wirksam einzuschränken vermögen. Die Bejahung eines Grundrechtseingriffs setzt voraus, dass für einen pflichtgemäß handelnden Hoheitsträger bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist, dass der Erlass der konkreten Rechtsverordnung oder Satzung den grundrechtlichen Freiheitsraum verkürzen beziehungsweise ein grundrechtliches Schutzgut tangieren wird. Einschränken kann das einfache Recht die grundrechtliche Defensivfunktion nur, wenn seine rein objektiv-rechtliche Auslegung mit den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken nicht in Widerspruch gerät und dementsprechend nicht als verfassungswidrig zu beurteilen ist. Erscheint also lediglich ein Verstoß gegen rein objektiv-rechtlich auszulegende Rechtssätze möglich, haben die Verwaltungsgerichte zunächst zu prüfen, ob die angegriffene untergesetzliche Norm möglicherweise als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Kann dies von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen werden, so ist die Antragsbefugnis des Antragstellers zu verneinen. Andernfalls haben sich die Verwaltungsgerichte mit der Verfassungsmäßigkeit der rein objektiv-rechtlichen Auslegung der potentiell verletzten einfach-gesetzlichen Normen auseinanderzusetzen. Da allerdings lediglich die Antragsbefugnis zu untersuchen ist und auch im Rahmen von § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO die Möglichkeitstheorie gilt 152, müssen die Antragsteller bereits dann als antragsbefugt angesehen werden, wenn das Verwaltungsgericht an der Verfassungsmäßigkeit 150 BVerwGE 107, 215 (220 ff.); BVerwG, NVwZ 1999, 987 (988); BVerwG, UPR 2001, 152 (152); BVerwG, UPR 2005, 31 (31); VGH Mannheim, DVBl. 1998, 236 (237); D. Ehlers, in: FS für W. Hoppe, 2000, S. 1041 (1049); W. Krebs, in: FS für W. Hoppe, 2000, S. 1055 (1069); W.-R. Schenke, DVBl. 1997, 853 (854); M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1999, 103 (104 f.). 151 Demgegenüber ist die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nur begründet, wenn auch tatsächlich eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des Klägers konstatiert werden kann. Deshalb sind im Rahmen dieser Klage auch alle potentiell verletzten Rechtspositionen des Klägers aufzuspüren.

III. Art. 2 Abs. 1 GG als Abwehrrecht im Normenkontrollverfahren

163

zweifelt. Denn dann kann gerade nicht ausgeschlossen werden, dass die betreffenden Normen verfassungskonform im Sinne ihrer Subjektivierung auszulegen sind oder die Grundrechte – falls eine verfassungskonforme Auslegung scheitert – normextern zur Geltung kommen. Ist die Verfassungsmäßigkeit der rein objektivrechtlichen Auslegung der einfach-gesetzlichen Normen hingegen offensichtlich und eindeutig zu bejahen, so ergibt sich daraus zum einen, dass der Antragsteller seine Antragsbefugnis nicht auf eine Verletzung dieser Normen stützen kann, weil diese ihm gerade keine subjektiven öffentlichen Rechte vermitteln, in denen er verletzt sein könnte. Zum anderen ergibt sich daraus aber auch, dass er seine Antragsbefugnis zumindest insoweit nicht auf seine Grundrechte stützen kann, als er rügt, diese würden durch eine Verletzung der rein objektiv-rechtlich auszulegenden Normen verletzt. Schließlich schränken einfach-gesetzliche Normen, die im Einklang mit der Verfassung rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind, die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte ein. Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis in einem solchen Fall daher nur noch insoweit auf seine Grundrechte stützen, als er rügt, das einfach-gesetzliche Normprogramm sei lückenhaft. Denn im Hinblick auf die Lücken existieren gerade keine einfach-gesetzlichen Normen, die den unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte durch ihre subjektivrechtliche oder rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung sperren könnten. Exemplarisch kann insofern auf Fallkonstellationen verwiesen werden, in denen eine Gemeinde unter Beachtung aller kommunalrechtlichen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften eine Satzung erlässt, um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln, damit jedoch in Grundrechte ihrer Einwohner eingreift, ohne zu diesem Eingriff durch ein besonderes formelles Gesetz ermächtigt zu sein. Denn dann kann zwar keine Verletzung einfach-gesetzlicher Normen konstatiert werden, da die vorhandenen Bestimmungen der Gemeindeordnung eingehalten wurden. Gleichwohl liegt aber eine Grundrechtsverletzung vor, weil Gemeindesatzungen, die mit Eingriffen in die grundrechtlich geschützte Individualsphäre verbunden sind, einer besonderen formell-gesetzlichen Ermächtigung bedürfen und weder die allgemeinen bundes- beziehungsweise landesverfassungsrechtlich verankerten Selbstverwaltungsgarantien noch die Generalermächtigungen der Gemeindeordnungen 153 dafür ausreichen 154. Im Rahmen von § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO kann der Antragsteller dann unmittelbar auf seine Grundrechte zu152 BVerwG, NVwZ 1998, 732 (732 f.); BVerwG, DVBl. 1999, 100 (101); BVerwGE 108, 182 (184); BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1296 f.); BVerwGE 119, 312 (313 f.); VGH München, NVwZ-RR 1999, 265 (265); W. Kahl, JA 2005, 280 (282); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, § 47 Rn. 46; W.-R. Schenke, VerwA 90 (1999), 301 (306 f.). 153 Art. 23 S. 1 BayGO, § 5 Abs. 1 S. 1 HGO, § 4 Abs. 1 S. 1 GO BW, § 4 Abs. 1 S. 1 SächsGO, § 7 Abs. 1 S. 1 GO NW, § 6 Abs. 1 S. 1 NGO. 154 Vgl. BVerwGE 6, 247 (250 f.); BVerwG, BayVBl. 1993, 313 (314); VGH München, DÖV 1992, 585 (585); VGH München, NVwZ 1998, 540 (540); A. Gern, Deutsches

164

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

rückgreifen, da deren subjektiv-rechtliche Defensivfunktion im Hinblick auf die fehlende Ermächtigungsgrundlage zum Satzungserlass durch das einfach-gesetzliche Normprogramm weder eingeschränkt noch verdrängt wird. 1. Analoge Anwendung der Adressatentheorie Wird das eben Gesagte auf die Entscheidung des BVerwG zum Reiten im Walde übertragen, so hätte zwar nicht direkt auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden dürfen, um die Antragsbefugnis der Antragsteller zu begründen. Gleichwohl ist der Entscheidung aber im Ergebnis zu folgen, da der Adressat einer belastenden Rechtsverordnung oder Satzung in der Tat zu jenem Personenkreis gehört, „für den die Bejahung der Antragsbefugnis nach § 47 II 1 VwGO in aller Regel keine Schwierigkeiten bereitet“ 155. Begründen lässt sich diese Aussage mit der Adressatentheorie, welche auf die Adressaten belastender Rechtsverordnungen und Satzungen entsprechend anzuwenden ist. Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Adressatentheorie allerdings entgegen der vorherrschenden Meinung, welche primär auf Art. 2 Abs. 1 GG und die anderen Freiheitsrechte rekurriert, in erster Linie auf das einfache Recht zu stützen 156. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass einfach-gesetzliche Vorschriften, welche beim Erlass untergesetzlicher Normen zu beachten sind, in der Regel subjektiv-rechtlich ausgelegt werden müssen, da ihre rein objektiv-rechtliche Auslegung verfassungswidrig wäre. Denn jede objektivrechtliche Auslegung einer Norm schränkt die grundrechtliche Defensivfunktion ein und muss sich dementsprechend an den verfassungsrechtlichen SchrankenSchranken messen lassen, insbesondere also auch verhältnismäßig sein. Ein legitimer Zweck, der es rechtfertigen könnte, dem Adressaten die Möglichkeit der subjektiv-rechtlichen Durchsetzbarkeit von Normen zu nehmen, die beim Erlass der an ihn adressierten und ihn somit final belastenden Rechtsverordnungen und Satzungen zu beachten sind, dürfte aber nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben sein. Es ist grundsätzlich nicht ersichtlich, warum der Bürger Maßnahmen des Staates, die ihn in finaler – also bewusster und gewollter – Weise in seiner grundrechtlichen Freiheit einschränken, auch dann soll hinnehmen müssen, wenn sie rechtswidrig sind. Die beim Erlass untergesetzlicher Normen zu beachtenden höherrangigen Vorschriften des einfachen Rechts sind daher zugunsten des Adressaten grundsätzlich verfassungskonform im Sinne ihrer Subjektivierung auszulegen. Nur wenn eine solche verfassungskonforme Auslegung scheitern oder es von vornherein an einer normativen Grundlage fehlen sollte, treten die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte in Aktion.

Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 251; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 10. Aufl. 2000, Rn. 93. 155 So das BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1297). 156 Siehe D. I. 1. a).

III. Art. 2 Abs. 1 GG als Abwehrrecht im Normenkontrollverfahren

165

Dies wird indes nur selten der Fall sein, da sich eine normative Grundlage angesichts der hohen Normierungsdichte der Rechtsordnung in der Regel finden lassen wird und der Wortlaut sowie der eindeutige Wille des Gesetzgebers einer verfassungskonformen Auslegung nur selten im Wege stehen werden. Antragsbefugt ist der Adressat einer untergesetzlichen Norm somit in jedem Fall. Dogmatisch lässt sich seine Antragsbefugnis in der Regel auf individualrechtsschützende Normen des einfachen Rechts stützen, sonst auf Grundrechte. 2. Normenkontrollanträge mittelbar Betroffener Komplizierter gestaltet sich die Prüfung der Antragsbefugnis, wenn nicht derjenige, der vom Normbefehl einer Rechtsverordnung oder Satzung direkt angesprochen wird, gegen diese prinzipalen Rechtsschutz nach § 47 VwGO begehrt, sondern jemand, der vom Normbefehl nur mittelbar tangiert wird. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Besucher bayerischer Biergärten die von der Bayerischen Biergartenverordnung in § 2 getroffenen Beschränkungen als zu belastend empfindet. Zwar werden von der Verordnung nur die Betreiber der Biergärten unmittelbar in die Pflicht genommen. Mittelbar sind aber auch deren Gäste in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit – ähnlich wie beim LadSchlG 157 – betroffen, da sie gemäß § 2 Abs. 2 der Bayerischen Biergartenverordnung ab 22.30 Uhr keine Speisen und Getränke mehr bestellen können und die Betriebszeit spätestens um 23.00 Uhr endet. Will nun der Biergartenbesucher gegen die Verordnung vorgehen, ist aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts zunächst zu fragen, ob die Verordnung möglicherweise gegen einfach-gesetzliche Normen verstößt und ob diese Normen ihm ein subjektives öffentliches Recht auf ihre Einhaltung gewähren oder rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind. Sofern auch nur eine der potentiell verletzten Normen zu seinen Gunsten subjektiv-rechtlich aufgeladen wäre, bräuchte die normexterne Wirkung der Grundrechte nicht mehr beleuchtet zu werden, da sich die Antragsbefugnis dann bereits aus dem einfachen Recht ergeben würde. Andernfalls bliebe zu untersuchen, ob die rein objektiv-rechtliche Auslegung der potentiell verletzten Rechtssätze möglicherweise verfassungswidrig ist, was zu einer verfassungskonformen Auslegung im Sinne ihrer Subjektivierung führen oder die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte auf den Plan rufen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Bayerische Biergartenverordnung möglicherweise § 23 BImSchG, welcher die formell-gesetzliche Grundlage für ihren Erlass darstellt, oder eine andere höherrangige Norm des einfachen Rechts verletzt, sind jedoch nicht ersichtlich 158.

157

Vgl. BVerfGE 13, 230 (232 f.).

166

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

Folglich könnte die Antragsbefugnis des Biergartenbesuchers nur noch dann bejaht werden, wenn die Bayerische Biergartenverordnung in seine Grundrechte eingreifen würde und das einfach-gesetzliche Normprogramm lückenhaft wäre. Schließlich existieren im Hinblick auf die Lücken einer Normierung gerade keine einfach-gesetzlichen Normen, die den unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte durch ihre subjektiv-rechtliche oder rein objektiv-rechtliche Auslegung sperren könnten. Da für einen pflichtgemäß handelnden Hoheitsträger bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist, dass der Erlass einer die Betriebszeiten regulierenden Biergartenverordnung zwangsläufig die allgemeine Handlungsfreiheit der Biergartenbesucher beeinträchtigen wird, greift die Bayerische Biergartenverordnung in Art. 2 Abs. 1 GG ein. Lückenhaft wäre das einfach-gesetzliche Normprogramm allerdings nur dann, wenn die bestehenden Normen den Eingriff auch bei ihrer vollumfänglichen Beachtung durch die Exekutive verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen könnten. Dies ist hier nicht der Fall, da mit § 23 BImSchG eine ausreichende formell-gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe geschaffen wurde, wie sie von der Bayerischen Biergartenverordnung ausgehen. Folglich wäre dem Normenkontrollantrag eines Biergartenbesuchers kein Erfolg beschieden, da er mangels Antragsbefugnis schon als unzulässig zurückgewiesen werden müsste.

IV. Prozessökonomische Folgenbetrachtung Auf den ersten Blick scheint mit der hier vertretenen Ansicht eine spürbare Erhöhung des verwaltungs- beziehungsweise verfassungsgerichtlichen Arbeitsaufwandes einherzugehen, da die differenzierte Prüfung der Klage- und Antragsbefugnis mitunter recht umständlich anmutet und im Rahmen der Begründetheitsprüfung gegebenenfalls sogar das BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle anzurufen ist. Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass die Befürchtung einer signifikanten Mehrbelastung der Gerichte als Folge des hier vertretenen Lösungsansatzes in den meisten Fällen unbegründet ist. 1. Adressatenklagen Was die Klage des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts anbelangt, ändert sich in Relation zur bisherigen Rechtsprechungspraxis der Verwaltungsgerichte im Hinblick auf die Klagebefugnis wenig, da zwar die dogmatische 158 Vgl. zu den rechtlichen Auseinandersetzungen um die für nichtig erklärte Bayerische Biergärten-Nutzungszeiten-Verordnung vom 27. 6. 1995 VG Augsburg, NVwZ 1995, 1032 (1032 f.); VG Würzburg, NVwZ 1996, 725 (726); VGH München, NVwZ 1996, 483 (484 ff.); BVerwG, DVBl. 1996, 1201 (1201 f.); BVerwG, JZ 1999, 787 (788 f.); A. Röthel, JZ 1999, 789 (789 ff.).

IV. Prozessökonomische Folgenbetrachtung

167

Begründung der Adressatentheorie, nicht aber ihr Ergebnis zu verwerfen ist 159. Ebenso wenig dürfte sich im Hinblick auf die Antragsbefugnis des Adressaten einer belastenden Rechtsverordnung oder Satzung ändern, da dieser auch nach der hier vertretenen Auffassung im Einklang mit der Judikatur zu jenem Personenkreis zählt, „für den die Bejahung der Antragsbefugnis nach § 47 II 1 VwGO in aller Regel keine Schwierigkeiten bereitet“ 160. Zu wesentlichen Differenzen kommt es allerdings bei den Adressatenklagen gegen Verwaltungsakte im Rahmen der Begründetheit. Hat die Verwaltung bei Erlass des angegriffenen Verwaltungsakts eine Vorschrift des einfachen Rechts missachtet, die sie eigentlich hätte beachten müssen, und ist diese Vorschrift rein objektiv-rechtlich auszulegen, so muss nach dem hier vertretenen Ansatz gefragt werden, ob diese Auslegung verfassungsgemäß ist. Dies wird nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, da nur selten ein legitimer Zweck gegeben sein wird, der es rechtfertigen kann, dem Bürger die Hinnahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes auch dann noch zuzumuten, wenn dieser an ihn adressiert ist und er folglich von der Staatsgewalt bewusst und gewollt belastet wird. Liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor, ist die objektivrechtliche Auslegung als verfassungswidrig zu qualifizieren. Lässt sich die betreffende Norm sodann nicht verfassungskonform im Sinne ihrer Subjektivierung auslegen, weil die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung erreicht sind, bleibt den Verwaltungsgerichten nichts anderes übrig, als das BVerfG im Wege einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG anzurufen. Denn erst wenn das BVerfG die Nichtigkeit der rein objektiv-rechtlichen Ausgestaltung der betreffenden Norm festgestellt hat, ist der unmittelbare Rückgriff auf die Grundrechte für die Verwaltungsgerichte frei, weil diese gegenüber formellen Gesetzen keine Verwerfungskompetenz haben. Dieses Prozedere ist zwar aufwendig. Jedoch wird dies dadurch relativiert, dass in den weitaus meisten Fällen weder der Wortlaut einer Norm noch der eindeutige Wille des Gesetzgebers einer verfassungskonformen Auslegung im Wege stehen wird und dementsprechend auch kaum jemals eine konkrete Normenkontrolle nötig sein wird. 2. Klagen Drittbetroffener Was die Drittbetroffenenkonstellationen anbelangt, ergibt sich für die Verwaltungsgerichte mitunter sogar eine erhebliche Arbeitsentlastung. Besonders deutlich wird dies im Subventionsrecht. Dort fehlt es häufig an gesetzlichen Regelungen zur Vergabe von Subventionen, obwohl die Belastungen und Nachteile, die dem nichtbegünstigten Konkurrenten erwachsen, objektiv vorhersehbar sind und die Subventionsgewährung daher als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Da die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs nur gelingen 159 160

Siehe D. I. 1. a). BVerwG, NVwZ 2000, 1296 (1297).

168

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

kann, wenn eine hinreichend bestimmte einfach-gesetzliche Grundlage vorhanden ist und es an einer solchen im Subventionsrecht zumeist gerade fehlt, sind die Verwaltungsgerichte von Verfassungs wegen dazu verpflichtet, bewilligende Subventionsbescheide, die im Rahmen von negativen Konkurrentenklagen angegriffen werden, aufzuheben, ohne dass es noch weiterer Überlegungen bedarf. Damit erübrigen sich insbesondere auch die bislang angestellten Überlegungen, ob die richterrechtlichen Prämissen erfüllt sind, unter denen die Grundrechte den Konkurrenten als subjektive öffentliche Abwehrrechte zur Seite stehen sollen, ob also die Wettbewerbsfreiheit durch die staatliche Förderung in einem für den Kläger unerträglichen Maße eingeschränkt und der Kläger unzumutbar geschädigt wird. Und auch im Hinblick auf das Vergaberecht bleibt aufgrund der unzureichenden Normierung nur das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs zu prüfen. Freilich ist nun aber einzuräumen, dass die leicht handhabbaren Fälle fehlender oder komplett nichtiger Normierung, in denen lediglich der Eingriffscharakter des angegriffenen Hoheitsakts zu prüfen ist, angesichts der hohen Normierungsdichte die Ausnahme sein werden und sich die Judikative im Regelfall einem Sachverhalt gegenüber sieht, für dessen Würdigung und Behandlung der Gesetzgeber ein Normprogramm bereitgestellt hat. In diesen Fällen mutet der hier vorgeschlagene Ansatz komplizierter und arbeitsaufwendiger an. So soll das Verwaltungsgericht verpflichtet sein, im Rahmen der Klagebefugnis zu prüfen, gegen welche einfachgesetzlichen Vorschriften der angegriffene Hoheitsakt möglicherweise verstoßen hat, ohne sich bei dieser Prüfung auf die potentiellen Verstöße gegen individualrechtsschützende Vorschriften beschränken zu dürfen. Denn schließlich könnten die rein objektiv-rechtlich auszulegenden Vorschriften die Grundrechte in ihrer negatorischen Defensivfunktion in verfassungswidriger Weise einschränken, was zu einer verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschriften im Sinne ihrer Subjektivierung oder zu einem unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte führen könnte. Nach der hier vertretenen Sichtweise haben die Verwaltungsgerichte folglich alle potentiellen Verstöße gegen das einfache Recht unabhängig davon in den Blick zu nehmen, ob es sich bei den möglicherweise verletzten Normen um individualrechtsschützende handelt oder nicht. Darin scheint zunächst eine Erhöhung des Arbeitsaufwandes zu liegen, ist doch beispielsweise aus dem öffentlichen Baunachbarrecht bekannt, dass der Klage des Nachbarn ausschließlich die Verletzung einiger weniger Normen zum Erfolg verhelfen kann und die Baugenehmigung daher nicht vollständig auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist. Bei genauer Betrachtung zeigt sich indes, dass sich die Verwaltungsgerichte auch nach der bisherigen Praxis mit jedem von der angegriffenen staatlichen Maßnahme möglicherweise ausgehenden Rechtsverstoß auseinanderzusetzen haben, da sie ansonsten kaum ermitteln könnten, ob einer potentiell verletzten Norm ein subjektivrechtlicher Gehalt immanent ist oder nicht. Das ergibt sich bei neu geschaffenen Gesetzen (beispielsweise im Umweltrecht) schon aus dem Umstand, dass anfangs noch gar keine Klarheit darüber bestehen kann, welche Normen ein subjektives

IV. Prozessökonomische Folgenbetrachtung

169

öffentliches Recht beinhalten. Die Gerichte müssen dies im Laufe ihrer Judikatur erst tastend und forschend klären. Dies setzt aber voraus, dass sie erst einmal jeden möglichen Verstoß gegen eine Norm des einfachen Rechts in den Blick nehmen. Dies gilt auch bei Gesetzen, die schon längere Zeit in Kraft sind. Würde bei ihnen das Augenmerk nämlich ausschließlich auf die mögliche Verletzung der bereits als individualrechtsschützend erkannten Vorschriften gelegt werden, so wäre es unmöglich, neben diesen Vorschriften bislang noch unerkannte subjektiv-rechtliche Gehalte anderer Normen zu erschließen. Die Fixierung auf die in der Rechtspraxis „eingeschliffenen“ subjektiv-rechtlichen Normen ist folglich nicht das Resultat präformierter Betrachtung, sondern vielmehr das Destillat eines langjährigen Rechtsfindungsprozesses, in dessen Verlauf zahlreiche Normen als nicht individualrechtsschützend erkannt wurden und deshalb bei nachfolgenden Klagen von vornherein außer Betracht bleiben können. Nichts anderes zieht das hier vertretene Konzept nach sich. Denn selbstverständlich muss nicht in jedem Fall aufs Neue geprüft werden, ob eine Norm subjektive öffentliche Rechte gewährt oder in verfassungsgemäßer Weise rein objektiv-rechtlich auszulegen ist. Ist die Verfassungsmäßigkeit einer rein objektiv-rechtlichen Auslegung erst einmal festgestellt, brauchen Verstöße gegen diese Norm in nachfolgenden Verfahren von vornherein nicht mehr beachtet zu werden. 3. Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte oder gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln Zu einer Mehrbelastung der Verwaltungsgerichte kann es allerdings kommen, wenn der Bürger einen adressatenlosen Verwaltungsakt angreift. So kann etwa die Anfechtungsklage des Teilnehmers am schlichten Gemeingebrauch, mit der die Einziehung einer Straße abgewehrt werden soll, nach hier vertretener Auffassung nicht mehr kategorisch mit dem bloßen Hinweis abgewiesen werden, der Bürger habe sich mit dem abzufinden, „was – und wie lange es – geboten wird“ 161. Vielmehr sind die Normen der landesrechtlichen Straßen- und Wegegesetze in den Blick zu nehmen und daraufhin zu untersuchen, ob sie subjektiv-rechtlich aufgeladen oder rein objektiv-rechtlich zu interpretieren sind. Im Falle ihrer rein objektiv-rechtlichen Auslegung schließt sich zudem noch die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Auslegung an 162. Eine Mehrbelastung der Verwaltungsgerichte kann auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn sich der Bürger gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln wendet. Dies wird bei Klagen privater Konkurrenten gegen die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand deutlich. So ist für den Erfolg dieser Klagen 161 So BVerwGE 32, 222 (225); darauf bezugnehmend VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, 282 (282). 162 Siehe D. I. 2.

170

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

nach hier vertretener Auffassung nicht mehr von Bedeutung, ob die Wettbewerbsfreiheit durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden oder des Staates in unerträglichem Maße eingeschränkt und der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt wird oder eine Auszehrung der Konkurrenz beziehungsweise ein Verdrängungswettbewerb stattfindet. Vielmehr ist auch bei diesen Klagen wieder das einfache Recht auf seine subjektiv-rechtlichen Gehalte hin zu untersuchen und im Falle der rein objektiv-rechtlichen Auslegung einer Norm zu überprüfen, ob die damit einhergehende Einschränkung der grundrechtlichen Defensivfunktion mit den verfassungsrechtlichen SchrankenSchranken in Einklang zu bringen ist. Zwar prüft die bisherige Rechtsprechung durchaus, ob die kommunalrechtlichen Normen zur wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden subjektiv-rechtlich aufgeladen sind und verneint dies zumeist. Jedoch fehlt die daran anzuschließende Auseinandersetzung mit der Frage, ob die rein objektiv-rechtliche Auslegung der kommunalrechtlichen Vorschriften auch verfassungsgemäß ist und infolgedessen der Rückgriff auf die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte vom einfachen Recht gesperrt wird. Stattdessen fragt die Rechtsprechung lediglich danach, ob die von ihr kreierten Kriterien für einen unmittelbaren Rückgriff erfüllt sind, ob also die Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße eingeschränkt und der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar geschädigt wird oder eine Auszehrung der Konkurrenz stattfindet. Dieses Vorgehen belastet die Verwaltungsgerichte weniger stark als der hier vertretene Ansatz, nach dem die rein objektiv-rechtliche Auslegung der gemeinderechtlichen Vorschriften einer genauen Prüfung am Maßstab der verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken zu unterziehen ist. Allerdings hält sich die Mehrbelastung der Verwaltungsgerichte, die mit dem hier vertretenen Ansatz einhergeht, in überschaubaren Grenzen und ist überdies unvermeidlich, da ansonsten der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der ihm bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zusteht, negiert würde. Hat der Gesetzgeber die Normen des einfachen Rechts nämlich rein objektiv-rechtlich ausgestaltet und bestehen gegen die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken, so ist der Judikative der unmittelbare Rückgriff auf die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte verwehrt. Dies wird von Seiten der Rechtsprechung übersehen, wenn sie den unmittelbaren Rückgriff auf die Grundrechte bei der Konkurrentenklage allein davon abhängig macht, ob bestimmte, richterrechtlich geschaffene Kriterien erfüllt sind.

V. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich der hier vertretene Ansatz nicht nur im Hinblick auf seine dogmatische Ausgangsbasis von der Verwaltungsrechtsprechung unterscheidet, sondern auch im Ergebnis häufig zu unterschiedlichen Resultaten führt. So kann der klagende Konkurrent im Subventionsrecht nach dem hier vertretenen Ansatz im Gegensatz zur höchstrichterlichen

V. Ergebnis

171

Judikatur schon dann mit Erfolg gegen die Subventionierung eines Mitbewerbers klagen, wenn sich die staatliche Begünstigung nicht auf eine hinreichend bestimmte formell-gesetzliche Grundlage zurückführen lässt 163. Ähnlich sieht es im Vergaberecht aus 164. Entgegen der Rechtsprechung muss sich der Teilnehmer am schlichten Gemeingebrauch auch keineswegs immer mit dem abfinden, „was – und wie lange es – geboten wird“ 165. Vielmehr kann er sich mitunter auch gegen die rechtswidrige Einziehung einer Straße zur Wehr setzen 166. Ist der Kläger hingegen Adressat eines belastenden Verwaltungsakts, so sind die Konsequenzen unabhängig davon, ob der Auffassung der Rechtsprechung oder dem hier vertretenen Ansatz gefolgt wird, die gleichen. Der Kläger ist dann stets klagebefugt. Allerdings bestehen im Hinblick auf die dogmatische Begründung der Adressatentheorie erhebliche Differenzen. Während die Judikatur und das Schrifttum auf Art. 2 Abs. 1 GG und die anderen Freiheitsrechte rekurrieren, stellt nach der hier vertretenen Auffassung das einfache Recht in der Regel die Basis der Adressatentheorie dar 167. Anzuwenden ist diese im Einklang mit dem weit überwiegenden Schrifttum und der Rechtsprechung aber nur bei Anfechtungsklagen, nicht jedoch bei Versagungsgegenklagen oder positiven Leistungsklagen 168. Besonders deutlich hat die Auseinandersetzung mit der Verwaltungsrechtsprechung hervortreten lassen, wie stark der hier präferierte Ansatz das einfache Recht zur Lösung des konkreten Einzelfalles in die Pflicht nimmt. Hier liegt der eigentliche und fundamentale Unterschied zur Verwaltungsrechtsprechung, welche das Leistungspotential des einfachen Rechts oftmals unterschätzt, womit zugleich eine Überschätzung der grundrechtlichen Leistungsfähigkeit einhergeht. Während die Judikatur im Wege des Richterrechts wenig trennscharfe Kriterien kreiert, anhand derer über die Aktivierung des grundrechtlichen Schutzes entschieden werden soll, ist nach dem hier vertretenen Ansatz auf das einfache Recht und damit auf die Rechtsquelle zurückzugreifen, die aufgrund ihrer rechtsgebietsspezifischen Ausgestaltung weit präzisere Vorgaben für die Lösung konkreter Fälle bereit hält als das Verfassungsrecht. Dadurch wird nicht nur der Grundkonzeption der Verfassung als Rahmenordnung, die auf einfach-gesetzliche Konkretisierung und Ausgestaltung hinzielt, besser Rechnung getragen und die Rechtssicherheit erhöht, sondern vor allem auch der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anerkannt. Dessen Befugnis, innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen frei über die Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zu disponieren, liefe ins Leere, wenn ohne eine genaue Untersuchung des einfachen Rechts auf seine 163 164 165 166 167 168

Siehe D. II. 1. a) aa). Siehe D. II. 1. a) bb). So BVerwGE 32, 222 (225). Siehe D. I. 2. Siehe D. I. 1. a). Siehe D. I. 1. b).

172

D. Abgleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG

individualrechtsschutzverneinenden Aussagegehalte unmittelbar auf die subjektivrechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte zurückgegriffen werden könnte, sofern nur bestimmte richterrechtliche Kriterien für einen solchen Rückgriff erfüllt sind. Obwohl im Rahmen dieser Arbeit von einem weiten Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG und von einem gleichfalls weiten Eingriffsbegriffs ausgegangen wird, haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass sich der Bürger im Verwaltungsprozess nur selten auf seine allgemeine Handlungsfreiheit berufen kann, um seine Klagebefugnis und seine Rechtsverletzung zu begründen. Das liegt weniger an der Subsidiarität des allgemeinen Freiheitsrechts gegenüber den speziellen Freiheitsrechten als an der hohen Normierungsdichte der Rechtsordnung. Da sich kaum Lebensbereiche finden lassen, die noch keiner Normierung zugeführt worden sind und einfach-gesetzliche Normen den Rückgriff auf Grundrechte in der Regel sperren, weil sie entweder rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind und daher die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte einschränken oder subjektiv-rechtlich aufgeladen sind und daher die Grundrechte aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts verdrängen, bleibt für die Grundrechte in ihrer Eigenschaft als subjektive öffentliche Abwehrrechte nur wenig Raum 169. Allein in den seltenen Fällen, in denen der Rechtsanwender kein einfach-gesetzliches Normprogramm vorfindet, dieses lückenhaft ist oder die rein objektiv-rechtliche Auslegung einer Vorschrift auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt, die sich nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung beseitigen lassen, kommt ein unmittelbarer Rückgriff auf Grundrechte noch in Betracht. In prozessökonomischer Hinsicht belastet der hier vertretene Ansatz die Verwaltungsgerichte bei Adressatenklagen und bei Klagen Drittbetroffener nicht stärker als bislang. Mitunter ist sogar eine erhebliche Arbeitsentlastung zu konstatieren, etwa bei Konkurrentenklagen im Subventionsrecht. Sofern es bei Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte oder gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln zu einer Mehrbelastung kommt, ist diese überschaubar und zur Wahrung des Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgebers bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zusteht, unvermeidbar.

169

Siehe D., wo nur selten direkt auf Grundrechte zurückgegriffen werden konnte.

E. Die Bedeutung der objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess Rechtsprechung und Schrifttum haben den Grundrechten unter der Geltung des Grundgesetzes zahlreiche und äußerst heterogene Gehalte zugesprochen, welche über die traditionelle Defensivfunktion der Grundrechte hinausgehen. Das Spektrum reicht nicht nur von originären Leistungs- und derivativen Teilhaberechten über grundrechtliche Schutzpflichten bis hin zur Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die gesamte Rechtsordnung, sondern bezieht auch verfahrensrechtliche Vorgaben und organisationsrechtliche Anforderungen mit ein 1. Zwar lassen sich auch Art. 2 Abs. 1 GG mitunter derartige Gehalte entnehmen, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, spielen sie im Verwaltungsprozess aber keine große Rolle.

I. Ausstrahlungswirkung Seit der Entscheidung zur Ehegattenbesteuerung 2 und dem Lüth-Urteil 3 strahlt das Licht der Grundrechte in alle Bereiche der Rechtsordnung aus. In welchem Rechtsgebiet sich der Rechtsanwender auch bewegen mag, er hat sich bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts stets an den Grundrechten zu orientieren 4. In der Rechtsprechung hat die Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 GG bislang vor allem im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle von Verträgen Bedeutung erlangt. Das BVerfG stellte in einem „für das gesamte Vertragsrecht richtungsweisenden Beschluss“ 5 fest, dass Art. 2 Abs. 1 GG die Privatautonomie als Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben gewährleistet. Da eine Fremdbestimmung des einen Vertragsteils einträte, wenn der andere Teil ein so starkes Übergewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, und

1 Vgl. R. Alexy, Der Staat 29 (1990), 49 (49); H. D. Jarass, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 35 (39 ff.); B. Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (162 f.); R. Wahl, in: D. Merten / H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band I, 2004, § 19 Rn. 5. 2 BVerfGE 6, 55 (71 f.). 3 BVerfGE 7, 198 (204 f.). 4 Vgl. BVerfGE 24, 278 (281 f.); 42, 143 (147); 62, 230 (242); 85, 1 (13); 89, 1 (9). 5 So B. Grün, NJW 1994, 2935 (2935).

174

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

die Vertragsfreiheit deshalb nur „im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs“ tauge, obläge den Zivilgerichten mit Blick auf das allgemeine Freiheitsrecht die Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln (§§ 138, 242 BGB) darauf zu achten, dass Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung genutzt werden 6. Der Entscheidung des BVerfG lag ein Rechtsstreit zwischen Privaten zugrunde, in dem es darum ging, ob ein Bürgschaftsvertrag, den eine vermögenslose und gering verdienende 21-Jährige mit einer Sparkasse abschlossen hatte, um die Erhöhung eines ihrem Vater eingeräumten Kreditlimits abzusichern, als Sittenwidrigkeit zu beurteilen ist 7. Es handelte sich folglich um einen Fall, in dem die „mittelbare Drittwirkung“ 8 der Grundrechte im Privatrecht und unter Privaten zum Tragen kam. Daher tangiert das Urteil des BVerfG in erster Linie die Zivilgerichte. Für die Verwaltungsgerichte ist es vor dem Hintergrund der §§ 59 Abs. 1, 62 S. 2 (L)VwVfG, welche auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und somit auf die §§ 138, 242 BGB verweisen 9, zwar nicht völlig bedeutungslos, gleichwohl aber nur von untergeordneter Relevanz, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Werden die Kernaussagen des BVerfG auf den Regelfall des öffentlich-rechtlichen Vertrags übertragen, bei dem auf der einen Seite eine Behörde steht und auf der anderen ein Privater, so müssten Verwaltungsverträge immer dann als nichtig qualifiziert werden, wenn die Behörde ein derart starkes Übergewicht hat, dass sie den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann und der Private fremdbestimmt wird. Zwar unterscheiden sich die Fälle mittelbarer Drittwirkung von den klassischen Verwaltungsverträgen insofern, als im Regelfall des öffentlich-rechtlichen Vertrags der eine Vertragspartner – nämlich der Hoheitsträger – von vornherein unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist (Art. 1 Abs. 3 GG) und kein privater Dritter existiert. Die Kernaussagen des BVerfG lassen sich aber dennoch von der Konstellation mittelbarer Drittwirkung auf das bipolare StaatBürger-Verhältnis des Verwaltungsvertrags übertragen, da die zutreffende Begründung des BVerfG für seine Rechtsansicht allein auf der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte beruht 10 und diese Wirkung omnipräsent ist, also auch in bipo6

BVerfGE 89, 214 (231 ff.); bestätigt in BVerfG, NJW 1994, 2749 (2750). Siehe zum Verfahrensgang OLG Celle, WM 1988, 1436 ff.; BGH, NJW 1989, 1605 f.; BVerfG, NJW 1994, 36 ff.; BGH, NJW 1994, 1341 ff. 8 Kritisch gegenüber dieser Begrifflichkeit J. Ipsen, Staatsrecht II – Grundrechte, 9. Aufl. 2006, Rn. 59; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/ 1, 1988, S. 1513 f. 9 Vgl. zu dieser Verweisung H. J. Bonk, in: P. Stelkens / H. J. Bonk / M. Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 59 Rn. 59 und § 62 Rn. 22; H.-G. Henneke, in: H. J. Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2004, § 59 Rn. 13 und § 62 Rn. 11; F. O. Kopp / U. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2005, § 59 Rn. 15 und § 62 Rn. 20. 7

I. Ausstrahlungswirkung

175

laren Verwaltungsrechtsverhältnissen Geltung beansprucht. Zudem wäre es nicht überzeugend, dem fremdbestimmten Vertragspartner zwar gegenüber Privaten mit Hilfe der grundrechtlichen Ausstrahlungswirkung Schutz zu gewähren, nicht aber gegenüber staatlichen Stellen, gegen die sich der grundrechtliche Schutz doch in erster Linie richtet. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn unter Berufung auf die Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 GG zwar Verträge zwischen Privaten nach § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig zu qualifizieren wären, weil der eine Vertragspartner vom anderen fremdbestimmt worden ist, nicht aber Verwaltungsverträge, bei denen der Private von der Verwaltung fremdbestimmt worden ist. Gleichwohl kann aber in Fällen, in denen die Verwaltung beim Abschluss eines Verwaltungsvertrages gegenüber dem Privaten in fremdbestimmender Weise aufgetreten ist, nicht mit der Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 GG auf die Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB argumentiert werden, um die Sittenwidrigkeit des Vertrages zu begründen, da § 138 Abs. 1 BGB in solchen Fällen vom spezielleren § 134 BGB verdrängt wird 11. Dies deshalb, weil die Grundrechte als Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB zu verstehen sind 12, was nach § 59 Abs. 1 (L)VwVfG i. V. m. § 134 BGB 13 die Nichtigkeit solcher Verwaltungsverträge nach sich zieht, die ungerechtfertigte Eingriffe in die Grundrechte des kontrahierenden Bürgers darstellen. Vor dem Hintergrund des hier präferierten weiten Eingriffsbegriffs, der lediglich auf die objektive Vorhersehbarkeit der Verkürzung grundrechtlicher Freiheit durch staatliches Handeln abstellt, wird in die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit des Bürgers immer dann eingegriffen, wenn der kontrahierende Hoheitsträger aufgrund seines starken Übergewichts faktisch einseitig den Vertragsinhalt bestimmt. Gründe, die eine solche Fremdbestimmung verfassungsrechtlich rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, da der Staat jederzeit auf die verfassungsgemäßen Instrumente der Eingriffsverwal10

BVerfGE 89, 214 (231 ff.). Vgl. zum Verhältnis dieser beiden Normen C. Armbrüster, in: F. J. Säcker / R. Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1 1. Hb., 5. Aufl. 2006, § 138 Rn. 4; H. Heinrichs, in: O. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, § 138 Rn. 13. 12 Ebenso C. Gusy, DVBl. 1983, 1222 (1227 f.); V. Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 557 f.; W. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 311 f. Kritisch bis ablehnend demgegenüber OVG Münster, NVwZ 1984, 522 (524); T. Schilling, VerwA 87 (1996), 191 (207 f.). 13 Entgegen der Auffassung des Gesetzgebers, wie sie in den Gesetzesmaterialien Ausdruck gefunden hat (BT-Drucks. 7/910, S. 81), ist § 134 BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge anwendbar; vgl. BVerwGE 89, 7 (10); 98, 58 (63); C. Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Rechtswidrigkeit, 1982, S. 284 ff.; V. Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 549 f. m. w. N. Vgl. zur mitunter auch differenzierenden Gegenauffassung V. Büchner, Die Bestandskraft verwaltungsrechtlicher Verträge, 1979, S. 20 ff. 11

176

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

tung zurückgreifen kann, wenn er die Durchsetzung eines dringenden öffentlichen Interesses intendiert, und somit keine Notwendigkeit besteht, das Institut des öffentlich-rechtlichen Vertrages im Wege der Fremdbestimmung sinnwidrig zu missbrauchen, um legitime Gemeinwohlbelange durchzusetzen. Eine Verletzung der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit ist folglich immer dann zu konstatieren, wenn die Verwaltung einseitig den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gegenüber dem Bürger bestimmt. Diese Grundrechtsverletzung führt über § 59 Abs. 1 (L)VwVfG i. V. m. § 134 BGB zur Nichtigkeit des betreffenden Verwaltungsvertrags. Daraus folgt, dass die Rechtsprechung des BVerfG zur mittelbaren Drittwirkung von Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess zumindest dann keine Rolle spielt, wenn es um die Prüfung der Wirksamkeit beziehungsweise Nichtigkeit eines Verwaltungsvertrages geht, bei dem auf der einen Seite eine Behörde und auf der anderen ein Privater steht. Ist ein Verwaltungsvertrag jedoch zwischen zwei Privatpersonen geschlossen worden 14, was beispielsweise bei der Übernahme der Gewässerunterhaltung nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 BayWG der Fall sein kann 15, so ist an dem Vertragsverhältnis kein Grundrechtsverpflichteter beteiligt. Ein hoheitlicher Eingriff in die grundrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit scheidet daher von vornherein aus, weshalb sich die Nichtigkeit eines solchen Vertrages bei Fremdbestimmung des einen Vertragsteils durch den anderen auch nicht aus § 134 BGB in Verbindung mit einer Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG ergeben kann. § 134 BGB vermag § 138 Abs. 1 BGB daher auch nicht zu verdrängen. Folglich kommt die mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Freiheitsrechts, wie sie das BVerfG zutreffend herausgearbeitet hat, bei der Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB zur Geltung und führt über § 59 Abs. 1 (L)VwVfG zur Nichtigkeit eines unter Privaten geschlossenen Verwaltungsvertrages, wenn der eine Vertragsteil einseitig den Vertragsinhalt gegenüber dem anderen bestimmt hat. Somit kann der mittelbaren Drittwirkung des Art. 2 Abs. 1 GG auch im Verwaltungsprozess eine das Ergebnis beeinflussende Bedeutung zukommen. Groß ist diese Bedeutung aber schon deshalb nicht, weil Verwaltungsverträge zwischen Privaten nur selten geschlossen werden.

14

Nach überwiegender Ansicht können Private untereinander öffentlich-rechtliche Verträge schließen; vgl. OVG Lüneburg, OVGE 27, 341 (343); F. O. Kopp / U. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2005, § 54 Rn. 7; M. Fehling, in: ders. / B. Kastner / V. Wahrendorf (Hrsg.), Verwaltungsrecht VwVfG · VwGO, 2006, § 54 VwVfG Rn. 62. Ablehnend demgegenüber H. P. Bull / V. Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 7. Aufl. 2005, Rn. 873 f. 15 Siehe zu weiteren Beispielen P. Tiedemann, in: K. Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, § 54 Rn. 36.

II. Schutzpflichten

177

II. Schutzpflichten Aus der Erkenntnis heraus, dass grundrechtliche Schutzgüter auch von privater Seite bedroht und beeinträchtigt werden können, entnehmen Rechtsprechung und Literatur den Freiheitsrechten Pflichten des Staates zum Schutz der Grundrechtsgüter gegen Übergriffe gleichgeordneter Rechtssubjekte. Das BVerfG formuliert treffend, der Staat habe sich „schützend und fördernd“ vor die Grundrechte zu stellen 16. Besondere Beachtung wird der dogmatischen Figur der grundrechtlichen Schutzpflichten im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschenkt 17. Die Frage, ob auch Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht allgemeiner Handlungsfreiheit eine staatliche Schutzpflicht enthält, findet in Relation dazu eher selten Beachtung. Mitunter wird dafür plädiert, die objektiv-rechtliche Seite des Art. 2 Abs. 1 GG und damit auch die Schutzpflichtdimension dieses Grundrechts nur auf den Persönlichkeitskern zu beziehen 18. Andere verweisen darauf, dass dem Grundrecht aufgrund seiner unbestimmten Weite jenseits der besonders konturierten Innominatfreiheitsrechte ein Schutzpflichtgehalt kaum zu entnehmen sei 19. Daneben wird auch die Ansicht vertreten, Schutzpflichten nur aus neuen und selbständigen Grundrechten abzuleiten, welche aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entwickeln seien. Inhaltlich wird von diesen neuen Grundrechten verlangt, dass sie den Nominatfreiheiten in jeder Hinsicht gleichwertig sind und einen wichtigen Bereich individueller Lebensgestaltung abdecken 20. Hinter diesen Restriktionen steht ersichtlich die Überlegung, angesichts der Fülle möglicher Verhaltensweisen des Einzelnen und ihrer möglichen Beeinträchtigung durch andere Grundrechtsträger müsse eine Schutzpflicht, welche die allgemeine Handlungsfreiheit uneingeschränkt umfasst, ins Uferlose mutieren. Vor dem Hintergrund der unzähligen Willensentschlüsse, die jeder Mensch über den Tag verteilt trifft, und der unzähligen Behinderungen, die er bei der Umsetzung seines Willens durch seine Mitmenschen erfährt oder erfahren kann, mutet der Gedanke in der Tat seltsam an, dass den Staat bezüglich aller menschlichen Handlungen eine Schutzpflicht treffen soll, bloß weil alle menschlichen Handlungen vom sachlichen Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG erfasst werden.

16 BVerfGE 39, 1 (42); 46, 160 (164); 53, 30 (57); 56, 54 (73); 88, 203 (251); BVerfG, NJW 1995, 2343 (2343); NJW 1996, 651 (651). 17 Vgl. BVerfGE 39, 1 (41); 53, 30 (57); 79, 174 (201 f.); 90, 145 (195); BVerwGE 82, 45 (49); BVerwG, NJW 1993, 3002 (3003); BVerwG, NVwZ 1998, 1181 (1182); A. Faber, DVBl. 1998, 745 (747); H.-J. Papier, DAR 2002, 532 (534 ff.). 18 So G. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, 5 (10). 19 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 2 I Rn. 64. 20 F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 270 ff.

178

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

Und dennoch sind die restriktiven Ansichten abzulehnen. Zum einen wäre es wenig stringent, im Rahmen der Untersuchung der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte auf das zuvor schon im Rahmen der subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion als verfehlt qualifizierte Grundmuster der Persönlichkeitskerntheorie zurückzugreifen, zum anderen ist gerade auch das grundrechtliche Schutzgut der allgemeinen Handlungsfreiheit erheblichen Gefahren von privater Seite ausgesetzt. Dies erhellt, wenn der Straftatbestand der Nötigung in den Blick genommen wird, welcher die freie Willensentschließung und Willensbetätigung schützt 21. Träfe den Staat nur die Pflicht, den Einzelnen vor nötigendem Verhalten seiner Mitbürger insoweit zu schützen, als diese auf dessen Handlungsfreiheit im Bereich der Innominatfreiheitsrechte oder des Persönlichkeitskerns einwirken, so wäre auch eine Ausgestaltung des § 240 StGB als verfassungsgemäß anzusehen, die lediglich Nötigungshandlungen in diesen Bereichen unter Strafe stellt. Die Konsequenz einer solch restriktiven Ausgestaltung des strafrechtlichen Nötigungstatbestandes wäre, dass sich der Einzelne privatem Zwang durch vis absoluta und vis compulsiva, der sein Handeln außerhalb der Innominatfreiheitsrechte und des Persönlichkeitskerns betrifft, schutzlos ausgeliefert sähe. Denn er dürfte sich weder mit eigenen Mitteln gegen derartige Zwangseinwirkungen zur Wehr setzen, noch könnte er vom Staat Schutz beanspruchen. Ersteres, weil ihm das Notwehrrecht aus § 32 StGB nicht zur Seite stünde, da es – bei einer restriktiven Ausgestaltung des § 240 StGB – mangels eines rechtswidrigen Angriffs an einer Notwehrlage fehlen würde. Letzteres, weil den Staat nur im Hinblick auf die unbenannten Freiheitsrechte und den Persönlichkeitskern eine Pflicht zum Schutz der Handlungsfreiheit träfe. Dieser unerträgliche Zustand könnte den faktisch Genötigten dazu verleiten, das Gewaltmonopol des Staates 22 zu missachten und damit die Basis des Friedens in der Gesellschaft zerrütten. Angesichts dieser schwerwiegenden Konsequenzen kann nicht bezweifelt werden, dass der Staat verpflichtet ist, auch die allgemeine Handlungsfreiheit in ihrer voll umfänglichen Form vor nötigendem Verhalten zu schützen. Dafür spricht auch, dass andernfalls die zentrale Aussage des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit negiert würde, nach der ein jeder Grundrechtsträger autonom nach seinen eigenen Vorstellungen definieren kann, welche Handlungen relevant für die Entfaltung seiner Persönlichkeit sein sollen und welche nicht. Mit der Interessendefinitionskompetenz des Bürgers und dem damit zwingend einhergehenden Interessenbewertungsverbot des Staates, welches im Rahmen der subjektiv-rechtlichen Abwehrdimension des Art. 2 Abs. 1 GG betont wurde 23, würde im Rahmen der Schutzpflichten gebrochen. Nicht der 21 Vgl. zum Schutzgut des § 240 StGB BVerfGE 73, 206 (237); K. Lackner / K. Kühl, Strafgesetzbuch, 26. Aufl. 2007, § 240 Rn. 1; H. Tröndle / T. Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Aufl. 2007, § 240 Rn. 2. 22 H. Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 1 Rn. 14; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 500 f. 23 Siehe C. I. 1. d) hh).

II. Schutzpflichten

179

Bürger, sondern der Staat entschiede, welche Handlungen von Wert sind und sich als würdig erweisen, den Schutz der staatlichen Gewalt gegenüber Dritten genießen zu dürfen, da es in letzter Konsequenz dem BVerfG zufiele, die Reichweite des Persönlichkeitskerns zu umreißen oder die Innominatfreiheitsrechte herauszukristallisieren. Eine Beschränkung der Schutzpflichtdimension des Art. 2 Abs. 1 GG auf den Persönlichkeitskern oder die Innominatfreiheitsrechte ist daher abzulehnen 24. Vielmehr benötigt und verdient die allgemeine Handlungsfreiheit ebenso staatlichen Schutz gegen Beeinträchtigungen durch nichtstaatliche Kräfte wie etwa die Meinungsfreiheit oder das Eigentum 25. Vor dem Hintergrund, dass Art. 2 Abs. 1 GG nicht als Grundrecht zweiter Klasse zu qualifizieren ist, vielmehr der hohe Wert seiner inhaltlich unbegrenzten Freiheitsverbürgung bereits herausgearbeitet wurde, ließe es sich nicht rechtfertigen, das Schutzgut dieses Grundrechts im Gegensatz zu den Schutzgütern der speziellen Freiheitsrechte nur in ausgesuchten Teilbereichen einer staatlichen Schutzpflicht zu unterstellen. Daraus folgt aber keineswegs, dass der Staat in jeder Situation einzuschreiten hat, wenn ein Bürger von seiner allgemeinen Handlungsfreiheit auf Kosten der Handlungsfreiheit seiner Mitbürger Gebrauch macht. Dies kann schon deshalb nicht der Fall sein, weil in unzähligen Lebenssituationen des Alltags von der eigenen Handlungsfreiheit nur in einer Weise Gebrauch gemacht werden kann, die notwendig die Handlungsfreiheit anderer beeinträchtigt. Fraglich ist aber, wo die Pflicht zum Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit anfängt und wo sie aufhört. Die Auseinandersetzung mit dem sachlichen Schutzbereich des allgemeinen Freiheitsrechts hat insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG gezeigt, dass Art. 2 Abs. 1 GG in besonderer Weise dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts verpflichtet ist 26. Indem das Generalfreiheitsrecht alle menschlichen Handlungen in seinen Schutzbereich einbezieht und keine Handlung außen vor lässt, ermöglicht es dem Bürger, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, welche Handlungen für die Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit von Relevanz sein sollen und welche nicht. Die Verbürgung der allgemeinen Handlungsfreiheit stellt sich vor diesem Hintergrund als Mittel zum Zweck dar, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu schützen. Von einem selbstbestimmten Verhalten kann aber nur die Rede sein, wenn der Handelnde seinen Willen autonom bilden kann, sich also keiner Fremdbestimmung von Seiten Dritter ausgesetzt sieht. Damit rückt das Verhalten der Dritten in den Blick. Dritte sind in der subjektiv-rechtlichen Abwehrdimension die drei Staatsgewalten und in der Schutzpflichtdimension 24 Im Ergebnis ebenso W. Höfling, in: K. H. Friauf / W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Okt. 2000, C Art. 2 Rn. 49; D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 25. 25 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 200. 26 Siehe C. I. 1. d) dd).

180

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

die privaten Störer. Wirken diese auf den Willen des Handelnden dergestalt ein, dass dieser seinen Willen nicht mehr autonom bilden kann, so beeinträchtigen sie sein Selbstbestimmungsrecht und greifen damit zugleich das grundrechtliche Schutzgut des Art. 2 Abs. 1 GG an. Daraus ergibt sich, dass die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG immer dann aktuell werden muss, wenn Private dem Schutzpflichtbegünstigten sein Recht auf Selbstbestimmung absprechen und ihm ihren Willen aufzwingen. Dies kann entweder durch die Anwendung von vis absoluta beziehungsweise von vis compulsiva oder durch die Drohung mit einem empfindlichen Übel geschehen, mit anderen Worten in Form der Nötigung. Somit trifft den Staat immer dann die Pflicht zum Schutz des Bürgers aus Art. 2 Abs. 1 GG, wenn andere nötigend auf diesen einwirken. Seiner Schutzpflicht kommt der Staat im Wesentlichen dadurch nach, dass er nötigendes Verhalten unter Strafe stellt und diejenigen strafrechtlich verfolgt, die Nötigungstatbestände in rechtswidriger und schuldhafter Weise verwirklichen 27. Zu befassen haben sich mit der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG demzufolge in erster Linie die Strafverfolgungsbehörden und die Strafgerichte. Für die Verwaltungsgerichte wird die Schutzpflichtthematik mit Blick auf die allgemeine Handlungsfreiheit hingegen nur im Rahmen der Gefahrenabwehr relevant, wenn der Bürger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes oder im Wege der Verpflichtungs- beziehungsweise Leistungsklage begehrt, einer Gefahrenabwehrbehörde aufzugeben, zu seinem Schutz tätig zu werden. Vor dem Hintergrund, dass sich der Genötigte in den weitaus meisten Fällen jedoch erst dann an die Verwaltungsgerichte wenden kann, wenn die Nötigung bereits vorüber ist, dürften derartige Klagen beziehungsweise Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seltene Ausnahmefälle darstellen. Groß ist die Bedeutung der aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Verwaltungsgerichte daher nicht.

III. Verfahrens- und organisationsrechtliche Gehalte Neben den formellen Verfahrensgrundrechten, wie sie in Art. 19 Abs. 4, 101 und 103 Abs. 1 GG zu finden sind, werden auch materiellen Grundrechtsbestimmungen verfahrens- und organisationsrechtliche Gehalte entnommen 28. Hintergrund dieser Entwicklung ist die Erkenntnis, dass für einen effektiven Grundrechtsschutz nicht nur die Einräumung materieller Rechtspositionen relevant ist, sondern auch die Gewährung prozeduraler Instrumente 29.

27 Das gesetzliche Verbot der Nötigung dürfte dementsprechend nicht ersatzlos aufgehoben werden; vgl. D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 2 Rn. 25. 28 Grundlegend dazu M. Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 232 ff. 29 H. Dreier, Jura 1994, 505 (511).

III. Verfahrens- und organisationsrechtliche Gehalte

181

Was Art. 2 Abs. 1 GG anbelangt, hat das BVerfG aus diesem Grundrecht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip einen Anspruch auf ein faires und insbesondere rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügendes Gerichtsverfahren abgeleitet 30 sowie ein Recht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtschutzes 31. Auf den Verwaltungsprozess lassen sich die betreffenden Judikate, welche allesamt straf- und zivilgerichtliche Verfahren zum Gegenstand hatten, allerdings nur in seltenen Fällen übertragen. Zwar sind die in ihnen zum Ausdruck kommenden Maximen derart grundsätzlicher Natur, dass sie auch im Verwaltungsprozess Beachtung finden müssen. Die Aussage etwa, der Beschuldigte dürfe „im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein“, ihm müsse vielmehr „die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen“ 32, beansprucht im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ebenso Geltung für den klagenden Bürger. Schließlich würde die Menschenwürde verletzt, wenn der Einzelne im Verwaltungsprozess zum bloßen Objekt degradiert werden dürfte. Ferner kann kaum bezweifelt werden, dass sich auch der Verwaltungsrichter nicht widersprüchlich verhalten darf und es ihm verwehrt ist, aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern und Versäumnissen, Verfahrensnachteile für einen Beteiligten abzuleiten 33. Ebenso unzweifelhaft ist, dass auch der Verwaltungsrichter allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet ist 34. Auf den Verwaltungsprozess passen auch die Ausführungen des BVerfG, der Bürger sei berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen, wobei es zum einen weder auf das Ende der Dienstzeit noch auf die fristgerechte Entgegennahme durch den zuständigen Bediensteten der Geschäftsstelle ankomme und zum anderen solche Fristversäumungen nicht zu Lasten des Bürgers gehen dürften, die auf Verzögerungen der Entgegennahme von Schriftstücken durch das Gericht beruhten 35. Gleichwohl lassen sich diese Maximen im Verwaltungsprozess aber nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip herleiten 36. Für eine solche Fundierung des „fair trial“ Grundsatzes und seiner Einzelausprägungen spricht zwar, dass sich das Gebot, wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, bereits aus den materiellen Grundrechten ergibt 37 und effektiver Rechtsschutz bei 30 Vgl. BVerfGE 39, 156 (163); 63, 45 (60); 78, 123 (126); 89, 120 (129); 93, 99 (113); 101, 397 (404). 31 Vgl. BVerfG, NJW 1993, 2735 (2736); NJW 1995, 249 (249); NJW 2001, 214 (215). 32 BVerfGE 66, 313 (318). 33 Vgl. zu diesen Vorgaben BVerfG, NJW 1996, 3202 (3202) m. w. N. 34 Vgl. zu dieser Vorgabe BVerfGE 78, 123 (126) m. w. N. 35 Vgl. BVerfGE 69, 381 (385 f.). 36 Anders U. Di Fabio, in: T. Maunz / G. Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand: Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 75; C. Starck, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Abs. 1 Rn. 130.

182

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

rechtsstaatswidriger und unfairer Verfahrensgestaltung gerade nicht gewährleistet werden kann. Den Freiheitsrechten geht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG im Rahmen seines Garantiebereiches vor 38, welches nicht nur den Zugang zu staatlichen Gerichten im Falle der möglichen Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte durch die Exekutive sicherstellt, sondern auch den effektiven Rechtsschutz, welcher ohne eine rechtsstaatsgemäße und faire Verfahrensgestaltung nicht denkbar ist und diese daher notwendig inkorporiert. Allein in den seltenen Fallkonstellationen, in denen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und Art. 19 Abs. 4 GG nicht anwendbar ist, kann der Grundsatz des „fair trial“ auch im Verwaltungsprozess aus den Freiheitsrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden. Dies gilt etwa, wenn Streitigkeiten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Privaten in Rede stehen. Exemplarisch kann insofern auf Verträge über die Verteilung der Straßenbaulast an nicht ausgebauten Feld- und Waldwegen nach Art. 54 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 1 BayStrWG, auf die Vereinbarung über die Abrundung von Jagdrevieren durch die Jagdberechtigten nach Art. 4 Abs. 2 BayJG, auf die Einigung zwischen den Beteiligten eines Enteignungsverfahrens nach § 110 BauGB oder auf die Übertragung eines Nutzungsrechts an einer Grabstätte verwiesen werden 39. Jedoch verbietet sich auch in diesen Fällen der unreflektierte Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG, da stets das Subsidiaritätsverhältnis des allgemeinen Freiheitsrechts zu den benannten Freiheitsrechten zu berücksichtigen ist. So ergibt sich der Anspruch auf ein rechtsstaatliches und faires Verfahren aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG, wenn zwei Eigentümer aneinandergrenzender Jagdreviere über die Reichweite einer vertraglichen Vereinbarung streiten, durch welche sie ihre Jagdgebiete im Wege der Abtrennung respektive Angliederung abgerundet haben. Denn im Falle eines rechtsstaatswidrig geführten Verfahrens, in welchem dem Kläger oder dem Beklagten beispielsweise aus Fehlern oder Versäumnissen, die dem Verwaltungsgericht zuzurechnen sind, Verfahrensnachteile erwachsen sind, ergeht ein verfassungswidriges – weil das Rechtsstaatsprinzip missachtendes – Urteil, welches unmittelbar das Eigenjagdrevier und damit eine eigentumsrechtliche Position des Benachteiligten betrifft.

37 Vgl. BVerfGE 35, 348 (361); 37, 132 (148); 45, 297 (333); 46, 325 (334); 49, 220 (225); 51, 150 (156). 38 Vgl. P. M. Huber, in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 364; H.-J. Papier, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, 2. Aufl. 2001, § 154 Rn. 15. 39 Vgl. P. Tiedemann, in: K. Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrens-gesetz, 3. Aufl. 1999, § 54 Rn. 36.

IV. Derivative Teilhabe- und originäre Leistungsrechte

183

Da in den meisten Fällen, in denen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, zugleich auch Art. 19 Abs. 4 GG greift und in den übrigen Fällen noch der Vorrang der speziellen Freiheitsrechte zu beachten ist, kommt den verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalten des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess nur eine äußerst geringe Bedeutung zu.

IV. Derivative Teilhabe- und originäre Leistungsrechte 1. Derivative Teilhaberechte Charakteristisch für die derivativen Teilhaberechte ist ihre Akzessorietät zu bestehenden Einrichtungen, Leistungen und Verfahren, an denen Dritte bereits partizipiert haben. Sie sind primär auf die Gleichstellung des einzelnen Bürgers mit eben jenen Dritten gerichtet, die bereits in den Genuss staatlicher Leistungen gekommen sind 40 und setzen somit stets ein vorhergehendes staatliches Handeln voraus 41, aus welchem sich ein Leistungsbestand ergibt, an dem der Einzelne Teil haben kann. Aufgrund ihrer Gleichstellungsfunktion kommt in erster Linie Art. 3 GG als Quelle derivativer Teilhaberechte in Betracht 42. Fraglich ist, ob solche Rechte daneben auch noch aus Freiheitsrechten abgeleitet werden können. Dies erscheint mit Blick auf die Grundkonzeption des derivativen Rechts, welches auf die gleiche und damit willkürfreie Verteilung vorhandener Leistungskapazitäten angelegt ist, unnötig 43. Der Gleichheitssatz ist hier völlig ausreichend. Dementsprechend spielt das derivative Teilhaberecht im Rahmen dieser Arbeit keine Rolle.

40 M. Borowski, JöR 50 (2002), 301 (302); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 93. 41 W. Heintschel von Heinegg / U. R. Haltern, JA 1995, 333 (337); M. Wild, DÖV 2004, 366 (367). 42 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 93; W. Heintschel von Heinegg / U. R. Haltern, JA 1995, 333 (338); G. Lübbe-Wolff , Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 17 f.; W. Martens, VVDStRL 30 (1972), 7 (21); D. Murswiek, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 112 Rn. 68 ff.; M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 49; M. Wild, DÖV 2004, 366 (367). 43 Zumindest im Hinblick auf Art. 14 GG anders W. Heintschel von Heinegg / U. R. Haltern, JA 1995, 333 (339); D. Murswiek, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 112 Rn. 79; M. Wild, DÖV 2004, 366 (367).

184

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

2. Originäre Leistungsrechte Im Gegensatz zu den derivativen Teilhaberechten orientieren sich die originären Leistungsrechte nicht am vorhandenen Leistungsbestand und der bisherigen Verteilungspraxis der Verwaltung, sondern bestehen unabhängig davon, ob Dritten bereits eine Leistung gewährt wurde 44. Sie können somit auch noch nicht Vorhandenes erstmalig hervorbringen 45. Grundrechte mit leistungsrechtlichem Gehalt stellen in erster Linie Art. 6 Abs. 4, 17 und 19 Abs. 4 GG dar. Ob daneben auch den Freiheitsrechten ein leistungsrechtlicher Gehalt entnommen werden kann, ist fraglich 46. Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG finden sich in der Judikatur des BVerwG jedoch Elemente eines bejahenden Ansatzes, wenn dort von einem Recht auf Bildung aus Art. 2 Abs. 1 GG die Rede ist 47. Möglich wäre eine leistungsrechtliche Auslegung des allgemeinen Freiheitsrechts jedenfalls dann, wenn der grundrechtliche Freiheitsbegriff nicht nur in einer negativen, eingriffsabwehrenden Form, sondern als positive und reale Freiheit zu verstehen wäre, die tatsächlich verwirklicht werden kann 48. Wenn Art. 2 Abs. 1 GG eine solchermaßen definierte Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung schützen würde, ergäbe sich aus dem Grundrecht ein Anspruch gegen den Staat auf Schaffung der für die Persönlichkeitsentfaltung nötigen Voraussetzungen, da nur so die Möglichkeit tatsächlicher Persönlichkeitsentfaltung sichergestellt werden könnte. Für ein derartiges Freiheitsverständnis spricht, dass dem einzelnen Grundrechtsträger seine Freiheitsrechte wenig nützen, wenn sie ihm zwar eine formale Freiheit sichern, die sich im Freisein von staatlichem Zwang erschöpft, er aber gleichzeitig der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt, die eine reale Nutzung seines formalen Freiheitsraumes erst ermöglichen. So hat derjenige von seinem Grundrecht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit wenig Nutzen, dem die finanziellen Mittel fehlen, um seine Persönlichkeit wie gewollt zu entfalten. Treffend hat das BVerfG (wenn auch mit Blick auf Art. 12 GG) formuliert, „das Freiheitsrecht wäre ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in Anspruch nehmen zu können, wertlos“ 49. 44

Vgl. M. Borowski, JöR 50 (2002), 301 (303). Vgl. B. Pieroth / B. Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Rn. 60. 46 Bejahend etwa P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43 (77 ff.), der den Ersatzschulen einen positiven grundrechtlichen Leistungsanspruch auf Subventionierung zuspricht, in den das Freiheitsrecht „umschlage“. Grundsätzlich ablehnend hingegen H. Dreier, DV 36 (2003), 105 (117). 47 Vgl. BVerwGE 47, 201 (206); 56, 155 (158); BVerwG, NVwZ 1998, 638 (639); ebenso W. Thieme, JZ 1959, 265 (269). 48 Vgl. zu diesen beiden Arten des Freiheitsverständnisses G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, 1983, S. 72 ff.; D. Murswiek, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 112 Rn. 26 ff. 49 BVerfGE 33, 303 (331). 45

IV. Derivative Teilhabe- und originäre Leistungsrechte

185

Trotz dieser Überlegung zielt der grundrechtliche Freiheitsbegriff aber nicht auf eine positive und reale Freiheit, die tatsächlich verwirklicht werden kann. Hinzuweisen ist zunächst auf den offenen Bruch, der sich im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Parlamentarischen Rates ergeben würde, wenn man den grundrechtlichen Freiheitsbegriff dergestalt verstehen wollte. Die Freiheitsrechte würden dem Bürger dann die Möglichkeit einräumen, die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen für den individuellen Grundrechtsgebrauch gegenüber dem Staat einzuklagen. Sie würden somit eine Metamorphose durchlaufen, an deren Ende ihre Umwandlung von Abwehrrechten in soziale Grundrechte stünde. Art. 12 Abs. 1 GG würde dann ein „Recht auf Arbeit“ enthalten, Art. 13 GG ein „Recht auf Wohnung“ und Art. 2 Abs. 1 GG ein „Recht auf Ermöglichung der individuellen Persönlichkeitsentfaltung“. Der Parlamentarische Rat sah als verfassungsgebendes Organ und Schöpfer der Grundrechte aber bewusst von der Aufnahme sozialer Grundrechte in die Verfassung ab 50. Diese eindeutige Entscheidung kann nicht auf interpretatorischen Umwegen konterkariert werden 51. Die wenigen dennoch normierten Leistungsrechte sind somit als Ausnahmen zu qualifizieren und negieren im Umkehrschluss die leistungsrechtliche Auslegung der Freiheitsrechte 52. Dafür spricht auch, dass andernfalls Voraussetzung, Inhalt und Umfang originärer Leistungsansprüche im Dunkeln blieben, da sich ihr Gegenstand aus den abwehrrechtlich angelegten Freiheitsrechten nicht mit der nötigen Bestimmtheit entnehmen ließe 53. Zu welchen konkreten Ansprüchen sollte beispielsweise ein Grundrecht auf Bildung aus Art. 12 GG oder auf eine saubere Umwelt aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG führen 54? Wäre der Staat auch verpflichtet, dem Einzelnen den Unterhalt eines Pferdes zu finanzieren, wenn dieser seine Persönlichkeit durch das Reiten im Walde entfalten will? Zudem ist zu bedenken, dass der Judikative nicht die Kompetenz zukommen kann, letztverbindlich im Wege der Interpretation über den sozialstaatlichen Verteilungs- und Zuteilungsprozess zu entscheiden. Denn dies liefe auf die Etablierung eines Jurisdiktionsstaats hinaus, der mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung nicht in Einklang zu bringen wäre. Würden die Gerichte dem Einzelnen nämlich unter Berufung auf dessen Freiheitsgrundrechte und somit ohne einfach-gesetzliche Vermittlung konkrete Leistungsansprüche ge50 Vgl. W. Martens, VVDStRL 30 (1972), 7 (30); W. Weber, Der Staat 4 (1965), 409 (412 ff.). 51 Vgl. R. Breuer, in: FG aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 89 (92 f.). 52 So D. Murswiek, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl. 2000, § 112 Rn. 91. 53 Vgl. E.-W. Böckenförde, in: ders. / J. Jekewitz / T. Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1981, S. 7 (11 ff.); R. Breuer, in: FG aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 89 (93). 54 Vgl. C. Starck, in: FG aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band II, 1976, S. 480 (518 f.); ders., in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 190.

186

E. Die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG

währen, die auf die Herstellung realer Freiheit zielen, so ginge damit unweigerlich eine judikative Festlegung finanzieller Mittel in weitreichendem Umfang einher. Die Haushaltspolitik wäre auf diese Weise der legislativen Entscheidung in weiten Bereichen entzogen und grundrechtlich – vermittelt durch den Richterspruch – determiniert 55. Dies widerspräche dem verfassungsrechtlichen Kompetenzmodell 56. Letztlich kann der grundrechtliche Freiheitsbegriff auch schon deshalb nicht im Sinne einer positiven und realen Freiheit gedeutet werden, weil die Verfassung der staatlichen Gewalt sonst Unmögliches abverlangen würde und niemand, auch nicht der Staat, zu Unmöglichem verpflichtet sein kann. Die unübersehbare Vielzahl grundrechtlich fundierter Leistungsansprüche, welche mit einem Freiheitsbegriff einhergingen, der auf die tatsächliche Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit gerichtet ist, könnte vom Staat angesichts der Tatsache, dass er seine finanzielle Potenz nicht beliebig erhöhen kann, nämlich nicht befriedigt werden. Die Folge wäre ein fortlaufender Verstoß gegen die Bindungsklausel aus Art. 1 Abs. 3 GG. Der grundrechtliche Freiheitsbegriff ist daher prinzipiell negativ, sprich eingriffsabwehrend zu verstehen. Den Freiheitsrechten und demzufolge auch Art. 2 Abs. 1 GG lassen sich somit keine originär leistungsrechtlichen Gehalte entnehmen.

V. Ergebnis Die Ausstrahlungswirkung des Art. 2 Abs. 1 GG spielt vor allem im Privatrecht und somit vor den Zivilgerichten eine Rolle, wenn Verträge anhand zivilrechtlicher Generalklauseln zu überprüfen sind. Zwar finden die §§ 138, 242 BGB über die Verweisungsvorschriften der §§ 59 Abs. 1, 62 S. 2 (L)VwVfG grundsätzlich auch auf Verwaltungsverträge Anwendung. Jedoch bleiben die Fälle, in denen die Auslegung der §§ 138, 242 BGB im Lichte des Art. 2 Abs. 1 GG relevant werden kann, im Verwaltungsprozess auf die seltenen Konstellationen beschränkt, in denen Private miteinander einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen. Mindestens ebenso selten können die Schutzpflichtgehalte des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess zum Tragen kommen, da sie sich primär im Strafrecht mit Blick auf die Nötigungstatbestände entfalten. Was die verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalte des allgemeinen Freiheitsrechts anbelangt, ist Art. 19 Abs. 4 GG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren meist vorrangig. Ausschließlich in den seltenen Fällen, in denen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und Art. 19 Abs. 4 55

Vgl. C. Starck, in: FG aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band II, 1976, S. 480 (518); ders., in: H. von Mangoldt / F. Klein / C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 5. Aufl. 2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 189. Auf das Budgetrecht des Parlaments verweist auch H. Dreier, DV 36 (2003), 105 (117). 56 Vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 462; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 90; W. Heintschel von HeineggU. R. Haltern, JA 1995, 333 (340). Anders K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, S. 719.

V. Ergebnis

187

GG gleichwohl nicht einschlägig ist, bleibt für die verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalte der Freiheitsrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip noch Raum. Auch in diesem Zusammenhang ist dann aber zu beachten, dass die speziellen Freiheitsrechte dem allgemeinen vorgehen. Derivative Teilhaberechte und originäre Leistungsrechte lassen sich Art. 2 Abs. 1 GG nicht entnehmen. Insgesamt lässt sich daher konstatieren, dass die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess kaum von Bedeutung sind.

F. Resümee und Ausblick I. Resümee 1. Zur subjektiv-rechtlichen Abwehrfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess Die Verfassung hat mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz getroffen, die von den §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nachvollzogen wird. Dementsprechend ist der Einzelne im Verwaltungsprozess nur klage- beziehungsweise antragsbefugt, wenn die Möglichkeit besteht, dass er in eigenen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt ist. Als Quelle solcher Rechte kommen neben den Normen des einfachen Rechts auch die Grundrechte in Betracht, da diese als subjektive öffentliche Abwehrrechte par excellence zu verstehen sind. Im Verwaltungsprozess entfalten die Freiheitsrechte ihre negatorische Defensivfunktion zugunsten des klagenden Bürgers allerdings nur unter zwei Voraussetzungen, die sowohl für die speziellen Freiheitsrechte als auch für das allgemeine Freiheitsrecht gleichermaßen gelten: Erstens muss die vom Kläger angegriffene hoheitliche Maßnahme einen Grundrechtseingriff in den Schutzbereich eines Freiheitsrechts darstellen. Ein Grundrechtseingriff liegt immer dann vor, wenn ein pflichtgemäß handelnder Hoheitsträger in der konkreten Situation bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Handeln den grundrechtlichen Freiheitsraum verkürzen beziehungsweise ein grundrechtliches Schutzgut tangieren wird. Abzustellen ist somit allein auf das Kriterium der objektiven Vorhersehbarkeit. Nur wenn sich die autonome Entscheidung eines privaten Dritten zwischen die angegriffene hoheitliche Maßnahme und den Beeinträchtigungserfolg schiebt und dem Verhalten des privaten Dritten ein eigenständiger Schädigungsgehalt zukommt, ist die Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter als privatverursacht anzusehen und ein Grundrechtseingriff auch bei objektiver Vorhersehbarkeit der privatautonomen Entscheidung zu verneinen. Ein eigenständiger Schädigungsgehalt kommt dem Verhalten eines privaten Dritten allerdings nur dann zu, wenn sein Verhalten für sich genommen – also unabhängig von der angegriffenen hoheitlichen Maßnahme – eine Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter darstellt. Sofern die vom Kläger angegriffene Maßnahme als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist, setzt der unmittelbare Rückgriff auf das betroffene Grundrecht

I. Resümee

189

im Verwaltungsprozess zweitens voraus, dass die negatorische Defensivfunktion dieses Grundrechts nicht durch das einfache Recht verdrängt oder eingeschränkt wird. Verdrängend wirken einfach-gesetzliche Normen, wenn sie selbst subjektivrechtlich aufgeladen sind, einschränkend, wenn sie rein objektiv-rechtlich zu verstehen sind. Ob eine Norm des einfachen Rechts individualrechtsschützend wirkt oder rein objektiv-rechtlich zu interpretieren ist, hängt in erster Linie vom Willen des Gesetzgebers ab. Diesem steht nicht nur im Hinblick auf die einfach-gesetzliche Beschränkung grundrechtlicher Freiheit ein gewisser Entscheidungsspielraum zu, sondern auch im Hinblick auf die einfach-gesetzliche Einräumung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen. Entscheidet er sich dafür, eine Norm des einfachen Rechts rein objektiv-rechtlich auszugestalten, so liegt darin zugleich die einfach-gesetzliche Beschränkung der negatorischen Defensivfunktion der Grundrechte. Andernfalls ließe sich seine Entscheidung gegen den Individualrechtsschutz über den Hebel der Grundrechte umgehen. Wie bei jeder anderen Grundrechtsbeschränkung auch, werden der legislativen Dispositionsfreiheit aber von der Verfassung und insbesondere von den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken Grenzen gezogen. Dadurch wird zum einen der Gefahr einer Entrechtung der Bürger durch einen Gesetzgeber begegnet, der eine extensive Objektivierung der Rechtsordnung betreibt. Zum anderen wird dadurch aber auch der Bruch mit dem überkommenen Grundsatz, dass nur ein in jeder Hinsicht rechtmäßiger Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, kompensiert. Lässt sich der gesetzgeberische Wille nicht ermitteln, was angesichts der fehlenden Sensibilität der gesetzgebenden Gewalt für ihre Kompetenz zur differenzierten Ausgestaltung der Rechtsordnung in subjektiv- beziehungsweise rein objektivrechtlicher Hinsicht die Regel sein dürfte, so ist die Schutznormtheorie in ihrem heutigen Verständnis als erster, nicht aber als einziger Indikator heranzuziehen. Da nämlich jede rein objektiv-rechtlich verstandene Norm die subjektiv-rechtliche Abwehrfunktion der Grundrechte einschränkt und somit verfassungsrechtlicher Rechtfertigung bedarf, muss in all jenen Fällen, in denen die Schutznormtheorie zum rein objektiv-rechtlichen Verständnis einer Norm führt, das Ergebnis der Schutznormtheorie an den Maßstäben der Verfassung überprüft werden. Nur wenn die Einschränkung der grundrechtlichen Defensivfunktion, welche durch die rein objektiv-rechtliche Auslegung einer Norm bewirkt wird, nicht mit den verfassungsrechtlichen Schranken-Schranken in Konflikt gerät, kann das Ergebnis der Schutznormtheorie bestätigt werden. Andernfalls ist es im Wege verfassungskonformer Auslegung zu korrigieren, indem die betreffende Norm entgegen der Schutznormtheorie subjektiv-rechtlich ausgelegt wird. Nur wenn eine verfassungskonforme Auslegung scheitern sollte, weil der Wortlaut und der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegenstehen, was nur selten der Fall sein dürfte, hat das BVerfG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG

190

F. Resümee und Ausblick

den Regelungsgehalt der Norm, der ihren objektiv-rechtlichen Charakter ausspricht, für nichtig zu erklären. Für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Klagebefugnis und der Begründetheit ergibt sich daraus Folgendes: Sofern ein Lebensbereich von vornherein keine Normierung erfahren hat oder die geschaffene Normierung im Ganzen nichtig ist, können sich die Verwaltungsgerichte darauf beschränken zu ermitteln, ob die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise einen Grundrechtseingriff darstellt. Ist dies der Fall, so kann nicht von vornherein und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen werden, dass eine Grundrechtsverletzung vorliegt, da es an einfach-gesetzlichen Normen, die einen Grundrechtseingriff rechtfertigen könnten, gerade fehlt. Im Rahmen der Begründetheit bleibt dann nur noch zu prüfen, ob die angegriffene staatliche Maßnahme tatsächlich als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Finden die Verwaltungsgerichte hingegen ein lückenloses Normprogramm vor, so haben sie die Klagebefugnis zu bejahen, wenn die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise Normen des einfachen Rechts verletzt und die potentiell verletzten Normen individualrechtsschützend ausgestaltet sind. Sind sie hingegen nach der Schutznormtheorie rein objektiv-rechtlich zu verstehen, so ist die Klagebefugnis zu bejahen, wenn die angegriffene staatliche Maßnahme möglicherweise als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist und die rein objektivrechtliche Interpretation der potentiell verletzten Normen in verfassungsrechtlicher Hinsicht zweifelhaft erscheint. Ob die rein objektiv-rechtliche Auslegung tatsächlich die von der Verfassung gezogenen Grenzen überschreitet und somit verfassungswidrig ist, muss hingegen erst im Rahmen der Begründetheit geprüft werden, wenn feststeht, dass die betreffenden Normen tatsächlich verletzt sind und die angegriffene staatliche Maßnahme tatsächlich einen Grundrechtseingriff darstellt. Sofern vor diesem Hintergrund die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der objektiv-rechtlichen Auslegung erforderlich wird und zu einem negativen Ergebnis führt, haben sich die Verwaltungsgerichte zunächst um eine verfassungskonforme Auslegung der verletzten Vorschriften im Sinne ihrer Subjektivierung zu bemühen und im Falle des Scheiterns eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuleiten. Die verbleibenden Fälle lückenhafter Normierung setzen sich tatbestandlich aus den Elementen der beiden vorgenannten Fallgruppen zusammen und sind im Wesentlichen nach deren Muster elementspezifisch aufzulösen. So gelten im Hinblick auf die vorhandenen Vorschriften des lückenhaften Regelwerks die gleichen Grundsätze wie bei einer lückenlosen Normierung, während im Hinblick auf die Gesetzeslücken die gleichen Grundsätze gelten wie bei einer fehlenden Normierung. Kann der für möglich gehaltene Grundrechtseingriff jedoch mit den bestehenden Teilen des lückenhaften Regelwerks prinzipiell gerechtfertigt werden, so gelten ausschließlich die gleichen Grundsätze wie bei einer lückenlosen

I. Resümee

191

Normierung, da sich dann nur die Frage stellt, ob sich die eingreifende Verwaltung an die bestehenden Teile des Normprogramms gehalten hat. Der Umstand der Lückenhaftigkeit spielt dann keine Rolle mehr. 2. Zum Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG Der sachliche Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst das Verhalten des Menschen in seiner Gesamtheit. Auf Art und Güte des Verhaltens ist nicht abzustellen. Das allgemeine Freiheitsrecht zeigt sich wertneutral als Grundrecht allgemeiner Handlungsfreiheit. Ein an den spezifischen Besonderheiten des Art. 2 Abs. 1 GG ausgerichteter Eingriffsbegriff, der als Sonderregime neben die Eingriffsdogmatik der speziellen Freiheitsrechte tritt, ist weder nötig noch zulässig. Vielmehr gilt für das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit derselbe – weite – Eingriffsbegriff wie für die anderen Freiheitsrechte auch. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ist daher zu bejahen, wenn für die Staatsgewalt objektiv vorhersehbar ist, das ihr Handeln die allgemeine Handlungsfreiheit eines Grundrechtsträgers beeinträchtigen wird und die Beeinträchtigung nicht als privatverursacht zu qualifizieren ist. 3. Vergleich der verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu Art. 2 Abs. 1 GG mit dem hier vertretenen Ansatz Im direkten Vergleich der Verwaltungsrechtsprechung mit dem hier vertretenen Ansatz zeigen sich grundlegende Differenzen in dogmatischer Hinsicht, die häufig auch zu unterschiedlichen Resultaten bei der Entscheidung konkreter Fälle führen. Im Kern basieren diese Differenzen darauf, dass nach dem hier vertretenen Ansatz das einfache Recht in weit stärkerem Maße zur Lösung konkreter Fälle herangezogen wird als dies in der Verwaltungsrechtsprechung der Fall ist, während auf die normexterne Wirkung der Grundrechte im Gegensatz zur Vorgehensweise der Judikatur nur selten zurückgegriffen wird. Dies trägt nicht nur zu einem höheren Maß an Rechtssicherheit bei als der von unpräzisen Kriterien des Richterrechts abhängig gemachte Rückgriff auf Grundrechte, sondern entspricht auch der Grundkonzeption der Verfassung als Rahmenordnung eher. Hinzu kommt, dass nur auf diese Weise der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gewahrt werden kann, der ihm bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zusteht. Zwar hat die weite Auslegung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem hier präferierten weiten Eingriffsbegriff zur Konsequenz, dass staatliches Handeln nahezu immer (auch) einen Eingriff in das allgemeine Freiheitsrecht darstellt. Vor dem Hintergrund, dass jede verfassungs-

192

F. Resümee und Ausblick

gemäße einfach-gesetzliche Norm die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte einschränkt oder verdrängt, kann sich der klagende Bürger im Gegensatz zur Ansicht der Rechtsprechung aber gleichwohl nur selten auf seine allgemeine Handlungsfreiheit berufen, um im Verwaltungsprozess seine Klagebefugnis und seine Rechtsverletzung zu begründen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Adressatentheorie, welche ihr dogmatisches Fundament primär im einfachen Recht findet und nicht in Art. 2 Abs. 1 GG. Eine signifikante Mehrbelastung der Verwaltungsgerichte geht mit dem hier vertretenen Ansatz in der Regel nicht einher. Mitunter lässt sich sogar eine erhebliche Arbeitsentlastung feststellen. Zwar kann es bei Klagen gegen adressatenlose Verwaltungsakte oder gegen schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln auch zu einer Mehrbelastung kommen, diese ist aber überschaubar und unvermeidlich, da ansonsten der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der ihm bei der Gewährung oder Versagung subjektiver öffentlicher Rechtspositionen zusteht, nicht gewahrt werden könnte. 4. Zur Bedeutung der objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess Soweit Art. 2 Abs. 1 GG objektiv-rechtliche Gehalte immanent sind, spielen diese im Verwaltungsprozess kaum eine Rolle. So kommen die von der Ausstrahlungswirkung des allgemeinen Freiheitsrechts beeinflussten §§ 138, 242 BGB vor allem im Zivilprozess zum Tragen, während sich die Schutzpflichtgehalte des Art. 2 Abs. 1 GG in erster Linie im Strafrecht auswirken. Auch die verfahrensund organisationsrechtlichen Gehalte, welche Art. 2 Abs. 1 GG vom BVerfG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip entnommen werden, können im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur selten zum Zuge kommen, da meist der speziellere Art. 19 Abs. 4 GG einschlägig ist. Derivative Teilhaberechte und originäre Leistungsrechte sind dem allgemeinen Freiheitsrecht nicht immanent. 5. Quintessenz Aufgrund der einschränkenden beziehungsweise verdrängenden Wirkung des einfachen Rechts und der Subsidiarität des allgemeinen Freiheitsrechts kann Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Eigenschaft als subjektives öffentliches Abwehrrecht im Verwaltungsprozess nur selten zum Tragen kommen. Auch den objektiv-rechtlichen Gehalten des Art. 2 Abs. 1 GG eröffnen sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur selten Anwendungsbereiche. Insgesamt ist die Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG im Verwaltungsprozess daher gering.

II. Ausblick

193

II. Ausblick Das BVerwG ist seit 1996 endgültig von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, subjektiv-rechtliche Abwehransprüche des Nachbarn im Öffentlichen Baurecht unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG herzuleiten 1. Es nimmt stattdessen verstärkt das einfache Recht in die Pflicht, welches mit Hilfe der Lehre vom baurechtlichen Rücksichtnahmegebot subjektiv-rechtlich angereichert wird 2. Auch der Anliegergebrauch vermittelt nach Ansicht der Rechtsprechung seit 1999 keine aus Art. 14 Abs. 1 GG ableitbaren Rechtspositionen mehr. Wie weit er gewährleistet ist, soll sich vielmehr nach dem einschlägigen Straßenrecht richten 3. Bezogen auf die Suche nach subjektiven öffentlichen Abwehrrechten ist daher eine deutliche Hinwendung zum einfach-gesetzlichen Normprogramm erfolgt. Dies entspricht dem Grundtenor der hier vertretenen Ansicht, welche ebenfalls stark auf das einfache Recht rekurriert und den unmittelbaren Rückgriff auf die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte im Verwaltungsprozess nur in eng umgrenzten Fällen zulässt. Daraus kann nun aber keineswegs der Schluss gezogen werden, die höchstrichterliche Judikatur sei auf dem Weg zum hier vertretenen Ansatz. Denn der Rechtsprechungswandel wurde allein mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG begründet, also mit dem Spezifikum der Normgeprägtheit dieses Grundrechts und nicht mit einer grundlegenden und allgemeingültigen Neuausrichtung der Beziehung des einfachen Rechts zum subjektiven öffentlichen Recht auf Grundrechtsebene. Zwar betont das BVerwG auch im Hinblick auf andere Freiheitsrechte, die nicht normgeprägt sind, den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts. So hat es beispielsweise im Rahmen einer Klage gegen die Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen an einen Konkurrenten ausgeführt, Art. 12 Abs. 1 GG sei nicht direkt als Schutznorm zugunsten des Klägers heranzuziehen, um seine Klagebefugnis zu begründen, weil das einfache Recht mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG bereits eine den Kläger schützende Norm enthalte und es deshalb keines Rückgriffs mehr auf Art. 12 Abs. 1 GG bedürfe 4. Jedoch wird damit lediglich der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts in den Fällen unterstrichen, in denen das einfache Recht seinerseits subjektive öffentliche Rechte gewährt. Die Sperrwirkung rein objektiv-rechtlich ausgestalteter beziehungsweise auszulegender Normen, welche ebenfalls den unmittelbaren Rückgriff auf die negatorische Defensivfunktion der Grundrechte ausschließen, wird in der Judikatur hingegen nicht thematisiert. Vielmehr wird nach wie vor unmittelbar auf Grundrechte zurückgegriffen, ohne das zuvor das einfache Recht auf seine rein objektiv-rechtlichen und damit individualrechtsschutzverneinenden Aussagegehalte geprüft wird. Anzeichen für ein Umdenken oder eine konsequente Neuausrichtung sind bislang nicht erkennbar. 1

BVerwGE 101, 364 (373). In BVerwGE 89, 69 (78) blieb dies noch offen. Vgl. BVerwGE 52, 122 (125, 129 ff.); BVerwG, DVBl. 1981, 928 (929 f.); BVerwGE 67, 334 (339); 82, 343 (347). 3 BVerwG, NVwZ 1999, 1341 (1342). 4 BVerwG, DVBl. 2000, 1614 (1615). 2

Literaturverzeichnis Achterberg, Norbert: Die Klagebefugnis – eine entbehrliche Sachurteilsvoraussetzung?, DVBl. 1981, S. 278 ff. Albers, Marion: Faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen als Schutzbereichsproblem, DVBl. 1996, S. 233 ff. Alexy, Robert: Grundrechte als subjektive Rechte und als objektive Normen, Der Staat 29 (1990), S. 49 ff. – Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, Frankfurt am Main. – Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL 61 (2002), S. 7 ff. Appel, Rudolf: Grundrechte als Grundlage von Rechten im Sinne des § 42 II VwGO, 1974, München. Axer, Peter: Nebenbestimmungen im Verwaltungsrecht, Jura 2001, S. 748 ff. Bachof, Otto: Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Otto Bachof / Martin Drath / Otto Gönnenwein / Ernst Walz (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, 1955, München, S. 287 ff. Bader, Johann / Funke-Kaiser, Michael / Kuntze, Stefan / Albedyll, Jörg v.(Hrsg.): Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2007, Heidelberg. Badura, Peter: Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, München. – Grundrechte und Wirtschaftsordnung, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band II (Grundrechte in Deutschland: Allgemeine Lehren I), 2006, Heidelberg, § 29, S. 221 ff. Badura, Peter / Huber, Peter M.: Öffentliches Wirtschaftsrecht, in: Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, Berlin, 3. Kap., S. 277 ff. Battis, Ulrich: Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2002, Heidelberg. Bauer, Hartmut: Der Gesetzesvorbehalt im Subventionsrecht, DÖV 1983, S. 53 ff. – Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, Berlin. – Subjektive öffentliche Rechte des Staates, DVBl. 1986, S. 208 ff. – Die Schutznormtheorie im Wandel, in: Dirk Heckmann / Klaus Messerschmidt (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, Berlin, S. 113 ff. – Altes und Neues zur Schutznormtheorie, AöR 113 (1988), S. 582 ff.

Literaturverzeichnis

195

– Zum Grundrechtsschutz für die berufliche Betätigung von Ausländern, NVwZ 1990, S. 1152 ff. Bauer, Hartmut / Kahl, Wolfgang: Europäische Unionsbürger als Träger von DeutschenGrundrechten?, JZ 1995, S. 1077 ff. Bauer, Martin / Böhle, Thomas / Ecker, Gerhard: Bayerische Kommunalgesetze, Loseblattsammlung, 86 Ergänzungslieferung, München. Baur, Fritz / Baur, Jürgen F. / Stürner, Rolf: Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, München. Benda, Ernst: Gegenwind und Kreuzseen, NJW 1997, S. 560 ff. Benda, Ernst / Klein, Eckart (Hrsg.): Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl. 2001, Heidelberg. Benda, Ernst / Maihofer, Werner / Vogel, Hans-Jochen (Hrsg.): Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, Berlin / New York. Berg, Wilfried: Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, 1968, Berlin / Frankfurt am Main. – Staatsrecht, 5. Aufl. 2007, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden. Berger, Ulrich G.: Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, Köln/Berlin/Bonn/ München. Bernhardt, Rudolf: Zur Anfechtung von Verwaltungsakten durch Dritte, JZ 1963, S. 302 ff. Bethge, Herbert: Grundrechtsprobleme einer Zwangsmitgliedschaft in Verbänden des öffentlichen Rechts, JA 1979, S. 281 ff. – Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), S. 7 ff. –

Die Grenzen grundrechtlicher Subjektivierung objektiven Verfassungsrechts, in: Otto Depenheuer / Markus Heintzen / Matthias Jestaedt / Peter Axer (Hrsg.), Staat im Wort, Festschrift für Josef Isensee, 2007, Heidelberg, S. 613 ff.

Bettermann, Karl August / Nipperdey, Hans Carl (Hrsg.): Die Grundrechte, Band IV/2, 2. Aufl. 1972, Berlin. Bettermann, Karl August / Nipperdey, Hans Carl / Scheuner, Ulrich (Hrsg.): Die Grundrechte, Band III/1, 2. Aufl. 1972, Berlin. Birk, Dieter: Zur Problematik individueller Rechtsverletzung wegen nicht stattgefundener förmlicher Planung, NuR 1982, S. 1 ff. Blankenagel, Alexander: Klagefähige Rechtspositionen im Umweltrecht, DV 26 (1993), S. 1 ff. Bleckmann, Albert: Subventionsrecht, 1978, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz. – Staatsrecht II – Die Grundrechte, 4. Aufl. 1997, Köln/Berlin/Bonn/München. Bleckmann, Albert / Eckhoff, Rolf: Der »mittelbare« Grundrechtseingriff, DVBl. 1988, S. 373 ff.

196

Literaturverzeichnis

Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, in: ErnstWolfgang Böckenförde / Jürgen Jekewitz / Thilo Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1981, Heidelberg/Karlsruhe, S. 7 ff. – Staat, Verfassung, Demokratie, 2. Aufl. 1992, Frankfurt am Main. – Verfassungsgerichtsbarkeit: Strukturfragen, Organisation, Legitimation, NJW 1999, S. 9 ff. Borowski, Martin: Grundrechtliche Leistungsrechte, JöR 50 (2002), S. 301 ff. Bothe, Michael: Die Entscheidungen zwischen öffentlich-rechtlich geschützten Positionen Privater durch Verwaltung und Gerichte, JZ 1975, S. 399 ff. Brandt, Jürgen / Sachs, Michael (Hrsg.): Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 2. Aufl. 2003, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden. Brenner, Michael: Der Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen, JuS 1996, S. 281 ff. Breuer, Rüdiger: Grundrechte als Anspruchsnormen, in: Otto Bachof / Ludwig Heigl / Konrad Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, München, S. 89 ff. – Freiheit des Berufs, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI (Freiheitsrechte), 2. Aufl. 2001, Heidelberg, § 147, S. 877 ff. Britz, Gabriele: Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, Tübingen. Brohm, Winfried: Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), S. 245 ff. – Die Konkurrentenklage, in: Hans-Uwe Erichsen / Werner Hoppe / Albert v. Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für ChristianFriedrich Menger zum 70. Geburtstag, 1985, Köln/Berlin/Bonn/München, S. 235 ff. Brüning, Christoph: Ist die Rechtsprechung zur isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen wieder vorhersehbar?, NVwZ 2002, S. 1081 f. – Die Konvergenz der Zulässigkeitsvoraussetzungen der verschiedenen verwaltungsgerichtlichen Klagearten, JuS 2004, S. 882 ff. Büchner, Volker: Die Bestandskraft verwaltungsrechtlicher Verträge, 1979, Düsseldorf. Bühler, Ottmar: Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, Berlin/Stuttgart/Leipzig. – Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, 3. Aufl. 1929, Leipzig. Bull, Hans Peter / Mehde, Veith: Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 7. Aufl. 2005, Heidelberg. Burgi, Martin: Erholung in freier Natur, 1993, Berlin. – Das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung durch einfaches Gesetz, ZG 9 (1994), S. 341 ff.

Literaturverzeichnis

197

Busch, Tobias: Subventionsrecht in der Rechtsprechung, JuS 1992, S. 563 ff. Calliess, Christian: Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, Tübingen. Crass, Normen: Der öffentliche Auftraggeber, 2004, München. Cremer, Hans-Joachim: Der Osho-Beschluss des BVerfG – BVerfGE 105, 279, JuS 2003, S. 747 ff. Cremer, Wolfram: Gewinnstreben als öffentliche Unternehmen legitimierender Zweck: Die Antwort des Grundgesetzes, DÖV 2003, S. 921 ff. Degenhart, Christoph: Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, JuS 1990, S. 161 ff. Dehler, Thomas: Zur Entstehungsgeschichte des Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, JZ 1960, S. 727 ff. Denninger, Erhard / Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schneider, Hans-Peter / Stein, Ekkehart (Hrsg.): Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Band 1 (Verfassungstext, Einleitung I und II, Präambel, Art. 1–17 a), Loseblattsammlung, 3. Ergänzungslieferung, Neuwied Kriftel; Band 2 (Art. 18–53), Loseblattsammlung, 3. Ergänzungslieferung, Neuwied Kriftel; Band 3 (Art. 53 a – 146), Loseblattsammlung, 3. Ergänzungslieferung, Neuwied Kriftel. Di Fabio, Udo: Grundrechte im präzeptoralen Staat am Beispiel hoheitlicher Informationstätigkeit, JZ 1993, S. 689 ff. Dietlein, Johannes: Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 2. Aufl. 2005, Berlin. Dietz, Andreas: Ausnahmegenehmigungen zum Schächten aufgrund § 4a TierSchG, NuR 2003, S. 477 ff. Dirnberger, Franz: Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, Berlin. Discher, Thomas: Mittelbarer Eingriff, Gesetzesvorbehalt, Verwaltungskompetenz: Die Jugendsekten-Entscheidungen – BVerwGE 82, 76; BVerwG, NJW 1991, 1770; 1992, 2496; BVerfG, NJW 1989, 3269, JuS 1993, S. 463 ff. Dolde, Klaus-Peter: Die politischen Rechte der Ausländer in der Bundesrepublik, 1972, Berlin. Dolderer, Michael: Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, Berlin. Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus / Graßhof, Karin (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 4 (Art. 15 –19), Loseblattsammlung, 131. Ergänzungslieferung, Heidelberg; Band 5 (Art. 20 – 37), Loseblattsammlung, 131. Ergänzungslieferung, Heidelberg. Dreier, Horst: Dimensionen der Grundrechte, 1993, Hannover. – Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte, Jura 1994, S. 505 ff. – Grundrechtsdurchgriff contra Gesetzesbindung?, DV 36 (2003), S. 105 ff.

198

Literaturverzeichnis

– (Hrsg.), Grundgesetz, Band I (Präambel, Art. 1–19), 2. Aufl. 2004, Tübingen; Band III (Art. 83 – 146), 2000, Tübingen. Dürig, Günter: Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, AöR 81 (1956), S. 117 ff. – Anmerkung zu BVerfG, JZ 1957, S. 167 ff., JZ 1957, S. 169 ff. Duttge, Gunnar: Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozeßrecht, 1995, BadenBaden. – Freiheit für alle oder allgemeine Handlungsfreiheit?, NJW 1997, S. 3353 ff. Eckhoff, Rolf: Der Grundrechtseingriff, 1992, Köln/Berlin/Bonn/München. Ehlers, Dirk: Die Klagearten und besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen im Kommunalverfassungsstreitverfahren, NVwZ 1990, S. 105 ff. – Die Weiterentwicklung des Staatshaftungsrechts durch das europäische Gemeinschaftsrecht, JZ 1996, S. 776 ff. – Rechtsprobleme der Kommunalwirtschaft, DVBl. 1998, S. 497 ff. – Die Befugnis natürlicher und juristischer Personen zur Beantragung einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, in: Wilfried Erbguth / Janbernd Oebbecke / HansWerner Rengeling / Martin Schulte (Hrsg.), Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, München, S. 1041 ff. – Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Hans-Uwe Erichsen / Dirk Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, Berlin, S. 1 ff. Ehmke, Horst: Prinzipien der Verfassungsinterpretation, VVDStRL 20 (1963), S. 53 ff. Epping, Volker: Grundrechte, 3. Aufl. 2007, Berlin / Heidelberg / New York. Erbel, Günter: Das Sittengesetz als Schranke der Grundrechte, 1971, Berlin. Erdemir, Murad: Wirtschaftsverfassungsrecht, JA 1996, S. 927 ff. Erichsen, Hans-Uwe: Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 3. Aufl. 1982, München. – Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, Jura 1987, S. 367 ff. – Die Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO, Jura 1989, S. 220 f. – Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (II), Jura 1991, S. 638 ff. – Die Allgemeine Leistungsklage, Jura 1992, S. 384 ff. – Konkurrentenklagen im Öffentlichen Recht, Jura 1994, S. 385 ff. – Allgemeine Handlungsfreiheit, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI (Freiheitsrechte), 2. Aufl. 2001, Heidelberg, § 152, S. 1185 ff. Eyermann, Erich: Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, München. Faber, Angela: Gesundheitliche Gefahren des Tabakrauchens und staatliche Schutzpflichten, DVBl. 1998, S. 745 ff.

Literaturverzeichnis

199

Fehling, Michael / Kastner, Berthold / Wahrendorf, Volker (Hrsg.): Verwaltungsrecht VwVfG · VwGO, 2006, Baden-Baden. Fehn, Bernd J.: Die isolierte Auflagenanfechtung, DÖV 1988, S. 202 ff. Finkelnburg, Klaus / Ortloff, Karsten-Michael: Öffentliches Baurecht, Band II (Bauordnungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsschutz), 5. Aufl. 2005, München. Fleury, Roland: Verfassungsprozessrecht, 6. Aufl. 2004, München/Unterschleißheim. Fluck, Jürgen: Grundrechtliche Schutzpflichten und Gentechnik, UPR 1990, S. 81 ff. Fohmann, Lothar H.: Konkurrenzen und Kollisionen im Grundrechtsbereich, EuGRZ 1985, S. 49 ff. Franz, Thorsten: Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, Tübingen. Frentzel, Gerhard / Jäkel, Ernst / Junge, Werner: Industrie- und Handelskammergesetz, 6. Aufl. 1999, Köln. Frers, Dirk: Die Nachbarklage im Gewerberecht, GewArch 1989, S. 73 ff. Friauf, Karl Heinrich: Die Freiheit des Berufes nach Art. 12 Abs. 1 GG, JA 1984, S. 537 ff. Friauf, Karl Heinrich / Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 1 (Art. 1–15), Loseblattsammlung, 20. Ergänzungslieferung, Berlin; Band 2 (Art. 16 – 37), Loseblattsammlung, 20. Ergänzungslieferung, Berlin. Friehe, Heinz-Josef: Das Abwehrrecht des Wettbewerbers gegen die Subventionierung eines Konkurrenten, JuS 1981, S. 867 ff. Frotscher, Werner: Grundfälle zum Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschafts-verwaltungsrecht, JuS 1984, S. 692 ff. Gallwas, Hans-Ullrich: Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, Berlin. – Grundrechte, 2. Aufl. 1995, Neuwied, Kriftel, Berlin. Gassner, Erich: Anfechtungsrechte Dritter und »Schutzgesetze«, DÖV 1981, S. 615 ff. Gassner, Erich / Bendomir-Kahlo, Gabriele / Schmidt-Räntsch, Annette / Schmidt-Räntsch, Jürgen (Hrsg.): Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. 2003, München. Gerke, Jürgen: Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, Jura 1985, S. 349 ff. Gern, Alfons: Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Baden-Baden. Groeschke, Peer: Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch aufgrund der unrechtmäßigen Subventionierung von Konkurrenten, BB 1995, S. 2329 ff. Grün, Beate: Das Ende der strengen BGH-Haftungsrechtsprechung bei Bürgschaften leistungsunfähiger junger Erwachsener, NJW 1994, S. 2935 ff. Gurlit, Elke: Die Klagebefugnis des Adressaten im Verwaltungsprozess, DV 28 (1995), S. 449 ff.

200

Literaturverzeichnis

Gusy, Christoph: Öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Staat und Bürgern, DVBl. 1983, S. 1222 ff. – Subventionsrecht (Teil 2), JA 1991, S. 327 ff. Haas, Diether: Freie Entfaltung der Persönlichkeit, DÖV 1954, S. 70 ff. Häberle, Peter: Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff. – Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II (Verfassungsstaat), 3. Aufl. 2004, Heidelberg, § 22, S. 317 ff. Hailbronner, Kay: Ausländerrecht und Verfassung, NJW 1983, S. 2105 ff. Hamann, Andreas: Zur Rechtsprechung zu den Artikeln 2 und 3 des Bonner Grundgesetzes, DÖV 1952, S. 132 ff. – „Die verfassungsmäßige Ordnung“, BB 1957, S. 229 ff. Hamel, Walter: Die Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, 1957, Berlin. Hauck, Ronny: Dabeisein ist alles . . . – Der Rechtsschutz privater Unternehmen gegen die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb, WRP 2006, S. 323 ff. Haverkate, Görg: Rechtsfragen des Leistungsstaats, 1983, Tübingen. Heintschel von Heinegg, Wolff / Haltern, Ulrich R.:Grundrechte als Leistungsansprüche des Bürgers gegenüber dem Staat, JA 1995, S. 333 ff. Henke, Wilhelm: Zur Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, in: Hans Schneider / Volkmar Götz (Hrsg.), Im Dienst an Recht und Staat, Festschrift für Werner Weber zum 70. Geburtstag, 1974, Berlin, S. 495 ff. Hentschel, Peter: Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, München. Hesse, Ernst: Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 I GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmässigen Ordnung“, 1968, Berlin. Hesse, Konrad: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Heidelberg. Hillgruber, Christian: Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992, München. Hipp, Anette / Hufeld, Ulrich: Grundfälle zur Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß, JuS 1998, S. 802 ff. Hochhuth, Martin: Lückenloser Freiheitsschutz und die Widersprüche des Art. 2 Abs. 1 GG, JZ 2002, S. 743 ff. Hoffmann, Michael: Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, 1969, Berlin. Hoffmann-Becking, Michael: Zum Stand der Lehre vom Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung, DVBl. 1970, S. 850 ff.

Literaturverzeichnis

201

– Der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung – BVerwGE 39, 235, JuS 1973, S. 615 ff. Hoffmann-Riem, Wolfgang: Enge oder weite Gewährleistungsgehalte der Grundrechte?, in: Michael Bäuerle / Alexander Hanebeck / Carola Hausotter / Matthias Mayer / Jörg Mohr / Michael Mors / Kara Preedy / Astrid Wallrabenstein (Hrsg.), Haben wir wirklich Recht?, Beiträge zum Kolloquium anlässlich des 60. Geburtstags von Brun-Otto Bryde, 2004, Baden-Baden, S. 53 ff. – Grundrechtsanwendung unter Rationalitätsanspruch, Der Staat 43 (2004), S. 203 ff. Höfling, Wolfram: Kopernikanische Wende rückwärts?, in: S. Muckel (Hrsg.), Kirche und Religion im sozialen Rechtsstaat, Festschrift für Wolfgang Rüfner zum 70. Geburtstag, 2003, Berlin, S. 329 ff. Hömig, Dieter (Hrsg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. 2007, Baden-Baden. Hoppe, Werner: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, in: Hans-Uwe Erichsen / Helmut Kollhosser / Jürgen Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, Berlin, S. 73 ff. Horn, Hans-Detlef: Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, Tübingen. Hösch, Ulrich: Probleme der wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Konkurrentenklage, DV 30 (1997), S. 211 ff. – Die Nachprüfung von Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hand, BayVBl. 1997, S. 193 ff. Huber, Ernst Rudolf: Der Streit um das Wirtschaftsverfassungsrecht (II), DÖV 1956, S. 135 ff. Huber, Peter-Michael: Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, Tübingen. – Der Schutz des Bieters im öffentlichen Auftragswesen unterhalb der sog. Schwellenwerte, JZ 2000, S. 877 ff. – Die Informationstätigkeit der öffentlichen Hand – ein grundrechtliches Sonderregime aus Karlsruhe?, JZ 2003, S. 290 ff. Hufen, Friedhelm: Zur Systematik der Folgen von Verfahrensfehlern – eine Bestandsaufnahme nach zehn Jahren VwVfG, DVBl. 1988, S. 69 ff. – Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, S. 1504 ff. – Schutz der Persönlichkeit und Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in: Peter Badura / Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II (Klärung und Fortbildung des Verfassungsrechts), 2001, Tübingen, S. 105 ff. – Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl. 2002, Baden-Baden. – Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, München.

202

Literaturverzeichnis

Hufen, Friedhelm / Bickenbach, Christian: Der Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt, JuS 2004, S. 867 ff. Hutzelmann, Helmut: Die prozessuale Bedeutung des Elfes-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, 32), 1970. Ipsen, Hans Peter: Subventionen, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV (Finanzverfassung – Bundesstaatliche Ordnung), 2. Aufl. 1999, Heidelberg, § 92, S. 357 ff. Ipsen, Jörn: Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980, BadenBaden. – Gesetzliche Einwirkungen auf grundrechtlich geschützte Rechtsgüter, JZ 1997, S. 473 ff. – Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2007, Köln/München. – Staatsrecht II – Grundrechte, 9. Aufl. 2006, Neuwied. – Rechtsschutz gegen kommunale Wirtschaftstätigkeit, ZHR 170 (2006), S. 422 ff. Isensee, Josef: Die staatsrechtliche Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, VVDStRL 32 (1974), S. 49 ff. – Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), 2. Aufl. 2000, Heidelberg, § 111, S. 143 ff. Jahn, Ralf: Vom Bekenntnis zur IHK-Pflichtmitgliedschaft, GewArch 1998, S. 453 ff. – Zur Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Körperschaften – BVerwG, NJW 1998, 3510, JuS 2000, S. 129 ff. – IHK statt Staat – Das Bundesverfassungsgericht und die IHK-Pflichtmitgliedschaft, GewArch 2002, S. 98 ff. Jakobs, Michael Ch.:Rechtsfragen des Subventionswesens, BayVBl. 1985, S. 353 ff. Janiszewski, Horst / Jagow, Joachim / Burmann, Michael: Straßenverkehrsrecht, 19. Auflage 2006, München. Jarass, Hans D.:Das Recht der Wirtschaftssubventionen, JuS 1980, S. 115 ff. – Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 473 ff. – Bausteine einer umfassenden Grundrechtsdogmatik, AöR 120 (1995), S. 345 ff. – Zum Grundrecht auf Bildung und Ausbildung, DÖV 1995, S. 674 ff. – Die Grundrechte: Abwehrrechte und objektive Grundsatznormen, in: Peter Badura / Horst Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II (Klärung und Fortbildung des Verfassungsrechts), 2001, Tübingen, S. 35 ff. Jarass, Hans D. / Pieroth, Bodo (Hrsg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl. 2007, München.

Literaturverzeichnis

203

Jeand’Heur, Bernd: Grundrechte im Spannungsverhältnis zwischen subjektiven Freiheitsgarantien und objektiven Grundsatznormen, JZ 1995, S. 161 ff. Jellinek, Georg: System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1919, Tübingen. Jestaedt, Matthias: Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, Tübingen. Jung, Doris: Rechtsfragen der Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Zwangsverbänden, JA 1984, S. 467 ff. Kahl, Wolfgang: Die Schutzergänzungsfunktion von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 2000, Tübingen. – Vom weiten Schutzbereich zum engen Gewährleistungsgehalt, Der Staat 43 (2004), S. 167 ff. – „Zwei Gemeinden und ein Industriegebiet“, JA 2005, S. 280 ff. – Neuere Entwicklungslinien der Grundrechtsdogmatik, AöR 131 (2006), S. 579 ff. Klein, Franz: Handlungsfreiheit als Grundrecht, BayVBl. 1971, S. 125 ff. Klein, Hans H.: Die grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, 489 ff. Kluth, Winfried: IHK-Pflichtmitgliedschaft weiterhin mit dem Grundgesetz vereinbar, NVwZ 2002, S. 298 ff. Knack, Hans Joachim: Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2004, Köln/Berlin/Bonn/ München. Knemeyer, Franz-Ludwig: Bayerisches Kommunalrecht, 10. Aufl. 2000, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden. Knies, Wolfgang: Redebeitrag im Rahmen der Aussprache zum Beratungsgegenstand „Der Grundrechtseingriff“, VVDStRL 57 (1998), S. 149 ff. Koch, Hans-Joachim / Rubel, Rüdiger / Heselhaus, F. Sebastian M.:Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2003, München/Unterschleißheim. Koch, Thorsten: Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000, Tübingen. Kodal, Kurt / Krämer, Helmut (Hrsg.): Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, München. König, Sigurd: Drittschutz, 1993, Berlin. Konrad, Christian: Nachbarschutz aus bauplanungsrechtlichen Vorschriften, JA 1997, S. 505 ff. Kopp, Ferdinand O. / Ramsauer, Ulrich: Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2005, München. Kopp, Ferdinand O. / Schenke, Wolf-Rüdiger: Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2007, München. Krebs, Walter: Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, Berlin. – Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, Heidelberg.

204

Literaturverzeichnis

– Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Hans-Uwe Erichsen / Werner Hoppe / Albert v. Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, 1985, Köln/Berlin/ Bonn/München, S. 191 ff. – Öffentlich-rechtlicher Drittschutz im Bauplanungsrecht, in: Wilfried Erbguth / Janbernd Oebbecke / Hans-Werner Rengeling / Martin Schulte (Hrsg.), Planung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000, München, S. 1055 ff. Kube, Hanno: Die Elfes-Konstruktion, JuS 2003, S. 111 ff. Kuhla, Wolfgang / Hüttenbrink, Jost / Endler, Jan: Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, München. Kukk, Alexander: Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), 2000, Stuttgart/Berlin/Köln. Lackner, Karl / Kühl, Kristian: Strafgesetzbuch, 26. Aufl. 2007, München. Laubinger, Hans-Werner: Die Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen, VerwA 73 (1982), S. 345 ff. Lechner, Hans / Zuck, Rüdiger: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2006, München. Lege, Joachim: Nochmals: Staatliche Warnungen, DVBl. 1999, S. 569 ff. – Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG, Jura 2002, S. 753 ff. Lerche, Peter: Stil, Methode, Ansicht, DVBl. 1961, S. 690 ff. – Die Verfassung in der Hand der Verfassungsgerichtsbarkeit?, BayVBl. 1997, Heft 17 VI ff. – Verfassungsmäßige Ordnung (Art. 2 Abs. 1 GG) und Gemeinschaftsrecht. Ausgewählte Fragen, in: Hans-Detlef Horn (Hrsg.), Recht im Pluralismus, Festschrift für Walter Schmitt Glaeser zum 70. Geburtstag, 2003, Berlin, S. 41 ff. Lindner, Josef Franz: Die gleichheitsrechtliche Dimension des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG), NJW 1998, S. 1208 ff. – Zur grundrechtsdogmatischen Struktur der Wettbewerbsfreiheit, DÖV 2003, S. 185 ff. – „Grundrechtseingriff“ oder „grundrechtswidriger Effekt“?, DÖV 2004, S. 765 ff. – Theorie der Grundrechtsdogmatik, 2005, Tübingen. Lorenz, Annegret: Vollzugsdefizite im Umweltrecht, UPR 1991, S. 253 ff. Lorenz, Dieter: Verwaltungsprozeßrecht, 2000, Berlin/Heidelberg. – Allgemeine Handlungsfreiheit und unbenannte Freiheitsrechte, in: Max-Emanuel Geis / Dieter Lorenz (Hrsg.), Staat · Kirche · Verwaltung, Festschrift für Hartmut Maurer zum 70. Geburtstag, 2001, München, S. 213 ff. Löwer, Wolfgang: Verfassungsrechtsdogmatische Grundprobleme der Pflichtmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern, GewArch 2000, S. 89 ff.

Literaturverzeichnis

205

– Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 416 ff. Lübbe-Wolff , Gertrude: Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, Baden-Baden. – Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993, S. 217 ff. Lüdemann, Jörn: Die verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, JuS 2004, S. 27 ff. Luhmann, Niklas: Grundrechte als Institution, 4. Aufl. 1999, Berlin. Mangoldt, Hermann v. / Klein, Friedrich: Das Bonner Grundgesetz, Band I, 2. Aufl. 1957, Berlin / Frankfurt am Main. Mangoldt, Hermann v. / Klein, Friedrich / Starck, Christian (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz, Band 1 (Präambel, Art. 1–19), 5. Aufl. 2005, München; Band 2 (Art. 20–82), 5. Aufl. 2005, München; Band 3 (Art. 83 – 146), 5. Aufl. 2005, München. Manssen, Gerrit: Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, 1994, Tübingen. – Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl. 2007, München. Martens, Wolfgang: Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 7 ff. Marzik, Ulf / Wilrich, Thomas (Hrsg.): Bundesnaturschutzgesetz, 2004, Baden-Baden. Masing, Johannes: Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I (Methoden · Maßstäbe · Aufgaben · Organisation), 2006, München, § 7, S. 391 ff. Matz, Werner: Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes (Einleitung, Überschrift, Präambel, Artikel 1 bis 37, 74 und 75, gestrichene Artikel zu Abschnitt I und II), JöR 1 (1951), S. 1 ff., 483 ff. Maunz, Theodor / Dürig, Günter: Grundgesetz, Band I (Art. 1–5), Loseblattsammlung, 49. Ergänzungslieferung, München; Band II (Art. 6–16 a), Loseblattsammlung, 49. Ergänzungslieferung, München; Band III (Art. 17–27), Loseblattsammlung, 49. Ergänzungslieferung, München. Maunz, Theodor / Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz / Bethge, Herbert (Hrsg.): Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Band 2 (§ 58 – § 107), Loseblattsammlung, 26. Ergänzungslieferung, München. Maurer, Hartmut: Gemeingebrauch und Anliegernutzung im Straßenrecht, DÖV 1975, S. 217 ff. – Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, München. – Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, München. Mayer, Franz: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung richterlicher Kontrolle gegenüber jeglicher Rechtsetzung, in: Heinrich Kipp / Franz Mayer / Armin Steinkamm (Hrsg.), Um Recht und Freiheit, Festschrift für Friedrich August Freiherr von der Heydte zur Vollendung des 70. Lebensjahres, 1977, Berlin, S. 1067 ff. Meessen, Karl Matthias: Das Grundrecht der Berufsfreiheit, JuS 1982, S. 397 ff.

206

Literaturverzeichnis

Merten, Detlef: Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, JuS 1976, S. 345 ff. – Vereinsfreiheit, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI (Freiheitsrechte), 2. Aufl. 2001, Heidelberg, § 144, S. 775 ff. Michalski, Lutz: Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2005, Heidelberg. Miebach, Peter: Die negative öffentlichrechtliche Konkurrentenklage im wirtschaftlichen Wettbewerb, JuS 1987, S. 956 ff. Model, Otto / Müller, Klaus: Grundgesetz, 11. Aufl. 1996, Köln/Berlin/Bonn/München. Morgenthaler, Gerd: Freiheit durch Gesetz, 1999, Tübingen. Morlok, Martin: Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, Tübingen. Muckel, Stefan: Der Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, JuS 2000, S. 132 ff. Müller, Jürgen: Auswirkungen der unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter des Art. 2 Abs. 1 GG und zu dessen Schranken, 1970. Münch, Ingo v. / Kunig, Philip (Hrsg.): Grundgesetz-Kommentar, Band 1 (Präambel – Art. 19), 5. Aufl. 2000, München; Band 2 (Art. 20 bis Art. 69), 5. Aufl. 2001, München; Band 3 (Art. 70 bis Art. 146 und Gesamtregister), 5. Aufl. 2003, München. Murswiek, Dietrich: Grundfälle zur Vereinigungsfreiheit – Art. 9 I, II GG, JuS 1992, S. 116 ff. – Staatliche Warnungen, Wertungen, Kritik als Grundrechtseingriffe, DVBl. 1997, S. 1021 ff. – Grundrechte als Teilhaberechte, soziale Grundrechte, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), 2. Aufl. 2000, Heidelberg, § 112, S. 243 ff. – Das Bundesverfassungsgericht und die Dogmatik mittelbarer Grundrechtseingriffe, NVwZ 2003, S. 1 ff. Mutius, Albert: Die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 1 GG, Jura 1984, S. 193 ff. – Die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG, Jura 1988, S. 30 ff. Obermayer, Klaus: Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, Neuwied Kriftel. Ortloff, Karsten-Michael: Die Entwicklung des Bauordnungsrechts, NVwZ 1998, S. 581 ff. Ossenbühl, Fritz: Die Freiheiten des Unternehmers nach dem Grundgesetz, AöR 115 (1990), S. 1 ff. Otte, Wolfgang: Individualrechtsschutz im Straßenrecht, NWVBl. 1996, S. 41 ff. Pagenkopf, Martin: Einige Betrachtungen zu den Grenzen für privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden – Grenzen für die Grenzzieher?, GewArch 2000, S. 177 ff. Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, München.

Literaturverzeichnis

207

Papier, Hans-Jürgen: „Spezifisches Verfassungsrecht“ und „Einfaches Recht“ als Argumentationsformel des Bundesverfassungsgerichts, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band I, 1976, Tübingen, S. 432 ff. – Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI (Freiheitsrechte), 2. Aufl. 2001, Heidelberg, § 154, S. 1233 ff. – Grundrechtsschutz für Verkehrsteilnehmer, DAR 2002, S. 532 ff. Peine, Franz-Joseph: Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Heidelberg. Pelka, Jürgen: Die Verletzung des Grundrechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. I GG) durch einen rechtswidrigen Steuerbescheid, DVBl. 1970, S. 887 ff. Peters, Hans: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit als Verfassungsziel, in: Dimitri S. Constantopoulos / Hans Wehberg (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des internationalen Rechtes und der Rechtsphilosophie, Festschrift für Rudolf Laun zu seinem 70. Geburtstag, 1953, Hamburg, S. 669 ff. – Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1963, Köln/Opladen. – Die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, BayVBl. 1965, S. 37 ff. Philipp, Albrecht: Arzneimittellisten und Grundrechte, 1995, Berlin. Pieroth, Bodo: Der Wert der Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG, AöR 115 (1990), S. 33 ff. Pieroth, Bodo / Hartmann, Bernd J.: Grundrechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, DVBl. 2002, S. 421 ff. Pieroth, Bodo / Schlink, Bernhard: Grundrechte – Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, Heidelberg. Pietzcker, Jost: Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum vorläufigen Rechtsschutz im Ausländerrecht, JZ 1975, S. 435 ff. – Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, JuS 1979, S. 710 ff. – „Grundrechtsbetroffenheit“ in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik, in: Günter Püttner (Hrsg.), Festschrift für Otto Bachof zum 70. Geburtstag, 1984, München, S. 131 ff. – Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen – unlösbar?, NVwZ 1995, S. 15 ff. – Gerichtsschutz im Unterschwellenbereich und Tariftreueklauseln – zwei klärende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, ZfBR 2007, S. 131 ff. Poscher, Ralf: Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, Tübingen. Puhl, Thomas: Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 456 ff.

208

Literaturverzeichnis

Pünder, Hermann: Zu den Vorgaben des grundgesetzlichen Gleichheitssatzes für die Vergabe öffentlicher Aufträge, VerwA 95 (2004), S. 38 ff. Rahner, Thomas: Auswirkungen der Neufassung des § 121 HGO auf die Praxis der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen in Hessen, HGZ 2006, S. 70 ff. Ramsauer, Ulrich: Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, Berlin. – Die Rolle der Grundrechte im System der subjektiven öffentlichen Rechte, AöR 111 (1986), S. 501 ff. Rauschning, Dietrich: Staatsaufgabe Umweltschutz, VVDStRL 38 (1980), S. 167 ff. Redeker, Konrad / Oertzen, Hans-Joachim v.:Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2004, Stuttgart. Reich, Andreas: Magdeburger Kommentar zum Grundgesetz, 1998, Bad Honnef. Robbers, Gerhard: Sicherheit als Menschenrecht, 1987, Baden-Baden. Rodi, Michael: Die Subventionsrechtsordnung, 2000, Tübingen. Roth, Andreas: Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, Berlin. Roth, Wolfgang: Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, Berlin. Röthel, Anne: Anmerkung zu BVerwG, JZ 1999, S. 787 ff., JZ 1999, S. 789 ff. Rüfner, Wolfgang: Grundrechtsträger, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), 2. Aufl. 2000, Heidelberg, § 116, S. 485 ff. Rupp, Hans Heinrich: Kommentare zur Verwaltungsgerichtsordnung, AöR 88 (1963), S. 479 ff. – Das Grundrecht der Berufsfreiheit, NJW 1965, S. 993 ff. Rüssel, Ulrike: Faktische Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit, JA 1998, S. 406 ff. Ruthig, Josef / Storr, Stefan (Hrsg.): Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005, Heidelberg. Sachs, Michael: Ausländergrundrechte im Schutzbereich von Deutschengrundrechten, BayVBl. 1990, S. 385 ff. – Die relevanten Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, S. 303 ff. – Verfassungsrecht II – Grundrechte, 2. Aufl. 2003, Berlin/Heidelberg. – Abwehrrechte, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band II (Grundrechte in Deutschland: Allgemeine Lehren I), 2006, Heidelberg, § 39, S. 655 ff. – (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, München. Säcker, Franz Jürgen / Rixecker, Roland (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1 1. Halbband (§§ 1 – 240 ProstG), 5. Aufl. 2006, München.

Literaturverzeichnis

209

Sauthoff, Michael: Die Klagebefugnis drittbetroffener Privater gegen Fachplanungen, BauR 2000, S. 195 ff. – Straße und Anlieger, 2003, München. Schätzler, J.-G.:Bundesverfassungsgericht und verfassungsmäßige Ordnung, NJW 1957, S. 818 f. Schechinger, H. Peter: Rechtsverletzung und Schutznorm im Anfechtungsprozeß Privater gegen Straßenplanungen, DVBl. 1991, S. 1182 ff. Schenke, Wolf-Rüdiger: Das Grundrecht des Art. 2 I GG, JuS 1987, S. L 65 ff. – Eine unendliche Geschichte: Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen, in: Rolf Stober (Hrsg.), Recht und Recht, Festschrift für Gerd Roellecke zum 70. Geburtstag, 1997, Stuttgart/Berlin/Köln, S. 281 ff. – Anmerkung zu OVG Münster, DVBl. 1997, S. 852 f., DVBl. 1997, S. 853 ff. – Die Antragsbefugnis natürlicher und juristischer Personen im Normenkontrollverfahren gem. § 47 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. n. F. VwGO, VerwA 90 (1999), S. 301 ff. – Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2005, Heidelberg. Scherzberg, Arno: „Objektiver“ Grundrechtsschutz und subjektives Grundrecht, DVBl. 1989, S. 1128 ff. – Wertkonflikte vor dem Bundesverfassungsgericht – zur Bewältigung politisch-moralischer Streitfragen im Verfassungsprozeß, DVBl. 1999, S. 356 ff. – Subjektiv-öffentliche Rechte, in: Hans-Uwe Erichsen / Dirk Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2006, Berlin, S. 331 ff. Scherzberg, Arno / Mayer, Matthias: Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (Teil 2), Jura 2004, S. 513 ff. Scheuner, Ulrich: Pressefreiheit, VVDStRL 22 (1965), S. 1 ff. Schilling, Theodor: Der »unfreiwillige« Vertrag mit der öffentlichen Hand, VerwA 87 (1996), S. 191 ff. Schimpf, Christian: Der verwaltungsrechtliche Vertrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Rechtswidrigkeit, 1982, Berlin. Schlacke, Sabine: Konkurrentenklagen gegen die Wirtschaftstätigkeit von Gemeinden, JA 2002, S. 48 ff. Schlaich, Klaus / Korioth, Stefan: Das Bundesverfassungsgericht, 7. Aufl. 2007, München. Schlette, Volker: Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, Tübingen. – Die Klagebefugnis – § 42 II VwGO, Jura 2004, S. 90 ff. Schlichter, Otto: Stand und Entwicklungstendenzen des baurechtlichen Nachbarschutzes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ZfBR 1978, S. 12 ff. Schliesky, Utz: Einwirkungen des Staates auf den Wettbewerb, JA 1997, S. 902 ff.

210

Literaturverzeichnis

– Über Notwendigkeit und Gestalt eines Öffentlichen Wettbewerbsrechts, DVBl. 1999, S. 78 ff. Schmalz, Dieter: Grundrechte, 4. Aufl. 2001, Baden-Baden. Schmidt, Reiner: Der Rechtsschutz des Konkurrenten im Verwaltungsprozeß, NJW 1967, S. 1635 ff. – Öffentliches Wirtschaftsrecht – Allgemeiner Teil, 1990, Berlin/Heidelberg. Schmidt, Reiner / Kahl, Wolfgang: Umweltrecht, 7. Aufl. 2006, München. Schmidt, Reiner / Vollmöller, Thomas (Hrsg.): Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2007, Berlin/Heidelberg. Schmidt, Walter: Die Freiheit vor dem Gesetz, AöR 91 (1966), S. 42 ff. Schmidt-Aßmann, Eberhard: Anwendungsprobleme des Art. 2 Abs. 2 GG im Immissionsschutzrecht, AöR 106 (1981), S. 205 ff. – Grundrechtswirkungen im Verwaltungsrecht, in: Bernd Bender / Rüdiger Breuer / Fritz Ossenbühl / Horst Sendler (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz, Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, 1993, München, S. 225 ff. – Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, Berlin/Heidelberg. Schmidt-Bleibtreu, Bruno / Klein, Franz (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz, 10. Auflage 2004, München. Schmidt-Preuß, Matthias: Anmerkung zu BVerwG, DVBl. 1999, S. 101 ff., DVBl. 1999, S. 103 ff. – Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2005, Berlin. Schmitt Glaeser, Walter: Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 113 (1988), S. 52 ff. Schmitt Glaeser, Walter / Horn, Hans-Detlef: Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden. Schnapp, Friedrich E.:Grenzen der Grundrechte, JuS 1978, S. 729 ff. – Wie macht man richtigen Gebrauch von seiner Freiheit?, NJW 1998, S. 960 ff. Schneider, Hans-Peter: SOS aus Karlsruhe – das Bundesverfassungsgericht vor dem Untergang?, NJW 1996, S. 2630 ff. – 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, S. 1497 ff. Schöbener, Burkhard: Verfassungsrechtliche Aspekte der Pflichtmitgliedschaft in wirtschafts- und berufsständischen Kammern, VerwA 91 (2000), S. 374 ff. Schoch, Friedrich: Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht, Jura 2004, S. 317 ff. Schoch, Friedrich / Schmidt-Aßmann, Eberhard / Pietzner, Rainer (Hrsg.): Ver-waltungsgerichtsordnung, Band I (Einleitung, § 1–§ 80 b), Loseblattsammlung, 14. Ergänzungslieferung, München.

Literaturverzeichnis

211

Scholz, Rupert: Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1. Teil), AöR 100 (1975), S. 80 ff. Scholz, Rupert / Konrad, Karlheinz: Meinungsfreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht, AöR 123 (1998), S. 60 ff. Schulte, Martin: Informales Verwaltungshandeln als Mittel staatlicher Umwelt- und Gesundheitspflege, DVBl. 1988, S. 512 ff. Schulz-Schaeffer, Helmut: Der Freiheitssatz des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, 1971, Berlin. Schwabe, Jürgen: Mißdeutungen um das „Elfes-Urteil“ des BVerfG und ihre Folgen, DÖV 1973, S. 623 ff. – Anmerkung zu BVerfG, NJW 1974, S. 227 ff., NJW 1974, S. 1044 f. – Grundrechtlich begründete Pflichten des Staates zum Schutz gegen staatliche Bau- und Anlagegenehmigungen?, NVwZ 1983, S. 523 ff. – Probleme der Grundrechtsdogmatik, 2. Aufl. 1997, Buxtehude. Schwarz, Kyrill-A.: Das Postulat lückenlosen Grundrechtsschutzes und das System grundgesetzlicher Freiheitsgewährleistung, JZ 2000, S. 126 ff. Schwerdtfeger, Gunther: Welche rechtlichen Vorkehrungen empfehlen sich, um die Rechtsstellung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu gestalten?, in: Verhandlungen des 53. DJT, Band I, 1980, Gutachten A – Grundrechtlicher Drittschutz im Baurecht, NVwZ 1982, S. 5 ff. Schwerdtner, Eberhard: Gedanken zum Ladenschlußgesetz, GewArch 1982, S. 313 ff. – Die Klagebefugnis – eine zu enge Sachurteilsvoraussetzung?, NVwZ 1990, S. 630 ff. Siekmann, Helmut / Duttge, Gunnar: Staatsrecht I: Grundrechte, 3. Aufl. 2000, Thüngersheim. Sobota, Katharina: Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, Tübingen. Sodan, Helge / Ziekow, Jan (Hrsg.): Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, BadenBaden. Sokolish, Heinz-Gerd: Nochmals: Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, JuS 1976, S. 776 ff. Söllner, Alfred: Der verfassungsrechtliche Rahmen für Privatautonomie im Arbeitsrecht, RdA 1989, S. 144 ff. – Der Richter als Ersatzgesetzgeber, ZG 10 (1995), S. 1 ff. Spannowsky, Willy: Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, Berlin. Sproll, Hans-Dieter: Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts, NJW 2002, S. 3221 ff.

212

Literaturverzeichnis

Stadie, Holger: Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen eines begünstigenden Verwaltungsaktes, DVBl. 1991, S. 613 ff. Starck, Christian: Staatliche Organisation und staatliche Finanzierung als Hilfen zu Grundrechtsverwirklichungen?, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Band II, 1976, Tübingen, S. 480 ff. – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichte, JZ 1996, S. 1033 ff. Stein, Ekkehart / Götz, Frank: Staatsrecht, 20. Aufl. 2007, Tübingen. Steinberg, Rudolf / Berg, Thomas / Wickel, Martin: Fachplanung, 3. Aufl. 2000, BadenBaden. Steiner, Udo (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Heidelberg. Stelkens, Paul / Bonk, Heinz Joachim / Sachs, Michael (Hrsg.): Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, München. Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I (Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung), 2. Aufl. 1984, München; Band II (Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung), 1980, München; Band III/1 (Allgemeine Lehren der Grundrechte), 1988, München; Band III/2 (Allgemeine Lehren der Grundrechte), 1994, München; Band IV/1 (Die einzelnen Grundrechte), 2006, München. – Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V (Allgemeine Grundrechtslehren), 2. Aufl. 2000, Heidelberg, § 109, S. 45 ff. – Verwaltungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit, 8. Aufl. 2000, München. Stern, Klaus / Münch, Paul / Hansmeyer, Karl-Heinrich (Hrsg.): Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, 2. Aufl. 1972, Stuttgart. Stober, Rolf: Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, 1989, Köln/Berlin/Bonn/München. – Der Vorbehalt des Gesetzes und Verwaltungsvorschriften im Subventionsrecht, GewArch 1993, S. 136 ff. – (Hrsg.), Ladenschlussgesetz, 4. Aufl. 2000, Köln/Berlin/Bonn/München. – Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 15. Aufl. 2006, Stuttgart. Suerbaum, Joachim: Durchbruch oder Pyrrhussieg?, DV 40 (2007), S. 29 ff. Suhr, Dieter: Entfaltung der Menschen durch die Menschen, 1976, Berlin. Tettinger, Peter J. / Wahrendorf, Volker: Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 2005, Köln/Berlin/München. Thieme, Werner: Das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, JZ 1959, S. 265 ff.

Literaturverzeichnis

213

Tröndle, Herbert / Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Aufl. 2007, München. Ule, Carl Hermann: Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987, München. Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas (Hrsg.): Grundgesetz, Band I (Art. 1–37), 2002, Heidelberg. Umbach, Dieter C. / Clemens, Thomas / Dollinger, Franz-Wilhelm (Hrsg.): Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, Heidelberg. Vieweg, Klaus / Werner, Almuth: Sachenrecht, 2. Aufl. 2005, Köln/Berlin Bonn/München. Volkmann, Uwe: Veränderungen der Grundrechtsdogmatik, JZ 2005, S. 261 ff. Waechter, Kay: Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Köln/Berlin Bonn/München. Wahl, Rainer: Der Vorrang der Verfassung, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. – Der Vorrang der Verfassung und die Selbständigkeit des Gesetzesrechts, NVwZ 1984, S. 401 ff. – Die doppelte Abhängigkeit des subjektiven öffentlichen Rechts, DVBl. 1996, S. 641 ff. – Die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte im internationalen Vergleich, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band I (Entwicklung und Grundlagen), 2004, Heidelberg, § 19, S. 745 ff. Wallerath, Maximilian: Ladenschluss und Konkurrentenschutz, NJW 2001, S. 781 ff. Weber, Werner: Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, Der Staat 4 (1965), S. 409 ff. Weber-Dürler, Beatrice: Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), S. 57 ff. Wehr, Matthias: Grundfälle zu Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, JuS 1997, S. 419 ff. Wehrhahn, Herbert: Systematische Vorfragen einer Auslegung des Art. 2 Abs. I des Grundgesetzes, AöR 82 (1957), S. 250 ff. Wernsmann, Rainer: Die Deutschengrundrechte des Grundgesetzes im Lichte des Europarechts, Jura 2000, S. 657 ff. – Klagearten und Klagebefugnis im Konkurrentenrechtsstreit, DV 36 (2003), S. 67 ff. Wertenbruch, Wilhelm: Der Grundrechtsbegriff und Art. 2 Abs. 1 GG, DVBl. 1958, S. 481 ff. Widtmann, Julius / Grasser, Walter: Bayerische Gemeindeordnung, Loseblattsammlung, 19. Ergänzungslieferung, München. Wild, Michael: Grundrechtseingriff durch Unterlassen staatlicher Leistungen?, DÖV 2004, S. 366 ff. Wintrich, Josef Marquard: Zur Auslegung und Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG, in: Theodor Maunz / Hans Nawiasky / Johannes Heckel (Hrsg.), Staat und Bürger, Festschrift für Willibalt Apelt zum 80. Geburtstag, 1958, München/Berlin, S. 1 ff.

214

Literaturverzeichnis

Wolff, Hans J. / Bachof, Otto / Stober, Rolf: Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl. 2000, München. Wolff, Hans J. / Bachof, Otto / Stober, Rolf / Kluth, Winfried: Verwaltungsrecht I, 12. Auflage 2007, München. Wolff, Heinrich Amadeus / Decker, Andreas (Hrsg.): Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), 2. Aufl. 2007, München. Wolff, Wilfried: Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2004, Baden-Baden. Wollenschläger, Ferdinand: Vergaberechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte nach der Entscheidung des BVerfG vom 13. Juni 2006: verfassungs- und verwaltungsrechtliche Determinanten, DVBl. 2007, S. 589 ff. Wollenschläger, Michael: Asylrecht und Ausbildung, ZAR 1985, S. 156 ff. Würtenberger, Thomas: Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl. 2006, München. Ziekow, Jan (Hrsg.): Praxis des Fachplanungsrechts, 2004, München/Unterschleißheim. Zippelius, Reinhold / Würtenberger, Thomas: Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl. 2005, München. Zuleeg, Manfred: Zur staatsrechtlichen Stellung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, DÖV 1973, S. 361 ff. – Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage, 1974, Frankfurt am Main. – Grundrechte für Ausländer: Bewährungsprobe des Verfassungsrechts, DVBl. 1974, S. 341 ff. – Hat das subjektive öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung?, DVBl. 1976, S. 509 ff. – Zur künftigen Entwicklung des Subventionsrechts, DÖV 1984, S. 733 ff.

Personen- und Sachverzeichnis Adressatentheorie 20, 110, 112–114, 121, 161, 164, 167 Alexy, Robert 81 Anliegergebrauch 193 Auffangfunktion 100, 102, 104 Ausländer 82, 103 – 105 Ausnahmebewilligung 118–120, 154– 156 Ausstrahlungswirkung 173 – 176 Autorennen 118 – 120 Bachof, Otto 38 Bayerische Biergartenverordnung 165– 166 Bestimmtheitsgrundsatz 76, 102, 148 Bildung, Recht auf 184 Blankettgrundrecht 59 Bühler, Ottmar 18, 38 Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen 63 Dehler, Thomas 64 Dirnberger, Franz 21 Dürig, Günter 70 Duttge, Gunnar 58 Effektiver Rechtsschutz 22, 181 – 182 Eingriffsbegriff 83 – 89 Elfes 15, 55 – 57, 65, 75 Erichsen, Hans-Uwe 95 EU-Bürger 106 Fachplanungsrecht 99, 157 – 160 Fahrerlaubnis 115 – 118 faires Verfahren 181 – 182 Freiheitsrichtertum 71

Generalfreiheitsrecht 60 Generalklauseln, zivilrechtliche 174 –176 Gewährleistungsgehalt, Lehre vom engen 56 – 57 Gewaltmonopol 178 Glykol 56–57, 85 Grimm, Dieter 58 Grundordnung 27, 29–30 Häberle, Peter 69 Hauptfreiheitsrecht 59 Herrenchiemsee, Verfassungskonvent 63 Hesse, Konrad 58 Hoffmann-Riem, Wolfgang 57 Innominatfreiheitsrechte 80, 177–179 Interessenbewertungsverbot 79, 178 Interessendefinitionskompetenz 79, 178 Koch, Thorsten 21 Kontrollerlaubnis 91, 115–118, 130 Kukk, Alexander 62 Ladenschlussgesetz 96, 154–156 Landesverfassung – Bayern 60 – Bremen 60 – Hessen 60 – Rheinland-Pfalz 60 – Saarland 60 – Württemberg-Baden 60 Leistungsrechte, originäre 184–186 Lensing, Lambert 59 Lüth 173 Mangoldt, Hermann von 64

216

Personen- und Sachverzeichnis

Maurer, Hartmut 21 mittelbare Drittwirkung 174, 176 Möglichkeitstheorie 44, 46, 161 – 162 Muttergrundrecht 59 – 61 Nachbar 18, 31– 33, 85– 86, 91, 93, 152– 155, 157, 168, 193 Normenkontrolle, konkrete 24, 47, 49, 51, 128, 152 Normenkontrollverfahren 160 – 164 Nötigung 178, 180 Notwehr 178 Objektformel 70 öffentlich-rechtlicher Vertrag 182 Osho 56 – 57, 85

Schutzergänzungsfunktion 106–107 Schutznormtheorie 18, 21, 38–49, 112, 117, 123 –124, 128, 132, 159 Schutzpflichten 91–92, 154, 156, 177– 180 Sittengesetz 71–72 Staatenlose 82, 103, 105 Straßeneinziehung 121–128 Subsidiaritätsgrundsatz 23 Subventionen 44, 97–98, 120, 144–149, 154, 167 Taubenfüttern 68–69 Teilhaberechte, derivative 183 Teilnichtigkeit 47, 128

174–176,

Parlamentarischer Rat 59, 63, 65–66, 185 Persönlichkeitskern 54, 57 – 58, 177 – 179 Persönlichkeitsrecht 16, 81, 107 Pflichtmitgliedschaft 141 – 143 Planfeststellung 99, 157 – 160 Popularklage 32, 124–128, 151, 158–159 – faktische 127 – 128, 151, 158 – 159 präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 91, 115 – 117, 130 Prozessökonomie 76 – 77, 166 – 169 Rahmenordnung 27 – 28, 139 Realakt 83 – 84, 89, 98 reale Freiheit 184 – 185 Rechtswegerschöpfung 23 Regelungsbereich 101 – 102 Reiten im Walde 56, 60, 160, 164, 185 repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt 118 – 120, 130 Sammlungsfreiheit 129 – 133 Schmidt-Aßmann, Eberhard 21 Schranken-Schranken 36–38, 43–44 , 50, 112, 124, 148, 151, 158, 162, 164, 170 Schrankentrias 65, 72

Verbandsklage 31 Verdrängungswettbewerb 41, 134, 136– 137, 140, 170 Verfahrens- und Formfehler 112 Verfahrensgrundrechte 180 Verfahrensökonomie 112 verfassungsmäßige Ordnung 65–66, 71– 72, 75 – 76, 106 Vergaberecht 149–152 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 36, 43, 112, 119, 127, 151, 158 Vertragsfreiheit 61, 72, 81, 90, 107, 174– 176 Verwaltungsvertrag 174–176, 182 Verwerfungskompetenz 24, 167 Virginia Bill of Rights 63 Vorbehalt des Gesetzes 22, 147 Wahl, Rainer 19, 50 Weimarer Verfassung 25, 63 Werttheorem 28 Wesensgehalt 62, 76, 80 Wettbewerbsfreiheit 41, 86, 96–98, 134, 136, 145 –146, 150, 154–155, 168, 170 wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand 134–141 Zuleeg, Manfred 20, 147 Zwangsverbände 141–143 Zweistufentheorie 120