Die »Schuldenbremse« im Grundgesetz – Ein Erfolgsmodell?: Rechtswissenschaftliche Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse unter Einbeziehung ökonomischer und polit-ökonomischer Aspekte [1 ed.] 9783428546053, 9783428146055

Spätestens mit Beginn der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist deutlich geworden, dass Staatsverschuldung ei

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Die »Schuldenbremse« im Grundgesetz – Ein Erfolgsmodell?: Rechtswissenschaftliche Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse unter Einbeziehung ökonomischer und polit-ökonomischer Aspekte [1 ed.]
 9783428546053, 9783428146055

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1292

Die „Schuldenbremse“ im Grundgesetz – Ein Erfolgsmodell? Rechtswissenschaftliche Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse unter Einbeziehung ökonomischer und polit-ökonomischer Aspekte

Von

Marion Eva Klepzig

Duncker & Humblot · Berlin

MARION EVA KLEPZIG

Die „Schuldenbremse“ im Grundgesetz – Ein Erfolgsmodell?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1292

Die „Schuldenbremse“ im Grundgesetz – Ein Erfolgsmodell? Rechtswissenschaftliche Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse unter Einbeziehung ökonomischer und polit-ökonomischer Aspekte

Von

Marion Eva Klepzig

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahr 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 30 Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14605-5 (Print) ISBN 978-3-428-54605-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84605-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Oktober 2014 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis April 2014 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. Ute Sacksofsky, die die Entstehung meiner Arbeit mit vielen Anregungen und steter Gesprächsbereitschaft gefördert hat. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonders herzlicher Dank gebührt meinen Eltern und meiner Schwester Martina für ihre uneingeschränkte und liebevolle Unterstützung während der Fertigstellung dieser Arbeit. Königstein, im Dezember 2014

Marion Klepzig

Inhaltsverzeichnis Einleitung

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§ 1 Einführung in die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . B. Die deutsche „Schuldenbremse“ als neues Erfolgsmodell? . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Die „demokratische Krankheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die „demokratische Krankheit“: Diagnose und Krankheitsbild . . . . . . . . . . B. Therapieansätze und ihre Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Zum Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Einführung in die Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil Staatsverschuldung: Eine Betrachtung aus ökonomischer Sicht § 1 Die Theorien der Staatsverschuldung: Überblick über die historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht: Funktionen und Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Positive Aspekte der Staatsverschuldung: Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stabilisierungsfunktion der Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Passive konjunkturelle Verschuldung – Die Wirkung der automatischen Stabilisatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aktive konjunkturelle Verschuldung – Kreditfinanzierte staatliche Konjunkturprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lastenverschiebungsfunktion der Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweifel an der Möglichkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweifel an der Gebotenheit und Zulässigkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Negative Aspekte der Staatsverschuldung: Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die höheren Kosten der Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis II. Crowding-out-Effekte und Wachstumseinbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Verdrängungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die kontroverse Diskussion über die These des crowding-out . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fiskalische Langzeitfolgen von Staatsverschuldung: Einengung des künftigen finanzpolitischen Handlungsspielraums und Staatsbankrott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Domar-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das bedeutsame Verhältnis von Zinssatz und Wachstumsrate . . . . . 3. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Personale intratemporale Verteilungswirkungen der Staatsverschuldung – Unerwünschte Umverteilung von „unten nach oben“ . . . . . . . . 1. Die Thesen des Transferansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kritik am Transferansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Personale intertemporale Verteilungswirkungen der Staatsverschuldung – Die Belastung und Benachteiligung zukünftiger Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Überblick über die Erkenntnisse der Ökonomie: Schlussfolgerungen für eine rechtswissenschaftliche Betrachtung von Schuldenregelungen? . . . . . . . . . . . . . 67

2. Teil Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes für Bund und Länder § 1 Historischer Abriss über die Entwicklung des Staatsschuldenrechts . . . . . . . . . A. Die Anfänge des Staatsschuldenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes von 1949 bis zur Großen Finanzreform 1967/1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes nach der Großen Finanzreform 1967/1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die wesentlichen Grundzüge des reformierten Staatsschuldenrechts des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überblick über die wichtigsten Ursachen des Scheiterns der bisherigen Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exkurs: Die Entwicklung des Staatsschuldenrechts auf Länderebene . .

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§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick zur Entstehungsgeschichte im Kontext der Föderalismusreform II und Einführung in den grundlegenden Bremsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 A. Die Entstehungsgeschichte der deutschen Schuldenbremse im Grundgesetz – Die Verhandlungen der Föderalismuskommission II . . . . . . . . . . . . . . 88

Inhaltsverzeichnis Die ursprünglich gesetzten Ziele der Föderalismusreform II und die sich frühzeitig abzeichnende Eingrenzung des Beratungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die dramatische Veränderung der Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . B. Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbeziehung der Kommunen und Sozialversicherungen? . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung der Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen de constitutione lata? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Einbeziehung der Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die sich aus der Schuldenbremse ergebenden Vorgaben für den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG, Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Strukturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2 S. 3, 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung b) Im Aufschwung und Abschwung symmetrische Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Historische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Ausnahmeregelungen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6–8 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Naturkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außergewöhnliche Notsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „. . . die sich der staatlichen Kontrolle entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ . . . . . . . . . . . . . . . . d) Historische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Einführung eines Kontrollkontos zur Überprüfung des Haushaltsvollzugs in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Erfassung von Abweichungen auf einem Kontrollkonto . . b) Die Begründung einer Rückführungsverpflichtung . . . . . . . . . . c) Historische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die sich aus der Schuldenbremse ergebenden Vorgaben für die Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung gem. Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG . . .

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Inhaltsverzeichnis 4. Die Ausnahmeregelung des Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, S. 3 GG . . 5. Kontrolle des Haushaltsvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die ergänzenden Bestimmungen des Art. 109a und Art. 143d GG . . . . 1. Art. 109a GG: Das Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 143d GG: Übergangsregelung und Konsolidierungshilfen . . . . VI. Exkurs: Die Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Teil Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse – Die Frage der Verfassungswidrigkeit und das Verhältnis zu länderspezifischen, EU- und völkerrechtlichen Schuldenregelungen § 1 Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung in den Prüfungsmaßstab für die Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse: Inhalt und Reichweite der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Überprüfung der Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verletzung des Bundesstaatsprinzips? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des Bundesstaatsprinzips über Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . 2. Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Bundesstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung der Haushaltsautonomie der Länder? . . . . . . . . . . . . . b) Verletzung des Gebots einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verletzung der Verfassungsautonomie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verletzung des Grundsatzes der föderalen Gleichbehandlung? . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verletzung des Demokratieprinzips? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des Demokratieprinzips über Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . 2. Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Die Auswirkungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf die länderspezifischen Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Das Verhältnis zwischen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse und den auf Landesebene normierten Schuldenregelungen . . . . . . . 144 I. Exkurs: Einordnung der in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Vorgaben als Durchgriffs- bzw. Normativbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

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II. Verfassungswidrigkeit abweichender landesrechtlicher Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Pflicht zur Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse? . . 149 B. Regelungs- und Ausgestaltungsmöglichkeiten für eine Anpassung der landesrechtlichen Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Regelungstechnische Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Inhaltliche Ausgestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C. Übersicht über den Stand der Entwicklung auf Landesebene (Stand: April 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Erste Gruppe: Nahezu wörtliche Übernahme der in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Vorgaben ohne relevante Konkretisierungen und Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Zweite Gruppe: Enge Anlehnung an Art. 109 Abs. 3 GG mit punktuellen Konkretisierungen oder Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 IV. Dritte Gruppe: Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 § 3 Die Schuldenbremse im Grundgesetz und die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A. Überblick über die bestehenden EU-rechtlichen bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Art. 126 AEUV und der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Die Ausgangsbestimmung des Art. 126 AEUV und die sogenannten Maastricht-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Überblick über die zentralen Reformmaßnahmen im Zuge der „Eurokrise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Sixpack-Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Euro-Plus-Pakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Fiskalpakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Der Fiskalpakt als völkerrechtliches „Ersatzunionsrecht“ . . . . . 173 b) Rechtliche Problemstellungen im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 c) Übersicht über die inhaltlichen Bestimmungen des Fiskalpakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4. Twopack-Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 5. Zusammenfassende Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Das Verhältnis zu der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes . . . . 180 I. Anwendungsvorrang des Art. 126 AEUV und des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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Inhaltsverzeichnis II. Erfüllung der EU-rechtlichen bzw. völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Verankerung bestimmter Schuldenregelungen im nationalen Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übereinstimmungen zwischen der europäischen Schuldenbremse des Fiskalpakts und der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichungen zwischen der europäischen Schuldenbremse des Fiskalpakts und der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Teil Kritische Bewertung der in das Grundgesetz eingeführten deutschen Schuldenbremse § 1 Exkurs: Übertragbarkeit der Erfahrungen mit der Schweizer Schuldenbremse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die bisherigen Erfahrungen in der Schweiz – Die Schweizer Schuldenbremse als „Erfolgsmodell“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Übertragbarkeit der Erfahrungen auf die deutsche Schuldenbremse des Grundgesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Die Entwicklung eines Bewertungsmaßstabs für die kritische Analyse der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Festlegung eines geeigneten Bewertungsmaßstabs für die kritische Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . I. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky: Merkmale einer idealen fiskalpolitischen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die von Kopits und Symansky aufgestellten Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Bewertungsmerkmalen . . . III. Der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky als geeignete Grundlage für die kritische Analyse einer fiskalpolitischen Regelung . . . . . . 1. Besondere Qualitäten des Bewertungsmaßstabs von Kopits und Symansky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bewertungskriterien von Kopits und Symansky in der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Methodische Vorüberlegungen zu dem ausgewählten Bewertungsmaßstab I. Vorüberlegungen zum Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorüberlegungen zur Bewertungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191 192 193 195 197 198 199 199 200 200 201 203 203 204 208 209 209 210

Inhaltsverzeichnis § 3 Kritische Analyse der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. „Gut definiert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Gut definiert“ bezüglich der zu begrenzenden Größe . . . . . . . . . . 2. „Gut definiert“ bezüglich des erfassten institutionellen Rahmens . . 3. „Gut definierte“ Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „gut definiert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Gut definiert“ bezüglich der zu begrenzenden Größe? . . . . . . . . . a) Umfassende Untersuchung der durch die Schuldenbremse begrenzten Größe: „Einnahmen aus Krediten“ . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Umschuldung eingesetzte Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kassenverstärkungskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Neuartige Finanzierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen . . ee) Implizite Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Die um finanzielle Transaktionen bereinigten Einnahmen und Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Gut definiert“ bezüglich der erfassten Haushalte? . . . . . . . . . . . . . a) Die Haushalte von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einschließlich der rechtlich unselbstständigen Sondervermögen c) Selbstständige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, insbesondere Kommunen und Sozialversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kommunen und Sozialversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige rechtlich selbstständige Einheiten des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestehende Umgehungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Gut definierte“ Ausnahmeregelungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Strukturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 2 S. 2 1. HS, Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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210 211 211 213 213 213 214 214 214 217 217 219 221 224 225 227 227 227 227

230 231 231 232 234 234 234 234 235 236 236 236 237 238

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Inhaltsverzeichnis c) Die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6–8 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Naturkatastrophe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Außergewöhnliche Notsituation . . .“ . . . . . . . . . . . . . . . (3) „. . . die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begrenzung der Kredithöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmtheit der Rückführungsverpflichtung . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Ausnahmeregelungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Kontrollkonto: Der eingeräumte Überziehungskredit als weitere Ausnahmebestimmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abschließende Regelung der Ausnahmebestimmungen im Grundgesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. „Transparent“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „transparent“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Transparenz der Schuldenbremse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Transparenz durch die Schuldenbremse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Transparenz durch das für den Bund normierte Kontrollkonto in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transparenz durch die Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. „Adäquat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Anmerkungen zum Merkmal „adäquat“ . . . . . . . . . . . . 2. Die konkreten Anforderungen des Merkmals „adäquat“ mit Blick auf die Schuldenbremse des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglicher Konflikt mit der Kurzfristorientierung in der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „adäquat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

238 239 239 240 241 242 243 243 244 244 244 245 246 247 247 247 250 250 252 253 255 258 259 259 259 260 261 265 265 266

Inhaltsverzeichnis

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1. Sicherstellung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern: Stabilisierung der Schuldenstandsquote? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Die langfristigen Auswirkungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf die Entwicklung des absoluten Schuldenstands des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Die damit verbundenen langfristigen Auswirkungen auf die Schuldenstandsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Entschärfung der Kurzfristorientierung der politischen Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Die Strukturkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Die Konjunkturkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 d) Das Kontrollkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 D. „Konsistent“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „konsistent“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Innere Widerspruchsfreiheit der grundgesetzlichen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Widersprüche zwischen den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund und für die Länder? . . . . . . . . . . 280 b) Widersprüche innerhalb des Regelungskonzepts der grundgesetzlichen Schuldenbremse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Kompatibilität der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit anderen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung . . . . . . . . 282 a) Kompatibilität mit Art. 109 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Kompatibilität mit landesrechtlichen Verschuldungsgrenzen . . 285 c) Kompatibilität mit EU- und völkerrechtlichen Verschuldungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über die bedeutsamen EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen: Die „Maastricht-Kriterien“ . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompatibilität der Maastricht-Kriterien mit den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterschiedliche Berücksichtigung der Schulden von Kommunen und Sozialversicherungen . . . . . . . . . . . . . . (2) Vereinbarkeit des Defizitkriteriums mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285 286 288 288 288

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Inhaltsverzeichnis (3) Vereinbarkeit des Schuldenstandskriteriums mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. „Einfach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „einfach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfachheit des Gesamtregelungskonzepts der Schuldenbremse . . . 2. Einfachheit der einzelnen Komponenten der Schuldenbremse . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. „Flexibel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „flexibel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Flexibilität auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Flexibilität zur Verwirklichung der Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Flexibilität zur Verwirklichung der Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Flexibilität zur Verwirklichung der Lastenverschiebungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Flexibilität zur Verwirklichung der Überbrückungsfunktion . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Flexibilität auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Flexibilität zur Verwirklichung der verschiedenen Funktionen . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. „Durchsetzbar“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Verankerung bzw. erschwerte Abänderbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksame Kontroll- und Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „durchsetzbar“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Verankerung bzw. erschwerte Abänderbarkeit der Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrollmechanismen bezüglich der Einhaltung der Schuldenbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . aa) Der Gegenstand der bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung und die einschlägigen Verfahrensarten . . . . . . . . . .

291 293 293 294 294 296 296 297 299 300 300 302 302 302 304 307 308 310 310 310 312 312 313 313 315 316 317 317 318 318 319

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bb) Fehlende Antragssteller für eine Verfahrenseinleitung . . . . cc) Justiziabilität: Ausreichende Kontrolldichte? . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirksame Kontrolle durch das Kontrollkonto für den Bund . . . c) Wirksame Kontrolle durch den Stabilitätsrat im Rahmen des Frühwarnsystems zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksame Sanktionen durch das Bundesverfassungsgericht . . . b) Wirksame Sanktionen im Zusammenhang mit dem Kontrollkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirksame Sanktionen durch den Stabilitätsrat . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. „Effizient“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „effizient“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 322 324 324 326 328 328 328 331 332 333 333 334 334 335 336

§ 4 Abschließende und zusammenfassende Betrachtung: Ist die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse das Erfolgsmodell der Zukunft? . . . . . . . 336

5. Teil Reformvorschläge

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§ 1 Reformvorschlag zur Vereinfachung des Regelungsverhältnisses zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 § 2 Reformvorschläge zu Art. 109 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Festlegung einer Grenze für den gesamtstaatlichen Schuldenstand . . . . . . . B. Einbeziehung der Sozialversicherungen und Kommunen in den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Klarstellung des abschließenden Charakters der in Art. 109 Abs. 3 GG vorgesehenen Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der neu gefasste Art. 109 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115 . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einfachgesetzliche Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Reform der Strukturkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Reform der Konjunkturkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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343 345 348

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Inhaltsverzeichnis D. Reform der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Reform des Kontrollkontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Höhere Hürden für eine Abänderbarkeit der einfachgesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Der neu gefasste Art. 115 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349 352 353 354

§ 4 Reformvorschläge zu Art. 109a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 § 5 Weitere Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 A. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 B. Reformansätze bezüglich möglicher Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 6 Abschließendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

6. Teil Zusammenfassung der zentralen Thesen

362

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Statistische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

Abkürzungsverzeichnis a. F. ABl. Abs. AEUV AöR Art. Art115V BaWüVerf BayVBl BayVerf Bd. BdgVerf BerlVerf BGBl. BHO BIS BR-Drs. BremVerf BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. CEPR d. h. DÖV DVBl EFSF EFSM EGV Erg.-Lfg. ESM ETH EuGH EuR EUV

alte Fassung Amtsblatt Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel 115-Gesetzes Verfassung des Landes Baden-Württemberg Bayrische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern Band Verfassung des Landes Brandenburg Verfassung von Berlin Bundesgesetzblatt Bundeshaushaltsordnung Bank for International Settlements Drucksache des Deutschen Bundesrates Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen Drucksache des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Beziehungsweise Centre for Economic Policy Research das heißt Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Finanzstabilisierungsfazilität Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Ergänzungslieferung Europäischer Stabilitätsmechanismus Eidgenössische Technische Hochschule Europäischer Gerichtshof Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union

20 EuZW f. ff. FHG G 115 GG h. M. HessVerf HGrG HmbVerf HS i. d. F. i. S. d. i.V. m. IMF IMK JuS JZ Kom.-Drs. KonsHilfG KritV LHO LKRZ LKV LT-Drs. M. M. MoFiR MVVerf NdsVBl NdsVerf NJW No. NordÖR NRWVerf NVwZ OECD RGBl. RhPfVerf Rn. S.

Abkürzungsverzeichnis Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende (Seite) folgende (Seiten) Bundesgesetz über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Schweiz) Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes Grundgesetz herrschende Meinung Verfassung des Landes Hessen Haushaltsgrundsätzegesetz Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg Halbsatz in der Fassung im Sinne des in Verbindung mit International Monetary Fund Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung Juristische Schulung JuristenZeitung Kommissionsdrucksache (der Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen) Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landeshaushaltsordnung Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen, RheinlandPfalz, Saarland Zeitschrift Landes- und Kommunalverwaltung Landtagsdrucksache Mindermeinung Money & Finance Research Group Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern Niedersächsische Verwaltungsblätter Verfassung des Landes Niedersachsen Neue Juristische Wochenschrift Number Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Organisation for Economic Co-operation and Development Reichsgesetzblatt Verfassung für Rheinland-Pfalz Randnummer Seite

Abkürzungsverzeichnis SaarlVerf SächsVBl SächsVerf SAVerf SchlHVerf StabiRatG ThürVerf VBlBW VerwArch vgl. VSKS VVDStRL WM ZaöRV ZG ZParl ZSE

21

Verfassung des Saarlandes Sächsische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Sachsen Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen Verfassung des Freistaats Thüringen Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verwaltungsarchiv Vergleiche Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften

Siehe auch: Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, Berlin 2013.

Einleitung § 1 Einführung in die Problemstellung Das Problem der Staatsverschuldung kann zu Recht als eine „politische Schicksalsfrage der Gegenwart“ 1 bezeichnet werden. Spätestens mit der im Sommer 2007 einsetzenden internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der sich hieran anschließenden Staatsschuldenkrise im Euroraum ist deutlich geworden, dass die Staatsverschuldung eines der vordringlichsten, gravierendsten und folgenschwersten Probleme ist, die es derzeit zu lösen gilt: Im Frühjahr 2010 drohte Griechenland die Zahlungsunfähigkeit. Seitdem ist die Zahl der von der Staatsschuldenkrise betroffenen oder zumindest bedrohten Euro-Staaten beständig gestiegen; zu den weiteren Euro-Krisenländern zählen mittlerweile Irland, Portugal, Spanien, Zypern, Slowenien und Italien2. Die Tatsache, dass Deutschland in der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise des Euroraums bislang als Helfer und nicht als Hilfsbedürftiger aufgetreten ist, kann allenfalls vorübergehend darüber hinweg täuschen, dass auch die deutsche Staatsverschuldung inzwischen ein bedrohliches Ausmaß erreicht hat.

A. Die Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland Zur Bestätigung dieser Aussage ist ein kursorischer Einblick in die Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland zu geben3: Verschiedene Maßnahmen – die Währungsreform im Jahre 1948, das Londoner Abkommen über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 sowie das Allgemeine Kriegsfolgengesetz vom 5. November 1957 – führten dazu, dass die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland in ihren Anfängen nahezu schuldenfrei war4. Die 50er und 60er Jahre waren insgesamt noch durch eine weitgehend moderate Verschuldung des Bundes, der Länder und der Kommunen ge1

Waldhoff, JZ 2008, 200 (200). Siehe hierzu: Oppermann, NJW 2013, 6 (7). 3 Ausführlich zur Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland siehe: Wucherpfennig, Staatsverschuldung in Deutschland, S. 31 ff. Eingehend zur Entwicklung der Staatsverschuldung speziell auf Bundesebene: Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 97 ff. 4 Vgl.: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 2 f.; Scholl, DÖV 2010, 160 (161). Ausführlicher: Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 98 f. 2

24

Einleitung

prägt; die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote in diesem Zeitraum hielt sich weitgehend konstant bei etwa 20 %5. Der Bund erzielte in den 50er Jahren sogar wiederholt Haushaltsüberschüsse, die als sogenannter „Juliusturm“ in die Geschichte eingegangen sind6. Anfang der 70er Jahre ist allerdings eine klare Zäsur in der Entwicklung der Staatsverschuldung zu erkennen: Seit den 70er Jahren zeichnet sich ein stetiges, teils sogar dramatisches Anwachsen des gesamtstaatlichen Schuldensockels ab7. Ab Mitte der 70er Jahre ist sogar von einem „Hochschnellen der Defizite in den öffentlichen Haushalten“ 8 die Rede; das Jahr 1974 wird als „Start in die deutsche Nachkriegs-,Ära‘ der Staatsverschuldung“ 9 bezeichnet. In Zahlen ausgedrückt, stellt sich die Entwicklung folgendermaßen dar: Die Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts stiegen in den 40 Jahren zwischen 1970 und 2010 von zunächst ungefähr 64 Milliarden Euro auf schließlich über 2 Billionen Euro an. Betrachtet man die Entwicklung der Schuldenstandsquote10 in diesem Zeitraum so sind zwar kleinere Schwankungen festzustellen, der generelle Anstiegstrend ist indes eindeutig: 1970 betrug die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote noch ca. 18 %, 2010 erreichte sie schließlich mit über 80 % einen neuen Rekordwert. Einen bedeutenden Beitrag zu dieser Entwicklung leistete insbesondere die Staatsverschuldung des Bundes: Die Verschuldung des Bundes erhöhte sich zwischen 1970 und 2010 von zunächst ca. 29,5 Milliarden Euro auf nunmehr fast 1,3 Billionen Euro; die Schuldenstandsquote des Bundes stieg von 8,2 % auf 51,6 % an11. Die Zahlen der letzten Jahre lassen möglicherweise eine geringfügige Verbesserung erkennen; die absoluten Zahlen zur gesamtstaatlichen Verschuldung für die Jahre 2011 und 2012 zeigen zwar einen weiteren Anstieg an, die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote ging nach Angaben des Bundesfinanzministeriums aber auf 77,6 % zurück12. Ob es sich hierbei um den Beginn einer stabilen und dauerhaften Trendwende handelt, bleibt jedoch vorerst abzuwarten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich die präsentierten Zahlen allein auf die so5

Scholl, DÖV 2010, 160 (161). Hierzu beispielsweise: Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 99. 7 So beispielsweise auch Ryczewski, der den Anstieg der Staatsverschuldung ab den 70er Jahren konkret durch graphische Darstellungen veranschaulicht: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 17 f. 8 v. Arnim, BayVBl 1981, 514 (514). 9 Duwendag, Staatsverschuldung, S. 158. 10 Die Schuldenstandsquote bezeichnet das Verhältnis des Schuldenstands eines Staates zum Bruttoinlandsprodukt dieses Staates. Siehe hierzu auch: Einleitung § 4. 11 Siehe hierzu die vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten Übersichten über die Entwicklung der Staatsverschuldung seit 1950 in drei Tabellen: Bundesministerium der Finanzen, Schulden der öffentlichen Haushalte: Schulden ÖGH 1950–1990, Schulden ÖGH 1991–2009, Schulden ÖGH 2009–2011, neue Systematik. 12 Siehe: Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht des BMF, März 2014, S. 106, Tabelle 13b: Schulden der öffentlichen Haushalte, Neue Systematik. 6

§ 1 Einführung in die Problemstellung

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genannte explizite Staatsverschuldung beziehen. Zu den expliziten Schulden treten allerdings noch die sogenannten impliziten Schulden hinzu13, deren Umfang sich Berechnungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zufolge bereits im Jahre 2002 auf ca. 270 % belief 14. Die vorstehenden Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, dass gerade auch in Deutschland, das innerhalb des krisengebeutelten Euroraums gelegentlich als Musterland erscheint, ein dringender Handlungs- und Lösungsbedarf besteht.

B. Die deutsche „Schuldenbremse“ als neues Erfolgsmodell? In Deutschland reagierte man 2009 auf das derzeit viele Staaten beschäftigende Problem der steigenden Staatsverschuldung mit der Einführung der deutschen „Schuldenbremse“ in das Grundgesetz. Das Modell der im Grundgesetz verankerten deutschen „Schuldenbremse“ stellt sich in seinen wesentlichen Grundzügen folgendermaßen dar: Im Kern werden Bund und Länder auf den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts verpflichtet; hierdurch wird für Bund und Länder ein grundsätzliches Neuverschuldungsverbot normiert, von dem im Gegenzug wieder bestimmte, näher festgelegte Ausnahmeregelungen vorgesehen sind15. Die Bestimmungen der grundgesetzlichen „Schuldenbremse“ fanden erstmalig auf das Haushaltsjahr 2011 Anwendung; bis 2016 bzw. 2020 dürfen Bund und Länder allerdings noch von den ihnen gesetzten Vorgaben und Grenzen abweichen16. Dass die deutsche „Schuldenbremse“ ein Erfolgsmodell für die Zukunft ist, konnte sie demnach in der Praxis noch nicht unter Beweis stellen. Insgesamt befindet sich das Modell der „Schuldenbremse“ derzeit auf einem Siegeszug, als hätte es sich bereits als universelles Allheil- und Wundermittel gegen das Problem der Staatsverschuldung bewährt: Als „Mutter der Schuldenbremsen“ gilt die 2001 per Volksabstimmung beschlossene „Schuldenbremse“ der Schweizerischen Bundesverfassung17; verschiedene Formen von „Schulden13 Unter der expliziten Staatsverschuldung versteht man die bereits eingegangenen, in Schuldtiteln oder dergleichen verbrieften Kreditverbindlichkeiten eines Staates. Die implizite Staatsverschuldung umfasst die zukünftigen Lasten bzw. Verbindlichkeiten, die nur unzureichend durch die zu erwartenden Beiträge und Steuern gedeckt sind. Siehe hierzu auch: Einleitung § 4. 14 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformieren, Jahresgutachten 2003/04, S. 270 ff., siehe vor allem S. 276. 15 Die zentralen Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse finden sich konkret in Art. 109 Abs. 3 GG sowie in Art. 115 Abs. 2 GG. Ausführlich hierzu siehe unten: 2. Teil § 2 B. 16 So die im Grundgesetz normierte Übergangsbestimmung des Art. 143d Abs. 1 GG. 17 Economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nr. 18, S. 9.

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Einleitung

bremsen“ finden sich darüber hinaus auf kantonaler Ebene in der Schweiz18. Die 2009 in das Grundgesetz aufgenommene deutsche „Schuldenbremse“ wurde in Anlehnung an das Schweizer Vorbild ausgestaltet und hat sich ihrerseits – spätestens seit dem Einsetzen der europäischen Staatsschuldenkrise – zum grundlegenden „Muster für Reformen der Euro-Mitglieder auf nationaler Ebene“ entwickelt19: Im September 2011 führte Spanien ein an die deutsche „Schuldenbremse“ angelehntes Regelungskonzept in seine Verfassung ein; in Österreich wurde gegen Ende 2011 eine entsprechende „Schuldenbremse“ für den Bund auf einfachgesetzlicher Ebene im Bundeshaushaltsgesetz normiert20. Ferner verpflichtet der im März 2012 unterzeichnete „Fiskalpakt“ alle daran teilnehmenden Vertragsstaaten zur Einführung einer näher vorgegebenen „Schuldenbremse“, die im Wesentlichen nach deutschem Vorbild formuliert wurde21. Angesichts dieser Entwicklung erscheint es zwingend, das der deutschen „Schuldenbremse“ zugrunde liegende Regelungskonzept zur Begrenzung der staatlichen Verschuldung eingehend zu analysieren und auf mögliche Schwächen und Mängel zu untersuchen. Hierzu soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.

§ 2 Die „demokratische Krankheit“ Zu einer Schicksalsfrage wird das Thema der Staatsverschuldung vor allem, da es aufs engste mit der demokratischen Staatsform verbunden ist. Das Problem der stetig und kontinuierlich anwachsenden Staatsverschuldung findet eine wesentliche Ursache in Zusammenhängen, die treffend als „demokratische Krankheit“ 22 bezeichnet worden sind. Im Kern wird der Staatsform der repräsentativen Demokratie eine große „Anfälligkeit“ und eine mangelnde „Widerstandskraft“ gegenüber dem Instrument der Staatsverschuldung unterstellt: Die Demokratie wird als „eine Staatsform notwendiger, vorprogrammierter Staatsverschuldung“ 23 bezeichnet. Es wird sogar darauf hingewiesen, dass Staatsverschuldung

18 Zu der „Schuldenbremse“ in der Schweizerischen Bundesverfassung sowie zu den verschiedenen „Schuldenbremsen“ auf kantonaler Ebene siehe beispielsweise: Glaser, DÖV 2007, 98 (100 ff.). 19 Eckardt, in: Schuldenregeln als goldener Weg zur Haushaltskonsolidierung in der EU?, 41 (62). 20 Siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 131. 21 Zu der im Fiskalpakt vorgegebenen europäischen „Schuldenbremse“ und ihrem Verhältnis zu der im Grundgesetz normierten deutschen „Schuldenbremse“ siehe unten: 3. Teil § 3 A. II. 3. und B. II. 22 Siehe hierzu: Braunschweig, Die demokratische Krankheit, vor allem S. 39 ff. 23 Leisner, NJW 2011, 3553 (3554).

§ 2 Die „demokratische Krankheit‘‘

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zusammen mit den Machtstrukturen einer repräsentativen Demokratie in ein „strategisches Verhängnis“ münde24.

A. Die „demokratische Krankheit“: Diagnose und Krankheitsbild Die „Diagnose“ der „demokratischen Krankheit“ wird insbesondere auf der Grundlage der Ökonomischen Theorie der Politik bzw. konkreter der Ökonomischen Theorie der Verschuldungspolitik25 gestellt. Im Detail sind die herausgearbeiteten polit-ökonomischen Thesen zwar keineswegs unumstritten26. Sie weisen jedoch insgesamt eine hohe Plausibilität auf und werden zu Recht als „wirtschafts- und politikwissenschaftliche Binsenweisheit“ 27 bezeichnet28. Der zentrale Ansatz der polit-ökonomischen Theorien besteht darin, das Verhalten politischer Akteure mit Hilfe von Methoden und Modellen der Wirtschaftswissenschaften zu erklären. Ausgangspunkt der politökonomischen Überlegungen ist die These, dass gerade auch im Bereich der politischen Entscheidungsfindung das individuelle Verhalten der politischen Akteure maßgeblich von einer rationalen und persönlichen Kosten-Nutzen-Analyse bestimmt wird29. Vor 24

v. Weizsäcker, in: Zur Reform der föderalen Finanzverfassung in Deutschland, 87

(87). 25 Eine eingehende Darstellung der polit-ökonomischen Theorien findet sich beispielsweise bei: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 190 ff.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 103 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 79 ff. und 121 ff.; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 97 ff. Die Grundlagen der Ökonomischen Theorie der Politik sind unter anderem von Schumpeter, Arrow, Downs und Herder-Dorneich gelegt worden. Siehe hierzu: Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, vor allem S. 427 ff.; Arrow, Social Choice and Individual Values; Downs, An Economic Theory of Democracy; HerderDorneich, Politisches Modell zur Wirtschaftstheorie, vor allem S. 41 ff. Prägend für die ökonomische Theorie der Verschuldungspolitik sind insbesondere die Arbeiten von Buchanan/Wagner und Nordhaus gewesen: Buchanan/Wagner, Democracy in Deficit; Nordhaus, The Review of Economic Studies 42 (1975), 169 (169 ff.). 26 Zur Kritik siehe beispielsweise Höfling mit weiteren Nachweisen: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 101 ff. 27 So: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 144. 28 Für verschiedene Thesen, die im Einzelnen aus den vorstehenden polit-ökonomischen Überlegungen abgeleitet werden, finden sich sogar konkrete empirische Beobachtungen. Eine umfassende Übersicht über die empirischen Erkenntnisse zu den polit-ökonomischen Theorien mit zahlreichen Nachweisen findet sich bei Koch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 109 ff. 29 Hierzu: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 98; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 199; Frey/Kirchgässner, Demokratische Wirtschaftspolitik, S. 6. Eingehend auch: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 79 ff. Stalder benennt insbesondere die drei grundlegenden Prämissen der ökonomischen Theorie der Politik: Die ökonomische Theorie der Politik beruht auf der Annahme, dass „erstens ausschließlich Individuen handeln können, diese zweitens rational

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Einleitung

diesem Hintergrund wird die hohe Verschuldungsneigung in einer repräsentativen Demokratie folgendermaßen erklärt: Auf der Seite der Politiker besteht das zentrale Ziel darin, an die Macht zu gelangen bzw. die bereits erlangte Macht zu behalten30. Da sich in einer repräsentativen Demokratie die Politiker in regelmäßigen Abständen zur Wahl stellen müssen, findet zwischen den gegeneinander antretenden Politikern periodisch wiederkehrend ein Konkurrenzkampf um Wählerstimmen statt31. Um einen möglichst großen Anteil an Wählerstimmen zu erringen, wird die „politische Wählerbeglückungsmaschine“ 32 angeworfen und versucht die Wähler durch „Wahlgeschenke“, d. h. ein gesteigertes oder zumindest aufrechterhaltenes Angebot an öffentlichen Gütern und Leistungen, für sich zu gewinnen33. Innerhalb des dargelegten Wettstreits um Wählerstimmen erscheint die Option der Staatsverschuldung als ein besonders vorteilhaftes und günstiges Instrument: Werden die dem Wähler angebotenen „Wahlgeschenke“ mittels der Aufnahme staatlicher Kredite finanziert, so lassen sich alternativ in Betracht kommende Steuererhöhungen bzw. anderweitige Ausgabenkürzungen vermeiden; der Weg über die Staatsverschuldung ermöglicht es den konkurrierenden Politikern, den durch ein „Wahlgeschenk“ erzielten Vorsprung nicht zugleich wieder durch eine entsprechende Belastung der Wählerschaft in Form von Steuererhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen aufgeben zu müssen34. Darüber hinaus weist der Weg über die Kreditfinanzierung den Vorteil auf, dass es sich um eine Finanzierungsart handelt, die für die Wähler nur schwer wahrnehmbar und überschaubar ist; durch Staatsverschuldung können die tatsächlichen Kosten der den Wählern offerierten Güter und Leistungen verschleiert werden, sodass in besonders effektiver Weise der Eindruck des „Geschenkcharakters“ 35 hervorgerufen wird36. Von Bedeutung ist und drittens in eigenem Interesse handeln“, Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 82. 30 Siehe beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 106; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 97; v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 (57 f.); vgl. auch: Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 443. 31 Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 195 f. Der dargestellte Konkurrenzkampf wird hierbei insbesondere auch mit dem Konkurrenzkampf zwischen Anbietern auf dem privaten Gütermarkt verglichen. Siehe beispielsweise auch: Buchanan/Wagner, Democracy in Defict, S. 96. 32 Siehe: Hamm, Der wuchernde Staat, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. April 2012, Nr. 90, S. 9. 33 Leisner bezeichnet „Wahlgeschenke“ konkret als die „Instrumente des Wahlkampfs“: Leisner, NJW 2011, 3553 (3554). 34 Siehe hierzu: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 108 ff., vor allem S. 109; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 197 ff. Vgl. auch die Aussage von Kirchhof, der Staatsverschuldung als „Zaubermittel“ bezeichnet, „das der öffentlichen Hand erlaubt, sich als leistender Wohltäter darzustellen, ohne zugleich als besteuernder Übeltäter auftreten zu müssen“, P. Kirchhof, in: Finanzpolitik im Umbruch, 271 (273). 35 Zur „Fiktion des Geschenkcharakters“ siehe: Franz, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 37 (1985), 478 (483).

§ 2 Die „demokratische Krankheit‘‘

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ferner, dass das Instrument der Staatsverschuldung dazu genutzt werden kann, Lasten und damit auch Kosten für „Wahlgeschenke“ auf nachfolgende Generationen abzuwälzen; die Verlagerung der Belastungen von der gegenwärtigen auf die zukünftige Wählerschaft wird den Politikern in einem aktuell anstehenden Wettbewerb um Wählerstimmen grundsätzlich vorteilhaft erscheinen37. Die vorstehenden Ausführungen veranschaulichen, warum auf Seiten der politischen Entscheidungsträger in einer repräsentativen Demokratie eine hohe Verschuldungsneigung festzustellen ist. Gleichwohl wäre es unzutreffend, die Verantwortung für das „strategische Verhängnis“ zwischen repräsentativer Demokratie und Staatsverschuldung allein den politischen Entscheidungsträgern aufbürden zu wollen. Eine Mitverantwortung trifft auch den „schuldenfreudigen Bürger der Demokratie“ 38: Dass sich die Politiker und Parteien von dem strategischen Einsatz großzügiger „Wahlgeschenke“ überhaupt einen Erfolg versprechen können, findet eine wesentliche Ursache darin, dass die von den Politikern und Parteien angebotenen öffentlichen Leistungen auf Seiten der Wähler gerne angenommen werden. Anders ausgedrückt: Im Ergebnis sind es gerade auch die Bürger, „mit ihren Wünschen, ihren ,Wahlversprechen von unten‘ an die Kandidaten, die am Ende die Politik in die Schuldenfalle treiben“ 39. Somit tragen die Wähler entscheidend zu der hohen Verschuldungsneigung in einer repräsentativen Demokratie bei.

B. Therapieansätze und ihre Probleme Um die aufgezeigte „demokratische Krankheit“ zu heilen, kommen grundsätzlich nur zwei verschiedene Therapieansätze in Betracht. Einer dieser beiden Ansätze ist allerdings bereits von vornherein auszuscheiden: Eine Abschaffung der Staatsform der repräsentativen Demokratie kann und darf aus rechtlicher Sicht gar nicht erst erwogen werden, selbst wenn dieser Schritt aufgrund der diagnostizierten „demokratischen Krankheit“ von einem ökonomischen Standpunkt aus diskussionswürdig erscheinen könnte. Dementsprechend muss eine Therapie der „demokratischen Krankheit“ zwangsläufig an dem Problem der Staatsverschuldung ansetzen40. Exakt dieser Weg ist mit der 2009 im Grundgesetz verankerten deutschen „Schuldenbremse“ beschritten worden: Der „Schuldenbremse“ kommt 36 Siehe hierzu: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 110 f.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 200 ff. 37 Siehe hierzu: v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 (58); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 111. 38 Leisner, NJW 2011, 3553 (3555). Eingehend zu den Anreizstrukturen auf Seiten der Wähler, die eine hohe Staatsverschuldung begünstigen: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 118 ff.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 221 ff. 39 Leisner, NJW 2011, 3553 (3555). 40 Ähnlich: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 118.

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Einleitung

die Aufgabe zu, das Problem der hohen, beständig ansteigenden Staatsverschuldung bei gleichzeitiger Beibehaltung der demokratischen Staatsform zu lösen. Der mit der „Schuldenbremse“ verfolgte Therapieansatz ist grundsätzlich nicht neu: Bereits vor der Föderalismusreform II bestanden auf Bundes- ebenso wie auf Länderebene Regelungen, die auf eine Reglementierung und Beschränkung staatlicher Verschuldung abzielten und der hohen Verschuldungsneigung auf Seiten der demokratisch gewählten Entscheidungsträger eine Grenze setzen sollten; wie sich an der Entwicklung der deutschen Staatsverschuldung ablesen lässt, haben die bislang bestehenden Schuldenregelungen allerdings nicht den erwünschten Heilungserfolg gebracht41. Auch an dem zukünftigen Therapieerfolg der neu eingeführten deutschen „Schuldenbremse“ kann bereits aus grundlegenden Erwägungen gezweifelt werden. Bei der Festsetzung von Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung besteht ein grundsätzliches „Reformdilemma“: In einer repräsentativen Demokratie besteht auf Seiten der politischen Entscheidungsträger ein kaum zu leugnender Anreiz zur staatlichen Verschuldung; demnach erscheint es nur schwer vorstellbar, dass eben diese politischen Entscheidungsträger durch die Normierung strenger Schuldenregelungen der äußerst beliebten Option der Staatsverschuldung vollständig oder zumindest in relevanter Weise entsagen und damit gegen ihre eigenen Interessen handeln42. Vor diesem Hintergrund wird man von vornherein Skepsis äußern können, dass mit der in das Grundgesetz eingeführten „Schuldenbremse“ ein wirksames Regelungskonzept zur Begrenzung der Staatsverschuldung ausgewählt und beschlossen worden ist. Doch selbst, wenn man mit der deutschen „Schuldenbremse“ einen insgesamt überzeugenden Ansatz zur Begrenzung der Staatsverschuldung gewählt haben sollte, können sich angesichts der beschriebenen polit-ökonomischen Anreizstrukturen Bedenken an der praktischen Wirksamkeit dieser Regelungen ergeben. Ist das Ausweichen in die Staatsverschuldung für alle beteiligten Akteure der einfachste, günstigste und erfolgversprechendste Weg, so ist zu befürchten, dass spätestens bei der praktischen Anwendung Ansätze zur Verletzung, Beugung oder Umgehung auch streng formulierter Schuldenregelungen gefunden werden. Ohne entsprechende Vorkehrung gegen eben diese Gefahr, könnte sich mit Blick auf die neu eingeführte deutsche „Schuldenbremse“ die folgende Sentenz bewahrheiten: „Auf der Straße des geringsten Widerstandes versagen die stärksten Bremsen.“ 43 41 Zum Scheitern der bislang normierten Schuldenregelungen für den Bund und für die Länder siehe unten: 2. Teil § 1 C. II. 42 Siehe: Heinemann, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 246 (249). Eingehend zu den beschriebenen „Reformdilemma“ konkret auch mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“: Heinemann, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 246 (249 ff.). 43 Dieses Zitat wird dem polnischen Schriftsteller und Lyriker Stanislaw Jerzy Lec zurgeschrieben.

§ 3 Zum Gang der Untersuchung

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§ 3 Zum Gang der Untersuchung Die nachfolgende Auseinandersetzung mit der im Grundgesetz verankerten deutschen „Schuldenbremse“ soll einen Diskussionsbeitrag zu der äußerst relevanten Fragestellung leisten, ob es sich bei diesem Regelungsansatz zur Begrenzung der Staatsverschuldung tatsächlich um das gewünschte Erfolgsmodell zur Bewältigung des auch in Deutschland bestehenden Staatsschuldenproblems handelt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Modell der im Grundgesetz verankerten, deutschen „Schuldenbremse“, d. h. seine grundlegende Konzeption und Zielsetzung sowie seine konkrete rechtliche Ausgestaltung, umfassend auf den Prüfstand zu stellen. Der nachstehenden Untersuchung liegt hierbei die folgende Vorgehensweise zugrunde: Einführend sind in einem ersten Teil die wichtigsten Ansichten, Thesen und Argumentationsstränge der Wirtschaftswissenschaften zum Thema Staatsverschuldung zusammenzufassen. Staatsverschuldung stellt einen Forschungsgegenstand der Ökonomie dar. Im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung mit rechtlichen Regelungen zum Thema Staatsverschuldung müssen somit die von Seiten der Wirtschaftswissenschaften gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden; eine sinnvolle Diskussion der deutschen „Schuldenbremse“ und ihrer Zielsetzung scheint allein auf der Grundlage ökonomischer Einsichten möglich. Im zweiten Teil ist auf die im Rahmen der Föderalismusreform II in das Grundgesetz eingeführte „Schuldenbremse“ einzugehen. Zunächst soll ein Einblick in die historische Entwicklung des Staatsschuldenrechts gegeben werden. Von besonderem Interesse sind hierbei die Umstände, die den Anstoß dazu gegeben haben, dass die bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes reformiert und im Ergebnis vollständig neu gefasst worden sind. Im Folgenden soll die neue „Schuldenbremse“ des Grundgesetzes mit ihrem regelungstechnischen Aufbau, ihren einzelnen Komponenten und begleitenden Bestimmungen näher vorgestellt werden. Innerhalb des dritten Teils ist die deutsche „Schuldenbremse“ schließlich unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen. In diesem Kontext sind insbesondere drei Themenbereiche von Relevanz: Zunächst ist der umstrittenen Fragestellung nachzugehen, ob die Bestimmungen der grundgesetzlichen „Schuldenbremse“ möglicherweise verfassungswidrig und damit nichtig sind. Zu klären ist ferner, was für rechtliche Auswirkungen sich aus den Vorgaben der grundgesetzlichen „Schuldenbremse“ für die auf Ebene des Landesrechts normierten Schuldenregelungen ergeben. Zuletzt ist das Verhältnis zwischen der grundgesetzlichen deutschen „Schuldenbremse“ und den auf der Ebene der EU bestehenden Regelungen zur Begrenzung der öffentlichen Verschuldung der Mitgliedstaaten einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Der vierte Teil der vorliegenden Arbeit soll dazu dienen, das Modell der deutschen „Schuldenbremse“ unter inhaltlichen Aspekten näher zu analysieren. Die

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Einleitung

zentrale Frage dieses Absatzes besteht darin, ob mit der neu geschaffenen „Schuldenbremse“ des Grundgesetzes letztlich die „richtige“ Antwort auf die oben genannte „Schicksalsfrage der Gegenwart“ gegeben worden ist. Entscheidend ist es an dieser Stelle, einen Kriterienkatalog festzulegen, der beinhaltet, unter welchen Voraussetzungen eine Schuldenregelung überhaupt nur Erfolg haben kann. Anhand dieses aufgestellten Maßstabs ist anschließend eine eingehende Untersuchung der grundgesetzlichen „Schuldenbremse“ durchzuführen. Im fünften Teil sollen die aus der kritischen Analyse der deutschen „Schuldenbremse“ gewonnenen Erkenntnisse dazu eingesetzt werden, gegebenenfalls notwendige Reformansätze zu entwickeln und konkrete Reformvorschläge vorzustellen. Der sechste Teil gibt einen Überblick über die zentralen Thesen und Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung. Auf einige Themenbereiche, die außerhalb des oben umrissenen Schwerpunkts liegen, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden: Zunächst entfällt eine nähere Beschäftigung mit den zahlreichen alternativen Regelungsvorschlägen, die innerhalb der Föderalismusreform II zur Diskussion standen. Ausgeklammert aus der vorliegenden Untersuchung werden ferner Ansätze, die – anders als die „Schuldenbremse“ – nicht auf eine Begrenzung der Neuverschuldung, sondern vielmehr auf einen Abbau der bereits aufgetürmten Schuldenberge abzielen. Auf eine Betrachtung der auf Länderebene bzw. auf EU-Ebene bestehenden Schuldenregelungen wird innerhalb der vorliegenden Arbeit nicht vollständig verzichtet; allerdings beschränkt sich die Darstellung im Wesentlichen darauf, das Verhältnis dieser Bestimmungen zu der im Grundgesetz normierten „Schuldenbremse“ zu durchleuchten. Auch das Problem der Verschuldung auf Seiten der Kommunen, Sozialversicherungen und Nebenhaushalte wird innerhalb der folgenden Untersuchung am Rande thematisiert, kann allerdings nicht erschöpfend diskutiert werden; so unterbleibt beispielsweise eine Betrachtung der für die Kommunen normierten Regelungen, die auf eine Begrenzung der kommunalen Verschuldung abzielen.

§ 4 Einführung in die Begrifflichkeiten Für ein leichteres Verständnis sollen vorab noch einige wichtige Begrifflichkeiten genannt und näher erläutert werden: Zunächst ist einführend auf den Begriff der „Schuldenbremse“ einzugehen. Allgemein wird eine „Schuldenbremse“ definiert als ein „institutionelles Instrument zur Verhinderung einer übermäßigen Verschuldung“ 44. Ausgehend von die44 So mit weiteren konkretisierenden Ausführungen: BAKBASEL, Sparpaket II des Kantons St.Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3.

§ 4 Einführung in die Begrifflichkeiten

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ser allgemein gehaltenen Definition kommt letztlich eine große Bandbreite verschiedenster „Schuldenbremsen“ in Betracht. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Begriff der „Schuldenbremse“ überwiegend in einem engen Sinn verwendet: Er wird als spezielle Bezeichnung für das Regelungsmodell herangezogen, das den im Rahmen der Föderalismusreform II reformierten und im Grundgesetz verankerten Bestimmungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung in ihrem wesentlichen Kern zugrunde liegt45. Zu erläutern sind ferner einige Begrifflichkeiten aus dem Bereich der Ökonomie: Hierzu zählt etwa der Begriff der Staatsverschuldung, der bei genauerer Betrachtung einer Klarstellung bedarf. Staatsverschuldung wird definiert als „eine öffentliche Mittelbeschaffung auf dem Kreditwege [. . .], die in aller Regel mit einer Rückzahlungs- und Verzinsungsverpflichtung verbunden ist“ 46. Letztlich weist der präzise wirkende Begriff der Staatsverschuldung aber Mehrdeutigkeiten und Ungenauigkeiten auf: Unklar ist beispielsweise, ob mit Staatsverschuldung die Verschuldung des gesamten Sektors „Staat“ oder lediglich die Verschuldung des Bundes und der Länder bezeichnet wird47. Darüber hinaus lässt sich der Begriff Staatsverschuldung zum einen als Bezeichnung für den staatlichen Schuldenstand und zum anderen als Terminus für die staatliche Neuverschuldung bzw. Kreditaufnahme deuten48. Mit welchem Bedeutungsinhalt der Begriff der Staatsverschuldung verwendet wird, ergibt sich im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung aus dem jeweiligen Kontext. Einer Definition bedarf ferner der gerade genannte Begriff des Schuldenstands. Der Schuldenstand zeigt an, wie hoch die Summe der Verbindlichkeiten eines Staates zu einem bestimmten Zeitpunkt gewesen ist und ist dementsprechend als eine Bestandsgröße einzuordnen49. Will man allerdings die Verschul45 Nach dem der Begriff der „Schuldenbremse“ eingeführt worden ist, wird im Folgenden darauf verzichtet, diese Bezeichnung weiter in Fußnoten zu setzen. Im Rahmen der nachfolgenden Arbeit wird der Begriff der Schuldenbremse in vier verschiedenen Kontexten verwendet: 1) mit Blick auf die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse für den Bund und die Länder, Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG, 2) mit Blick auf die an die grundgesetzlichen Vorgaben angepassten, auf Länderebene normierten Schuldenregelungen, 3) mit Blick auf die im Fiskalpakt vorgeschriebene europäische Schuldenbremse, der gerade auch die deutsche Schuldenbremse als Vorbild diente, und 4) mit Blick auf die in der Schweiz normierten Schuldenbremsen, die bei der Entwicklung der deutschen „Schuldenbremse“ des Grundgesetzes Pate standen. 46 So: Hoff, Staatsverschuldung, S. 19; ebenso auch: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 5. 47 Für ein weites Verständnis siehe beispielsweise: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 6 f. sowie S. 73 ff. Für ein enges Verständnis siehe beispielsweise: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 7; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 14. 48 Siehe hierzu etwa: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 7 f.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 14. 49 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 15; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 21; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 8.

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Einleitung

dung mehrerer Gebietskörperschaften oder verschiedener Staaten miteinander vergleichen, so sind gerade die absoluten Zahlen des Schuldenstands wenig aussagekräftig. Im Interesse einer internationalen Vergleichbarkeit wird aus der Verschuldungskennziffer des Schuldenstands die Schuldenstandsquote gebildet: Die Schuldenstandsquote gibt an, in welchem Verhältnis der Schuldenstand zum Bruttoinlandsprodukt steht50. Im Gegensatz zum Schuldenstand handelt es sich bei der Neuverschuldung bzw. Kreditaufnahme um eine Stromgröße. An der Neuverschuldung bzw. Kreditaufnahme lässt sich ablesen, in welchem Umfang der Staat während eines bestimmten Zeitraums, regelmäßig während eines Haushaltsjahres, Verbindlichkeiten eingegangen ist51. An dieser Stelle ist ferner zwischen Bruttoneuverschuldung bzw. Bruttokreditaufnahme und Nettoneuverschuldung bzw. Nettokreditaufnahme zu differenzieren. Die Bruttoneuverschuldung ergibt sich aus der Summe sämtlicher innerhalb eines Jahres aufgenommenen Kredite; damit zählen zur Bruttoneuverschuldung auch diejenigen Kredite, die zur Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten eingesetzt werden52. Die Nettoneuverschuldung benennt demgegenüber den jährlichen Zuwachs der Staatsverschuldung53. Sie umfasst damit sämtliche innerhalb eines Jahres aufgenommenen Kredite, unter Abzug derjenigen Kredite, die zur Tilgung bereits früher eingegangener Verbindlichkeiten verwendet werden54. Nicht zur Brutto- bzw. Nettoneuverschuldung hinzugerechnet werden die sogenannten Kassenverstärkungskredite; hierbei handelt es sich um Kredite, die kurzfristig zur Überbrückung auftretender Finanzierungsengpässe aufgenommen werden55. Einer Definition bedarf darüber hinaus die implizite oder auch prospektive Staatsverschuldung. Anders als die explizite Staatsverschuldung, bei der es sich um die bereits eingegangenen, in Schuldtiteln oder dergleichen verbrieften Kreditverbindlichkeiten handelt, folgt die implizite Staatsverschuldung aus zukünftigen Lasten bzw. Verbindlichkeiten, die nur unzureichend durch die zu erwartenden Beiträge und Steuern gedeckt sind56. Die aufgezeigte implizite Staatsver50 Zur Schuldenstandsquote: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 12. 51 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 15; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 8. 52 Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 21; v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 16. 53 Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft, S. 179. 54 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 8; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 16; siehe auch: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 20 f. 55 Siehe: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 16. Zu den Kassenverstärkungskrediten in Abgrenzung zu den Deckungskrediten siehe beispielsweise: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 24 f. 56 Hierzu: Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 365.

§ 4 Einführung in die Begrifflichkeiten

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schuldung ergibt sich in erster Linie aus den zukünftigen Ansprüchen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme sowie aus den zukünftigen Versorgungsansprüchen der Beamten57. Zu klären ist weiterhin das Begriffspaar der konjunkturellen und strukturellen Verschuldung. Diese Unterscheidung beruht auf der Ursache für das betreffende Defizit. Konjunkturelle Verschuldung entsteht dadurch, dass durch die konjunkturelle Entwicklung bedingte Schwankungen der staatlichen Einnahmen und Ausgaben einen Kreditbedarf auslösen können. Von struktureller Verschuldung spricht man demgegenüber dann, wenn eine Kreditaufnahme darauf beruht, dass die staatlichen Ausgaben – selbst unter den Voraussetzungen einer konjunkturellen Normallage – nicht durch reguläre staatliche Einnahmen, insbesondere Steuern, finanziert werden können58.

57 Siehe beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 24; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 14 f. 58 Hierzu: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 28 f.; siehe auch: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 25 f.

1. Teil

Staatsverschuldung: Eine Betrachtung aus ökonomischer Sicht Im Bereich des Staatsschuldenrechts treffen ökonomische und juristische Problemstellungen zusammen. Wie eng die verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Staatsschuldenrechts mit ökonomischen Erkenntnissen und Theorien verknüpft sind, geht bereits aus den im Grundgesetz normierten Schuldenregelungen selbst deutlich hervor: Als Beispiel ist an dieser Stelle die Verpflichtung von Bund und Ländern zur Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu nennen, die bereits vor der Föderalismusreform II in Art. 109 Abs. 2 GG normiert war und auch in der seit 2009 geltenden Fassung des Art. 109 Abs. 2 GG in leicht modifizierter Form beibehalten wurde1. Gerade der unbestimmte Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wurde vom Bundesverfassungsgericht explizit als „offene[r] Vorbehalt [innerhalb des Verfassungsrechts] für die Aufnahme neuer, gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als zuständiger Fachdisziplin“ anerkannt2. Da das Staatsschuldenrecht gerade in dem Grenzbereich zwischen Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft anzusiedeln ist, ergibt sich die „unausweichliche [. . .] Folge [. . .], dass die eine Fachrichtung nicht an den Erkenntnissen vorübergehen kann, zu denen die andere gelangt ist“ 3. Um sich nicht dem Vorwurf der „Ignoranz der Staatsrechtslehre gegenüber der Ökonomie“ 4 auszusetzen, kann demnach eine eingehende juristische Betrachtung der gegenwärti-

1 Dieses Beispiel für das Zusammentreffen normativer und makroökonomischer Maßstäbe im Staatsschuldenrecht findet auch konkret bei Jahndorf Erwähnung. Jahndorf führt aus, dass sowohl die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Art. 109 Abs. 2 GG a. F. als auch das Junktim von Neuverschuldung und Ausgaben für Investitionen in Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F.: „Ausdruck makroökonomischer Erkenntnisse“ seien, Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 125. Die genannte Junktimklausel ist allerdings – anders als die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts – im Zuge der Föderalismusreform II entfallen. 2 Vgl.: BVerfGE 79, 311 (338). 3 Patzig, DÖV 1985, 293 (293). 4 Zu diesem in der Ökonomie erhobenen Vorwurf äußert sich: Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 126.

§ 1 Die Theorien der Staatsverschuldung

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gen rechtlichen Bestimmungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung nicht auf eine Auseinandersetzung mit ökonomischen Grundlagen verzichten. Im Mittelpunkt der Ausführungen zu der ökonomischen Sichtweise auf das Problem der Staatsverschuldung soll die Frage stehen, ob sich in der Ökonomie eine einheitliche, nicht bloß vorübergehende Überzeugung hinsichtlich der Funktionen und Gefahren von Staatsverschuldung sowie eines „richtigen“ Umgangs mit Staatsverschuldung durchgesetzt hat. Zwar wäre eine rechtswissenschaftliche Betrachtung des Staatsschuldenrechts nicht zwingend an die Ergebnisse der ökonomischen Theorie und Forschung gebunden5; gewichtige Erkenntnisse seitens der Ökonomie können allerdings durchaus wertvolle Anhaltspunkte auch für eine juristische Bewertung der die Staatsverschuldung betreffenden rechtlichen Bestimmungen liefern. Der Analyse der 2009 in das Grundgesetz eingeführten deutschen Schuldenbremse ist somit ein Überblick über die ökonomische Diskussion zum Thema Staatsverschuldung voranzustellen. Einführend wird die historische Entwicklung der Staatsschuldentheorien in groben Umrissen nachgezeichnet. Anschließend sollen die von ökonomischer Seite erörterten positiven und negativen Aspekte staatlicher Verschuldung, insbesondere die Funktionen von Staatsverschuldung sowie die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Gefahren, dargestellt werden.

§ 1 Die Theorien der Staatsverschuldung: Überblick über die historische Entwicklung Eine Betrachtung der ökonomischen Theorien zum Thema Staatsverschuldung in ihrer zeitlichen Abfolge und ihrem historischen Kontext ist vorliegend vor allem aus einem Grund von Interesse: Die meisten der gegenwärtig vertretenen Ansichten zum Thema Staatsverschuldung einschließlich ihrer zentralen Argumente finden sich bereits in den historischen Theorieansätzen wieder; in der historischen Debatte traten die verschiedenen grundlegenden Standpunkte zum Thema Staatsverschuldung allerdings in der Regel nicht gleichzeitig, sondern vielmehr zeitversetzt auf 6. Die historische Entwicklung der Theorien der Staatsverschuldung wurde maßgeblich davon geprägt, wie man sich in der jeweiligen 5

Ebenso: Patzig, DÖV 1985, 293 (293). So beispielsweise Ernst-Pörksen konkret mit Blick auf die Staatsschuldendebatte der 1980er Jahre: Ernst-Pörksen, Staatsschuldtheorien, S. 8. Siehe auch Nowotny, der betont, dass eine Auseinandersetzung mit der ideengeschichtlichen Entwicklung der Theorie der öffentlichen Verschuldung deswegen von besonderem Interesse ist, „da gerade hier viele der heute politisch wirksamen Vorstellungen auf oft sehr weit zurückliegenden und vielfach auf gar nicht mehr bewußt nachvollziehbaren ökonomischen Überlegungen beruhen“, Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (27). Im Ergebnis wird man diese getroffene Aussage gerade auch auf die gegenwärtige Diskussion zum Thema Staatsverschuldung übertragen können. 6

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1. Teil: Staatsverschuldung

Zeit zu den beiden wesentlichen Fragestellungen positionierte – zum einen, ob staatliche Ausgaben aus gesamtwirtschaftlicher Sicht als „produktiv“ oder eher als „unproduktiv“ klassifiziert wurden, und zum anderen, welche Rolle dem Staat im Bereich der Wirtschaft zugedacht war7. Die nachstehende kursorische Darstellung der zentralen Theorien der Staatsverschuldung setzt mit Beginn der Neuzeit ein8: Die frühe Neuzeit, konkret der Zeitraum zwischen dem 16. bis 18. Jahrhundert, wurde vor allem durch die Staatsform des Absolutismus beherrscht; die Wirtschaftspolitik der absolutistischen Staaten zielte im Wesentlichen auf eine „Erhöhung des nationalen Reichtums zur Stärkung staatlicher Macht“ ab und fand ihre ökonomischen Grundlagen in der merkantilistischen – oder auch kameralistischen9 – Lehre10. Die Vertreter des Merkantilismus begrüßten grundsätzlich eine staatliche Tätigkeit im wirtschaftlichen Bereich und schrieben dem Staat sogar eine bedeutende Rolle als „Pionierunternehmer“ zu; staatliche Ausgaben wurden als produktiv bewertet11. Vor diesem Hintergrund wurde eine Ausdehnung der staatlichen Ausgaben durch die Aufnahme von staatlichen Krediten als vorteilhaft erachtet, sodass sich der Merkantilismus durch eine „verschuldungs-freundlich[e]“ Grundhaltung auszeichnete12: Der merkantilistische Ansatz ordnete die Aufnahme staatlicher Kredite als ein legitimes und zulässiges Mittel zur Deckung staatlicher Ausgaben ein13. Zwei bedeutsame Aspekte bewirkten allerdings, dass sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Gegenbewegung zum Merkantilismus bzw. Kameralismus formierte: Zum einen konnte man nunmehr auf Erfahrungen mit diversen 7

So: Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (28). Ausführlich zu der historischen Entwicklung der Staatsschuldtheorien: Ernst-Pörksen, Staatsschuldtheorien, S. 12 ff. Siehe ferner: Hoff, Staatsverschuldung, S. 45 ff.; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 106 ff.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 9 ff.; Lachmann, Fiskalpolitik, S. 65 ff.; Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 9 ff.; Wucherpfennig, Staatsverschuldung in Deutschland, S. 54 ff.; Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (28 ff.); Hickel, in: Staatsverschuldung kontrovers, 137 (151 ff.). Ein guter Überblick findet sich bei Friauf: Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 91, Rn. 1 ff. 9 Als Kameralismus wird die spezifisch deutsche Ausprägung des internationalen Merkantilismus bezeichnet. Siehe: Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 12. 10 So: Hoff, Staatsverschuldung, S. 45; vgl. hierzu auch: Lachmann, Fiskalpolitik, S. 65. Eingehend zu der Theorie des Merkantilismus: Ernst-Pörksen, Staatsschuldtheorien, S. 12 ff. 11 Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (28); ebenso: Nowotny, in: Öffentliche Verschuldung, 1 (2); Piel/Simmert, Staatsverschuldung – Schicksalsfrage der Nation?, S. 13. 12 Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (28). Siehe auch: Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 91, Rn. 2. 13 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 108; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 33. 8

§ 1 Die Theorien der Staatsverschuldung

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Staatsbankrotten im 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert zurückblicken. Zum anderen spielten die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit eine entscheidende Rolle: Befürchtet wurde, dass das Instrument der Staatsverschuldung dazu genutzt werden könnte, die gerade erst mühsam abgerungene Steuerbewilligungskompetenz der Landstände bzw. Parlamente gegenüber ihrem Landesherrn bzw. Souverän zu unterlaufen14. Der Ausgangspunkt der sich schließlich durchsetzenden klassischen Nationalökonomie, zu deren prominentesten Vertretern insbesondere David Ricardo und Adam Smith zu zählen sind, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen15: Gefordert wurde eine Rückbesinnung des Staates auf seine eigentlichen Aufgaben im Bereich der Außen- und Innenpolitik, vor allem auf die Pflichten zur Landesverteidigung und Aufrechterhaltung des Justizsystems; eine darüber hinaus gehende Staatstätigkeit, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, wurde abgelehnt16. Staatsausgaben galten als unproduktiv und sollten niedrig gehalten werden17. Charakteristisch für den Ansatz der klassischen Nationalökonomie ist dementsprechend eine generell ablehnende und skeptische Einstellung gegenüber Staatsverschuldung18. Im Kern wurde von den Vertretern der klassischen Nationalökonomie ein materieller Haushaltsausgleich, d. h. ein Ausgleich zwischen den staatlichen Ausgaben und den nicht aus aufgenommenen Krediten stammenden staatlichen Einnahmen, gefordert19. Eine erneute Kehrtwende, hin zu einer positiveren Einstellung gegenüber Staatsverschuldung, vollzog sich ungefähr ab Mitte des 19. Jahrhunderts, angestoßen durch den wirtschaftlichen Aufschwung der frühindustriellen Phase20. Zu

14 Siehe hierzu: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 108; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 33 f.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 10; Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 91, Rn. 3. 15 Hierzu: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 108 f.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 9 ff. Eingehend zur bürgerlichen Klassik der Nationalökonomie: Ernst-Pörksen, Staatsschuldtheorien, S. 22 ff. 16 Siehe beispielsweise: Hoff, Staatsverschuldung, S. 46; Kampmann, Staatsverschuldung, 10 f.; Piel/Simmert, Staatsverschuldung – Schicksalsfrage der Nation?, S. 14. 17 Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (29). 18 Als Beleg für die von der klassischen Nationalökonomie vertretene negative Einstellung gegenüber Staatsverschuldung können insbesondere die folgenden Äußerungen dienen: Ricardo bezeichnete Staatsverschuldung als „one of the moste terrible scourges which was ever invented to afflict a nation“, Ricardo, in: The Works and Correspondance of David Ricardo, Bd. 4, 143 (197). Smith betonte, dass die „Politik der öffentlichen Verschuldung [. . .] nach und nach jeden Staat geschwächt [habe], der sich ihrer bedient [. . . habe]“; dort „wo die öffentliche Schuld einmal eine bestimmte Höhe überschritten [. . . habe, sei es seines Wissens] kaum gelungen, sie auf gerechte Weise und vollständig zurückzuzahlen.“, Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 802 f. Höfling spricht in diesem Zusammenhang von einem „Staatsschuldenskeptizismus jener Zeit“: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 108. 19 So: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 10; Hoff, Staatsverschuldung, S. 46. 20 So: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 109; Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 91, Rn. 5.

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1. Teil: Staatsverschuldung

erwähnen ist an dieser Stelle die deutsche Finanzklassik mit ihren bedeutenden Vertretern Carl Dietzel, Lorenz von Stein sowie Adolph Wagner21. Als exemplarisch für die Position der deutschen Finanzklassiker gilt das berühmt gewordene Zitat von Steins, dass „ein Staat ohne Staatsschuld [. . .] entweder zu wenig für seine Zukunft [tue], oder [. . .] zu viel von seiner Gegenwart [fordere]“ 22. Im Gegensatz zu dem Ansatz der klassischen Nationalökonomie, sahen die Vertreter der deutschen Finanzklassik Staatsausgaben nicht mehr allgemein und pauschal als unproduktiv an; das Instrument der Staatsverschuldung wurde nicht länger uneingeschränkt verdammt, sondern vielmehr zur Finanzierung bestimmter staatlicher Ausgaben sogar befürwortet23. Das Ergebnis dieser Überlegungen bildete die erstmalige Entwicklung von auf die Staatsverschuldung bezogenen Deckungsregeln24. Die von den deutschen Finanzklassikern entwickelten Deckungsregeln der Staatsschuld waren objektbezogen, d. h. sie knüpften die Zulässigkeit einer Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben an die Art des zu finanzierenden Objekts25. Im Kern beruhte die Idee dieser objektbezogenen Deckungsregeln, die von Dietzel in groben Umrissen skizziert und später von Wagner näher ausgestaltet worden ist26, auf folgendem Ansatz: Zunächst wurde innerhalb der staatlichen Ausgaben zwischen ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben differenziert. Anschließend wurden den verschiedenen Kategorien von staatlichen Ausgaben entsprechende staatliche Deckungsmittel zugeordnet. Die ordentlichen Ausgaben des Staates sollten durch die regelmäßig und periodisch wiederkehrenden Einnahmen des Staates, insbesondere Steuererträge, finanziert werden; für die Deckung der außerordentlichen Staatsausgaben sollten demgegenüber auch außerordentliche staatliche Einnahmen, vor allem aus der Aufnahme von staatlichen

21 Hierzu: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 12 ff.; Hoff, Staatsverschuldung, S. 48 f. Eingehend zu der deutschen Finanzklassik und ihren weiteren Vertretern: ErnstPörksen, Staatsschuldtheorien, S. 50 ff. 22 v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, S. 666. 23 Piel/Simmert, Staatsverschuldung – Schicksalsfrage der Nation?, S. 19. Siehe etwa die positive Bewertung von Staatsverschuldung bei Dietzel: Er betont, dass Staatsanleihen „bei Befolgung der richtigen Grundsätze des Staatscredits einen gewaltigen und ununterbrochen sich steigernden Aufschwung [. . . des Nationalreichtums] zur Folgen haben“ müssten. Konkret bezeichnet er den Staatskredit als eine der „segensreichsten Instituten der neueren Staatsentwicklung“. Siehe: Dietzel, Das System der Staatsanleihen im Zusammenhang der Volkswirthschaft betrachtet, S. 224 und S. 140. 24 Weder im Merkantilismus noch in der klassischen Nationalökonomie hatte sich bislang eine Deckungslehre herausgebildet. So: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 108. 25 Kampmann, Staatsverschuldung, S. 13; siehe auch: Piel/Simmert, Staatsverschuldung – Schicksalsfrage der Nation?, S. 18. 26 Zu dem von Dietzel entwickelten Ansatz einer objektbezogenen Deckungsregel: Dietzel, Das System der Staatsanleihen im Zusammenhang der Volkswirthschaft betrachtet, vor allem S. 152 ff. und 210 ff. Zu der von Wagner entwickelten objektbezogenen Deckungsregel: Wagner, Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie, Finanzwissenschaft I, S. 130 ff. Ein Überblick über die Deckungsregeln von Dietzel und Wagner findet sich bei Höfling: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 109 ff.

§ 1 Die Theorien der Staatsverschuldung

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Krediten, zur Verfügung stehen27. Die Abgrenzung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Staatsausgaben erfolgte anhand der Kriterien der Periodizität und Vorhersehbarkeit sowie Produktivität bzw. Rentabilität 28. Als außergewöhnliche Ausgaben wurden insbesondere die nachstehenden Fallgruppen anerkannt: „Ausgaben für rentable, sich selbst tragende Investitionen“, „Ausgaben, deren Nutzen sich über das laufende Haushaltsjahr hinaus in die Zukunft erstreckt“ sowie „[n]icht vorhersehbare Ausgaben“ 29. Der nächste entscheidende Schritt in der Entwicklungsgeschichte der Verschuldungstheorien vollzog sich Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Eindruck der weltweiten Wirtschaftskrise und wurde maßgeblich durch die Arbeiten von John Maynard Keynes30 angestoßen31. In Folge der „Keynes’schen Revolution“ setzte sich eine „neue ,funktionale‘ Betrachtung“ des Instruments der Staatsverschuldung durch, die darauf basierte, dass dem Staat eine wichtige Aufgabe bei der Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung zugeschrieben wurde32. Die bisherigen objektbezogenen Deckungsregeln wurden durch einen situationsbezogenen Ansatz abgelöst: Der Einsatz des Instruments der Staatsverschuldung sollte nicht mehr von der konkreten Art des zu finanzierenden Objekts, sondern vielmehr von der jeweiligen konjunkturellen Situation abhängig gemacht werden. Knapp zusammengefasst wurde propagiert, dass der Staat in den Zeiten einer Wirtschaftsrezession, insbesondere bei Bestehen hoher Arbeitslosigkeit, auf die zurückgehende private Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen mit einer Erhöhung der staatlichen Ausgaben bzw. mit Steuersenkungen reagieren und so einem weiteren wirtschaftlichen Abschwung entgegenwirken müsse; die Finanzierung der zusätzlichen staatlichen Ausgaben bzw. die Deckung der entstehenden Haushaltslücken sollte im Wege staatlicher Kredite, durch sog. deficit spending, erfolgen. Umgekehrt sollten in konjunkturellen Aufschwungphasen staatliche Kreditaufnahmen unterbleiben bzw. sogar Überschüsse erwirtschaftet werden33. 27 Zusammenfassend beispielsweise: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 12; Andel, Finanzwissenschaft, S. 414. 28 Siehe: Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers 27 (30). Vgl. hierzu auch: Wagner, Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie, Finanzwissenschaft I, S. 135 ff. 29 So der zusammenfassende Überblick von Andel: Andel, Finanzwissenschaft, S. 414. Ähnlich auch: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 12 f.; Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (30). 30 Zu nennen ist hier vor allem das Hauptwerk von Keynes: Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. 31 Hierzu: Hickel, in: Staatsverschuldung kontrovers, 137 (161 ff.); Kampmann, Staatsverschuldung, S. 15 ff.; Hoff, Staatsverschuldung, S. 50 ff. Eingehend zum Keynesianismus: Ernst-Pörksen, Staatsschuldtheorien, S. 75 ff.; Wucherpfennig, Staatsverschuldung in Deutschland, S. 59 ff. 32 Siehe: Nowotny, in: Staatsverschuldung kontrovers, 27 (31). 33 Zusammenfassend zu der auf Keynes zurückgehenden, teilweise aber auch erst von seinen Nachfolgern herausgearbeiteten Kernthese des Keynesianismus siehe bei-

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1. Teil: Staatsverschuldung

Auch die Verschuldungstheorie des Keynesianismus blieb nicht lange unwidersprochen: In den 1960er und 1970er Jahren formierte sich vor allem mit dem Monetarismus eine Gegenbewegung zum Keynesianismus, als deren wesentlicher Verfechter Milton Friedman34 zu nennen ist35. Der Monetarismus wandte sich konkret gegen das vom Keynesianismus befürwortete deficit spending und stützte sich insbesondere auf das Argument eines crowding out-Effekts der Staatsverschuldung: Die Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben führe unter anderem über hierdurch ausgelöste Zinssteigerungen zu einer Zurückdrängung privater Investitionen. Die vom Keynesianismus behaupteten positiven Effekte des deficit spending blieben demnach aus oder erwiesen sich sogar als schädlich36. Mitte der 1970er Jahre wurde ferner auf der Grundlage der Ökonomischen Theorie der Politik bzw. Public-Choice-Theory ein weiterer Ansatz entwickelt, der der keynesianschen Auffassung von Staatsverschuldung entschieden entgegentrat37. Ausgehend von der These, dass sich Politiker in der Regel von ihren eigennützigen Interessen und ihrem Wunsch nach Machterhalt leiten ließen, wurde kritisiert, dass in der Realität die Anwendung des keynesianischen Modells zwangsläufig zu permanenten Haushaltsdefiziten, steigenden Inflationsraten sowie einer Ausdehnung des Staatssektors zu Lasten des privaten Sektors führe38. Abschließend ist zu der Entwicklung der verschiedenen Staatsschuldentheorien in der Finanzwissenschaft folgendes anzumerken: Die weit zurückreichende und stets kontrovers geführte ökonomische Diskussion über Funktion und Grenzen der Staatsverschuldung ist durch einen beständigen Wechsel von Bewegung und Gegenbewegung gekennzeichnet gewesen; es lassen sich somit aus heutiger Sicht gewisse „Konjunkturzyklen“ in der Entwicklung der Verschuldungstheorien erkennen39.

spielsweise: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 15 f.; Hoff, Staatsverschuldung, S. 51; Andel, Finanzwissenschaft, S. 414 f.; Wucherpfennig, Staatsverschuldung in Deutschland, S. 65 f. Eingehend: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 27 ff. 34 Zu nennen hier vor allem die Studie von Friedman „The Counter-Revolution in Monetary Theory“, siehe hierzu: Friedman, in: Der neue Monetarismus, 47 (47 ff.). 35 Hierzu: Hoff, Staatsverschuldung, S. 53 ff.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 17 f. Eingehend zum Monetarismus: Ernst-Pörksen, Staatsschuldtheorien, S. 105 ff.; Wucherpfennig, Staatsverschuldung in Deutschland, S. 76 ff. 36 Zusammenfassend zu dieser zentralen Argumentation der monetaristischen Schule siehe etwa: Pünder, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, § 123, Rn. 9; Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 91, Rn. 7; vgl. auch: Hickel, in: Staatsverschuldung kontrovers, 137 (164 f.). 37 Hierzu: Hoff, Staatsverschuldung, S. 55; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 18. 38 Siehe hierzu vor allem: Buchanan/Wagner, Democracy in Deficit, S. 72 f. sowie S. 96 ff. 39 So: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 8.

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

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§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht: Funktionen und Gefahren Wie dargelegt worden ist, sind im Laufe der Zeit eklatant voneinander abweichende Bewertungen des Instruments der Staatsverschuldung formuliert worden. So wurde Staatsverschuldung im Abstand weniger Jahrzehnte einerseits als schrecklichste Geißel der Nationen40 beschimpft, andererseits als segensreiches Institut der Staatsentwicklung41 gefeiert. Dementsprechend sind in einem nächsten Schritt die wichtigsten innerhalb der ökonomischen Diskussion vorgetragenen Argumente für bzw. gegen Staatsverschuldung, d. h. ihre zentralen Funktionen und Gefahren, nachzuzeichnen. Hierbei soll anders als in dem vorstehenden Abschnitt über die Entwicklung der Verschuldungstheorien gerade nicht die historische Abfolge der verschiedenen ökonomischer Strömungen im Vordergrund stehen, sondern der Schwerpunkt vielmehr auf der Herausarbeitung der im Laufe der Zeit und auch aktuell immer wieder vorgebrachten Argumentationsstränge und Streitpunkte liegen.

A. Positive Aspekte der Staatsverschuldung: Funktionen Gerade heute, in den Zeiten einer internationalen Finanzkrise, in denen kontinuierlich von Staatsbankrott, Schuldenstaat, Schuldenfalle, Schuldenspirale und Schuldenbergen die Rede ist, tendiert man dazu Staatsverschuldung allgemein als etwas Schlechtes und Gefährliches zu verurteilen. Auf den ersten Blick vermag es somit zu überraschen, dass das Urteil über Staatsverschuldung in der ökonomischen Fachdebatte keineswegs so eindeutig ausfällt und Staatsverschuldung teilweise sogar wesentliche Funktionen zugeschrieben werden. Im Folgenden soll ein Einblick in drei zentrale Funktionen von Staatsverschuldung gegeben werden, die in der Ökonomie anerkannt oder zumindest konträr diskutiert werden: Hierbei handelt es sich um die Stabilisierungsfunktion, die Lastenverschiebungsfunktion und die Überbrückungsfunktion42.

40 So: Ricardo, in: The Works and Correspondence of David Ricardo, Bd. 4, 143 (197). 41 So: Dietzel, Das System der Staatsanleihen im Zusammenhang der Volkswirthschaft betrachtet, S. 140. 42 Die der nachfolgenden Betrachtung zugrunde liegende Dreiteilung in Stabilisierungs-, Lastenverschiebungs- und Überbrückungsfunktion findet sich in vielen finanzwissenschaftlichen Darstellungen. Siehe exemplarisch: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (48 f.); Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 15 ff.; Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 49 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 39; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 52.

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1. Teil: Staatsverschuldung

I. Stabilisierungsfunktion der Staatsverschuldung In der Ökonomie nimmt vor allem die Diskussion über eine mögliche Stabilisierungsfunktion von Staatsverschuldung großen Raum ein: Konkret geht es an dieser Stelle um die These, dass mit Hilfe des Instruments der Staatsverschuldung ein Beitrag zur Glättung konjunktureller Schwankungen und damit zur – zumindest temporären – Stabilisierung der Konjunktur geleistet werden könne43. Eine Konjunkturstabilisierung wird von ökonomischer Seite als wünschenswert erachtet, da konjunkturelle Schwankungen gegebenenfalls mit schädlichen Auswirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung verbunden seien: Starke konjunkturelle Schwankungen könnten dazu führen, dass die allgemeine Unsicherheit erhöht und damit die Risikobereitschaft auf Seiten der Investoren ebenso wie auf Seiten der Verbraucher vermindert werde; auf längere Sicht sei folglich bei heftigen Konjunkturschwankungen mit einem niedrigeren Wirtschaftswachstum zu rechnen44. Konkret werden mit Blick auf die Stabilisierungsfunktion zwei verschiedene Mechanismen der stabilisierenden Verschuldung unterschieden. 1. Passive konjunkturelle Verschuldung – Die Wirkung der automatischen Stabilisatoren Die Idee der passiven konjunkturellen Verschuldung beruht knapp zusammengefasst auf folgenden Überlegungen: Über den Konjunkturverlauf hinweg kommt es typischerweise sowohl auf der Einnahmenseite als auch auf der Ausgabenseite zu relevanten Schwankungen. So ist in Rezessionsphasen üblicherweise ein Rückgang der staatlichen Steuereinnahmen zu verzeichnen; die staatlichen Ausgaben bleiben demgegenüber konstant oder steigen, insbesondere im Bereich der Arbeitslosenunterstützung, weiter an. In konjunkturellen Hochphasen verhält es sich im Normalfall genau umgekehrt45. Dementsprechend kommt es – sofern eine staatliche Intervention unterbleibt – in einer Rezession automatisch zu einem konjunkturbedingten Haushaltsdefizit, in einem wirtschaftlichen Aufschwung hingegen zu einem automatischen Haushaltsüberschuss46. Würde man trotz der 43 Zur Stabilisierungsfunktion siehe beispielsweise: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 15 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 40 ff.; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 52 ff.; Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 49 ff.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 77 ff. 44 So beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtstaatlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 46. 45 Exemplarisch für viele: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtstaatlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 46 f. 46 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 46 f.

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

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beschriebenen konjunkturbedingten Einnahmen- und Ausgabenschwankungen stets einen materiell ausgeglichenen Haushalt verlangen, so wäre die folgende Vorgehensweise unumgänglich: In Rezessionsphasen müsste auf das entstehende Finanzierungsdefizit mit Steuererhöhungen bzw. Kürzungen der Staatsausgaben reagiert werden; in den Phasen der Hochkonjunktur kämen demgegenüber Ausgabenerhöhungen oder Steuersenkungen in Betracht47. Aus ökonomischer Sicht wird der gerade beschriebene prozyklische Umgang mit konjunkturell bedingten Schwankungen im Einnahmen- und Ausgabenbereich, auch kurz Parallelpolitik genannt, als nachteilig und letztlich „destabilisierend“ abgelehnt48. Bei einem prozyklischen Vorgehen des Staates in einer Rezession drohe im Ergebnis eine weitere Verschärfung des Wirtschaftsabschwungs. Ein Versuch das in Rezessionsphasen automatisch auftretende Haushaltsdefizit durch Ausgabenkürzungen zu decken, bewirke einen weiteren Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage: Ausgabenkürzungen im Bereich der staatlicherseits nachgefragten Güter und Leistungen führten unmittelbar zu einem Nachfragerückrang beim Staat, Ausgabenkürzungen im Bereich der staatlichen Transferleistungen lösten mittelbar eine Verringerung der privaten Nachfrage aus. Aber auch Steuererhöhungen in einem konjunkturellen Abschwung seien ungünstig: Sie dämpften zum einen die Leistungsbereitschaft der privaten Steuerzahler und der Unternehmer, und verursachten zum anderen eine Reduktion der privaten Nachfrage49. Dementsprechend wird aus ökonomischer Sicht eine antizyklische Vorgehensweise befürwortet: Um eine schädliche Parallelpolitik zu vermeiden, sei in Rezessionsphasen ein konjunkturbedingtes Finanzierungsdefizit gegebenenfalls durch die Aufnahme staatlicher Kredite zu decken; diese aufgenommenen Kredite seien anschließend in der nächsten konjunkturellen Hochphasen mit Hilfe steigender Steuereinnahmen wieder zu tilgen. Die im Konjunkturverlauf automatisch auftretenden Finanzierungsdefizite und Finanzierungsüberschüsse sollten zugelassen werden und glichen sich im Idealfall über den Konjunkturzyklus hinweg aus50. Bei dieser Vorgehensweise könnten das Steuer- und Transfersystem ihre Wirkungen als automatische Stabilisatoren entfalten51. 47 Siehe beispielsweise: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 15. 48 So: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 41. Siehe auch: Ehrlicher, Der Staat 24 (1985), 31 (41); Andel, Finanzwissenschaft, S. 483 und S. 484 f.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 90 f.; Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 49. 49 Zu den Auswirkungen von Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen in Rezessionsphasen siehe beispielsweise: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 15 f.; Andel, Finanzwissenschaft, S. 484 f.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 91. 50 So: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 46 f.; Funke, Die Ver-

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1. Teil: Staatsverschuldung

Die Stabilisierungsfunktion der passiven konjunkturellen Verschuldung, die sich aus dem Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren ergibt, gilt in der ökonomischen Diskussion als unumstritten52. Aus ökonomischer Sicht leistet die passive konjunkturelle Verschuldung einen bedeutenden Beitrag zur Konjunkturstabilisierung, indem sie verhindert, dass der Staat durch seine Politik eine weitere Verschlechterung der konjunkturellen Entwicklung auslöst und damit selber „Quelle von Instabilitäten“ wird53. Tatsächlich liegen auch Studien vor, die eine vorteilhafte Wirkung der automatischen Stabilisatoren zu bestätigen scheinen54. 2. Aktive konjunkturelle Verschuldung – Kreditfinanzierte staatliche Konjunkturprogramme Neben der dargelegten passiven konjunkturellen Verschuldung wird in der Ökonomie mit Blick auf die Stabilisierungsfunktion von Staatsverschuldung der Einsatz aktiver konjunktureller Verschuldung diskutiert. Im Gegensatz zur passiven konjunkturellen Verschuldung, die lediglich bezweckt, in Rezessionsphasen eine weitere Verschärfung des Wirtschaftsabschwungs zu vermeiden, besteht das Ziel der aktiven konjunkturellen Verschuldung darin, in Rezessionsphasen einen wirtschaftlichen Umschwung herbeizuführen, d. h. einen neuen Wirtschaftsaufschwung in Gang zu setzen und zu verstärken55. Anders als bei der passiven konjunkturellen Verschuldung sollen bei der aktiven konjunkturellen Verschuldung Kredite nicht allein dazu eingesetzt werden, ein in Rezessionen automatisch eintretendes Finanzierungsdefizit zu decken, sondern darüber hinaus dazu, weitergehende aktive finanzpolitische Maßnahmen zu finanzieren56. Als Instrumente einer aktiven Stabilisierungspolitik werden vor allem vorübergehende kreditfinanzierte Ausgabenerhöhungen

schuldungsordnung, S. 90 ff., vor allem S. 92. Siehe auch: Andel, Finanzwissenschaft, S. 483. 51 Zu den automatischen Stabilisatoren und ihren Glättungseigenschaften siehe beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 46 f.; Andel, Finanzwissenschaft, S. 483. Siehe auch: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 375 ff. 52 Siehe exemplarisch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 47. 53 So: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 90 f. Siehe hierzu auch: Gandenberger, in: Staatsfinanzierung im Wandel, 843 (849). 54 Ein Überblick über Studien, die die positive Wirkung der automatischen Stabilisatoren bestätigen, sowie weitere Nachweise finden sich bei Koch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 54 f. 55 Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 93. 56 Siehe: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 43 f.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 93.

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

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bzw. Steuersenkungen genannt: Durch Ausgabensteigerungen solle der Staat selber in einem erhöhten Maße Konsum- und Investitionsgüter nachfragen; von Steuersenkungen verspricht man sich, dass der private Konsum gesteigert und ein Anreiz für zusätzliche Investitionen des privaten Sektors gesetzt werde57. Im Ergebnis wird angestrebt, mit Hilfe der aktiven konjunkturellen Verschuldung die in einem wirtschaftlichen Abschwung rückläufige private Nachfrage zumindest partiell zu kompensieren sowie positive Anreize für den privaten Konsum bzw. die private Investitionstätigkeit zu setzen und auf diesem Wege die Rezession zu überwinden; die aufgenommenen Kredite sollen anschließend durch die erhöhten Steuereinnahmen in der wieder einsetzenden konjunkturellen Hochphase gedeckt werden58. Im Gegensatz zur passiven konjunkturellen Verschuldung ist die aktive konjunkturelle Verschuldung in der ökonomischen Diskussion umstritten59: Aufmerksam gemacht wird etwa auf die Gefahr von relevanten zeitlichen Verzögerungen (lags), die gerade deswegen auftreten könnten, weil die aktive anders als die passive konjunkturelle Verschuldung auf diskretionären staatlichen Maßnahmen beruhe60. Konkret wird zwischen „Diagnose-, Prognose-, Entscheidungslag, administrativem lag und Wirkungslag“ differenziert61. Von dem Erkennen der Notwendigkeit einer finanzpolitischen Maßnahme bis zum Eintritt ihrer Wirkung könne gegebenenfalls viel Zeit vergehen; als gefährlich werden derartige Verzögerungen vor allem dann eingestuft, wenn eine diskretionäre Maßnahme bereits mit dem nächsten Aufschwung zusammentreffe und damit im Ergebnis schon wieder prozyklisch wirke62. Ein weiterer Kritikpunkt knüpft an der „mangelnden Reversibilität vieler finanzpolitischer Maßnahmen“ 63 an: Die Wirkung von den zur Konjunkturstabilisierung ergriffenen finanzpolitischen Maßnahmen sei nach dem Konzept der aktiven Stabilisierungspolitik auf den Zeitraum der jeweiligen konjunkturellen Krise zu beschränken; zwar seien die meisten der die 57 Siehe hierzu beispielsweise: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 16 f. Zu den verschiedenen Wirkungen der aktiven konjunkturellen Verschuldung siehe auch: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 93 ff. 58 Hierzu: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 44; Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 16 f. 59 Ein Überblick über die vielfältigen Probleme der diskretionären Fiskalpolitik findet sich z. B. bei Brümmerhoff: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 379 ff. 60 Hierzu beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 48; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 50. 61 Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 50; ebenso: Andel, Finanzwissenschaft, S. 482. Eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Arten von Lags bei diskretionären finanzpolitischen Maßnahmen findet sich bei Brümmerhoff: Brümmerhoff, Finanzpolitik, S. 380. 62 Vgl.: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 48. 63 Siehe: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 51.

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1. Teil: Staatsverschuldung

Ausgaben- oder Einnahmenseite betreffenden finanzpolitischen Maßnahmen im Ergebnis technisch reversibel, allerdings könnten politische Gründe ihrer Aufhebung entgegenstehen64. Darüber hinaus wird mit Blick auf das Instrument der aktiven konjunkturellen Verschuldung auch auf das Risiko von crowding-outEffekten, d. h. auf das Risiko einer Verdrängung privater Investitionen, hingewiesen65. Dass sich mit Hilfe der aktiven konjunkturellen Verschuldung tatsächlich ein Beitrag zur konjunkturellen Stabilisierung erzielen lässt, ist nicht allein von einem theoretischen Standpunkt aus zweifelhaft und streitig. Auch Studien lässt sich keine eindeutige und vor allem keine eindeutig positive Bestätigung für die Stabilisierungswirkung von kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen entnehmen66. 3. Ergebnis Zusammenfassend ist zu der Stabilisierungsfunktion von Staatsverschuldung festzuhalten: Während der Mechanismus der passiven konjunkturellen Verschuldung über das Wirkenlassen der automatischen Stabilisierung auf nahezu uneingeschränkte Zustimmung stößt, wird der Ansatz der aktiven konjunkturellen Verschuldung in der Ökonomie kontrovers diskutiert. II. Lastenverschiebungsfunktion der Staatsverschuldung In der ökonomischen Diskussion spielt darüber hinaus die Lastenverschiebungsfunktion der Staatsverschuldung eine bedeutende Rolle. Konkret geht es bei der Lastenverschiebungsfunktion um die These, dass sich mit Hilfe des Instruments der Staatsverschuldung Lasten von der Gegenwart auf die Zukunft übertragen ließen und dass eine derartige Lastenverschiebung in die Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen im Interesse einer gerechten intergenerativen bzw. intertemporalen Lastenverteilung wünschenswert sei67. Den entscheidenden Ausgangspunkt der Lastenverschiebungsfunktion von Staatsverschuldung bildet das von Richard Abel Musgrave entwickelte „pay as 64

Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 51. Eingehend zum crowding-out-Argument siehe unten: 1. Teil § 2 B. II. 66 Ein Überblick über Studien und ihre Ergebnisse sowie weitere Nachweise finden sich bei Koch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 55 f. 67 Zur Lastenverschiebungsfunktion siehe beispielsweise: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (28 ff. und 48 f.); Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 18 ff. und 65 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 54 ff.; Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 53; v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 35 ff. 65

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

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you use“-Argument68: Staatliche Investitionen erzeugten typischerweise nicht nur einen gegenwärtigen Nutzen; ihr Nutzen werde sich im Normalfall vielmehr über einen längeren Zeitraum erstrecken und damit auch noch zukünftigen Generationen zugutekommen. Vor diesem Hintergrund wird vertreten, dass die Lasten von Investitionen entsprechend ihrem jeweiligen zeitlichen Nutzen zwischen den verschiedenen Generationen zu verteilen seien. Als geeignetes Instrument zur Lastenverschiebung biete sich die Kreditfinanzierung staatlicher Investitionen an69. Die beschriebene Lastenverschiebungsfunktion von Staatsverschuldung ist in der ökonomischen Diskussion nicht unumstritten. Die Kritik an der Lastenverschiebungsfunktion knüpft vor allem an zwei verschiedenen Punkten an. 1. Zweifel an der Möglichkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft Zum einen werden von ökonomischer Seite Zweifel daran geäußert, dass es überhaupt möglich sei, auf dem Wege der staatlichen Kreditfinanzierung Lasten von der Gegenwart auf die Zukunft zu transferieren70. Damit wird der Staatsverschuldung die für die Lastenverschiebungsfunktion erforderliche „Zeitmaschinen“-Wirkung71 abgesprochen. Ob Staatsverschuldung eine Verlagerung von Lasten in die Zukunft ermöglicht oder nicht, hängt entscheidend davon ab, wie der Begriff der „Last“ verstanden und definiert wird72.

68 Siehe: Musgrave, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 68 (72 f.); Musgrave, Finanztheorie, S. 523 ff. 69 Zusammenfassend zu der zugrundeliegenden Argumentation: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 35; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 62. Siehe hierzu auch: Schlesinger/Weber/Ziebarth, Staatsverschuldung – ohne Ende?, S. 218 ff. 70 Für einen Überblick über die Lastenverschiebungsdebatte siehe beispielsweise: Gandenberger, in: Probleme der Staatsverschuldung, 189 (195 ff.); Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (28 ff.); Gandenberger, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 5, 480 (488 ff.); Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 19 ff.; Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 121 ff.; v Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 37 ff.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 27 ff.; Schimmack, Öffentlicher Kredit und Verteilung zwischen Generationen, S. 4 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 54 ff. 71 Der Begriff der „Zeitmaschine“ verwendet beispielsweise Thormählen: Thormählen, Konjunkturpolitik 26 (1980), 77 (77). 72 Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 59. Vgl. auch Gandenberger: „Die Kontroverse über die Lastverschiebung durch öffentlichen Kredit ist also ihrem Schwerpunkt nach keine Kontroverse über Sachfragen, sondern eine Erörterung semantischer Natur, eine Diskussion um die Bedeutung, die man zweckmäßigerweise dem Begriff Last beilegen sollte.“, Gandenberger, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 21 (1970), 87 (97).

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1. Teil: Staatsverschuldung

Die Vertreter der sogenannten „Neuen Orthodoxie“ 73, die Last als Ressourcenentzug definieren, stellen die Möglichkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft in Frage. Ihre These stützen sie im Wesentlichen auf zwei zentrale Argumente: Zunächst wird ein monetärer Einwand gegen die Annahme einer möglichen Lastenverschiebung geltend gemacht. Den in der Zukunft stattfindenden Zins- und Tilgungszahlungen des Staates stehe – im Fall der Inlandsverschuldung – ein gleichwertiger, ebenfalls in der Zukunft stattfindender Vermögenszuwachs auf Seiten der privaten Gläubiger gegenüber. Anstelle einer intergenerativen bzw. intertemporalen Lastenverschiebung komme es somit durch eine staatliche Kreditfinanzierung lediglich zu einer Verlagerung der Lasten innerhalb der jeweiligen Generation74. Verdeutlicht wird das dargelegte monetäre Argument durch die beiden berühmt gewordenen Sätze: „We pay it to ourselves“ und „We owe it to ourselves“ 75. Ferner wird gegen die Lastenverschiebungsthese auch ein güterwirtschaftlicher Einwand vorgebracht. In einer geschlossenen Volkswirtschaft würden bei einer Vollauslastung des Produktionspotenzials die vom Staat in Anspruch genommenen Ressourcen automatisch einer anderen gegenwärtigen Verwendung durch den privaten Sektor entzogen. Dies gelte unabhängig von der Steuer- oder Kreditfinanzierung dieser staatlichen Ausgaben. Im Falle zusätzlicher kreditfinanzierter Staatsausgaben realisiere sich die als Ressourcenentzug definierte Last somit nicht erst in der Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart76. Der gerade wiedergegebene Ansatz der „Neuen Orthodoxie“, der die Möglichkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft durch Staatsverschuldung leugnet, ist in der ökonomischen Diskussion nicht unwidersprochen geblieben. Im Laufe der Zeit sind in der Ökonomie abweichende Definitionen des Lastbegriffs entwickelt worden, die umgekehrt die These einer möglichen Lastenverschiebung durch staatliche Kreditfinanzierung stützen: Zu nennen ist zum einen der sogenannte „Utility Approach“ 77, der sich explizit gegen den Ansatz der „Neuen Orthodoxie“ wendet. Nach dem Lastkonzept des

73 Zu den Vertretern der „Neuen Orthodoxie“ gehören insbesondere Lerner, Hansen und Harris. Siehe hierzu: Lerner, in: Income, Employment and Public Policy, 255 (255 ff.); Hansen, Fiscal Policy and Business Cycles; Harris, The National Debt and the New Economics. Siehe auch: Thormählen, Konjunkturpolitik 26 (1980), 77 (77 ff.). 74 So etwa: Lerner, in: Income, Employment and Public Policy, 255 (255 ff.), vor allem (256 f.). Zusammenfassend zu diesem Argument siehe: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 38; v. Arnim, BayVBl 1981, 514 (518); Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 163. 75 Wiedergegeben werden diese beiden Sätze beispielsweise bei v. Arnim/Weinberg: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 38. 76 Zusammenfassend zu diesem Argument siehe: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 38 f.; v. Arnim, BayVBl 1981, 514 (518); Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 163. 77 Hauptvertreter des „Utility Approach“ ist Buchanan. Siehe hierzu: Buchanan, Public Principles of Public Dept, S. 34 ff.

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

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„Utility Approach“ ist es für das Vorliegen einer Last entscheidend, ob Individuen von einer konkreten Nutzeneinbuße betroffen sind. Im Zeitpunkt der Kreditaufnahme ist nach diesem Ansatz keine gegenwärtige Last festzustellen: Die jeweiligen Darlehensgeber stellten dem Staat ihr Kapital freiwillig zur Verfügung, da ihnen Staatspapiere als geeignete Option für eine Anlage ihres Vermögens erschienen; dementsprechend sei für sie dieser Vorgang nicht mit einer individuellen Nutzeneinbuße verbunden. Zu einer individuellen Nutzeneinbuße komme es erst in der Zukunft: Die aufgrund der aufgenommenen Kredite anfallenden Zinsund Tilgungslasten müssten zu einem späteren Zeitpunkt durch erhöhte Steuern oder zusätzliche Zwangsabgaben finanziert werden; hierin sei für die betroffenen Bürger eine individuelle Nutzeneinbuße und damit eine Last zu erkennen. Auch die von den Kreditgebern des Staates zeitgleich erzielten Zinseinkünfte könnten diese in der Zukunft eintretenden Nutzeneinbußen nicht ausgleichen: Entscheidend sei, dass die Kreditgeber entsprechende Zinseinkünfte auch im Falle der Steuerfinanzierung erzielt hätten; in diesem Fall wären ihnen die Zinseinkünfte zwar nicht aus Staatspapieren, aber aus alternativen Vermögensanlagen zugeflossen78. Zum anderen ist auf den sogenannte „Aggregate Investment Approach“ 79 einzugehen, der unter Last Wachstumseinbußen versteht. Der „Aggregate Investment Approach“ stellt bei seiner Betrachtung die verschiedenen Auswirkungen von Steuer- und Kreditfinanzierung auf die Entwicklung des Investitionsvolumens sowie das volkswirtschaftliche Wachstum in den Mittelpunkt. Seine zentrale These lautet, dass Staatsverschuldung eine Lastenverschiebung in die Zukunft nach sich ziehe, da sie mit zukünftigen Wachstumseinbußen verbunden sei: Steuerfinanzierung bewirke eine Einschränkung des privaten Konsums; Kreditfinanzierung löse demgegenüber eine Zurückdrängung privater Investitionen aus. Mit Staatsverschuldung sei somit eine erst in der Zukunft eintretende Last durch ein verringertes gesamtwirtschaftliches Wachstum verbunden80. 78 Zusammenfassend zur Argumentation des „Utility Approach“: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 56 f.; Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (30 f.); v Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 40 ff.; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 164 f. Eingehend: Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 131 ff. 79 Als Vertreter des „Aggregate Investment Approach“ sind insbesondere Musgrave, Modigliani und Vickrey zu nennen. Siehe hierzu: Musgrave, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 68 (71 ff.); Musgrave, Finanztheorie, S. 521 ff.; Modigliani, The Economic Journal 71 (1961), 730 (730 ff.); Vickrey, American Economic Review 51 (1961), 132 (132 ff.). 80 Zusammenfassend zu der Argumentation des „Aggregate Investment Approach“: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (31 f.); v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 42 ff.; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 165 f.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 58 f. Eingehend: Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 137 ff.

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1. Teil: Staatsverschuldung

2. Zweifel an der Gebotenheit und Zulässigkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft Innerhalb der ökonomischen Diskussion zur Lastenverschiebungsfunktion der Staatsverschuldung wird allerdings nicht nur die Möglichkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft in Frage gestellt. Es werden auch konkrete Zweifel daran geäußert, dass eine derartige Lastenverschiebung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten tatsächlich geboten bzw. überhaupt zulässig sei81. Mit Blick auf die Gebotenheit einer Lastenverschiebung in die Zukunft wird unter anderem ein Gesichtspunkt betont: Unter der Voraussetzung relativ kontinuierlich getätigter staatlicher Investitionen verlange der Aspekt der intergenerativen bzw. intertemporalen Gerechtigkeit keineswegs unausweichlich eine Kreditfinanzierung von zukunftswirksamen Investitionen82. Gehe man davon aus, dass jede Generation für die nachfolgenden Generationen ungefähr dieselbe Last an Investitionen auf sich nehme wie die vorangegangenen Generationen, so ließe sich Gerechtigkeit zwischen den Generationen auf zwei Wegen verwirklichen, zum einen dadurch, dass alle Generationen die kontinuierlich anfallenden Investitionen über Steuern finanzierten, zum anderen dadurch, dass alle Generationen auf das Instrument der Kreditfinanzierung zurückgriffen83. Anders als eventuell auf kommunaler Ebene, sei im Bund und in den Ländern im Normalfall von einem „kontinuierlichen Strom [. . .] öffentlicher Investitionen“ auszugehen; eine Kreditfinanzierung staatlicher Investitionen sei demnach – von möglichen Sonderfällen abgesehen – unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten gerade nicht zwingend geboten84. Die Zulässigkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft wird dahingehend kritisiert, dass bei Investitionen den durch eine Kreditfinanzierung in die Zukunft verschobenen Lasten nicht immer ein entsprechender Nutzen der zukünftigen Generationen gegenüberstehe: Es sei durchaus vorstellbar, dass aufgrund einer geänderten Bedarfslage bestimmte öffentliche Investitionen für zukünftige Generationen keinen Nutzen mehr beinhalteten. Möglicherweise stellten sich später

81 Eingehend zu der Frage, ob bzw. inwieweit eine Lastenverschiebung in die Zukunft geboten und zulässig ist: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 47 ff.; v. Arnim, BayVBl 1981, 514 (518). Siehe ferner: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 59 ff. 82 Siehe exemplarisch: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 47 f.; Haller, Finanzarchiv N. F. 19 (1958/1959), 72 (81 f. und 85); Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 61. Siehe hierzu auch die Übersicht über den Diskussionsstand bei Timm: Timm, in: Staat und Politische Ökonomie heute, 319 (321 f.). 83 v. Arnim, BayVBl 1981, 514 (518); siehe auch: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 47 ff. 84 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 48 f.

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auch die Folgekosten einer kreditfinanzierten Einrichtung als zu hoch heraus, sodass sich die nachfolgenden Generationen für eine Stilllegung entschlössen; in diesem Fall bestünden die Verpflichtungen aus den staatlichen Krediten fort, ohne dass diese Lasten durch einen entsprechenden Nutzen auf Seiten der kommenden Generationen kompensiert würden85. In diesem Kontext wird auch auf die Gefahr hingewiesen, dass die gegenwärtige Generation den zukünftigen Generationen ihre eigenen Präferenzen aufzwingen könne86. 3. Ergebnis Abschließend ist festzuhalten, dass die Lastenverschiebungsfunktion der Staatsverschuldung in der Ökonomie keineswegs unstrittig ist. Hierbei hat sich der konkrete Gegenstand der Kontroverse im Laufe der Zeit verlagert: Während früher vor allem die Frage diskutiert wurde, ob überhaupt die Möglichkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft durch den Einsatz von Staatsverschuldung gegeben ist, geht es inzwischen überwiegend um die Frage, ob eine derartige Lastenverschiebung aus Gründen der Generationengerechtigkeit überhaupt erwünscht ist87. III. Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung Weitgehend anerkannt ist in der ökonomischen Diskussion die sogenannte Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung: Eine wesentliche Aufgabe des Instruments der Staatsverschuldung wird darin gesehen, vorübergehende nichtkonjunkturbedingte Einnahmen- und Ausgabenschwankungen zu überbrücken88. Mit Blick auf die Überbrückungsfunktion werden in der ökonomischen Diskussion verschiedene Konstellationen erörtert, in denen Staatsverschuldung zum Einsatz kommen soll. Die beiden wichtigsten Fallgruppen sollen nachfolgend vorgestellt werden: 85

So beispielsweise: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 39. So beispielsweise: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 63; Pünder, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, § 123, Rn. 7. 87 Siehe: Schlesinger/Weber/Ziebarth, Staatsverschuldung – ohne Ende?, S. 217 f. 88 Zur Überbrückungsfunktion: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (43 ff.); Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 23 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 39 f.; Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 56. Im Rahmen der vorliegenden Einteilung werden der Überbrückungsfunktion in Abgrenzung zur Stabilisierungsfunktion lediglich nicht konjunkturell bedingte Kreditaufnahmen zugeordnet. Bei anderen Einteilungen der verschiedenen Funktionen von Staatsverschuldung wird die Überbrückungsfunktion teilweise allerdings auch explizit mit Blick auf konjunkturelle Schwankungen erörtert, so z. B.: Andel, Finanzwissenschaft, S. 398. 86

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Die bedeutendste Gruppe betrifft die Fälle, in denen einmalige, besonders große Ausgaben anfallen: Hierbei handelt es sich zum einen um Situationen, in denen nicht vorhersehbare Notlagen, wie z. B. Naturkatastrophen, politische Unruhen oder Kriege, eintreten und einen erhöhten Finanzbedarf des Staates auslösen. Zum anderen werden auch Sachverhalte angeführt, in denen größere Investitionsprojekte erhebliche Schwankungen im Ausgabenbereich hervorrufen89. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf den folgenden Aspekt: Ob es zu erheblichen Schwankungen des Ausgabenvolumens komme, werde maßgeblich durch die Größe der betreffenden Gebietskörperschaft bestimmt; viele Ausgaben, z. B. solche, die durch den Bau eines neuen Schulgebäudes verursacht würden, hätten zwar bei einer gesamtstaatlichen Betrachtung keinerlei Ausnahmecharakter, könnten jedoch an kleinere Gemeinden aufgrund ihrer Seltenheit extrem hohe Finanzierungsanforderungen stellen90. Eine Überbrückungsfunktion im Falle größerer Investitionen wird somit regelmäßig nur bei kleineren Gebietskörperschaften anerkannt91. In der gerade dargelegten Konstellation eines einmaligen, erheblichen Einnahmenmehrbedarfs wird das Instrument der Kreditfinanzierung gegenüber den in Betracht kommenden Alternativen aus ökonomischer Sicht als vorteilhaft eingestuft: Die volkswirtschaftlichen Kosten einer vorübergehenden Kreditfinanzierung dieser Ausgaben seien grundsätzlich niedriger als die von vorübergehenden Ausgabensenkungen oder Steuererhöhungen92. Gegen eine temporäre Kürzung anderer staatlicher Ausgaben spreche, dass sie mit Produktivitätseinbußen einhergehen könnten; unter Umständen würden auf diese Weise sogar „Investitionsruinen“ geschaffen93. Aber auch kurzfristige, vorübergehende Steuererhöhungen seien nachteilig, da sie wohlstandsmindernde Steuerfriktionen hervorriefen; insbesondere sei problematisch, dass den Besteuerten in diesem Fall keine ausreichende Anpassungszeit gewährt werde, um sich auf die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einstellen zu können94. Aus ökonomischer Sicht wird demnach empfohlen, den gestiegenen Einnahmenbedarf vorübergehend durch eine staatliche Kreditaufnahme zu überbrücken und die aufgenommenen 89 Vgl.: Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 56; Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 23 f.; Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (44). 90 Hierzu: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 24. 91 Siehe: Finsterbusch, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 56; Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (44); vgl. auch: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 24. 92 Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (44). 93 So: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 1 (44); siehe auch: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 39. 94 So: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 39; Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 23; Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (44).

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Kredite in der Folgezeit durch langsame, auf die finanziellen Bedürfnisse abgestimmte Steuererhöhungen wieder zurückzuführen95. Neben den Fällen, in denen es um die Deckung einmaliger und erheblicher Ausgaben geht, werden im Zusammenhang mit der Überbrückungsfunktion noch weitere Konstellationen genannt: So wird etwa auch die Bedeutung der Überbrückungsfunktion mit Blick auf kurzzeitig auftretende Kassenschwankungen betont. Infolge der zeitlichen Inkongruenz von Einnahmen- und Ausgabenströmen könne es in den öffentlichen Kassen zu temporären Liquiditätsengpässen kommen; diese seien gegebenenfalls mit dem Instrument der Staatsverschuldung für kurze Zeit zu überbrücken96. Zusammenfassend kommt bei der Überbrückungsfunktion aus ökonomischer Sicht eine wesentliche Eigenschaft von Staatsverschuldung zum Einsatz: Hierbei handelt es sich um die besondere „Flexibilität“ und „feine Dosierbarkeit“ des Instruments der Kreditaufnahme97.

B. Negative Aspekte der Staatsverschuldung: Gefahren In einem nächsten Schritt ist auf die von ökonomischer Seite herausgearbeiteten negativen Aspekte staatlicher Verschuldung, insbesondere auf die mit ihr verbundenen fiskalischen und wirtschaftlichen Gefahren einzugehen. I. Die höheren Kosten der Kreditfinanzierung Im Rahmen der ökonomischen Diskussion werden die höheren Kosten der Kreditfinanzierung gegenüber der alternativ in Betracht kommenden Steuerfinanzierung als nachteilig eingestuft98. In einem direkten Vergleich mit der sofortigen Steuerfinanzierung seien die mit der Kreditfinanzierung verbundenen Belastungen des Staates aufgrund der zu zahlenden Zinsen und der entstehenden Verwaltungskosten insgesamt beträchtlich höher. Es sei unter den gängigen Kreditkonditionen durchaus vorstellbar, dass die Kreditkosten des Staates am Ende 100 % des aufgenommenen Kredits erreichten oder sogar überstiegen. Werde ein staatliches Projekt durch Kredite finanziert, so könne es somit im Ergebnis doppelt soviel kosten wie im Falle einer Finanzierung durch Steuermittel99. 95 Siehe hierzu exemplarisch: Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 23; Finsterbusch, Die Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 56. 96 Siehe hierzu: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (45); Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 40. 97 Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (49). 98 So: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 57. 99 Siehe hierzu v. Arnim/Weinberg, die im Ergebnis allerdings offenlassen, als wie schwerwiegend und nachteilig dieser Aspekt der staatlichen Kreditfinanzierung letzten

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II. Crowding-out-Effekte und Wachstumseinbußen Als eine wesentliche Gefahr von Staatsverschuldung wird in der ökonomischen Diskussion vor allem das Risiko des crowding-out, d. h. das Risiko einer Verdrängung privater Investitionen, diskutiert100. Die Grund- und Ausgangsthese des crowding-out, die sich bereits bei Adam Smith und Milton Friedman wiederfindet, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Frage der Staat zur Finanzierung zusätzlicher, staatlicher Ausgaben auf dem privaten Kapitalmarkt Kredite nach, so verringerten sich in einem entsprechenden Maße die dem privaten Sektor für die Finanzierung von Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel; in Höhe der staatlichen Kreditaufnahme würden somit Investitionen des privaten Sektors verdrängt101. Als Folge der Verdrängungseffekte im Bereich privater Investitionen werden wiederum schädliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung erwartet102: Ein Rückgang von privaten Investitionen, von Inlands- ebenso wie Auslandsinvestitionen, sei im Ergebnis mit einer Verringerung des zukünftigen privaten Kapitalstocks und infolgedessen mit einem niedrigeren Wirtschaftswachstum verbunden; damit gingen das zukünftige Bruttonationaleinkommen pro Einwohner ebenso wie der Konsum und die Wohlfahrt im Inland zurück103. Auf Dauer wirke Staatsverschuldung somit als „Wachstumsbremse für Produktion und Beschäftigung“ 104. Die dargelegte Argumentation, nach der Staatsverschuldung langfristig zu einer Verdrängung privater Investitionen und damit zu Wachstumseinbußen führe, basiert im Wesentlichen auf dem oben bereits erwähnten „Aggregate Investment Approach“ 105.

Endes tatsächlich einzuordnen ist: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 57 f. 100 Ausführlich zur crowding-out-Diskussion: H. Walther, in: Öffentliche Verschuldung, 65 (65 ff.); Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (366 ff.); Dhom, in: Staatsverschuldung kontrovers, 381 (381 ff.); Duwendag, Staatsverschuldung, S. 72 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 64 ff.; Kern, Monetäre Wirkungen der Staatsverschuldung, S. 116 ff. 101 So die Zusammenfassung zu der zentralen These des crowding-out: Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (368). Siehe auch die folgenden Aussagen von Adam Smith und Milton Friedman: Smith argumentiert, dass „die ersten Gläubiger des Staates in dem Augenblick, in dem sie ihr Kapital der Regierung leihen, bestimmte Teile des Sozialprodukts der privaten Kapitalbildung entziehen und stattdessen den öffentlichen Einnahmen zuführen“, vgl.: Smith, Der Wohlstand der Nationen, S. 798. Friedman legt dar, dass der Haupteffekt bei der Finanzierung staatlicher Ausgaben darin bestehe, dass „der Staat die Mittel ausgibt und nicht der Steuerzahler oder der Kreditgeber oder derjenige, der anderenfalls diese Mittel aufgenommen hätte“, Friedman, in: Der neue Monetarismus, 47 (65). 102 Siehe beispielsweise: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 68. 103 So explizit Koch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 69. 104 So: Neumann, in: Staatsverschuldung kontrovers, 89 (101).

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Die Fragestellung, ob bzw. inwieweit die Aufnahme von Krediten durch den Staat zu einem Rückgang privater Investitionen führt, ist in der ökonomischen Diskussion jedoch höchst umstritten. Das Problem des crowding-out ist sowohl auf einer theoretischen als auch auf einer empirischen Grundlage bereits umfassend untersucht worden106 und kann demnach an dieser Stelle lediglich kursorisch behandelt werden. 1. Die Verdrängungsmechanismen Innerhalb der ökonomischen Diskussion sind inzwischen verschiedene Verdrängungsmechanismen herausgearbeitet worden, die das Phänomen des crowding-out auf diverse Faktoren zurückführen. Vor allem drei mögliche Verdrängungsmechanismen sollen nachfolgend vorgestellt werden: Zunächst findet sich ein Ansatz, der die crowding-out-Effekte von Staatsverschuldung auf mit der staatlichen Kreditaufnahme verbundene Zinssteigerungen zurückführt und dementsprechend auch als finanzielles crowding-out bezeichnet wird. Staat und private Kreditnehmer konkurrierten auf dem Kreditmarkt um die dort nur begrenzt vorhandenen Finanzierungsmittel. Reiche das gegebene Kapitalangebot nicht aus, um die gesamte Nachfrage zu decken, so könne eine zusätzliche Kreditnachfrage durch den Staat im Ergebnis zu einer Anhebung des Zinsniveaus führen. Da sich der Staat gegenüber den privaten Kreditnehmern durch eine größere „Zinsrobustheit“ auszeichne107, bewirkten diese Zinserhöhungen letztlich eine Verdrängung der privaten Kreditnehmer und damit eine Verringerung der privaten Investitionstätigkeit108. Darüber hinaus wird in der crowding-out-Debatte der Mechanismus des realwirtschaftlichen crowding-out erörtert. Hierbei wird die Zurückdrängung privater Investitionen nicht auf die Auswirkungen der staatlichen Kreditaufnahme am Kapitalmarkt, sondern vielmehr auf die Auswirkungen am Gütermarkt zurückgeführt. Durch die kreditfinanzierte Erhöhung der staatlichen Nachfrage nach 105 Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 70. Zum „Aggregate Investment Approach“ siehe oben unter: 1. Teil § 2 A. II. 1. 106 Siehe Funke mit umfangreichen Nachweisen in den Fußnoten: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 140. 107 Zur Zinsrobustheit der öffentlichen Kreditnehmer siehe insbesondere Dhom, der ausführt, dass auf Seiten der öffentlichen Kreditnehmer die Vorstellungen von einem noch tragbaren Zinssatz weniger von Rentabilitätserwartungen, sondern im Wesentlichen nur von dem Gebot einer sparsamen Haushaltsführung bestimmt würden: Dhom, in: Staatsverschuldung kontrovers, 381 (384 f.). Kritisch hierzu siehe etwa: Kern, Monetäre Wirkungen der Staatsverschuldung, S. 139 ff. 108 Zu dem Mechanismus des finanziellen crowding-out siehe: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 76 ff., vor allem S. 77; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 22 f.; siehe ferner: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 140 ff.; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 65 ff.

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1. Teil: Staatsverschuldung

Gütern und Dienstleistungen stünden die für die Herstellung privater Güter erforderlichen Produktionsfaktoren und Ressourcen nur noch in einem entsprechend reduzierten Maße zur Verfügung. Ferner werde die private Nachfrage durch die mit der verstärkten staatlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistung einhergehenden Preissteigerungen verdrängt109. Hingewiesen wird ferner auf das erwartungsbedingte crowding-out. Argumentiert wird, dass durch den Anstieg der Staatsverschuldung und die dadurch hervorgerufene Angst vor Steuererhöhungen, Subventionskürzungen, höheren Zinssätzen bzw. steigenden Inflationsraten die Investitionsneigung im privaten Bereich gedrosselt werden könne110. Die These des erwartungsbedingten crowdingout lautet zusammengefasst: „[W]enn die Investoren zunehmende Angst vor der Zukunft haben (aus welchen Gründen auch immer), werden sie weniger investieren“ 111. 2. Die kontroverse Diskussion über die These des crowding-out Die These des mit der Staatsverschuldung verbundenen crowding-out sowie die dargestellten Verdrängungsmechanismen werden in der Ökonomie allerdings kontrovers diskutiert und sind in ihren Grundlagen ebenso wie im Detail höchst umstritten. Die Annahme einer mit der staatlichen Kreditfinanzierung einhergehenden Verdrängung privater Investitionen wird an vielen Stellen als unzutreffend kritisiert bzw. mit bedeutenden Einschränkungen versehen: Beanstandet wird zunächst, dass im Rahmen der crowding-out-Diskussion häufig von der unzutreffenden Prämisse ausgegangen werde, dass öffentliche Investitionen im Vergleich zu privaten Investitionen durch eine geringere Produktivität und Rentabilität gekennzeichnet seien; in dieser Allgemeinheit lasse sich diese These allerdings nicht aufrechterhalten112. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Staatsverschuldung – zumindest auf kurz- bis mittelfristige Sicht – auch crowding-in-Effekte auslösen könne: Die Aufnahme von Krediten seitens des Staates könne etwa dazu dienen, Projekte im Bereich der Infrastruktur zu finanzieren und hierdurch erst die entscheidenden Voraussetzungen für eine gesteigerte private Nachfrage und Investitionstätigkeit zu schaffen113. Zudem hät109 Zu dem Mechanismus des realwirtschaftlichen crowding-out siehe: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 74 f.; siehe ferner: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 64 f. 110 Zu dem Mechanismus des erwartungsbedingten crowding-out siehe: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 80; H. Walther, in: Öffentliche Verschuldung, 65 (67 f.); Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 144 f. 111 H. Walther, in: Öffentliche Verschuldung, 65 (67 f.). 112 So: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 72; siehe auch: Lang/Koch, Staatsverschuldung – Staatsbankrott?, S. 153. 113 So: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 24. Zu möglichen crowding-in-Effekten siehe auch: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 73.

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ten staatliche Ausgaben unabhängig von ihrer Steuer- oder Kreditfinanzierung einen „expansiven Effekt auf das Volkseinkommen“; anders als eine Steuerfinanzierung löse eine Kreditfinanzierung nicht zugleich entsprechende Einkommenseinbußen des privaten Sektors aus, sodass sich zumindest temporär mit Staatsverschuldung ein erhöhtes Wachstum erzielen lasse114. Ferner werden auch die einzelnen oben dargelegten Verdrängungsmechanismen in der ökonomischen Diskussion in Zweifel gezogen. In Bezug auf das finanzielle crowding-out wird insbesondere hervorgehoben, dass das Zinsniveau und die Zinsentwicklung in der Realität durch eine Vielzahl von Faktoren und nicht allein durch die Staatsverschuldung beeinflusst würden; darüber hinaus wird klargestellt, dass nicht nur die Zinskosten das Verschuldungs- und Investitionsverhalten privater Unternehmer determinierten115. Auf einen wesentlichen Aspekt soll an der vorliegenden Stelle etwas näher eingegangen werden: Hinsichtlich des oben dargestellten Verdrängungsmechanismus des finanziellen crowding-out wird die Vorstellung kritisiert, dass es sich bei dem am Kapitalmarkt verfügbaren Kreditangebot um einen „gegebene[n] Strom“ 116 bzw. um den fest vorgegebenen Inhalt eines Topfes117 handele, so dass eine zusätzliche staatliche Kreditnachfrage automatisch zu einer Verringerung des dem privaten Sektor zur Verfügung stehenden Kreditangebots führen und zwangsläufig einen Anstieg des Zinssatzes auslösen müsse. Hiergegen wird eingewandt, dass die durch den Staat aufgenommenen Kredite nicht verloren seien, sondern vielmehr an die Unternehmer bzw. privaten Haushalte zurückflössen118. Infolgedessen sei mit einer zusätzlichen staatlichen Kreditaufnahme ein Rückgang des Kreditbedarfs des privaten Sektors bzw. eine Erhöhung des Angebots auf dem Kapitalmarkt verbunden119. Die staatliche Kreditaufnahme schaffe sich im Ergebnis selber ihr Kreditangebot, sodass die Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben nicht grundsätzlich „auf Kosten des Finanzierungsspielraumes anderer Sektoren, auch nicht der Unternehmen“ gehen müsse120. 114

So: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 25. Hierzu: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 76 f. 116 So die Kritik von Kromphardt: Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, S. 243. 117 So die Kritik von Pohl: Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (369). 118 Siehe hierzu beispielsweise: Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, S. 243; vgl. auch: Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (369). Bei diesem Ansatz handelt es sich letztlich um die von Wolfgang Stützel als Gegenmodell zu der sogenannten „Quellentheorie“ entwickelte „Fontänentheorie“, nach der die vom Staat aufgenommenen finanziellen Mittel wieder in den Kreditmarkt zurückfließen und dadurch das durch die staatliche Kreditaufnahme geschmälerte Kreditangebot wieder auffüllen. Siehe hierzu: Stützel, Kredit und Kapital 11 (1978), 429 (445 f.). Ausführlich zur Quellen- und Fontänentheorie: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 81 ff. 119 Siehe: Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, S. 243; Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (370). 120 Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (371). 115

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Auch mit Blick auf die Annahme eines realwirtschaftlichen crowding-out werden bedeutsame Einschränkungen formuliert. Der Mechanismus des realwirtschaftlichen crowding-out sei vor allem von der konjunkturellen Ausgangslage abhängig121. Lediglich bei Vollbeschäftigung bzw. vollständiger Auslastung der Ressourcen könne es zu dem genannten Verdrängungseffekt auf dem Gütermarkt kommen. Bei bestehender Unterbeschäftigung müsse den vom Staat nachgefragten, kreditfinanzierten Gütern keineswegs automatisch ein entsprechender Verzicht des privaten Sektors gegenüberstehen; die erhöhte Gesamtnachfrage könne vielmehr real befriedigt werden122. Hingewiesen wird in diesem Kontext allerdings auch darauf, dass selbst bei fortdauernder Unterbeschäftigung keineswegs stets die erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten gegeben seien, um die erhöhte Nachfrage zu befriedigen; angesprochen wird an dieser Stelle insbesondere das Problem der strukturellen, gerade nicht durch mangelnde Nachfrage bedingten Arbeitslosigkeit123. Auch die These eines erwartungsbedingten crowding-out ist nicht unumstritten. Kritisiert wird, dass positive Effekte, die von einer kreditfinanzierten staatlichen Wirtschaftstätigkeit für die Investitionsbereitschaft ausgehen könnten, vernachlässigt würden124. Beispielsweise wird es als fraglich angesehen, ob die Investoren eine akute Unterauslastung ihrer Kapazitäten bzw. eine sinkende Nachfrage nicht stärker fürchteten als die fernen Auswirkungen eines staatlichen Haushaltsdefizits bzw. einer steigenden Staatsverschuldung125. 3. Ergebnis Die Diskussion darüber, ob bzw. inwieweit eine öffentliche Kreditaufnahme tatsächlich Verdrängungswirkungen zulasten privater Investitionen entfaltet, erweist sich bei genauerer Betrachtung als extrem komplex. Letztlich lassen sich zu der These des crowding-out weder in der ökonomischen Theorie noch in empirischen Untersuchungen eindeutige Antworten finden126. Einige neuere empirische Studien deuten auf eine negative Korrelation zwischen Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum hin127. Eine besondere Stel121

So beispielsweise: Duwendag, Staatsverschuldung, S. 74. Pohl, in: Staatsverschuldung kontrovers, 366 (376); siehe auch: Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, S. 242; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 64 f. 123 Siehe hierzu beispielsweise: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 65. 124 Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, S. 245. 125 So: H. Walther, in: Öffentliche Verschuldung, 65 (68); ebenso: Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, S. 245. 126 Siehe: Mückl, Finanzarchiv N. F. 42 (1984), 1 (1); Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 141. 127 Siehe hierzu: Panizza/Presbitero, Public Debt and Economic Growth: Is There a Causal Effect?, MoFiR working paper no. 65, 2012, S. 2. Hierbei wird unter anderem 122

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lung nimmt in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung von Carmen Reinhart und Kenneth S. Rogoff aus dem Jahr 2010 ein, die eine enge Verbindung zwischen Staatsverschuldung und Wachstumsverlusten ab einer Staatsschuldenquote von über 90 % zu belegen scheint128. Die Ergebnisse von Reinhardt und Rogoff sind indes heftig umstritten; die geäußerte Kritik stützt sich unter anderem auf einen Programmfehler bei der Berechnung der Daten sowie auf die selektive Nichtberücksichtigung einiger Länder, insbesondere Neuseeland, in bestimmten Zeitabschnitten129. Im Rahmen ihrer Berichtigung weisen Reinhart und Rogoff allerdings darauf hin, dass selbst die korrigierten Daten auf einen Zusammenhang zwischen höherer Staatsverschuldung und niedrigeren Wachstumsraten hindeuten würden130. Im Ergebnis ist die Diskussion über die Kernaussage von Reinhart und Rogoff nach wie vor unentschieden. Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass eine negative Korrelation zwischen Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum nicht zwingend auf eine entsprechende Kausalität schließen lässt131. III. Fiskalische Langzeitfolgen von Staatsverschuldung: Einengung des künftigen finanzpolitischen Handlungsspielraums und Staatsbankrott Eine relevante Gefahr wird ferner in den möglichen fiskalischen Langzeitfolgen von Staatsverschuldung gesehen: Ausgeführt wird, dass eine dauerhafte staatliche Neuverschuldung zu einer kritischen Einschränkung des künftigen finanzpolitischen Handlungsspielraums führen könne132. Da es sich bei staatlichen Krediten um staatliche Einnahmen handele, ließe sich durch kontinuierliche auf die nachfolgenden Studien verwiesen: Kumar/Woo, Public Debt and Growth, IMF Working Paper 10/174; Checherita/Rother, The Impact of High and Growing Government Debt on Economic Growth. An Empirical Investigation for the Euro Area, European Central Bank, Working Paper Series No. 1237, August 2010; Cecchetti/Mohanty/ Zampolli, The Real Effects of Debt, BIS Working Papers No. 352, September 2011. 128 Reinhart/Rogoff, American Economic Review 100 (2010), 2, 573 (573 ff.). 129 Herndon/Ash/Pollin, Does High Public Debt Consistently Stifle Economic Growth? A Critique of Reinhart and Rogoff, Political Economy Research Institute, University of Massachusetts Amherst, Working Paper Series No. 322, April 2013; Herndon/Ash/Pollin, Does High Public Debt Consistently Stifle Economic Growth? A Critique of Reinhart and Rogoff, Cambridge Journal of Economics 38 (2014), 257 (257 ff.); Krugmann, The Excel Depression, New York Times, April 18, 2013. 130 Siehe: Reinhart/Rogoff, Errata: „Growth in A Time of Debt“, May 5, 2013; vgl. auch: Reinhart/Rogoff, Responding to Our Critics, New York Times, April 25, 2013. 131 Siehe: Panizza/Presbitero, Public Debt and Economic Growth: Is There a Causal Effect?, MoFiR working paper no. 65, 2012, S. 2. 132 Siehe hierzu beispielsweise: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 58 ff.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 158 ff.; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 84 ff.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 47 ff.

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1. Teil: Staatsverschuldung

staatliche Neuverschuldung vorerst eine Vergrößerung des finanzpolitischen Ausgaben- und Handlungsspielraums erzielen; aufgrund der zu einem späteren Zeitpunkt anfallenden Zins- und Tilgungsverpflichtungen könne sich dieser zunächst gewonnene Spielraum allerdings langfristig betrachtet wieder reduzieren bzw. sogar zu einer Einengung entwickeln133. Als bedrohlich wird insbesondere eingestuft, dass die aus einer kontinuierlich getätigten Neuverschuldung folgenden Zinsverpflichtungen einen immer größeren Anteil an den verfügbaren Einnahmen aufzehrten; vorstellbar sei, dass es schließlich an dem erforderlichen finanziellen Spielraum fehle, um wichtige staatliche Aufgaben zu erfüllen, Investitionen zu tätigen oder auch in Rezessionen stabilisierungspolitische Maßnahmen zu ergreifen134. Es drohe eine „merkliche Unfreiheit der Budgetgestaltung“ 135. Letztlich könne eine dauerhafte staatliche Neuverschuldung bis zu einem Staatsbankrott führen136. Für eine erste Einschätzung der fiskalischen Langzeitfolgen von Staatsverschuldung gilt heute noch immer das in den 1940er Jahren entwickelte DomarModell als geeignete Grundlage137. 1. Das Domar-Modell Auf den Ökonom Evsey D. Domar, nach dem das sogenannte Domar-Modell138 benannt ist, geht die Erkenntnis zurück, dass das Problem der Staatsverschuldung im Ergebnis ein Problem des Wachstums des Volkseinkommens sei, d. h. dass die Lasten der Staatsverschuldung maßgeblich vom volkswirtschaftlichen Wachstum abhingen139. Domar erkennt zwar an, dass eine permanente staatliche Neuverschuldung zu einem kontinuierlichen Anstieg der Staatsverschuldung und unter normalen Bedingungen auch zu steigenden Zinsbelastungen führen werde; die absoluten Zahlen der öffentlichen Verschuldung bzw. der Zinslast hält er allerdings nicht für aussagekräftig. Seiner Ansicht nach sind Höhe und Wachstum der 133 Vgl. hierzu die von Brümmerhoff formulierte Problemstellung: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 647. 134 Hierzu eingehend: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 158 ff. 135 Kolms, Finanzwissenschaft, Bd. 4, S. 74. 136 Siehe: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 84. 137 Siehe exemplarisch: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 647; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 84. 138 Eingehend zum Domar-Modell siehe beispielsweise: Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft, S. 187; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 647 ff. Siehe auch: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 73 ff.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 50 ff.; Blaas/Matzner, in: Staatsverschuldung kontrovers, 118 (119 ff.). 139 So: Domar, American Economic Review 34 (1944), 798 (816 f. und 822 f.). Siehe hierzu auch: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 51; Ganter, in: Öffentliche Verschuldung, 145 (149 f.).

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

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öffentlichen Verschuldung vielmehr in Relation zu der Entwicklung anderer volkswirtschaftlicher Variablen zu setzen und hiernach zu bewerten140. Aus den modelltheoretischen Überlegungen von Domar wird abgeleitet, dass „bei Wirtschaftswachstum eine proportional wachsende Staatsschuld nicht ruinös [. . . sei] vom Standpunkt der Wirtschaft und nicht brisant vom Standpunkt der Steuerzahler“ 141. 2. Das bedeutsame Verhältnis von Zinssatz und Wachstumsrate Ausgehend von dem Ansatz des Domar-Modells wird zur Beurteilung der ökonomischen Folgen einer permanenten staatlichen Neuverschuldung auf das bedeutsame Verhältnis zwischen der Höhe der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts und der Höhe des durchschnittlichen Zinssatzes auf die aufgenommenen staatlichen Kredite verwiesen142. Stimme die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts mit dem durchschnittlichen Zinssatz auf die bestehenden Staatsschulden überein, so nähere sich der Anteil der Zinsverpflichtungen am Bruttoinlandsprodukt, die sogenannte Zinsquote, bei einer langfristigen Betrachtung dem Anteil der staatlichen Neuverschuldung am Bruttoinlandsprodukt, der Neuverschuldungsquote, als Grenzwert an. Die aus der staatlichen Kreditaufnahme gewonnen finanziellen Mittel reichten in diesem Fall gerade dazu aus, die aus der Kreditaufnahme entstehenden Zinsverbindlichkeiten zu decken. Eine dauerhafte Erweiterung des finanziellen Handlungsspielraums durch die Aufnahme staatlicher Kredite ließe sich demnach unter den genannten Bedingungen nicht erreichen143. Liege demgegenüber die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts über dem durchschnittlichen Zinssatz für die Staatsschulden, so würden die neu aufgenommenen Kredite nicht vollständig zur Deckung der bestehenden Zinsbelastungen benötigt und ein zusätzlicher finanzieller Handlungsspielraum des Staates entstehe144. In diesem Fall könne der Schuldenstand parallel zum Bruttoinlandsprodukt anwachsen, ohne dass die sich ergebenden Zinsverpflichtungen zu einer bedrohlichen Einengung führten145. 140

Domar, American Economic Review 34 (1944), 798 (799). Blaas/Matzner, in: Staatsverschuldung kontrovers, 118 (122). 142 So beispielsweise: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 649; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 74. Siehe auch v. Arnim/Weinberg, die an dieser Stelle von „Schlüsselgrößen für die Analyse“ sprechen: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 59. 143 Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 163; Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 74; v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 59 f. 144 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 60; vgl. auch: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 74. 145 Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 162. 141

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1. Teil: Staatsverschuldung

In dem umgekehrten Fall, dass der Zinssatz die Wachstumsrate des Sozialprodukts übersteige, sei hingegen festzustellen, dass der finanzielle Handlungsspielraum des Staates weiter eingeschränkt werde: Die Zinsausgaben lägen in diesem Fall auf Dauer oberhalb des durch die Kreditaufnahme gewonnenen Ausgabenspielraums146. 3. Schlussfolgerungen Aus den dargestellten Überlegungen werden aus ökonomischer Sicht die folgenden Konsequenzen gezogen: Eine fortgesetzte Staatsverschuldung führe nur dann nicht zu einer Einschränkung des zukünftigen finanziellen Handlungsspielraums, wenn man von einem entsprechenden Wirtschaftswachstum ausgehe. Diese Berechnungen fielen indes „wie ein Kartenhaus in sich zusammen, wenn das erwartete Wachstum [ausbleibe]“ 147. Da sich in allen entwickelten Industriestaaten empirisch nachweisen lasse, dass die volkswirtschaftliche Wachstumsrate im Durchschnitt unter dem Zinssatz auf die Staatsschuld liege, sei in diesen Ländern zu erwarten, dass die permanente staatliche Kreditaufnahme auf langfristige Sicht den finanziellen staatlichen Handlungsspielraums verringere148. Vor diesem Hintergrund wird ferner auf die Gefahr einer drohenden staatlichen Insolvenz hingewiesen. Sei die Wachstumsrate niedriger als der Zinssatz auf die Staatsschulden und versuche der Staat dauerhaft die aus den staatlichen Krediten folgenden Zinsverbindlichkeiten nicht über Steuern sondern über die Aufnahme neuer Kredite zu finanzieren, so sei ein drastischer Anstieg der Schuldenstandsquote die Folge. Ab einem gewissen Punkt werde der Staat von den Kreditgebern als nicht mehr kreditwürdig eingestuft, so dass ein Staatsbankrott eintrete149. IV. Personale intratemporale Verteilungswirkungen der Staatsverschuldung – Unerwünschte Umverteilung von „unten nach oben“ In der ökonomischen Diskussion zu den Vor- und Nachteilen der Staatsverschuldung spielte darüber hinaus lange Zeit der sogenannte Transferansatz, d. h. die These einer mit der Staatsverschuldung verbundenen unsozialen und uner146 Vgl.: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 60; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 163. 147 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 61. 148 So ausdrücklich: Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft, S. 191. Speziell zu dem Verhältnis der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts zum Zinssatz in Deutschland: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 43, Schaubild 7. 149 Siehe hierzu beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 42.

§ 2 Bewertung der Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht

65

wünschten Umverteilung des Einkommens „von unten nach oben“, eine bedeutende Rolle150. 1. Die Thesen des Transferansatzes Den Ausgangspunkt des Transferansatzes, der bis Ende der 60er Jahre in der Finanzwissenschaft nahezu unwidersprochen geblieben ist151, bildeten die folgenden Überlegungen: Typischerweise träten vor allem Angehörige der einkommensstärkeren Gesellschaftsschichten als Gläubiger des Staates in Erscheinung; dementsprechend flössen auch diesen wohlhabenderen Bevölkerungskreisen die staatlichen Zinszahlungen zu. Die erforderlichen Steuereinnahmen zur Erfüllung der aus der staatlichen Kreditaufnahme folgenden Verbindlichkeiten seien hingegen von der Gesamtbevölkerung und damit überwiegend von der deutlich breiteren Schicht der einkommensschwächeren Bevölkerung zu tragen. Die von den einkommensstärkeren Bürgern erzielten Zinseinnahmen überstiegen damit den von ihnen zu tragenden Anteil an den Zinssteuern152. Damit komme es durch die staatliche Verschuldung zu einem Transfer von finanziellen Mitteln von den einkommensschwächeren hin zu den einkommensstärkeren Bevölkerungsschichten153. 2. Die Kritik am Transferansatz Der Transferansatz ist in der Folgezeit, insbesondere auf der Grundlage der von Otto Gandenberger und Norbert Andel formulierten Einwände, zunehmend in Zweifel gezogen worden154. Gandenberger hat herausgearbeitet, dass dem

150 Ausführlich zu der Diskussion über den Transferansatz: Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 5 ff.; Hansmeyer, Der öffentliche Kredit I, S. 127 ff.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 166 ff. Zu der Frage, ob die Staatsverschuldung aufgrund der vorliegend zur Diskussion stehenden Verteilungswirkung als Instrument der Verteilungspolitik genutzt werden kann, siehe beispielsweise: Pohmer, in: Probleme der Staatsverschuldung, 143 (143 ff.). 151 Vgl.: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 167. Siehe exemplarisch für die Position des Transferansatzes die Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium aus dem Jahre 1968: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, in: Sammelband der Gutachten von 1948 bis 1972, 519 (522 und 527). 152 Unter Zinssteuern werden die fiktiven Steuern verstanden, die erhoben werden müssten, um die für die Zinszahlungen erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen. 153 Zusammenfassend zu dem wesentlichen Inhalt des Transferansatzes siehe: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 167; v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 62; Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 6 f. 154 Zu den nachfolgend knapp zusammengefassten, vor allem von Gandenberger und Andel formulierten Einwänden gegen den Transferansatz siehe auch: Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 167 f.; Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 8 ff.

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1. Teil: Staatsverschuldung

Transferansatz die Annahme einer „verfehlten Kausalität“ 155 zugrunde liege. Dass die Staatsgläubiger und damit die einkommensstärkeren Schichten Zinseinnahmen erzielten, beruhe nicht kausal darauf, dass der Staat seine staatlichen Ausgaben durch Kredite finanziere, sondern vielmehr darauf, dass die wohlhabenderen Schichten über ein entsprechendes Geldkapital verfügten. Die Vermögenden würden dieses Geldkapital – unabhängig von einer Kredit- oder Steuerfinanzierung staatlicher Ausgaben – anlegen und hierfür entsprechende Zinseinkünfte beziehen. Im Falle der Steuerfinanzierung staatlicher Ausgaben müssten die Anleger von Geldkapital lediglich auf Staatspapiere verzichten und stattdessen auf andere private Schuldtitel zurückgreifen156. Andel wirft dem Transferansatz vor, dass er bei der Annahme einer Umverteilungswirkung der Kreditfinanzierung den eigentlich entscheidenden Vergleich mit der Verteilungswirkung der alternativ in Betracht kommenden Steuerfinanzierung vernachlässige. Um die Verteilungswirkung der staatlichen Kreditfinanzierung angemessen beurteilen zu können, müsse man im Grunde untersuchen, wie im Vergleich dazu die Traglast der die staatliche Kreditaufnahme ersetzenden Steuern auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten verteilt wäre157. 3. Ergebnis Die These einer mit der Staatsverschuldung verbundenen Umverteilung des Einkommens „von unten nach oben“ gilt in der ökonomischen Diskussion dennoch nicht als vollständig widerlegt. Konkret werden bestimmte mittelbare Einflüsse der staatlichen Kreditaufnahme auf die Einkommensverteilung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten aufgezeigt158. Zu einer Einkommensumverteilung zugunsten der einkommensstärkeren Bevölkerungsgruppen könne es durch Staatsverschuldung insbesondere unter den nachfolgenden Voraussetzungen kommen: Werde die Kreditnachfrage aufgrund einer erhöhten staatlichen Kreditaufnahme ausgeweitet, so werde hierdurch gegebenenfalls ein Anstieg des Zinsniveaus ausgelöst. Auf diese Weise könne die Finanzierung staatlicher Ausgaben durch Staatsverschuldung bewirken, dass sich das Zinseinkommen der Gläubiger insgesamt vergrößere – letztlich sogar unabhängig davon, ob der einzelne Gläubiger sein Kapital in Staatsanleihen oder anderen privaten Schuldtitel angelegt habe159. 155 So: Kurz/Rall, Interpersonelle und intertemporale Verteilungswirkungen öffentlicher Verschuldung, S. 15 ff. 156 Siehe: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (39); Gandenberger, Finanzarchiv N. F. 29 (1970), 1 (9). 157 Siehe: Andel, Public Finance 24 (1969), 69 (72 f.); Andel, in: Öffentliche Verschuldung und Kapitalmarkt, 7 (21 f.). 158 Siehe beispielsweise: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 63; Gandenberger, Finanzarchiv N. F. 29 (1970), 1 (15). 159 Siehe hierzu: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 63; Gandenberger, Finanzarchiv N. F. 29 (1970), 1 (9 ff. und 15 f.).

§ 3 Überblick über die Erkenntnisse der Ökonomie

67

V. Personale intertemporale Verteilungswirkungen der Staatsverschuldung – Die Belastung und Benachteiligung zukünftiger Generationen Zu den problematischen Aspekten der Staatsverschuldung wird in der ökonomischen Diskussion auch die mit der staatlichen Kreditfinanzierung verbundene Belastung bzw. Benachteiligung zukünftiger Generationen gezählt160. Bei dieser Gefahr einer unerwünschten intertemporalen Verteilungswirkung von Staatsverschuldung handelt es sich um die Kehrseite der oben bereits dargestellten und in der Ökonomie kontrovers diskutierten Lastenverschiebungsfunktion von Staatsverschuldung. Konkret werden vor allem zwei Auswirkungen von Staatsverschuldung genannt, die zu einer Belastung zukünftiger Generationen führten: Zum einen mache Staatsverschuldung zu einem späteren Zeitpunkt Steuererhöhungen zur Deckung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen erforderlich und bewirke somit eine zukünftige Nutzeneinbuße; zum anderen könne Staatsverschuldung zukünftige Wachstumseinbußen auslösen161. Diejenigen, die die Gebotenheit und Zulässigkeit einer Lastenverschiebung in die Zukunft in Frage stellen und damit der Lastenverschiebungsfunktion keine rechtfertigende Wirkung für den Einsatz von Staatsverschuldung zuerkennen, sehen in den genannten Belastungen für die zukünftigen Generationen letztlich eine Gefahr und damit ein Argument gegen Staatsverschuldung162.

§ 3 Überblick über die Erkenntnisse der Ökonomie: Schlussfolgerungen für eine rechtswissenschaftliche Betrachtung von Schuldenregelungen? Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung können lediglich solche ökonomischen Erkenntnisse als Grundlage hinzugezogen werden, bezüglich derer ein breiter Konsens besteht und die als weitgehend gesichert angesehen werden können. Es kann nicht Aufgabe der Rechtswissenschaft sein, mit Blick auf die in der Ökonomie strittigen Punkte Stellung zu beziehen und beispielsGandenberger betont allerdings auch, dass „ein klares Urteil über die Wirkungen der Kreditfinanzierung auf die funktionelle und personelle Einkommensverteilung“ nach dem „derzeitigen Stande der Wissenschaft“ „nahezu unmöglich“ sei: Gandenberger, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 3 (41). 160 Siehe hierzu beispielsweise: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 72 ff.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 148 ff. 161 So: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 73. Hierbei handelt es sich im Ergebnis um die Lastkonzepte des „Utility Approach“ bzw. des „Aggregate Investment Approach“; siehe hierzu oben: 1. Teil § 2 A. II. 1. 162 So beispielsweise: Stalder, Staatsverschuldung in der Demokratie, S. 63; v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 53.

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1. Teil: Staatsverschuldung

weise die Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung oder die theoretisch und empirisch zweifelhafte These des crowding-out abzulehnen bzw. anzuerkennen. Der Nutzen, der sich aus einer Beschäftigung mit den in der Ökonomie entwickelten Ansichten und Theorien zur Staatsverschuldung für eine fachfremde Perspektive ziehen lässt, kann somit allein darin bestehen, diejenigen Grundlagen der Ökonomie, die überwiegend anerkannt sind, zu berücksichtigen. Auf den ersten Blick scheint vorliegend der Gewinn an gesicherten ökonomischen Erkenntnissen zum Thema Staatsverschuldung äußerst gering. Wie sowohl der historische Abriss über die Entwicklung der Staatsschuldentheorien als auch die Darstellung der von ökonomischer Seite diskutierten Funktionen und Gefahren von Staatsverschuldung ergeben haben, besteht in der Ökonomie zur Problematik der Staatsverschuldung im Wesentlichen keine Einigkeit; es ist sogar von einem „Glaubenskrieg“ 163 die Rede. In der ökonomischen Theorie und Forschung existieren „tief in die Geschichte der Wirtschafts- bzw. Finanzwissenschaft zurückreichende [. . .] Kontroversen über die Notwendigkeit und Grenzen öffentlicher Kreditfinanzierung“ und es lässt sich „bis heute kaum ein rationaler Minimalkonsens verzeichnen“ 164. Damit fehlt es gerade in der eigentlich zuständigen Fachdisziplin an Antworten auf die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit Staatsverschuldung, die sich sowohl bei der Formulierung als auch bei einer anschließenden Beurteilungen von Schuldenregelungen stellen: So findet sich in der Ökonomie kein einheitliches und über einen längeren Zeitraum hinweg beständiges und unangefochtenes Konzept bezüglich eines optimalen Umgangs mit Staatsverschuldung. Zudem gibt die Ökonomie keine Auskunft dazu, bis zu welcher konkreten Höhe Staatsverschuldung zugelassen werden kann und wie hoch etwa die Schuldenstandsquote im Idealfall sein sollte. In der ökonomischen Diskussion besteht noch nicht einmal ein universeller Konsens bezüglich der Frage, welche bedeutenden Funktionen Staatsverschuldung zu erfüllen hat und welche fiskalischen und wirtschaftlichen Gefahren mit staatlicher Kreditfinanzierung verbunden sind. Vor diesem Hintergrund könnte sich zunächst die folgende Konsequenz aufdrängen: Solange in der Ökonomie Uneinigkeit herrscht, „ob Staatsverschuldung geboten, ungefährlich, zu vermeiden oder bis zu welcher Höhe sie hinnehmbar ist“, lassen sich aus der in der Ökonomie geführten Diskussion keine für eine rechtswissenschaftliche Betrachtung hilfreichen Erkenntnisse ziehen165. Auf den zweiten Blick liefert die sehr kontroverse ökonomische Debatte zum Thema Staatsverschuldung aber dennoch einige weiterführende Ergebnisse:

163

Lambsdorff, in: Staatsverschuldung kontrovers, 197 (197). Hickel, in: Staatsverschuldung kontrovers, 137 (137). 165 So Jahndorf mit Blick auf Versuche, ökonomischen Analysen für die Verfassungsrechtsanwendung „klare maßstäbliche Vorgaben“ zu entnehmen: Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 126. 164

§ 3 Überblick über die Erkenntnisse der Ökonomie

69

Ein relativ breiter Konsens auf Seiten der Ökonomen dürfte gerade bezüglich der Annahme bestehen, dass Staatsverschuldung ein äußerst ambivalentes Instrument ist. Staatsverschuldung wird regelmäßig keiner der beiden grundsätzlichen Kategorien „gut“ oder „schlecht“ zugeordnet166; ihr wird sogar ein „janusköpfige[r] Charakter“ 167 zugeschrieben. Hieraus können für eine rechtswissenschaftliche Untersuchung die nachstehenden Schlussfolgerungen gezogen werden: Staatsverschuldung ist unzweifelhaft ein nützliches Instrument, das bedeutsame Funktionen zu erfüllen hat; zugleich ist Staatsverschuldung aber auch – vor allem auf langfristige Sicht und ab einer nicht näher bezifferbaren Höhe – mit fiskalischen bzw. wirtschaftlichen Gefahren und Nachteilen behaftet. Für rechtliche Bestimmungen zum Umgang Staatsverschuldung sind dementsprechend zwei Vorgaben abzuleiten: Ein generelles Verschuldungsverbot, das dem nutzbringenden Einsatz von Staatsverschuldung entgegenstehen würde, ist abzulehnen; umgekehrt bedarf es zwingend einer strikten Begrenzung der Staatsverschuldung auf ein unbedenkliches Ausmaß168. Darüber hinaus lässt sich eine weitere Erkenntnis festhalten: Bezüglich zwei Funktionen von Staatsverschuldung besteht in der ökonomischen Diskussion ein weitgehender Konsens. Hierbei handelt es sich zum einen um die Stabilisierungsfunktion, die sich aus dem Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren ergibt, sowie zum anderen um die Überbrückungsfunktion. Aus ökonomischer Sicht erscheint es somit zwingend, dass Staatsverschuldung zur Erfüllung dieser beiden Funktionen zugelassen werden sollte; dies gilt es auch bei einer rechtswissenschaftlichen Betrachtung von Schuldenregelungen zu beachten. Ergänzend ist zu betonen: Nur eine umfassendere Einsicht in den Diskussionsstand in der Ökonomie schafft die notwendige Voraussetzung, um sachgerecht beurteilen zu können, ob die verschiedentlich bemühten Argumentationen für oder gegen bestimmte Schuldenregelungen tatsächlich auch auf einer gesicherten ökonomischen Grundlage beruhen oder lediglich einer bestimmten, ökonomisch allerdings umstrittenen Strömung folgen.

166 Siehe beispielsweise das Fazit des Sachverständigenrates: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 44. 167 So: Birk, DVBl 1984, 745 (746). 168 Ähnlich auch Neidhardt mit Blick auf die in der Ökonomie bestehenden Kontroversen: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 4 ff.

2. Teil

Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes für Bund und Länder Seit dem Abschluss der Föderalismusreform II im Jahre 2009 stellt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für den Bund und die Länder das zentrale Regelungssystem dar, das einer Begrenzung der Staatsverschuldung auf Bundes- und Länderebene dienen und damit das bestehende Staatsschuldenproblem einer rechtlichen Lösung zuführen soll. Im nachfolgenden Kapitel sind die inhaltlichen Grundzüge dieses auf grundgesetzlicher Ebene verankerten Begrenzungskonzepts vorzustellen. Für ein besseres Verständnis der Ursachen und des Anstoßes, die zu der 2009 durchgeführten Reform des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts geführt haben, ist es hilfreich, vorab einen Einblick in die historische Entwicklung des Staatsschuldenrechts und hierbei vor allem in die unmittelbar vor der Föderalismusreform II bestehende Rechtslage zu geben. Unter den Begriff des Staatsschuldenrechts werden alle rechtlichen Bestimmungen gefasst, die die „staatliche Schuldenpolitik“ betreffen1. Für die vorliegende Untersuchung von Interesse sind allerdings allein die Regelungen, die sich auf den Umfang der staatlichen Verschuldung, d. h. auf das „Schuldenniveau“, beziehen; sonstige Bestimmungen des Staatsschuldenrechts, die insbesondere die Schuldenstruktur, d. h. die „Modalitäten der Kreditaufnahme, der Umschuldung und der Tilgung“ 2, zum Gegenstand haben, bleiben nachfolgend außer Betracht.

§ 1 Historischer Abriss über die Entwicklung des Staatsschuldenrechts Dem nachfolgenden Abriss über die bisherige Entwicklungsgeschichte des deutschen Staatsschuldenrechts3, sind zwei allgemeine Bemerkungen voranzustellen: 1

So: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 14. Siehe hierzu: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 14. Vgl. auch die Ausführungen von Höfling zum Begriff der Staatsschuldenpolitik: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 8. 3 Für einen Überblick über die historische Entwicklung der verfassungsrechtlichen Schuldenregelungen in Deutschland siehe beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 24 ff.; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 6 ff. Siehe hierzu auch: Wolf, 2

§ 1 Historischer Abriss

71

Zum einen lässt sich in Bezug auf die historische Entwicklung des Staatsschuldenrechts eine zunehmende Verlagerung des Schwerpunktes von zunächst überwiegend formellen Aspekten hin zu immer konkreteren materiellen Bindungen erkennen: Anfänglich beschäftigte sich das Staatsrecht mit dem Problem der Staatsverschuldung unter ausschließlich formalen Gesichtspunkten und konzentrierte sich im Wesentlichen auf rein formale Anforderungen wie beispielsweise die Mitwirkung der Volksvertretungen4. Erst nach und nach wurde begonnen hinsichtlich des Umgangs mit Staatsverschuldung materielle Bindungen und Erfordernisse zu formulieren. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklungstendenz ist insbesondere der folgende Aspekt hervorzuheben: Nachdem man den absoluten Monarchen „in Jahrhunderte dauernden Auseinandersetzungen“ das Budgetrecht abgerungen hatte, ging man zunächst davon aus, dass die Beteiligung des Parlaments „zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit staatlichen Einnahmen führen“ würde5. De facto hat sich diese Hoffnung nicht bestätigt. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass sich in vielen Situationen „die demokratischen Regierungen und Parlamente nicht anders als absolute Monarchen früherer Jahrhunderte“ verhalten und zur „Schuldenmacherei“ neigen6. Diese Erkenntnis dürfte dazu beigetragen haben, dass man sich in zunehmendem Maße darum bemüht hat, geeignete materielle Anforderungen und Grenzen für Staatsverschuldung zu entwickeln und in Rechtsnormen zu verankern7. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Entwicklung des Staatsschuldenrechts bei der Suche nach geeigneten materiellen Bindungen nicht unwesentlich von den in der Ökonomie entwickelten Theorien zur Staatsverschuldung geprägt und beeinflusst worden ist. So ist insbesondere das „Bemühen des Gesetzgebers“ erkennbar, bei der Normierung von Schuldenregelungen den jeweils „neuesten Stand der finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse“ zu berücksichtigen8; tatsächlich ist allerdings festzustellen, dass die Übernahme und normative Umsetzung der ökonomischen Theorien häufig erst mit einer bedeutenden zeitlichen Verzögerung und somit verschiedentlich erst zu einem Zeitpunkt erfolgten, in dem Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 9 ff.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 32 ff.; Mußgnug, in: Staatsfinanzen – Staatsverschuldung – Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, 251 (254 ff.). Speziell zur historischen Entwicklung des staatsschuldenrechtlichen Gesetzesvorbehalts siehe: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 12 ff. 4 Siehe hierzu: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1271. 5 So: Glaser, DÖV 2007, 98 (100). 6 Siehe: Mußgnug, in: Staatsüberschuldung, 59 (61). 7 Vgl. hierzu Glaser: „Die Erkenntnis, dass sich Parlamente zunehmend unfähig erweisen, den Staatshaushalt auf Dauer zukunftsgerecht zu gestalten, hat Finanz- und Rechtswissenschaftler sowie Politiker veranlasst, darüber nachzudenken, wie dieser Entwicklung mit Hilfe von Rechtsnormen entgegengewirkt werden kann.“, Glaser, DÖV 2007, 98 (100). 8 Siehe hierzu: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 32.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

diese Theorien von Seiten der Finanzwissenschaft bereits wieder als überholt angesehen wurden9.

A. Die Anfänge des Staatsschuldenrechts Die Verschuldung von politischen Gemeinwesen lässt sich in der Geschichte weit zurückverfolgen10 und wird auch als „ebenso universale wie zeitlose Erscheinung“ 11 bezeichnet. Erste Ansätze für rechtliche Regelungen finden sich in einzelnen Verträgen des ausgehenden Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit12. In diesen Verträgen wurde etwa die Aufnahme von Schulden durch den jeweiligen Landesherren an die Zustimmung der Ständevertretung gebunden. Ein Beispiel ist der Tübinger Vertrag von 1514, durch den der Herzog von Württemberg versprach, dass „Lannd Leut Schloß Stett unnd Dörfer one Rat Wissen unnd Willen gemainer Landtschafft nit mer versetzt oder verenndert“ werden sollten13. Entsprechende bzw. im Ansatz vergleichbare Zusicherungen gaben 1549 und 1570 auch die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen ab14. Eine neue Bedeutung erlangten rechtliche Bestimmungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung in der Phase des Konstitutionalismus ab Anfang des 19. Jahrhunderts15. Die Verfassungsurkunden jener Zeit sahen nahezu ausnahmslos Bestimmungen vor, nach denen das Eingehen von Staatsschulden in Form von Anleihen die Zustimmung der Stände bzw. später das Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage erforderte16. Damit wurde das Fundament ge9 Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 32. Nähere Ausführungen und Beispiele finden sich in der nachfolgenden kursorischen Darstellung der historischen Entwicklung des Staatsschuldenrechts. 10 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 24. Ausführlich zu der Geschichte der Staatsverschuldung siehe: Landmann, in: Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 3, 1 (1 ff.). 11 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 1. 12 Zu den Anfängen des Staatsschuldenrechts siehe beispielsweise: Kube, in: Maunz/ Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 24; Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 275. 13 Abgedruckt bei: Dürig (Hrsg.), Gesetze des Landes Baden-Württemberg, Textsammlung mit Verweisungen und Sachverzeichnis, München, Stand: 83. Lieferung, Oktober 2000, Anhang 1: Tübinger Vertrag (zwischen Herzog Ulrich und Prälaten und Landschaft) vom 8. Juli 1514, S. 1 (3). 14 Ausführlich zu diesen mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Verträgen: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 12 f. 15 So betont beispielsweise Heun, dass die rechtliche Begründung des parlamentarischen Zustimmungsvorbehalts sowie die materiellen Bindungen der Staatsverschuldung „im wesentlichen konstitutionelles Gedankengut“ gewesen seien: Heun, in: Dreier, GGKommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 1. 16 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 13 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1272. Siehe auch Zoepfl mit weiteren Nachweisen: Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, Zweiter Teil, S. 406 ff.

§ 1 Historischer Abriss

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schaffen, dass sich der staatsschuldenrechtliche Gesetzesvorbehalt schließlich als „verfassungsrechtliche [. . .] Selbstverständlichkeit“ fest etablierte17. Bezweckt wurde mit den verfassungsrechtlichen Regelungen der frühkonstitutionellen Phase in erster Linie eine Sicherung des gerade erst mühsam errungenen Budgetrechts der Volksvertretungen und weniger eine gezielte Begrenzung der Staatsverschuldung und ihrer möglichen negativen Folgen18. Materielle Bindungen und Begrenzungen der staatlichen Kreditaufnahme fanden sich lediglich vereinzelt: So war beispielsweise in der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern das Erfordernis eines dringenden und außergewöhnlichen Staatsbedürfnisses normiert19; in den Bestimmungen der verschiedenen Preußischen Verfassungen fehlte es demgegenüber an einer vergleichbaren materiellen Tatbestandsvoraussetzung20. Hieraus darf aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass durch die genannten Verfassungsbestimmungen einer unbegrenzten und zügellosen Staatsverschuldung Vorschub geleistet werden sollte. Vielmehr sind die Verfassungsregelungen vor dem Hintergrund der damals vorherrschenden Lehre der klassischen Nationalökonomie zu sehen, die sich durch eine grundsätzliche Ablehnung staatlicher Verschuldung auszeichnete und demnach auch nicht die Notwendigkeit einer differenzierten Deckungsregelung anerkannte: Da die staatliche Aufnahme von Krediten als ultima ratio eingestuft wurde, ging man davon aus, dass die erforderliche Zustimmung der Volksvertretungen zu einem zurückhaltenden Umgang mit Staatsverschuldung führen werde21. In der Folgezeit wurden die häufig rein formalen Anforderungen an eine staatliche Kreditaufnahme allerdings schrittweise durch die zunehmende Normierung von materiellen Erfordernissen erweitert. Zu nennen sind zunächst die Verfassung des Norddeutschen Bundes aus dem Jahre 1867 sowie die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871, die die bereits bekannte Voraussetzung eines außerordentlichen Bedürfnisses wieder aufgriffen22: Art. 73 der Verfassung des Norddeutschen Bundes bestimmte, dass die Aufnahme einer Anleihe – ebenso wie die Übernahme einer Garantie – im „Falle eines außerordentlichen Bedürfnisses“ im Wege der Bundesgesetzgebung erfol17

Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 15. So: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 34. 19 Siehe Titel VII § 12 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern von 1818, abgedruckt in: E. R. Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 141 (152). 20 Siehe hierzu: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1272; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 24. Zu den Schuldenregelungen in Preußen siehe: Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 18 ff. 21 So: Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 20. 22 So auch: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1272. 18

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gen könne23. Art. 73 der Verfassung des Deutschen Reiches übernahm diese Regelung weitgehend unverändert24. Mit dem Erfordernis des außerordentlichen Bedürfnisses wurde letztlich eine Verbindung zwischen der „Mittelbeschaffung“ und „Mittelverwendung“ begründet und eine Kreditfinanzierung nur für den Fall außerordentlicher staatlicher Ausgaben verfassungsrechtlich zugelassen; somit schlug sich in den genannten Verfassungsbestimmungen der wesentliche Kerngedanke der von Dietzel und Wagner entwickelten objektbezogenen Deckungslehre auf normativer Ebene nieder25. Eine weitere Verschärfung der materiellen Voraussetzungen für die staatliche Kreditaufnahme erfolgte in der Weimarer Reichsverfassung von 191926: Durch Art. 87 der Weimarer Reichsverfassung wurde die Beschaffung von Geldmitteln im Wege des Kredits nicht allein an das Bestehen eines außerordentlichen Bedarfs geknüpft, sondern zusätzlich daran gebunden, dass sie „in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken“ erfolgen dürfe27. Durch diese Erweiterung wurde die staatliche Kreditaufnahme im Regelfall nur für die Finanzierung von Investitionen gestattet; hierdurch sollte die staatliche Kreditfinanzierung auf solche Fälle beschränkt werden, in denen durch die Verwendung der Kreditmittel möglichst eine „dauerhafte [. . .] Vermehrung des Staatsvermögens“ erzielt wurde28. Art. 87 der Weimarer Reichsverfassung erhob somit neben der fehlenden Periodizität auch die zukünftige Produktivität bzw. Rentabilität der finanzierten staatlichen Ausgaben zu einer Voraussetzung für die Aufnahme von Krediten29. Damit wurde in der Weimarer Reichsverfassung die vor allem von Wagner detailliert erarbeitete objektbezogene Deckungsregel erstmals umfassend – gerade auch im Hinblick auf den berücksichtigten Produktivitätsgedanken – auf verfassungsrechtlicher Ebene umgesetzt30.

23 Siehe Art. 73 der Verfassung des Norddeutschen Bundes: Publikandum vom 26. Juli 1867, BGBl. des Norddeutschen Bundes S. 1 (21). 24 Siehe Art. 73 der Verfassung des Deutschen Reiches: Gesetz, betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871, RGBl. S. 63 (83). 25 Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 20 f. Anders im Ergebnis wohl Neidhardt: Neidhardt betont, dass die neuen finanzwissenschaftlichen Überzeugungen kaum Eingang in die verfassungsrechtlichen Regelungen des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches fanden und dass erstmals in der Weimarer Reichsverfassung eine objektbezogene Deckungsregel festgeschrieben worden sei, siehe: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 36 f. 26 Siehe hierzu beispielsweise: Mußgnug, in: Staatsüberschuldung, 59 (68); P. Kirchhof, in: Festschrift für Reinhard Mußgnug, 131 (137); Kube, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 25; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 2. 27 Siehe Art. 87 der Weimarer Reichsverfassung: Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, RGBl. S. 1383 (1400). 28 So beispielsweise: Mußgnug, in: Staatsüberschuldung, 59 (68). 29 So: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 36 f.

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B. Das Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes von 1949 bis zur Großen Finanzreform 1967/1969 Auf der von Dietzel entworfenen und von Wagner konkretisierten objektbezogenen Deckungslehre basierte auch das deutsche Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes bis zur großen Finanzreform der Jahre 1967/1969. In den Beratungen des Herrenchiemseer Konvents sowie des Parlamentarischen Rats über die zukünftige Ausgestaltung des Grundgesetzes spielte die Formulierung einer neuen Schuldenregelung nur eine untergeordnete Rolle31. Obwohl gegen die Bestimmung der Weimarer Verfassung sowie ihre praktische Anwendung bereits „erhebliche [. . .] Bedenken“ vorgebracht worden waren, wurde am Ende der Verhandlungen eine Schuldenregelung in das neue Grundgesetz aufgenommen, die weitgehend der Bestimmung des Art. 87 der Weimarer Reichsverfassung entsprach32. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenregelung des Art. 115 GG i. d. F. von 194933 erwies sich jedoch sehr schnell als äußerst problematisch: Konkret sah sich die ursprüngliche Schuldenregelung des Grundgesetzes mit ihrem objektbezogenen Ansatz alsbald grundlegender Kritik von finanzwissenschaftlicher Seite ausgesetzt34. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte in der Finanzwissenschaft – ausgelöst durch die Überlegungen von Keynes – ein grundlegendes Umdenken eingesetzt: Der objektbezogene Ansatz war durch eine situationsbezogene Betrachtungsweise abgelöst worden. Gerade diese neuen finanzwissenschaftlichen Überlegungen hatten allerdings bei der Entscheidung über die im Grundgesetz zu normierende Schuldenregelung keine Berücksichtigung gefunden35. Dementsprechend galt das Konzept der neuen, im Grundgesetz verankerten Schuldenregelung – die ihr zugrunde liegende objektbezogene Deckungslehre und die damit verbundene Aufteilung in einen ordentlichen und einen außerordentlichen Haushalt – bereits 1949 als überholt und veraltet; von der Idee, zwi-

30 So: Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 21; siehe hierzu auch: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 118 f.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 36 f. 31 So: Höfling/Rixen, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.Lfg., 2003, Art. 115, Rn. 1 und 8. 32 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 121 f.; siehe auch: Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 278 f. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Art. 115 GG in seiner ursprünglichen Fassung: Höfling/Rixen, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., 2003, Art. 115, Rn. 1 ff. 33 Siehe Art. 115 GG i. d. F. von 1949: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, BGBl. I S. 1 (15). 34 Siehe hierzu Stern mit weiteren Nachweisen: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1273 f. 35 Siehe hierzu beispielsweise: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 37.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

schen einem ordentlichen und einem außerordentlichen Haushalt zu differenzieren, ging schon rasch der „Geruch des Vorsintflutlichen“ aus36. Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich die Schuldenregelung des Art. 115 GG i. d. F. von 1949 auch ansonsten in der praktischen Anwendung kaum bewährte: Die beiden ohnehin sehr unbestimmten materiellen Voraussetzungen des außerordentlichen Bedarfs und der Verwendung zu werbenden Zwecken wurden weder durch die Lehre noch durch die Rechtsprechung einer angemessenen Konkretisierung zugeführt37. Exemplarisch kann an dieser Stelle auf den Haushaltsrechtskommentar von Friedrich Karl Vialon aus dem Jahr 1959 verwiesen werden, der zu den beiden zentralen Kriterien der grundgesetzlichen Schuldenregelung kaum aufschlussreiche und weiterführende Ausführungen machte38. Ein entsprechend willkürlicher Umgang mit der ursprünglichen Schuldenregelung des Grundgesetzes zeichnete sich infolgedessen auch in der Praxis ab: Die Zuordnung von staatlichen Ausgaben zum ordentlichen bzw. außerordentlichen Haushalt konnte mehr oder weniger nach freiem Belieben vorgenommen werden und bot dadurch Spielraum für finanzpolitische Manipulationen39. Der außerordentliche Haushalt entwickelte sich dementsprechend in der politischen Handhabung zu einer Art „Rangierbahnhof“ 40. Ähnlich verhielt es sich mit dem Tatbestandsmerkmal der werbenden Zwecke. Der Begriff der werbenden Zwecke wurde nicht nur weit ausgelegt, sondern auch auf die jeweils bestehenden finanzpolitischen Wünsche zugeschnitten; im Ergebnis ließ sich diese Voraussetzung für fast alle staatlichen Ausgaben bejahen41. Die Bestimmung des Art. 115 GG i. d. F. von 1949 stand somit „praktisch allen Auslegungen offen“; „[r]echtswissenschaftliche Verformungen und finanzpolitische Manipulationen“ führten dazu, dass der ursprünglichen Schuldenregelung des Grundgesetzes schließlich jegliche „Direktionskraft“ fehlte42.

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So: Mußgnug, in Staatsüberschuldung, 59 (69). Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 279. Eingehend hierzu Höfling, der von einer „[i]nterpretatorische[n] Auflösung“ spricht: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 122 ff. 38 Siehe: Vialon, Haushaltsrecht, Art. 115, Rn. 7 und 8. Siehe hierzu auch die kritischen Ausführungen von Höfling: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 122 ff. 39 Siehe beispielsweise: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 122. Siehe hierzu auch: Patzig, Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, Bd. 2, Teil A, Art. 115, Rn. 3; Göke, ZG 2006, 1 (4). 40 So beispielsweise bereits Vialon: Vialon, Haushaltsrecht, Art. 115, Rn. 7. Zum Teil wird auch von einem „Verschiebebahnhof“ gesprochen. So beispielsweise: Mann, Finanzarchiv N. F. 21 (1961), 1 (14). 41 Siehe beispielsweise: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1274. Ähnlich auch: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 123; Dreißig, in: Probleme der Haushalts- und Finanzplanung, 9 (17 f.). 42 Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 124. Ähnlich auch Rehm: Rehm, Analyse und Kritik der Bundeshaushaltsreform, S. 33. 37

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Nimmt man neben dem im Grundgesetz normierten Staatsschuldenrecht auch das damalige Staatsschuldenrecht auf Länderebene mit in die Betrachtung auf, so zeigt sich dort im Wesentlichen das gleiche Bild: Die in den Bundesländern erlassenen Verfassungen wiesen durchgängig Schuldenregelungen auf, die weitgehend der Bestimmung des Art. 115 GG i. d. F. von 1949 entsprachen43.

C. Das Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes nach der Großen Finanzreform 1967/1969 Das ursprüngliche Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes hatte nur knapp zwei Jahrzehnte Bestand, bevor es einer grundlegenden Reform unterzogen wurde. Die Notwendigkeit ergab sich hauptsächlich aus den zwei oben bereits dargelegten Umständen44: Zum einen galt es die begrifflichen Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten zu überwinden. Zum anderen wurde das geltende Staatsschuldenrecht mit seinem objektbezogenen Ansatz „zunehmend als Fessel empfunden“, da es einer situationsbezogenen Finanz- und Wirtschaftspolitik enge Grenzen setzte45. Vor diesem Hintergrund strebte der Gesetzgeber im Zuge einer großen Reform des Finanz- und Haushaltsrechts zwischen 1967 und 1969 an, das bestehende Staatsschuldenrecht zu modernisieren: Der traditionelle objektgebundene Deckungsgrundsatz, der das bislang geltende Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes geprägt hatte, sollte „durch eine moderne situationsgebundene Betrachtungsweise“ abgelöst werden46. Damit erfolgte die normative Umsetzung des auf Keynes zurückgehenden, situationsbezogenen Theorieansatzes jedoch mit einer Verzögerung von gut 30 Jahren und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die keynesianische Lehre – infolge der „monetaristischen Gegenrevolution“ – von finanzwissenschaftlicher Seite bereits zunehmend in Zweifel gezogen wurde47.

43 Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 37; vgl. auch: Dönnebrink/Erhardt/Höppner/Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 22 (23). 44 Zu den beiden nachfolgenden Aspekten siehe beispielsweise Wolf: Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 26. Ähnlich letztlich wohl auch: Rehm, Analyse und Kritik der Bundeshaushaltsreform, S. 32 f. 45 Göke, ZG 2006, 1 (4). Zum Teil hatte man bereits vor der Reform des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts versucht, quasi durch die „Hintertüre“ eine situationsbezogene, antizyklische Haushaltspolitik zu betreiben; hierdurch wurde allerdings vor allem die Haushaltsklarheit beeinträchtigt. Siehe hierzu: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1274. 46 Siehe beispielsweise die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 5/3040, S. 39. Dass die Ablösung des objektbezogenen durch einen situationsbezogenen Ansatz tatsächlich gelungen ist, wird allerdings durchaus in Frage gestellt. Siehe hierzu mit zahlreichen Nachweisen: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1277. 47 Hierzu: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 124 ff., vor allem S. 132.

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Die durch die Große Finanzreform von 1967/1969 in das Grundgesetz eingeführten Schuldenregelungen sind als unmittelbare Vorläuferbestimmungen für eine Auseinandersetzung mit der nunmehr im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse von besonderem Interesse. Dieser Umstand beruht vor allem darauf, dass ihr offenkundiges Scheitern den entscheidenden Anstoß zur Reformierung des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts im Rahmen der Föderalismusreform II gab48. Da jedoch die 1967/1969 neu gefassten Schuldenregelungen des Grundgesetzes einschließlich der genauen Ursachen ihres Scheiterns bereits zum Gegenstand umfassender Untersuchungen gemacht worden sind49, soll sich die nachfolgende Betrachtung auf eine knappe Zusammenfassung der wesentlichen Eckpunkte beschränken. I. Überblick über die wesentlichen Grundzüge des reformierten Staatsschuldenrechts des Grundgesetzes Zunächst sind demnach die zentralen Grundzüge der 1967/1969 grundlegend reformierten Schuldenregelungen des Grundgesetzes in Art. 109 GG und Art. 115 GG a. F. zu rekapitulieren50: „Artikel 109 GG [. . .] (2) Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. [. . .]“ „Artikel 115 GG (1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren 48

Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfs zu der im Zuge der Föderalismusreform II durchgeführten Grundgesetzänderung: Zu den Hintergründen und den Zielen der Änderung der Art. 109 und Art. 115 GG wird konkret ausgeführt, dass „die bislang geltenden Fiskalregeln die Neuverschuldung nicht nachhaltig eindämmen und damit auch den Anstieg der Schuldenstandsquote [. . .] nicht verhindern konnten“. Siehe: BTDrs.16/12410, S. 5. 49 Entsprechende Nachweise finden sich in den nachfolgenden Fußnoten. 50 Siehe die reformierten Art. 109 Abs. 2 GG a. F. und Art. 115 Abs. 1, 2 GG a. F.: Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 8. Juni 1967, BGBl. I, S. 581 (581); Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969, BGBl. I, S. 357 (358). Eingehende Darstellungen der bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes mit zahlreichen weiteren Nachweisen finden sich beispielsweise bei: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 124 ff. und S. 150 ff.; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 21 ff.; Wolf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 35 ff.; v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 91 ff.; Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, S. 37 ff., vor allem S. 46 ff.; Hering, Die Kreditfinanzierung des Bundes über Nebenhaushalte, S. 46 ff.; Patzig, Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, Bd. 2, Teil A, Art. 109, Rn. 14 ff. und Art. 115, Rn. 15 ff. Siehe auch: Rehm, Analyse und Kritik der Bundeshaushaltsreform, S. 86 ff.

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führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt. (2) Für Sondervermögen des Bundes können durch Bundesgesetz Ausnahmen von Absatz 1 zugelassen werden.“

Die materiellen Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme ergaben sich konkret aus Art. 109 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. Aus diesen beiden Grundgesetzbestimmungen ließ sich im Ergebnis ein dreistufiges System zur Begrenzung der staatlichen Verschuldung ableiten51, an dem sich auch die nachfolgende kursorische Darstellung orientieren soll52. Die erste Stufe bildete die Bestimmung des Art. 109 Abs. 2 GG a. F. mit ihrer für den gesamten Bereich der staatlichen Haushaltswirtschaft geltenden Verpflichtung zur Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Ausgehend von Art. 109 Abs. 2 GG a. F. waren somit staatliche Krediteinnahmen grundsätzlich zulässig, soweit sie mit den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Einklang standen. Auf der zweiten Stufe war die Regelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. zu beachten: Nach der in Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. enthaltenen sogenannten „Junktimklausel“ durften die staatlichen Einnahmen aus Krediten die Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen grundsätzlich nicht überschreiten53. Hierbei normierte Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. gerade eine zusätzliche, ergänzende Kreditgrenze, die Art. 109 Abs. 2 GG a. F. nicht ersetzte, sondern vielmehr neben Art. 109 Abs. 2 GG a. F. trat54. Aus 51 Zu dem dreistufigen System siehe beispielsweise: Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 22 f.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 27 f.; vgl. auch: Donner, ZParl 18 (1987), 436 (440); Rodi, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 114. Erg.-Lfg., 2004, Art. 109, Rn. 165. Höfling bezeichnet die dreistufige Systematisierung der Art. 109 Abs. 2, 115 Abs. 1 S. 2 GG zwar als „ohne Zweifel korrekt“, befürwortet allerdings eine etwas abweichende Gewichtung: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 156 f. 52 Für die nachfolgenden Ausführungen siehe insbesondere Bröcker und Ryczewski: Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 22 f.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 27 f. 53 Eingehend zu der „Junktimklausel“ des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. siehe: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 158 ff. 54 Das Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 2 GG a. F. und Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. war im Kern außerordentlichen umstritten. Ein Überblick über die verschiedenen vertreten Grundpositionen mit entsprechenden Nachweisen findet sich bei: v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 117 ff.; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 150 ff. Die h. M. geht davon aus, dass zwischen Art. 109 Abs. 2 GG a. F. und Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. im Ergebnis gerade kein Spezialitätsverhältnis besteht; es wird vielmehr ein „Nebeneinander beider Regelungen“ an-

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

dem „Zusammenspiel“ 55 von Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. und Art. 109 Abs. 2 GG a. F. ergaben sich somit im Wesentlichen die folgenden Konsequenzen: Die staatlichen Einnahmen aus Krediten wurden auf die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen begrenzt und zwar selbst dann, wenn die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse höhere Krediteinnahmen zugelassen hätten. Gleichzeitig waren innerhalb der von Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. gezogenen Investitionsgrenze die Vorgaben des Art. 109 Abs. 2 GG a. F. zu berücksichtigen; so konnten die nach Art. 109 Abs. 2 GG a. F. zu beachtenden Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts den nach Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. zulässigen Verschuldungsrahmen gegebenenfalls weiter einschränken und nach unten korrigieren. Auf der dritten Stufe folgte die Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F., die bei Bestehen einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine Überschreitung der in Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. normierten Kreditobergrenze, d. h. eine Kreditaufnahme über die Höhe der Investitionsausgaben hinaus, zuließ. II. Überblick über die wichtigsten Ursachen des Scheiterns der bisherigen Schuldenregelungen Den bislang geltenden Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung wird gemeinhin ein Regelungsversagen bzw. Scheitern bescheinigt56. Auch das Bundesverfassungsgericht erklärte in seinem Urteil zum Bundeshaushalt 2004 ausdrücklich, dass sich das Regelungskonzept des Grundgesetzes „als verfassungsrechtliches Instrument rationaler Steuerung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik in der Realität nicht als wirksam erwiesen“ habe57. Als Indiz für das Scheitern wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auf den dramatischen Anstieg der Schuldenstandsquote verwiesen, der sich zwischen der großen Finanzreform von 1967/1969 und der Föderalismusreform II im Jahre 2009 ab-

genommen. So Jahndorf mit konkreten Nachweisen für die h. M.: Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 188, Fußnote 670. 55 Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 28. 56 Ebenso: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (398 f.). Siehe hierzu exemplarisch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 2 f. und eingehend S. 57 ff.; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 2.1; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 37 ff.; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 179 ff.; Schemmel, Defizitbegrenzung im Bundesstaat, S. 4 ff.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 26 ff.; Tappe, DÖV 2009, 881 (882 ff.); Ohler, DVBl 2009, 1265 (1268 f.). 57 BVerfGE 119, 96 (142).

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zeichnete: So stieg die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte in dem genannten Zeitraum von zunächst ca. 20 % auf ca. 70 %58. Tatsächlich lässt sich eine Vielzahl von verschiedensten Ursachen monetärer oder auch struktureller Art erkennen, die zu dem stetigen, teilweise sogar „explosionsartig[en]“ Anstieg der Staatsverschuldung in den letzten Jahrzehnten beigetragen haben; exemplarisch soll an dieser Stelle auf die Folgen der Globalisierung und des demographischen Wandels ebenso wie auf die Kosten der Wiedervereinigung hingewiesen werden59. Darüber hinaus werden zu den Ursachen der kontinuierlich und dramatisch angestiegenen Staatsverschuldung die bereits beschriebenen polit-ökonomischen Zusammenhänge gezählt, mit deren Hilfe sich die typischerweise hohe Verschuldungsneigung demokratisch gewählter Entscheidungsträger erklären lässt60. Festzustellen ist jedoch auch, dass die im Grundgesetz normierten Schuldenregelungen den genannten Herausforderungen relativ machtlos gegenüberstanden. Die bisherigen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung wiesen in ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung gravierende Schwächen auf und waren aus diesem Grund in ihrer Wirksamkeit erheblich beeinträchtigt. Da die normstrukturellen Mängel, vor allem des Art. 115 GG a. F., bereits von vielen Seiten umfassend und ausführlich analysiert worden sind61, sollen an dieser Stelle nur die wichtigsten und bedeutendsten Defizite der alten Schuldenregelungen aufgezählt werden. – Die problematische Anknüpfung an den Investitionsbegriff: Innerhalb des Regelungssystems des vor 2009 im Grundgesetz normierten Staatsschuldenrechts stellten die Ausgaben für Investitionen „die entscheidende Messgröße für den zulässigen Umfang der Staatsverschuldung und deren Begrenzung“ dar62. Der Investitionsbegriff sowie sein extrem weites Verständnis in der Haushaltspraxis erwiesen sich allerdings in vielerlei Hinsicht als problematisch; gerade die Anknüpfung an den Investitionsbegriff in Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. hat 58 So beispielsweise die Begründung des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes im Zuge der Föderalismusreform II: BT-Drs. 16/12410, S. 5. 59 Siehe hierzu: Göke, ZG 2006, 1 (16 f.). 60 Siehe hierzu beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 103 ff.; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 198 ff. 61 Übersichten bzw. eingehende Darstellungen zu den Gründen für das Scheitern der bisherigen Schuldenregelungen einschließlich weitere Nachweise finden sich beispielsweise bei: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 26 ff.; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 184 ff.; Gröpl, Die Verwaltung 39 (2006), 215 (221 ff.); Göke, ZG 2006, 1 (14 ff.); Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (448 ff.); Tappe, DÖV 2009, 881 (882 ff.); Scholl, DÖV 2010, 160 (163 f.); Ohler, DVBl 2009, 1265 (1268 ff.); Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 37 ff. Ein stichpunktartiger Überblick findet sich beispielsweise bei: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 2.1. 62 Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (448).

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

sich als eine wesentliche Ursache für das Scheitern der bisherigen grundgesetzlichen Schuldenregelungen herausgestellt63. Ein zentraler Kritikpunkt mit Blick auf das weite Verständnis des Investitionsbegriffs soll nachfolgend herausgegriffen werden: Der Investitionsbegriff in Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. wurde übereinstimmend mit der einfachgesetzlichen Bestimmung des Art. 13 Abs. 3 S. 2 BHO dahingehend ausgelegt, dass hiervon die Bruttoinvestitionen und nicht lediglich die Nettoinvestitionen erfasst wurden64. Die Bruttoveranschlagung der Investitionen stand jedoch in einem elementaren Widerspruch zu dem eigentlich Sinn und Zweck sowie den ökonomischen Grundlagen der Junktimklausel65: Der Junktimklausel des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. lag die Idee einer gerechten intergenerativen Lastenverteilung zugrunde. Der Kredit sollte nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden dürfen, in dem auch Ausgaben mit „zukunftsbegünstigendem Charakter“ getätigt wurden66. Ausgehend von dem „innere[n] Rechtfertigungsgrund“ der Junktimklausel, sollten somit die aus der staatlichen Kreditaufnahme folgenden zukünftigen Belastungen stets durch entsprechende zukunftsbegünstigende Ausgaben kompensiert werden67. Unter Berücksichtigung des Sinngehalts der Junktimklausel hätten folglich unter den Investitionsbegriff des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. allein die Nettoinvestitionen gefasst werden dürfen: Die Nettoinvestitionen ergeben sich daraus, dass von den Bruttoinvestitionen, Abschreibungen, d.h. den Umfang des staatlichen Vermögens mindernde Wertverluste, abgezogen werden. Zwingend erschien die Zugrundelegung der Nettoinvestitionen innerhalb des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. gerade deswegen, weil in Höhe des von den Nettoinvestitionen berücksichtigten Werteverzehrs „ja gerade keine Güter für zukünftige Perioden bereitgestellt [wurden], sondern [allein] der Nutzungsverzehr der Vergangenheit“ ersetzt wurde68. Bei der praktizierten Bruttoveranschlagung der Investitionen innerhalb der Junktimklausel des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS 63 Siehe hierzu beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 62; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 30 ff.; Ohler, DVBl 2009, 1265 (1268); Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (448 f.). 64 Siehe hierzu exemplarisch mit weiteren Nachweisen: Scholl, DÖV 2010, 160 (163). Zu betonen ist an dieser Stelle insbesondere, dass auch die Staatspraxis von den Bruttoinvestitionen ausging, siehe hierzu beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 31. 65 Zu „Sinngehalt und ökonomische[r] Substanz der Junktimklausel“: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 158 ff. 66 So explizit das Bundesverfassungsgericht: BVerfGE 79, 311 (334); ebenso: BVerfGE 119, 96 (138). 67 Siehe beispielsweise: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 158. 68 v. Arnim/Weinberg, Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 112 f. Vgl. hierzu auch: Scholl, DÖV 2010, 160 (163); Gröpl, Die Verwaltung 39 (2006), 215 (222 f.).

§ 1 Historischer Abriss

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GG a. F. stand den aufgenommenen Krediten somit nicht in voller Höhe ein entsprechendes zukunftsbegünstigendes Äquivalent gegenüber69. – Die Unbestimmtheit der Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F.: Als wesentliche Ursache für das Scheitern des bisherigen Staatsschuldenrechts ist ferner die Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. zu identifizieren, die bei Vorliegen einer gesamtwirtschaftlichen Störungslage ein Überschreiten der Investitionsgrenze zuließ70. Konkret ist zu kritisieren, dass der Begriff der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu unbestimmt war und infolgedessen dem Haushaltsgesetzgeber einen zu weiten Spielraum eröffnete; tatsächlich konnte die Anwendung der in Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. vorgesehenen Ausnahmeregelung in der Praxis zeitweise zur Regel werden71. – Fehlende Kreditobergrenze bei der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung: Kritisch zu sehen ist darüber hinaus, dass innerhalb der Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. keine Obergrenze für die auf ihrer Grundlage erfolgte Kreditaufnahme normiert war72. Zumindest in der Haushaltspraxis stellte sich die Situation demnach folgendermaßen dar: Sobald der Haushaltsgesetzgeber das Bestehen einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts annahm und von der Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. Gebrauch machte, war er im Grunde an keine Kreditbegrenzung mehr gebunden73. – Fehlende Verpflichtung zur Rückführung der Schulden in konjunkturell guten Zeiten: Der massive Anstieg der Staatsverschuldung während der Geltungs69 Eingehend hierzu – mit Beispielen: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 31 ff. Mit Blick auf die Bruttoveranschlagung der Investitionen steht letztlich sogar der Vorwurf einer verfassungswidrigen Auslegung des Investitionsbegriffs und damit einer verfassungswidrigen Staatspraxis im Raum. Siehe hierzu: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 34 ff. 70 Siehe hierzu beispielsweise: Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 187 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 63; Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (449); Tappe, DÖV 2009, 881 (884 f.); Scholl, DÖV 2010, 160 (163); Ohler, DVBl 2009, 1265 (1269). 71 So Scholl, der insbesondere darauf hinweist, dass gerade in den Haushaltsjahren von 2002 bis 2006 die Nettokreditaufnahme stets die eigentlich geltende Investitionsgrenze überschritt: Scholl, DÖV 2010, 160 (163). Siehe auch Droege, der von einem „faktischen Regelfall“ spricht: Droege, VerwArch 98 (2007), 101 (110). Vgl. auch Wieland, der betont, dass die „Ausnahme für eine erhöhte Staatsverschuldung [. . .] damit zur Regel geworden“ ist: Wieland, JZ 2006, 751 (753). 72 Siehe hierzu beispielsweise: Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (449); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 63; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 48 f. 73 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 63.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

dauer der bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes ist zudem darauf zurückzuführen, dass die Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. keine korrespondierende Tilgungsverpflichtung vorsah74. Der Gesetzgeber war demnach – zumindest nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Ausnahmeregelung – nicht dazu verpflichtet, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aufgenommenen staatlichen Kredite bei einer anschließenden Besserung der konjunkturellen Lage wieder zu tilgen75. – Der asymmetrische Haushaltsvollzug: Ein weiteres Problem der bisherigen Schuldenregelungen ergab sich aus der Möglichkeit eines asymmetrischen Haushaltsvollzugs76. Die h. M. ging aufgrund des Wortlauts des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. davon aus, dass die Bindung der Nettokreditaufnahme an die Höhe der Investitionsausgaben allein für die Haushaltsaufstellung und nicht für den anschließenden Haushaltsvollzug gelte77. Auch bei der Anwendung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. in der Praxis wurde diesem Ansatz gefolgt78. Damit waren für die Kreditgrenze des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. ausschließlich die im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen maßgeblich. Hieraus ergaben sich vor allem zwei nicht unerhebliche Gefahren: Zum einen bestand das Risiko „einer Überveranschlagung der Investitionsausgaben und/oder einer Unterveranschlagung der Nettokreditaufnahme“ im Haushaltsplan79. Zum anderen war es auch möglich, dass lediglich nominale, d. h. im Haushaltsplan veranschlagte, im Haushaltsvollzug allerdings nicht getätigte Investitionsausgaben schließlich die Basis für eine tat-

74 Siehe hierzu beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 63 f.; Scholl, DÖV 2010, 160 (163); Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 2.1. 75 So explizit die Gesetzesbegründung im Zuge der Föderalismusreform II: BT-Drs. 16/12410, S. 5. 76 Siehe hierzu beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 67 ff.; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 191 f.; Tappe, DÖV 2009, 881 (885); siehe auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 62 f.; Ohler, DVBl 2009, 1265 (1268); Gröpl, Die Verwaltung 39 (2006), 215 (223 f.). 77 Zur h. M.: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 3, 2. Auflage, 2008, Art. 115 Rn. 23; Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 5. Auflage, 2009, Art. 115, Rn. 53; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 3, 4./5. Auflage, 2003, Art. 115, Rn. 13; Wendt, in: v. Mangoldt/Friedrich/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 5. Auflage, 2005, Art. 115, Rn. 46 ff.; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 33. Erg.-Lfg., 1996, Art. 115, Rn. 30; zur M. M.: Isensee, in: Festschrift für Karl H. Friauf, 705 (719 f.); Pünder, in: Handbuch des Staatsrecht, Bd. 5, § 123, Rn. 41 ff. 78 Ohler, DVBl 2009, 1265 (1268). 79 Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (449); vgl. auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 63.

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sächlich erfolgte staatliche Kreditaufnahme bilden konnten80. Im Haushaltsvollzug konnte demnach die Investitionsgrenze des Art. 115 Abs. 1 S. 2 1. HS GG a. F. nahezu ungehindert unterlaufen werden. – Möglichkeit zur Bildung von Sondervermögen: Ein zentrales Manko der bislang im Grundgesetz normierten Schuldenregelungen stellte des Weiteren die in Art. 115 Abs. 2 GG a. F. normierte „Befreiungsklausel“ 81 für Sondervermögen dar82. Die Bestimmung des Art. 115 Abs. 2 GG a. F. erlaubte es, für Sondervermögen des Bundes durch ein Bundesgesetz Ausnahmen von den Vorgaben und Grenzen des Art. 115 Abs. 1 GG a. F. zuzulassen. Durch Art. 115 Abs. 2 GG a. F. ergab sich demnach für den Bund die Option, durch die Bildung von Sondervermögen außerhalb des Bundeshaushalts Schulden aufzunehmen und damit die Neuverschuldungsgrenzen des Art. 115 Abs. 1 GG a. F. zu umgehen83. – Das Fehlen einer Regelung bzw. Grenze für die Gesamtverschuldung des Bundes: Zu bemängeln ist darüber hinaus, dass Art. 115 GG a. F. lediglich Regelungen zur Begrenzung der jährlichen Nettoneuverschuldung und keine Grenzen für die sich hieraus ergebende und sich im Laufe der Zeit ansammelnde Gesamtverschuldung des Bundes vorsah84. Dementsprechend war das bislang geltende Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes „weitgehend blind“ für den kontinuierlichen Anstieg der Gesamtverschuldung; es ist in diesem Zusammenhang sogar explizit von den „Scheuklappen“ der Nettoneuverschuldung in Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. die Rede85. – Fehlende Sanktionsmechanismen: Als eine erhebliche Schwäche des bislang geltenden Staatsschuldenrechts ist zudem das Fehlen wirksamer Sanktionsmechanismen für den Fall einer Verletzung der verfassungsrechtlichen Schuldenregelungen zu nennen86. 80 Tappe, DÖV 2009, 881 (885); vgl. auch: Scholl, DÖV 2010, 160 (163 f.). Siehe auch Gröpl, der zahlreiche Fälle nennt, in denen es dazu kommen konnte, dass zwar das Volumen der Kredite voll augeschöpft wurde, aber der Umfang der getätigten Investitionen dahinter zurückblieb: Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, S. 450. 81 So: Selmer, in: Festschrift für Klaus Stern, 567 (568). 82 Siehe hierzu beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 49 ff.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 60 ff.; Bröcker, Grenzen staatlicher Verschuldung im System des Verfassungsstaats, S. 189 f.; Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (450); Scholl, DÖV 2010, 160 (164). 83 So: Scholl, DÖV 2010, 160 (164); Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (450). 84 Siehe hierzu beispielsweise: Scholl, DÖV 2010, 160 (163); Tappe, DÖV 2009, 881 (883); Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 2.1; siehe auch: Göke, ZG 2006, 1 (6 und 21). 85 Tappe, DÖV 2009, 881 (883). 86 Siehe hierzu beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 64; Scholl, DÖV 2010, 160 (164). Eingehend: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 70 ff.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

Abschließend ist festzuhalten, dass sich die „guten Absichten des Verfassungsgesetzgebers“, der Ende der 1960er Jahre das im Grundgesetz verankerte Staatsschuldenrecht grundlegend reformierte, „in der Praxis nicht bewährt“ haben87. Eine knappe Bestandsaufnahme der wichtigsten Ursachen für das Scheitern der bisherigen, im Grundgesetz verankerten Schuldenregelungen hat gezeigt, dass eine Vielzahl von normstrukturellen Defiziten und Schwächen dazu beigetragen hat, dass die bislang geltenden Kreditbegrenzungsvorschriften ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht geworden sind. Man kann somit durchaus von einer „Steuerungsschwäche“ 88 der bislang bestehenden grundgesetzlichen Schuldenregelungen sprechen. III. Exkurs: Die Entwicklung des Staatsschuldenrechts auf Länderebene Zuletzt ist ein Blick auf die in den Ländern bestehende Rechtslage im Anschluss an die Große Finanzreform 1967/1969 zu werfen. Zunächst ist anzumerken, dass die in Art. 109 Abs. 2 GG a. F. normierte Verpflichtung zur Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht alleine den Bund, sondern auch explizit die Länder traf 89. Darüber hinaus löste die Große Finanzreform hinsichtlich der in den jeweiligen Landesverfassungen normierten Schuldenregelungen der alten Bundesländer einen Anpassungsprozess aus; nach der Wiedervereinigung zogen die neuen Bundesländer nach. Im Ergebnis konnten die landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen in drei verschiedene Gruppen90 eingeteilt werden: Die meisten Bundesländer – Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen – passten ihre landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen – mit zum Teil nicht unbedeutenden Abweichungen – an die geänderte Fassung des Art. 115 Abs. 1 GG a. F. an91. 87

Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (445). So beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 75. Schuppert hat bereits 1984 die nachfolgende Formulierung geprägt: „Wenn also eine Steuerungsleistung des Haushaltsrechts darin besteht, Dämme zu errichten, so wird man wohl im Falle der Staatsverschuldung ,Land unter‘ vermelden müssen.“: Schuppert, VVDStRL 42 (1984), 216 (247). 89 Siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 64. Vgl. auch: Kloepfer/ Rossi, VerwArch 94 (2003), 319 (321 ff.). 90 Die nachfolgende Einteilung orientiert sich an: Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, S. 106 ff. Ebenfalls eingehend zu den in den Landesverfassungen normierten Schuldenregelungen: Kloepfer/Rossi, VerwArch 94 (2003), 319 (323); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 64 ff. 91 Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, S. 106 f. 88

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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Hierbei griffen einige Bundesländer sogar auf einen mit Art. 115 GG weitgehend identischen Wortlaut zurück92. Anders stellte sich demgegenüber die Rechtslage in Hamburg und Hessen dar: In Hamburg und Hessen wurden die bisherigen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, die noch in Anlehnung an Art. 87 Weimarer Reichsverfassung und Art. 115 GG i. d. F. von 1949 ausgestaltet waren, weiterhin beibehalten93. In der Bayerischen Verfassung wiederum fand sich eine staatsschuldenrechtliche Sonderregelung, die zugleich die dritte Gruppe der landesverfassungsrechtlichen Vorschriften bildete. Die in der Bayerischen Verfassung vorgesehene Schuldenregelung verlangte in Anlehnung an die Deutsche Reichsverfassung von 1871 für die Aufnahme staatlicher Kredite ausschließlich das Vorliegen eines außerordentlichen Bedarfs94.

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick zur Entstehungsgeschichte im Kontext der Föderalismusreform II und Einführung in den grundlegenden Bremsmechanismus 2009, im Zuge der Föderalismusreform II, wurde das bislang im Grundgesetz normierte deutsche Staatsschuldenrecht erneut in grundlegender Weise umgestaltet: Konkret wurden die 1967/1969 reformierten und offenkundig gescheiterten Schuldenregelungen des Grundgesetzes, vor allem die heftig kritisierte Bestimmung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F., abgelöst und durch ein neues Regelungskonzept zur Begrenzung der Staatsverschuldung, die sogenannte Schuldenbremse, ersetzt. Da die Revisionsbedürftigkeit des bisherigen Staatsschuldenrechts kaum mehr in Frage gestellt werden konnte und selbst das Bundesverfassungsgericht mit deutlichen Worten eine Reformierung der verfassungsrechtlichen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung angemahnt hatte95, war dieser Schritt grundsätzlich zu begrüßen. Doch selbst wenn die Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers für eine grundlegende Reform des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts Lob und Anerkennung verdient, so ist damit noch nicht gesagt, dass auch das Ergebnis des Reformprozesses, die in das Grundgesetz eingeführte Schuldenbremse, uneingeschränkt gutzuheißen ist. Bevor in den nachfolgenden Kapiteln das neue, reformierte Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes einer kritischen Analyse unterzogen werden soll, ist zunächst das grundlegende Konzept der 2009 eingeführten deutschen Schulden92 So Kloepfer/Rossi mit konkreten Nachweisen: Kloepfer/Rossi, VerwArch 94 (2003), 319 (323). 93 Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, S. 107. 94 Knop, Verschuldung im Mehrebenensystem, S. 107 und 160. 95 Siehe: BVerfGE 119, 96 (141 ff.).

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

bremse vorzustellen: Hierbei sollen einige wenige bedeutsame Aspekte der Entstehungsgeschichte aufgezeigt und im Anschluss vor allem die Regelungstechnik, der Wirkungsmechanismus und die verschiedenen Komponenten der sogenannten Schuldenbremse näher beleuchtet werden.

A. Die Entstehungsgeschichte der deutschen Schuldenbremse im Grundgesetz – Die Verhandlungen der Föderalismuskommission II Am 1. September 2006 trat die Föderalismusreform I in Kraft. Der Schwerpunkt der Föderalismusreform I lag auf einer Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern sowie auf einer Neuregelung der Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder bei der Gesetzgebung des Bundes96. Auch einige Finanzthemen, beispielsweise der Abbau der Mischfinanzierung, waren Gegenstand der Föderalismusreform I; eine grundlegende Reform der bundesstaatlichen Finanzverfassung sollte jedoch erst im Rahmen eines zweiten Reformprojekts erfolgen97. Bereits kurze Zeit nach dem Inkrafttreten der Föderalismusreform I wurde am 15. Dezember 2006 von Bundestag und Bundesrat eine „Gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“, die sogenannte Föderalismuskommission II, eingesetzt98. Nach langen, teils auch ins Stocken geratenen Verhandlungen, verständigten sich die Mitglieder der Föderalismuskommission II in ihrer abschließenden Sitzung vom 5. März 2009 mit großer Mehrheit auf eine Reihe von Reformvorschlägen, insbesondere auf den Entwurf neuer, im Grundgesetz zu verankernder Schuldenregelungen99. Die Beschlüsse der Föderalismuskommission II wurden nachfolgend von den Regierungsfraktionen, d. h. der CDU/CSU- und SPD-Fraktion, ohne relevante Änderungen in einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgeset96 Zur Föderalismusreform I: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006, BGBl. I, S. 2034 (2034 ff.); Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006, BGBl. I, S. 2098 (2098 ff.). Zu den wesentlichen Inhalten der Föderalismusreform I siehe beispielsweise: Boehl, in: Föderalismusreform II: Weichenstellungen für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen im deutschen Bundesstaat, 11 (11 ff.); Häde, JZ 2006, 930 (930 ff.); Selmer, JuS 2006, 1052 (1054 ff.). Eingehend beispielsweise: Meyer, Die Föderalismusreform 2006. Siehe auch die Beiträge in: Starck, Föderalismusreform; Holtschneider/Schön, Die Reform des Bundesstaates. 97 Korioth, JZ 2009, 729 (729). 98 Zu den Einsetzungsbeschlüssen des Bundestages und des Bundesrates siehe: BTDrs. 16/3885 und BR-Drs. 913/06. Siehe hierzu beispielsweise auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, 48 f.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 355; Korioth, JZ 2009, 729 (729). 99 Siehe hierzu: Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Beschlüsse der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Kom.-Drs. 174.

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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zes übernommen100. Dieser Gesetzentwurf wurde am 29. Mai 2009 vom Bundestag und am 12. Juni 2009 vom Bundesrat mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen und trat zum 1. August 2009 in Kraft101. Auf den genauen Ablauf des Reformprozesses sowie auf die im Einzelnen geführten Diskussionen innerhalb der Föderalismuskommission II bzw. im Bundestag und Bundesrat soll nachfolgend nicht näher eingegangen werden102. Vielmehr sollen lediglich zwei interessante Aspekte zur Entstehungsgeschichte der Föderalismusreform II hervorgehoben werden. I. Die ursprünglich gesetzten Ziele der Föderalismusreform II und die sich frühzeitig abzeichnende Eingrenzung des Beratungsgegenstandes Die Ziele, die im Zuge der Föderalismusreform II verwirklicht werden sollten, lassen sich den Einsetzungsbeschlüssen des Bundestages und des Bundesrates zur Föderalismuskommission II entnehmen. In diesen Einsetzungsbeschlüssen wurde die Aufgabe der Kommission folgendermaßen umrissen: Erarbeitet werden sollten „Vorschläge zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen mit dem Ziel, diese den veränderten Rahmenbedingungen inner- und außerhalb Deutschlands insbesondere für Wachstums- und Beschäftigungspolitik anzupassen“; hierbei sollte die „Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften und ihre aufgabenadäquate Finanzausstattung“ gestärkt werden103. Konkretisiert wurde dieser sehr allgemein gehaltene Auftrag der Föderalismuskommission II durch eine den Einsetzungsbeschlüssen beigefügte „offene Themensammlung“, die sowohl Finanzthemen als auch diverse Verwaltungsthemen umfasste104. Die nach100 Siehe hierzu: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d), BT-Drs. 16/12410. Siehe ergänzend: Entwurf eines Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform, BT-Drs. 16/12400. 101 Siehe: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d) vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S. 2248 (2248 ff.). Siehe ergänzend: Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009, BGBl. I, S. 2702 (2702 ff.). 102 Eingehend zur Entstehungsgeschichte und dem Reformprozess siehe beispielsweise: Dönnebrink/Erhardt/Höppner/Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 22 (22 ff.); Ebert/Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 62 (62 ff.); Ebert/Mattil/Meister-Scheufelen/Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 124 (124 ff.); Mattil/Meister-Scheufelen/Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 150 (150 ff.). Siehe ferner ausführlich: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 48 ff. 103 Siehe hierzu die in den Einsetzungsbeschlüssen vorgegebene Aufgabenstellung der Kommission: BT-Drs. 16/3885, S. 1; BR-Drs. 913/06, S. 1. 104 Siehe hierzu: BT-Drs. 16/3885, S. 3 und BR-Drs. 913/06, S. 4 f. Zu der Einteilung in Finanz- und Verwalungsthemen siehe exemplarisch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 52. Kritisch zu der offenen Themensammlung beispielsweise Selmer, der von einem „merkzettelartigen Gemenge finanzverfassungsrechtlich wesentlicher Fragen mit mehr organisations- und verwaltungstechnischen Problemen

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

folgende Betrachtung konzentriert sich auf die im Rahmen der Föderalismusreform II behandelten Finanzthemen105. Wie sich den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, wurde die Föderalismuskommission II insgesamt „mit dem ehrgeizigen Ziel“ eingesetzt, eine Reform der bundesstaatlichen Finanzverfassung vorzubereiten, die als „das politisch heikelste Thema“ gilt106. Bereits frühzeitig wurde mit Blick auf die Aufgabenstellung der Kommission von einer „Herkulesaufgabe“ gesprochen107. Dementsprechend vermag es nicht zu verwundern, dass das ursprünglich gesetzte Ziel im Ergebnis verfehlt wurde: Obwohl die Aufgabe der Föderalismuskommission II und auch die offene Themensammlung sehr weit gefasst waren, konzentrierte sich die Diskussion innerhalb der Kommission sehr schnell auf eine Reform des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts108; andere wichtige und bedeutsame Bereiche der bundesstaatlichen Finanzordnung, insbesondere die der Staatsverschuldung „vorgelagerten Teilthemen des föderalistischen Finanzsystems“, namentlich die Ausgabenverteilung, die Steuerautonomie sowie der Finanzausgleich, wurden demgegenüber von Anfang an ausgeklammert109. Zurückführen lässt sich dieser Umstand vor allem darauf, dass aufgrund der extrem voneinander abweichenden Positionen von Bund und Ländern ein Konsens in den meisten Bereichen der Finanzverfassung von vornherein unmöglich erschien110. Indem man die Reformbemühungen primär auf das Problem des Staatsschuldenrechts begrenzte, wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass sich allein auf diesem Gebiet ein „schmale[r] Grundsatz- und Minimalkonsens von Bund und Ländern“ 111 abzeichnete. Die Verengung des Themenbereichs auf das Staatsschuldenrecht war somit in erster Linie „politischen Sachzwängen geschuldet“ 112.

ohne reformsteuernde Aussagekraft“ spricht: Selmer, NVwZ 2009, 1255 (1256); ähnlich auch: Selmer, NVwZ 2007, 872 (872). 105 Für einen Überblick über die im Rahmen der Föderalismusreform II behandelten Verwaltungsthemen siehe beispielsweise: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (106 ff.); Kemmler, DÖV 2009, 549 (550 f.). 106 So: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1265). 107 So beispielsweise Struck bereits in der ersten Sitzung der Föderalismuskommission II: Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Stenographischer Bericht, 1. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 8. März 2007, Kommissionsprotokoll 1, S. 5. Vgl. auch: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1265). 108 Hierzu beispielsweise: Korioth, KritV 2008, 187 (187); Korioth, JZ 2009, 729 (729); Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (109 f.); Selmer, NVwZ 2009, 1255 (1257). 109 So: Korioth, KritV 2008, 187 (187); ähnlich auch mit weiteren zahlreichen Nachweisen: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (109). 110 So etwa: Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 11 f. 111 Korioth, JZ 2009, 729 (729); vgl. auch: Bauer, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 11 f. 112 Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (110).

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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Auch ohne die schließlich verwirklichten Reformmaßnahmen umfassend inhaltlich untersucht und kritisch analysiert zu haben, lässt sich ein wichtiges Ergebnis festhalten: Die ursprünglich gesetzten Ziele der Föderalismusreform II wurden nicht erreicht. Die verpasste Chance, die deutsche Finanzverfassung grundlegend neu zu regeln und dabei möglichst zu vereinfachen und zu entflechten, wird dementsprechend auch als „ein deutlicher Makel des gesamten Reformprojekts“ eingeordnet113 II. Die dramatische Veränderung der Rahmenbedingungen Erwähnenswert ist hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Föderalismusreform II ferner die parallel zu den Diskussionen verlaufende Entwicklung der finanz- und wirtschaftspolitischen Lage. Als die Föderalismuskommission II im März 2007 ihre Arbeit aufnahm, erschienen angesichts der stabilen wirtschaftlichen Situation die Ausgangsbedingungen für eine Reform der bundesstaatlichen Finanzordnung, einschließlich des Staatsschuldenrechts, zunächst äußerst günstig114. Der Beginn der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise bewirkte allerdings in der Folgezeit eine drastische Veränderung der den Reformprozess begleitenden Rahmenbedingungen115. Welche Auswirkungen die im Sommer 2007 einsetzende internationale Finanzund Wirtschaftskrise auf die politischen Verhandlungen über ein neues Staatsschuldenrecht hatte, wird auf den ersten Blick nicht einheitlich beurteilt: Einerseits wird betont, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise den Verhandlungsprozess erschwert und aufgrund ihre Auswirkungen zu „Verzögerungen“ der Reform geführt habe116. Andererseits wird die Krise mit ihren finanziellen Folgen als 113 Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2567). Die gegenüber den Einsetzungsbeschlüssen erfolgte Eingrenzung des Beratungsgegenstands durch die Föderalismuskommission II wird von vielen Seiten kritisch gesehen. Umfangreiche Nachweise hierzu finden sich bei Koemm: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 126 f., Fußnote 507. 114 In dieser Richtung äußerte sich beispielsweise Oettinger: „Wann, wenn nicht jetzt – bei guter Konjunktur, Wachstum der Wirtschaft, steigenden Steuereinnahmen und dem öffentlichen Bewusstsein, dass der Weg aus der Schuldenfalle gelingen muss – kommen wir beim Thema ,Haushalt und Schulden‘ voran?“, Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Ländern-Finanzbeziehungen, Stenographischer Bericht, 1. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 8. März 2007, Kommissionsprotokoll 1, S. 5. Siehe auch: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 2. 115 Siehe hierzu die Ausführungen der Föderalismuskommission II: Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Beschlüsse der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Kom.-Drs. 174, S. 2. Siehe auch: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 2. Zu den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise siehe etwa: Deubel, ZSE 2009, 231 (232 f.); Ebert/Kastrop/Meister-Scheufelen/ Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 62 (80 ff.). 116 So beispielsweise: Korioth, JZ 2009, 729 (729 f.).

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

„stärkste Triebkraft für den Abschluss der Reform“ 117 bezeichnet. Diese beiden Aussagen stehen bei einer näheren Betrachtung aber keineswegs zwingend in einem Widerspruch: Zutreffend dürfte zwar sein, dass angesichts der aktuellen Probleme der Finanzkrise die Reformbemühungen zunächst in den Hintergrund traten und auch das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts zunehmend unrealistisch erschien; zeitweise drohte wohl sogar das Scheitern der angestrebten Reform des Staatsschuldenrechts. Letztlich wurde jedoch gerade die Krise zum Anlass genommen, die Reform erfolgreich zu Ende zu führen. Die Krise löste somit eine „ungeahnte positive Schlussdynamik“ des Reformprozesses aus118. Die Föderalismuskommission II selbst äußert sich zu den gewandelten Rahmenbedingungen der Reform folgendermaßen: Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe den Verhandlungsprozess der Föderalismuskommission II in zweierlei Hinsicht beeinflusst. Zum einen hätten die finanz- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Krise die Notwendigkeit unterstrichen, dass dem Staat in Notsituationen ein ausreichender finanzieller Handlungsspielraum offen stehen müsse, damit gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen beispielsweise zur Konjunkturstabilisierung ergriffen werden könnten. Zum anderen habe die Krise allerdings auch die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass in konjunkturellen Hochphasen die Haushaltskonsolidierung ein wichtiges Ziel darstelle: Nur auf diese Weise ließe sich gewährleisten, dass in wirtschaftlichen Krisenzeiten der gewünschte finanzielle Handlungsspielraum des Staates gegeben sei119.

B. Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes Im Zuge der Föderalismusreform II wurden die Bestimmungen des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Art. 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d], das am 1. August 2009 in Kraft getreten ist, grundlegend neu gefasst. Die zentralen Bestimmungen des reformierten Staatsschuldenrechts sind in Art. 109 GG und Art. 115 GG normiert: Innerhalb von Art. 109 GG sind vor allem Art. 109 Abs. 2 und Abs. 3 GG von Bedeutung120; innerhalb von Art. 115 GG finden sich in Absatz 1 zunächst formelle

117

So beispielsweise: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1265). Siehe: Ebert/Kastrop/Meister-Scheufelen/Sudhof, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 62 (81). 119 Siehe die Ausführungen der Föderalismuskommission II: Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Beschlüsse der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen, Kom.-Drs. 174, S. 2. 120 Art. 109 GG betrifft die bundesstaatliche Haushaltswirtschaft und vereint hierbei „unterschiedlichste Regelungsgegenstände“. So: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 1. 118

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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Anforderungen an die Aufnahme von Krediten in Form eines Gesetzesvorbehalts, während Absatz 2 materielle Verschuldungsgrenzen vorsieht121. Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes findet ihre wesentliche Grundlage in den beiden Kernregelungen des Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG. Ergänzend sind hierzu im Rahmen der Föderalismusreform II zwei weitere Bestimmungen, Art. 109a GG und Art. 143d GG, eingeführt worden: Art. 109a GG sieht als begleitende Maßnahme die Einführung eines Frühwarnsystems zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen vor; Art. 143d GG normiert eine Übergangsregelung für das Inkrafttreten des reformierten Staatsschuldenrechts sowie die Gewährung von Konsolidierungshilfen an bestimmte, finanzschwache Bundesländer. Darüber hinaus wurde ferner ein Begleitgesetz zur Föderalismusreform II erlassen, das unter anderem die „notwendigen einfach-gesetzlichen Folgeregelungen zu den Grundgesetzänderungen“ beinhaltet122. In diesem Begleitgesetz finden sich unter anderem das Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (StabiRatG), das Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes (G 115) sowie das Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen (KonsHilfG). Im folgenden Abschnitt sollen die entscheidenden Eckpunkte des neuen, im Grundgesetz verankerten Staatsschuldenrechts, speziell mit Blick auf den Wirkungsmechanismus der sogenannten Schuldenbremse, erläutert werden. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf einer Auseinandersetzung mit den in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG normierten Komponenten der grundgesetzlichen Schuldenbremse. Auf die Verpflichtungen des Art. 109 Abs. 2 GG, die ergänzenden Regelungen der Art. 109a und Art. 143d GG, sowie auf die hinzutretenden einfachgesetzlichen Bestimmungen soll nur am Rande, soweit sie für die vorliegende Betrachtung von Bedeutung sind, eingegangen werden. I. Das Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG Einführend ist zunächst das Regelungsverhältnis zwischen den beiden zentralen Grundgesetzbestimmungen der Schuldenbremse, Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG, näher zu untersuchen. In Art. 109 Abs. 3 GG sind die Grundzüge der „[g]esamtstaatliche[n] Schuldenbremse“ 123 für Bund und Länder normiert, d. h. in Art. 109 Abs. 3 GG finden sich die für den Bund und die Länder gemeinsam geltenden Vorgaben bzw. Neu121 Zu dieser „Binnenstruktur“ des Art. 115 GG siehe beispielsweise: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 7. 122 Siehe hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drs. 16/12400, S. 1. 123 So beispielsweise: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 48.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

verschuldungsgrenzen. Folglich wird Art. 109 Abs. 3 GG auch als „Grundsatzbestimmung über die Grenzen der staatlichen Verschuldung“ 124 sowie als „Kernstück der Föderalismusreform“ 125 bezeichnet. Art. 115 Abs. 2 GG kommt hingegen die Aufgabe zu, die für Bund und Länder gemeinsam formulierten Grundsätze des Art. 109 Abs. 3 GG speziell für den Bund zu konkretisieren126. Die Aufgabe zur näheren Ausgestaltung der in Art. 109 Abs. 3 GG festgelegten Verschuldungsgrenzen für den Bund erfüllt Art. 115 Abs. 2 GG allerdings nur punktuell: Tatsächlich ist bei einer genaueren Betrachtung festzustellen, dass Art. 115 Abs. 2 GG über weite Strecken lediglich die bereits in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Grundsätze wiederaufgreift und an vielen Stelle sogar wortlautgetreu wiederholt. Über die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG hinausgehende Konkretisierungen lassen sich Art. 115 Abs. 2 GG nur vereinzelt entnehmen127. Aus regelungstechnischer Sicht kann der dargelegte Ansatz zunächst durchaus als „elegant“ bewertet werden128: Die verwendete Regelungstechnik ermöglicht es, in Art. 109 Abs. 3 GG zunächst allgemeine Vorgaben bzw. einheitliche Regelungen für Bund und Länder zu formulieren, die anschließend für den Bund in Art. 115 Abs. 2 GG und für die Länder in ihren jeweiligen Landesverfassungen näher ausgestaltet werden sollen. Auf diese Weise wird insbesondere der Eindruck vermieden, dass der Bund ausschließlich den Ländern Vorgaben macht und sie hierdurch einseitig in ihrer Haushaltsautonomie einschränkt129. Darüber hinaus wird durch diese regelungstechnische Ausgestaltung über Art. 109 Abs. 3 GG ein „Gleichlauf der Vorgaben für Bund und Länder“ hergestellt130. Bei einer genaueren Betrachtung führt das aufgezeigte Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG allerdings zu einigen Folgeproblemen: Der beschriebene regelungstechnische Ansatz geht dem Anschein nach von einem recht fragwürdigen dreigliedriger Bundesstaatsbegriff aus, bei

124

So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 9. So: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 35. 126 Siehe hierzu etwa die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 6. 127 Ebenso beispielsweise: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 35. Siehe hierzu auch Kube, der den „eigenständige[n] konkretisierende[n] Gehalt“ von Art. 115 Abs. 2 GG ausdrücklich benennt: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 9. 128 So Häde, der im Ergebnis allerdings auch zu einer eher kritischen Bewertung der Regelungstechnik kommt: Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses des Deutschen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 3. 129 So: Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses des Deutschen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 3. 130 So: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 203. 125

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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dem Bund und Ländern ein Gesamtstaat als selbstständiger Rechtsträger gegenübersteht131. Art. 109 Abs. 3 GG verpflichtet scheinbar Bund und Länder gleichermaßen dazu, die in ihm normierten Grundsätze entsprechend umzusetzen bzw. näher auszugestalten. Gerade mit Blick auf den Bund, bei dem die nähere Ausgestaltung der Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG ebenfalls im Grundgesetz, konkret in Art. 115 Abs. 2 GG, erfolgt ist, ergeben sich hieraus problematische Konsequenzen: An den Stellen, an denen Art. 109 Abs. 3 GG unmittelbar geltende Vorgaben normiert, ist eine Wiederholung dieser Bestimmungen an einer anderen Stelle des Grundgesetzes schlicht entbehrlich132. Soweit Art. 109 Abs. 3 GG Bund und Länder lediglich dazu ermächtigt, näher vorgegebene Regelungen zu normieren und soweit eben diese Regelungen für den Bund in Art. 115 Abs. 2 GG getroffen worden sind, entsteht letztlich sogar der Eindruck, dass Art. 109 Abs. 3 GG in einem Vorrangsverhältnis zu Art. 115 Abs. 2 GG steht133. Konkret wird der Anschein erweckt, dass es sich bei Art. 109 Abs. 3 GG um eine „Vorschrift der gesamtstaatlichen Verfassung“ handelt, die den „verfassungsändernden Bundesgesetzgeber [. . . verpflichtet], an anderer Stelle im Grundgesetz bestimmte Regelungen zu treffen“ 134. Die Annahme eines derartigen Vorrangs von Art. 109 Abs. 3 GG gegenüber Art. 115 Abs. 2 GG ist allerdings absolut unzutreffend: Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG sind vielmehr gleichrangige Verfassungsnormen, sodass diesen beiden Grundgesetzbestimmungen auch keine unterschiedliche Bindungskraft zukommen kann135. II. Einbeziehung der Kommunen und Sozialversicherungen? Einer näheren Betrachtung bedarf ferner die exakte Reichweite der gesamtstaatlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG. Adressaten der in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Verpflichtungen der gesamtstaatlichen Schuldenbremse sind – ausweislich des eindeutigen Wortlauts, der allein auf die „Haushalte von Bund und Ländern“ 136 abstellt – ausschließlich der Bund und die Länder137. 131 Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses des Deutschen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 3; ähnlich auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 177. 132 Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (401). 133 Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (401). 134 Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses des Deutschen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 3; vgl. auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 177. 135 Siehe hierzu etwa: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (401); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 178. 136 So: Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG. 137 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 49; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

Fraglich und umstritten ist indes, ob über die Haushalte von Bund und Ländern hinaus auch weitere Haushalte gegenständlich in den Anwendungsbereich des Art. 109 Abs. 3 GG miteinbezogen sind138. Besonders zugespitzt hat sich diese Diskussion mit Blick auf die Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen139. Bevor die Regelungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund bzw. für die Länder näher vorgestellt werden sollen, ist somit vorab die Frage der Einbeziehung von Kommunen und Sozialversicherungen zu klären. 1. Einbeziehung der Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen de constitutione lata? Zum Teil wird bereits auf Grundlage der seit 2009 bestehenden Regelungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse, d. h. de constitutione lata, davon ausgegangen, dass sich der Anwendungsbereich der gesamtstaatlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG gegenständlich auch auf die Haushalte der Kommunen und Sozialversicherungen erstrecke140. Dieser Ansatz stützt sich im Wesentlichen auf die folgenden Argumente: Zunächst wird eine objektiv-historische Auslegung, ausgehend von der Entstehungsgeschichte der Schuldenbremse, herangezogen. Anhand der Entstehungsgeschichte könne man belegen, dass bei der Ausgestaltung eine Einbeziehung vor allem der Kommunen, aber auch der Sozialversicherungen, von Anfang an beabsichtigt worden sei. So sei neben dem strukturellen Neuverschuldungsspielraum von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts für den Bund, für die Länder ein entsprechender struktureller Neuverschuldungsspielraum in Höhe von 0,15 % des Bruttoinlandsprodukts diskutiert worden. Damit habe die Summe der anfangs angedachten zulässigen strukturellen Neuverschuldung genau der im Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Grenze für die öffentliche Gesamtverschuldung von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts entsprochen, die ihrerseits nicht nur die Defizite von Bund und Ländern, sondern auch die von Kommunen und Sozialversicherungen erfasse141. 138 Zur Differenzierung zwischen den Normadressaten der gesamtstaatlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG und den einbezogenen Haushalten siehe: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 49 f. 139 Weitere, umfassendere Ausführungen zur exakten Reichweite des Anwendungsbereichs der grundgesetzlichen Schuldenbremse finden sich im Rahmen der kritischen Analyse der grundgesetzlichen Schuldenbremse. Siehe unten: 4. Teil § 3 A. II. 2. 140 So: Reimer, in: Epping/Hillguber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 52 f.; Reimer, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 147 (156 f.); ebenso: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 83; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 52; ebenso speziell mit Blick auf die Kommunen: Pinkl, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 103 (130 ff.). Von der Tendenz her ähnlich auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 189 ff.

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Darüber hinaus werden teleologische Überlegungen bemüht: Die Einbeziehung der Defizite von Kommunen in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse sei erforderlich, um das Risiko von Umgehungen zu verringern und die Wirksamkeit der Schuldenbremse abzusichern; es erscheine geboten, durch eine Einbeziehung der Kommunen in die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG zu vermeiden, dass die Länder im Rahmen des auf ihnen lastenden Konsolidierungsdrucks Belastungen auf die Kommunen abwälzen könnten142. Entsprechendes gelte für die Sozialversicherungen143. Zuletzt wird auch auf eine europarechtsfreundliche bzw. systematische Auslegung verwiesen: In Anbetracht der Tatsache, dass sich die EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts auf den gesamten staatlichen Sektor, einschließlich Kommunen und Sozialversicherungen, erstreckten, sei „im Lichte des Europarechts und der entsprechenden Vorgabe des Art. 109 Abs. 2 Hs. 1 [GG]“ eine weite, die Defizite der Kommunen und Sozialversicherungen mit umfassende Auslegung der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu befürworten144. 2. Keine Einbeziehung der Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen Trotz der dargelegten Argumentation kann man sich der vorstehenden Ansicht im Ergebnis nicht anschließen. Unabhängig davon, ob man die Einbeziehung der Kommunen und Sozialversicherungen in den Geltungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse für wünschenswert und sinnvoll erachtet, ist eine derartige Einbeziehung de constitutione lata aus gewichtigen Gründen zurückzuweisen145: Zum einen halten einige der oben wiedergegebenen Argumente einer kritischen Hinterfragung nicht stand: Als fragwürdig erweist sich die referierte objek141 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 52 f.; zustimmend: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 52. 142 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 52; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 52. 143 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 53; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 52. 144 G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 83. Ebenfalls auf den angestrebten „Gleichklang“ mit dem EURecht hinweisend: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 192. 145 Im Ergebnis ebenso beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 119. Siehe auch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 109, Rn. 11; Seiler, JZ 2009, 721 (723, Fußnote 16); Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 67.

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tiv-historische Auslegung. Auch wenn anfangs möglicherweise eine Einbeziehung der Kommunen und Sozialversicherungen in die grundgesetzlichen Schuldenregelungen geplant war, so lässt sich hieraus nicht folgern, dass im Rahmen des schließlich beschlossenen Regelungskonzepts an diesem Ansatz weiterhin festgehalten wurde. Tatsächlich lässt sich in der Entstehungsgeschichte der grundgesetzlichen Schuldenbremse gerade in Bezug auf die Einbeziehung der kommunalen Haushalte vielmehr ein klarer Meinungsumschwung erkennen146. Auch die Aufteilung der nach den EU-rechtlichen Vorgaben zulässigen Gesamtverschuldungsgrenze von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts zwischen dem Bund und den Ländern ist letztlich nicht wie ursprünglich geplant umgesetzt worden147. Aus den im Ergebnis nicht verwirklichten Regelungsansätzen wird sich somit kein zwingendes Argument für eine Einbeziehung der Kommunen und Sozialversicherungen ableiten lassen. Bedenklich ist ferner die europarechtsfreundliche Auslegung: Wie sich der Gesetzesbegründung unzweifelhaft entnehmen lässt, hat der verfassungsändernde Verfassungsgesetzgeber die Diskrepanz zwischen der grundgesetzlichen Schuldenbremse und den EU-rechtlichen Bestimmungen konkret gesehen und bewusst in Kauf genommen148. So wird in den Ausführungen der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgehoben, dass der eingeschränkte Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse die Verantwortlichkeit des Bundes bzw. der Länder für die Defizite der Sozialversicherungen bzw. Kommunen vor dem Hintergrund der gesamtstaatlichen Verschuldungsgrenzen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts „unberührt“ lasse.149 Zum anderen sprechen bedeutsame Auslegungsergebnisse dafür, eine Einbeziehung der Defizite von Kommunen und Sozialversicherungen abzulehnen: Hinzuweisen ist zunächst auf den Wortlaut des Art. 109 Abs. 3 GG. Die im Wortlaut angelegte Beschränkung auf die „Haushalte von Bund und Ländern“ beinhaltet grundsätzlich keine Anhaltungspunkte, die für eine Erstreckung der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf die Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen sprechen könnten. In Bezug auf die Kommunen ist zwar zu berücksichtigen, dass sich in der grundgesetzlichen Finanzverfassung einige Bestimmungen (z. B. Art. 106 Abs. 9 GG und Art. 107 Abs. 2 GG) finden, die die Kommunen ausdrücklich den Ländern zuordnen; hervorzuheben ist Art. 106 Abs. 9 GG, der die 146 Hierzu ausführlich mit konkreten Belegen anhand der Kommissionsprotokolle: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 49; Henneke, NdsVBl 2009, 121 (125). 147 Selbst Reimer gibt an dieser Stelle zu, dass die geplante 0,15 %-Grenze für die Länder „im Verlauf der Beratungen der Föderalismuskommission II aufgegeben wurde“: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 52. 148 Ebenso: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36. 149 BT-Drs. 16/12410, S. 10 f.

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Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels definiert150. Dennoch spricht eine an Wortlaut und Systematik orientierte Auslegung im Ergebnis gegen eine Einbeziehung sowohl von Kommunen als auch von Sozialversicherungen: Die Defizite von Kommunen und Sozialversicherungen, bei denen es sich um rechtlich selbstständige Personen des öffentlichen Rechts handelt, über die Haushalte von Bund und Ländern in den Anwendungsbereich der Schuldenbremse miteinzubeziehen, steht in einem Widerspruch zu der im Haushaltsrecht unbestrittenen Trennung verschiedener Rechtsträger; eine Abkehr von diesem „allgemeinen und einhellig anerkannten Haushaltsgrundsatz“ hätte explizit und eindeutig geregelt werden müssen151. Eine besondere Stellung kommt der subjektiv-historischen Auslegung zu152: Nach den expliziten Ausführungen der Gesetzesbegründung sollen sich die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse allein auf „den Haushalt des Bundes und die jeweiligen Haushalte der Länder“ erstrecken; „eine Einbeziehung etwaiger Defizite von Sozialversicherungen und Gemeinden bei der Haushaltsaufstellung in die Regelung“ wurde demgegenüber ausdrücklich abgelehnt, weil hierdurch „sowohl inhaltlich als auch in der zeitlichen Abfolge unerfüllbare Informationsanforderungen an die Aufstellung der Haushalte von Bund und Ländern“ gestellt würden153. Obwohl dem verfassungsändernden Gesetzgeber das Problem einer Berücksichtigung von Kommunen und Sozialversicherungen, einschließlich der für eine Einbeziehung sprechenden Argumente, somit offensichtlich bekannt war, hat er sich dennoch unmissverständlich dagegen entschieden. Unabhängig davon, ob die in der Gesetzesbegründung genannte Argumentation als überzeugend eingestuft wird154, ist der Wille des Verfassungsgesetzgebers 150 Auf dieses Argument berufen sich beispielsweise: Korioth, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 389 (396); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 191 f. Der Ansatz aus Art. 106 Abs. 9 GG einen allgemeinen Rechtsgedanken für die gesamte Finanzverfassung und damit auch für die grundgesetzliche Schuldenbremse abzuleiten, vermag indes angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser Bestimmung nicht zu überzeugen; vgl. hierzu: Pinkl, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 103 (129). 151 So: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36. Siehe hierzu auch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 24. Ebenso: Pinkl, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 103 (130). 152 Ebenso: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 119. 153 BT-Drs. 16/12410, S. 10 f. 154 Kritisch zu dieser Argumentation beispielsweise: Scholl, DÖV 2010, 160 (165); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 190 f.; Reimer, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 147 (156); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 49; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 50. Kritisch zu dieser

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folglich eindeutig und unzweifelhaft festgehalten worden. Da dieser klar formulierte Wille auch erst „vor kurzer Zeit“ geäußert wurde und damit noch nicht als überholt einzustufen ist, wird man sich an dieser Stelle nicht ohne Weiteres darüber hinwegsetzen können155. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Defizite von Kommunen und Sozialversicherungen – zumindest de constitutione lata – nicht gegenständlich in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit einbezogen sind. III. Die sich aus der Schuldenbremse ergebenden Vorgaben für den Bund Im Folgenden sollen die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund vorgestellt werden. Hierbei sind für den Bund sowohl die Regelungen des Art. 109 Abs. 3 GG als auch diejenigen des Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG maßgeblich. 1. Der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG, Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG Den zentralen Ausgangspunkt der Schuldenbremse bildet der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts, der für den Bund mit lediglich geringfügigen sprachlichen Abweichungen156 sowohl in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG als auch in Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG normiert ist. Gem. Art. 109 Abs. 3 S. 1, 115 Abs. 2 S. 1 GG sind die Einnahmen und Ausgaben des Bundes grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Damit wird der Bund an ein grundsätzliches Kreditaufnahme- bzw. Neuverschuldungsverbot gebunden. Auf einfachgesetzlicher Ebene wird der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in § 2 Abs. 1 S. 1 G 115 wieder aufgegriffen; durch §§ 2 Abs. 1 S. 1 2. HS, 3 G 115 wird zugleich eine Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen festgelegt. Zu betonen ist hierbei, dass es sich bei dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts nicht um eine unverbindliche Staatszielbestimmung, sondern um eine konkrete Rechtspflicht für den Haushaltsgesetzgeber handelt157. Argumentation, jedenfalls im Hinblick auf die Sozialversicherungen: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 83. 155 Im Ergebnis ebenso: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 119. 156 Während Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG von den „Haushalten von Bund und Ländern“ spricht, die grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind, stellt Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG demgegenüber lediglich auf die grundsätzlich auszugleichenden „Einnahmen und Ausgaben“ des Bundes ab. Ebenso: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 177.

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Das sich aus Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG ergebende verfassungsrechtliche Neuverschuldungsverbot gilt jedoch nicht absolut und uneingeschränkt. Wie insbesondere aus der Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ in Art. 109 Abs. 3 S. 1, Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG hervorgeht, ist das Gebot des materiell ausgeglichenen Haushalts vielmehr offen für Ausnahmen; die strikte Geltung des Neuverschuldungsverbots wird somit bereits durch seinen Wortlaut „relativiert“ 158. Verständlich wird die Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers für eine derartige Relativierung vor dem Hintergrund der nachstehenden Ausführungen: Zum einen wäre ein absolutes Neuverschuldungsverbot in der Praxis kaum realisierbar und aus ökonomischer Sicht auch nicht sinnvoll gewesen159. Zum anderen ist zu bedenken, dass letztlich auch ein uneingeschränkt formuliertes Neuverschuldungsverbot in Einzelfällen durchbrochen werden könnte; gerechtfertigt wäre eine derartige Durchbrechung etwa dann, wenn das Neuverschuldungsverbot in einer Abwägung mit anderen bedeutenden Verfassungsgrundsätzen oder verfassungsrechtlich geschützten Gütern, z. B. mit der Sicherung der staatlichen Handlungsfähigkeit, unterliegen würde160. Hieraus hat der verfassungsändernde Gesetzgeber die folgenden Konsequenzen gezogen: Er bringt zunächst durch die Formulierung „grundsätzlich“ zum Ausdruck, dass das Gebot des materiellen Haushaltsausgleichs keine absolute Geltung beanspruchen kann. Die „zwangsläufigen Relativierungen“ 161 dieses Gebots überlässt er allerdings nicht der Auslegung durch den Haushaltsgesetzgeber oder der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; vielmehr gestaltet der verfassungsändernde Gesetzgeber die an den Zusatz „grundsätzlich“ anknüpfenden Ausnahmetatbestände in den nachfolgenden Bestimmungen selbst konkret – und ausweislich der Gesetzesbegründung auch abschließend162 – aus163. Für den Bund ergeben sich aus Art. 109 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 115 Abs. 2 GG insgesamt drei verschiedene Ausnahmetatbestände. In diesem Zusammenhang ist auch bereits der Begriff des „Dreikomponenten-Modells“ 164 geprägt worden.

157 Hierfür spricht insbesondere die in Art. 109 Abs. 3 S. 1 und Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG verwendete Formulierung: „sind [. . .] auszugleichen“. Siehe hierzu auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 181. Im Ergebnis ebenso: C. Mayer, AöR 2011 (136), 266 (272). 158 C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (273); ebenso: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 159 Siehe hierzu beispielsweise: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (112); ähnlich auch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 39. 160 Hierzu ausführlich: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 161 So: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 162 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 163 Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 164 Ohler, DVBl 2009, 1265 (1271).

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Durch die ausdrückliche Normierung des Gebots des materiellen Haushaltsausgleichs wurde eine klare Kehrtwende gegenüber den 1967/1969 in das Grundgesetz eingeführten Schuldenregelungen vollzogen: Zwar ergab sich für den Bund bereits vor der Föderalismusreform II aus Art. 110 GG das Gebot eines ausgeglichenen Haushalts; nach ganz herrschender Meinung verlangte bzw. verlangt Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG aber keinen materiellen, sondern lediglich einen formellen Haushaltsausgleich, d. h. einen Ausgleich der Einnahmen und Ausgaben unter Einbeziehung der Einnahmen aus Krediten165. Nach den bislang im Grundgesetz normierten Schuldenregelungen waren staatliche Krediteinnahmen regelmäßig bis zu der Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen zulässig166 und stellten vom Grundsatz her ein reguläres Instrument zur Finanzierung staatlicher Ausgaben dar; demgegenüber hebt das reformierte Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes mit dem explizit verankerten Gebot des materiell ausgeglichenen Haushalts nunmehr deutlich den „Ausnahmecharakter“ der staatlichen Kreditfinanzierung hervor167. In einem Vergleich mit den bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes ist der seit 2009 im Grundgesetz normierte Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts folglich als „ambitionierter Schritt“ 168 anzusehen. 2. Die Strukturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG Abweichend von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts lässt zunächst die sogenannte Strukturkomponente eine Neuverschuldung durch den Bund zu; hierbei handelt es sich um die erste, näher zu untersuchende Ausnahmebestimmung für den Bund169. 165 Zur h. M.: BVerfGE 119, 96 (119); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 19. Erg.-Lfg., 1981, Art. 110, Rn. 55; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 3, 2. Auflage, 2008, Art. 110, Rn. 25; Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 311; Gröpl, AöR 133 (2008), 1 (27 f.); Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 110, Rn. 65 f.; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 110, Rn. 28; C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (272). Zur M. M.: Di Fabio/Mellinghoff in ihren abweichenden Meinung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 119, 96 (158); Lappin, Kreditäre Finanzierung des Staates unter dem Grundgesetz, S. 102 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, S. 1249 f. 166 Zu den bislang geltenden Schuldenregelungen des Grundgesetzes siehe oben: 2. Teil § 1 C. I. 167 So explizit: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 123; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 118. 168 So: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2561). Etwas zurückhaltender ist demgegenüber die Einschätzung von Koemm: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 180 f. 169 Ob die Strukturkomponente als Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts oder vielmehr als eine nähere Ausgestaltung dieses Grundsatzes für den Bund einzuordnen ist, wird letztlich nicht einheitlich beantwortet. Tatsächlich

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Die Strukturkomponente ergibt sich aus Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG: Art. 109 Abs. 3 S. 4 GG weist Art. 115 GG die Aufgabe zu, die Vorgaben der Schuldenbremse für den Bund näher auszugestalten170 und stellt hierbei die „Maßgabe“ auf, dass der Bund dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts entspricht, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 % im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandesprodukt nicht überschreiten. In Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG wird diese Maßgabe ohne inhaltliche Erweiterung oder Konkretisierung aufgegriffen. Im Ergebnis wird dem Bund durch die Strukturkomponente ein jährlicher, von der konjunkturellen Entwicklung unabhängiger und damit struktureller Neuverschuldungsspielraum bis zu einer Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts eröffnet171. In rechtstechnischer Hinsicht ist die Strukturkomponente in Form einer „verfassungsrechtlichen Fiktion“ 172 ausgestaltet: Wird die in Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG aufgestellte 0,35 %-Grenze gewahrt, so wird fingiert, dass der Bund die Anforderungen des materiell ausgeglichenen Haushalts ohne Einnahmen aus Krediten erfüllt173. Auf der einfachgesetzlichen Ebene wird die Strukturkomponente durch §§ 2 Abs. 1 S. 2, 4 G 115 konkretisiert. § 4 G 115 bestimmt, dass bei der Berechnung der zulässigen Höhe der strukturellen Neuverschuldung das nominalen Bruttoinlandsprodukt des vorangegangenen Haushaltsjahres zugrunde zu legen ist; die maßgebliche Höhe des Bruttoinlandsprodukts wird hierbei vom Statistischen Bundesamt ermittelt. Einige bedeutsame Aspekte der Strukturkomponente sollen ergänzend angesprochen werden: Zunächst beinhaltet die Strukturkomponente keine ausdrücklierscheint es überzeugender, einen Neuverschuldungsspielraum von immerhin 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts nicht als nähere Ausgestaltung, sondern vielmehr als zulässige Abweichung und damit als Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts einzustufen. So beispielsweise auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 155; anders beispielsweise: Baumann/ Schneider, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 89 (93). Ausführlich hierzu, mit weiteren umfangreichen Nachweisen: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 206 ff. 170 Zu dem Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG und der hieran zu äußernden Kritik siehe oben: 2. Teil § 2 B. I. Kritisch zu dem in Art. 109 Abs. 3 S. 4 GG normierten internen Verweis auf eine andere Grundgesetzbestimmung – konkret auf Art. 115 GG – siehe auch exemplarisch: Heun, in: Dreier, GGKommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 49. 171 Dass dem Bund ein struktureller, von der konjunktureller Lage unabhäniger Verschuldungsspielraum eingeräumt werden soll, wird explizit in der Gesetzesbegründung ausgeführt, siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 5 f., 11 und 12. 172 So: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1271). Der Charakter einer Fiktion ergibt sich hierbei konkret aus der Formulierung, dass dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts „entsprochen“ ist, wenn die Einnahmen aus Krediten die Grenzen von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. 173 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 50; ebenso: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 27.

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che Verpflichtung, die auf ihrer Grundlage aufgenommenen staatlichen Kredite zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu tilgen174. Näher zu beleuchten ist darüber hinaus der nachstehende Gesichtspunkt: Dass dem Bund mit der Strukturkomponente ein begrenzter struktureller Neuverschuldungsspielraum eingeräumt wird, begründen die Gesetzesmaterialien mit dem Gedanken der „intergenerative[n] Gerechtigkeit“ 175. Da die Strukturkomponente in Art. 109 Abs. 3, S. 4, Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG für die hiernach zulässige Neuverschuldung keine weiteren Anforderungen formuliert und vor allem keine Bindung an das Tätigen von nachfolgenden Generationen zugute kommenden Investitionen normiert, erscheint diese Begründung allerdings auf den ersten Blick durchaus verwunderlich. Bei einer genaueren Betrachtung löst sich diese scheinbare Diskrepanz zwischen dem Wortlaut der Strukturkomponente und der Gesetzesbegründung indes auf: Allgemein wird angenommen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Festlegung eines strukturellen Verschuldungsspielraums von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts „ein vermutetes Mindestniveau beständig getätigter Zukunftsinvestitionen“ typisiert hat176. Berücksichtigt man das Investitionsniveau der letzten Jahre, das mit Blick auf die Brutto- ebenso wie Nettoinvestitionsquoten des Bundes deutlich über der jetzt in der Strukturkomponente verankerten 0,35 %-Grenze lag177, so ist diese Annahme auch durchaus plausibel. Tatsächlich erscheint es unwahrscheinlich, dass die Strukturkomponente zu konsumtiven Zwecken instrumentalisiert werden kann178.

174 Ebenso beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 141; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 316. Auf die Frage, inwieweit sich aus anderen Vorgaben, beispielsweise aus dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. aus der Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht, eine mögliche Tilgungspflicht herleiten lässt, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Siehe hierzu unten: 4. Teil § 3 C. II. 1. a). 175 Siehe die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 5 f. 176 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 36; ebenso beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 138; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 57; Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 35; Seiler, JZ 2009, 721 (723). Baumann/Schneider sprechen in diesem Zusammenhang von einem „pauschalierte[n] ,Investitionsspielraum‘ im Sinne des Grundgedankens der Golenden Regel“: Baumann/Schneider, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 89 (93). Kritisch hierzu: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 50. 177 So: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1333); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg. 2010, Art. 115, Rn. 76; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 141. Zu dem Investitionsniveau der letzten Jahre siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 79, Schaubild Nr. 9 und S. 80. 178 Seiler, JZ 2009, 721 (723); Scholl, DÖV 2010, 160 (165 f.). Kritisch etwa: Korioth, JZ 2009, 729 (731).

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Vereinzelt wird allerdings gefordert, innerhalb der Strukturkomponente an einer Bindung der Krediteinnahmen an das Investitionsvolumen, vergleichbar mit der Junktimklausel des bisherigen Staatsschuldenrechts, festzuhalten: Unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit wird vertreten, dass der sich aus der Strukturkomponente ergebende Neuverschuldungsspielraum nur in der Höhe in Anspruch genommen werden dürfe, in der zukunftswirksame, auch noch den nachfolgenden Generationen dienliche Maßnahmen finanziert würden179. Für eine derartige Aufrechterhaltung der bekannten Investitionsgrenze finden sich indes keine Hinweise in den einschlägigen Verfassungsbestimmungen der Strukturkomponente180. Darüber hinaus ist den Ausführungen der Gesetzesbegründung eindeutig zu entnehmen, dass mit der Reform des Staatsschuldenrechts eine Loslösung von der bisherigen Investitionsgrenze intendiert worden ist: So wird insbesondere die vollzogene „Entkopplung“ vom Investitionsbegriff und die hierdurch gewonnene neue „Flexibilität“ im Rahmen der Verschuldungspolitik181 hervorgehoben182. Die Finanzierung von zukunftswirksamen Investitionen ist demnach nicht als zusätzliche Anforderung der Strukturkomponente in die Bestimmungen der Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG hineinzulesen183. Im Ergebnis ist die Strukturkomponente, trotz gegenteiliger Ansätze, gerade nicht an besondere materielle Voraussetzungen oder die Verfolgung eines bestimmten Zwecks gebunden184. Historisch betrachtet löst die dargelegte Strukturkomponente der neuen Schuldenbremse die bisherige Regelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. ab, die eine Nettokreditaufnahme bis zur Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen erlaubte185. An die Stelle der vielfach kritisierten Investitionsgrenze ist nunmehr eine feste Neuverschuldungsgrenze in Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts getreten.

179 So: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 92. 180 Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (403); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 210. 181 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 6. 182 Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 210. 183 Ebenso: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (403); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 211. 184 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 50; siehe auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 137; Christ, NVwZ 2009, 1333 (1333); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 211; Lenz/Burgbacher sprechen von einem beschränkten, voraussetzungslosen Verschuldungsrecht des Bundes: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 185 So die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12. Ebenso beispielsweise: Kienemund, in: Hömig, GG-Kommentar, 10. Auflage, 2013, Art. 115, Rn. 3.

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3. Die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2 S. 3, 5 GG Eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts stellt die sogenannte Konjunkturkomponente dar, die sich für den Bund aus Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2 S. 3, 5 GG ergibt. Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG enthält für Bund und Länder lediglich die „Option“ 186, Ausnahmeregelungen zu normieren, die ein Abweichen von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts aus konjunkturellen Gründen zulassen: Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG bestimmt, dass Bund und Länder „Regelungen zur im Auf- und Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ vorsehen können. Für den Bund ist die Entscheidung, ob eine entsprechende Konjunkturkomponente geschaffen werden soll oder nicht, bereits auf der Ebene des Grundgesetzes in Art. 115 Abs. 2 S. 3, 5 GG getroffen worden187. Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG wiederholt im Wesentlichen die bereits in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG formulierten Vorgaben für die Konjunkturkomponente; an einer Stelle findet sich jedoch eine nicht unbedeutende Konkretisierung: Durch die Einfügung der Formulierung „auf den Haushalt“ in Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG wird explizit klargestellt, dass als Anknüpfungspunkt der Konjunkturkomponente allein die konjunkturbedingten Auswirkungen auf den Staatshaushalt, d. h. auf die staatliche Einnahmen- und Ausgabensituation, nicht hingegen die konjunkturbedingten Auswirkungen beispielsweise auf den Arbeitsmarkt, in Betracht kommen188. Die nähere Ausgestaltung, wie die Konjunkturkomponente des Bundes im Detail funktioniert, wird durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 115 Abs. 2 S. 5 GG dem einfachen Gesetzgeber zugewiesen. Einfachgesetzliche Konkretisierungen der Konjunkturkomponente finden sich dementsprechend in § 2 Abs. 2 i.V. m. 186 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 164; Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 187 Häufig findet sich an dieser Stelle die Formulierung, dass in Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG von der Option bzw. Befugnis des Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG Gebrauch gemacht worden sei. So lautet beispielsweise die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12. Eine vergleichbare Formulierung findet sich etwa bei: Henneke, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 22; Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 37; Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (103). Tatsächlich erscheint die Formulierung, dass durch Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG von der Befugnis des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG Gebrauch gemacht worden ist, allerdings insofern kritisch, als dass die beiden Regelungen normhierarchisch auf derselben Ebene stehen. Siehe hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 149, Fußnote 2. Siehe ferner die obigen Ausführungen zu dem Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG: 2. Teil § 2 B. I. 188 Vgl. hierzu die Ausführungen von Christ: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1334 f.).

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§ 5 G 115. Aus § 5 Abs. 4 G 115 ergibt sich wiederum, dass die Einzelheiten des Verfahrens zur Bestimmung der Konjunkturkomponente durch das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Form einer Rechtsverordnung festzulegen sind189. Erklärtes Ziel der Konjunkturkomponente ist es, durch die symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Auf- und Abschwungphasen eine prozyklische Politik zu vermeiden. Explizit erwähnt wird an dieser Stelle das „Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren“: Die in Abschwungphasen automatisch auftretenden Defizite sollen zugelassen und durch die automatisch entstehenden Überschüsse in Aufschwungphasen wieder gedeckt werden190. An dieser Stelle soll ein Überblick über die wesentlichen Merkmale und die grundsätzliche Funktionsweise der Konjunkturkomponente gem. Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2 S. 3 GG i.V. m. §§ 2 Abs. 2, 5 G 115 gegeben werden. a) Von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung Die entscheidende Voraussetzung für eine auf die Konjunkturkomponente gestützte staatliche Kreditaufnahme ist das Vorliegen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung. Dementsprechend stellt der Begriff der Normallage, von der eine Abweichung der konjunkturellen Entwicklung zu verzeichnen sein muss, das „tatbestandliche Zentrum der konjunkturellen Verschuldung“ 191 dar. Für den Bund findet sich auf einfachgesetzlicher Ebene eine Legaldefinition für das Vorliegen einer „Abweichung der wirtschaftlichen Entwicklung von der Normallage“: Nach § 5 Abs. 2 G 115 liegt eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung dann vor, wenn „eine Unteroder Überauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten“, d. h. eine Produktionslücke, erwartet wird; dies soll der Fall sein, wenn das auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens zu schätzende Produktionspotenzial von dem erwarteten Bruttoinlandsprodukt des betreffenden Haushaltsjahres abweicht. b) Im Aufschwung und Abschwung symmetrische Berücksichtigung Auf der Rechtsfolgenseite verlangt die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2, S. 3 GG, die Auswirkungen eines konjunkturellen Auf- bzw. Abschwungs auf den Haushalt „symmetrisch zu berücksichtigen“. 189 Siehe: Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel 115-Gesetzes (Artikel 115-Verordnung – Art. 115V) vom 9. Juni 2010, BGBl. I, S. 790 (790 f.). 190 Siehe hierzu die Begründung des Gesetzesentwurfs: BT-Drs. 16/12410, S. 12. 191 So: Korioth, JZ 2009, 729 (732).

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Hierdurch kommt das in der Gesetzesbegründung erklärte Ziel zum Ausdruck, dass die erhöhten Kreditaufnahmen in konjunkturellen Abschwungphasen mittelund langfristig wieder durch entsprechende Überschüsse in konjunkturellen Aufschwungphasen ausgeglichen werden sollen192. Der Konjunkturkomponente liegt somit die Vorstellung des Gesetzgebers von einer „mittel- und langfristige[n] Verschuldungsneutralität“ 193 zugrunde. Die symmetrische Berücksichtigung konjunktureller Abschwung- bzw. Aufschwungphasen erfolgt dadurch, dass der auf Bundesebene zulässige strukturelle Neuverschuldungsspielraum des Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG entsprechend der jeweiligen konjunkturellen Lage entweder erweitert oder verringert wird. Anders ausgedrückt: Die für den Bund festgesetzte Grenze der strukturellen Neuverschuldung von 0,35 % wird in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage in konjunkturell schlechten Zeiten entsprechend herauf- bzw. in konjunkturell guten Zeiten entsprechend herabgesetzt194. Im Falle einer wirtschaftlich besonders günstigen Entwicklung kann sich nach der Begründung des Gesetzesentwurfs sogar die „Verpflichtung zur Erwirtschaftung echter Überschüsse“ ergeben195. Die konkrete Berechnung der Konjunkturkomponente wird einfachgesetzlich in § 5 Abs. 3 G 115 vorgegeben. Hiernach ergibt sich die Konjunkturkomponente als Produkt aus der Produktionslücke196 und der Budgetsensitivität197; die Budgetsensitivität zeigt hierbei an, wie sich die Einnahmen und Ausgaben des Bundes bei einer Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität verändern198. c) Historische Einordnung Die neue Konjunkturkomponente tritt historisch betrachtet an die Stelle der bisherigen Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F., die bei Vorliegen einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Abweichungen von der ansonsten geltenden Regelverschuldungsgrenze zuließ. Ein bedeu192

Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11 und 12. Seiler, JZ 2009, 721 (724). 194 Siehe hierzu die Ausführungen in der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12. Siehe beispielsweise auch: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg. 2010, Art. 115, Rn. 97; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 31; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 149; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 22; Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1279). 195 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 12. 196 Der Begriff der Produktionslücke wird einfachgesetzlich in § 5 Abs. 2 G 115 definiert. 197 Der Begriff der Budgetsensitivität wird einfachgesetzlich in § 5 Abs. 3 G 115 definiert. 198 Ausführlicher zu der Berechnung der Konjunkturkomponente gem. § 5 G 115 und zu einem Rechenbeispiel siehe: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1279 f.). 193

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tender Unterschied zwischen der neuen Konjunkturkomponente und ihrer Vorgängerregelung verdient besondere Beachtung: Während das Regelungsziel des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. in erster Linie darauf beschränkt war, den staatlichen Verschuldungsspielraum in konjunkturell schlechten Zeiten zu erweitern, verlangt die neue Konjunkturkomponente nunmehr zwingend eine symmetrische Berücksichtigung sowohl von konjunkturellen Aufschwung- als auch von konjunkturellen Abschwungphasen199. 4. Die Ausnahmeregelungen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6–8 GG Die dritte und letzte Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts besteht für den Bund in einer Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen, die in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6–8 GG normiert ist. In Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG ist wiederum für Bund und Länder nur die „Option“ 200 vorgesehen, „eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, zu normieren. Explizit geregelt ist die entsprechende Ausnahmeregelung für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 6 bis 8 GG. Insgesamt wiederholt Art. 115 Abs. 2 GG größtenteils die in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG festgelegten Anforderungen; punktuell weist Art. 115 Abs. 2 GG allerdings auch bedeutende Ergänzungen und Präzisierungen auf 201: Konkret wird in Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG eine zusätzliche verfahrensrechtliche Anforderung dahingehend formuliert, dass die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen einen Beschluss des Bundestages mit sog. Kanzlermehrheit, d. h. mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, voraussetzt. Die bereits in Art. 109 Abs. 3 S. 3 GG enthaltene Forderung, die Ausnahmeregelung mit einer entsprechenden Tilgungsregelung zu versehen, wird durch Art. 115 Abs. 2 S. 7, 8 GG aufgegriffen: Nach Art. 115 Abs. 2 S. 7 GG ist der entsprechende Beschluss des Bundestages mit einem Tilgungsplan zu verbinden; Art. 115 Abs. 2 S. 8 GG bestimmt, dass die Rückführung der auf der Grundlage der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen aufgenommenen Kredite inner199 Vgl. hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 151 f. 200 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 203; Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 201 Siehe hierzu: Kube, in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 9. Vgl. hierzu auch: Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 42; Seiler, JZ 2009, 721 (726); Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 38; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 115, Rn. 13.

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halb eines angemessenen Zeitraums zu erfolgen hat. Auf der Ebene des einfachen Rechts tritt zu den Bestimmungen des Art. 115 Abs. 2 S. 6–8 GG § 6 G 115 hinzu, der inhaltlich jedoch keine Erweiterungen oder Konkretisierungen vorsieht202. Die Funktion der sich für den Bund aus Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS., 115 Abs. 2, S. 6 bis 8 GG ergebenden Ausnahmeregelung besteht nach der Gesetzesbegründung darin, „die Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung“ zu gewährleisten203. Allerdings ist erkannt worden, dass angesichts der „Vielzahl“ und „Unterschiedlichkeit“ der in Betracht kommenden Notsituationen eine abschließende Aufzählung aller von der Ausnahmeregelung erfassten Konstellationen von vornherein ausgeschlossen ist204. Hiermit lässt sich die offene und „generalklauselartige Formulierung“ 205 der Ausnahmeregelung erklären. a) Naturkatastrophen Der Begriff der Naturkatastrophe wird weder in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG noch in § 6 G 115 näher definiert. Nach der Gesetzesbegründung ist der Begriff der Naturkatastrophe in Anlehnung an die Rechtslage in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG zu verstehen: Dementsprechend sollen von dem Begriff der Naturkatastrophe „unmittelbar drohende Gefahrzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse ausgelöst werden“, erfasst werden; als Beispiele werden Erdbeben, Hochwasser, Unwetter, Dürre und Massenerkrankungen genannt206. b) Außergewöhnliche Notsituationen . . . Auch mit Blick auf den Begriff der außergewöhnlichen Notsituationen fehlt es an einer konkretisierenden und weiterführenden Definition im Grundgesetz oder im G 115. Was unter den Begriff einer außergewöhnlichen Notsituation fallen soll, wird jedoch in den Gesetzesmaterialien durch die beispielhafte Nennung von verschiedenen Fallgruppen zum Ausdruck gebracht: Erfasst werden sollen zunächst „[b]esonders schwere Unglücksfälle im Sinne des Artikels 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3, d. h. Schadensereignisse von großem Ausmaß und von Be202 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommetar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 198; Seiler, JZ 2009, 721 (726). 203 BT-Drs. 16/12410, S. 11. 204 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. Zustimmend etwa: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (117); G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 99; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 43; Kube: in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 213; Baumann/Schneider, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 89 (111). 205 Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (117). 206 Siehe hierzu: BT-Drs. 16/12410, S. 11.

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deutung für die Öffentlichkeit, die durch Unfälle, technisches oder menschliches Versagen ausgelöst oder von Dritten absichtlich herbeigeführt werden“; die zweite Fallkonstellation betrifft „eine plötzliche Beeinträchtigung der Wirtschaftsabläufe in einem extremen Ausmaß aufgrund eines exogenen Schocks“; zuletzt sollen über den Begriff der außergewöhnlichen Notsituation auch positive historische Ereignisse, die einen erhöhten Finanzbedarf verursachen, wie z. B. die Deutsche Wiedervereinigung, in die Ausnahmeregelung miteinbezogen werden207. c) „. . . die sich der staatlichen Kontrolle entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ Ergänzt werden die genannten Anforderungen in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6 GG durch einen als Relativsatz formulierten Zusatz, nachdem sich die betreffende Ausnahmesituation der staatlichen Kontrolle entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen muss. Vom Wortlaut und der grammatikalischen Struktur her ist allerdings unklar, ob sich dieser Relativsatz gleichermaßen auf die Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen oder lediglich auf die zuletzt genannte Gruppe bezieht208. Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente dafür, dass der betreffende Relativsatz mit seinen einschränkenden Voraussetzungen für beide Tatbestandsalternativen, d. h. Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, gilt. Gestützt wird diese Ansicht durch die Begründung des Gesetzentwurfs: Aus der Formulierung „Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen“ 209 geht hervor, dass Naturkatastrophen als ein Unterfall der außergewöhnlichen Notsituationen eingeordnet werden; dementsprechend ist davon auszugehen, dass Naturkatastrophen ebenso wie sonstige außergewöhnliche Notsituationen den Anforderungen des genannten Relativsatzes unterliegen210. Entscheidend ist darüber hinaus der nachfolgende Aspekt: Gerade in der Voraussetzung einer erheblichen Beeinträchtigung der Finanzlage findet sich letztlich der entscheidende Grund dafür, dass in Notsituationen abweichend von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts eine erhöhte staatliche Neuverschuldung als sachlich gerechtfertigt angesehen wird; warum eine Naturkatastrophe – anders als eine sonstige außergewöhnliche Notsituation – auch dann, wenn sie keine erhebliche Belastung der staatlichen Finanzlage auslöst, eine erhöhte staatliche Kreditaufnahme ermöglichen soll, lässt sich nicht schlüssig be207

Siehe hierzu: BT-Drs. 16/12410, S. 11. Zu dieser Fragestellung: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 238 f. 209 So die Formulierung der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 210 Siehe auch Lenz/Burgbacher, die ebenfalls auf die Gesetzesbegründung verweisen: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564). 208

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gründen211. Abschließend ist somit festzuhalten, dass die in dem Relativsatz normierten Anforderungen gleichermaßen für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen gelten212. Inhaltlich sind zu den beiden Anforderungen des Relativsatzes die folgenden Feststellungen zu treffen: Der staatlichen Kontrolle entzogen ist eine Naturkatastrophe bzw. außergewöhnliche Notsituation, wenn sie auf äußere Einflüsse zurückzuführen ist, die ihrerseits „nicht oder im Wesentlichen nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen“ 213. Im Falle einer Naturkatastrophe wird diese Voraussetzung definitionsgemäß stets214 oder zumindest regelmäßig215 erfüllt sein. Die Voraussetzung einer erheblichen Beeinträchtigung der Finanzlage soll nach der Gesetzesbegründung an den erhöhten Finanzbedarf zur Beseitigung der durch eine Naturkatastrophe entstandenen Schäden bzw. zur Bewältigung und Überwindung einer eingetretenen außergewöhnlichen Notsituation anknüpfen; erfasst werden soll auch der Finanzbedarf für entsprechende vorbeugende Maßnahmen216. Die Erheblichkeit der Beeinträchtigung beurteilt sich in diesem Zusammenhang anhand der Finanzkraft der jeweiligen Gebietskörperschaft217. d) Historische Einordnung Eine historische Einordnung der dargelegten Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen fällt auf den ersten Blick nicht leicht. Trotz einer im Kern abweichenden Stoßrichtung218 ist letztlich die in 211 Siehe hierzu: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 140; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 238. 212 Ebenso: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 140; Tappe, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 432 (443); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 238 f. A. A.: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (287 f.). 213 So die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 214 So: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar/Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 44. 215 So etwas einschränkender: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 239. 216 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. Kritisch dazu, dass auch der Finanzbedarf für vorbeugende Maßnahmen erfasst werden soll: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 239. 217 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 207. Siehe auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1336); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 239. 218 Die bisherige Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. zielte im Kern vor allem darauf ab, bei konjunkturellen Schwankungen Neuverschuldungsspielräume zu eröffnen. Demgegenüber wird mit Blick auf die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes explizit klargestellt, dass normale konjunkturelle Schwankungen nicht unter die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen zu fassen sind, sondern vielmehr von der Konjunkturkomponente berücksichtigt werden. Siehe hierzu: BT-Drs. 16/12410, S. 11.

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Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. normierte Ausnahmeregelung, die eine erhöhte staatliche Kreditaufnahme „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ zuließ, als Vorgängerbestimmung anzusehen219. In einem Vergleich mit der bisherigen Ausnahmebestimmung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 2. HS GG a. F. weist die die neue, in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, Art. 115 Abs. 2 S. 6 bis 8 GG verankerte Ausnahmeregelung einige bedeutende Neuerungen auf: Der Anwendungsbereich der neuen Ausnahmeregelung ist vergleichsweise konkreter und enger gefasst worden; durch die erforderliche Beschlussfassung des Bundestages mit der Mehrheit seiner Mitglieder ist ferner eine Verschärfung der formellen Anforderungen erfolgt; zuletzt stellt die Verpflichtung zur Aufstellung eines verbindlichen Tilgungsplans eine relevante Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage dar220. 5. Die Einführung eines Kontrollkontos zur Überprüfung des Haushaltsvollzugs in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG Im Zusammenhang mit den für den Bund normierten Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse verdient zudem die Bestimmung des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG Beachtung: In Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG wird für den Bund ein sogenanntes Kontrollkonto einführt, auf dem Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG zulässigen Kreditobergrenze erfasst werden sollen; gleichzeitig wird eine an den Stand des Kontrollkontos anknüpfende Rückführungsverpflichtung normiert. Erwähnenswert ist, dass sich für die Regelung des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG in der Rahmenbestimmung des Art. 109 Abs. 3 GG keine Entsprechung findet; damit weist Art. 115 Abs. 2 GG bezüglich der auf einem Kontrollkonto zu erfassenden Abweichungen und der hieran anknüpfenden Rückführungsverpflichtung einen „eigenständige[n] konkretisierende[n] Gehalt“ auf221. Auf einfachgesetzlicher Ebene sind weitere Konkretisierungen zum Kontrollkonto in §§ 7, 8 G 115 normiert222. Die zentrale Funktion des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG besteht nach der Gesetzesbegründung darin, sicherzustellen, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht allein bei der Haushaltsaufstellung, sondern auch im Rahmen des anschließenden Haushaltsvollzugs eingehalten werden223. Dieser Aufga219

Ebenso: Scholl, DÖV 2010, 160 (167); Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1282). Siehe hierzu: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1282); Baumann/Schneider, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 89 (111 f.); vgl. auch: Scholl, DÖV 2010, 160 (167). 221 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 9. 222 Für einen Überblick über §§ 7, 8 G 115 siehe beispielsweise: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 27 ff. 223 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 12. 220

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benstellung des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich Abweichungen der im Haushaltsvollzug tatsächlich erfolgten Kreditaufnahme von der eigentlich zulässigen Kreditaufnahme „in der Praxis kaum vermeiden“ lassen224. Entscheidend ist, dass ein Haushaltsplan stets auf Prognosen und Schätzungen im Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung aufbaut und sich eben diese Prognosen und Schätzungen später in der Realität als unzutreffend bzw. fehlerhaft herausstellen können225. Insbesondere kann es dadurch zu Abweichungen von der gezogenen Neuverschuldungsgrenze kommen, dass die konjunkturelle Entwicklung tatsächlich anders verläuft, als im Rahmen der Haushaltsaufstellung zunächst prognostiziert worden ist226. Vor diesem Hintergrund dient die Einführung des Kontrollkontos durch Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG dem Zweck einer „Expost-Kontrolle“ 227 des Haushaltsvollzuges und einer „verfahrensrechtliche[n] Absicherung der Neuverschuldungsgrenzen“ 228 des Bundes: Auf dem Kontrollkonto werden über die Haushaltsjahre hinweg entsprechende Abweichungen von den festgesetzten Neuverschuldungsgrenzen erfasst und bestehende Belastungen gegebenenfalls mit einer Rückführungspflicht verknüpft. Auf diese Weise soll einer maßgeblichen und dauerhaften Überschreitung der für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierten Neuverschuldungsgrenze in der Haushaltspraxis entgegengewirkt werden229. a) Die Erfassung von Abweichungen auf einem Kontrollkonto Nach dem Wortlaut des Art. 115 Abs. 2 S. 4 1. HS GG werden auf dem Kontrollkonto Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG zulässigen Neuverschuldungsgrenze verbucht. Unzweifelhaft nicht erfasst werden somit Überschreitungen der Kreditobergrenze, die sich aus der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und Notsituationen ergeben230. Begründen lässt sich diese Ausklammerung der auf der Grundlage von Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG aufgenommenen Kredite damit, dass für sie mit dem Erfordernis

224 BT-Drs. 16/12410, S. 12. Zustimmend etwa: Korioth, JZ 2009, 729 (733); Scholl, DÖV 2010, 160 (166); Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 35; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, 12. Auflage, 2011 GG-Kommentar, Art. 115, Rn. 26. 225 Siehe etwa: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1280). 226 So beispielsweise explizit die Ausführungen in der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 13. 227 Scholl, DÖV, 2010, 160 (166). 228 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 42. 229 So explizit die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12 f. 230 Siehe etwa: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1281); Korioth, JZ 2009, 729 (733); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 322. Siehe hierzu auch die einfachgesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 G 115.

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eines verbindlichen Tilgungsplans bereits ein spezieller Ausgleichsmechanismus vorgesehen ist231. Festzuhalten ist demnach, dass auf dem Kontrollkonto lediglich Abweichungen der tatsächlich erfolgten Kreditaufnahme von der sich aus der Struktur- und Konjunkturkomponente ergebenden Neuverschuldungsgrenze Berücksichtigung finden232. Darüber hinaus ist der offenen Formulierung des Art. 115 Abs. 2 S. 4 1. HS GG zu entnehmen, dass auf dem Kontrollkonto jede – sowohl eine negative als auch eine positive – Abweichung der tatsächlichen von der eigentlich zulässigen Neuverschuldung zu verzeichnen ist233. Dementsprechend führt eine Überschreitung der in Art. 115 Abs. 1 bis 3 GG verankerten Neuverschuldungsgrenze zu einer Belastung, eine Unterschreitung hingegen zu einer korrespondierenden Entlastung des Kontrollkontos234. Im Wesentlichen erfolgt die Ermittlung der auf dem Kontrollkonto zu verbuchenden Abweichungen nach folgendem Grundsatz: Zunächst wird der durch die Konjunkturkomponente eröffnete konjunkturelle Neuverschuldungsspielraum auf der Grundlage der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung des betreffenden Haushaltsjahres ex post neu bestimmt. Zieht man den auf diese Weise korrigierten konjunkturellen Neuverschuldungsspielraum von der insgesamt erfolgten Kreditaufnahme des entsprechenden Haushaltsjahres ab, so lässt sich ein Rückschluss darauf ziehen, wie hoch die strukturelle Neuverschuldung des Bundes tatsächlich ausgefallen ist. Über- oder unterschreitet die festgestellte strukturelle Neuverschuldung des Bundes die in Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierte 0,35 %Grenze, wird der sich hieraus ergebende Differenzbetrag auf dem Kontrollkonto verbucht235.

231

Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1281). Siehe etwa: Korioth, JZ 2009, 729 (733); Seiler, JZ 2009, 721 (725); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 322. Kritisch äußert sich hierzu Schmidt, der die Ansicht vertritt, dass auf dem Kontrollkonto lediglich Abweichungen von der nach der Strukturkomponente zulässigen Kreditobergrenze verbucht werden könnten. Zur Begründung führt er an, dass es Über- bzw. Unterschreitungen der Konjunkturkomponente gar nicht geben könne, da jede die zulässige konjunkturbedingte Neuverschuldungsgrenze über- bzw. unterschreitende Kreditaufnahme letztlich „struktureller Natur“ sei. Vgl.: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1281). 233 Siehe insbesondere die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 13. Siehe auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 173; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 26; Seiler, JZ 2009, 721 (725); Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564). A.A. wohl: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 322. 234 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 169. 235 Siehe hierzu etwa: BT-Drs. 16/12410, S. 13; Scholl, DÖV 2010, 160 (166); Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 84 f. Eingehend zur konkreten Berechnung der auf dem Kontrollkonto zu verbuchenden Abweichungen: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 169 ff. 232

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b) Die Begründung einer Rückführungsverpflichtung Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG belässt es jedoch nicht allein bei der Führung eines Kontrollkontos, das Abweichungen der tatsächlich erfolgten von der eigentlich zulässigen Kreditaufnahme anzeigt. Vielmehr begründet Art. 115 Abs. 2 S. 4 2. HS GG darüber hinaus eine Rückführungsverpflichtung bezüglich der auf dem Kontrollkonto bestehenden Belastungen: Belastungen, die 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, sind „konjunkturgerecht zurückzuführen“. Konkretisiert wird die Rückführungsverpflichtung in § 7 G 115. § 7 Abs. 2 G 115 legt fest, dass bei Bestehen eines negativen Saldos auf einen Ausgleich des Kontrollkontos hinzuwirken ist, und dass der negative Saldo den Schwellenwert von 1,5 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten soll. Wie der konjunkturgerechte Abbau der bestehenden Belastungen im Einzelnen erfolgen soll, wird in § 7 Abs. 3 1. HS G 115 geregelt: Sobald der negative Saldo des Kontrollkontos 1 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts überschreitet, wird „quasi automatisch“ 236 der strukturelle Neuverschuldungsspielraum237 für das folgende Haushaltsjahr um einen entsprechenden Betrag, höchstens aber um 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts, reduziert. Gem. § 7 Abs. 3 2. HS G 115 gilt dieser Automatismus einschränkend jedoch nur in Jahren mit positiver Veränderung der Produktionslücke. c) Historische Einordnung Nach der bisherigen Rechtslage war die Frage, ob die Schuldenregelungen des Grundgesetzes lediglich für die Haushaltsaufstellung gelten oder auch den anschließenden Haushaltsvollzug erfassen, umstritten und wurde im Ergebnis überwiegend verneint238. Hinsichtlich der reformierten Rechtslage ist eine eindeutige Kehrtwende festzustellen: Gerade durch die Regelung des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG wird nunmehr für den Bund unzweifelhaft klargestellt, dass die neuen grundgesetzlichen Schuldenregelungen sowohl für die Haushaltsaufstellung als auch für den Haushaltsvollzug gelten239. Zugleich wird durch Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG ein Mechanismus vorgesehen, der durch die Einführung eines Kontrollkontos und eine hieran anknüpfende Ausgleichspflicht erheblichen und dauerhaften Über236

Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1281). Dass der strukturelle Neuverschuldungsspielraum gemeint ist ergibt sich daraus, dass § 7 Abs. 3 S. 1 G 115 explizit auf die Kreditermächtigung nach § 2 Abs. 1 S. 2 G 115 verweist. Siehe hierzu beispielsweise auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 323 f. 238 Zu dem nach der bisherigen Rechtslage bestehenden Problem des „asymmetrischen Haushaltsvollzugs“ und für konkrete Nachweise siehe oben: 2. Teil § 1 C. II. 239 So beispielsweise auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1336); Seiler, JZ 2009, 721 (275); Deubel, ZSE 2009, 231 (240); Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 191. 237

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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schreitungen der bestehenden Neuverschuldungsgrenzen im Haushaltsvollzug entgegenwirken soll. Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG bedeutet demnach aus historischer Sicht eine wesentliche Neuerung. IV. Die sich aus der Schuldenbremse ergebenden Vorgaben für die Bundesländer Wie bereits deutlich geworden ist, sieht die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder Schuldenregelungen vor. Hierbei gelten für die Bundesländer ausschließlich die Vorgaben der in Art. 109 Abs. 3 GG normierten gesamtstaatlichen Schuldenbremse; Art. 115 Abs. 2 GG, der die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG für den Bund näher ausgestaltet, findet demgegenüber auf die Länder keine Anwendung240. Stattdessen werden die Bundesländer in Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG dazu ermächtigt, die nähere Ausgestaltung der Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG „im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ auf Landesebene selbst vorzunehmen. Aufgrund der Tatsache, dass die grundgesetzlichen Neuverschuldungsgrenzen für den Bund und die Länder in Art. 109 Abs. 3 GG eine gemeinsame Grundlage haben, weisen die für den Bund und die Länder geltenden Schuldenregelungen des Grundgesetzes eine weitgehend übereinstimmende Struktur auf. Nachfolgend soll nur ein knapper Überblick über die für die Länder normierten Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit einem besonderen Schwerpunkt auf die wenigen bedeutsamen Differenzen zu den für den Bund geltenden Bestimmungen gegeben werden. Die von den Ländern in Folge der Reform des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts zu normierenden bzw. bereits normierten landesspezifischen Schuldenregelungen werden an anderer Stelle näher untersucht241. 1. Der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG Der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts, der für Bund und Länder gemeinsam in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG verankert worden ist, stellt für die Länder in gleicher Weise wie für den Bund den maßgeblichen Ausgangspunkt der grundgesetzlichen Schuldenbremse dar. Abweichungen zwischen den Schuldenregelungen für den Bund und für die Länder ergeben sich hinsichtlich der von diesem Grundsatz vorgesehenen Ausnahmen. 240 Zu dem Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG siehe oben: 2. Teil § 2 B. I. 241 Eingehend zu der auf Länderebene bestehenden Rechtslage seit der Einführung der grundgesetzlichen Schuldenbremse siehe unten: 3. Teil § 2 C.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

2. Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung gem. Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG Die bemerkenswerteste Differenz gegenüber den für den Bund normierten Vorgaben der Schuldenbremse besteht darin, dass Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG für die Bundesländer jeglichen strukturellen Neuverschuldungsspielraum explizit ausschließt242: Im Gegensatz zu Art. 109 Abs. 3 S. 4 GG, der für den Bund die Anforderungen eines materiell ausgeglichenen Haushalts bereits dann als erfüllt ansieht, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten243, bestimmt Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG ausdrücklich, dass dem Grundsatz des Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG nur dann entsprochen wird, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden. Hieraus ergibt sich die folgende Konsequenz: Während sich der Bund auf insgesamt drei Komponenten stützen kann, die ihm Abweichungen von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts gestatten, sind für die Länder mangels einer Strukturkomponente von vornherein nur zwei Komponenten vorgesehen. Das „Dreikomponenten-Modell“ 244 des Bundes wird für die Länder somit auf ein „Zweikomponenten-Modell“ reduziert. 3. Die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG Auf der Grundlage des Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG besteht für die Ländern in gleicher Weise und unter den gleichen Voraussetzungen wie für den Bund die „Option“ 245, Regelungen zu schaffen, die ihnen eine staatliche Kreditaufnahme in Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung erlauben. Innerhalb des durch Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG gesetzten Rahmens können die Länder sowohl über das ob einer Konjunkturkomponente als auch über das wie ihrer konkreten Ausgestaltung frei entscheiden246. In einem Vergleich mit der Rechtslage auf Bundesebene können sich für die Länder allerdings weiterreichende Konsequenzen aus einer derartigen Konjunkturkomponente ergeben: Auf Bundesebene wird durch die Konjunkturkomponente in erster Linie der strukturelle Neuverschuldungsspielraum entsprechend der konjunkturellen Situation erweitert oder verengt. Eine konjunkturelle Auf242 Siehe beispielsweise Christ, der weiter ausführt, dass hiermit für die Länder letztlich „ein – unmittelbar geltendes – Verbot struktureller Defizite“ normiert worden sei: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1333). 243 Siehe hierzu die obigen Ausführungen zu der Strukturkomponente des Bundes: 2. Teil § 2 B. III. 2. 244 Ohler, DVBl 2009, 1265 (1271). 245 Kube, in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 164; Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 246 Zu den inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Länder siehe unten: 3. Teil § 2 B. II.

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schwungphase wird demnach häufig nur eine Verringerung der zulässigen strukturellen Kreditaufnahme auslösen; lediglich in wirtschaftlich besonders guten Zeiten kann eine Verpflichtung zur Erwirtschaftung „echter“ Überschüsse eintreten247. Demgegenüber stellt sich die Lage für die Länder, denen kein struktureller Neuverschuldungsspielraum zusteht, grundlegend anders dar: Entscheidet sich ein Bundesland dafür, eine Konjunkturkomponente entsprechend den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG einzuführen, so folgt aus der Pflicht zur symmetrischen Berücksichtigung von konjunkturellen Aufschwung- und Abschwungphasen, dass das betreffende Bundesland in Aufschwungphasen stets zur Erzielung von „echten“ Überschüssen und damit zur Schuldentilgung verpflichtet ist248. 4. Die Ausnahmeregelung des Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, S. 3 GG Ferner ist für die Länder ebenso wie für den Bund in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG die „Option“ 249 vorgesehen, eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und andere außergewöhnliche Notsituationen vorzusehen. Wie bei der Konjunkturkomponente obliegt den Ländern innerhalb der in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG normierten Vorgaben die Entscheidung sowohl über das ob als auch über das wie einer derartigen Ausnahmeregelung250. Entscheiden sich die Länder für die Aufnahme einer Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, so werden sie durch Art. 109 Abs. 3 S. 3 GG dazu verpflichtet, diese Ausnahmeregelung mit einer entsprechenden Tilgungsregelung zu verbinden. 5. Kontrolle des Haushaltsvollzugs Eine dem Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vergleichbare Bestimmung, aus der sich explizit die Geltung der im Grundgesetz festgelegten Neuverschuldungsgrenzen auch für den Haushaltsvollzug entnehmen lässt, findet sich in der für Bund und Länder gemeinsam geltenden Rahmenregelung des Art. 109 Abs. 3 GG nicht. Hieraus kann indes nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auf der Ebene der Länder die Vorgaben und Grenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse nur die Haushaltsaufstellung und nicht den Haushaltsvollzug erfassen sollen:

247 Siehe die obigen Ausführungen zur der Wirkungsweise der Konjunkturkomponente für den Bund: 2. Teil § 2 B. III. 3. b). 248 Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2563). 249 Kube, in Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 203; Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 250 Zu den inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Länder siehe unten: 3. Teil § 2 B. II.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

Zunächst ist der Wortlaut des Art. 109 Abs. 3 GG zu berücksichtigen, der als Bezugspunkt der grundgesetzlichen Schuldenbremse die „Haushalte“ von Bund und Ländern benennt und gerade nicht – wie Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. – an die „Haushaltspläne“ anknüpft251. Anders als bei den bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes finden sich somit in Art. 109 Abs. 3 GG keinerlei Differenzierung mehr „zwischen Gesetzgeber und Exekutive, zwischen Normerlass und Normvollzug“ 252. Darüber hinaus spricht für eine Geltung der Neuverschuldungsgrenzen des Art. 109 Abs. 3 GG im Haushaltsvollzug die Entstehungsgeschichte: In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes wird zu den Schwächen der bisherigen Schuldenregelungen ausdrücklich die fehlende Bindung des Haushaltsvollzugs gezählt253; dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bezüglich dieser von ihm selbst erkannten Unzulänglichkeit konkret Abhilfe schaffen wollte254. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 109 Abs. 3 GG die hierdurch erzielte Harmonisierung mit den EU-rechtlichen Vorgaben zur Schuldenbegrenzung spricht255. Auch wenn es in Art. 109 Abs. 3 GG an einer mit Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vergleichbaren Bestimmung fehlt, ist festzuhalten, dass die Länder ebenso wie der Bund die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht nur bei der Haushaltsaufstellung, sondern auch im Haushaltsvollzug zu beachten haben256. Dementsprechend sind auf Länderebene Regelungen zu treffen, durch die die Einhaltung der in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Schuldenbremse gerade auch im Haushaltsvollzug sichergestellt wird257. V. Die ergänzenden Bestimmungen des Art. 109a und Art. 143d GG Die zentralen Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG werden darüber hinaus durch die Bestimmungen der Art. 109a GG und Art. 143d GG ergänzt, die nachfolgend in ihren wichtigsten Grundzügen vorgestellt werden sollen. 251 Christ, NVwZ 2009, 1333 (1336); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 188 f. Ebenfalls auf den Wortlaut abstellend: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564). 252 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 191. 253 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 5. 254 Siehe: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 188. 255 Christ, NVwZ 2009, 1333 (1336 f.). 256 Ebenso: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1336); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 188 f. Siehe hierzu auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 191; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 54. 257 Siehe etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 196.

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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1. Art. 109a GG: Das Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen Durch den neuen Art. 109a GG wird ein Frühwarn- und Überwachungssystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen geschaffen258. Die Grundgesetzbestimmung selbst normiert in diesem Zusammenhang lediglich die „Notwendigkeit“ sowie die „organisatorischen Grundzüge“ eines derartigen Frühwarnsystems259; weiterführende Einzelheiten sind auf der Grundlage des Art. 109a GG in den einfachgesetzlichen Bestimmungen des StabiRatG geregelt worden260. Das entscheidende „Schlüsselelement des Frühwarnsystems“ 261 ist der sogenannte Stabilitätsrat, der sich gem. § 1 StabiRatG aus den Fachministern von Bund und Ländern zusammensetzt. Dem Stabilitätsrat werden durch Art. 109a GG drei zentrale Aufgaben zugewiesen, aus denen sich insgesamt ein mehrstufiges Verfahren zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen ableiten lässt262: Bei den in einem Stufenverhältnis zueinanderstehenden Aufgaben des Stabilitätsrates handelt es sich um die fortlaufende Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern, die Feststellung einer drohenden Haushaltsnotlage sowie die Aufstellung und Durchführung von Sanierungsprogrammen zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen263. Die genannten Aufgaben des Stabilitätsrates werden in § 2 StabiRatG in leicht abgewandelter Form wieder aufgegriffen und insbesondere durch die §§ 3–5 StabiRatG näher konkretisiert264.

258 Eingehend zum Frühwarnsystem in Art. 109a GG und zum Stabilitätsrat: Henneke, NdsVBl 2010, 313 (313 ff.); Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher OnlineKommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 1 ff.; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 1 ff.; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109a, Rn. 1 ff. 259 So: Kemmler, DÖV 2009, 549 (552). 260 Das Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz) findet sich konkret in Artikel 1 des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009, BGBl. I, S. 2702 (2102 ff.). 261 Kemmler, DÖV 2009, 549 (552). 262 Hierzu beispielsweise: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109a, Rn. 7 ff.; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 15 ff. 263 Die genannten Aufgaben des Stabilitätsrats finden sich konkret in Art. 109a S. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 GG. 264 In § 2 S. 1 StabiRatG werden als Aufgaben des Stabilitätsrates lediglich die regelmäßige Überwachung der Haushalte von Bund und Ländern und die Durchführung von Sanierungsverfahren genannt; in § 3 bis 5 StabiRatG finden sich demgegenüber die drei bereits in Art. 109a GG angelegten Aufgaben wieder. Siehe hierzu auch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 15. Zu erwähnen ist ferner, dass dem Stabilitätsrat nach § 2 StabiRatG durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden können.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

Von Bedeutung ist an dieser Stelle ferner die Bestimmung des Art. 109a S. 2 GG, die eine Publizitätspflicht hinsichtlich der Beschlüsse und Beratungsunterlagen des Stabilitätsrats normiert. 2. Art. 143d GG: Übergangsregelung und Konsolidierungshilfen Zu erwähnen ist zudem die Bestimmung des Art. 143d GG, aus der sich zum einen eine sehr detaillierte Übergangsregelung für das Inkrafttreten der reformierten Art. 109 und 115 GG, zum anderen Regelungen zur Gewährung von Konsolidierungshilfen an einige Bundesländer ergeben. Die in Art. 143d Abs. 1 GG normierte Übergangsregelung gibt knapp zusammengefasst die folgenden Eckpunkte vor: Die durch die Föderalismusreform II neu gefassten Art. 109 GG und Art. 115 GG finden erstmals auf das Haushaltsjahr 2011 Anwendung265. Bund und Länder dürfen jedoch noch für einen befristeten Zeitraum von den Vorgaben dieser grundgesetzlichen Schuldenregelungen abweichen. Für den Bund gilt ein Übergangszeitraum bis Ende 2015. Innerhalb dieses Zeitraums sind noch Abweichungen von der in Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierten Begrenzung des strukturellen Neuverschuldungsspielraums auf 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts möglich; allerdings muss bereits ab 2011 mit einem schrittweisen Abbau des bestehenden Haushaltsdefizits begonnen werden266. Auf Länderebene darf noch bis Ende 2019 nach Maßgabe der geltenden landesrechtlichen Regelungen von den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG abgewichen werden267. In Art. 143d Abs. 2 GG wird ferner die Gewährung von Konsolidierungshilfen an bestimmte, ausdrücklich aufgeführte Bundesländer – namentlich Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein – geregelt268. Den genannten Bundesländern können gem. Art. 143d Abs. 2 S. 1 GG zwischen 2011 und 2019 Konsolidierungshilfen in Höhe von insgesamt 800 Millionen Euro jährlich gezahlt werden, um ihnen ab dem 1. Januar 2012 die Einhaltung der Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG zu ermöglichen. Gem. Art. 143d Abs. 3 GG tragen Bund und Länder je die Hälfe der aus den Konsolidierungshilfen folgenden Finanzierungslast. 265

Siehe hierzu: Art. 143d Abs. 1 S. 1 und 2 GG. Siehe für den Bund: Art. 143d Abs. 1 S. 5–7 GG. 267 Siehe für die Länder: Art. 143d Abs. 1 S. 3 und 4 GG. 268 Mit Blick auf die nur bestimmten Bundesländern gewährten Konsolidierungshilfen wird insbesondere auch der Vorwurf einer möglichen Verfassungswidrigkeit diskutiert. Bedenken – konkret unter dem Gesichtspunkt des föderalen Gleichbehandlungsgebots – äußern etwa: Selmer, NVwZ 2009, 1255 (1261); Kahl, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 1 (16, Fußnote 89). Eingehend hierzu: Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 71 ff.; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung? S. 358 ff. A.A.: Buscher, in: Staatsverschuldung un Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 35 (41 f.). 266

§ 2 Die neue Schuldenbremse im Grundgesetz: Überblick

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VI. Exkurs: Die Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG Nicht zu den Regelungen der Schuldenbremse im eigentlichen Sinne gehört die oben bereits erwähnte Bestimmung des Art. 109 Abs. 2 GG. Da Art. 109 Abs. 2 GG ebenfalls Vorgaben zur Begrenzung der Staatsverschuldung trifft und hierbei in einem engen Zusammenhang zur Schuldenbremse steht bzw. sogar Auswirkungen auf die Bestimmungen der Schuldenbremse entfaltet, bedarf er an dieser Stelle einer kurzen Erwähnung: Nach Art. 109 Abs. 2 GG erfüllen Bund und Länder „gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und tragen in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung“. Zum einen beinhaltet Art. 109 Abs. 2 GG die gemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländern auf die Einhaltung der EU-rechtlichen Vorgaben: Diese Verpflichtung, die bereits im Rahmen der Föderalismusreform I im Grundgesetz aufgenommen worden ist, wurde im Zuge der Föderalismusreform II lediglich von Art. 109 Abs. 5 S. 1 GG a. F. in Art. 109 Abs. 2 GG überführt269. Im Kern werden durch Art. 109 Abs. 2 GG die EU-rechtlichen Bestimmungen des Art. 126 AEUV sowie des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts in Bezug genommen270 und Bund und Länder auf die gemeinsame Erfüllung der dort normierten Haushaltsvorgaben verpflichtet. Für die grundgesetzliche Schuldenbremse ergeben sich hieraus die folgenden Konsequenzen: Nach der Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers soll die in Art. 109 Abs. 3 GG normierte gesamtstaatliche Schuldenbremse für Bund und Länder letztlich das „wesentliche Instrument“ darstellen, um die Einhaltung der Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und damit die Erfüllung der in Art. 109 Abs. 2 GG normierten gemeinsamen Verpflichtung von Bund und Ländern sicherzustellen271. Ob die Schuldenbremse des Grundgesetzes diesen Anforderungen tatsächlich gerecht wird und stets die Einhaltung der EU-rechtlichen Schuldenregelun269 Siehe etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 23, 24 f. und 73. 270 Ob sich der Verweis des Art. 109 Abs. 2 GG allein auf die sekundärrechtlichen oder gerade auch auf die primärrechtlichen Verpflichtungen bezieht ist letztlich umstritten. Für eine Inbezugnahme der primär- und sekundärrechtlichen Verpflichtungen siehe etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 79. A.A. siehe etwa: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 303 f. 271 So Christ mit einem Verweis auf die Gesetzesbegründung: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1337). Tatsächlich deutet sich in der Gesetzesbegründung ein derartiges Verständnis an. So wird zu Art. 109 Abs. 3 GG konkret ausgeführt: „Absatz 3 bestimmt in Anknüpfung an die Regelung in Absatz 2 die für die Haushalte von Bund und Ländern geltenden Grundsätze für die Haushaltswirtschaft und die Zulässigkeit einer Nettokreditaufnahme. Die Grundsätze orientieren sich an den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes.“, BT-Drs. 16/12410, S. 10.

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2. Teil: Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes

gen gewährleisten kann, soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden; insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen im weiteren Verlauf der Arbeit verwiesen272. Darüber hinaus legt Art. 109 Abs. 2 GG eine europarechtsfreundliche Auslegung der Rahmenbestimmung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG nahe273. Zum anderen findet sich in Art. 109 Abs. 2 GG die bereits vor der Föderalismusreform II in Art. 109 Abs. 2 GG a. F. normierte Verpflichtung von Bund und Ländern auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Im Zuge der Föderalismusreform II hat diese Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht allerdings ihre Selbstständigkeit und Bedeutung weitgehend verloren274: Nach dem neu gefassten Art. 109 Abs. 2 GG ist den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nunmehr ausschließlich im „Rahmen“ der EU-rechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen; der Wortlaut lässt demnach auf ein klares Vorrangverhältnis der Verpflichtung auf die EU-rechtlichen Schuldenregelungen vor der Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht schließen275. Das Verhältnis der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu der genannten Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht stellt sich folgendermaßen dar: Die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts können keinesfalls eine Überschreitung der zwingenden Neuverschuldungsgrenzen in Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG rechtfertigen276. Teilweise werden jedoch aus Art. 109 Abs. 2 2. HS GG und der darin verankerten Verpflichtung auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts über die ausdrücklichen Bestimmungen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG hinausgehende Rückführungs- und Tilgungspflichten hergeleitet277. Berücksichtigt man die fehlende „Direktionskraft“ 278 der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, so wird man allerdings die Bedeutung und Auswirkungen dieser Verpflichtung in Art. 109 Abs. 2 GG insgesamt als eher gering einstufen müssen.

272

Siehe hierzu eingehend unter: 4. Teil § 3 D. II. 2. c). Christ, NVwZ 2009, 1333 (1337). 274 Siehe etwa: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar, 2013, Art. 109, Rn. 32. 275 Eingehend zu dem Verhältnis der beiden Verpflichtungen des Art. 109 Abs. 2 GG zueinander: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 312 ff. 276 Siehe etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 89. 277 So beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 104; Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (117 f.). Siehe hierzu ferner: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 316 ff. 278 Auf die fehlende Direktionskraft verweist auch beispielsweise Neidhardt: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 400. 273

3. Teil

Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse – Die Frage der Verfassungswidrigkeit und das Verhältnis zu länderspezifischen, EU- und völkerrechtlichen Schuldenregelungen Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt primär auf der rechtspolitischen Fragestellung, ob es sich bei der im Rahmen der Föderalismusreform II eingeführten, neuen Schuldenbremse des Grundgesetzes um das gewünschte „Erfolgsmodell“ zur Lösung der bestehenden Staatsschuldenproblematik handelt. Vorab sind allerdings einige bedeutsame rechtliche Problembereiche zu beleuchten, die im Zusammenhang mit den in das Grundgesetz integrierten Schuldenregelungen zu Tage getreten sind. Hierbei geht es überwiegend um kritische Aspekte, die sich aus dem komplexen Gefüge des bestehenden Mehrebenensystems ergeben. Im Folgenden sollen die drei nachstehenden Gesichtspunkte einer näheren Betrachtung unterworfen werden: Zunächst ist auf den kontrovers diskutierten Verdacht einer möglichen Verfassungswidrigkeit der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse einzugehen, der sich vor allem daran entzündet hat, dass seit der Einführung der Schuldenbremse im Rahmen der Föderalismusreform II auf der Ebene des Grundgesetzes erstmals konkrete Schuldenregelungen für die Länder, noch dazu ein grundsätzliches Neuverschuldungsverbot, verankert worden sind. Daran anschließend sind die Auswirkungen der im Rahmen der Föderalismusreform II eingeführten, neben dem Bund gerade auch die Länder betreffenden Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf die im jeweiligen Landesrecht normierten Schuldenregelungen zu untersuchen sowie der aktuelle Reform- und Anpassungsprozess auf Länderebene in den Blick zu nehmen. Zuletzt ist das Verhältnis zwischen der neuen deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes zu den auf der Ebene der EU bestehenden Schuldenregelungen darzustellen.

§ 1 Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse Gegen die im Zuge der Föderalismusreform II in das Grundgesetz eingeführte Schuldenbremse wird der Vorwurf einer möglichen Verfassungswidrigkeit geäußert. Diese Kritik betrifft hierbei nicht eine potenzielle Unvereinbarkeit der im

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

einfachen Bundesrecht bzw. im Landesrecht normierten Ausführungsbestimmungen mit den in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG verankerten Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse. Vielmehr geht es darum, dass sich die im Grundgesetz normierten Bestimmungen der Schuldenbremse selber dem Verdacht einer – zumindest teilweisen – Verfassungswidrigkeit ausgesetzt sehen.

A. Einführung in den Prüfungsmaßstab für die Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse: Inhalt und Reichweite der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG Den alleinigen Maßstab für die Überprüfung, ob die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse tatsächlich als verfassungswidriges Verfassungsrecht einzustufen ist, stellt die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG dar, die dem verfassungsändernden Gesetzgeber materielle Grenzen und Schranken zieht1: Nach Art. 79 Abs. 3 GG ist eine Änderung des Grundgesetzes dann unzulässig, wenn hierdurch „die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden“. Die Formulierung, dass die in Art. 79 Abs. 3 GG aufgeführten Grundsätze nicht „berührt“ werden dürfen, bedeutet, dass jede Rechtfertigung eines Eingriffs in eben diese Grundsätze von vornherein ausgeschlossen ist2. Von besonderer Bedeutung mit Blick auf den Inhalt und die Reichweite des Art. 79 Abs. 3 GG ist der nachstehende Gesichtspunkt: Bezüglich der in Art. 79 Abs. 3 GG verankerten Ewigkeitsgarantie ist eine sehr zurückhaltende, restriktive Auslegung geboten3. Hierfür sprechen die folgenden Argumente: 1 Die Frage nach einer möglichen formellen Verfassungswidrigkeit ist mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse bedeutungslos und wird demnach aus der nachstehenden Betrachtung von vornherein ausgeklammert. Für die Frage der materiellen Verfassungswidrigkeit ist allein Art. 79 Abs. 3 GG relevant; nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen werden kann demgegenüber Art. 109 Abs. 1 GG bzw. Art. 109 GG a. F. Siehe hierzu beispielsweise: Seiler, JZ 2009, 721 (727); Häde, AöR 135 (2010), 541 (561 f.); Kemmler, DÖV 2009, 549 (554); Thiele, NdsVBl 2010, 89 (91); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 143; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 384. 2 Siehe exemplarisch: Dietlein, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 79, Rn. 21. 3 So beispielsweise: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 78; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 79, Rn. 6; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 79, Rn. 29; Sachs, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 79, Rn. 26; Hufschlag, Einfügung plebeszitärer Komponenten in das Grundgesetz?, S. 114 ff.; H. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, S. 154; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 384. Siehe hierzu auch, mit zahlreichen

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Zunächst ist zu berücksichtigen, dass diejenigen Bereiche, die man Art. 79 Abs. 3 GG und damit dem unabänderlichen Verfassungskern zuordnet, jeglichem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers auf Dauer entzogen sind. Ein extensives Verständnis der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG würde demnach in relevanter Weise zu „normativen Zementierungen“ 4 des bestehenden verfassungsrechtlichen Zustandes bzw. zur „Verkrustung des Verfassungsgefüges“ 5 beitragen. Eine restriktive Auslegung fördert somit den „dauerhaften Erhalt [des Grundgesetzes] als funktionsfähige[r] Ordnung“ und wirkt einer ansonsten möglicherweise drohenden „revolutionäre[n] Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassungsordnung“ entgegen6. Ebenfalls für eine enge Auslegung der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG spricht der Grundsatz der Volkssouveränität7: Da die von der Ewigkeitsgarantie erfassten Inhalte selbst im Rahmen einer Verfassungsänderung nicht angetastet werden dürfen, werden auch die nachfolgenden Generationen an eine Verfassungsordnung gebunden, die sie nur in einem begrenzten Rahmen beeinflussen können. An dieser Stelle droht eine schwerwiegende Einschränkung der freien demokratischen Selbstbestimmung, der ebenfalls durch einen restriktiven Umgang mit der Ewigkeitsgarantie begegnet werden sollte8. Zuletzt ist zu bedenken, dass Art. 79 Abs. 3 GG innerhalb des Art. 79 GG, der in seinem Absatz 1 und 2 erkennbar von einer grundsätzlichen Änderbarkeit des Grundgesetzes ausgeht, die Stellung einer Ausnahmebestimmung einnimmt. Der Charakter des Art. 79 Abs. 3 GG als Ausnahmeregelung spricht ebenfalls für eine enge Auslegung der Ewigkeitsgarantie9.

weiteren Nachweisen: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 135. Kritisch demgegenüber etwa: Alberts, Die Änderungsbefugnisse der Legislative im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 28 ff.; Möller, Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die Schranken der Verfassungsrevision, S. 151 ff., vor allem S. 157. 4 Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, alter Stand, 1960, Art. 79, Rn. 31; siehe auch: Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 2, 2. Auflage, 2006, Art. 79 III, Rn. 19; Thiele, NdsVBl 2010, 89 (91). 5 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 78. 6 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 78. Zu dem Risiko eines revolutionären „Gesamtumsturz[es] der grundgesetzlichen Ordnung“ siehe auch: Kramer, Grenzen der Verfassungsänderung im Bereich der bundesstaatlichen Finanzverfassung, S. 15. 7 Thiele, NdsVBl 2010, 89 (91); siehe hierzu auch: Bryde, in: v. Münch/Kunig, GGKommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 79, Rn. 29; Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 2, 2. Auflage, 2006, Art. 79 III, Rn. 19. 8 Siehe: Thiele, NdsVBl 2010, 89 (91). 9 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 78. Auch das Bundesverfassungsgericht spricht von einer „eng auszulegende[n] Ausnahmevorschrift“: BVerfGE 109, 279 (310). Kritisch: Hain, Die Grundsätze des Grundgesetzes, S. 70.

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Auch das Bundesverfassungsgericht legt sich auf eine restriktive Auslegung der Ewigkeitsgarantie in Art. 79 Abs. 3 GG fest10. Obgleich innerhalb der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen durchaus unterschiedliche Ansätze entwickelt worden sind, lassen sich ihr im Ergebnis zwei „Fixpunkte“ für die materiellen Grenzen einer Verfassungsänderung entnehmen11: Ohne jede Einschränkung untersagt wird durch Art. 79 Abs. 3 GG eine „prinzipielle Preisgabe der dort genannten Grundsätze“ 12. Demgegenüber lässt Art. 79 Abs. 3 GG Grundgesetzänderungen zu, durch die die geschützten Verfassungsgrundsätze allein „für eine Sonderlage entsprechend deren Eigenart aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden“, solange ihnen im allgemeinen Rechnung getragen wird13. Art. 79 Abs. 3 GG hindert den verfassungsändernden Gesetzgeber somit gerade nicht daran, die geschützten Grundsätze „systemimmanent zu modifizieren“ 14.

B. Überprüfung der Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse Als verfassungsrechtlich bedenklich werden in erster Linie die für die Länder eingeführten Regelungen zur Begrenzungen der Staatsverschuldung angesehen, die innerhalb des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts als neuartig anzusehen sind; hierbei konzentriert sich die Kritik vor allem auf das für die Länder in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG verankerte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot. Mit Blick auf den Anwendungsbereich der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG werden im Wesentlichen eine mögliche Verletzung des Bundesstaatsprinzips sowie – am Rande – eine mögliche Verletzung des Demokratieprinzips diskutiert15. Bevor nachfolgend überprüft werden soll, ob die für die Länder im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse normierten Vorgaben das über Art. 79 10

So explizit: BVerfGE 109, 279 (310). Siehe hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 62. 12 Siehe: BVerfGE 30, 1 (24). 13 Siehe: BVerfGE 30, 1 (24). 14 BVerfGE 30, 1 (25); bestätigend: BVerfGE 84, 90 (120 f.); BVerfGE 94, 49 (102 f.); BVerfGE 109, 279 (310). 15 Kritik an der grundgesetzlichen Schuldenbremse unter dem Aspekt einer möglichen Verfassungswidrigkeit wird insbesondere geäußert von: Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder, Kom.-Drs. 134; Kayenburg et al., Offener Brief der Vertreter der Landtage und der unterzeichnenden Stellvertreter in der Föderalismuskommission II, Kom.-Drs. 100; Ramelow, Schwere verfassungsrechtliche Bedenken zur geplanten Schuldenregel für die Länder, Kom.-Drs. 167; Hancke, DVBl 2009, 621 (621 ff.); Fassbender, NVwZ 2009, 737 (740); Jentsch, „Der Bund hat keine Befugnis“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Februar 2009, Nr. 33, S. 4. Kritisch etwa auch: Selmer, NVwZ 2009, 1255 (1261). 11

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Abs. 3 GG geschützte Bundesstaats- oder Demokratieprinzip verletzen und damit verfassungswidrig sind, ist vorab auf eine relevante Entwicklung hinzuweisen: Der Streit über die Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse hat in letzter Zeit zunehmend an Brisanz verloren; tendenziell entsteht der Eindruck, dass die zu Beginn kontrovers geführte Diskussion allmählich einem relativ breiten Konsens über die Verfassungsmäßigkeit der für die Länder festgelegten Vorgaben weicht. Während vor allem am Anfang, teilweise bereits vor Abschluss der laufenden Reformbemühungen, einige gewichtige Stimmen eine Verfassungswidrigkeit der geplanten und schließlich umgesetzten Schuldenregelungen für die Länder rügten16, ging die überwiegende Meinung spätestens nach Abschluss der Föderalismusreform II relativ schnell von einer grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit aus17. Umfassendere Untersuchungen jüngeren Datums kommen nahezu durchweg zu dem Ergebnis, dass das für die Länder auf der Ebene des Grundgesetzes verankerte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot nicht als verfassungswidrig einzustufen ist18. Die gegenwärtige Bedeutung dieser verfassungsrechtlichen Diskussion ist auch vor dem folgenden Hintergrund als gering anzusehen: Der von dem Landtag Schleswig-Holsteins im Januar 2010 eingereichte Antrag, der darauf gerichtet war, das für die Länder in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG verankerte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot der Schuldenbremse einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zuzuführen, wurde im August 2011 vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig zurückgewiesen19. Doch selbst für den Fall einer zulässigen Verfahrenseinleitung ist im Grunde nicht erwartet worden, dass das Bundesverfassungsgericht die erfolgte Grundgesetzänderung wegen eines Verstoßes gegen die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG für ungültig erklären würde20. Nicht zu Unrecht wird „ver16

Siehe hierzu die oben angegebenen Literaturnachweise. Für die überwiegende Meinung siehe beispielsweise: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338 f.); Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566 f.); Ohler, DVBl 2009, 1265 (1273 f.); Seiler, JZ 2009, 721 (727 f.); Korioth, JZ 2009, 729 (731 f.); Kemmler, DÖV 2009, 549 (554 ff.); Tappe, DÖV 2009, 881 (888); Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1276 ff.); Wilczek, VBlBW 2009, 325 (326 ff.); Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (113 ff.); Scholl, DÖV 2010, 160 (168); Thiele, NdsVBl 2010, 89 (91 ff.); Häde, AöR 135 (2010), 541 (561); C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (269 f.); Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 373 ff., S. 385; Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 383 f.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 143 ff., S. 168; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 243 ff., S. 266; Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 124 ff., S. 131; A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 229 f. Siehe ferner, mit weiteren umfangreichen Nachweisen: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118, vor allem Fußnote 2. 18 Dies lässt sich insbesondere an den oben angegebenen Literaturnachweisen erkennen. 19 Siehe hierzu den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, 2 BvG 1/10 vom 19.8.2011. 20 Siehe beispielsweise die Einschätzung von Neidhardt: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 384 f. 17

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fassungswidriges Verfassungsrecht“ mit dem Ungeheuer von Loch Ness verglichen: „Jeder kennt es, aber keiner hat es je gesehen.“ 21 Die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse, die – abgesehen von den noch nicht abgelaufenen Übergangsfristen des Art. 143d Abs. 1 S. 3 bis 7 GG – seit dem Haushaltsjahr 2011 Anwendung findet, stellt somit gegenwärtig die praktisch maßgebliche Realität dar. In Anbetracht dieser Feststellungen soll sich die nachfolgende Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse unter dem Aspekt der möglichen Verfassungswidrigkeit auf eine rudimentäre Betrachtung der wichtigsten Argumente beschränken. I. Verletzung des Bundesstaatsprinzips? Der Hauptvorwurf der Verfassungswidrigkeit der neuen, im Grundgesetz normierten Schuldenbremse konzentriert sich darauf, dass das grundsätzliche Neuverschuldungsverbot für die Bundesländer in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG mit einer Verletzung des über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Bundesstaatsprinzips verbunden sei. 1. Schutz des Bundesstaatsprinzips über Art. 79 Abs. 3 GG Die bundesstaatliche Ordnung wird von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG in insgesamt dreifacher Hinsicht erfasst und geschützt22: So enthält Art. 79 Abs. 3 GG in seiner ersten und zweiten Variante eine Garantie der Gliederung des Bundes in Länder sowie eine Garantie der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung. Ferner wird das Bundesstaatsprinzip über Art. 79 Abs. 3 3. Var. GG als Bestandteil der in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze dem Schutzbereich der Ewigkeitsgarantie zugeordnet. Das Verhältnis der drei genannten Elemente der Bundesstaatlichkeit stellt sich folgendermaßen dar: Da sich das über Art. 20 Abs. 1 GG festgelegte Bundesstaatsprinzip sowie die beiden separat aufgeführten bundesstaatlichen Garantien des Art. 79 Abs. 3 1. und 2. Var. GG „bezüglich ihrer normativen Gehalte [kaum eindeutig] auseinanderdividieren“ lassen, wird vorliegend von einer „einheitlichen Absicherung der Bundesstaatlichkeit“ innerhalb des Art. 79 Abs. 3 GG ausgegangen23. Zur der Reichweite des durch Art. 79 Abs. 3 GG vermittelten Schutzes der Bundesstaatlichkeit sollen einige einleitende, kursorische Ausführungen vorangestellt werden: Die Länder werden durch Art. 79 Abs. 3 GG vor allem vor Grundgesetzänderungen geschützt, durch die sie die „Qualität von Staaten oder eine 21

Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566). So etwa Kube mit Ausführungen zu der entstehungsgeschichtlich bedingten Ursache für diese mehrfache Absicherung: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 87. 23 So: Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2010, Art. 79, Rn. 119. Ebenso: Hain, Die Grundsätze des Grundgesetzes, S. 393 f. 22

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Essentiale der Staatlichkeit“ verlieren24. Ausgeschlossen ist die Verwirklichung eines zentralisierten Staates bzw. die Degradierung der Länder zu reinen Verwaltungseinheiten oder Selbstverwaltungskörperschaften mit bloß abgeleiteten Hoheitsrechten25. Des Weiteren darf die Eigenstaatlichkeit der Länder im Wege einer Grundgesetzänderung auch nicht zur „leere[n] Hülse“ entwertet werden26. Nicht ausreichend für die Staatsqualität der Länder soll es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sein, dass die Länder „eine eigene Verfassung besitzen und [. . . dass] sie über irgendein Stück vom Gesamtstaat unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen, also irgendeinen Rest von Gesetzgebungszuständigkeit, Verwaltungszuständigkeit und justizieller Zuständigkeit ihr eigen nennen“; notwendig sei darüber hinaus, dass den Ländern als Staaten ein „Kern eigener Aufgaben als ,Hausgut‘ unentziehbar“ erhalten bleibe, wozu unter anderem auch die „Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen“ zu zählen sei27. 2. Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Bundesstaatsprinzips Die Frage, ob das im Grundgesetz verankerte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot für die Länder das Bundesstaatsprinzip verletzt, soll nachfolgend anhand verschiedener, möglicherweise betroffener Aspekte der über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Bundesstaatlichkeit untersucht werden. a) Verletzung der Haushaltsautonomie der Länder? Wie gerade dargelegt, wird über Art. 79 Abs. 3 GG die Eigenstaatlichkeit, d. h. die Staatsqualität, der Länder geschützt. Die Eigenstaatlichkeit der Länder setzt zwingend eine gewisse haushaltspolitische Selbstständigkeit voraus; ein bundesstaatliches Gefüge baut notwendigerweise darauf auf, dass neben dem Bund auch die Länder im Bereich der Haushaltswirtschaft über eine gewisse Autonomie verfügen28. Dementsprechend zählt die Haushaltsautonomie in ihrem Kern zu den Essentialia der Eigenstaatlichkeit der Länder: Zu dem änderungsfesten Kernbereich der autonomen Haushaltswirtschaft gehört zum einen die formelle Haushaltsautonomie der Länder, die insbesondere eine eigenverantwortli24

BVerfGE 34, 9 (19). Siehe beispielsweise: Dietlein, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 79, Rn. 23; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 144. 26 BVerfGE 34, 9 (20). 27 Siehe hierzu: BVerfGE 34, 9 (19 f.). 28 Siehe: Arndt, JuS 1990, 343 (343); Rodi, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 114. Erg.-Lfg., 2004, Art. 109, Rn. 66. 25

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che Aufstellung und Verabschiedung des Haushaltsplanes sowie seinen anschließenden Vollzug beinhaltet29. Zum anderen wird auch ein Mindestmaß an materieller Haushaltsautonomie der Länder, d. h. ein gewisser eigenständiger Entscheidungsspielraum im Rahmen der Haushaltsführung, von dem Schutzbereich der Ewigkeitsgarantie erfasst werden30; ansonsten würde die Haushaltsautonomie der Länder einer „inhaltsleeren Hülle“ gleichen31. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die für die Länder im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse normierten Vorgaben, vor allem das grundsätzliche Neuverschuldungsverbot, den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kernbereich der materiellen Haushaltsautonomie verletzen. Vorgetragen wird in diesem Zusammenhang unter anderem die nachstehende Argumentation: Da der Bund über die relevanten Kompetenzen im Bereich der Steuergesetzgebung verfüge, bestimme der Bund maßgeblich über die Einnahmen der Länder; zugleich würden auch viele Ausgaben der Länder entscheidend durch bundesgesetzliche Vorgaben determiniert. Auf der Grundlage dieses Befunds wird die Aufnahme von Krediten als der einzige, den Ländern verbliebene finanzielle Handlungsspielraum eingestuft und eine Begrenzung des Kreditspielraums von Seiten des Bundes als Verletzung des geschützten „Autonomieniveau[s]“ der Länder angesehen32. Im Ergebnis wird man der gerade wiedergegebenen Argumentation jedoch entgegentreten müssen: Auch wenn der Bund tatsächlich weitreichend über die Einnahmen und Ausgaben der Länder bestimmen kann33, so verbleiben ihnen dennoch auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite bedeutsame Gestaltungsspielräume. Exemplarisch kann an dieser Stelle etwa auf die Generierung zusätzlicher Einnahmen durch die Erhebung von Gebühren und Beiträgen bzw. auf mögliche Ausgabensenkungen durch nicht ausgeschöpfte Sparoptionen verwiesen werden34. Zudem konzentrierte sich die Haushaltsautonomie der Länder bereits vor der Föderalismusreform II im Wesent29 So beispielsweise, mit weiteren Nachweisen: Wilczek, VBlBW 2009, 325 (326); Hancke, DVBl 2009, 621 (623); Hancke, Defizitbegrenzung im Bundesstaat, S. 151 f.; Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 126; Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 5. Auflage, 2005, Art. 109, Rn. 42; Rodi, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 114. Erg.-Lfg., 2004, Art. 109, Rn. 66. 30 So beispielsweise, mit weitere Nachweisen: Hancke, DVBl 2009, 621 (623); Kemmler, DÖV 2009, 549 (554); Selmer, KritV 2008, 171 (181); Hancke, Defizitbegrenzung im Bundesstaat, S. 151 f.; Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 126 f.; Rodi, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 114. Erg.-Lfg., 2004, Art. 109, Rn. 66. 31 So: Hancke, DVBl 2009, 621 (621). 32 So etwa: Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder, Kom.-Drs. 134, S. 28. 33 Zur hohen „Determiniertheit der Länderhaushalte“ siehe beispielsweise die Ausführungen von Aydin: Aydin, KritV 2010, 29 (41 f.). 34 Siehe hierzu etwa: Wilczek, VBlBW 2009, 325 (327).

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lichen auf eine Ausgabenautonomie, während die Einnahmenautonomie schon immer auf ein Minimum beschränkt war35. Die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder lassen die bestehende Autonomie auf der Ausgabenseite unangetastet und führen lediglich auf der Einnahmenseite mit Blick auf eine einzige, spezifische Einnahmequelle zu einer gewissen Einschränkung der Autonomie der Länder36; dass hierdurch das „notwendige Mindestmaß an materieller Beweglichkeit der Haushaltsführung“ auf Länderebene berührt wird, ist nicht ersichtlich37. Problematisch erscheint das für die Länder im Grundgesetz verankerte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot allerdings dann, wenn man die Kredit- oder Verschuldungsautonomie selbst als Essentialia der geschützten Eigenstaatlichkeit der Länder bzw. als Element des von Art. 79 Abs. 3 GG erfassten Mindestmaßes an materieller Haushaltsautonomie einordnet. Tatsächlich finden sich entsprechende Einschätzungen38. Zur Begründung wird in diesem Kontext häufig auf eine verfassungshistorische Argumentation zurückgegriffen: Verwiesen wird zum einen auf die deutsche Verfassungstradition vor der Entstehung des Grundgesetzes; deutsche Territorien, Einzelstaaten und Länder hätten „stets das Recht besessen und ausgeübt, sich durch Aufnahme von Schulden außerordentliche Einnahmen zu verschaffen“ 39. Exemplarisch werden etwa die Reichverfassungen von 1871 und 1919 genannt, die keine Beschränkungen der staatlichen Kreditaufnahme für die einzelnen deutschen Bundesstaaten bzw. Länder vorgesehen hätten40. Zum anderen schütze Art. 79 Abs. 3 GG das Bundesstaatsprinzip nicht in seiner abstrakten Form, sondern vielmehr in der konkreten Ausprägung, die es in der ersten und ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes erhalten habe. Um zu ermitteln, was als kennzeichnend für die Staatlichkeit der Länder anzusehen sei und über Art. 79 Abs. 3 GG von dem Schutzbereich der Ewigkeitsgarantie umfasst werde, stelle das vom Parlamentarischen Rat festgesetzte Verständnis der bundesstaatlichen Ordnung den entscheidenden Anhaltspunkt dar41. Eine Untersuchung des Grundgesetzes in seiner ersten Fassung ergebe, dass das Grundgesetz die Kreditaufnahme der Länder ursprünglich keinerlei Vorgaben oder Begrenzungen unterworfen habe; die Normierung von Regelungen zur Begrenzung 35

Ohler, DVBl 2009, 1265 (1273); siehe etwa auch: Kemmler, DÖV 2009, 549 (555); Thiele, NdsVBl 2010, 89 (93). 36 Siehe hierzu: Thiele, NdsVBl 2010, 89 (94); vgl. auch: Seiler, JZ 2009, 721 (728). 37 Thiele, NdsVBl 2010, 89 (94). Ähnlich auch das Ergebnis von Kemmler: Kemmler, in: Jahrbuch des Föderalismus 2009, 208 (215 f.). 38 Siehe beispielsweise: Fassbender, NVwZ 2009, 737 (740); Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder, Kom.-Drs. 134, S. 31. 39 Fassbender, NVwZ 2009, 737 (740). 40 Fassbender, NVwZ 2009, 737 (740). 41 So ausdrücklich: Hancke, DVBl 2009, 621 (624). Hancke verweist hierbei auf die Ausführungen von Hesse und Hain: Hesse, AöR 98 (1973), 1 (7); Hain, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2010, Art. 79, Rn. 126.

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der Staatsverschuldung der Länder sei damit als eine Angelegenheit des Landesgesetzgebers anerkannt worden42. An diesem grundsätzlichen Befund habe sich selbst im Zuge der Grundgesetzänderungen von 1967/1969 nichts Wesentliches geändert; dem Grundgesetz seien auch in dieser reformierten Fassung keine detaillierten, präzisen Grenzen für die staatliche Neuverschuldung der Länder zu entnehmen gewesen43. Aus diesen Überlegungen wird abgeleitet, dass die Verschuldungsautonomie der Länder grundsätzlich von dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG umfasst werde44. Die dargelegte Argumentation ist allerdings als bedenklich einzustufen; vor allem kann ihrem theoretischen Ausgangspunkt nicht gefolgt werden: Ermittelt man den Inhalt und die Reichweite des über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Bundesstaatsprinzips anhand seiner historischen oder aktuell bestehenden Ausgestaltung, so droht im Ergebnis eine Versteinerung des verfassungsrechtlichen Verständnisses der Bundesstaatlichkeit, die in einem Widerspruch zu dem „entwicklungsoffenen Charakter des Bundesstaatsprinzips“ stehen würde45. Zwar ist den Ländern durch die mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse gezogenen Neuverschuldungsgrenzen eine Einnahmequelle entzogen worden, „die von diesen verfassungsgeschichtlich in der Tat stets wahrgenommen worden ist“ 46. Über diesen „empirischen Befund“ hinaus, lassen sich aus einer verfassungshistorischen Betrachtung jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass die Verschuldungsautonomie der Länder als ein wesentliches Merkmal ihrer Eigenstaatlichkeit einzuordnen ist und über die materielle Haushaltsautonomie dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG unterfällt47. Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente dafür, dass die Verschuldungsautonomie der Länder nicht dem unantastbaren Kernbereich der über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten materiellen Haushaltsautonomie zuzuordnen ist: Ein gewichtiges Argument ergibt sich aus dem föderalen Staatsaufbau und damit aus dem bündischen Gedanken: Zu berücksichtigen ist, dass das „Finanzwesen im Bundesstaat ein Gesamtgefüge“ darstellt48. Auch wenn das Bundesver42 Hancke, DVBl 2009, 621 (625); siehe hierzu auch: Fassbender, NVwZ 2009, 737 (739). 43 Hierzu eingehend, mit näheren Ausführungen und Differenzierungen: Hancke, DVBl 2009, 621 (625); Fassbender, NVwZ 2009, 737 (739). 44 Was für Schlussfolgerung hieraus gezogen werden, ist allerdings im Einzelnen durchaus unterschiedlich. Hancke beispielsweise plädiert dafür, innerhalb des Art. 79 Abs. 3 GG einen „schonenden Ausgleich“ der widerstreitenden Aspekte anzustreben, „der sämtlichen Positionen zur größtmöglichen Geltung verhilft, ohne sie jeweils unnötig einzuschränken“, siehe: Hancke, DVBl 2009, 621 (625). 45 Seiler, JZ 2009, 721 (727). 46 Thiele, NdsVBl 2010, 89 (93). 47 Ebenso: Thiele, NdsVBl 2010, 89 (93). 48 So: BVerfGE 4 115 (140). Zu den engen Verflechtungen und Bindungen der Haushaltswirtschaft des Bund und der Haushaltswirtschaft der Länder siehe auch: Korioth, JZ 2009, 729 (731 f.); Korioth, KritV 2008, 187 (187 ff.).

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fassungsgericht in seinem Berlin-Urteil49 einige bedeutsame Einschränkungen formuliert hat, so ist weiterhin davon auszugehen, dass zwischen Bund und Ländern als Bestandteilen einer einheitlichen Volkswirtschaft eine gewisse Solidargemeinschaft besteht50; trotz der vom Bundesverfassungsgericht verschärften Anforderungen wird sich unter Umständen eine Einstandspflicht des Bundes bzw. der anderen Länder gegenüber einem sich in einer extremen Haushaltsnotlage befindlichen Land ergeben können51. Diese „Pflicht der bundesstaatlichen Gemeinschaft zum solidarischen Einstehen füreinander im Notfall“ spricht dagegen, die Verschuldungsautonomie der Länder bzw. ihr Recht, eigenständig über Umfang und Höhe ihrer Verschuldung entscheiden zu können, über Art. 79 Abs. 3 GG in den änderungsfest geschützten Kernbereich der materiellen Haushaltsautonomie miteinzubeziehen 52. Hinzuweisen ist ferner auf eine EU-rechtliche Überlagerung durch den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt: Durch den Europäischen Stabilitätsund Wachstumspakt wird der Bund dazu verpflichtet, die Einhaltung der vorgegebenen und den gesamtstaatlichen Sektor betreffenden Verschuldungsgrenzen sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund bedarf der Bund eines Instruments, das es ihm ermöglicht, dieser Verpflichtung tatsächlich nachzukommen. Die Normierung einer „bundesverfassungsrechtlichen Schuldenregel“ für Bund und Länder wird hierbei als eine mögliche Option angesehen53. Auch unter Berücksichtigung der EU-rechtlichen Vorgaben erscheint es demnach nicht überzeugend, eine uneingeschränkte und unantastbare Verschuldungsautonomie der einzelnen Gebietskörperschaften anzunehmen54. Doch selbst wenn man zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kernbereich der materiellen Haushaltsautonomie ein Mindestmaß an Kreditautonomie der Länder voraussetzt, wird man die Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht teilen können. Die grundgesetzliche Schuldenbremse entzieht den Ländern lediglich das Recht zur strukturellen Neuverschuldung; über eine konjunkturbezogene oder notlagenbedingte Neuverschuldung können die Länder dagegen – in einem gewissen Rahmen – weiterhin eigenständig entscheiden55. 49

BVerfGE 116, 327. Siehe: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (115 f.). 51 Siehe hierzu: Kemmler, DÖV 2009, 549 (555). 52 Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338); siehe hierzu auch: Kemmler, DÖV 2009, 549 (555); Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (115 f.); Scholl, DÖV 2010, 160 (169). 53 Kemmler, DÖV 2009, 549 (555); vgl. auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338). 54 Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338). Siehe hierzu auch: Kemmler, DÖV 2009, 549 (555); Scholl, DÖV 2010, 160 (169); eingehend auch: Häde, AöR 135 (2010), 541 (564 f.). 55 Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338). Wilczek sieht hierin sogar den entscheidenden Gesichtspunkt, der einen Eingriff in den Schutzbereich der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG ausschließe, siehe: Wilczek, VBlBW 2009, 325 (327). 50

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Schutzbereich der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unter dem Gesichtspunkt der Haushaltsautonomie der Länder durch die grundgesetzliche Schuldenbremse nicht berührt wird. b) Verletzung des Gebots einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung56? Darüber hinaus ist für die Eigenstaatlichkeit der Länder unverzichtbar, dass den Ländern ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen, um die ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben angemessen erfüllen zu können57. Die Garantie einer angemessenen Finanzausstattung gehört demnach für die Länder zum Kernbereich ihrer Eigenstaatlichkeit und wird vom Schutz der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG umfasst58. Im Zusammenhang mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse erscheint es vorliegend durchaus vorstellbar, dass das für die Länder normierte strukturelle Neuverschuldungsverbot das Ziel einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung der Länder gefährden könnte. Bei genauerer Betrachtung sind die auf diesen Überlegungen aufbauenden verfassungsrechtlichen Bedenken indes unbegründet. Die angemessene Finanzausstattung der Länder ist im Kern durch die im Grundgesetz – konkret in Art. 105 bis 107 GG – geregelte Verteilung der wesentlichen Steuereinnahmen des Gesamtstaates zwischen Bund und Länder sicherzustellen59. Das bedeutet, dass die Länder bereits mit Abschluss des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, d. h. „im Vorfeld der Entscheidungen über etwaige Kreditaufnahmen“, über eine Ausstattung mit den ihren Aufgaben angemessenen Finanzmitteln verfügen sollen60. Die Garantie einer angemessenen Finanzausstattung der Länder baut somit nicht darauf auf, dass sich die Länder die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel im Wege der Kreditaufnahme

56 Die Garantie der aufgabenangemessenen Finanzausstattung wird vorliegend – anders als in vielen anderen Untersuchungen – getrennt von der Haushaltsautonomie behandelt. Der Grund hierfür besteht darin, dass die Garantie der aufgabenangemessenen Finanzausstattung letztlich nur das Ergebnis der Finanzausstattung berücksichtigt, und im Gegensatz zur Haushaltsautonomie gerade nicht in den Blick nimmt, wem die Befugnis zukommt, über diese Finanzausstattung entscheiden zu können. Siehe: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 254. 57 Siehe hierzu ausführlich: Aydin, KritV 2010, 29 (35 ff.). 58 Kramer, Grenzen der Verfassungsänderung im Bereich der bundesstaatlichen Finanzverfassung, S. 42 ff.; Hesse, AöR 98 (1973), 1 (16); Hancke, DVBl 2009, 621 (623); Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2010, Art. 79, Rn. 127. Siehe auch: Aydin, KritV 2010, 29 (35 ff.). 59 Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338). Siehe auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118. 60 Hancke, DVBl 2009, 621 (623); zustimmend: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 262 f.

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verschaffen können, und setzt folglich „nicht notwendig die Möglichkeit zur Verschuldung voraus“ 61. Vor diesem Hintergrund erweist sich das in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG normierte strukturelle Neuverschuldungsverbot für die Länder nicht als Bedrohung für die Garantie der aufgabenangemessenen Finanzausstattung. Am Rande ist allerdings eine weitere Anmerkung zu machen: Die Frage, ob die Länder tatsächlich über eine ausreichende Finanzausstattung verfügen bzw. auch in Zukunft verfügen werden, entzieht sich an dieser Stelle einer differenzierten Beurteilung. Entscheidend ist vielmehr der nachfolgende Aspekt: Für den Fall, dass die den Länder zur Verfügung stehenden Finanzmittel nicht ausreichend sein sollten, sind entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, durch die die Garantie einer aufgabenangemessenen Finanzausstattung der Länder wieder erfüllt wird62; hinzuweisen ist beispielsweise auf eine mögliche Änderung der Deckungsquote zwischen Bund und Ländern63. Für das im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse normierte strukturelle Neuverschuldungsverbot der Länder ergibt sich hieraus jedoch keine Konsequenz64. c) Verletzung der Verfassungsautonomie? Auch die Verfassungsautonomie der Länder gehört zu den Essentialia der Eigenstaatlichkeit der Länder und wird über die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt65. Dass das Verhältnis der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für die Länder zu der über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsautonomie der Länder nicht gänzlich unproblematisch ist66, ergibt sich 61

Hancke, DVBl 2009, 621 (623). Wieland leitet aus dem Gesichtspunkt der „Ingerenz aus vorangegangenem Tun“ sogar einen verfassungsrechtlichen Anspruch der Länder gegen den Bund auf Bereitstellung der für ihre Eigentstaatlichkeit erforderlichen finanziellen Mittel ab: Wieland, Neuordnung der Finanzverfassung nach Auslaufen des Solidarpakts II und Wirksamwerden der Schuldenbremse, Speyerer Arbeitsheft 211/2013, S. 20. 63 Siehe: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338). 64 A.A. etwa Kemmler, die für den Fall einer nicht ausreichenden Finanzausstattung von einer Verletzung der Eigenstaatlichkeit der Länder durch die grundgesetzliche Schuldenbremse ausgeht: Kemmler, DÖV 2009, 549 (556). 65 Kemmler, DÖV 2009, 549 (556); Häde, AöR 135 (2010), 541 (563). Siehe hierzu auch mit weiteren Nachweisen: Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 2, 2. Auflage, 2006, Art. 28, Rn. 55; Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 2, 2. Auflage, 2006, Art. 79 III, Rn. 48. Siehe auch: Kramer, Grenzen der Verfassungsänderung im Bereich der bundesstaatlichen Finanzverfassung, S. 30 ff.; Harbich, Der Bundesstaat und seine Unantastbarkeit, S. 121; Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 6, § 126, Rn. 298. 66 Der Vorwurf einer Verletzung der Verfassungsautonomie findet sich etwa in dem Antrag des Schleswig-Holsteinischen Landtags an das Bundesverfassungsgericht: BVerfG, 2 BvG 1/10 vom 19.8.2011, Abs. 17. Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsautonomie äußert auch Wieland: Wieland, Neuordnung der Finanzverfassung nach Auslaufen des Solidarpakts II und Wirksamwerden der Schuldenbremse, Speyerer Arbeitsheft 211/2013, S. 13. 62

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

bereits auf den ersten Blick: Durch Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG werden die Länder ebenso wie der Bund auf den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts verpflichtet; Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG eröffnet den Ländern zwar die Möglichkeit einer näheren Ausgestaltung der im Grundgesetz normierten Vorgaben, allerdings nur mit der „Maßgabe“, dass den Anforderungen des Satzes 1 allein dann entsprochen wird, wenn „keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden“ 67. Doch trotz der erkennbaren Spannungen ist der Verdacht einer Verletzung der Verfassungsautonomie der Länder bei genauerer Betrachtung zurückzuweisen: Argumentiert wird, dass die Verfassungsautonomie den Ländern keineswegs uneingeschränkt gewährt werde, sondern vielmehr diversen Grenzen unterliege68. Einschränkungen der Verfassungsautonomie der Länder setze vor allem das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG, das die verfassungsmäßige Ordnung der Länder an die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes binde; über die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 GG hinaus existierten aber weitere Grenzen der Verfassungsautonomie der Länder, unter anderem in Gestalt der auch auf Länderebene unmittelbar geltenden Durchgriffsnormen des Grundgesetzes69. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen: Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gehöre zum unantastbaren „Kern eigener Aufgaben“ bzw. zum unentziehbaren „Hausgut“ eines Landes, lediglich „die freie Bestimmung über seine Organisation, einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen“ 70. Dementsprechend werden Zweifel daran geäußert, dass gerade die Festlegung eigenständiger Schuldenregelungen der vielfach begrenzten Verfas-

67 Vgl. beispielsweise die Ausführungen von Häde: Häde, AöR 135 (2010), 541 (563). 68 So etwa: Kemmler, DÖV 2009, 549 (556). 69 So: Kemmler, DÖV 2009, 549 (556); siehe auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 259. Die Frage, ob über Art. 28 Abs. 1 GG eine Einschränkung der Verfassungsautonomie der Länder durch das Grundgesetz zulässig ist, wird letztlich nicht eindeutig beantwortet: Beispielsweise das Bundesverfassungsgericht geht erkennbar von Grenzen für die Verfassungsautonomie der Länder jenseits der Homogenitätsklausel in Art. 28 Abs. 1 GG aus. So führt das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an die Homogenitätsklausel Folgendes aus: „Im übrigen sind die Länder, soweit das Grundgesetz nicht noch außerhalb des Art. 28 für bestimmte Tatbestände etwas anderes vorschreibt, frei in der Ausgestaltung ihrer Verfassung.“, BVerfGE 36, 342 (361). A.A. etwa: Schneider, Gestaltungsföderalismus statt Verwaltungsföderalismus, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007 in Berlin über die Finanzthemen, Kom.-Drs. 031, S. 18. 70 So: Häde, AöR 135 (2010), 541 (563 f.), mit einem Verweis auf: BVerGE 34, 9 (20).

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sungsautonomie der Länder unterfalle und vor dem Zugriff des Bundesverfassungsgesetzgebers geschützt sei71. Entscheidend ist jedoch vor allem der folgende Aspekt: Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Verfassungsautonomie der Länder auch das Recht zur eigenständigen Regelung der Kreditaufnahme umfasst, ist der Vorwurf einer Verletzung der Verfassungsautonomie durch die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse wenig überzeugend: Zum einen ergibt sich aus Art. 109 Abs. 3 GG gegebenenfalls keine Verpflichtung für die Länder, eine Anpassung ihrer in den Landesverfassungen verankerten Schuldenregelungen an die grundgesetzliche Schuldenbremse vorzunehmen72. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass den Ländern bei der Anpassung ihres Landesverfassungsrechts an die Vorgaben des Art. 109 GG ein überaus relevanter Regelungs- und Gestaltungsspielraum verbleibt73; dies gilt beispielsweise für die als Optionen ausgestaltete Konjunkturkomponente und Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen74. Demnach ist eine Verletzung der als Kernelement der Eigenstaatlichkeit der Länder über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsautonomie nicht festzustellen75. d) Verletzung des Grundsatzes der föderalen Gleichbehandlung? Im Zusammenhang mit dem Bundesstaatsprinzip76 ist darüber hinaus der Grundsatz der föderalen Gleichbehandlung zu erwähnen, der ebenfalls in den Schutzbereich der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG miteinbezogen ist77. 71

Ebenso beispielsweise: Häde, AöR 135 (2010), 541 (564). Siehe hierzu die eingehenden Ausführungen unten: 3. Teil § 2 A. III. 73 So etwa: Kemmler, DÖV 2009, 549 (556). Vgl. auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 261. 74 Ebenso: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1338 f.). 75 Im Ergebnis ebenso: Kemmler, DÖV 2009, 549 (556); Christ, NVwZ 2009, 1333 (1339); Häde, AöR 135 (2010), 541 (564); Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 6; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 261. 76 Die dogmatische Herleitung des Grundsatzes der föderalen Gleichbehandlung ist im Detail durchaus umstritten. Siehe hierzu beispielsweise den Überblick bei Thye mit weiteren Nachweisen: Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 67 f. Das Bundesverfassungsgericht etwa leitet das föderative Gleichbehandlungsgebot aus dem Bundesstaatsprinzip i.V. m. dem allgemeinen Gleichheitssatz ab; siehe: BVerfGE 72, 330 (404). Eingehend zu dieser Herleitung durch das Bundesverfassungsgerichts und den Reaktionen im Schrifttum: Selmer/Hummel, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2012, 385 (386 ff.). 77 Siehe ferner mit weiteren Nachweisen: Kramer, Grenzen der Verfassungsänderung im Bereich der bundesstaatlichen Finanzverfassung, S. 80. 72

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Mit Blick auf die grundgesetzlich normierte Schuldenbremse droht eine möglicherweise bedenkliche Ungleichbehandlung dadurch, dass dem Bund durch Art. 109 Abs. 3, S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG ein – wenn auch dem Umfang nach begrenztes – Recht zur strukturellen Neuverschuldung zuerkannt wird, während den Ländern durch Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG generell jede strukturelle Neuverschuldung untersagt worden ist78. Bei einer kritischen Überprüfung erweist sich der Verdacht einer Verletzung des Grundsatzes der föderalen Gleichbehandlung allerdings als unzutreffend: Fraglich ist bereits, dass der Grundsatz der föderalen Gleichbehandlung in der vorliegenden Konstellation überhaupt als Maßstab herangezogen werden kann: So ist unklar, ob der geschützte Kern des Art. 79 Abs. 3 GG tatsächlich das Gebot einer Gleichbehandlung von Bund und Ländern oder lediglich das Gebot eine Gleichbehandlung der Länder durch den Bund beinhaltet. Gegebenenfalls sind somit die unterschiedlichen Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund und die Länder gerade nicht an dem Grundsatz der föderalen Gleichbehandlung zu messen79. Zudem verpflichtet Art. 79 Abs. 3 GG den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht zu einer „streng formalen Gleichbehandlung von Bund und Ländern“ 80. Da Bund und Länder „finanzstaatlich gänzlich unterschiedlich aufgestellt und eingebunden“ sind, erscheint die aufgezeigte Ungleichbehandlung von Bund und Ländern unter Umständen sogar sachgerecht81. Als sachliche Gründe, die für einen strukturellen Neuverschuldungsspielraum des Bundes sprechen könnten, werden gewichtige Aspekte vorgetragen: So sind etwa die finanziellen Belastungen, die durch die demographische Entwicklung im Rahmen der Sozialversicherungssysteme auslöst werden oder aus internationalen Verpflichtungen im Bereich der Entwicklungs- und Klimapolitik bzw. aus Auslandseinsätzen der Bundeswehr folgen, in erster Linie vom Bund zu tragen82.

78 Kritisch hierzu etwa Ohler, der die in den Schuldenregelungen angelegte Ungleichbehandlung von Bund und Ländern als die eigentlich verfassungsrechtlich problematische Frage einordnet, im Ergebnis aber einen Verstoß gegen die Ewigkeitsklausel verneint: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1273 f.). 79 So etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118. Zweifel äußert auch Koemm: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 264 f. 80 So beispielsweise: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1274); Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 378. 81 Vgl. hierzu die hilfsweise vorgetragene Argumentation von Kube: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118. 82 So etwa: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (275). Weitere Gründe nennen beispielsweise: Lange, Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung zur Föderalismusreform II – Finanzthemen – am 4. Mai 2009, S. 8; A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 122.

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Somit ist auch eine Verletzung des Bundesstaatsprinzips aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der föderalen Gleichbehandlung zurückzuweisen83. e) Zwischenergebnis Im Ergebnis kann hinsichtlich keiner der untersuchten Gesichtspunkte eine Verletzung des über Art. 79 Abs. 3 GG verfassungsfest geschützten Bundesstaatsprinzips durch das für die Länder normierte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot des Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG festgestellt werden. II. Verletzung des Demokratieprinzips? Gelegentlich wird auch der Verdacht geäußert, dass das in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG geregelte, grundsätzliche Neuverschuldungsverbot für die Ländern mit einer Verletzung des ebenfalls von der Ewigkeitsgarantie geschützten Demokratieprinzips einhergehe84. 1. Schutz des Demokratieprinzips über Art. 79 Abs. 3 GG Das Demokratieprinzip ist über Art. 79 Abs. 3 3. Var. i.V. m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG in den Schutzbereich der Ewigkeitsgarantie miteinbezogen85. Welche Aspekte im Einzelnen über das Demokratieprinzip von dem änderungsfest geschützten Kernbereich der Verfassung erfasst werden, soll im Folgenden nicht näher dargelegt werden. Hervorzuheben ist jedoch der folgende Gesichtspunkt: Über die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt wird in jedem Fall der Grundsatz der Volkssouveränität, nach dem jede staatliche Machtausübung einer demokratischen Legitimation bedarf 86. 83 Im Ergebnis ebenso: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 114; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 265; A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 121 f.; Lange, Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung zur Föderalismusreform II – Finanzthemen – am 4. Mai 2009, S. 7 f. 84 Auf eine Verletzung des in Art. 20 GG verankerten Demokratieprinzips stützte sich gerade auch der Antrag des Schleswig-Holsteinischen Landtages an das Bundesverfassungsgericht: BVerfG, 2 BvG 1/10 vom 19.8.2011, Abs. 17. 85 Eingehend zum Schutz des Demokratieprinzips über die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG siehe etwa: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 125 ff.; Dietlein, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher OnlineKommentar GG, 2013, Art. 79, Rn. 33 ff.; Dreier, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 2, 2. Auflage, 2006, Art. 79 III, Rn. 36 ff. Allgemein zum Demokratieprinzip siehe: Böckenförde, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 24, Rn. 1 ff. 86 Siehe exemplarisch: Dietlein, in: Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 79, Rn. 34; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, § 79, Rn. 41. Zum Grundsatz der Volkssouveränität siehe auch: Böckenförde, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 24, Rn. 3.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

2. Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Demokratieprinzips Der Verdacht einer etwaigen Verletzung des Demokratieprinzips durch die für die Länder normierten Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse kann sich hierbei auf die nachstehenden Überlegungen stützen87: Bei dem Budgetrecht handelt es sich um das „Königsrecht“ der Parlamente – in dem vorliegenden Kontext konkret um das „Königsrecht der Länderparlamente“ 88; infolgedessen wird es auch als ein „Wesensmerkmal der Demokratie auf Landesebene“ eingestuft89. Sollte die grundgesetzliche Schuldenbremse für die Länder in das Budgetrecht der Länderparlamente eingreifen, könnte demnach eine Verletzung des über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Demokratieprinzips drohen. Tatsächlich wird mit Blick auf die grundgesetzliche Schuldenbremse für die Länder auf die Gefahr einer „budgetrechtliche[n] Entmachtung“ der Länderparlamente hingewiesen90. Insbesondere wird angemerkt, dass die Einführung neuer Schuldenregelungen für die Länder in das Grundgesetz mit der sich hieraus ergebenden ausschließlichen Beteiligung des Bundestages und der im Bundesrat vertretenen Landesregierungen, „verfassungspolitisch nicht hinnehmbar und verfassungsrechtlich bedenklich“ sei91. Die Normierung neuer Schuldenregelungen für die Länder setze in jedem Fall die konstitutive Mitwirkung der Länderparlamente voraus; dementsprechend seien Schuldenregelungen den Landesverfassungen vorbehalten92. Im Ergebnis erweist sich der Verdacht einer Verletzung des Demokratieprinzips infolge des auf Bundesebene verankerten strukturellen Neuverschuldungsverbots für die Länder in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG allerdings als nicht stichhaltig. Bei einer genaueren Betrachtung stellt sich vor allem heraus, dass der eigentliche Maßstab, an dem die dargelegte Einschränkung des Budgetrechts der Länderparlamente zu messen ist, gerade nicht das Demokratieprinzip, sondern vielmehr das Bundesstaatsprinzip ist93. Deutlich wird dies mit Blick auf die spe87

Siehe hierzu auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 166. So etwa: Kayenburg et al., Offener Brief der Vertreter der Landtage und der unterzeichnenden Stellvertreter in der Föderalismuskommission II, Kom.-Drs. 100, S. 2. 89 So: Schneider, Schuldenregelungen des Bundes für die Haushaltswirtschaft der Länder, Kom.-Drs. Nr. 134, S. 27. 90 So: Kayenburg et al., Offener Brief der Vertreter der Landtage und der unterzeichnenden Stellvertreter in der Föderalismuskommission II, Kom.-Drs. 100, S. 2. 91 Kayenburg et al., Offener Brief der Vertreter der Landtage und der unterzeichnenden Stellvertreter in der Föderalismuskommission II, Kom.-Drs. 100, S. 2. 92 Kayenburg et al., Offener Brief der Vertreter der Landtage und der unterzeichnenden Stellvertreter in der Föderalismuskommission II, Kom.-Drs. 100, S. 2. 93 Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 153; A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 140 f. 88

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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zifische Schutzrichtung des Demokratieprinzips bzw. des Bundesstaatsprinzips: Das Demokratieprinzip schützt auch auf Landesebene die Einhaltung der demokratischen Legitimationskette; damit setzt das Demokratieprinzip im Kern einer Entmachtung der Länderparlamente bzw. einer Kompetenz- und Machtverschiebung zugunsten der jeweiligen Landesregierung Grenzen. In der vorliegenden Konstellation droht aber gerade keine Gefährdung des Budgetrechts der Länderparlamente durch eine Kompetenzübertragung auf die Landesregierungen; mit Blick auf die im Grundgesetz normierten Vorgaben der Schuldenbremse steht vielmehr die Frage im Raum, wo konkret die Grenze einer Machtverschiebung zwischen Bund und Ländern verläuft. Bei der Beantwortung dieser Frage stellt das Bundesstaatsprinzip den eigentlich einschlägigen Maßstab dar94. Sofern nach dem Bundesstaatsprinzip eine Regelung im Grundgesetz normiert werden darf, lässt sich auch aus der nach den Bestimmungen des Grundgesetzes vorgesehenen Beteiligung des Bundesrates bzw. der fehlenden Beteiligung der Landtage kein „Demokratiedefizit i. S. d. Art. 79 Abs. 3 GG“ 95 herleiten. Eine Verletzung des über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Demokratieprinzips ist demnach nicht festzustellen96.

C. Ergebnis Den vorstehenden Ausführungen lässt sich insgesamt entnehmen, dass der Vorwurf des „verfassungswidrigen Verfassungsrechts“ mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu Unrecht geäußert wird.

§ 2 Die Auswirkungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf die länderspezifischen Schuldenregelungen Vor der Föderalismusreform II fanden sich die maßgeblichen Bestimmungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung der Länder allein in landesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere in der jeweiligen Landesverfassung97 bzw. Landes94 Eingehend hierzu und mit weiteren Nachweisen: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 153 f.; A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 140 ff. 95 Siehe: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 167. Ebenso: A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 140. 96 Im Ergebnis ebenso, wenn auch mit teilweise sehr verschiedenen Argumenten: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 168; A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 142; Seiler, JZ 2009, 721 (727); Kube, in: Maunz/ Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118.; Lange, Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung zur Föderalismusreform II – Finanzthemen – am 4. Mai 2009, S. 7. 97 Zu den vor 2009 in den Landesverfassungen verankerten Schuldenregelungen siehe: Art. 84 S. 2 BaWüVerf; Art. 82 S. 1 BayVerf a. F.; Art. 87 Abs. 2 S. 2 BerlVerf; Art. 103 Abs. 1 S. 2 BdgVerf; Art. 131a S. 2 BremVerf; Art. 72 Abs. 1 HmbVerf a. F.;

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

haushaltsordnung. Im Zuge der Föderalismusreform II wurden erstmals in das Grundgesetz verbindliche und umfassende Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung auf Länderebene aufgenommen98. Hierdurch wurde mit Blick auf die Staatsverschuldung der Länder eine bedeutende Neuerung vollzogen. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, welche Konsequenzen sich aus dieser Neuerung für das auf Länderebene bestehende Staatsschuldenrecht ergeben. Das Ineinandergreifen der grundgesetzlichen und den auf Länderebene bestehenden Schuldenregelungen vermittelt insgesamt den Eindruck eines komplexen „Räderwerk[s]“ 99, das einer genaueren Betrachtung bedarf. Somit kann auf eine Auseinandersetzung mit den im Landesrecht verankerten Schuldenregelungen und ihrem Verhältnis zu den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG nicht vollständig verzichtet werden. Zur Vereinfachung beschränkt sich die nachstehende Untersuchung jedoch auf die Bestimmungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung in den jeweiligen Landesverfassungen; auf etwaige einfachgesetzliche Schuldenregelungen der Länder, beispielsweise in den Landeshaushaltsordnungen, wird hingegen nicht näher eingegangen.

A. Das Verhältnis zwischen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse und den auf Landesebene normierten Schuldenregelungen Das aufgezeigte Regelungsgeflecht zwischen der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse für die Länder und den auf Länderebene bestehenden Schuldenregelungen wirft einige bedeutsame Fragestellungen auf. Dies betrifft etwa das Problem, ob die bislang auf Länderebene normierten Schuldenregelungen infolge der Einführung der grundgesetzlichen Schuldenbremse möglicherweise als grundgesetzwidrig und nichtig einzustufen sind bzw. ob die Länder ihre bisherigen landes(verfassungs-)rechtlichen Schuldenregelungen an die in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Vorgaben anpassen müssen. Eine Untersuchung des Verhältnisses zwischen den grundgesetzlichen und den landesrechtlichen Schuldenregelungen würde sich von vornherein erübrigen, wenn die die Länder betreffenden Vorgaben der in Art. 109 Abs. 3 GG festgeArt. 141 S. 1 HessVerf a. F.; Art. 65 Abs. 2 MVVerf a. F.; Art. 71 S. 2, 3 NdsVerf; Art. 83 S. 2 NRWVerf; Art. 117 S. 2 RhPfVerf a. F.; Art. 108 Abs. 2 SaarlVerf; Art. 95 S. 2 SächsVerf a. F.; Art. 99 Abs. 2, 3 SAVerf; Art. 53 S. 2 SchlHVerf a. F.; Art. 98 Abs. 2, S. 2, 3 ThürVerf. 98 Siehe hierzu beispielsweise auch: Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (428). Kube spricht von einer „auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene neuartige[n] Bindung der Länder“, Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 118. 99 Siehe: Henneke, NdsVBl 2011, 329 (329).

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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schriebenen Schuldenbremse aufgrund einer Verletzung der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG verfassungswidrig und damit nichtig wären. Wie allerdings bereits herausgearbeitet worden ist, sind die Vorwürfe einer möglichen Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder letztlich unbegründet100. I. Exkurs: Einordnung der in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Vorgaben als Durchgriffsbzw. Normativbestimmung Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellungen ist zunächst zu klären, inwieweit die Vorgaben der gesamtstaatlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG als Durchgriffs- oder Normativbestimmung einzuordnen sind. Durchgriffsbestimmungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie unmittelbar in den Ländern gelten, ohne dass sie einer Umsetzung durch entsprechende landesverfassungsrechtliche oder landesrechtliche Bestimmungen bedürfen. Normativbestimmungen gelten hingegen gerade nicht unmittelbar auf Länderebene; sie richten sich vielmehr an den (verfassungsändernden) Landesgesetzgeber und setzten eine entsprechende Umsetzung in Landesrecht voraus101. Was die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für die Länder betrifft, lässt sich die nachstehende Zuordnung vornehmen: Der für die Länder in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG verankerte Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. das darin enthaltene grundsätzliche Neuverschuldungsverbot sind als bundesverfassungsrechtliche Durchgriffsbestimmung einzuordnen102. Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG, der explizit verlangt, dass „[d]ie Haushalte [. . . der] Länder grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“ sind103. Zum anderen wird diese Einordnung durch eine „systematische [. . .] Zusammenschau“ mit der Bestimmung des 100

Hierzu siehe hierzu die obigen Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit: 3. Teil

§ 1. 101 Gröpl, LKRZ 2010, 401 (402). Zu der Unterscheidung von Durchgriffs- und Normativbestimmungen siehe auch: Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 632 ff. Vgl. hierzu ferner die Ausführungen von Rozek: Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 36 ff., vor allem S. 40 f. 102 Ebenso beispielsweise: Berlit, SächsVBl 2010, 53 (56); Gröpl, LKRZ 2010, 401 (402); Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 10; Korioth, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform des Landtags Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3202, S. 4; Schliesky/Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 3. 103 Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 10.

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Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG gestützt: Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG überträgt in seinem ersten Halbsatz zwar den Ländern die nähere Ausgestaltung der im Grundgesetz normierten Vorgaben, verbindet dies in seinem zweiten Halbsatz allerdings mit der „ausdrücklichen und unverrückbaren Maßgabe“, dass dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG nur dann entsprochen wird, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden104. Die explizite Klarstellung des Art. 109 Abs. 3 S. 5 2. HS GG bekräftigt, dass dem Grundsatz des materiellen Haushaltsausgleichs bzw. dem Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung für die Länder der Charakter einer Durchgriffsbestimmung zukommt105. Aus der Einordnung als Durchgriffsbestimmung folgt, dass der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. das Verbot der strukturellen Neuverschuldung für die Länder unmittelbar, d. h. auch ohne eine entsprechende Umsetzung in Landesrecht, gilt. Zu einem anderen Ergebnis kommt man hingegen bezüglich der den Ländern im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse verbleibenden Neuverschuldungsmöglichkeiten, die ihnen durch Art. 109 Abs. 3 S. 2 und S. 5 2. HS GG eingeräumt werden: Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG gewährt den Ländern ausschließlich die Option, Ausnahmebestimmungen für konjunkturelle Schwankungen bzw. für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen vorzusehen106; dieser den Ländern eröffnete Neuverschuldungsspielraum ist gem. Art. 109 Abs. 3 S. 5 1. HS GG durch die Länder „im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ näher auszugestalten. Bei Art. 109 Abs. 3 S. 2 und S. 5 1. HS GG handelt es sich somit um Normativbestimmungen; damit die Länder die ihnen durch die grundgesetzliche Schuldenbremse gewährten Neuverschuldungsmöglichkeiten nutzen können, bedürfen sie noch einer entsprechenden Umsetzung auf Ebene des Landesverfassungsrechts bzw. des einfachen Landesgesetzes107. II. Verfassungswidrigkeit abweichender landesrechtlicher Schuldenregelungen Mit Blick auf das Verhältnis zwischen den im Grundgesetz normierten Vorgaben für die Länder und den auf Ebene des Landesrechts verankerten Schuldenregelungen drängt sich die Frage auf, was für Konsequenzen möglicherweise auf104 Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 10. 105 Siehe auch: Gröpl, LKRZ 2010, 401 (402). Vgl. hierzu auch Korioth, der zu dem Ergebnis kommt, dass der „Charakter der Vorgabe des Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG“ letztlich „nicht deutlich“ sei. Während Art. 109 Abs. 3 S. 5 2. HS GG für eine bundesverfassungsrechtliche Durchgriffsbestimmung spreche, weise Art. 109 Abs. 3 S. 5 1. HS GG hingegen eher den Charakter einer Normativbestimmung auf: Korioth, JZ 2009, 729 (731). 106 Siehe hierzu oben: 2. Teil § 2 B. IV. 3. und 4. 107 Berlit, SächsVBl 2010, 53 (56); siehe auch: Gröpl, LKRZ 2010, 401 (402).

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tretende inhaltliche Diskrepanzen zwischen den grundgesetzlichen und den landesrechtlichen Bestimmungen nach sich ziehen. Von besonderem Interesse ist, ob bzw. inwieweit von den grundgesetzlichen Bestimmungen abweichende landesrechtliche Schuldenregelungen verfassungswidrig und damit nichtig sind. Augenblicklich ist diese Frage noch nicht von hoher praktischer Relevanz: Gem. Art. 143d Abs. 1 S. 3 und 4 GG können die Länder von den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG noch bis zum 31. Dezember 2019 nach Maßgabe ihrer jeweils geltenden landesrechtlichen Bestimmungen abweichen; sie müssen lediglich sicherstellen, dass sie ab dem Haushaltsjahr 2020 die Anforderungen des Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG erfüllen können. Hieraus ergibt sich, dass eine mögliche Derogation abweichender landesrechtlicher Schuldenregelungen letztlich erst ab 2020 droht108. Ab 2020 könnte diese Frage allerdings erhebliche Bedeutung erlangen. Dies betrifft beispielsweise den Fall, dass es einzelne Bundesländer unterlassen könnten, ihre bislang geltenden, landesverfassungsrechtlich normierten Schuldenregelungen an die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse anzupassen. Die Antwort auf die Frage, was für Folgen sich bei inhaltlichen Abweichungen zwischen den grundgesetzlichen und den landesrechtlichen Schuldenregelungen – gerade auch mit Blick auf die bislang in den Landesverfassungen normierten Bestimmungen – ergeben, lässt sich im Wesentlichen auf die nachstehende Aussage reduzieren: Soweit landes(verfassungs-)rechtliche Schuldenregelungen in einem Widerspruch zu dem für die Länder im Grundgesetz verankerten strukturellen Neuverschuldungsverbot stehen, sind sie als (bundes-)verfassungswidrig und damit als nichtig einzustufen. Diese Konsequenz droht auch den bislang geltenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, sofern eine Anpassung an die grundgesetzlichen Vorgaben unterbleiben sollte: Die in den verschiedenen Landesverfassungen normierten bisherigen Schuldenregelungen lassen überwiegend eine Neuverschuldung des jeweiligen Bundeslandes bis zu der Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen oder zur Deckung eines außerordentlichen Bedarfs zu109; insoweit sind sie mit dem grundgesetzlich vorgeschriebenen strukturellen Neuverschuldungsverbot unvereinbar und demnach als grundgesetzwidrig und nichtig einzustufen110. Bezüglich der Begründung dieses Ergebnisses werden im 108 Eingehend zu der Wirkung der Übergangsregelungen in Art. 143d Abs. 1 S. 3 und 4 GG, insbesondere mit einem Überblick über die im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vertretenen, im Detail voneinander abweichenden Ansätze und mit weiteren Nachweisen siehe: Henneke, NdsVBl 2011, 329 (332 ff., vor allem 333 f.). Anders wohl Ipsen, der speziell mit Blick auf Art. 71 NdsVerf bereits ab 2011 eine Derogation durch die grundgesetzlichen Bestimmungen annimmt: Ipsen, Niedersächsische Verfassung, Kommentar, 2011, Art. 71, Rn. 22. 109 Zu den bislang geltenden landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen siehe oben: 2. Teil § 1 C. III. 110 Ebenso, speziell mit Blick auf die bisherigen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, siehe beispielsweise: Schliesky, Anhörung zum Gesetzentwurf der Fraktio-

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Detail verschiedene Ansätze vertreten: Zum Teil wird ein Vorrang des grundgesetzlichen Verbots struktureller Neuverschuldung gegenüber entgegenstehenden landesrechtlichen Schuldenregelungen unmittelbar aus Art. 109 Abs. 3 GG, konkret aus dem Charakter dieses Verbots als Durchgriffsbestimmung, hergeleitet111. Durchgriffsbestimmungen zeichneten sich dadurch aus, dass sie sowohl entgegenstehendes Bundes- als auch entgegenstehendes Landesrecht brächen; in Bezug auf abweichendes Landesrecht bedürfe es somit keines Rückgriffs auf die Regelung des Art. 31 GG112. Zum Teil wird aber auch darauf verwiesen, dass sich ein Vorrang des grundgesetzlichen Verbots struktureller Neuverschuldung erst mittelbar über Art. 31 GG113 („Bundesrecht bricht Landesrecht.“) ergebe114. Da diese Meinungsverschiedenheit das Ergebnis insgesamt unberührt lässt, kann an dieser Stelle auf eine nähere Diskussion verzichtet werden.

nen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen, Hessischer Landtag, Ausschussvorlage HAA/18/10 und HHA/18/51, Teil 1, 90 (90 f.); Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 10 f.; Schliesky/ Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 3; Kube, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83)“, Landtag NordrheinWestfalen, Stellungnahme 14/3206, S. 4. A.A.: Berlit, der die neuen Anforderungen des Art. 109 Abs. 3 GG „geltungserhaltend in das bisherige Landesverfassungsrecht inkorporieren“ will, Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (322 f.). 111 Unmittelbar auf Art. 109 Abs. 3 GG abstellend beispielsweise: Schliesky/Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 3; Korioth, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform des Landtags Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3202, S. 4. 112 So: Schliesky/Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 3. 113 Konkret mit Blick auf Art. 31 GG ist im Detail fraglich, ob sich hieraus letztlich ein Geltungs- oder nur ein Anwendungsvorrang ergibt: So kommt beispielsweise Häde über Art. 31 GG zu dem Ergebnis, dass entgegenstehende landes(verfassungs-)rechtliche Schuldenregelungen lediglich „nicht mehr anwendbar“ seien: Häde, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses und des Innen- und Rechtsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags am 25. März 2010 zur „Schuldenbremse“, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/536, S. 2. Eingehend zu der Fragestellung, ob Art. 31 GG einen Geltungs- oder Anwendungsvorrang von Bundesrecht gegenüber Landesrecht nach sich zieht, siehe etwa: Bernhardt/Sacksofsky, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 84. Erg.-Lfg., 1998, Art. 31, Rn. 54 ff.; Sacksofsky, NVwZ 1993, 235 (238 f.). 114 Auf Art. 31 GG abstellend beispielsweise: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung,?, S. 385; Tappe, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 432 (452); Berlit, SächsVBl 2010, 53 (56); Kube, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83)“, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3206, S. 4; Pünder, Stellungnahme zur geplanten Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Hessen, Hessischer Landtag, Ausschussvorlage HAA/18/10 und HHA/18/51, Teil 4, 334 (340).

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III. Pflicht zur Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse? Wie sich den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, droht den bislang geltenden Schuldenregelungen der Landesverfassungen, soweit sie dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. dem strukturellen Neuverschuldungsverbot widersprechen, die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich aus Art. 109 Abs. 3 GG für die Länder eine Verpflichtung zur Anpassung ihrer bisherigen in den Landesverfassungen verankerten Schuldenregelungen an die grundgesetzlichen Vorgaben der Schuldenbremse ergibt. Im Ergebnis ist die Annahme einer derartigen Verpflichtung zurückzuweisen. Gegen eine Verpflichtung zur Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die grundgesetzliche „Schuldenbremse“ spricht das folgende Argument: Im Einzelfall kann die Erfüllbarkeit dieser Verpflichtung für das jeweilige Bundesland durchaus fraglich sein kann. Es erscheint beispielsweise vorstellbar, dass die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit in dem betreffenden Landtag nicht erreichbar ist oder dass der für die Änderung einer Landesverfassung erforderliche Volksentscheid scheitert. Der Bund kann aber die Länder nicht verpflichten und dazu zwingen, eine Änderung ihrer Landesverfassungen vorzunehmen, wenn es ihnen gegebenenfalls unmöglich ist, die für eine Verfassungsänderung erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen115. Darüber hinaus scheint für eine derartige Verpflichtung keine Notwendigkeit vorzuliegen: Der zentrale Kern der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. das strukturelle Neuverschuldungsverbot, bindet als bundesverfassungsrechtliche Durchgriffsbestimmung den Landeshaushaltsgesetzgeber unmittelbar, ohne dass es hierfür einer entsprechenden Umsetzung in Landesrecht bedarf 116. Die Notwendigkeit einer landes(verfassungs-)rechtlichen Regelung ergibt sich auch nicht zwingend aus

115 So etwa Schneider: „Sämtliche Länder haben aber seit langem eigene Schuldenbremsen in ihre Verfassungen aufgenommen, die, würden sie nicht entsprechend angepasst, in Widerspruch zu dem vom Bund verordneten Verschuldungsverbot treten müssten. Der Bund kann die Länder aber nicht zwingen, ihre Verfassungen zu ändern, wenn es in den Landesparlamenten an den dazu erforderlichen Zweidrittelmehrheiten fehlt.“, Schneider, Selbstmord der Kostgänger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juni 2009, Nr. 138, S. 8; vgl. auch: Schneider, ZSE 2008, 331 (338 f.). Zustimmend: Schemmel, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern, S. 36 f. Zu den Schwierigkeiten siehe auch: Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (324). 116 Zu der Einordnung als Durchsgriffsbestimmung: 3. Teil § 2 A. I. Siehe hierzu beispielsweise auch: Schemmel, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern, S. 37.

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Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG: Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG spricht lediglich davon, dass der Bund und die Länder bestimmte Ausnahmebestimmungen vorsehen „können“; sieht ein Land von der Normierung einer entsprechenden Ausnahmeregelung für konjunkturelle Schwankungen bzw. für Naturkatastrophen bzw. außergewöhnliche Notsituationen ab, so folgt aus Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG keine Verpflichtung zum Erlass etwaiger landes(verfassungs-)rechtlicher Bestimmungen117. Etwas anderes kann sich allein mit Blick auf Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG ergeben, der den Ländern ausdrücklich die nähere Ausgestaltung der grundgesetzlichen Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG für ihre Haushalte überträgt. Allerdings wird man auch aus Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG keine Verpflichtung der Länder zur Anpassung ihres Landesverfassungsrechts ableiten können: Zum einen legt Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG nicht fest, auf welcher normhierarchischen Ebene die nähere Ausgestaltung durch die Länder vorgenommen werden muss118; zum anderen kann gegebenenfalls, etwa wenn die Länder auf die Normierung jeglicher Ausnahmebestimmung verzichten, sogar das rechtliche Bedürfnis für eine „nähere Ausgestaltung“ nach Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG entfallen119. Eine Verpflichtung der Länder, ihr landesverfassungsrechtliches Staatsschuldenrecht an die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse anzupassen, lässt sich Art. 109 Abs. 3 GG folglich nicht entnehmen. Nichtsdestotrotz ist eine Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die grundgesetzlichen Vorgaben der Schuldenbremse aus verschiedenen Gründen als vorteilhaft und wünschenswert anzusehen120: Wie bereits herausgearbeitet wurde, entsprechen die bislang geltenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen nicht dem in der grundgesetzlichen Schuldenbremse verankerten Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. dem für die Länder geltenden Verbot der strukturellen Neuverschuldung und sind demnach grundgesetzwidrig und nichtig121. Gerade aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erscheint es demnach geboten, diese nichtigen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen – zumindest über 2020 hinaus – nicht länger beizubehalten sondern vielmehr in grundgesetzkonformer Weise an die 117

So auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 386. Siehe beispielsweise: Reimer, Rechtliche Aspekte der Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Hessen, Hessischer Landtag, Ausschussvorlage HAA/18/10 und HHA/18/51, Teil 5, 396 (397 und 399); Pünder, Stellungnahme zur geplanten Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Hessen, Hessischer Landtag, Ausschussvorlage HAA/18/10 und HHA/18/51, Teil 4, 334 (355). 119 So auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 386. 120 Ebenso beispielsweise: Tappe, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses, Hessischer Landtag, Ausschussvorlage HAA/18/10 und HHA/18/ 51, Teil 2, 237 (239); Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (323 f.). Eingehend hierzu siehe auch: Schemmel, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern, S. 36 ff. 121 Hierzu siehe oben: 3. Teil § 2 A. II. 118

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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Vorgaben der Schuldenbremse anzupassen122. Die Aufrechterhaltung grundgesetzwidriger und nichtiger Bestimmungen, d. h. die Beibehaltung „toten Rechts“ in den Verfassungen der Länder, ist in der Praxis zwar nicht unüblich123, wird der Bedeutung einer Landesverfassung als selbständiger staatlicher Grundordnung aber nicht gerecht124. Des Weiteren ist der nachfolgende Gesichtspunkt zu berücksichtigen: Für den Fall, dass sich ein Land für die Normierung von Ausnahmebestimmungen i. S. d. Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG bzw. für eine nähere Ausgestaltung der Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse entscheidet, ist es empfehlenswert, die zentralen Bestimmungen dieser landesspezifischen Schuldenbremse auch tatsächlich in der jeweiligen Landesverfassung zu verankern. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Landtag bei der Haushaltsgesetzgebung nicht an andere, von ihm selbst erlassene einfachgesetzliche Bestimmungen, beispielsweise in der Landeshaushaltsordnung, gebunden ist; Landeshaushaltsordnung und Haushaltsgesetz stehen in der Normhierarchie vielmehr auf derselben Ebene, sodass sich der Landeshaushaltsgesetzgeber ohne Weiteres über die in der Landeshaushaltsordnung festgesetzten Vorgaben hinwegsetzen könnte. Um eine Bindung des Landeshaushaltsgesetzgebers an die von den Ländern vorgenommenen Konkretisierungen und näheren Ausgestaltungen sicherzustellen, sollte demnach eine landesverfassungsrechtliche Verankerung erfolgen125. Ferner spricht für eine Verankerung von an die grundgesetzlichen Vorgaben angepassten Schuldenregelungen auf der Ebene der Landesverfassung der Gesichtspunkt der Justiziabilität; nur wenn die landesspezifischen Schuldenregelungen in der jeweiligen Landesverfassung festgeschrieben sind, können sie unzweifelhaft als Prüfungsmaßstab einer landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle dienen126.

122 So: Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (323). Eingehend mit der Missbrauchsgefahr im Falle einer unveränderten Beibehaltung der überholten landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen beschäftigt sich beispielsweise Schemmel: Schemmel, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern, S. 36 ff. 123 Ein besonders prominentes Beispiel ist Art. 21 Abs. 1 HessVerf, der entgegen Art. 102 GG die Todesstrafe zulässt. 124 So: Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 10 f.; vgl. auch: Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (431). 125 Eingehend hierzu: Reimer, Rechtliche Aspekte der Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Hessen, Hessischer Landtag, Ausschussvorlage HAA/18/10 und HHA/18/51, Teil 5, 396 (398 f.). Zum Teil wird aus diesem Argument im Ergebnis ein Auftrag zur Verfassungsänderung abgeleitet. Siehe beispielsweise: Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (432); Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag NordrheinWestfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 6 f. 126 Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (323 f.).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Eine Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die grundgesetzlichen Bestimmungen der Schuldenbremse ist demnach für die Länder zwar nicht verpflichtend, gleichwohl aber als zweckmäßig einzustufen.

B. Regelungs- und Ausgestaltungsmöglichkeiten für eine Anpassung der landesrechtlichen Schuldenregelungen Da den Ländern eine Anpassung ihrer landesrechtlichen, vor allem ihrer landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die Vorgaben der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG anzuraten ist, sind nachfolgend einige regelungstechnische und inhaltliche Ausgestaltungsmöglichkeiten der Länder für eine derartige Anpassung zu erörtern. I. Regelungstechnische Ausgestaltungsmöglichkeiten Von Interesse sind zunächst die regelungstechnischen Ausgestaltungsmöglichkeiten, die den Ländern bei einer Anpassung ihrer landesrechtlichen Schuldenregelungen an die in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Vorgaben zur Verfügung stehen. Sofern die Länder eine Anpassung ihrer Schuldenregelungen an die grundgesetzlichen Vorgaben der Schuldenbremse nicht nur auf einfachgesetzlicher Ebene, sondern gerade auf der Ebene ihrer Landesverfassungen anstreben, ist die grundsätzliche „Arbeitsteilung zwischen Verfassung und Gesetz“ 127 zu berücksichtigen. Die neu gefassten landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen sind möglichst „schlank“ zu halten; die Aufteilung zwischen der verfassungsrechtlichen und der einfachgesetzlichen Ebene hat sich einerseits an „Bedeutung“, andererseits an „Komplexität“ und „Detaillierungsgrad“ der Regelungsmaterie zu orientieren128. Speziell mit Blick auf eine Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die im Grundgesetz normierten Vorgaben werden vor allem zwei regelungstechnische Ausgestaltungsansätze diskutiert129: Möglich erscheint es, dass die Länder in ihre jeweilige Landesverfassung neu gefasste, eigenständige Schuldenregelungen integrieren, die sich mehr oder weniger eng an den Be127 Korioth, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform des Landtags Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3202, S. 5. 128 So: Kube, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83)“, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3206, S. 5 f. 129 Siehe hierzu auch: Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (324 f.).

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stimmungen des Art. 109 Abs. 3 GG orientieren. Alternativ ist auch erwogen worden, eine Verweisung auf Art. 109 Abs. 3 GG in die jeweilige Landesverfassung zu übernehmen130. Der Regelungsansatz einer Verweisungsnorm lässt einige bedeutsame Vorteile erkennen: Er entspricht in besonderer Weise den oben genannten Anforderungen einer „schlanken“ verfassungsrechtlichen Bestimmung131. Zudem kann es bei einer Anwendung der Verweisungstechnik nicht zu ungewollten Diskrepanzen und Kollisionen zwischen den angepassten landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen und den grundgesetzlichen Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG kommen, sodass das Risiko einer versehentlich auftretenden Grundgesetzwidrigkeit minimiert wird. Darüber hinaus wird so ein einheitliches Verständnis und eine kongruente Anwendung der Schuldenregelungen auf Bundes- und Länderebene gefördert132. Gegen die regelungstechnische Ausgestaltung in Form einer Verweisung auf Art. 109 Abs. 3 GG sprechen allerdings schwerwiegende Argumente: Zunächst trägt die Einführung einer landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelung, die nicht aus sich selbst heraus verständlich ist bzw. deren Inhalt sich nur zusammen mit der in Bezug genommenen Grundgesetzbestimmung erschließt, dem Charakter einer Landesverfassung als eigenständiger staatlicher Grundordnung möglicherweise nicht ausreichend Rechnung133. Ferner drohen Unsicherheiten, wenn die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG durch eine zukünftige Grundgesetzänderung erneut reformiert werden sollten. In diesem Fall wäre zweifelhaft, ob sich der landesverfassungsrechtliche Verweis weiterhin auf die bisherigen grundgesetzlichen Bestimmungen des Art. 109 Abs. 3 GG a. F. (statische Verweisung) oder auf die reformierten Regelungen (dynamische Verweisung) beziehen wür130 So etwa der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83), LT-Drs. 14/10358. Nach diesem Entwurf sollte Art. 83 Abs. 3 LV NW folgendermaßen gefasst werden: „Ab dem 1. Januar 2020 sind die in Artikel 109 Absatz 1 bis 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland festgelegten Regelungen und Ausnahmen zur Begrenzung der Kreditaufnahme Bestandteil dieser Verfassung und unmittelbar geltendes Landesrecht; das Nähere wird durch Gesetz geregelt.“ 131 So auch Birk/Tappe, die den entsprechenden Regelungsvorschlag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen allerdings letztlich sogar als „mager“ einstufen: Birk/ Tappe, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses, des Haushaltsund Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform am 25.2.2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3250, S. 6. 132 Hierzu: Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (324). 133 Kritisch hierzu etwa: Birk/Tappe, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform am 25.2.2010, Landtag NordrheinWestfalen, Stellungnahme 14/3250, S. 11; Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 8.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

de134. Darüber hinaus könnten durch einen pauschalen Verweis auf Art. 109 Abs. 3 GG gegebenenfalls auch solche Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse mitumfasst werden, deren Inbezugnahme durch eine landesverfassungsrechtliche Norm keinen Sinn ergeben würde. Dies gilt vor allem für die Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 S. 4 GG, die allein eine Regelung für den Bund und nicht für die Länder trifft, sowie für die Bestimmung des Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG, die den Ländern explizit die nähere Ausgestaltung der grundgesetzlichen Vorgaben „im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen“ überträgt135. Eine allgemeine Verweisung auf Art. 109 Abs. 3 GG führt zudem zu einem weiteren, letztlich wohl nicht gewünschten Ergebnis: Aus einem landesverfassungsrechtlichen Verweis auf Art. 109 Abs. 3 GG folgt streng genommen, dass allein die Optionen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG zum Erlass einer Konjunkturkomponente und einer Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen in die jeweilige Landesverfassung übernommen werden; die nach Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG zulässigen Ausnahmeregelungen werden hingegen durch eine bloße Verweisungsnorm nicht geschaffen136. Der regelungstechnische Ansatz, eine Anpassung der landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen an die in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Vorgaben über eine Verweisungsnorm herbeizuführen, begegnet folglich gravierenden Bedenken137. Vorzugswürdig erscheint somit, dass die Länder eine Anpassung an

134 Birk/Tappe, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform am 25.2.2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3250, S. 11 f.; Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 7. 135 Siehe hierzu: Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 7. 136 Ebenso: Birk/Tappe, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform am 25.2.2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3250, S. 11. A.A. wohl Wernsmann, der vertritt, dass einer Verweisungsnorm gegebenenfalls durch Auslegung zu entnehmen ist, dass von den Optionen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG Gebrauch gemacht werden sollte: Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag NordrheinWestfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 11. 137 Im Ergebnis ebenso: Wernsmann, Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses am 25. Februar 2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3273, S. 7 f.; Birk/Tappe, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform am 25.2.2010, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3250, S. 11 f.; Kube, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83)“, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3206, S. 4; Häde, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses und des Innenund Rechtsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags am 25. März 2010 zur „Schuldenbremse“, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/536, S. 3.

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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die grundgesetzlichen Bestimmungen der Schuldenbremse über die Normierung eigenständiger landesverfassungsrechtlicher Schuldenbremsen vornehmen. II. Inhaltliche Ausgestaltungsmöglichkeiten Neben den regelungstechnischen sind auch die inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Länder bei einer Anpassung ihrer landes(verfassungs-)rechtlichen Schuldenregelungen zu untersuchen: Die grundgesetzliche Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG enthält zwar für die Länder spezifische Vorgaben und Grenzen; nach dem eindeutig geäußerten Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers gibt Art. 109 Abs. 3 GG den Ländern für den Bereich der Staatsverschuldung jedoch „lediglich einen Rahmen“ vor138. Dieser Rahmen wird für die Länder zum einen aus dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. dem Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 S. 1 und 5 2. HS GG gebildet; zum anderen setzt er sich aus den in Art. 109 Abs. 3 S. 2, 3 GG abschließend aufgeführten und durch nähere Voraussetzungen konkretisierten Optionen für Ausnahmeregelungen zusammen, die die verbleibenden Neuverschuldungsmöglichkeiten der Länder festlegen. Innerhalb des durch Art. 109 Abs. 3 GG vorgegebenen Rahmens können die Länder selbstständige und eigene Ausgestaltungen und Konkretisierungen wählen. Nachfolgend sollen einige der besonders wichtigen und bedeutenden Regelungs- und Ausgestaltungsspielräume der Länder exemplarisch genannt werden139: – Kein Regelungsspielraum steht den Ländern bezüglich des in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG normierten Grundsatzes des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. des sich für die Länder hieraus ergebenden strukturellen Neuverschuldungsverbots zu140. Insbesondere können die Länder nicht eine mit dem Bund vergleichbare Strukturkomponente einführen. Auch an dieser Stelle bestehen jedoch gewisse Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Länder141: Dies betrifft insbesondere die Frage nach einer Bereinigung 138

So: BT-Drs. 16/12410, S. 6. Zu den Regelungsspielräumen der Länder und den nachfolgenden Punkten siehe beispielsweise: Schliesky/Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 4 f.; Kube, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83)“, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3206, S. 5 f.; Korioth, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Hauptausschusses, des Haushalts- und Finanzausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform des Landtags Nordrhein-Westfalen, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3202, S. 5 f.; Truger, Umsetzung der Schuldenbremse in Landesrecht: Vom Grundgesetz gewährte Spielräume konstruktiv nutzen, IMK Policy Brief, 2012, S. 7 ff., Berlit, SächsVBl 2010, 53 (58 ff.); Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2564 f.). 140 So etwa: Schliesky/Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 5. 141 Siehe hierzu etwa: Berlit, SächsVBl 2010, 53 (58). 139

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen auf Länderebene; den Ländern verbleibt die freie Entscheidung darüber, ob bzw. wie sie eine Bereinigung der Ausgaben und Einnahmen um finanzielle Transaktionen vorsehen wollen. Darüber hinaus können die Länder den Begriff der „Kredite“ bzw. „Einnahmen aus Krediten“ auf Länderebene näher ausgestalten und regeln. Hierbei kann der Landes(verfassungs-)gesetzgeber beispielsweise Regelungen treffen, nach denen bestimmte problematische Finanzierungsvorgänge, etwa Leasinggeschäfte, sale-and-lease-back-Geschäfte und Konstellationen unter Einbeziehung von Public-Private-Partnership-Projekten, als „Kredite“ bzw. als „Einnahmen aus Krediten“ einzuordnen bzw. mit diesen gleichzustellen sind. – Mit Blick auf die durch Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG eröffneten Neuverschuldungsmöglichkeiten, steht es den Ländern vollständig frei, ob sie von diesen Optionen überhaupt Gebrauch machen wollen. Sie haben demnach die Wahl, ob sie in ihr jeweiliges Landesrecht eine Konjunkturkomponente und/oder Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen aufnehmen oder ob sie auf die Normierung entsprechender Ausnahmeregelungen verzichten wollen. Dies ergibt sich bereits aus dem optionalen Charakter der in Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG vorgesehenen Ausnahmeregelungen142. – Sofern sich ein Land dafür entscheidet, auf der Grundlage des Art. 109 Abs. 3 S. 2, 3 GG eine Konjunkturkomponente und/oder Ausnahmebestimmung für Naturkatastrophen bzw. außergewöhnliche Notsituationen vorzusehen, bietet sich diesem Bundesland ein nicht unbedeutender Ausgestaltungs- und Konkretisierungsspielraum bezüglich der Frage, wie es von den Optionen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG Gebrauch machen will: Bei der Konjunkturkomponente bleibt es etwa den Ländern überlassen, inhaltlich näher auszugestalten, wann eine „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“ vorliegt und nach welchen Kriterien und Daten dies zu ermitteln ist; einer näheren Ausgestaltung durch die Länder obliegt im Rahmen der Konjunkturkomponente zudem, wie die symmetrische Rückführung konjunkturell bedingter Schulden erfolgen soll143. Mit Blick auf die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen besteht ein Ausgestaltungs- und Konkretisierungsspielraum unter anderem hinsichtlich des Begriffs der „außergewöhnlichen Not142 Zu dem optionalen Charakter der in Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG vorgesehenen Ausnahmeregelungen siehe auch oben: 2. Teil § 2 B. IV. 3. und 4. 143 Siehe hierzu etwa: Berlit, SächsVBl 2010, 53 (58 f.). Eingehend zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten der Konjunkturkomponente für die Länder siehe beispielsweise auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1335); Buscher/Fries, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2012, 367 (368 ff.); Truger, Umsetzung der Schuldenbremse in Landesrecht: Vom Grundgesetz gewährte Spielräume konstruktiv nutzen, IMK Policy Brief, 2012, S. 9 ff.

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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situationen“ sowie hinsichtlich der gem. Art. 109 Abs. 3 S. 3 GG verpflichtend vorzusehenden Tilgungsbestimmung für diese Notlagenkredite. Darüber hinaus können die Länder beispielsweise auch über die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG hinausgehende verfahrensrechtliche Anforderungen, z. B. ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis bei der Beschlussfassung des jeweiligen Landtags, für die Inanspruchnahme der genannten Ausnahmeregelung einführen144. – Ein Regelungs- und Ausgestaltungsspielraum der Länder ist ferner bezüglich möglicher Kontroll- und Rückführungsbestimmungen eröffnet: Es bleibt den Ländern überlassen Regelungen zu normieren, die eine Kontrolle des Haushaltsvollzugs vorsehen und einen Ausgleich etwaiger Abweichungen der tatsächlichen von der zulässigen Kreditaufnahme sicherstellen145. – Zuletzt steht es den Ländern frei, in ihren landesrechtlichen Bestimmungen die für sie geltenden Übergangsbestimmung des Art. 143d Abs. 1 S. 3 und 4 GG zu verschärfen und insbesondere ein Inkrafttreten des Gebots des strukturell ausgeglichenen Haushalts bereits vor 2020 festzuschreiben. Die Länder sind innerhalb ihres Regelungsspielraums in keiner Weise verpflichtet, sich bei der Ausgestaltung ihrer landesverfassungsrechtlichen Schuldenbremsen bzw. ihren hierauf aufbauenden einfachgesetzlichen Bestimmungen nach den für den Bund auf bundesrechtlicher Ebene bereits näher konkretisierten Schuldenregelungen des Art. 115 Abs. 2 GG bzw. des Ausführungsgesetzes zu Art. 115 GG zu richten146. Nicht zuletzt im Interesse der Rechtseinheitlichkeit und Rechtssicherheit kann eine enge Anlehnung an die für den Bund normierten Regelungen allerdings sinnvoll und empfehlenswert sein: Für den Fall, dass die Länder innerhalb ihres Regelungs- und Gestaltungsspielraums die für den Bund gewählten Konkretisierungen und Ausgestaltungen übernehmen, können sie insbesondere von dem „Rechtsanwendungs- und Rechtsfortbildungsprozess auf Bundesebene profitieren, sich etwa an entsprechenden Normauslegungen in der – auch judikativen – Praxis orientieren“ 147. Fest steht allerdings auch, dass diejenigen bundesrechtlichen Bestimmungen, die in irgendeiner Weise einen strukturellen Neuverschuldungsspielraum des Bundes schaffen oder einen solchen voraussetzen, für die Länder gerade nicht oder zumindest nicht unverändert übernommen werden können148. 144 Siehe hierzu etwa: Schliesky/Tallich, Stellungnahme, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 17/599, S. 5; Berlit, SächsVBl 2010, 53 (59 f.). 145 Siehe hierzu etwa: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2565). 146 Siehe exemplarisch: Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (433). 147 So: Kube, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (Art. 83)“, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/3206, S. 6. 148 Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (433).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

C. Übersicht über den Stand der Entwicklung auf Landesebene (Stand: April 2014) Im Zuge der Föderalismusreform II hat auf der Ebene der Länder ein Trend zur Reformierung des eigenen länderspezifischen Staatsschuldenrechts eingesetzt, der bis zum heutigen Tag noch nicht in allen Bundesländern vollständig abgeschlossen ist. Nachfolgend soll ein Überblick über den gegenwärtigen Stand der noch andauernden Entwicklung gegeben werden: Insgesamt sieben Bundesländer haben im Anschluss an die Föderalismusreform II bereits eine Anpassung ihrer in den Landesverfassungen verankerten Schuldenregelungen durchgeführt149. Die verbleibenden neun Bundesländer haben demgegenüber ihre alten landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen bislang beibehalten. Innerhalb dieser zweiten Gruppe von Bundesländern ist weiter zu differenzieren: Einige Bundesländer haben angesichts der in Art. 109 Abs. 3 GG normierten Vorgaben der Schuldenbremse wenigstens auf einfachgesetzlicher Ebene, konkret in den Landeshaushaltsordnungen, ihre Schuldenregelungen reformiert. In anderen Ländern ist hingegen bis heute eine Anpassung des landesspezifischen Staatsschuldenrechts unterblieben150. Im Folgenden soll speziell die Rechtslage in denjenigen Ländern näher untersucht werden, die bereits eine Reform ihrer landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen vorgenommen haben: Hierbei sind vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen gerade die zentralen Charakteristika der in die jeweiligen Landesverfassungen aufgenommenen Bestimmungen herauszuarbeiten; auf eine Auseinandersetzung mit den zu diesen landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen bereits partiell erlassenen einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmungen der Länder soll demgegenüber verzichtet werden. I. Allgemeine Vorbemerkungen Seit der Föderalismusreform II haben bereits sieben Bundesländer ihre landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen an die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG angepasst. Dass ausgerechnet Schleswig-Holstein die Vorreiterrolle übernommen 149

Siehe hierzu eingehend die nachfolgenden Ausführungen. Zu den Ländern, die ihre Landeshaushaltsordnung angepasst haben zählen: Baden-Württemberg (siehe: § 18 LHO), Sachsen-Anhalt (siehe: § 18 LHO), Thüringen (siehe: § 18 LHO). Bremen und Niedersachsen haben in ihren Landeshaushaltsordnungen vorübergehende Bestimmungen bis 2020 getroffen: Bremen (siehe: § 18a LHO), Niedersachsen (siehe: § 18a LHO). Zu den Ländern, die bislang keine Anpassung vorgenommen haben zählen: Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland. Ein detaillierter Überblick über die Entwicklung der Reformen auf Länderebene, allerdings mit Stand August 2011 findet sich bei Schemmel, der die Länder in insgesamt drei Gruppen einteilt: Schemmel, Grenzen der Staatsverschuldung in den Bundesländern, S. 6 ff., vor allem S. 15. 150

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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hat und als erstes Land seine landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen entsprechend der grundgesetzlichen Schuldenbremse reformierte151, ist auf den ersten Blick überraschend152: Gerade der Landtag von Schleswig-Holstein sah durch die grundgesetzliche Verankerung der auch für die Länder geltenden Schuldenbremse die Länderstaatlichkeit und damit die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG verletzt und bemühte sich sogar um eine bundesverfassungsgerichtliche Überprüfung153. Auf den zweiten Blick ist die Aufnahme einer eigenen Schuldenbremse in die Landesverfassung – zeitgleich zu dem Protest gegen die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse für die Länder – allerdings ein logischer und nachvollziehbarer Schritt: Durch diese Vorgehensweise konnte Kritik an den im Grundgesetz verankerten Neuverschuldungsgrenzen für die Länder geübt werden, ohne dass man sich zugleich dem Vorwurf aussetzte, es fehle lediglich an der Bereitschaft sich entsprechend strikten Schuldenregelungen zu unterwerfen154. Bei den anderen Bundesländern, die sich bislang für eine Reform ihres landesverfassungsrechtlichen Staatsschuldenrechts entschieden haben, handelt es sich – in chronologischer Reihenfolge – um Rheinland-Pfalz155, Hessen156, Mecklenburg-Vorpommern157, Hamburg158 und Sachsen159. Zuletzt wurde in Bayern am 20. Juni 2013 vom Landtag und am 15. September 2013 per Volksentscheid die Einführung einer Schuldenbremse in die Landesverfassung beschlossen160. 151 Art. 53 SchlHVerf neu gefasst mit Wirkung vom 27. August 2010 durch das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung vom 22. Juli 2010, Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 2010, S. 550. 152 Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Thye: Thye, NordÖR 2011, 160 (160 f.). 153 Siehe hierzu: Schleswig-Holsteinischer Landtag, LT-Drs. 16/2747 und 16/2844. 154 So auch: Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (317). 155 Art. 117 RhPfVerf neu gefasst mit Wirkung vom 31. Dezember 2010 durch das Siebenunddreißigste Landesgesetz zur Änderung der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 23. Dezember 2010, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz 2010, S. 547. 156 Art. 141 HessVerf neu gefasst mit Wirkung vom 10. Mai 2011 durch das Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen (Aufnahme einer Schuldenbremse in Verantwortung für kommende Generationen – Gesetz zur Schuldenbremse) vom 29. April 2011, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Teil I 2011, S. 182. 157 Art. 65 Abs. 2 MVVerf neu gefasst mit Wirkung vom 1. Januar 2020 durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Juni 2011, Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern 2011, S. 375. 158 Art. 72 Abs. 1 HmbVerf neu gefasst, Abs. 2–4 eingeführt, bisherige Abs. 2–4 werden Abs. 5–7 und neuer Abs. 5 geändert mit Wirkung vom 1. Januar 2020 durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 19. Juni 2012, Hamburgisches Gesetz- und Verordungsblatt Teil I 2012, S. 253 f. 159 Art. 95 SächsVerf neu gefasst mit Wirkung vom 1. Januar 2014 durch das Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen (Verfassungsänderungsgesetz) vom 11. Juli 2013, Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2013, S. 502. 160 Siehe hierzu: Bayrischer Landtag, LT-Drs. 16/17358. Art. 82 BayVerf neu gefasst mit Wirkung vom 1. Januar 2020 durch das Gesetz zur Änderung der Verfassung des

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Alle bereits auf die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG abgestimmten landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen weisen einige bedeutsame Gemeinsamkeiten auf: Hinsichtlich der regelungstechnischen Ausgestaltungsmöglichkeiten haben sich bislang sämtliche Länder gegen die dargestellte Verweisungstechnik und für die Normierung eigenständiger landesverfassungsrechtlicher Schuldenbremsen entschieden, was angesichts der oben genannten Bedenken gegen die Normierung einer bloßen Verweisungsnorm auf Art. 109 Abs. 3 GG zu begrüßen ist. Inhaltlich haben alle betreffenden Bundesländer von beiden durch Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG gewährten Optionen Gebrauch gemacht und sowohl eine Ausnahmeregelung für konjunkturelle Schwankungen als auch eine für Naturkatastrophen bzw. außergewöhnliche Notsituationen aufgenommen. Ansonsten bestehen zwischen den verschiedenen landesverfassungsrechtlichen Schuldenbremsen bedeutende Unterschiede: Sie variieren insbesondere darin, wie eng sie sich an dem Wortlaut, den Formulierungen und der Struktur des Art. 109 Abs. 3 GG orientieren bzw. inwieweit bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene von dem bestehenden Ausgestaltungs- und Konkretisierungsspielraum Gebrauch gemacht worden ist. Nachstehend werden die genannten Bundesländer in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. II. Erste Gruppe: Nahezu wörtliche Übernahme der in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Vorgaben ohne relevante Konkretisierungen und Ergänzungen Es gibt landesverfassungsrechtliche Schuldenbremsen, die die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG nahezu „eins zu eins“ 161 umsetzen und hierbei keine bzw. kaum relevante Konkretisierungen bzw. Ergänzungen aufweisen. Zu dieser Gruppe zählen die landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen von Hessen162 und Mecklenburg-Vorpommern in Art. 141 HessVerf bzw. Art. 65 MVVerf; auch die in Bayern beschlossene landesverfassungsrechtliche Schuldenbremse des Art. 82 BayVerf ist dieser Gruppe zuzuordnen. Die reformierten Bestimmungen dieser Landesverfassungen sind eng an Art. 109 Abs. 3 GG angelehnt und übernehmen sogar weitgehend die konkreten Formulierungen und den exakten Wortlaut der grundgesetzlichen Vorgaben. Die wenigen Abweichungen zu Art. 109 Abs. 3 GG ergeben sich allein daraus, dass an die Stelle der in

Freistaates Bayern – Schuldenbremse – vom 11.11.2013, Bayrisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2013, S. 641. 161 So mit Blick auf die landesverfassungsrechtliche Schuldenbremse in Hessen: Gröpl, LKRZ 2010, 401 (403). 162 Speziell zu der Schuldenbremse der Hessischen Landesverfassung siehe: Zypries/ Kaiser, Recht und Politik 2011, 24 (24 ff.).

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG verankerten Optionen für eine Konjunkturkomponente bzw. eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen entsprechende Ausnahmebestimmungen getreten sind und dass die Forderung des Art. 109 Abs. 3 S. 3 GG nach einer Tilgungsregelung umgesetzt worden ist. Der den Ländern verbleibende Regelungs- und Ausgestaltungsspielraum wird ansonsten im Rahmen der genannten landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht genutzt. Ergänzend ist auf eine Besonderheit des Art. 141 HessVerf hinzuweisen: In Art. 141 Abs. 1 HessVerf findet sich der Zusatz, dass der Haushalt des Landes „ungeachtet der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung des Landtags und der Landesregierung“ grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen ist. Dieser Zusatz dient indes allein der Klarstellung, dass den Landtag und die Landesregierung ein verfassungsrechtlicher Auftrag zur verantwortungsvollen Gestaltung der Einnahmen und Ausgaben des Landes Hessen trifft, damit das grundsätzliche Verschuldungsverbot eingehalten werden kann163. III. Zweite Gruppe: Enge Anlehnung an Art. 109 Abs. 3 GG mit punktuellen Konkretisierungen oder Ergänzungen Auch die zweite Gruppe landesverfassungsrechtlicher Schuldenbremsen zeichnet sich durch eine enge Anlehnung an Art. 109 Abs. 3 GG aus, verbindet dies jedoch mit punktuellen Konkretisierungen bzw. Ergänzungen. Hierzu gehören die landesverfassungsrechtlichen Schuldenbremsen von Schleswig-Holstein164 und Hamburg in Art. 53 SchlHVerf bzw. Art. 72 HmbVerf. Auch innerhalb dieser landesverfassungsrechtlichen Schuldenregelungen werden der Wortlaut und die Formulierungen des Art. 109 Abs. 3 GG mit Blick auf den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts sowie die beiden zulässigen Ausnahmebestimmungen nahezu unverändert übernommen: Es werden lediglich die Optionen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG durch entsprechende Ausnahmeregelungen ersetzt und eine Tilgungsregelung i. S. d. Art. 109 Abs. 3 S. 3 GG eingeführt. Abweichend von der vorgestellten ersten Gruppe gehen die Vorgaben dieser landesverfassungsrechtlichen Schuldenbremsen allerdings im Detail über die Anforderungen des Art. 109 Abs. 3 GG hinaus: So wird in Art. 53 SchlHVerf bzw. Art. 72 HmbVerf die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen an eine Beschlussfassung des Landtags bzw. der Bürgerschaft mit Zwei-Drittel-Mehrheit gebunden.

163 Siehe hierzu die Gesetzesbegründung: Hessischer Landtag, LT-Drs. 18/3441, S. 4. Siehe hierzu auch: Zypries/Kaiser, Recht und Politik 2011, 24 (26). 164 Eingehend zu der Schuldenbremse der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung siehe: Thye, NordÖR 2011, 160 (160 ff.).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

IV. Dritte Gruppe: Sonderfälle Zuletzt gibt es landesverfassungsrechtliche Schuldenbremsen, die sich an einigen Stellen deutlich von Art. 109 Abs. 3 GG entfernen und aufgrund ihrer abweichenden Ausgestaltung einer separaten Gruppe zuzuordnen sind. Zu nennen sind die Schuldenregelungen der sächsischen und rheinland-pfälzischen Landesverfassung in Art. 95 SächsVerf bzw. Art. 117 RhPfVerf, die hier nur kursorisch, mit einem speziellen Blick auf ihre divergierenden, teilweise auch problematischen Bestimmungen untersucht werden können. Die Schuldenbremse der sächsischen Landesverfassung weist vor allem die nachfolgende Besonderheit auf: Bezüglich der nach Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG zulässigen Konjunkturkomponente ist bereits auf Verfassungsebene eine von den grundgesetzlichen Formulierungen abweichende und die grundgesetzlichen Vorgaben näher konkretisierende Ausgestaltung gewählt worden. In Art. 95 Abs. 3 SächsVerf wird nicht nur auf eine „von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“ abgestellt und eine „symmetrische Berücksichtigung der Auswirkungen“ verlangt; vielmehr werden als Normallage, von der eine abweichende konjunkturelle Entwicklung vorliegen muss, die „durchschnittlichen Steuereinnahmen der vorangegangenen vier Jahre“ definiert; hieran anknüpfend wird – vereinfacht dargestellt – bei Steuermindereinnahmen eine beschränkte Kreditaufnahme zugelassen, bei Steuermehreinnahmen hingegen eine Tilgung der aufgenommenen Kredite verlangt. Darüber hinaus werden in Art. 95 Abs. 5 SächsVerf spezielle, über Art. 109 Abs. 3 GG hinausgehende Mehrheitserfordernisse sowie Tilgungsanforderungen normiert. Als problematisch erweist sich der Sonderfall der Schuldenbremse in der Verfassung von Rheinland-Pfalz165, die an verschiedenen Stellen von den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG abweicht: Einzugehen ist zunächst auf den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts; anders als Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG, knüpft dieser Grundsatz in Art. 117 Abs. 1 S. 1 RhPfVerf nicht an den „Haushalt“ des Landes, sondern vielmehr allein an den „Haushaltsplan“ an. Hierdurch wird der Eindruck hervorgerufen, dass die Vorgaben der in Art. 117 RhPfVerf verankerten landesspezifischen Schuldenbremse anders als die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse ausschließlich für die Aufstellung des Haushaltsplans und nicht zugleich für den anschließenden Haushaltsvollzug gelten166. Eine Abwei-

165 Eingehend zu der Schuldenbremse der Rheinland-Pfälzischen Landesverfassung: Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 114 ff. 166 Etwas anderes ergibt sich allerdings, wenn man die einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmungen mit in den Blick nimmt. So wird in § 6 insbesondere die Einführung eines Kontrollkontos normiert. Siehe: Ausführungsgesetz zu Artikel 117 der Verfassung von Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2012, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz 2012, S. 199 ff.

§ 2 Die Auswirkungen auf die länderspezifischen Schuldenregelungen

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chung von den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG ist ferner mit Blick auf die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen festzustellen: Die Umsetzung dieser Ausnahmeregelung in Art. 117 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RhPfVerf setzt allein voraus, dass es infolge der Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation zu einem „erheblichen vorübergehenden Finanzbedarf [. . .]“ gekommen ist; auf die in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG genannte Anforderung, dass die betreffende Notsituation der staatlichen Kontrolle entzogen sein muss, wird hingegen vollständig verzichtet. Besonders kritisch erscheint jedoch, dass in Art. 117 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b RhPfVerf eine weitere Ausnahmeregelung vorgesehen ist, die erkennbar über die in Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG abschließend normierten Optionen für zulässige Ausnahmeregelungen hinausgeht167: Nach Art. 117 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b RhPfVerf ist eine Kreditaufnahme des Landes auch insoweit zulässig, als diese zum Ausgleich eines „erheblichen vorübergehenden Finanzbedarfs“ infolge „einer auf höchstens vier Jahre befristeten Anpassung an eine strukturelle, auf Rechtsvorschriften beruhende und dem Land nicht zurechenbare Änderung der Einnahme- oder Ausgabesituation“ notwendig ist. Diskutiert werden könnte zwar, durch den Bund ausgelöste Steuereinbrüche auf Länderebene als „außergewöhnliche Notsituationen“ für die Länder einzuordnen und in Art. 117 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b RhPfVerf eine spezielle Ausgestaltung der in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. Alt. GG gewährten Regelungsoption zu sehen; im Ergebnis überzeugt es aber nicht, durch den Bundesgesetzgeber herbeigeführte Steuerausfälle als politische Alltagserscheinungen mit den im Grundgesetz genannten „Naturkatastrophen“ und „außergewöhnlichen Notsituationen“ bzw. mit den in der Gesetzesbegründung beispielshaft aufgeführten Extremkonstellationen auf eine Stufe zu stellen168. Da diese Ausnahmebestimmung der rheinland-pfälzischen Schuldenbremse somit nicht von den Optionen des Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG gedeckt ist und im Ergebnis eine (wenn auch nur vorübergehende) strukturelle Neuverschuldung des Landes ermöglicht, ist spätestens ab 2020 von einer Grundgesetzwidrigkeit und Nichtigkeit dieser Regelung auszugehen169.

167 Zu dieser Ausnahmebestimmung siehe auch: Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 117 f. und S. 121 f. 168 Im Ergebnis ebenso: A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 190 f.; Berlit, SächsVBl 53 (60); Berlit, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, 311 (326). 169 So auch: Gröpl, LKRZ 2010, 401 (404 und 406); Häde, LKV 2011, 97 (100); A. Mayer, Die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 191 f.; Bravidor, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 11 (25 f.). Vgl. auch: Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 122. A.A.: Wieland, in: Perspektiven für die kommunalen Haushalte im Spannungsfeld von Wirtschaftskrise und Schuldenbremse, 55 (62); Wieland, Neuordnung der Finanzverfassung nach Auslaufen des Solidarpakts II und Wirksamwerden der Schuldenbremse, Speyerer Arbeitsheft 211/2013, S. 29.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

§ 3 Die Schuldenbremse im Grundgesetz und die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung finden sich nicht allein im nationalen Recht. Darüber hinaus wird die deutsche Staatsverschuldung auch auf EU-rechtlicher Ebene, neuerdings sogar auf völkerrechtlicher Ebene, Begrenzungen, Vorgaben und Regelungen unterworfen. Eine rechtliche Untersuchung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, speziell vor dem Hintergrund des bestehenden Mehrebenensystems, muss demnach auch diese EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen in die Diskussion miteinbeziehen. Im Folgenden ist zunächst eine Übersicht über die zentralen EU- bzw. völkerrechtlichen Bestimmungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung in Deutschland zu geben. Hieran anknüpfend soll in einem zweiten Schritt analysiert werden, welche Konsequenzen aus diesen außerhalb des nationalen Rechts stehenden Verschuldungsgrenzen für die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse resultieren.

A. Überblick über die bestehenden EU-rechtlichen bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen Mit dem Vertrag von Maastricht170, der am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde und am 1. November 1993 in Kraft trat, wurde der wesentliche Grundstein für die Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gelegt. Der Aufbau der Wirtschafts- und Währungsunion war hierbei von Anfang an durch eine „asymmetrische Architektur“ 171 gekennzeichnet: Während die Währungspolitik vergemeinschaftet worden ist, ist die Wirtschaftspolitik grundsätzlich in dem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten verblieben172. Zugleich hat die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion aber auch für den Bereich der den einzelnen Mitgliedstaaten überlassenen Wirtschaftspolitik gewisse Vorgaben erforderlich gemacht: So finden sich beispielsweise seit dem Vertrag von Maastricht auf der Ebene des EU-Rechts erstmals konkrete Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung in den EU-Mitgliedstaaten173. Die erwähnte Asymmetrie, die aus dem „Auseinanderfallen der Zuständigkeiten in europäische Währungspolitik und mitgliedstaatliche Wirtschafts-, Finanz170 Siehe: Vertrag über die Europäische Union, ABl. der Europäischen Gemeinschaften 92/C 191/01 v. 29. Juli 1992. 171 Siehe exemplarisch: Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage, 2011, Art. 126 AEUV, Rn. 1. 172 Siehe hierzu etwa: Hattenberger, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Auflage, 2012, Art. 120 AEUV, Rn. 1 ff. und Art. 126 AEUV, Rn. 1. 173 Ursprünglich: Art. 104c EGV; später: Art. 104 EGV.

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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und Haushaltspolitiken“ 174 folgt, wird seit langem kritisch gesehen und gerade aus heutiger Sicht als eklatanter, schwerwiegender „Konstruktionsfehler“ 175 gewertet. Besondere Beachtung findet dieser „Konstruktionsfehler“ der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion seit dem Einsetzen der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise in der EU; zu lesen ist etwa, dass „die theoretisch vielfach konstatierten Schwächen in der Architektur der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion“ erstmals im Zuge der aktuellen Staatsschuldenkrise „praktisch sichtbar“ geworden seien176. Die ab 2010 einsetzende Staatsschuldenkrise in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion – auch knapp als „Eurokrise“ bezeichnet – löste auf der Ebene der EU verstärkte Reformbemühungen aus. Im Ergebnis laufen die als notwendig erkannten Reformen darauf hinaus, eine „stärker europäisch überformte [. . .] Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik“ 177 der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu verwirklichen. Betroffen von den Reformanstrengungen waren vor allem auch die im EU-Recht normierten Regelungen zur Begrenzung der mitgliedstaatlichen Staatsverschuldung. Die ergriffenen Maßnahmen wurden allerdings nur zum Teil durch EU-rechtliche Bestimmungen umgesetzt; zum Teil wurde im Rahmen des Reformprozesses auch auf den Bereich des Völkerrechts ausgewichen. Aufgrund der engen Verbindung zwischen den EU-rechtlichen und den – lediglich ersatzweise – auf völkerrechtlicher Ebene vereinbarten Schuldenregelungen sollen sie im Folgenden gemeinsam betrachtet werden. I. Art. 126 AEUV und der Europäische Stabilitätsund Wachstumspakt Besondere Beachtung verdienen Art. 126 AEUV sowie der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt. 1. Die Ausgangsbestimmung des Art. 126 AEUV und die sogenannten Maastricht-Kriterien Wie bereits dargelegt, wurden durch den Vertrag von Maastricht erstmals konkrete Vorgaben bezüglich der Staatsverschuldung in den jeweiligen Mitgliedstaaten eingeführt. Heute findet sich die zentrale Bestimmung in Art. 126 AEUV178. 174

Calliess, NVwZ 2012, 1 (1). So etwa: Calliess, NVwZ 2012, 1 (1); Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (355); Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (138 f.). Horn spricht in diesem Zusammenhang von einem „Geburtsfehler“ der Europäischen Währungsunion: N. Horn, NJW 2011, 1398 (1399). Weber bezeichnet die fehlende Symmetrie der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beispielsweise als „Systemdefizit“: Weber, EuZW 2011, 935 (935). 176 So: Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (477). 177 Siehe: Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (477). 178 Siehe: Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in 175

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Art. 126 Abs. 1 AEUV normiert – in Übereinstimmung mit seinen Vorgängerbestimmungen – eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite. Nähere Ausführungen, was unter „öffentlich“ bzw. „Defizit“ i. S. d. Art. 126 AEUV zu verstehen ist, enthält das Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (Nr. 12)179: Der Begriff „öffentlich“ wird durch Art. 2, 1. Spiegelstrich des Protokolls grundsätzlich definiert als das, was dem Staat, d. h. dem Zentralstaat, den regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder den Sozialversicherungseinrichtungen zuzuordnen ist; unter „Defizit“ ist nach Art. 2, 2. Spiegelstrich des Protokolls „das Finanzierungsdefizit im Sinne des Europäischen Systems volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen“ zu verstehen. Anhaltspunkte dafür, wann ein „übermäßiges Defizit“ vorliegt, sind Art. 126 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit dem oben genannten Defizitprotokoll zu entnehmen: Art. 126 Abs. 2 AEUV benennt zwei Kriterien, anhand derer die mitgliedstaatliche Haushaltsdisziplin zu überprüfen und das Vorliegen eines „übermäßigen öffentlichen Defizits“ zu beurteilen ist; hierbei handelt es sich zum einen um das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt und zum anderen um das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt. Durch Art. 1 des Protokolls werden bezüglich der in Art. 126 Abs. 2 AEUV genannten Haushaltskriterien konkrete Referenzwerte festgelegt, die grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen: Für das Verhältnis des Haushaltsdefizits zum Bruttoinlandsprodukt wird ein Referenzwert von 3 %, für das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt ein Referenzwert von 60 % normiert. Diese beiden Verschuldungsgrenzen sind als sogenannte „Maastricht-Kriterien“ bekannt. In Art. 126 AEUV ist überdies ein mehrere Stufen umfassendes Verfahren zur Überwachung der Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten vorgesehen. 2. Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt Näher spezifiziert und ausgestaltet werden die Vorgaben des Art. 126 AEUV und des genannten Defizitprotokolls durch den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt180. Lissabon am 13. Dezember 2007, ABl. der Europäischen Union 2007/C306/01 v. 17. Dezember 2007. Siehe auch: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union: ABl. der Europäischen Union 2008/C 115/47 v. 9. Mai 2008. Eingehend zu Art. 126 AEUV siehe beispielsweise: Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV-Kommentar, 4. Auflage, 2011, Art. 126 AEUV, Rn. 1 ff.; Hattenberger, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Auflage, 2012, Art. 126 AEUV, Rn. 1 ff.; Kempen, in: Streinz, EUV/AEUV-Kommentar, 2. Auflage, 2012, Art. 126 AEUV, Rn. 1 ff. Ein Überblick findet sich etwa bei: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 85 ff. 179 Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, abgedruckt: ABl. der Europäischen Union 2010/C 83/279 v. 30. März 2010.

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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Dieser wurde bereits 1997 – nicht zuletzt auf Druck von deutscher Seite – zur Stärkung der mitgliedstaatlichen Haushaltsdisziplin beschlossen181. Das ausdrücklich erklärte Ziel des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts bestand darin, zu einer „gesunden öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein starkes, nachhaltiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist“, beizutragen182. Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt setzt sich aus drei verschiedenen Bestandteilen zusammen: der Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt vom 17. Juni 1997183, der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken184 sowie der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit185. Konkret lassen sich mit Blick auf den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt eine „präventive“ und eine „repressive“ Komponente unterscheiden186: Durch die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 wurde ein Frühwarnsystem zur Überwachung der mitgliedstaatlichen Haushaltspolitik eingeführt187: Die Grundlage für die Überwachung der Haushaltsentwicklung in den Mitgliedstaaten bilden hiernach sogenannte Stabilitätsprogramme, die von den an der Währungsunion teilnehmenden Staaten vorzulegen sind, bzw. sogenannte Konvergenzprogramme, die die nicht an der Währungsunion teilnehmenden Staaten aufzustellen haben. Bedeutsam ist vor allem, dass für die Mitgliedstaaten in der Verordnung (EG) 180 Eingehend zum Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt: Hentschelmann, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt; Konow, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 55 ff.; M. Peters, Die Konkretisierung des Art. 104 EG durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt und dessen Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, S. 17 ff.; Bark, Das gemeinschaftsrechtliche Defizitverfahren, S. 53 ff. 181 Weber, EuZW 2011, 935 (935). Eingehend zu den historischen Hintergründen: Konow, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 36 ff.; Engel, Das Europäische Defizitverfahren und der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Juli 2004, S. 84 ff.; Hentschelmann, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 205 ff.; Hahn, Der Stabilitätspakt für die Europäische Währungsunion, S. 1 ff. 182 So: Erwägungsgrund 1 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 sowie Erwägungsgrund 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97. 183 ABl. der Europäischen Gemeinschaften 97/C 236/01 v. 2. August 1997. 184 ABl. der Europäischen Gemeinschaften 97/L 209/01 v. 2. August 1997. 185 ABl. der Europäischen Gemeinschaften 97/L 209/06 v. 2. August 1997. 186 Zu dieser Unterteilung siehe etwa: Weber, EuZW 2011, 935 (935). Siehe zu dieser Grundkonzeption des Paktes auch: Hentschelmann, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 361 f. 187 Siehe hierzu beispielswesie: Hatje, DÖV 2006, 597 (601); Bark, Das gemeinschaftsrechtliche Defizitverfahren, S. 60 f.; eingehend: Konow, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 200 ff.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Nr. 1466/97 das mittelfristige Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts bzw. eines Haushaltsüberschusses formuliert worden ist188. Durch die Verordnung (EG) Nr. 1467/97 wurde das Verfahren bei Bestehen eines übermäßigen Defizits konkretisiert189: Hierbei ist unter anderem das Defizitkriterium – insbesondere die Ausnahmen von dem Referenzwert für das öffentliche Defizit – näher ausgestaltet worden190. Darüber hinaus hat die Verordnung (EG) Nr. 1467/97 zu einer Präzisierung und Beschleunigung der einzelnen Schritte des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit geführt191. Eine erste Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts erfolgte 2005192. Zu nennen sind an dieser Stelle der Bericht des Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 20. März 2005193, die Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken194 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit195. Ohne auf die Einzelheiten dieser Reform im Detail einzugehen, lässt sich das Ergebnis der 2005 vorgenommenen Änderungen folgendermaßen zusammenfassen: Im Kern wurden die Bestimmungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts im Zug der Reform 2005 aufgeweicht und abgeschwächt196. So sind unter anderem die Ausnahmen von dem Referenzwert für das öffentliche Defizit erweitert und ausgedehnt worden; darüber hinaus wurde

188 Zu den Stabilitätsprogrammen siehe: Art. 3 ff. Verordnung (EG) Nr. 1466/97; zu den Konvergenzprogrammen siehe: Art. 7 ff. Verordnung (EG) Nr. 1466/97. 189 Siehe hierzu beispielsweise: Hatje, DÖV 2006, 597 (601); Bark, Das gemeinschaftsrechtliche Defizitverfahren, S. 61; eingehend: Konow, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 76 ff. 190 Siehe: Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 1467/97. 191 Siehe: Art. 3 bis 8 Verordnung (EG) Nr. 1467/97. 192 Zur Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 2005: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 23; Engel, Das Europäische Defizitverfahren und der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Juli 2004, S. 147 ff.; Hentschelmann, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, S. 1697 ff.; Hatje, DÖV 2006, 597 (602 ff.). 193 Siehe: Anhang II der Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Tagung des Europäischen Rates vom 22./23. März 2005. 194 ABl. der Europäischen Union 2005/L 174/01 v. 7. Juli 2005. 195 ABl. der Europäischen Union 2005/L 174/05 v. 7. Juli 2005. 196 Kritisch beispielsweise: Göke, ZG 2006, 1 (13 f.); Engel, Das Europäische Defizitverfahren und der Europäische Stabilitäts- und Wachtumspakt im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Juli 2004, S. 167 ff. Siehe hierzu auch Koemm, mit umfangreichen Nachweisen: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 288. Anders wohl die abschließende Bewertung von Hatje: Hatje, DÖV 2006, 597 (604).

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit durch längere Fristen für die einzelnen Verfahrensschritte insgesamt zeitlich gestreckt197. II. Überblick über die zentralen Reformmaßnahmen im Zuge der „Eurokrise“ Die EU-rechtlichen Schuldenregelungen des Art. 126 AEUV und des hierauf aufbauenden Stabilitäts- und Wachstumspakts haben sich im Laufe der Zeit als „schwach und unglaubwürdig“ herausgestellt198. Ihre mangelnde Wirksamkeit trat vor allem im Zuge der „Eurokrise“ eindrucksvoll hervor. Die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum hat infolgedessen diverse Reaktionen von Seiten der EU ausgelöst; im Wesentlichen lässt sich die Strategie der EU als „zweigleisig“ 199 charakterisieren: Zum einen sind Krisenbewältigungsmechanismen geschaffen worden, um die von der Staatsschuldenkrise besonders betroffenen Euro-Staaten zu unterstützen. Zu erwähnen ist etwa der zur Unterstützung Griechenlands, Irlands und Portugals geschaffene vorläufige „Euro-Rettungsschirm“, der sich aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) sowie der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)200 zusammensetzt. Darüber hinaus ist insbesondere die Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als dauerhaftem „Euro-Rettungsschirm“ zu nennen201. Zum anderen wurden seit 2010 auch Reformbemühungen auf der Ebene der EU unternommen, um eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zu verwirklichen. Ergebnis dieses Reformprozesses

197 Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 24; eingehend: Hatje, DÖV 2006, 597 (602 ff.); Engel, Das Europäische Defizitverfahren und der Europäische Stabilitäts- und Wachtumspakt im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Juli 2004, S. 156 ff. 198 So beispielsweise: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (139). 199 Weber, DVBl 2012, 801 (801). 200 Der EFSM beruht auf der Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus, ABl. der Europäischen Union 2010/L 118/01 v. 12. Mai 2010. Der EFSF ist eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischen Recht, die durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung der 17 Euro-Staaten gegründet worden ist. Siehe hierzu etwa: Weber, EuZW 2011, 935 (937); Kube/Reimer, ZG 2011, 332 (333 f.). 201 Der ESM beruht auf dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Eine zweisprachige Wiedergabe des Vertragstextes findet sich als Anhang zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus: BT-Drs. 17/9045, S. 6 ff. Siehe hierzu etwa: Bark/Gilles, EuZW 2013, 367 (367 ff.); Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (153 ff.).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

sind vor allem vier „Maßnahmenpakete“ – Sixpack, Euro-Plus-Pakt, Fiskalpakt und Twopack –, die unter anderem auch relevante Regelungen für die Schuldenbegrenzung in den Mitgliedstaaten beinhalten202. In dem vorliegenden Kontext ist allein die zuletzt genannte Gruppe von Reformmaßnahmen von Interesse, die nicht der bloßen Krisenbewältigung dient, sondern vielmehr auf eine verbesserte Begrenzung der Staatsverschuldung gerichtet ist. 1. Sixpack-Reformen Im März 2010 begannen die Arbeiten an den sogenannten Sixpack-Reformen, durch die insbesondere der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt reformiert und ergänzt worden ist203. Bei dem Sixpack handelt es sich um ein Packet von insgesamt sechs Sekundärrechtsakten, konkret fünf EU-Verordnungen und einer EU-Richtlinie, die im November 2011 beschlossen wurden und im Dezember 2011 in Kraft getreten sind204. Nachfolgend sollen die wesentlichen Eckpunkte dieses umfassenden Reformpaktes aufgezeigt werden:

202 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 117. 203 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 118. Zum Six-Pack siehe beispielsweise auch: Kullas, cepStudie, Kann der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt den Euro retten? – Absichten, Einsichten, Übersichten, Oktober 2011, S. 1 ff.; Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (362 ff.); Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (478 ff.); Weber, DVBl 2012, 801 (801 ff.); Weber, EuZW 2011, 935 (936 f.); Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (143 f.). 204 Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet, ABl. der Europäischen Union 2011/L 306/01 v. 23. November 2011; Verordnung (EU) Nr. 1174/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet, ABl. der Europäischen Union 2011/L 306/08 v. 23. November 2011; Verordnung (EU) Nr. 1175/ 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, ABl. der Europäischen Union 2011/L 306/12 v. 23. November 2011; Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, ABl der Europäischen Union 2011/L 306/25 v. 23. November 2011; Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl. der Europäischen Union 2011/L306/33 v. 23. November 2011; Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten, ABl. der Europäischen Union 2011/L 306/41 v. 23. November 2011.

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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Im Rahmen des Sixpack ist zunächst ein „neues Element der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU“ 205 geschaffen worden: Durch die zwei zum Sixpack zählenden Verordnungen (EU) Nr. 1176/2011 und Nr. 1174/2011 ist konkret ein Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte eingeführt worden206. Darüber hinaus sind durch den Sixpack die präventive und die repressive Komponente des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts revidiert und im Ergebnis verschärft worden: Mit Blick auf die präventive Komponente, die durch die Verordnung (EU) Nr. 1175/2011 sowie die Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Sixpacks reformiert worden ist, sind zwei bedeutsame Neuerungen hervorzuheben207: Zum einen ist die Überwachung und Überprüfung des mittelfristigen Haushaltsziels sowie des dahinführenden Anpassungspfads gestärkt und ausgebaut worden. Bislang mussten Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht hatten, ihr strukturelles Haushaltsdefizit jährlich um 0,5 % senken; bei einem Mitgliedstaat, der zugleich eine Schuldenstandsquote über 60 % des Bruttoinlandsprodukts bzw. ausgeprägte Risiken hinsichtlich der Tragfähigkeit seiner Gesamtschulden aufweist, wird nunmehr sogar geprüft, dass die jährliche Verbesserung „erheblich“ über die genannten 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts hinausgeht208. Ferner prüfen Rat und Kommission die Einhaltung neu eingeführter Ausgabenregeln, nach denen das jährliche Ausgabenwachstum eines Mitgliedstaates – in Abhängigkeit davon, ob dieser sein mittelfristiges Haushaltsziel erreicht hat bzw. noch nicht erreicht hat – die Wachstumsrate des potenziellen Bruttoinlandsprodukts grundsätzlich nicht überschreiten darf bzw. sogar grundsätzlich unterschreiten muss209. Zum anderen wird die präventive Komponente des Europäi-

205 So: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 135. 206 Zu dem Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte siehe beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 135 ff.; Kullas, cepStudie, Kann der reformierte Stabilitätsund Wachstumspakt den Euro retten? – Absichten, Einsichten, Übersichten, Oktober 2011, S. 22 ff.; Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (363 f.); Weber, EuZW 2011, 935 (936). 207 Eingehend zur Reform der präventiven Komponente des Europäischen Stabilitätsund Wachstumspakts siehe beispielsweise: Kullas, cepStudie, Kann der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt den Euro retten? – Absichten, Einsichten, Übersichten, Oktober 2011, S. 5 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 125 ff. 208 Siehe: Art. 5 und Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 1466/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1175/2011. 209 Siehe: Art. 5 und Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 1466/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1175/2011.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

schen Stabilitäts- und Wachstumspakts erstmals durch konkrete Sanktionsmöglichkeiten für Mitgliedstaaten der Eurozone abgesichert210. Die Reform der repressiven Komponente des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts ist durch die Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 sowie durch die im Zusammenhang mit der präventiven Komponente erwähnte Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 erfolgt211. Bezüglich der repressiven Komponente sind ebenfalls die wichtigsten Neuerungen zu nennen: Zunächst ist die Bedeutung des Schuldenstandskriteriums entscheidend gestärkt worden. Nunmehr wird ausdrücklich klargestellt, dass ein Defizitverfahren nicht nur durch eine Überschreitung des Defizitkriteriums, sondern auch durch eine alleinige Überschreitung des Schuldenstandskriteriums ausgelöst werden kann; damit wird der im Primärrecht angelegten grundsätzlichen „Gleichrangigkeit“ der beiden Haushaltskriterien im Rahmen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts eindeutig Rechnung getragen212. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass erstmals der in Art. 126 Abs. 2 b AEUV normierte Ausnahmetatbestand zum Schuldenstandskriterium näher definiert worden ist213. Zudem sind mit Blick auf die repressive Komponente des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts die Sanktionsmöglichkeiten verschärft und erweitert worden214. Zuletzt ist die zum Sixpack zählende Richtlinie 2011/85/EU zu erwähnen, die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten vorgibt. Innerhalb dieser Richtlinie sind insbesondere Art. 5 und 6 von Bedeutung: Durch sie werden die Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer näher definierten numerischen Haushaltsregel und der Folgen ihrer Nichteinhaltung in nationales Recht verpflichtet. 2. Euro-Plus-Pakt Im März 2011 wurde zwischen den Staats- und Regierungschefs der EuroLänder sowie darüber hinaus den Staats- und Regierungschefs von Bulgarien, 210

Siehe: Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1173/2011. Eingehend zur Reform der repressiven bzw. korrektiven Komponente des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts siehe beispielsweise: Kullas, cepStudie, Kann der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt den Euro retten? – Absichten, Einsichten, Übersichten, Oktober 2011, S. 13 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 121 ff. 212 Hierzu etwa: Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (479). Vgl. auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 122. 213 Siehe: Art. 2 Abs. 1a Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011. 214 Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (479); eingehend: Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (366 f.); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 122 ff. 211

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien in Form der intergouvernementalen Zusammenarbeit der sogenannte Euro-Plus-Pakt geschlossen215. Diesem liegt das explizit erklärte Ziel zugrunde, die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu stärken und zu verbessern. Hervorzuheben ist in dem vorliegenden Kontext, dass sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten des Euro-Plus-Pakts dazu verpflichten, die im Stabilitäts- und Wachstumspakt enthaltenen Haushaltsvorschriften der EU in entsprechende nationale Bestimmungen umzusetzen216. 3. Fiskalpakt Von besonderem Interesse ist des Weiteren der sogenannte Fiskalpakt: Am 2. März 2012 wurde von 25 EU-Mitgliedstaaten, mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und der Tschechischen Republik, der „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“, kurz Fiskalpakt genannt, unterzeichnet217. Dieser ist am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. Bevor nachfolgend ein Überblick über den Inhalt des Fiskalpakts gegeben werden soll, bedarf es einiger allgemeiner Ausführungen. a) Der Fiskalpakt als völkerrechtliches „Ersatzunionsrecht“ Bei einer rein formalen Betrachtung ist der Fiskalpakt als eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag einzuordnen, der an sich „außerhalb des institutionellen und rechtlichen Gefüges der [Europäischen] Union“ steht218. Doch auch wenn der Fiskalpakt streng genommen nicht als Bestandteil des EU-Rechts eingeordnet werden kann, so weist er dennoch einen engen Bezug zu den EU-rechtlichen Bestimmungen auf: Deutlich wird dies bereits mit Blick auf seine Entstehungsgeschichte. Anstelle des Abschlusses eines separaten völkerrechtlichen Vertrags war ursprünglich eine Änderung des EU-Primärrechts, konkret des AEUV, geplant; die beabsichtigte Primärrechtsänderung scheiterte ledig-

215 Siehe: Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, 24./25. Mai 2011, EUCO 10/ 1/11 REV 1, Anlage 1, S. 13 ff. Zum Euro-Plus-Pakt siehe auch: N. Horn, NJW 2011, 1398 (1401); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 119 f. 216 Siehe hierzu den Abschnitt „§ Nationale Haushaltsvorschriften“. 217 Eine zweisprachige Wiedergabe des Vertragstextes findet sich als Anhang zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion: BT-Drs. 17/9046, S. 6 ff. 218 Lorz/Sauer, DÖV 2012, 573 (574). Siehe auch: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (150).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

lich an politischem Widerstand, insbesondere von Seiten Großbritanniens219. Wie Art. 16 VSKS zu entnehmen ist, halten die Vertragsstaaten aber weiterhin an dem Ziel fest, die Bestimmungen des Vertrages zeitnah in EU-Recht zu überführen. Darüber hinaus bestehen enge inhaltliche Verbindungen: Der Fiskalpakt bezweckt explizit eine Stärkung der „wirtschaftliche[n] Säule der Wirtschafts- und Währungsunion“ und soll unter anderem der „ Erreichung der Ziele der Europäischen Union für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Zusammenhalt“ dienen220. Zusätzlich werden durch den Fiskalpakt Regelungen des EU-rechtlichen Primär- und Sekundärrechts wiederholt, konkretisiert bzw. in Bezug genommen221. Ferner weisen einige Vertragsbestimmungen Organen der EU Aufgaben und Befugnisse bei der Ausführung des Fiskalpakts zu222. Im Ergebnis steht der Fiskalpakt somit in einem „neuen und juristisch nicht geklärten Zwischenraum zwischen Völkerrecht und Europarecht“ 223. Der Fiskalpakt wird auch als völkerrechtliches „Ersatzunionsrecht“ bezeichnet224. b) Rechtliche Problemstellungen im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt Zum Fiskalpakt drängen sich verschiedene rechtliche Problem- und Fragestellungen auf, die nachfolgend zumindest kurz angesprochen werden sollen: Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem Fiskalpakt um einen selbstständigen völkerrechtlichen Vertrag, der zwischen EU-Mitgliedstaaten geschlossen worden ist; gesprochen wird in diesem Zusammenhang auch von einem inter-seVertrag225. Als schwierig erweist sich vor diesem Hintergrund die Frage der völkerrechtlichen und europarechtlichen Zulässigkeit des Fiskalpakts: Konkret 219 Hierzu etwa: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (150); Lorz/Sauer, DÖV 2012, 573 (574); Wollenschläger, NVwZ 2012, 713 (717). Siehe auch den Gesetzesentwurf des Zustimmungsgesetzes zum Fiskalpakt: BT-Drs. 17/9046, S. 1. 220 Siehe: Art. 1 Abs. 1 VSKS. 221 Siehe hierzu mit verschiedenen Beispielen etwa: Wollenschläger, NVwZ 2012, 713 (717). 222 Zu nennen sind an der vorliegenden Stelle insbesondere die folgenden beiden Beispiele: Zum einen werden der Kommission innerhalb des Art. 3 VSKS bestimmte Konkretisierungsbefugnisse in Bezug auf die vorgesehene Schuldenbremse übertragen. Zum anderen werden die Kommission und der EuGH durch Art. 8 VSKS an dem Verfahren zur Überprüfung, ob die Vertragsstaaten eine den Vorgaben entsprechende „Schuldenbremse“ in ihr nationales Recht eingeführt haben, beteiligt. Eingehend hierzu: Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (483 ff.). 223 So: Möllers/Reinhardt, JZ 2012, 693 (693). 224 So Lorz/Sauer, die allerdings zugleich betonen, dass sich aus dieser „deskriptivanalytischen“ Bezeichnung keine unmittelbaren rechtlichen Schlussfolgerungen ziehen lassen: Lorz/Sauer, DÖV 2012, 573 (575). 225 Siehe: Repasi, Studie zur Vereinbarkeit der Fiskalunion mit Völker- und Europarecht sowie zur rechtlichen Umsetzung des Diskussionspapiers „Europäische Wirtschaftsregierung – oder was?“, S. 1.

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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könnte das beim Fiskalpakt gewählte Ausweichen auf die Rechtsform eines völkerrechtlichen Vertrags als eine „Umgehung des unionalen Verfahrens- und Legitimationsrahmens“ 226 zu werten sein. Im Raum steht insbesondere die Frage, ob die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten überhaupt über die erforderliche völkerrechtliche Vertragsabschlussfreiheit für den Fiskalpakt verfügten. Da eine umfassende Erörterung der angeschnittenen Probleme den Rahmen der vorliegenden Betrachtung überschreitet, wird im Folgenden die völkerrechtliche und europarechtliche Zulässigkeit des Fiskalpakts vorausgesetzt227. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Fiskalpakt auch verschiedene verfassungsrechtliche Probleme: Aufgrund der „doppeldeutige[n] Konstruktion“ 228 des Fiskalpakts, die zwischen Völkerrecht und Europarecht anzusiedeln ist, ist unter anderem kontrovers diskutiert worden, ob sich das parlamentarische Zustimmungserfordernis zum Fiskalpakt nach Art. 23 Abs. 1 GG oder nach Art. 59 Abs. 2 GG zu richten hatte229. Innerhalb des Gesetzesentwurfes entschied man sich schließlich für den pragmatischen Ansatz230, die Vorgaben von Art. 23 Abs. 1 GG und Art. 59 Abs. 2 GG miteinander zu verbinden: Die Zustimmungsbedürftigkeit des Fiskalpaktes wurde zwar aus Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG hergeleitet; gleichzeitig sollte die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat „entsprechend“ Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 2 GG mit Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgen231. Zudem ist vorgetragen worden, dass das Zustimmungsgesetz zum Fiskalpakt – das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion – grundgesetzwidrig sei und gegen Art. 38 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verstoße. Die Bedenken richteten sich vor allem gegen die im Fiskalpakt normierte Verpflichtung zur Verankerung einer Schuldenbremse im nationalen Recht: Die Bundesrepublik Deutschland habe sich durch den Fiskalpakt dazu verpflichtet, die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse dauerhaft beizubehalten; hierdurch sei die grundgesetzliche Schuldenbremse faktisch zu einem Bestandteil des unabänderlichen Verfassungskerns erhoben

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Zu dieser Gefahr: Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (481). Eingehend zu den Fragen der völkerrechtlichen und europarechtlichen Zulässigkeit siehe beispielsweise: Repasi, Studie zur Vereinbarkeit der Fiskalunion mit Völkerund Europarecht sowie zur rechtlichen Umsetzung des Diskussionspapiers „Europäische Wirtschaftsregierung – oder was?“, S. 1 ff.; Repasi, EuR 2013, 45 (45 ff.). Siehe auch: Fischer-Lescano/Oberndorfer, NJW 2013, 9 (9 ff.). 228 So: Möllers/Reinhardt, JZ 2012, 693 (694). 229 Siehe hierzu eingehend etwa: Möllers/Reinhardt, JZ 2012, 693 (694 ff.); Lorz/ Sauer, DÖV 2012, 573 (575 ff.); Lorz/Sauer, EuR 2012, 682 (684 ff.); Wollenschläger, NVwZ 2012, 713 (714 ff.). 230 Ebenso, mit der kritischen Anmerkung, dass hierdurch neue „Unklarheiten“ hervorgerufen würden: Möllers/Reinhardt, JZ 2012, 693 (694). 231 Siehe hierzu die Begründung des Gesetzentwurfes: BT Drs. 17/9046, S. 4. 227

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

worden232. In seinen Urteilen vom 12. September 2013 und 18. März 2014 ist das Bundesverfassungsgericht den dargelegten Bedenken nicht gefolgt und hat eine mögliche Grundgesetzwidrigkeit abgelehnt233. Auch diese Probleme sollen jedoch nicht weiter vertieft werden: Nachdem Deutschland den Fiskalpakt ratifiziert hat und dieser am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, haben sie insbesondere an praktischer Relevanz verloren. c) Übersicht über die inhaltlichen Bestimmungen des Fiskalpakts Der Fiskalpakt ist inhaltlich und politisch äußerst eng mit dem ESM-Vertrag, der Grundlage des oben bereits erwähnten dauerhaften Euro-Rettungsschirms, verbunden234. Die enge Verknüpfung zwischen Fiskalpakt und ESM-Vertrag besteht darin, dass die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen des ESM ab dem 1. März 2013 davon abhängig gemacht wird, ob der betreffende Mitgliedstaat den Fiskalpakt ratifiziert und eine den Vorgaben des Fiskalpakts entsprechende „Schuldenbremse“ fristgemäß in die nationale Rechtsordnung eingeführt hat235. Die zentralen Inhalte des Fiskalpakts werden nachfolgend knapp zusammengefasst236: – Eine der bedeutendsten Bestimmungen des „Fiskalpaktes“ findet sich in Art. 3 VSKS, der ein ebenfalls als Schuldenbremse237 bezeichnetes Regelungskonzept zur Begrenzung der öffentlichen Verschuldung vorsieht. Art. 3 VSKS beinhaltet die nachstehenden Vorgaben: Nach Art. 3 Abs. 1 VSKS müssen die gesamtstaatlichen Haushalte der Vertragsstaaten grundsätzlich ausgeglichen sein bzw. einen Überschuss aufwei232

Siehe hierzu die Begründung, mit der vor dem Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Fiskalpakt gerügt worden ist: BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Rn. 57 ff. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auch abgedruckt in: BVerfGE 132, 195 (195–287). 233 Siehe hierzu: BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Rn. 196 ff. sowie BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 18.3.2014, Rn. 243 ff. 234 So beispielsweise auch: Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (485); Hofmann/ Konow, ZG 2012, 138 (156); Lorz/Sauer, DÖV 2012, 573 (574). 235 Vgl.: Erwägungsgrund 5 zum ESM-Vertrag sowie Erwägungsgrund 25 zum Fiskalpakt. 236 Die nachfolgende Zusammenfassung der wichtigsten Bestimmungen des Fiskalpakts orientiert sich an der Gliederung der von Kullas/Sauer/Hohmann ausgearbeiteten cepAnalyse: Kullas/Sauer/Hohmann, Fiskalpakt, cepAnalyse Nr. 13/2012 vom 26.03. 2012. Zum Inhalt des Fiskalpakts siehe auch: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (144 ff.); Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (481 ff.); Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (382 ff.); Hattenberger, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Auflage, 2012, Art. 121 AEUV, Rn. 58 sowie Art. 126 AEUV, Rn. 70. 237 Im Folgenden wird aus Gründen der Klarstellung und zur Abgrenzung von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt von europäischer Schuldenbremse gesprochen.

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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sen238. Diese Vorgabe gilt als erfüllt, wenn „der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtsstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Ziel im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts“ entspricht. Mit Blick auf das länderspezifische mittelfristige Haushaltsziel wird allerdings eine Untergrenze für das jährliche strukturelle Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts festgelegt239; allein für den Fall, dass der öffentliche Schuldenstand erheblich unter der festgesetzten Grenze von 60 % des Bruttoinlandsprodukts liegt und keine relevanten Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen bestehen, wird diese Untergrenze für das mittelfristige Haushaltsziel herabgesetzt und auch ein strukturelles Defizit von bis zu 1 % des Bruttoinlandsprodukts zugelassen240. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist in Art. 3 Abs. 1c VSKS normiert: Von ihrem jeweiligen mittelfristigen Haushaltsziel bzw. dem dorthin führenden Anpassungspfad dürfen die Vertragsstaaten nur unter näher definierten „außergewöhnlichen Umständen“ abweichen; als „außergewöhnliche Umstände“ einzuordnen sind nach Art. 3 Abs. 3b VSKS ein „außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat“ sowie ein „schwerer Konjunkturabschwung im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts“. Für den Fall „erheblicher Abweichungen“ von den in Art. 3 Abs. 1 VSKS festgesetzten Vorgaben ist darüber hinaus ein automatischer Korrekturmechanismus vorgesehen241. An die gerade vorgestellte europäische Schuldenbremse in Art. 3 Abs. 1 VSKS knüpft Art. 3 Abs. 2 VSKS an. Nach Art. 3 Abs. 2 S. 1 VSKS sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, eine den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 VSKS entsprechende Schuldenbremse, einschließlich eines automatischen Korrekturmechanismus, in ihr innerstaatliches Rechtsystem einzuführen; hierbei muss die innerstaatliche Umsetzung durch Bestimmungen erfolgen, „die verbindlicher und dauerhafter Art sind, vorzugsweise mit Verfassungsrang, oder deren vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren auf andere Weise garantiert ist“. Zur Kontrolle, ob die Vertragsstaaten ihrer Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 2 VSKS nachgekommen sind und eine den vertraglichen Vorgaben des Fiskalpakts entsprechende Schuldenbremse in ihre nationalen Rechtsordnungen eingeführt haben, ist in Art. 8 VSKS ein spezielles Überwachungsverfahren normiert worden242. 238

So: Art. 3 Abs. 1a VSKS. So: Art. 3 Abs. 1b S. 1 VSKS. 240 So: Art. 3 Abs. 1d VSKS. 241 So: Art. 3 Abs. 1e VSKS. 242 Zu dem in Art. 8 VSKS normierten Verfahren zur Überprüfung der Umsetzung der im Fiskalpakt festgelegten Vorgaben für die nationalen Schuldenbremsen siehe beispielsweise: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (146 f.). 239

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

– Ferner finden sich im Fiskalpakt Vertragsbestimmungen, die darauf abzielen, die Wirksamkeit des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts an verschiedenen Stellen zu erhöhen. Zu nennen ist beispielsweise Art. 4 VSKS, der einer „Verstärkung des Schuldenstandkriteriums“ 243 dient: Wird der in dem Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit genannte Grenzwert von 60 % des Bruttoinlandsprodukts überschritten, sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, die bestehende Differenz jährlich um 1/20 zu verringern. Art. 5 VSKS beinhaltet, dass ein Vertragsstaat, gegen den ein Defizitverfahren läuft, ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm mit detailliert beschriebenen Strukturreformen vorlegen muss. Art. 7 VSKS sieht eine Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit von einem „qualifizierte[n] Zustimmungserfordernis“ zu einem „qualifizierte[n] Ablehnungserfordernis“ vor244. – Einige Bestimmungen des Fiskalpakts, insbesondere Art. 6, 9, 11 VSKS, bezwecken darüber hinaus eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung der Vertragsstaaten untereinander. – Zudem wird durch den Fiskalpakt, konkret durch Art. 12 VSKS, eine neue Institution eingeführt, der sogenannte „Euro-Gipfel“. Der Fiskalpakt sieht sich hinsichtlich seines Inhalts der Kritik ausgesetzt, dass er im Wesentlichen nur bereits geltendes EU-rechtliches Primär- und Sekundärrecht wiederhole und bestätige; so wird die Meinung geäußert, dass die Bestimmungen des Fiskalvertrags größtenteils „redundant“ 245 seien bzw. gegenüber den EU-rechtlichen Bestimmungen nur einen „geringe[n] Mehrwert“ 246 aufwiesen. Tatsächlich lässt sich diese These jedoch in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten: Zwar bestehen gewisse inhaltliche Überschneidungen, insbesondere mit dem Sixpack; gerade was die Vorgaben der Schuldenbremse in Art. 3 VSKS betrifft, kommt dem Fiskalpakt allerdings gegenüber den anderen EU-rechtlichen Bestimmungen eine eigenständige Bedeutung zu247.

243

Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (386). Lorz/Sauer, DÖV 2012, 573 (574). Hierzu auch: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (145); Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 (482); Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (387). 245 So: Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (391). 246 Repasi, Studie zur Vereinbarkeit der Fiskalunion mit Völker- und Europarecht sowie zur rechtlichen Umsetzung des Diskussionspapiers „Europäische Wirtschaftsregierung – oder was?“, S. 14. 247 Ein ausführlicher Vergleich der Bestimmungen des Sixpack mit denen des Fiskalpakts findet sich bei Antpöhler. Auch dieser kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass die Einführung der Schuldenbremse als bedeutendste Änderung durch den Fiskalpakt einzustufen ist. Siehe: Antpöhler, ZaöRV 2012, 353 (383 sowie 382 ff.). 244

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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4. Twopack-Reformen Bei dem sogenannten Twopack handelt es sich um ein Reformpaket bestehend aus zwei Verordnungen – der Verordnung (EU) Nr. 472/2013248 und der Verordnung (EU) Nr. 473/2013249 vom 21. Mai 2013, die am 30. Mai 2013 in Kraft getreten sind. Ihr Ziel besteht vor allem darin, die „Durchsetzung des Stabilitätsund Wachstumspakts zu stärken und für den Euro-Raum noch strengere Haushaltsüberwachungsverfahren einzuführen“ 250. Hierbei knüpfen sie ergänzend an die Bestimmungen des Sixpack sowie des Fiskalpakts an. Ihr Inhalt lässt sich in den folgenden Stichpunkten zusammenfassen: Durch die Verordnung (EU) Nr. 473/2013 sind unter anderem einheitliche Haushaltsfristen und hieran anknüpfende Überwachungsregelungen eingeführt worden; durch die Verordnung (EU) Nr. 472/2013 wird eine verstärkte Überwachung für diejenigen Mitgliedstaaten der Eurozone durchgesetzt, die Finanzhilfen erhalten bzw. von gravierenden Schwierigkeiten bezüglich ihrer finanziellen Stabilität betroffen sind251. In dem vorliegenden Kontext ist der Twopack unter dem nachstehenden Aspekt von Bedeutung: In dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag Kom 2011(821) sollten die Mitgliedstaaten der Eurozone dazu verpflichtet werden, „numerische Haushaltsregeln über die Ausgeglichenheit des Haushalts“ in ihrem nationalen Recht „verbindlich und vorzugsweise in der Verfassung“ zu verankern. Hierdurch wären mit dem Fiskalpakt vergleichbare Vorgaben für nationale Schuldenregelungen in das EU-Recht übernommen worden252. Dieser Vorschlag blieb allerdings in der schließlich verabschiedeten Verordnung unberücksichtigt. 5. Zusammenfassende Übersicht Die vorgestellten Reformmaßnahmen treffen allesamt relevante Regelungen gerade auch im fiskalpolitischen Bereich und zielen im Wesentlichen auf eine 248 Verordnung (EU) Nr. 472/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind, ABl. der Europäischen Union 2013/L 140/1 v. 27. Mai 2013. 249 Verordnung (EU) Nr. 473/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, ABl. der Europäische Union 2013/L 140/11 v. 17. Mai 2013. 250 Stöbener, EuZW 2013, 526 (526). 251 Zum Inhalt des Twopack siehe: Stöbener, EuZW 2013, 526 (526). 252 Tatsächlich wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass den Bestimmungen des Fiskalpakts gegenüber Art. 4 des genannten Verordnungsvorschlags der Kommission nur ein sehr geringer Mehrwert verbleiben würde. Siehe hierzu beispielsweise: Repasi, EuR 2013, 45 (68).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Vermeidung übermäßiger Defizite und Schuldenstände auf der Ebene der EUMitgliedstaaten ab253. In diesem Zusammenhang sind zwei verschiedene Ansätze zu erkennen: Zum einen sind Maßnahmen ergriffen worden, um die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die sich bislang als unzureichend herausgestellt haben, zu ergänzen, weiter auszubauen und zu verschärfen. Zum anderen sind diverse Schritte mit dem Ziel unternommen worden, die Mitgliedstaaten auf der Ebene ihres nationalen Rechts zur innerstaatlichen Umsetzung von bestimmten Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung zu veranlassen; hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die genannten Bestimmungen des Sixpack, Euro-Plus-Pakts und Fiskalpakts254.

B. Das Verhältnis zu der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes Nachdem ein Überblick über die wesentlichen EU-rechtlichen bzw. völkerrechtlichen Vorgaben und Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung gegeben worden ist, ist nachfolgend zu untersuchen, was für Konsequenzen sich hieraus für die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse ergeben. Hierbei ist zu differenzieren zwischen den EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen des Art. 126 AEUV und des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie den an verschiedenen Stellen verankerten Verpflichtungen zur Normierung bestimmter Schuldenregelungen im nationalen Recht. I. Anwendungsvorrang des Art. 126 AEUV und des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts? Anerkannt ist, dass dem EU-Recht in seiner Anwendung Vorrang gegenüber entgegenstehenden Regelungen des nationalen Rechts zukommt; dieser Anwendungsvorrang trifft gegebenenfalls auch nationale Bestimmungen eines Mitgliedstaates mit Verfassungsrang255. Mit Blick auf die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG stellt sich demnach die Frage, ob sie möglicherweise von einem Anwendungsvorrang der EU-rechtlichen 253 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 117 ff., vor allem S. 121. 254 Siehe hierzu: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 121 und S. 121 ff. 255 Zur Vorrangwirkung des EU-Rechts siehe eingehend: Herdegen, Europarecht, § 10, Rn. 1 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 203 ff. Ebenso, speziell im Kontext EU-rechtlicher und grundgesetzlicher Schuldenregelungen bzw. sonstiger finanzverfassungsrechtlicher Bestimmungen: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 83 f.; Häde, in: Finanzkrise im Bundesstaat, 197 (201 f.).

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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Schuldenregelungen in Art. 126 AEUV und im Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt betroffen ist. Im Ergebnis ist diese Frage zu verneinen: Ein Anwendungsvorrang des EURechts droht nur unter der Voraussetzung, dass sich eine EU-rechtliche und eine nationale Regelung auf denselben Regelungsgegenstand beziehen256. Die EUrechtlichen Schuldenregelungen des Art. 126 AEUV bzw. Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse differieren allerdings hinsichtlich ihres Regelungsgegenstandes, so dass es in diesem Zusammenhang bereits an einer „konkreten Kollisionslage“ zwischen EURecht und Grundgesetz fehlt257: Die Bestimmungen des Art. 126 AEUV und des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Begrenzung der Verschuldung auf der Ebene der Mitgliedstaaten beziehen sich auf die öffentliche Verschuldung des Gesamtstaates, d. h. auf die Verschuldung des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherungen258. Die in Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG normierte Schuldenbremse begrenzt demgegenüber allein die staatliche Verschuldung des Bundes und der Länder259 und betrifft lediglich einen Ausschnitt des von den EU-rechtlichen Bestimmungen umfassten Bereichs260. Mangels gleichen Regelungsgegenstands und mangels Kollision ist somit ein Anwendungsvorrang der EU-rechtlichen Schuldenregelungen vor der grundgesetzlichen Schuldenbremse ausgeschlossen. II. Erfüllung der EU-rechtlichen bzw. völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Verankerung bestimmter Schuldenregelungen im nationalen Recht? Bislang bestand auf der Ebene der EU keine Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung der in Art. 126 AEUV und in dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt normierten Verschuldungsgrenzen. Den Mitgliedstaaten wurden durch die genannten EU-rechtlichen Schuldenregelungen nur bestimmte Zielvorgaben gesetzt; wie sie diese Ziele erreichten, blieb hingegen ihnen überlassen261. 256

Siehe exemplarisch: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 26 f. Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 84. So bereits zum bisherigen Staatsschuldenrecht: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 27; Gröpl, Die Verwaltung 39 (2006), 215 (227); eingehend: Höfling/Rixen, in: Kahl/Waldhoff/ Walter, Bonner Kommentar GG, 107. Erg.-Lfg., 2003, Art. 115, Rn. 455 ff. 258 Siehe hierzu: Art. 2 Spiegelstrich 1 sowie Art. 3 des Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. 259 Siehe hierzu die obigen Ausführungen: 2. Teil § 2 B. II. 260 Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 84. 261 Siehe hierzu: Korioth, KritV 2008, 187 (192 f.); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 133; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 26 f. A.A.: Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder257

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Wie bereits deutlich geworden ist, hat sich diese Sachlage allerdings im Zuge der jüngsten Reformen geändert. Nunmehr finden sich an verschiedenen Stellen Verpflichtungen für die betreffenden Mitgliedstaaten bzw. Vertragsstaaten zur Umsetzung bestimmter Schuldenregelungen in nationales Recht262: Innerhalb des Sixpack wird durch Art. 5 der Richtlinie 2011/85/EU festgelegt, dass jeder Mitgliedstaat über numerische Haushaltsregeln zu verfügen hat, „die für ihn spezifisch sind und die wirksam zur Einhaltung ihrer jeweiligen aus dem AEUV im Bereich der Haushaltspolitik erwachsenden Verpflichtungen über einen Zeithorizont von mehreren Jahren durch den Staat als Ganzes beitragen“. Ebenso findet sich im Euro-Plus-Pakt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten die Vorschriften des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts in nationales Recht umzusetzen263. Diese beiden Verpflichtungen erweisen sich bei genauerer Betrachtung jedoch als überaus „vage“ und hinsichtlich ihrer Umsetzung „wenig zwingend“ 264; so wird weder im Sixpack noch im Euro-Plus-Pakt näher ausgeführt, ob die geforderte Regelung auf der Ebene des einfachen Rechts oder auf Verfassungsebene zu normieren ist und wie die betreffenden Regelungen im Detail inhaltlich auszugestalten sind265. Der Fiskalpakt nimmt im Vergleich zu den beiden genannten Verpflichtungen des Sixpack und des Euro-Plus-Pakts eine besondere Stellung ein266: Zunächst beinhaltet Art. 3 VSKS für die Ausgestaltung der im nationalen Recht zu verankernden Schuldenbremse die vergleichsweise detailliertesten und präzisesten Anforderungen. Beispielsweise werden die Vertragsstaaten durch Art. 3 Abs. 2 VSKS nicht nur dazu verpflichtet, bestimmte Schuldenregelungen in ihr nationales Recht zu übernehmen; vielmehr wird konkret gefordert, dass diese in nationalen Bestimmungen zu verankern sind, die „verbindlicher und dauerhafter Art sind, vorzugsweise mit Verfassungsrang“ bzw. „deren vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren auf andere Weise garantiert ist“. Darüber hinaus wird für die in das nationale Recht zu integrierenden Schuldenregelungen explizit eine spezifische Ausgestaltung in Form einer Saldoregel mit einer Begrenzung des strukturellen Defizits vorgeFinanzbeziehungen am 22. Juni 2007 in Berlin, Kom.-Drs. 021, S. 3 ff., vor allem S. 4 f. 262 Siehe hierzu: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 128 f. 263 Siehe den Abschnitt „§ Nationale Haushaltsvorschriften“ im Euro-Plus-Pakt. 264 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 128. 265 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 128. 266 Zu den nachstenden Gesichtspunkten siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 128 f.

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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schrieben. Anders als im Sixpack oder im Euro-Plus-Pakt, ist die Verpflichtung des Fiskalpakts zur Einführung bestimmter Fiskalregeln in die nationalen Rechtsordnungen ferner durch die mögliche Verhängung von Sanktionen in besonderer Weise abgesichert worden. Zuletzt beinhaltet der Fiskalpakt mit Festsetzung eines Grenzwertes für das strukturelle Defizit von maximal 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts im Ergebnis die restriktivsten Vorgaben; für den Fall, dass die durch den Fiskalpakt gezogenen Grenzen für die Staatsverschuldung eingehalten werden, wird man im Normalfall davon ausgehen können, dass auch die sonstigen Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts erfüllt werden267. In Anbetracht der gerade getroffenen Feststellungen bietet es sich vorliegend an, die nachstehende Untersuchung, inwieweit Deutschland die EU- bzw. völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Normierung bestimmter nationaler Schuldenregelungen erfüllt, auf eine exemplarische Betrachtung der im Fiskalpakt vorgesehenen Verpflichtung zu beschränken. Da der Fiskalpakt den daran teilnehmenden Staaten die Verankerung näher bestimmter Schuldenregelungen „vorzugsweise mit Verfassungsrang“ auferlegt, ist in erster Linie zu klären, ob die seit 2009 im Grundgesetz normierte deutsche Schuldenbremse die im Fiskalpakt vereinbarten Anforderungen bereits erfüllt. 1. Übereinstimmungen zwischen der europäischen Schuldenbremse des Fiskalpakts und der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes Bei einer oberflächlichen Betrachtung entsteht zunächst der Eindruck, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine die Verpflichtung des Art. 3 Abs. 2 VSKS erfüllende nationale Schuldenbremse im Wesentlichen bereits seit der Föderalismusreform II existiert. Dieses Ergebnis liegt vor allem nahe, da bei der Entwicklung der nach Art. 3 VSKS in das nationale Recht einzuführenden Schuldenbremse die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse erkennbar als „Vorlage“ diente268. Vergleicht man die im Fiskalpakt vorgesehene europäische Schuldenbremse mit der im Grundgesetz normierten deutschen Schuldenbremse, so lässt sich in der Tat ein hohes Maß an inhaltlicher und vor allem auch struktureller Vergleichbarkeit erkennen269:

267 So: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 134. 268 Kube, WM 2012, 245 (252). 269 Vgl. hierzu die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, das im Rahmen seines Urteils zu dem Ergebnis kommt, dass die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus Art. 3 SKS mit den Vorgaben der Art. 109, 109a, 115 und 143d GG „im Wesentlichen strukturell gleichgeartet“ seien: BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Abs. 196 ff., vor allem Abs. 198.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Art. 3 Abs. 1a VSKS verlangt, dass der gesamtstaatliche Haushalt der Vertragsstaaten ausgeglichen sein muss oder einen Überschuss aufzuweisen hat; weitgehend deckungsgleiche Bestimmungen finden sich auf der Ebene des deutschen Rechts für den Bund und die Länder in Art. 109 Abs. 3 S. 1, Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG, die ebenfalls den Grundsatz eines materiell ausgeglichenen Haushalts aufstellen. Die europäische und die deutsche Schuldenbremse gehen somit auf den ersten Blick von einem weitgehend übereinstimmenden Ausgangspunkt aus270. Anknüpfend hieran sehen die europäische und die deutsche Schuldenbremse das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts gem. Art. 3 Abs. 1 b VSKS bzw. gem. Art. 109 Abs. 3 S. 4, Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG bereits dann als erfüllt an, wenn ein lediglich geringes strukturelles Defizit besteht, und arbeiten hierbei mit einer „gesetzlichen Fiktion für das Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts“ 271. Die Höhe des nach dem Grundgesetz zulässigen strukturellen Defizits von Bund und Ländern bleibt sogar hinter der durch den Fiskalpakt gezogenen Grenze zurück272: Während nach dem Fiskalpakt die strukturellen Defizite des Gesamtstaates eine Grenze von 0,5 %, gegebenenfalls auch 1 %, nicht überschreiten dürfen, lässt die grundgesetzliche „Schuldenbremse“ für Bund und Länder gemeinsam nur ein strukturelles Defizit von höchstens 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts zu. Ein hohes Maß an Deckungsgleichheit zwischen der Schuldenbremse des Fiskalpakts und derjenigen des Grundgesetzes besteht ferner in Bezug auf die Ausnahmeregelungen, die ein Abweichen von den festgelegten Verschuldungsgrenzen zulassen: Die im Fiskalpakt vorgesehene Schuldenbremse lässt gem. Art. 3 Abs. 1c VSKS Abweichungen vom mittelfristigen Haushaltsziel der Vertragsstaaten im Falle von „außergewöhnlichen Umständen“ zu, die Art. 3 Abs. 3 VSKS näher definiert als „ein außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der betreffenden Vertragspartei entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat“ oder als „ein[en] schwere[n] Konjunkturabschwung im Sinne des geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakts“. In Art. 109 Abs. 3 S. 2, Art. 115 Abs. 2 S. 3, 6 GG finden sich korrespondierende Ausnahmeregelungen, die eine Überschreitung der festgelegten Kreditgrenzen im Falle von „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ bzw. bei „einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ gestatten273. 270

Ebenso: BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Abs. 201. BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Abs. 202. 272 Ebenso: Henneke, in: Auf dem Weg zu nachhaltig ausgeglichenen öffentlichen Haushalten, 89 (103); Schorkopf, in: Auf dem Weg zu nachhaltig ausgeglichenen öffentlichen Haushalten, 119 (131). 273 BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Abs. 203. Schorkopf kommt sogar zu dem Ergebnis, dass das Grundgesetz in Bezug auf die Ausnahmebestimmungen letzt271

§ 3 Die EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen

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In Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG, der die Einführung eines Kontrollkontos sowie eine Rückführungsverpflichtung bezüglich der dort verzeichneten Defizite vorsieht, könnte darüber hinaus die Grundlage für einen Korrekturmechanismus zu sehen sein, der mit dem im Fiskalpakt geforderten automatischen Korrekturmechanismus zumindest vom Ansatz her vergleichbar ist. Durch Art. 109a GG, einschließlich der hierzu erlassenen einfachgesetzlichen Bestimmungen des Stabilitätsratsgesetzes, ist zudem eine „institutionalisierte Form der Überwachung“ geschaffen worden, wie sie in ähnlicher Form in Art. 3 Abs. 2 S. 2 VSKS gefordert wird274. 2. Abweichungen zwischen der europäischen Schuldenbremse des Fiskalpakts und der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes Doch trotz der aufgezeigten Gemeinsamkeiten zwischen der im Fiskalpakt vorgesehenen europäischen Schuldenbremse und seinem im Grundgesetz normierten deutschen Pendant, bestehen auch einige zentrale Differenzen275. Die teils gravierenden Unterschiede stellen letztlich in Frage, dass mit der in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG normierten Schuldenbremse die Verpflichtung des Art. 3 Abs. 2 VSKS bereits vollständig erfüllt worden ist. Ein bedeutsamer Unterschied besteht darin, dass die im Fiskalpakt vorgesehene Schuldenbremse und die grundgesetzliche Schuldenbremse hinsichtlich ihres Regelungsadressaten und ihrer Reichweite differieren: Die europäische Schuldenbremse in Art. 3 Abs. 1 VSKS verlangt, dass der gesamtstaatliche Haushalt ausgeglichen ist oder einen Überschuss aufweist. Die deutsche Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG normiert den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts demgegenüber ausschließlich für die Haushalte von Bund und Ländern und legt auch nur für diese einen Grenzwert für das zulässige strukturelle Defizit (für den Bund 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts, für die Länder 0 % des Bruttoinlandsprodukts) fest. Die Haushalte von Kommunen und Sozialversicherungen sollen demgegenüber nach dem ausdrücklichen Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers von den Vorgaben der im Grundgesetz normierten deutschen Schuldenbremse nicht erfasst werden276; eine Grenze für die gesamtstaatliche Neuverschuldung, wie sie im Fiskalpakt gefordert wird, ist in

lich einen „strengeren Maßstab“ als der Fiskalpakt anlege: Schorkopf, in: Auf dem Weg zu nachhaltig ausgeglichenen öffentlichen Haushalten, 119 (131). 274 Siehe hierzu: BVerfG, 2 BvR 1390/12 u. a. vom 12.9.2012, Abs. 204. 275 Ähnlich Möllers/Reinhardt, die zu dem Ergebnis kommen, der Fiskalpakt stelle „zwar durchaus vergleichbare, aber eben doch nicht identische Anforderungen“ auf: Möllers/Reinhardt, JZ 2012, 693 (696). 276 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 10 f. Eingehend hierzu siehe auch oben: 2. Teil § 2 B. II.

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

das Regelungskonzept der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes nicht aufgenommen worden277. Abweichungen zwischen den Regelungen der europäischen Schuldenbremse in Art. 3 Abs. 1 VSKS und der in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG verankerten deutschen Schuldenbremse bestehen auch bezüglich der exakten Berechnung des zulässigen strukturellen Defizits: Während nach den Vorgaben des Fiskalpakts der Berechnung des strukturellen Defizits die Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zugrunde gelegt wird, folgt die grundgesetzliche Schuldenbremse an dieser Stelle der Abgrenzung der Finanzstatistik278. Differenzen können sich ferner mit Blick auf die bestehenden Übergangsregelungen ergeben: Nach Art. 3 Abs. 2 S. 1 VSKS müssen Art. 3 Abs. 1 VSKS entsprechende Regelungen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Fiskalpakts, d. h. konkret bis Anfang 2014, in das nationale Recht des jeweiligen Vertragsstaates aufgenommen worden sein. Ab wann die Vertragsstaaten des Fiskalpakts die Grenze für das strukturelle Defizit von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts tatsächlich einzuhalten haben, ist länderspezifisch durch einen Vorschlag der Europäischen Kommission zu bestimmen279. Auch an dieser Stelle drohen problematische Abweichungen zwischen den Vorgaben des Fiskalpakts und denen des Grundgesetzes: Die Übergangsregelungen des Art. 143d Abs. 1 GG sehen für Bund und Länder einen Anpassungspfad vor, nach dem die Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse vollständig erst ab 2016 bzw. sogar erst ab 2020 einzuhalten sind280. Bei einer genaueren Untersuchung ergibt sich zudem, dass es innerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse an einem automatischen Korrekturmechanismus fehlt, der den Anforderungen des Fiskalpakts vollständig entspricht281. Die 277 Ebenso: Fisahn, Stellungnahme zur Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 7.5.2012 zum Fiskalpakt u. a., S. 2; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 130; Möllers/Reinhardt, JZ 2012, 693 (696); Kube, WM 2012, 245 (252); Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (149). 278 Hierzu: Krawietz, Verschiedene Fragen zum Fiskalvertrag, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 4-3000-060/12, S. 3; ebenso: Fisahn, Stellungnahme zur Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 7.5.2012 zum Fiskalpakt u. a., S. 2 f. 279 Siehe: Art. 3 Abs. 1 b S. 3 VSKS. 280 Hierzu: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (149); Henneke, in: Auf dem Weg zu nachhaltig ausgeglichenen öffentlichen Haushalten, 89 (103); Schorkopf, in: Auf dem Weg zu nachhaltig ausgeglichenen öffentlichen Haushalten, 119 (132); Fisahn, Stellungnahme zur Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 7.5.2012 zum Fiskalpakt u. a., S. 2; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 131. 281 Im Ergebnis ebenso: Fisahn, Stellungnahme zur Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 7.5.2012 zum Fiskalpakt u. a., S. 2.

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Vorgaben des Fiskalpakts für den im nationalen Recht zu verankernden automatischen Korrekturmechanismus lassen sich konkret aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 i.V. m. Art. 3 Abs. 1 e VSKS sowie aus den von der Europäischen Kommission hierzu entwickelten Grundsätzen entnehmen282. Deutlich wird das Zurückbleiben der grundgesetzlichen Schuldenbremse hinter den Vorgaben des Fiskalpakts insbesondere, wenn man den Anknüpfungspunkt bzw. das Auslösemoment des durch den Fiskalpakt vorgeschriebenen automatischen Korrekturmechanismus berücksichtigt: Gem. Art. 3 Abs. 1 e VSKS sollen „[e]rhebliche Abweichungen vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad“ den automatischen Korrekturmechanismus auslösen. Nach den von der Europäischen Kommission festgelegten Grundsätzen können zwar grundsätzlich länderspezifische Kriterien als Auslösemoment für den auf nationaler Ebene zu verankernden Korrekturmechanismus festgelegt werden; entscheidend ist jedoch auch in diesem Fall, dass der Korrekturmechanismus durch „genau definierte [. . .] Bedingungen“ ausgelöst werden muss, die gerade „eine erhebliche Abweichung vom mittelfristigen Ziel oder dem dorthin führenden Anpassungspfad anzeigen“ 283. Vor diesem Hintergrund ist zur grundgesetzlichen Schuldenbremse Folgendes anzumerken: Speziell für den Bund ist möglicherweise mit dem Kontrollkonto und der hieran anknüpfenden Rückführungsverpflichtung bezüglich bestehender negativer Salden ein Korrekturmechanismus gegeben, der den Anforderungen des Fiskalpakts auf den ersten Blick zu entsprechen scheint284. In jedem Fall fehlt innerhalb der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes aber ein Korrekturmechanismus, der gerade bei einer erheblichen Abweichung von den festgesetzten gesamtstaatlichen Haushaltszielen ausgelöst wird285. Im Zusammenhang mit dem automatischen Korrekturmechanismus wird in Art. 3 Abs. 2 S. 2 VSKS i.V. m. den von der Europäischen Kommission entwickelten Grundsätzen darüber hinaus eine Überwachung der Einhaltung der im Fiskalpakt festgelegten Schuldenbremse durch eine unabhängige oder funktional autonome Institution gefordert286. Eine derartige Überwachungsinstitution ist zwar grundsätzlich mit dem in Art. 109a GG verankerten Stabilitätsrat vorhan282 Siehe: Mitteilung der Kommission, Gemeinsame Grundsätze für nationale fiskalpolitische Korrekturmechanismen, Kom. (2012) 342 endg. 283 Siehe: Grundsatz Nr. 3 der von der Europäischen Kommission vorgelegten Gemeinsamen Grundsätze, Kom. (2012) 342 endg., Anhang, S. 7. 284 So wohl: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 131. 285 Ähnlich auch die Ausführungen des Sachverständigenrates, der gerade auf das Risiko einer unzureichenden Normierung automatischer Korrekturmechanismen auf der Ebene der Länder verweist: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 131. 286 Siehe: Grundsatz Nr. 7 der von der Europäischen Kommission vorgelegten Gemeinsamen Grundsätze, Kom. (2012) 342 endg., Anhang, S. 9.

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den; ob dieses Gremium allerdings sämtliche von der Europäischen Kommission formulierten Anforderungen, insbesondere an das erforderliche „hohe [. . .] Maß an funktionaler Autonomie“ 287, erfüllt, ist jedoch zu bezweifeln. Auch an dieser Stelle wird somit ein Defizit der deutschen Regelungen gegenüber den Vorgaben des Fiskalpakts festzustellen sein288. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die im Grundgesetz normierte deutsche Schuldenbremse den Vorgaben des Fiskalpakts für die Einführung bestimmter nationaler Schuldenregelungen nicht in allen Punkten entspricht. Obwohl seit der Föderalismusreform II 2009 im Grundgesetz eine Schuldenbremse existiert, besteht in Anbetracht der aufgeführten Differenzen auch in Deutschland ein Reform- und Anpassungsbedarf, um die völkerrechtliche Verpflichtung des Art. 3 Abs. 2 VSKS umfassend zu erfüllen. 3. Exkurs: Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts Zu der vorstehenden Erkenntnis ist auch der deutsche Gesetzgeber gekommen. Er geht zwar grundsätzlich davon aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland mit den „verfassungsrechtlich verankerten Schuldenregeln und der begleitenden Errichtung des Stabilitätsrates [. . .] bereits umfassende institutionelle und rechtliche Regelungen [existierten], die die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Länder [sicherten]“ 289. Dennoch hat er sich dazu entschlossen, die bestehenden deutschen Regelungen im Interesse einer angemessenen innerstaatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalpakts zu ergänzen. Am 19. Juli 2013 ist das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags vom 15. Juli 2013 in Kraft getreten290. Die wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes, die in dem vorliegenden Kontext von Bedeutung sind, sollen nachfolgend vorgestellt werden291: Zunächst ist in § 51 HGrG eine gesamtstaatliche Neuverschuldungsgrenze entsprechend den Vorgaben des Art. 3 VSKS eingeführt worden. § 51 Abs. 2 S. 1 HGrG schreibt vor, dass das „strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit 287 So: Grundsatz Nr. 7 der von der Europäischen Kommission vorgelegten Gemeinsamen Grundsätze, Kom. (2012) 342 endg., Anhang, S. 9. 288 Vgl. hierzu auch die Ausführungen des Sachverständigenrats: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/13, S. 131. 289 So die Ausführungen in dem Entwurf eines Gesetzes zu innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags: BT-Drs. 17/12058, S. 1. 290 Siehe: Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags vom 15. Juli 2013, BGBl. I, S. 2398 ff. 291 Neben den Bestimmungen, die konkret einer Umsetzung des Fiskalpakts dienen, finden sich in dem genannten Gesetz darüber hinaus Änderungen des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetzes sowie des Artikel 115-Gesetzes.

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von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen [. . .] eine Obergrenze von 0,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten [darf].“ Hieran anknüpfend bestimmt der neue § 51 Abs. 2 S. 2 HGrG, dass für „Einzelheiten zu Abgrenzung, Berechnung und zulässigen Abweichungen von der Obergrenze sowie zum Umfang und Zeitrahmen der Rückführung des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits im Fall einer Abweichung“ Art. 3 VSKS sowie die einschlägigen Bestimmungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts maßgeblich sein sollen. Darüber hinaus sind Änderungen des Stabilitätsratsgesetzes vorgenommen worden. Konkret wird dem Stabilitätsrat durch eine Ergänzung des § 2 StabiRatG die Aufgabe übertragen, die Einhaltung der Obergrenze des gesamtstaatlichen strukturellen Finanzierungsdefizits in § 51 Abs. 2 HGrG zu überwachen. Detaillierte Bestimmungen dazu, wie diese Überwachung der Einhaltung der genannten Obergrenze erfolgen soll, finden sich hierbei in dem neu eingefügten § 6 StabiRatG. Der neue § 7 StabiRatG bestimmt ferner, dass ein unabhängiger Beirat eingerichtet wird, der den Stabilitätsrat bei der Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des § 51 Abs. 2 HGrG unterstützen soll. 4. Zwischenergebnis Der deutsche Gesetzgeber hat somit auf einfachgesetzlicher Ebene verschiedene Regelungen zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts normiert, die auf den ersten Blick die meisten aufgezeigten Defizite der 2009 in das Grundgesetz eingeführten Schuldenbremse beseitigen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Entscheidung des Gesetzgebers für eine einfachgesetzliche Ergänzung vor dem Hintergrund der Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 VSKS zu bewerten ist. Art. 3 Abs. 2 VSKS verlangt nicht zwingend eine Verankerung der geforderten nationalen Schuldenregelungen auf der Ebene der mitgliedstaatlichen Verfassung; zugelassen werden auch sonstige Bestimmungen, „die verbindlicher und dauerhafter Art sind“ bzw. „deren vollständige Einhaltung und Befolgung im gesamten nationalen Haushaltsverfahren auf andere Weise garantiert ist“. Die Aufnahme der durch den Fiskalpakt vorgeschriebenen Grenze für das strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit in das Haushaltsgrundsätzegesetz wird dieser Anforderung letztlich gerecht: Zwar ist der deutschen Rechtsordnung einfaches Recht, das Vorrang vor einem Bundeshaushaltsgesetz beanspruchen kann und damit auch für den Bundeshaushaltsgesetzgeber verbindlich ist, grundsätzlich unbekannt292. Speziell im Zusammenhang mit der Grundsatzgesetzgebung des Haushaltsgrundsätzegesetzes wird jedoch überwiegend eine Sonderstellung angenommen; mit im Detail voneinander abweichenden Begründungen wird eine 292

Siehe: Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (148).

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3. Teil: Rechtliche Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse

Vorrangwirkung nicht nur gegenüber Landesrecht, sondern auch gegenüber anderen einfachgesetzlichen Bestimmungen des Bundesrechts hergeleitet und damit eine Selbstbindung des Bundesgesetzgebers angenommen293. Im Ergebnis ist es aber bedauerlich, dass man sich bei der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts gegen eine Reform der im Grundgesetz bereits normierten Schuldenbremse und lediglich für eine ergänzende, einfachgesetzliche Regelung im Haushaltsgrundsätzegesetz entschieden hat: Hinzuweisen ist darauf, dass die dargelegte Vorrang- bzw. Bindungswirkung des Haushaltsgrundsätzegesetzes vereinzelt in Frage gestellt wird294; somit könnte sich der für die innerstaatliche Umsetzung des Fiskalpaktes gewählte Weg zukünftigen Angriffen ausgesetzt sehen. Darüber hinaus wird in Art. 3 Abs. 2 VSKS eindeutig und unmissverständlich gefordert, dass „vorzugsweise“ Bestimmungen mit Verfassungsrang gewählt werden sollten. Gerade die deutsche Bundesregierung hatte im Verhandlungsprozess des Fiskalpaktes ursprünglich auf die Verankerung nationaler Schuldenbremsen in den jeweiligen Verfassungen gedrungen295. Dementsprechend ist es als inkonsequent anzusehen, dass Deutschland bei der Umsetzung einer den Vorgaben des Fiskalpaktes entsprechenden Schuldenbremse in das innerstaatliche Recht nicht mit gutem Beispiel vorangegangen ist und keine Anpassung bzw. Ergänzung auf grundgesetzlicher Ebene vorgenommen hat. Zuletzt erscheint es problematisch, dass man nunmehr über zwei parallel ausgestaltete Schuldenbremsen verfügt; das Zusammentreffen der ähnlichen, zugleich aber divergierenden Schuldenbremsen im Grundgesetz und im Haushaltsgrundsätzegesetz trägt nicht zur Klarheit und Übersichtlichkeit der Schuldenbegrenzung in Deutschland bei.

293 Siehe hierzu beispielsweise mit weiteren Nachweisen: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 239 ff.; Rodi, in: Kahl/Waldhoff/ Walter, Bonner Kommentar GG, 115. Erg.-Lfg., 2004, Art. 109, Rn. 344 ff., vor allem Rn. 351 ff.; Tiemann, DÖV 1974, 229 (234 f.); Heintzen, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, § 120, Rn. 5; Rengeling, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 6, § 135, Rn. 324. Eingehend: Tappe, Das Haushaltsgesetz als Zeitgesetz, S. 72 ff. So auch die expliziten Ausführungen in der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 5/3040, S. 38. 294 So beispielsweise: Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 99 ff. Kritisch auch: Püttner, DÖV 1970, 322 (323 f.). 295 Hofmann/Konow, ZG 2012, 138 (148, Fußnote 35).

4. Teil

Kritische Bewertung der in das Grundgesetz eingeführten deutschen Schuldenbremse Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die zentrale, rechtspolitische Frage, die beispielsweise von Tappe treffend formuliert worden ist: Tappe betont, dass zwar eine Reform des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts „seit langem überfällig“ war, knüpft an diese Feststellung allerdings unmittelbar mit der Frage an: „Aber muss es diese Reform sein?“ 1. Bei einer oberflächlichen, eher formalen Betrachtung lässt sich die von Tappe aufgeworfene Frage leicht und unzweifelhaft beantworten: Nein, es musste nicht diese Reform sein. Diese Antwort drängt sich bereits deswegen auf, weil im Rahmen der von der Föderalismuskommission II geführten Diskussionen zahlreiche unterschiedliche Reformansätze und Reformvorschläge auf dem Tisch lagen, die als Alternativen zu dem schließlich verwirklichten Konzept der Schuldenbremse in Betracht kamen. Die vielfältigen alternativen Reformkonzepte, die etwa von einem generellen Neuverschuldungsverbot über eine Anlehnung an die Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts bis zu einer bloßen Verschärfung der bestehenden Schuldenregelungen reichten2, konnten sich teilweise auch auf namhafte Autoritäten und fundierte wissenschaftliche Begründungen stützen3. Es hätte demnach zweifellos ein anderes Reformmodell für das im Grundgesetz verankerte Staatsschuldenrecht gewählt werden können. Letztlich wird man sich bei der Beantwortung der oben wiedergegebenen Fragestellung allerdings nicht auf eine derartig oberflächliche Betrachtungsweise stützen können. Die von Tappe formulierte Frage zielt nicht allein darauf ab, ob das Konzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse alternativlos, d. h. der einzig in Betracht kommende Reformvorschlag, war; im Kern geht es vielmehr um die Frage, ob mit der verabschiedeten Reform der „richtige“ oder zumindest ein „richtiger“ Weg eingeschlagen wurde.

1

Tappe, DÖV 2009, 818 (818). Ein Überblick über die verschiedenen Reformvorschläge mit weiteren Nachweisen findet sich bei: Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 356 ff.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 265 ff.; Härtel, JZ 2008, 437 (441 f.). 3 Zu nennen ist an dieser Stelle vor allem der umfassend ausgearbeitete Vorschlag des Sachverständigenrats: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 73 ff. 2

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Konkreter kann die Frage, ob es diese Reform sein musste, folglich dahingehend umformuliert werden, ob diese Reform überzeugt, ob diese Reform im Ergebnis positiv zu bewerten ist und ob mit dieser Reform die „richtige“ oder zumindest eine „richtige“ Lösung für das deutsche Staatsschuldenproblem gefunden worden ist. Stellt das Modell der grundgesetzlichen Schuldenbremse tatsächlich das gewünschte Erfolgsmodell dar?

§ 1 Exkurs: Übertragbarkeit der Erfahrungen mit der Schweizer Schuldenbremse? Die Frage, ob die deutsche Schuldenbremse des Grundgesetzes als Erfolgsmodell zu klassifizieren ist, ließe sich relativ leicht beantworten, sofern bereits umfassende Erkenntnisse über die praktischen Auswirkungen bzw. den faktischen Einfluss des neuen Regelungskonzepts auf die Entwicklung der Staatsverschuldung vorlägen. Als Erfolgsmodell könnte die deutsche Schuldenbremse dann bezeichnet werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum unter Beweis gestellt hätte, dass sie entsprechend ihrer Zielsetzung den weiteren Anstieg der Staatsverschuldung abzubremsen und ein weiteres Anwachsen des deutschen Schuldenberges zu verhindern vermag. Eine auf bisherigen Erfahrungen aufbauende Bewertung der grundgesetzlichen Schuldenbremse ist jedoch gegenwärtig noch nicht durchführbar: Da die deutsche Schuldenbremse erst ab 2016 bzw. 2020 uneingeschränkte Anwendung finden wird4, liegt die für diesen Ansatz erforderliche gesicherte Erfahrungsgrundlage noch nicht vor. Eine erste Einschätzung, wie sich die grundgesetzliche Schuldenbremse auf die Entwicklung der deutschen Staatsverschuldung auswirken wird, wird man erst nach mehreren Jahren, eventuell sogar Jahrzehnten ihrer uneingeschränkten Anwendung, wagen können. Nur über einen Umweg ist es gegebenenfalls möglich, anhand bereits vorliegender Erfahrungen mit dem Modell einer Schuldenbremse erste – wenn auch zurückhaltende – Einschätzungen zu der Frage zu erhalten, inwieweit sich die grundgesetzliche Schuldenbremse als ein Erfolgsmodell erweisen wird. Konkret führt dieser Umweg über die Schweiz: Wie bereits erwähnt worden ist, baut das Modell der im Grundgesetz normierten deutschen Schuldenbremse in seinem Kern auf dem Vorbild der Schweizer Schuldenbremse auf, die bereits 2001 im Wege einer Volksabstimmung in die Schweizerische Bundesverfassung eingeführt wurde und seit 2003 in Kraft getreten ist5. Sofern in der Schweiz nach gut 4

Siehe hierzu die Übergangsregelung in Art. 143d Abs. 1 GG. Eingehend zur Schweizer Schuldenbremse in der Bundesverfassung siehe: Duller, Föderalismusreform II: Lernen von der Schweiz?, S. 109 ff.; Afflatet, Politik, Staatsverschuldung und die deutsche Schuldenbremse, S. 130 ff.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 279 ff.; Siegenthaler/Zurbrügg, in: Die neuen Schuldenregeln im 5

§ 1 Exkurs: Schweizer Schuldenbremse

193

zehnjähriger Anwendungszeit bereits einigermaßen gesicherte Erkenntnisse vorliegen sollten und unter der Voraussetzung, dass sich diese Erfahrungen auf Deutschland übertragen lassen, könnten sich hieraus weiterführende Schlussfolgerungen zu den Auswirkungen der deutschen Schuldenbremse gewinnen lassen.

A. Die bisherigen Erfahrungen in der Schweiz – Die Schweizer Schuldenbremse als „Erfolgsmodell“? Nach nunmehr zehnjährigen Erfahrungen wird die in Art. 126 der Schweizer Bundesverfassung verankerte Schuldenbremse6 bereits verschiedentlich als „Erfolgmodell“ gefeiert7. Die vorliegenden Zahlen zur Entwicklung der Staatsverschuldung in der Schweiz scheinen diese Einschätzung zu stützen: Spätestens ab den 1990er Jahren hatte in der Schweiz ein „dramatische[r] Anstieg der Schulden der öffentlichen Haushalte“ eingesetzt8. Zwischen 1990 und 2003 stiegen die Schulden der öffentlichen Haushalte von abgerundet 104 auf über 240 Milliarden Franken an; die Schuldenstandsquote verzeichnete einen Anstieg von 30,9 % auf über 53,4 %9. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung leistete die Verschuldung des Bundes10. Seit dem Inkrafttreten der Schuldenbremse in der Schweizer Bundesverfassung ist es dem Bund allerdings gelungen, seine

Grundgesetz, 355 (355 ff.); Wenger, in: Schuldenregeln als goldener Weg zur Haushaltskonsolidierung in der EU?, 158 (158 ff.); Geier, The Debt brake – the Swiss fiscal rule at the federal level, Working Paper of the Federal Finance Administration No. 15/2011. Ausführlich zu der Schuldenbremse in der Schweizer Bundesverfassung ebenso wie zu den verschiedenen Schuldenbremsen auf kantonaler Ebene: Glaser, DÖV 2007, 98 (100 ff.). 6 So: economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nummer 18, S. 9. 7 Lanz, Erfolgsmodell Schuldenbremse – ein Exportschlager? Neue Zürcher Zeitung, 15. November 2012, Nr. 267, S. 33. Insgesamt wird der Schweizer Schuldenbremse bislang von vielen Seiten Erfolg bescheinigt, siehe beispielsweise: Eidgenössisches Finanzdepartment, Die Schuldenbremse – eine Erfolgsgeschichte; Beljean/Geier, Swiss Journal of Economics and Statistics 149 (2013), 115 (132 f.); economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nummer 18, S. 16; Siegenthaler/Zurbrügg, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 355 (366); Wenger, in: Schuldenregeln als goldener Weg zur Haushaltskonsolidierung in der EU?, 158 (171). Es finden sich aber auch kritische Stimme, die der Schweizer Schuldenbremse in der Praxis bereits ein völliges Versagen unterstellen: Bofinger/Lenk/Schneider, Zukunftsfähige Finanzpolitik, S. 63. 8 Siegenthaler/Zurbrügg, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 355 (356). 9 Siehe hierzu die Zahlen des Schweizer Bundesamts für Statistik: Bundesamt für Statistik (Schweiz), Schulden des Sektors Staat, Periode 1990 bis 2012. 10 Zur Entwicklung der Staatsverschuldung in der Schweiz und speziell zu dem Beitrag, den die Verschuldung des Bundes hierzu geleistet hat, siehe beispielsweise: Siegenthaler/Zurbrügg, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 355 (356 f.); Truger/Will, Eine Finanzpolitik im Interesse der nächsten Generationen, IMK Study 24, 2012, S. 11 ff.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

„chronischen Haushaltsdefizite“ 11 in Haushaltsüberschüsse zu verwandeln und seine bestehenden Schulden um ungefähr 12 Milliarden Franken zu verringern; die Staatsverschuldung des Bundes ging zwischen Ende 2002 und 2012 von 28,2 % auf 19,5 % des Bruttoinlandsprodukts zurück12. Betrachtet man den gesamten staatlichen Sektor (Bund, Kantone, Gemeinden, Sozialversicherungen) so ist die Verschuldung von anfangs über 240 Milliarden im Jahr 2003 nunmehr auf ungefähr 215 Milliarden Franken im Jahr 2012 zurückgeführt worden; die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote sank bis 2012 insgesamt auf 36,4 %13. Nach gegenwärtigen Schätzungen wird erwartet, dass die Schuldenstandsquote bis 2016 sogar unter 30 % sinken könnte14. Oberflächlich gesehen legen die dargelegten Zahlen zweifellos nahe, dass die zurückgehende Staatsverschuldung in der Schweiz ein Verdienst der Schuldenbremse ist. Bei einer kritischen Betrachtung ist dieses Ergebnis und vor allem die Kausalität zwischen der Einführung der Schuldenbremse und dem Rückgang der Staatsverschuldung aber keineswegs eindeutig und gesichert. Hinzuweisen ist etwa auch auf die gute wirtschaftliche Lage, die in der Schweiz seit Einführung der Schuldenbremse bestand: Anders als in den von wirtschaftlichen Problemen geprägten 1990er Jahren, ist in der Schweiz seit Einführung der Schuldenbremse überwiegend ein starkes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen gewesen15. Vor diesem Hintergrund wird verschiedentlich die Behauptung geäußert, die oben nachgezeichnete Entwicklung der Staatsverschuldung in der Schweiz sei weniger als ein Erfolg der Schuldenbremse zu werten, sondern beruhe in erster Linie auf der Verbesserung der wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen16. Es liegen jedoch Indizien vor, die darauf hinweisen, dass die Schweizer Schuldenbremse zumindest einen relevanten Beitrag zu der gegenwärtigen Entwicklung der Staatsverschuldung geleistet haben könnte17; insbesondere ist zu vermuten, dass die gute wirtschaftliche Lage in der Schweiz ohne die Bindung an die Schuldenbremse

11

Siegenthaler/Zurbrügg, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 355 (357). So: Beljean/Geier, Swiss Journal of Economics and Statistics 149 (2013), 115 (119). 13 Siehe die Zahlen des Schweizer Bundesamts für Statistik: Bundesamt für Statistik (Schweiz), Schulden des Sektors Staat, Periode 1990 bis 2012. 14 Lanz, Erfolgsmodell Schuldenbremse – ein Exportschlager? Neue Zürcher Zeitung, 15. November 2012, Nr. 267, S. 33. 15 So beispielsweise: Beljean/Geier, Swiss Journal of Economics and Statistics 149 (2013), 115 (121). Eingehend zu der Verbesserung der Konsolidierungsbedingungen, unter anderem zu den höheren Wachstumsraten des nominalen Bruttoinlandsprodukts: Truger/Will, Eine Finanzpolitik im Interesse der nächsten Generationen, IMK Study 24, 2012, S. 15 ff., vor allem das Zwischenfazit auf S. 29. 16 So beispielsweise: Truger/Will, Eine Finanzpolitik im Interesse der nächsten Generationen, IMK Study 24, 2012, S. 15 ff., vor allem das Zwischenfazit auf S. 29. 17 Siehe hierzu: Beljean/Geier, Swiss Journal of Economics and Statistics 149 (2013), 115 (121 ff.). 12

§ 1 Exkurs: Schweizer Schuldenbremse

195

keineswegs so konsequent zur Haushaltskonsolidierung genutzt worden wäre18. Nichtsdestotrotz bestehen weiterhin nicht zu ignorierende Unsicherheiten über den tatsächlichen Erfolg der Schweizer Schuldenbremse. Abschließend ist festzuhalten: Die in den letzten zehn Jahren angesammelten Daten deuten darauf hin, dass die in der Schweizerischen Bundesverfassung verankerte Schuldenbremse bislang als Erfolg zu werten ist. Zweifelhaft ist indes, ob bereits jetzt eine ausreichende und gesicherte Erfahrungsgrundlage vorliegt, um die Auswirkungen der Schuldenbremse – gerade auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten – umfassend einschätzen zu können.

B. Übertragbarkeit der Erfahrungen auf die deutsche Schuldenbremse des Grundgesetzes? Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass bereits eine ausreichende Grundlage für eine Bewertung der Schweizer Schuldenbremse vorliegt und dass dieses Regelungskonzept zu Recht die Bezeichnung als „Erfolgsmodell“ verdient, so ist damit noch nicht gesagt, dass sich diese Aussage auch auf das Modell der deutschen Schuldenbremse übertragen lässt. Zunächst ist zu betonen, dass die Schuldenbremse der Schweizerischen Bundesverfassung und die Schuldenbremse des Grundgesetzes in ihren Grundzügen zwar eine hohe Übereinstimmung aufweisen, im Detail allerdings keineswegs identisch sind19. Die wesentlichen Eckpunkte der Schweizer Schuldenbremse lassen sich folgendermaßen knapp umreißen20: Die Schweizer Schuldenbremse besteht im Kern aus einer Ausgabenregel, die die Höhe der Ausgaben grundsätzlich an die Höhe der Einnahmen bindet; hierbei wird die Höhe der Einnahmen vorab um einen Konjunkturfaktor korrigiert21. Für den Fall, dass die staatlichen Ausgaben den festgesetzten Höchstbetrag überschreiten, ist vorgeschrieben, dass diese Überschreitungen in den Folgejahren wieder zu kompensieren sind; sichergestellt wird dies über ein sogenanntes Ausgleichskonto22. Vorgesehen ist darüber hinaus 18 Vgl.: Beljean/Geier, Swiss Journal of Economics and Statistics 149 (2013), 115 (121); Geier, The Debt brake – the Swiss fiscal rule at the federal level, Working Paper of the Federal Finance Administration No. 15/2011, S. 10 f. 19 Eine Übersicht über die Schweizer Schuldenbremse und die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse findet sich beispielsweise bei Hausner/Simon: Hausner/Simon, Wirtschaftsdienst 2009, 265 (265 ff.). 20 Die Schweizer Schuldenbremse ist konkret in Art. 126 der Schweizer Bundesverfassung normiert. Ergänzende Bestimmungen finden sich zudem in dem Bundesgesetz über den eidgenössischen Finanzhaushalt (FHG). Zum Folgenden siehe beispielsweise: Siegenthaler/Zurbrügg, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 355 (358 ff.); Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 279 ff. 21 Siehe hierzu: Art. 126 Abs. 2 der Schweizer Bundesverfassung, Art. 13 FHG. 22 Siehe hierzu: Art. 126 Abs. 4 der Schweizer Bundesverfassung, Art. 16, 17 FHG.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

eine Ausnahmeregelung, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Erhöhung des Höchstbetrags zulässt23; verbunden ist diese Ausnahmeregelung mit einem sogenannten Amortisationskonto, das die Rückführung der entstandenen außerordentlichen Ausgaben über mehrere Jahre hinweg gewährleisten soll24. Bereits auf den ersten Blick ergeben sich – trotz vieler Gemeinsamkeiten – bedeutsame Differenzen zu der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse, von denen die folgende besondere Beachtung verdient: Eine mit der deutschen Strukturkomponente vergleichbare Regelung, durch die dem Bund ein begrenzter struktureller Neuverschuldungsspielraum eingeräumt wird, findet sich in der Schweizer Schuldenbremse nicht25. Bereits vor diesem Hintergrund erscheint es nicht selbstredend, dass sich die deutsche Schuldenbremse des Grundgesetzes in gleicher Weise wie die Schweizer Schuldenbremse auswirken wird. Darüber hinaus ist die auf Bundesebene normierte Schweizer Schuldenbremse in das spezifische verfassungsrechtliche Gefüge der Schweiz eingebettet, das sich an vielen Stellen nicht unwesentlich von dem in Deutschland bestehenden Verfassungssystem unterscheidet. Ob sich mit der deutschen Schuldenbremse automatisch die gleichen Ergebnisse erzielen lassen wie mit ihrem Schweizer Vorbild, erscheint somit aus einem weiteren Grund mehr als fraglich. Eine grundlegende Diskrepanz zwischen den Rechtsordnungen beider Länder besteht bereits bezüglich der Finanzverfassungen: Festzustellen ist, dass die Finanzverfassung der Schweiz eine wesentlich größere Finanzautonomie der einzelnen Gebietskörperschaften vorsieht als dies in Deutschland der Fall ist; dies betrifft die verschiedensten Bereiche der föderalen Finanzautonomie, insbesondere die Regelungsautonomie, Ertragsautonomie, Verwaltungsautonomie, Verfügungsautonomie und Verteilungsautonomie26. In der Schweiz herrscht somit anders als in Deutschland ein „stark ausgeprägter fiskalischer Föderalismus“ mit einer „hohe[n] fiskalische[n] Autonomie“ des Bundes, der Kantone und Gemeinden27. Dieses Merkmal der schweizerischen Finanzverfassung entfaltet gegebenenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit der Schweizer Schuldenbremse: Durch die hohe fiskalische Autonomie, vor allem durch die umfassende Steuerautonomie der schweizerischen Gebietskörperschaften, besteht ein ausgeprägter „Wettbewerbsföderalismus“ und damit ein besonderer Anreiz zur soliden Haushaltsführung auf allen Ebenen des Föderalstaates. Unter den Bedin-

23

Siehe hierzu: Art. 126 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung, Art. 15 FHG. Siehe hierzu: Art. 17a, 17b, 17c, 17d FHG. 25 Siehe etwa: economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nummer 18, S. 3. 26 Eingehend: Duller, Föderalismusreform II: Lernen von der Schweiz?, S. 80 ff. 27 Hausner/Simon, Wirtschaftsdienst 2009, 265 (265). Siehe hierzu auch: Feld, in: Föderalismusreform II: Weichenstellungen für eine Neuordung der Finanzbeziehungen im deutschen Bundesstaat, 177 (179 ff.). 24

§ 1 Exkurs: Schweizer Schuldenbremse

197

gungen des in Deutschland vorherrschenden „kooperativen Föderalismus“, der mit möglichen Einstandspflichten zwischen Bund und Ländern untereinander verbunden ist, lässt sich eine derart günstige Anreizstruktur nicht feststellen28. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in der Schweiz – anders als in Deutschland – auch auf Bundesebene weitreichende direktdemokratische Elemente bestehen29. Auch hieraus ergeben sich bedeutsame Konsequenzen für die Wirksamkeit der Schweizer Schuldenbremse, die in Deutschland gerade nicht in vergleichbarer Weise vorausgesetzt werden können: In der Schweiz war es beispielsweise möglich bzw. sogar verpflichtend, die Schuldenbremse per Volksabstimmung in die Bundesverfassung einzuführen30. Angenommen wird, dass auf diese Weise die politische Akzeptanz der Schweizer Schuldenbremse erheblich gestärkt und folglich ein Beitrag zu ihrem Erfolg geleistet worden ist31. Ausgeführt wird auch, dass die hohe Zustimmung, die die Schuldenbremse bei der durchgeführten Volksabstimmung erhalten habe, eventuell sogar das Fehlen eines Sanktionsmechanismus innerhalb der Schuldenbremse kompensiere; die Regierung könne es sich unter dieser Voraussetzung „schlicht nicht leisten, offensichtlich gegen den Willen des Volkes zu verstoßen“ 32. Aus der vorstehenden Betrachtung ist insgesamt abzuleiten, dass sich aus den bereits vorliegenden Erfahrungen mit der Schuldenbremse der Schweizerischen Bundesverfassung keine Rückschlüsse auf die Auswirkungen der deutschen Schuldenbremse und ihren zukünftigen Erfolg ziehen lassen.

C. Fazit Mangels ausreichender Erkenntnisse und Daten lässt sich eine Bewertung der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf einer empirischen Grundlage gegenwärtig noch nicht durchführen.

28 Hierzu ausführlich: Feld, in: Föderalismusreform II: Weichenstellungen für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen im deutschen Bundesstaat, 177 (177 ff., vor allem 195). 29 Einführende Anmerkungen zu der direkten Demokratie in der Schweiz finden sich beispielsweise bei Duller: Duller, Föderalismusreform II: Lernen von der Schweiz?, S. 28 ff. 30 Die Einführung der Schweizer Schuldenbremse in die Schweizer Bundesverfassung wurde im Rahmen der durchgeführten Volksabstimmung mit einer überwältigenden Mehrheit von 85 % beschlossen. 31 Siehe etwa: Müller/Hartwig/Frick, Eine Schuldenbremse für den deutschen Bundeshaushalt – Ein Vorschlag zur Reform der Haushaltsgesetzgebung, Kom.-Drs. 038, vor allem S. 43 und 45. 32 So: Feld, Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung der Föderalismuskommission II zu den Finanzthemen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 024, S. 27. Ebenso: Duller, Föderalismusreform II: Lernen von der Schweiz?, S. 119.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

§ 2 Die Entwicklung eines Bewertungsmaßstabs für die kritische Analyse der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse Eine kritische Analyse der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse aus heutiger Sicht kann sich aufgrund fehlender praktischer Erfahrungen allein auf eine theoretische Betrachtung der ihr zugrunde liegenden rechtlichen Bestimmungen stützen. Ein derartiger Untersuchungsansatz sieht sich naturgemäß mit einigen schwerwiegenden Problemen konfrontiert: Bei einer rein abstrakten inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse lässt sich gegenwärtig über viele, für den Erfolg dieses Regelungskonzepts entscheidende Aspekte nur spekulieren. Unklar ist beispielsweise, wie die neue grundgesetzliche Schuldenbremse langfristig ausgelegt und angewendet werden wird, ob sich in der Praxis eine „wiederkehrende[n . . .] Dauerrechtsverletzung“ 33 der Schuldenregelungen einstellen wird und ob sich die verfassungsrechtlichen Schuldenregelungen vor dem Hintergrund der nationalen ebenso wie der internationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklung schließlich zur „Makulatur“ 34 entwickeln werden. Eine gegenwärtige kritische Analyse der in das Grundgesetz integrierten deutschen Schuldenbremse baut somit notwendigerweise auf einer eingeschränkten Perspektive auf; dennoch kommt es gerade darauf an, etwaige Mängel innerhalb dieses Regelungssystems zur Begrenzung der Staatsverschuldung möglichst frühzeitig zu erkennen. Ansonsten verliert man wertvolle Zeit, in der man der Lösung des drängenden Staatsschuldenproblems um keinen Schritt näher gekommen ist. Entscheidend für eine aktuelle Untersuchung ist folglich, dass die dargelegten Schwierigkeiten überwunden werden: Hierfür kommt es darauf an, einen Bewertungsmaßstab festzulegen, der bereits heute relativ verlässliche Aussagen darüber zulässt, ob sich die grundgesetzliche Schuldenbremse in ihrer praktischen Anwendung voraussichtlich als Erfolgsmodell bewähren wird. Zu klären sind hierbei die nachstehenden Fragen: Welche Voraussetzungen müssen fiskalpolitische Regelungen allgemein erfüllen, dass man sie als Erfolgsmodell klassifizieren kann? Welchen Anforderungen müssen Schuldenregelungen gemeinhin entsprechen, dass man sie als „richtigen“ Ansatz zur Begrenzung der Staatsverschuldung einordnen bzw. als „gut“, „wirksam“, „effektiv“, „zweckmäßig“ beurteilen kann? 33 So die Ansicht der Bundesverfassungsrichter Di Fabio und Mellinghoff zu der Umsetzung der bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes in ihrer abweichenden Meinung zu dem Bundesverfassungsgerichtsurteil über den Bundeshaushalt 2004: BVerfGE 119, 96 (172). 34 Die Frage, ob die Regelungen der „Schuldenbremse“ bereits jetzt nur noch Makulatur sind, wird beispielsweise von Wieland erörtert: Wieland, in: Systemmängel in Demokratie und Marktwirtschaft, 9 (9 ff.).

§ 2 Bewertungsmaßstab für die Analyse der deutschen Schuldenbremse

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A. Die Festlegung eines geeigneten Bewertungsmaßstabs für die kritische Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse Auf der Suche nach einem geeigneten Bewertungsmaßstab für die kritische Analyse der grundgesetzlichen Schuldenbremse bietet sich zunächst eine Bestandsaufnahme über die bereits existierenden Maßstäbe, Kriterienkataloge und Indikatoren zur Beurteilung fiskalpolitischer Regelungen an. I. Bestandsaufnahme In verschiedenen Zusammenhängen werden immer wieder einzelne Merkmale genannt, die für die Wirksamkeit von Schuldenregelungen entscheidend sein sollen. Hierbei handelt es sich häufig nur um eine schlagwortartige Benennung von Parametern, die nicht näher begründet und erläutert werden. Das Problem, Staatsverschuldung durch effektive rechtliche Regelungen vernünftigen Grenzen zu unterwerfen, hat sich allerdings sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, aus historischer wie aus gegenwärtiger Sicht als so komplex erwiesen, dass man sich nicht auf einzelne Merkmale bzw. Kriterien stützen kann, um die Wirksamkeit einer Schuldenregelung angemessen beurteilen zu können. Geeignet für die kritische Analyse einer fiskalpolitischen Regelung erscheint nur ein vielschichtiger, in sich geschlossener Bewertungsmaßstab, der die Schwierigkeiten einer wirksamen Begrenzung von Staatsverschuldung zutreffend identifiziert und mit einer hinlänglichen Anzahl von Bewertungskriterien präzise erfasst. Tatsächlich finden sich auch umfassendere Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung von fiskalpolitischen Regelungen, die sich allerdings hinsichtlich ihrer methodischen Grundlagen, ihres Umfangs und ihrer Ausdifferenziertheit im Einzelnen erheblich voneinander unterscheiden35. 35 Exemplarisch können insbesondere die folgenden Bewertungsmaßstäbe und Kriterienkataloge genannte werden: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18 ff.; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 215 ff., insbesondere S. 217 ff., mit einer Übersicht über die vollständige Bewertungsmatrix auf S. 222; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 69 ff.; Kastrop/Marklein, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 1 (4); Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 20; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (209 ff., vor allem 211); European Commission, Public Finances in EMU 2009, European Economy 5/2009, S. 91. Eine rudimentäre Auflistung verschiedener Bewertungskriterien findet sich bei Buchanan und Wagner: Buchanan/Wagner, Democracy in Deficit, S. 175 f. Ein Überblick über einige zentrale Indikatoren findet sich beispielsweise bei Debrun et al.: Debrun et al., Economic Policy 23 (2008), 298 (306). Einige Bewertungsmaßstäbe sind in einem spezifischen Kontext entwickelt worden, so beispielsweise: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658 f.; BAKBASEL, Sparpaket II des

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

II. Der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky: Merkmale einer idealen fiskalpolitischen Regelung Ein besonderer Stellenwert kommt dem von Kopits und Symansky entwickelten Bewertungsmaßstab zu, der einer vom IMF veröffentlichten Studie aus dem Jahre 1998 zu entnehmen ist. Ausgehend von einer sorgfältigen Untersuchung verschiedenster internationaler fiskalpolitischer Regelungen erarbeiten Kopits und Symansky einen Katalog von insgesamt acht Merkmalen. Im Idealfall soll hiernach eine fiskalpolitische Regelung „gut definiert“, „transparent“, „adäquat“, „konsistent“, „einfach“, „flexibel“, „durchsetzbar“ und „effizient“ sein36. Dieser auf Kopits und Symansky zurückgehende Katalog erweist sich bei genauerer Betrachtung als umfassend, fein ausdifferenziert und gut abgesichert. Er hat sich über einen längeren Zeitraum bewährt, wird auch in neueren Arbeiten noch als „gute Basis“ bezeichnet37 und ist bereits verschiedentlich als Grundlage von Untersuchungen fiskalpolitischer Regelungen herangezogen worden38. 1. Überblick über die von Kopits und Symansky aufgestellten Kriterien Die zentralen Inhalte der Bewertungskriterien von Kopits und Symansky lassen sich in ihren Grundzügen folgendermaßen zusammenfassen39: – Eine ideale fiskalpolitische Regelung soll „gut definiert“ sein und zwar im Hinblick auf drei verschiedene Bereiche – die zu begrenzende Größe, die von ihr erfassten Institutionen sowie die vorgesehenen Ausnahmeregelungen. – Als wesentliches Kriterium für wirksame fiskalpolitische Regelungen wird an zweiter Stelle das Merkmal „transparent“ genannt. Die erforderliche TranspaKantons St. Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3. 36 Zu dem Kriterienkatalog von Kopits und Symansky: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18 ff. 37 So: Bofinger/Lenk/Schneider, Zukunftsfähige Finanzpolitik, S. 57. 38 Als Beispiele können an dieser Stelle die folgenden Untersuchungen angeführt werden: Kell untersucht die fiskalpolitischen Regelungen von Großbritannien anhand des Kriterienkatalogs von Kopits und Symansky: Kell, An Assessment of Fiscal Rules in the United Kingdom, IMF Working Paper 01/91. Buti, Eijffinger und Franco prüfen die fiskalpolitischen Regelung der EU auf der Grundlage des von Kopits und Symansky entwickelten Maßstabs: Buti/Eijffinger/Franco, Revisiting the Stability and Growth Pact: Grand Design or Internal Adjustment?, CEPR Discussion Paper No. 3692. Bofinger, Lenk und Schneider stellen die Kriterien von Kopits und Symansky ihrer nachfolgenden Untersuchung der verschiedenen Vorschläge für ein fiskalisches Regelwerk voran: Bofinger/Lenk/Schneider, Zukunftsfähige Finanzpolitik, S. 57 ff. 39 Siehe: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18 ff. Ein Überblick über die wesentlichen Inhalte der Bewertungskriterien von Kopits und Symansky findet sich beispielsweise auch bei: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 206 f.; Bofinger/Lenk/Schneider, Zukunftsfähige Finanzpolitik, S. 57 f.

§ 2 Bewertungsmaßstab für die Analyse der deutschen Schuldenbremse

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renz soll vor allem bezüglich der Rechnungslegung, der Prognosen und des institutionellen Rahmens gewährleistet sein. – Drittens soll die jeweilige fiskalpolitische Regelung auch „adäquat“ sein, d. h. sie soll geeignet sein, das vorgegebene spezifische und unmittelbare Ziel tatsächlich zu verwirklichen. – Die zur Diskussion stehende fiskalpolitische Regelung soll ferner dem Kriterium „konsistent“ entsprechen; das bedeutet, dass sie zum einen in sich selbst schlüssig sein und zum anderen auch mit sonstigen makroökonomischen Politiken und Regelungen harmonieren soll. – Als fünftes Kriterium wird das Merkmal „einfach“ angeführt. Die Einfachheit einer fiskalpolitischen Regelung wird als bedeutsam eingestuft, da sie die Akzeptanz der Regelung durch den Gesetzgeber und die Öffentlichkeit stärkt. – Darüber hinaus sollen fiskalpolitische Regelungen auch die Anforderungen des Kriteriums „flexibel“ erfüllen; als entscheidend wird hierbei erachtet, dass auf konjunkturelle Schwankungen bzw. exogene Schocks außerhalb staatlicher Kontrolle angemessen reagiert werden kann. – Eine ideale fiskalpolitische Regelung soll darüber hinaus „durchsetzbar“ sein; das bedeutet, dass sie unter anderem Kontrollmechanismen sowie gegebenenfalls Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung vorsehen soll. – Das letzte Kriterium „effizient“ beinhaltet, dass die jeweilige fiskalpolitische Regelung von sinnvollen wirtschaftspolitischen Maßnahmen begleitet werden soll. Auf diese Weise soll abgesichert werden, dass die Regelung auch langfristig eingehalten werden kann. 2. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Bewertungsmerkmalen Die Bewertungskriterien von Kopits und Symansky stehen bei genauerer Betrachtung nicht unverbunden nebeneinander; vielmehr sind an verschiedenen Stellen relevante Wechselwirkungen festzustellen. Einige der genannten Kriterien sind eng miteinander verbunden, unterstützen sich gegenseitig in ihren Wirkungen bzw. bedingen sich sogar gegenseitig. Hierzu zählen beispielsweise die Kriterien „einfach“, „transparent“ und „durchsetzbar“: So ist anzunehmen, dass die Einfachheit einer fiskalpolitischen Regelung entscheidend zu ihrer Verständlichkeit für die breite Öffentlichkeit beiträgt und damit ein höheres Maß an Transparenz fördert. Plausibel erscheint auch, dass Einfachheit und Transparenz in nicht unerheblichem Ausmaß die Durchsetzbarkeit einer fiskalpolitischen Regelung unterstützen können; erfüllt eine fiskalpolitische Regelung die Anforderungen der Kriterien „einfach“ und „transparent“, so ist davon auszugehen, dass eine umfassende Kontrolle ihrer Einhaltung erleichtert und somit eine verbesserte Durchsetzbarkeit bewirkt wird.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Während sich einige Kriterien des auf Kopits und Symansky zurückgehenden Bewertungsmaßstabs gegenseitig begünstigen, stehen andere Merkmale in einem erkennbaren Widerspruch zueinander. Zielkonflikte bestehen insbesondere zwischen den Kriterien „gut definiert“ und „flexibel“, „einfach“ und „flexibel“, „durchsetzbar“ und „flexibel“ sowie „einfach“ und „adäquat“ 40: Unklar ist z. B., wie die Anforderungen des Merkmals „flexibel“ innerhalb einer fiskalpolitischen Regelung umfassend sichergestellt werden sollen, wenn das Merkmal „gut definiert“ gleichzeitig möglichst exakt bestimmte Ausnahmeregelungen fordert41. Besonders offensichtlich ist darüber hinaus das Spannungsverhältnis zwischen dem Merkmal „flexibel“ und dem Kriterium „einfach“. Eine Regelung, die spezifische Vorkehrungen dafür trifft, dass bei unkontrollierbaren, gegebenenfalls nicht vorhersehbaren exogenen Schocks ein flexibler Handlungsspielraum gewährleistet ist, wird häufig nicht mehr den Anforderungen der Einfachheit entsprechen42. Da Flexibilität somit erkennbar mit einer Erhöhung der Komplexität einer fiskalpolitischen Regelung einhergeht, ist ferner zu erwarten, dass die geforderte Flexibilität auch mit dem Kriterium der Durchsetzbarkeit negativ korreliert43. Doch Zielkonflikte treten nicht allein im Zusammenhang mit dem Merkmal der Flexibilität auf; zu bedenken ist auch, dass angesichts komplexer ökonomischer Zusammenhänge ein Widerspruch zwischen der Adäquatheit einer fiskalpolitischen Regelung und ihrer Einfachheit auftreten kann. Kopits und Symansky haben die dargelegten Wechselwirkungen zwischen den von ihnen entwickelten Bewertungskriterien erkannt. Als problematisch sehen auch sie vor allem das Merkmal der Flexibilität an. Sie führen aus, dass die Glaubwürdigkeit einer fiskalpolitischen Regelung durch ihre Einfachheit, Transparenz, Konsistenz und Durchsetzbarkeit beeinflusst werde; die Anforderungen an die Flexibilität liefen demgegenüber der Glaubwürdigkeit zuwider44. Die Konsequenz, die Kopits und Symansky aus den bestehenden Zielkonflikten ziehen, lautet: Es können nicht sämtliche Merkmale einer idealen fiskalpolitischen Regelung vollständig und umfassend verwirklicht werden. Aufgrund der bestehenden Zielkonflikte zwischen den zu erfüllenden Bewertungskriterien, sind Abstriche 40 Zu den „trade-offs“ zwischen den verschiedenen Bewertungskriterien siehe: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19; siehe beispielsweise auch: Bofinger/Lenk/Schneider, Zukunftsfähige Finanzpolitik, S. 58; Kell, An Assessment of Fiscal Rules in the United Kingdom, IMF Working Paper 01/91, S. 23 f.; Buti/Eijffinger/Franco, Revisiting the Stability and Growth Pact: Grand Design or Internal Adjustment?, CEPR Discussion Paper No. 3692, S. 6. 41 Vgl.: Bofinger/Lenk/Schneider, Zukunftsfähige Finanzpolitik, S. 58. 42 Vgl.: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19; Kell, An Assessment of Fiscal Rules in the United Kingdom, IMF Working Paper 01/ 91, S. 23. 43 Vgl.: Kell, An Assessment of Fiscal Rules in the United Kingdom, IMF Working Paper 01/91, S. 23. 44 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19.

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bei der Umsetzung der Merkmale unvermeidbar. Gerade in diesem Zusammenhang sehen Kopits und Symansky auch den Grund dafür, dass keine der von ihnen untersuchten Regelungskonzepte alle erwünschten Merkmale einer idealen fiskalpolitischen Regelung zu erfüllen vermochte45. Wie gezeigt worden ist, ist der auf Kopits und Symansky zurückgehende Maßstab für die Wirksamkeit fiskalpolitischer Regelungen im Ergebnis nicht ein schlichter Katalog von acht Bewertungskriterien, sondern vielmehr ein komplexes und vielschichtiges Netz mit acht zentralen Knotenpunkten. III. Der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky als geeignete Grundlage für die kritische Analyse einer fiskalpolitischen Regelung Für die nachfolgende Untersuchung der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse bietet sich der vorgestellte Kriterienkatalog von Kopits und Symansky als überzeugender Ausgangspunkt an. 1. Besondere Qualitäten des Bewertungsmaßstabs von Kopits und Symansky Der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky sticht – gerade in einem Vergleich mit alternativen Bewertungsmaßstäben – aufgrund seiner speziellen Eigenschaften hervor: Der von Kopits und Symansky entwickelte Bewertungsmaßstab für eine ideale fiskalpolitische Regelung zeichnet sich zunächst durch seinen Umfang aus. Mit acht Merkmalen grenzt sich dieser Kriterienkatalog vor allem von den rudimentären Auflistungen einzelner Bewertungsmerkmale ab. Entscheidend ist, dass es sich bei dem Kriterienkatalog von Kopits und Symansky um ein umfassendes, eng miteinander verflochtenes Gefüge handelt. Wie gerade dargelegt worden ist, besteht zwischen einigen Merkmalen eine enge Verbindung mit teils sehr spezifischen Nuancierungen; andere Merkmale, etwa „gut definiert“, „flexibel“, „adäquat“, „konsistent“ und „durchsetzbar“, decken demgegenüber wichtige eigenständige Bereiche ab. Das allein auf den Umfang des Kriterienkatalogs gestützte, rein quantitative Argument erhält demnach auch eine qualitative Dimension. Ein weiterer Vorzug des Bewertungsmaßstabs von Kopits und Symansky ist in dem zugrunde liegenden methodischen Ansatz zu sehen. Kopits und Symansky stützen sich für die Herleitung ihres Kriterienkatalogs auf eine Untersuchung von bereits existierenden bzw. diskutierten fiskalpolitischen Regelungen46. Hervorzu45

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Siehe hierzu: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 46

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

heben ist die besondere Reichweite der von ihnen gewählten Grundlage: Die empirischen Erkenntnisse, die bei der Entwicklung des Kriterienkatalogs berücksichtigt worden sind, sind aufgrund ihres internationalen Bezuges sehr breit angelegt47 und werden durch entsprechende Simulationen ergänzt48. Der zentrale Vorteil dieses methodischen Ansatzes ist offensichtlich: Die Aufstellung eines Bewertungsmaßstabes allein auf der Basis von theoretischen Überlegungen ohne die Einbeziehung von praktischen Erfahrungen wird sich in vielen Fällen als unzureichend erweisen. So besteht die Gefahr, dass sich Theorien in der Praxis als unzutreffend oder untauglich herausstellen; Theorien können ferner von Ideologien geprägt und von der eigenen politischen bzw. ökonomischen Überzeugung überlagert sein. Besonders überzeugend ist zudem die Entscheidung für einen auf internationalen Erfahrungen aufbauenden Ansatz: Berücksichtigt man allein die empirischen Erkenntnisse, die man in einem einzelnen Land mit einer fiskalpolitischen Regelung erworben hat, so droht eine bruchstückhafte und möglicherweise verfälschte Sicht. Würde man z. B. das Regelungskonzept der neuen Schuldenbremse des Grundgesetzes alleine daran messen, ob es gelungen ist, bei seiner Ausgestaltung die Fehler der bisherigen grundgesetzlichen Schuldenregelungen zu vermeiden, so wäre dieser Blickwinkel von vornherein zu eng. Dieser Ansatz wäre „blind“ für bislang unbekannte Mängel des neuen Regelungssystems. Der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky ist somit als methodisch besonders abgesichert einzuordnen. 2. Die Bewertungskriterien von Kopits und Symansky in der Diskussion Betrachtet man die einzelnen Bewertungskriterien, die von Kopits und Symansky herausgearbeitet worden sind, so stellt man fest, dass es sich hierbei um eine gelungene Zusammenstellung von Merkmalen handelt, deren Bedeutung für die Wirksamkeit fiskalpolitischer Regelungen überwiegend anerkannt ist. Fast alle der von Kopits und Symansky genannten Merkmale werden durch andere wissenschaftliche Arbeiten zu den Grundlagen wirksamer fiskalpolitischer Regelungen gestützt: Bei dem Merkmal „gut definiert“ handelt es sich um eine gezielte Zusammenfassung von drei Bereichen, die – zumindest in ihren Einzelausprägungen – auch in anderen Bewertungskatalogen genannt werden. Verschiedentlich finden sich etwa Forderungen dahingehend, dass Schuldenregelungen alle relevanten Verschuldungsarten umfassen und sich auf alle staatlichen Ebenen bzw. auf alle öf47 Siehe hierzu die Tabelle zu den verschiedenen ausgewählten fiskalpolitischen Regelungen sowie die Ausführungen zu den damit gemachten Erfahrungen: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 3 und S. 12 ff. 48 Zu den Simulationen siehe: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 15 f.

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fentlichen Haushalte beziehen sollten; häufig wird auch auf die Notwendigkeit präziser Ausnahmeregelungen aufmerksam gemacht49. Diese drei Teilaspekte erkennen Kopits und Symansky als Bestandteil eines einheitlichen Problems: Der Anwendungsbereich, der Grundsatz und die dazugehörigen Ausnahmen einer fiskalpolitischen Regelung müssen so ausgewählt und festgelegt werden, dass für politisch gewünschte Umgehungs- und Ausweichstrategien möglichst kein Spielraum verbleibt50. Vor diesem Hintergrund verbinden sie die genannten drei Forderungen unter dem allgemeinen Oberbegriff „gut definiert“, innerhalb dessen sie zwischen einer gut definierten zu begrenzenden Größe, einem gut definierten institutionellen Rahmen und gut definierten Ausnahmeregelungen differenzieren. Das Merkmal „transparent“ wird im Zusammenhang mit wirksamen fiskalpolitischen Regelungen fast durchgängig gefordert51. Dass Transparenz für den Erfolg fiskalpolitischer Regelungen eine große Bedeutung zukommt, kann dementsprechend als gesichert angesehen werden. Allerdings wird das Kriterium der Transparenz in vielen Bewertungskatalogen – anders als bei Kopits und Symansky – nur schlagwortartig aufgeführt, aber nicht näher präzisiert. Das von Kopits und Symansky als „adäquat“ bezeichnete Bewertungskriterium wird in anderen Katalogen lediglich sprachlich variiert. So ist beispielsweise von dem Erfordernis einer Zielgerichtetheit 52 oder der Notwendigkeit einer eindeutigen und stabilen Verbindung zwischen der konkret normierten Zielvorgabe und dem endgültigen Ziel einer fiskalpolitischen Regelung die Rede53. Vielfach wird 49 Entsprechende Forderungen nach einzelnen oder mehreren der genannten Teilaspekte finden sich beispielsweise bei: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 218, 222; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211 und vor allem 223); Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 26. Ein mit Kopits und Symansky vergleichbarer Ansatz findet sich beispielsweise auch bei Kampmann, die eine „hinreichend klare und zweckadäquate Definition“ des Verschuldungsbegriffs und des Staatssektors verlangt, siehe: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 71. 50 Eingehend hierzu unter: 4. Teil § 3 A. I. 51 Siehe exemplarisch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f.; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211 und 226); Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658; BAKBASEL, Sparpaket II des Kantons St. Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3; Truger/ Will, Gestaltungsanfällig und pro-zyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 2; economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nr. 18, S. 8; Junkernheinrich, Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 034, S. 26. 52 Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658. 53 Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 20.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

das allgemeine Merkmal „adäquat“ auch bereits durch spezifische ökonomische Zielvorgaben des jeweiligen Verfassers ersetzt54. Entsprechende ökonomische Festlegungen finden sich bei Kopits und Symansky demgegenüber nicht. Dieser Ansatz von Kopits und Symansky ist grundsätzlich zu begrüßen; insbesondere verbleibt ein Spielraum für die Berücksichtigung der vom (Verfassungs-)Gesetzgeber verfolgten Zielsetzungen. Das Merkmal „konsistent“ wird in anderen Bewertungsmaßstäben nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt. An dieser Stelle wird der umfassende Charakter des von Kopits und Symansky gewählten Ansatzes deutlich, der auch bislang vernachlässigte Aspekte als entscheidende Parameter für den Erfolg von Schuldenregelungen identifiziert. Das Kriterium der inneren und äußeren Widerspruchsfreiheit einer fiskalpolitischen Regelung erfüllt eine wichtige Funktion für ihre Wirksamkeit; sie besteht darin, dass „Reibungsverluste“ bei der Umsetzung nicht miteinander harmonierender Vorgaben innerhalb des jeweiligen Regelungssystems oder im Zusammenwirken mit anderen fiskalpolitischen Maßnahmen vermieden werden. Hierauf wird im Folgenden noch näher einzugehen sein55. Nicht nur bei Kopits und Symansky, sondern auch in anderen Bewertungsmaßstäben findet sich ein Merkmal, das eine „einfache“ Ausgestaltung fiskalpolitischer Regelungen verlangt56. Ausgeführt wird beispielsweise, dass die Bestimmungen nicht allein für Wirtschaftsexperten, sondern darüber hinaus für die breite Öffentlichkeit verständlich sein sollten57. Teilweise findet sich eine korrespondierende Forderung unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität einer Schuldenregelung, unter der neben ihrer „Verbindlichkeit“ gerade auch ihre „Zweckmäßigkeit im Sinne einer einfachen Handhabung“ verstanden wird58. Damit ist für das Kriterium der Einfachheit eine gesicherte Grundlage gegeben. Weitgehend anerkannt ist zudem das Merkmal „flexibel“. Außerhalb des Kriterienkatalogs von Kopits und Symansky finden sich durchgängig Forderungen 54 Siehe beispielsweise den Bewertungsmaßstab von Koch, der als ökonomische Ziele die Vermeidung von Lastenüberwälzung und die Erhaltung fiskal- und wirtschaftspolitischer Flexibilität vorgibt: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 216. 55 Eingehend hierzu unter: 4. Teil § 3. D. I. 56 Siehe beispielsweise: Buchanan/Wagner, Democracy in Defict, S. 176; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f.; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658; BAKBASEL, Sparpaket II des Kantons St. Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3. Ebenso speziell mit Blick auf die im Grundgesetz normierte neue Schuldenbremse vgl. beispielsweise: Korioth, KritV 2008, 187 (191 f.); Truger/Will, Gestaltungsanfällig und prozyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 2; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394 f. 57 So beispielsweise: Buchanan/Wagner, Democracy in Deficit, S. 176. 58 So: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 70.

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nach einer Flexibilität fiskalpolitischer Regelungen; die Reichweite der als notwendig erachteten Flexibilität wird hierbei dadurch beeinflusst, unter welchen Voraussetzungen und für welchen Zweck der Einsatz des Instruments der Staatsverschuldung als nutzbringend eingestuft wird59. Überwiegend werden Vorgaben dahingehend formuliert, dass ein Spielraum für konjunkturelle Schwankungen und für nicht-konjunkturell bedingte, exogene Schocks vorgesehen sein sollte. Diese aufgestellten Erfordernisse decken sich weitgehend mit den Ausführungen von Kopits und Symansky. Das von Kopits und Symansky herausgearbeitete Merkmal „durchsetzbar“ stellt sich im Ergebnis als Oberbegriff für eine Vielzahl von Einzelforderungen anderer Kataloge dar. Diese immer wieder erhobenen Einzelforderungen betreffen unter anderem die feste Verankerung einer fiskalpolitischen Regelung in der Verfassung bzw. in einem Gesetz, die Absicherung dieser Regelung durch eine erschwerte Abänderbarkeit, effektive und unabhängige Kontroll- bzw. Überwachungsmechanismen sowie ein wirksames Sanktionssystem bei Verstößen60. Auch an der Bedeutung dieses Bewertungskriteriums für den Erfolg einer Schuldenregelung bestehen angesichts des breiten Konsenses keine Zweifel.

59 Siehe beispielsweise: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 216 und S. 217 ff.; Kastrop/Marklein, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 1 (4); Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 20; Sutherland/Price/Joumard, Sub-Central Government Fiscal Rules, OECD Economic Studies No. 41, 2005/2, 141 (152, 155 f., 165 und 170 f.). Beispielsweise Kampmann verwendet zwar nicht den Begriff der Flexibilität, nennt allerdings Anforderungen an Schuldenregelungen, die inhaltlich dem Kriterium der Flexibilität zugeordnet werden können, siehe: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 71. 60 Allgemein für effektive Durchsetzungsmechanismen bzw. für einzelne Teilaspekte der Durchsetzbarkeit siehe beispielsweise: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 217 und S. 220 f.; European Commission, Public Finances in EMU 2009, European Economy 5/2009, S. 91; Kastrop/Marklein, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 1 (4); OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211); Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 659. Speziell im Zusammenhang mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse finden sich entsprechende Forderungen etwa bei: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (118 f.); Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Schriftliche Stellungnahme des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zum Fragenkatalog für die Anhörung am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 033, S. 9 ff.; Häde, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007 in Berlin, Kom.-Drs. 021, S. 12 f.; B. Huber, Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – Eine ökonomische Analyse, Kom.-Drs. 018, S. 4 ff., vor allem S. 6; Seitz, Stellungnahme zum Fragenkatalog für die öffentliche Anhörung zu den Finanzthemen am Freitag, dem 22. Juni 2007, der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Kom.-Drs. 023, vor allem S. 19.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Eine Sonderstellung innerhalb des Kriterienkatalogs von Kopits und Symansky nimmt das Kriterium der Effizienz ein, da es sich nicht explizit auf die Ausgestaltung einer fiskalpolitischen Regelung selbst bezieht. Ein Pendant für dieses Kriterium findet sich in anderen Bewertungsmaßstäben nicht. Für die kritische Beurteilung des Erfolgs einer Schuldenregelung erscheint jedoch auch die Berücksichtigung der wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmenbedingungen unverzichtbar61. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die meisten Bewertungskriterien von Kopits und Symansky auf einer gesicherten Grundlage beruhen und weitgehende Anerkennung genießen. Punktuell gehen ihre Anforderungen an eine ideale fiskalpolitische Regelung über die standardmäßig genannten Merkmale hinaus. Umgekehrt finden sich fast alle der von anderer Seite formulierten Kriterien auch bei Kopits und Symansky wieder. Vielfach geht dies bereits eindeutig aus den übereinstimmend gewählten Bezeichnungen für einzelne Kriterien hervor. Exemplarisch kann auf die häufig genannten Merkmale der Einfachheit, Transparenz oder Flexibilität62 verwiesen werden. An anderen Stellen, an denen es auf den ersten Blick zu Abweichungen von dem von Kopits und Symansky entwickelten Bewertungsmaßstab kommt, sind regelmäßig nur verschiedene Bezeichnungen für ein und dasselbe Merkmal gewählt worden oder die Abweichungen sind die Folge von im Detail divergierenden Einteilungen und Differenzierungen. Exemplarisch soll auf einen von der EU-Kommission entwickelten Indikator für die Stärke fiskalpolitischer Regelungen hingewiesen werden: Vier der fünf Merkmale dieses Indikators, die die Verankerung der betreffenden Regelung in der Verfassung bzw. in einem Gesetz, die Überwachung und Durchsetzung dieser Regelung sowie das Eingreifen von Korrekturmechanismen betreffen63, erweisen sich bei genauerer Betrachtung lediglich als Teilaspekte des von Kopits und Symansky formulierten Kriteriums der Durchsetzbarkeit. IV. Fazit Mit dem von Kopits und Symansky entwickelten Kriterienkatalog liegt im Ergebnis ein überzeugender und abgesicherter Bewertungsmaßstab vor, an dem fis61

Eingehend hierzu unter: 4. Teil § 3 H. I. Die Merkmale der Einfachheit, Transparenz und/oder Flexibilität finden sich unter anderem auch bei: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658; BAKBASEL, Sparpaket II des Kantons St. Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3; Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 20; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211). 63 European Commission, Public Finances in EMU 2009, European Economy 5/ 2009, S. 91. 62

§ 2 Bewertungsmaßstab für die Analyse der deutschen Schuldenbremse

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kalpolitische Regelungen auf ihre Wirksamkeit und ihre Erfolgschancen untersucht werden können. Zumindest im Ausgangspunkt sollen die von Kopits und Symansky formulierten Kriterien einer idealen fiskalpolitischen Regelung der nachfolgenden kritischen Analyse der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse zugrunde gelegt werden.

B. Methodische Vorüberlegungen zu dem ausgewählten Bewertungsmaßstab Wie gerade dargelegt worden ist, soll der Kriterienkatalog von Kopits und Symansky als Grundlage der nachfolgenden Untersuchung herangezogen werden. Vorab bedarf es allerdings einiger methodischer Vorüberlegungen sowohl zur Anwendung des Bewertungsmaßstabs als auch zur Bewertungsgrundlage. I. Vorüberlegungen zum Bewertungsmaßstab Übernommen werden soll im Wesentlichen das zentrale Grundgerüst des von Kopits und Symansky entwickelten Bewertungsmaßstabs, mit seinen allgemein gehaltenen, vielfältigste Bereiche abdeckenden Kriterien. Demgegenüber kann den Erläuterungen und Beispielen, die Kopits und Symansky zu den einzelnen Merkmalen anführen, im Detail nicht vorbehaltlos gefolgt werden. Wie deutlich geworden ist, finden sich auch in anderen Kriterienkatalogen umfassende Ausführungen zu vergleichbaren Kriterien, mit ergänzenden und teilweise abweichenden Schwerpunktsetzungen und Nuancierungen. Gut fundierte Überlegungen von Seiten anderer Verfasser gilt es gegebenenfalls in den Kriterienkatalog von Kopits und Symansky zu integrieren; dies betrifft vor allem Ausführungen, die eine feinere Differenzierung innerhalb eines Merkmals vornehmen oder gesonderte Teilaspekte eines Kriteriums herausarbeiten. Vor diesem Hintergrund kommt es darauf an, den Bewertungsrahmen von Kopits und Symansky mit den genannten acht Merkmalen näher zu präzisieren und hieraus spezifische, überprüfbare Anforderungen herzuleiten. Methodisch soll hierbei folgendermaßen vorgegangen werden: In einem ersten Schritt sind die Ausführungen und Beispiele von Kopits und Symansky zu dem jeweiligen Kriterium vorzustellen; anschließend soll ein Blick darauf geworfen werden, welche näheren Erläuterungen sich zu den entsprechenden Kriterien in anderen Bewertungsmaßstäben finden. In einem nächsten Schritt ist herauszuarbeiten, worin die Funktion des jeweiligen Bewertungskriteriums besteht und warum die darin erfassten Eigenschaften einer fiskalpolitischen Regelung für ihren Erfolg von Bedeutung sind. Ausgehend von der ermittelten Funktion ist abschließend festzulegen, welche konkreten Anforderungen unter dem jeweiligen Merkmal zu formulieren sind.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

II. Vorüberlegungen zur Bewertungsgrundlage Die Bewertungsgrundlage stellt das Modell der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse dar. Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet hierbei die grundgesetzliche Schuldenbremse für den Bund; auf die ebenfalls in das Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse für die Länder wird demgegenüber nur insoweit eingegangen als dies für eine umfassende Betrachtung erforderlich ist. Entsprechend der angegebenen Bewertungsgrundlage konzentriert sich die nachstehende kritische Analyse primär auf die im Grundgesetz selbst normierten Regelungen. Soweit der Inhalt der grundgesetzlichen Bestimmungen einer näheren Klärung bedarf, sind ergänzend die hierzu erlassenen konkretisierenden Bestimmungen heranzuziehen. Speziell für den Bund ist insbesondere das als Bestandteil des Begleitgesetzes zur Föderalismusreform II erlassene Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes zu nennen. Sollten im Rahmen der kritischen Untersuchung der grundgesetzlichen Schuldenbremse darüber hinaus Fragen und Unklarheiten auftreten, die sich nicht allein anhand der bestehenden rechtlichen Bestimmungen klären lassen, so ist gegebenenfalls auf das Instrument der Auslegung zurückzugreifen. Vorsicht ist hierbei allerdings mit teleologischen Auslegungen geboten, die konkret darauf abzielen, eventuell bestehende Mängel der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu überwinden; würden diese Auslegungsergebnisse im Rahmen der vorliegenden Analyse zugrunde gelegt, so würden möglicherweise Mängel des zu überprüfenden Regelungskonzepts zur Begrenzung der Staatsverschuldung überdeckt. Umgekehrt ist die historische Auslegungsmethode besonders zu berücksichtigen; es ist anzunehmen, dass die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Überlegungen einen guten, ersten Anhaltspunkt geben, was die praktische Auslegung und Anwendung durch den Haushaltsgesetzgeber maßgeblich prägen wird.

§ 3 Kritische Analyse der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs Der nachfolgende Abschnitt dient dazu, den von Kopits und Symansky entwickelten Maßstab, bestehend aus acht Merkmalen einer idealen fiskalpolitischen Regelung, entsprechend der vorstehenden methodischen Überlegungen auf die Bestimmungen der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse anzuwenden und auf dieser Grundlage eine umfassende kritische Analyse durchzuführen.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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A. „Gut definiert“ Als erstes Merkmal einer guten fiskalpolitischen Regelung führen Kopits und Symansky das Merkmal „gut definiert“ an64. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Kopits und Symansky arbeiten zu dem von ihnen vorgeschlagenen Merkmal „gut definiert“ die nachstehenden Gesichtspunkte heraus: Eine fiskalpolitische Regelung müsse gut definiert sein und zwar im Hinblick auf die zu begrenzende Größe, den erfassten institutionellen Rahmen sowie die vorgesehenen spezifischen Ausnahmeregelungen. Ziel sei es vor allem, Mehrdeutigkeiten zu vermeiden und einer damit einhergehenden ineffektiven Durchsetzung der Regelung entgegenzuwirken. Im Anschluss entwickeln sie zu den drei genannten Aspekten des Merkmals „gut definiert“ verschiedene, teils exemplarische Anforderungen: Bezüglich der zu begrenzenden Größe legen Kopits und Symansky beispielsweise dar, dass eine fiskalpolitische Regelung, die einen ausgeglichenen Gesamthaushalt verlange, einer Regelung vorzuziehen sei, die Haushaltsdefizite in Höhe der Investitionen zulasse; sie begründen dies mit dem Argument, dass einem Anknüpfen an die Höhe der Investitionen zum einen grundsätzliche konzeptionelle Erwägungen, zum anderen aber auch Schwierigkeiten bei der exakten Ermittlung der Investitionshöhe entgegenstünden. Im Zusammenhang mit einem gut definierten institutionellen Rahmen stellen Kopits und Symansky die Maßgabe auf, dass die jeweilige fiskalpolitische Regelung den gesamten öffentlichen Sektor und nicht allein den Staatshaushalt umfassen solle; andernfalls böte sich durch außerbudgetäre Aktivitäten ein zu großer Spielraum zur Umgehung der Regelungen. Hinsichtlich der vorgesehenen Ausnahmeregelungen verlangen Kopits und Symansky, dass diese von vornherein so präzise wie möglich definiert werden müssten65. In anderen Bewertungskatalogen bzw. Bewertungsmaßstäben findet sich kein mit „gut definiert“ vergleichbares Kriterium, das ebenfalls alle drei oben genannten Bereiche, die zu begrenzende Größe, die institutionelle Reichweite sowie die vorgesehenen Ausnahmeregelungen umfasst. Verschiedentlich werden allerdings Teilaspekte des Merkmals „gut definiert“, z. B. die Forderung nach möglichst exakt bestimmten Ausnahmeregelungen, auch an anderen Stellen erwähnt66.

64

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 66 Zur zu begrenzenden Größe äußern sich beispielsweise auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 218; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211 und vor allem 223). Zum institutionellen Rahmen äußert sich beispiels65

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Aus den vorstehenden Ausführungen lassen sich für die Bedeutung und Funktion des Merkmals „gut definiert“ die nachfolgenden Schlussfolgerungen ableiten: Das Merkmal „gut definiert“ zielt nach Kopits und Symansky im Wesentlichen darauf ab, dass Mehrdeutigkeiten und Unklarheiten vermieden werden, die einer effektiven Durchsetzung der fiskalpolitischen Regelung entgegenstehen könnten67. Hinter den von ihnen formulierten und näher ausgeführten Anforderungen an „gut definierte“ fiskalpolitische Regelungen steht offenkundig das Bestreben, etwaige Umgehungs-, Ausweich- und Manipulationsmöglichkeiten weitgehend zu eliminieren68. In diesem Zusammenhang wird erkennbar, dass dem Merkmal „gut definiert“ eine wichtige Funktion bei der Bekämpfung politökonomischer Fehlanreize zukommt. Die polit-ökonomischen Theorien haben offengelegt, dass in (repräsentativen) Demokratien auf der Seite der gewählten politischen Entscheidungsträger ein ausgeprägter Hang zur Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben besteht69; hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass fiskalpolitische Regelungen in besonderer Weise politischem Druck ausgesetzt sind, der auf eine Ausweitung der finanzpolitischen Handlungsoptionen gerichtet ist. Die entscheidende Funktion des Merkmals „gut definiert“ für die Wirksamkeit einer fiskalpolitischen Bestimmung besteht folglich darin, den fiskalpolitischen Handlungsspielraum der Entscheidungsträger klaren, bestimmten und präzisen Regelungen zu unterwerfen und mögliche Regelungslücken, „Hintertüren“ und „Schlupflöcher“, die für Umgehungszwecke ausgenutzt werden könnten, zu schließen70. Von Bedeutung ist in diesem Kontext zum einen eine ausreichende Bestimmtheit der jeweiligen fiskalpolitischen Regelung, vor allem mit Blick auf die Ausnahmeregelungen, zum anderen aber auch eine geeignete Festlegung des Anknüpfungspunkts und Anwendungsbereichs dieser Regelung. Diese herausgearbeiteten Anforderungen sind innerhalb der drei von Kopits und Symansky unterschiedenen Aspekte des Merkmals „gut definiert“ – der zu begrenzenden Größe, des institutionellen Rahmens und der Ausnahmeregelungen – zu berücksichtigen.

weise auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 218. Zu bestimmten, eng definierten Ausnahmeregelungen äußert sich beispielsweise: Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 26. 67 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 68 So weisen Kopits und Symansky z. B. im Zusammenhang mit dem Merkmal „gut definiert“ bezüglich des institutionellen Rahmens explizit auf die Gefahr von Umgehungen („invitation to leakages“) hin: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 69 Siehe hierzu die obigen Ausführungen: Einleitung § 2 A. Siehe ferner die Ausführungen von Kopits und Symansky zu dem Gesichtspunkt der „Political Economcy“: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 17 f. 70 Vgl. hierzu beispielsweise auch die Ausführungen von Katz vor dem Hintergrund polit-ökonomischer Erkenntnisse: Katz, VBlBW 2012, 41 (50).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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1. „Gut definiert“ bezüglich der zu begrenzenden Größe Das Merkmal „gut definiert“ in Bezug auf die zu begrenzende Größe ist über die von Kopits und Symansky beispielhaft genannte Anforderung hinaus zu verallgemeinern: Entscheidend ist, dass die zu begrenzende Größe der jeweiligen fiskalpolitischen Regelung gerade so gewählt wird, dass keine relevanten Regelungslücken verbleiben und sich keine Möglichkeiten für Ausweich- und Umgehungsstrategien bieten. Für eine fiskalpolitische Regelung, die auf eine Begrenzung der Staatsverschuldung gerichtet ist, ist dementsprechend zu verlangen, dass alle maßgeblichen Verschuldungsarten71 sowie gegebenenfalls auch sonstige verschuldungsrelevanten Verpflichtungen, Zukunftslasten und Finanzierungsmodelle berücksichtigt werden. 2. „Gut definiert“ bezüglich des erfassten institutionellen Rahmens Unter dem Merkmal „gut definiert“ in Bezug auf den erfassten institutionellen Rahmen ist zu fordern, dass alle relevanten Bereiche, d. h. der gesamte öffentliche Sektor, umfasst werden. Soweit Kopits und Symansky eine Ausnahme der Sozialversicherungssysteme von der jeweiligen fiskalpolitischen Regelung erwägen72, kann diesem Ansatz nicht gefolgt werden: Unter dieser Voraussetzung wären in besonderer Weise Ausweich- und Umgehungsstrategien zulasten der nicht erfassten Sozialversicherungen zu erwarten. Im Ergebnis ist somit auf der Grundlage des Merkmals „gut definiert“ hinsichtlich des institutionellen Rahmens zu verlangen, dass gerade alle staatlichen Ebenen, d. h. Bund, Länder und Kommunen, sowie Sozialversicherungen und sonstige Nebenhaushalte bzw. Sondervermögen, in die Reichweite der fiskalpolitischen Regelung miteinbezogen sind73. 3. „Gut definierte“ Ausnahmeregelungen In Übereinstimmung mit Kopits und Symansky ist für gut definierte Ausnahmeregelungen entscheidend, dass die äußeren Umstände, die als Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Ausnahmebestimmungen normiert sind, bereits im Vorfeld so präzise und bestimmt wie möglich formuliert sein müssen74. Um der dargelegten Funktion des Merkmals „gut definiert“ ausreichend Rechnung zu tragen, ist allerdings auch an dieser Stelle eine Erweiterung vorzunehmen: Präzise und eindeutig formulierte Tatbestandsvoraussetzungen zu verlangen, 71 So auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 218. 72 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 73 So auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 218. 74 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

macht nur dann einen Sinn, wenn auch die Rechtsfolgen, die sich aus der Anwendung der Ausnahmeregelungen ergeben, hinreichend bestimmt sind. II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „gut definiert“ Die vorstehend formulierten Anforderungen, die unter dem Merkmal „gut definiert“ zu stellen sind, sollen nachfolgend als Maßstab für die Überprüfung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse herangezogen werden. 1. „Gut definiert“ bezüglich der zu begrenzenden Größe? Zuerst ist der Frage nachzugehen, inwieweit die reformierten Schuldenregelungen des Grundgesetzes den Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ in Bezug auf den zu beschränkenden Indikator bzw. die zu begrenzende Größe entsprechen. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, dass die jeweilige fiskalpolitische Regelung alle relevanten Verschuldungsarten umfasst und möglichst wenig Spielraum für Umgehungen oder sonstige Gefährdungen dieser Regelung bietet. Einführend bedarf es einer Randbemerkung: Wie bereits dargelegt, führen Kopits und Symansky zu dem Merkmal „gut definiert“ mit Blick auf die zu begrenzende Größe vor allem ein zentrales Beispiel an; konkret stufen sie es als vorteilhafter ein, wenn eine fiskalpolitische Regelung insgesamt einen ausgeglichenen Haushalt verlangt als wenn sie eine Kreditaufnahme in Höhe der Investitionen zulässt und damit an dem schwer zu bestimmenden und manipulierbaren Investitionsbegriff anknüpft75. Dieser beispielhaft genannten Anforderung wird die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse unzweifelhaft gerecht; schließlich ist im Zuge der Föderalismusreform II gerade ein klarer „Paradigmenwechsel“ 76 zum bisherigen grundgesetzlichen Staatsschuldenrecht und eine Abkehr von der bislang maßgeblichen Investitionsgrenze vollzogen worden. a) Umfassende Untersuchung der durch die Schuldenbremse begrenzten Größe: „Einnahmen aus Krediten“ In einem ersten Schritt ist zu klären, was präzise die zu begrenzende Größe der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse darstellt: Der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 und Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG verlangt explizit, dass die Haushalte bzw. die Einnahmen und Ausgaben „ohne Einnahmen aus Krediten“ auszugleichen sind. Diesem Grundsatz sowie 75 76

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. So beispielsweise: Tappe, DÖV 2009, 881 (890).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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den anderen Komponenten der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse77 lässt sich entnehmen, dass das in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG normierte Regelungskonzept zur Begrenzung der Staatsverschuldung an den „Einnahmen aus Krediten“ ansetzt und eben diese einer Begrenzung zuführt. Da die „Einnahmen aus Krediten“ somit die zentrale, zu begrenzende Größe im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse darstellen, ist gerade dieser Anknüpfungspunkt im Folgenden näher zu untersuchen. Einschränkend ist auf den nachstehenden Aspekt hinzuweisen: Da den Ländern mit Blick auf den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG bzw. den Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ punktuell ein durchaus relevanter Regelungsspielraum verbleibt78, konzentriert sich die nachfolgende Auseinandersetzung auf die für den Bund in Art. 115 Abs. 2 GG und auf einfachgesetzlicher Ebene näher ausgestalteten Bestimmungen. Eine ausdrückliche Definition der Begriffe „Kredite“ bzw. „Einnahmen aus Krediten“ findet sich weder in den maßgeblichen grundgesetzlichen Bestimmungen, noch ist dieser Begriff für den Bund auf einfachgesetzlicher Ebene in dem Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG näher konkretisiert worden. Dementsprechend ist an dieser Stelle auf das allgemein anerkannte Begriffsverständnis bzw. auf die vorherrschende Auffassung zu der genannten Begrifflichkeit zurückzugreifen. Hiernach ergibt sich für den grundgesetzlichen Kreditbegriff, der in Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 GG einheitlich verwendet wird79, die folgende Definition: Umfasst werden grundsätzlich nur die Finanzschulden, nicht hingegen die sogenannten Verwaltungsschulden, bei denen es sich um Verbindlichkeiten aus der laufenden Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit des Staates handelt80. Allgemein wird man demnach als „Kredite“ i. S. d. Grundgesetzes die Beschaffung von Geldmitteln definieren können, „die nach einem bestimmten Zeitablauf, in 77 Zu nennen ist an dieser Stelle insbesondere die für den Bund in Art. 109 Abs. 3 S. 4, Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierte Strukturkomponente, die konkret die „Einnahmen aus Krediten“ auf 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts begrenzt. Für die Länder wird in Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG explizit festgelegt, dass dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts nur entsprochen wird, wenn tatsächlich keine „Einnahmen aus Krediten“ zugelassen werden. 78 So können die Länder etwa konkret den Begriff des „Kredits“ bzw. den Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ näher konkretisieren und definieren. Siehe hierzu oben: 3. Teil § 2 B. II. 79 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 15. 80 So im Grundsatz die h. M.: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 70; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 14; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 47; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 15; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GGKommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 11; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GGKommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 115, Rn. 10. Für weitere Nachweise siehe etwa: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 178.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

der Regel nebst Zinsen, zurückgezahlt werden müssen“ 81. Hinsichtlich des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ ist vor allem auf die bereits im Wortlaut des Grundgesetzes angelegte Differenzierung hinzuweisen: Wie sich aus der im Grundgesetz verwendeten unterschiedlichen Terminologie entnehmen lässt, sind die „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der „Aufnahme von Krediten“ i. S. d. Gesetzesvorbehalts in Art. 115 Abs. 1 GG82. Während mit dem Begriff der „Aufnahme von Krediten“ i. S. d. Art. 115 Abs. 1 GG die gesamte Bruttoneuverschuldung erfasst wird83, bezeichnet der Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG demgegenüber allein die Nettoneuverschuldung; unter dem Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ sind somit lediglich diejenigen aufgenommenen Kredite zu verstehen, die über die Kredite hinausgehen, die zur Tilgung der bestehenden Schulden, d. h. zur Umschuldung, eingesetzt werden84. Ausgehend von dieser Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ sind einige problematische Punkte aufzuzeigen, an denen sich der genannte Anknüpfungspunkt der grundgesetzlichen Schuldenbremse als unzureichend erweisen könnte. Zu untersuchen ist, welche Kredite, kreditähnlichen Verpflichtungen oder sonstigen finanziellen Zukunftslasten, die sich im Zusammenhang mit der Begrenzung der Staatsverschuldung als bedeutsam erweisen könnten, nicht den durch die Schuldenbremse gezogenen Grenzen unterliegen. Ein grundsätzliches Problem des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ unter dem Gesichtspunkt „gut definiert“ ist allerdings bereits deutlich geworden: Da es gerade an einer ausdrücklichen und verbindlichen Definition dieser zentralen zu begrenzenden Größe im Grundgesetz bzw. im einfachen Recht fehlt, bleibt in besonderer Weise Raum für Unklarheiten bzw. Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Frage, was im Einzelnen tatsächlich als „Einnahmen aus Krediten“ einzuordnen ist.

81 Siehe hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 68. Vgl. auch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 14; Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 14. Ebenso, mit weiteren Nachweisen auch zum bisherigen Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 178. 82 Siehe beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 129. Ebenso bereits zum bisherigen Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes etwa: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 172. 83 Siehe exemplarisch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 68 und 111. 84 Siehe exemplarisch, mit weiteren Nachweisen: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 129; Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 65; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GGKommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 81 f.; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 38 und Art. 115, Rn. 25.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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aa) Zur Umschuldung eingesetzte Kredite Von dem Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG nicht umfasst werden diejenigen Kredite, die zur Tilgung bestehender Schulden aufgenommen werden und damit der Umschuldung dienen85. Derartige zur Umschuldung eingesetzte Kredite unterliegen nicht den Vorgaben und Begrenzungen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Diese Einschränkung der durch die grundgesetzliche Schuldenbremse begrenzten Größe erweist sich jedoch bei genauerer Betrachtung als sachgerecht: Die der Umschuldung dienenden Kredite bedeuten letztlich keine Erhöhung der staatlichen Gesamtverschuldung und verursachen auch keine zusätzlichen Zukunftslasten; die fehlende Einbeziehung der Umschuldungskredite in die Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse erscheint mithin unbedenklich86. Ferner spricht der folgende Gesichtspunkt sogar explizit gegen eine mögliche Einbeziehung: Würden auch die Umschuldungskredite von den Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse umfasst, so würden „Zufälligkeiten des Tilgungs- und Umschuldungsbedarfs“ den Umfang der zulässigen staatlichen Kreditaufnahme entscheidend beeinflussen87. Dieses Ergebnis wäre kaum überzeugend. Umgehungsgefahren und Ausweichstrategien, die die Wirksamkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse gefährden könnten, sind an dieser Stelle nicht zu erkennen. bb) Kassenverstärkungskredite Nicht als „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG eingeordnet werden grundsätzlich auch die sogenannten Kassenverstärkungskredite88, die demnach ebenfalls nicht von den durch die grundgesetzliche Schuldenbremse vorgegebenen Beschränkungen erfasst werden. 85 Dieser Ausschluss ergibt sich letztlich bereits unmittelbar aus der oben dargelegten Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“. Siehe hierzu die oben angegebenen Nachweise. 86 Vgl. hierzu: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 25; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 82. Siehe auch die Argumentation von Höfling zum bisherigen Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 173. 87 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 129. Siehe auch die Argumentation zum bisherigen Staatsschuldenrecht: Friauf, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 91, Rn. 41. 88 Siehe beispielsweise: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 38 sowie Art. 115, Rn. 25; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 55; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 136; G. Kirchhof, in: v. Mandoldt/ Klein/Stark, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 82. A.A. Siekmann, der allerdings auch nur betont, dass Kassenverstärkungskredite Kredite i. S. d.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Bei Kassenverstärkungskrediten handelt es sich – in Abgrenzung zu Deckungskrediten – um kurzzeitig aufgenommene Kredite, die dazu herangezogen werden, vorübergehende Defizite in den Haushaltskassen zu überbrücken und die ordnungsgemäße Kassenwirtschaft aufrechtzuerhalten 89. Kassenverstärkungskredite bezwecken allein die „Liquiditätssicherung innerhalb eines Haushaltsjahres“ 90 und dürfen nach den einschlägigen einfachgesetzlichen Bestimmungen „nicht später als sechs Monate nach Ablauf des Haushaltsjahres, für das sie aufgenommen worden sind, fällig werden“ 91. Die dargelegte Ausklammerung der Kassenverstärkungskredite aus dem Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse ist auf den ersten Blick gut begründbar und unproblematisch. Ihre sachliche Rechtfertigung bezieht diese Einschränkung vor allem daraus, dass Kassenverstärkungskredite definitionsgemäß lediglich der vorübergehenden Überbrückung von temporären Finanzierungsengpässen dienen und somit im Grunde weder zu einer Erhöhung des Schuldenstands führen noch längerfristige Zukunftsbelastungen verursachen92. Bei einer genaueren Betrachtung birgt die Tatsache, dass Kassenverstärkungskredite nicht von den Grenzen der grundgesetzlichen Schuldenregelungen umfasst werden, allerdings eine nicht zu unterschätzende Missbrauchsgefahr93: Es erscheint vorstellbar, dass Kassenverstärkungskredite zielgerichtet dazu eingesetzt werden könnten, die verfassungsrechtlich normierten Schuldengrenzen zu umgehen; zu befürchten ist, dass im Ergebnis ein fester „Schuldensockel von Kassenverstärkungskrediten als eine Art zweites strukturelles Defizit“ aufgebaut werden könnte94. Infolge der mangelnden Einbeziehung der Kassenverstärkungskredite in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse besteht demnach ein relevantes Risiko für eine Umgehung der grundgesetzlich normierten Verschuldungsgrenzen. Art. 109 Abs. 3 GG sein „können“: Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 66. 89 Zu der Unterscheidung von Deckungs- und Kassenverstärkungskrediten siehe beispielsweise: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 45 ff. Siehe ferner auch die einfachgesetzliche Abgrenzung in § 13 Abs. 1 HGrG, § 18 Abs. 2 BHO, § 1 G 115. 90 C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (306). 91 Vgl.: § 13 Abs. 1 Nr. 2 HGrG, § 18 Abs. 2 Nr. 2 BHO, § 1 S. 3 G 115. 92 So etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 136; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 82. Ebenso bereits zum bisherigen Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 178 f.; Patzig, DÖV 1985, 293 (301). 93 Siehe hierzu: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (306 ff.); Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 100 f. Zu der vor der Föderalismusreform II bestehenden Rechtslage siehe beispielsweise: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 178 f. 94 C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (307). Zu der Gefahr eines festen Sockels an Kassenverstärkungskrediten, auch mit konkreten Beispielen auf Länderebene siehe: Schemmel, Staatsverschuldung und öffentliche Investitionen, S. 188 ff.

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Dieser Missbrauchsgefahr wird verschiedentlich durch den folgenden Ansatz zur Schließung der aufgezeigten Regelungslücke begegnet: Missbräuchlich eingesetzte Kassenverstärkungskredite, die der Umgehung der grundgesetzlichen Schuldengrenzen dienen und zu einem „Neuverschuldungsinstrument“ 95 umfunktioniert werden, sollen hiernach gerade doch als „Einnahmen aus Krediten“ eingeordnet und entsprechend behandelt werden; auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass zweckentfremdete Kassenverstärkungskredite von den durch Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG gezogenen Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse erfasst und beschränkt werden96. Zu der Frage, inwieweit die grundgesetzlichen Schuldenregelungen unter dem Aspekt der Kassenverstärkungskredite tatsächlich „gut definiert“ bezüglich der zu begrenzenden Größe sind, ist somit festzuhalten: Die Ausklammerung der Kassenverstärkungskredite aus dem Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse ist vom Ansatz her nicht als bedenkliche Regelungslücke einzustufen. Nicht zu übersehen ist jedoch, dass hierdurch relevante Umgehungs- und Ausweichstrategien eröffnet werden. Der aufgezeigten Missbrauchsgefahr wird zwar in gewisser Weise durch den oben dargelegten Auslegungsansatz entgegengetreten, nach dem zur Umgehung eingesetzte, missbräuchliche Kassenverstärkungskredite ausnahmsweise zu den „Einnahmen aus Krediten“ hinzugerechnet werden sollen. Nichtsdestotrotz ist das Risiko einer Umgehung der grundgesetzlichen Schuldenbremse im Wege missbräuchlicher Kassenverstärkungskredite nicht vollständig gebannt: Konkret fehlt es auf Bundesebene an der Normierung expliziter, verbindlicher Regelungen, die Vorkehrungen gegen den auf eine Umgehung der grundgesetzlichen Neuverschuldungsgrenzen gerichteten Einsatz von Kassenverstärkungskrediten beinhalten. Im Ergebnis entspricht die zu begrenzende Größe der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit Blick auf die Problematik der Kassenverstärkungskredite folglich nicht den Anforderungen des Merkmals „gut definiert“. cc) Neuartige Finanzierungsinstrumente Als problematisch erweist sich die Fragestellung, inwieweit der Einsatz von neuartigen Finanzierungsinstrumenten (beispielsweise Leasing- und Forfaitierungsverträge, Veräußerungsmodelle wie sale and lease back und Park- und Platzhalterlösungen sowie Betreibermodelle97) über den Begriff der „Einnahmen 95 C. Mayer, AöR 136 (2011), 266, (307); ebenso: Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 100. 96 So beispielsweise: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 82; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 136; C. Mayer, AöR 136 (2011), 266, (307); Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 101. Ebenso bereits zum bisherigen Staatsschuldenrecht: Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 179. 97 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 135.

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aus Krediten“ erfasst und in die Neuverschuldungsgrenzen miteinbezogen werden. Bereits nach der vor der Föderalismusreform II bestehenden Rechtslage war im Einzelnen zweifelhaft, inwieweit neuartige Finanzierungsmodelle, die an sich „rechtlich der Natur eines Darlehensvertrags entkleidet“ 98 waren, unter den verfassungsrechtlichen Kreditbegriff bzw. den Begriff der Krediteinnahmen in Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. subsumiert werden konnten99. An diesem Zustand hat sich im Zuge der Föderalismusreform II nichts geändert. Auch nach dem reformierten Staatsschuldenrecht ist in Bezug auf neuartige Finanzierungsinstrumente unklar und umstritten, ob es sich hierbei um „Kredite“ bzw. „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG handelt: Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass neuartige Finanzierungsinstrumente in Abhängigkeit von ihrer konkreten Ausgestaltung durchaus als „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG gewertet werden könnten; entscheidend sei allein, dass das betreffende Finanzierungsmodell wirtschaftlich einer – letztlich sogar angestrebten – staatlichen Kreditaufnahme entspreche, d. h. zukünftige und langfristige Zahlungsverpflichtungen auslöse100. Andererseits wird die Einbeziehung neuartiger Finanzierungsinstrumente unter den Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ abgelehnt, und zwar selbst für den Fall, dass ihnen eine kreditähnliche Wirkung zukommt101. Für den Fall, dass – entsprechend der zuletzt genannten Ansicht – eine Einordnung neuartiger Finanzierungsformen unter den Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ generell zurückgewiesen wird, ist eine bedeutsame Regelungslücke innerhalb der Reichweite der grundgesetzlichen Schuldenbremse festzustellen: Die innovativen Finanzierungsmodelle, die alternativ zu einer klassischen Kreditfinanzierung in Betracht kommen, weisen bereits heute einen „barocke[n] Formenreichtum“ auf und könnten dazu herangezogen werden, „um Verschuldung zu verstecken“ 102. In letzter Konsequenz stünde mit den neuartigen Finanzierungs98

So die Formulierung von Jahndorf: Jahndorf, NVwZ 2001, 620 (622). Eingehend mit dem Problem dieser alternativen Finanzierungsformen unter dem bislang geltenden Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes beschäftigt sich beispielsweise Jahndorf. Siehe: Jahndorf, NVwZ 2001, 620 (620 ff.); Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 261 ff. Siehe etwa auch: Kaeser, Alternative Finanzierungsmodelle der öffentlichen Hand und Kreditschranken des Art. 115 GG, S. 24 ff., vor allem S. 48 ff.; Droege, VerwArch 98 (2007), 101 (104 ff.). 100 So beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 135; ähnlich: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 81; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 115, Rn. 10; Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 97. Vgl. auch: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 83. 101 So beispielsweise: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 38 sowie Art. 115 Rn. 25; Tappe, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 432 (435); Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (423). 102 So: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (309). 99

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modellen ein keinerlei Begrenzungen unterworfener „Kreditersatz“ 103 zur Verfügung. Ohne Einbeziehung in die Vorgaben der Schuldenbremse könnten die grundgesetzlichen Schuldenregelungen somit beliebig umgangen werden. Unter dem Gesichtspunkt des Merkmals „gut definiert“ sind aus den dargelegten Ausführungen zu der Problematik der innovativen Finanzierungsformen die folgenden Schlussfolgerungen zu ziehen: Um zahllose Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen und damit eine schwerwiegende Regelungslücke zu vermeiden, ist es erforderlich, dass die Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse gerade auch neuartige Finanzierungsinstrumente mit umfassen. Im Zuge der Föderalismusreform II wurde allerdings darauf verzichtet, den verfassungsrechtlichen Kreditbegriff näher zu definieren und die aufgezeigte Gefahr von Umgehungs- und Ausweichmechanismen auf dem Wege einer geeigneten ausdrücklichen Regelung zu beseitigen104. Der anhaltende Dissens bezüglich der Frage, ob neuartige Finanzierungsmodelle dem verfassungsrechtlichen Kreditbegriff unterfallen und als „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG zu werten sind, verdeutlicht, dass an dieser Stelle eine relevante Problematik fortbesteht. Auch in Bezug auf neuartige Finanzierungsinstrumente ist die zu begrenzende Größe der grundgesetzlichen Schuldenbremse somit nicht als „gut definiert“ zu bewerten. dd) Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen Nicht zu „Einnahmen aus Krediten“ i. S. d. Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG führt die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen105. Zu diesem Ergebnis gelangt man bereits im Wege eines Umkehrschlusses aus Art. 115 Abs. 1 GG, der die Übernahme solcher „kreditähnlichen Verpflichtungen“ ausdrücklich als Alternative zu der Aufnahme von Krediten benennt106. Die reformierten Schuldenregelungen des Grundgesetzes in Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG enthalten demnach keinerlei Vorgaben, durch die die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen dem Umfang nach begrenzt wird.

103

C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (309). Ebenso: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 179. 105 Siehe beispielsweise: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 55; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 109, Rn. 12; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 142; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 56; Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 66. So zumindest im Ausgangspunkt auch: Kube/Reimer, NJW 2010, 1911 (1915). 106 So etwa: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 55. 104

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Die fehlende Einbeziehung von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen stellt sich letztlich als bedenkliche Regelungslücke dar: Zwar bietet die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen streng genommen keine Möglichkeiten, die durch die Schuldenbremse gezogenen Neuverschuldungsgrenzen zu umgehen. Im Ergebnis geht mit der Ausklammerung dieser kreditähnlichen Verpflichtungen allerdings eine erhebliche Gefährdung der grundgesetzlich verankerten Schuldenregelungen einher107. Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen bedeuten zwar noch keine gegenwärtigen Belastungen des Haushalts, können sich aber in der Zukunft zu entsprechenden Zahlungspflichten realisieren; die Erfüllung dieser Zahlungspflichten kann später die Aufnahme von Krediten erzwingen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt noch relevanter Einfluss auf die Höhe der erforderlichen Kreditaufnahme genommen werden kann. Dass sich aus diesem Zusammenhang eine schwerwiegende Bedrohung für die zukünftige Einhaltung der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse ergibt, zeigt vor allem die aktuelle Entwicklung: Der Umfang der Gewährleistungen, die der Bund jüngst im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise aufgenommen hat108, sowie das große Risiko, dass diese Gewährleistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden und konkrete Zahlungspflichten entstehen, lassen befürchten, dass eine Überschreitung der durch Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG gezogenen Neuverschuldungsgrenzen unvermeidbar werden könnte109. Tatsächlich ist bereits ein Ansatz entwickelt worden, der darauf abzielt, die aufgezeigte Regelungslücke bezüglich der Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen zu schließen, indem den Grundgesetzbestimmungen der Schuldenbremse eine gewisse „zeitliche Vorwirkung“ zugeschrieben wird110: Die verfassungsrechtlichen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung untersagten bereits jetzt die Übernahme von Gewährleistungen, die in der Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine die Grenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse überschreitende Kreditaufnahme erzwingen könnten. Argumentativ wird insbesondere auf die Rechtsfigur der actio libera in causa zurückgegrif107 Siehe hierzu insbesondere: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 142; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 85. 108 Allein das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 22. Mai 2010 (BGBl. I, S. 627 f.) lässt die Übernahme von Gewährleistungen bis zu einer Höhe von 123 Milliarden Euro sowie eine Überschreitung dieser Summe um bis zu 20 % zu. Siehe § 1 Abs. 1 und 6 des Gesetzes. 109 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 142. 110 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 143; eingehend zu diesem Ansatz auch: Kube/Reimer, NJW 2010, 1911 (1915 f.). Ähnlich auch: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 85 ff.

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fen111. Stützen kann sich der dargestellte Ansatz im Wesentlichen auf eine teleologische Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Schuldenregelungen112. Entgegen stehen ihm allerdings die wortlautgetreue, systematische und historische Auslegung113: Wortlaut und Systematik der zentralen Grundgesetzbestimmungen der Schuldenbremse sprechen aufgrund der in Art. 109, 115 GG klar angelegten Differenzierung zwischen Krediten einerseits und Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen andererseits eindeutig gegen eine Einbeziehung der Gewährleistungen in die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenregelungen, auch wenn es lediglich um eine mittelbare Einbeziehung im Wege der zeitlichen Vorwirkung geht114. Ergänzend kann in diesem Zusammenhang darauf verwiesen werden, dass es angesichts des umfassenden und detaillierten Charakters der im Zuge der Föderalismusreform II neu gefassten Schuldenregelungen des Grundgesetzes wenig überzeugend erscheint, weitere „ungeschriebene [. . .] Grenzen“ herleiten zu wollen115. Ferner spricht die historische Auslegung gegen eine, wenn auch nur mittelbare, Einbeziehung der Gewährleistungen in die Vorgaben der Schuldenbremse; so finden sich weder in der Begründung des Gesetzesentwurfs noch in den Protokollen und Drucksachen der Föderalismuskommission II entsprechende Hinweise116. Folglich ist anzunehmen, dass die bereits vor der Föderalismusreform II bestehende Unterscheidung zwischen Krediten und Gewährleistungen beibehalten werden sollte und dass der „Ausschluss der Gewährleistungsübernahmen [. . .] aus dem Regelwerk über die Schuldenbremse [. . .] offenbar gewollt war“ 117. Der dargelegte, auf einer teleologischen Auslegung aufbauende Ansatz zur Schließung der aufgezeigten Regelungslücke vermag infolgedessen nicht zu überzeugen. Abschließend ist festzuhalten: Zum Schutze der Schuldenbremse vor zukünftigen, unvermeidbaren Verstößen und zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit, bedarf es im Grunde einer Begrenzung gerade auch von Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen. Dennoch sehen die Regelungen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse in Bezug auf diesen relevanten Bereich von kreditähnlichen bedingten Verpflichtungen keinerlei explizit geregelte Vorgaben und Grenzen vor. 111 Siehe hierzu ausführlich: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 143; Kube/Reimer, NJW 2010, 1911 (1915). 112 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 143. 113 Eine eingehende Darstellung der nachfolgenden Einwände sowie weitere Argumente gegen die Annahme einer zeitlichen Vorwirkung finden sich bei Koemm: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 198 ff. 114 So Koemm: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 200. Anders hingegen Kube, der davon ausgeht, dass sich die dargelegte teleologische Auslegung noch „im Rahmen des Wortlauts der Vorschrift“ hält: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 143. 115 Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 200. 116 Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 201. 117 Zu diesem Ergebnis kommen sogar Kube und Reimer: Kube/Reimer, NJW 2010, 1911 (1915); siehe auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 201.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Auch der oben vorgestellte – letztlich nicht überzeugende – teleologische Auslegungsansatz kann nicht darüber hinweg täuschen, dass an dieser Stelle ein Mangel innerhalb der Reichweite der Schuldenbremse besteht, der durch ein Tätigwerden des (verfassungsändernden) Gesetzgebers hätte behoben werden müssen. Infolgedessen sind die grundgesetzlichen Schuldenregelungen auch unter dem vorstehend diskutierten Gesichtspunkt der Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen nicht als „gut definiert“ einzustufen. ee) Implizite Staatsverschuldung Nicht von dem Begriff der Krediteinnahmen i. S. d. Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG umfasst werden ferner die als implizite Staatsverschuldung bezeichneten finanziellen Zukunftslasten, die sich insbesondere aus Pensionsverpflichtungen und künftigen Ansprüchen der umlagefinanzierten Sozialversicherungen ergeben118. Auch diese impliziten Staatsschulden unterfallen nicht den im Grundgesetz normierten Neuverschuldungsgrenzen. Ebenso wie im Zusammenhang mit den Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen drohen zwar an dieser Stelle keine konkreten Umgehungs- und Ausweichstrategien. Allerdings kann sich auch aus den impliziten Staatsschulden, die sogar ein Vielfaches der expliziten Staatsschulden betragen119 und einen überaus relevanten Verschuldungsbereich darstellen, eine gravierende Bedrohung für die zukünftige Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse entwickeln: Die Deckung der unter den Begriff der impliziten Staatsverschuldung fallenden Zukunftslasten kann in nachfolgenden Haushaltsjahren die Aufnahme von Krediten in einer gegebenenfalls nur noch begrenzt beeinflussbaren Höhe erzwingen und eine Neuverschuldung unausweichlich machen, die dem Umfang nach über die im Grundgesetz verankerten Grenzen der Schuldenbremse hinausgeht120. Diskutiert wird ein Lösungsansatz, der der aufgezeigten Problematik entgegenwirken soll: Aus Art. 109 Abs. 3 GG, insbesondere aus dem Grundsatz des mate118 Siehe beispielsweise: Tappe, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2009, 417 (423); Tappe, DÖV 2009, 881 (886); Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 66; explizit im Hinblick auf die Pensionslasten für Beamte: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 55; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011 Art. 109, Rn. 56. Insgesamt werden implizite Staatsschulden nicht von dem im Grundgesetz verwendeten einheitlichen Kreditbegriff in Art. 109 Abs. 3, 115 GG erfasst. Siehe auch: Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage 2011, Art. 115, Rn. 8 und 15; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 15; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 77. 119 Zum Umfang siehe vor allem: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformieren, Jahresgutachten 2003/04, S. 276. 120 Siehe hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 144 ff.

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riellen Haushaltsausgleichs, wird eine besondere Sorgfaltspflicht hinsichtlich des Umgangs mit entsprechenden finanziellen Zukunftslasten abgeleitet; die impliziten Staatsschulden seien angemessen zu berücksichtigen, d. h. im Haushalt „sachgerecht abzubilden und haushalterisch mitzuverfolgen, um sich hieraus ergebende, mögliche künftige Kreditaufnahmebedarfe frühzeitig und verlässlich abschätzen zu können“ 121. Doch selbst wenn man dem vorstehenden Auslegungsansatz folgt, so bewirkt er nur eine unzureichende Absicherung gegen die mit der impliziten Staatsverschuldung verbundenen Gefahren; insbesondere wird durch die hergeleitete Sorgfaltspflicht keine konkrete Begrenzung für die implizite Staatsverschuldung gewonnen. Zusammenfassend ergibt sich somit an dieser Stelle ein Mangel unter dem Merkmal „gut definiert“: Zum Schutze der grundgesetzlichen Schuldenbremse vor später eventuell unvermeidbaren Überschreitungen ihrer Grenze, wäre eine Berücksichtigung der impliziten Staatsverschuldung innerhalb des in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG normierten Regelungskonzepts geboten gewesen. Doch obwohl sich der verfassungsändernde Gesetzgeber der Problematik der impliziten Staatsverschuldung bewusst gewesen ist und sogar in seiner Gesetzesbegründung darauf eingeht122, hat er diesbezüglich keinerlei ausdrückliche Regelungen und Grenzen normiert. Selbst durch den obigen auf einer teleologischen Auslegung beruhenden Ansatz wird die von den impliziten Staatsschulden ausgehende Gefahr für die Einhaltung der Schuldenbremse nur unvollständig gebannt; zumindest wäre eine explizite Verankerung der hergeleiteten Sorgfaltspflicht vorteilhaft gewesen. b) Exkurs: Die um finanzielle Transaktionen bereinigten Einnahmen und Ausgaben Wie bereits ausgeführt worden ist, stellen die „Einnahmen aus Krediten“ die zentrale zu begrenzende Größe innerhalb des Regelungskonzepts der grundgesetzlichen Schuldenbremse dar; dieser Anknüpfungspunkt ist vorstehend bereits umfassend unter dem Aspekt „gut definiert“ untersucht wurden. Ergänzend sollen allerdings auch die „Einnahmen“ und „Ausgaben“, an denen der für den Bund in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG i.V. m. Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG verankerte Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushaltshalts ansetzt, kurz in den Blick genommen werden123. 121 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 144 ff., vor allem Rn. 146; ähnlich, wenn auch vor allem mit Blick auf Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen, Kirchhof: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/ Stark, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 85 ff. 122 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 5. 123 Mit dem Begriff der „Einnahmen“ und „Ausgaben“ in Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG wird letztlich an die „haushaltsrechtlichen Formulierung“ des Art. 110 Abs. 1 GG angeknüpft. Siehe hierzu: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 66.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Die „Einnahmen“ und „Ausgaben“, auf die der geforderte materielle Haushaltsausgleich Bezug nimmt, sind vorab um finanzielle Transaktionen zu bereinigen. Diese Bereinigung um finanzielle Transaktionen ist für den Bund in dem in Art. 115 Abs. 2 S. 5 GG normierten Gesetzesvorbehalt angelegt und wird auf einfachgesetzlicher Ebene in § 2 Abs. 1 S. 1 2. HS und § 3 G 115 geregelt und näher ausgestaltet. Nach § 3 G 115 bedeutet die Bereinigung um finanzielle Transaktionen, dass aus den maßgeblichen Ausgaben „die Ausgaben für den Erwerb von Beteiligungen, für Tilgungen an den öffentlichen Bereich und für die Darlehensvergabe herauszurechnen“ sind bzw. aus den maßgeblichen Einnahmen „diejenigen aus der Veräußerung von Beteiligungen, aus der Kreditaufnahme beim öffentlichen Bereich sowie aus Darlehensrückflüssen“. Nach der ausdrücklichen Gesetzesbegründung zu § 3 G 115 soll durch die vorgeschriebene Bereinigung um finanzielle Transaktionen eine „Annäherung des Haushaltssaldos an den Finanzierungssaldo der Maastricht-Rechnung, der dem Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) folgt“, verwirklicht werden124. Durch die Bereinigung wird unter anderem darauf abgezielt, dass auf der einen Seite etwaige Haushaltslöcher nicht länger durch Privatisierungserlöse gestopft werden können, „da Letztere wie Einnahmen aus Krediten zu werten sind, mithin den Kreditspielraum verkleinern“ bzw. auf der anderen Seite die Vergabe von Darlehen zu einer Vergrößerung des zulässigen Neuverschuldungsspielraums führt125. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich aus der dargelegten Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen allerdings ein relevantes „Schlupfloch“, das für eine Umgehung der durch die grundgesetzliche Schuldenbremse gezogenen Neuverschuldungsgrenzen genutzt werden könnte126. Tatsächlich kommen die vielfältigsten Gestaltungsmöglichkeiten für Manipulationen und Ausweichstrategien in Betracht127. Diskutiert werden beispielsweise mögliche Konstellationen, die auf der Gründung einer Aktiengesellschaft mit 100 % Anteilsbesitz des Bundes bzw. auf kreativen Ausgestaltungen bei der Darlehensvergabe aufbauen128. Da es sich bei den „Einnahmen“ und „Ausgaben“ bzw. bei der 124

Siehe: BT-Drs. 16/12400, S. 19. So: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1279). Kritisch dazu, dass dieser Leitgedanke auch tatsächlich entsprechend umgesetzt worden ist, siehe beispielsweise: Tappe, DÖV 2009, 881 (886 f.); Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 40; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 70. 126 So beispielsweise: Magin, Wirtschaftsdienst 2010, 262 (265 f.). 127 Zu den sich aus der Bereinigung um finanzielle Transaktionen ergebenden Gefahren, Umgehungs- und Ausweichmöglichkeiten siehe beispielsweise: Magin, Wirtschaftsdienst 2010, 262 (265 f.); C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (317 f.); Baumann/Schneider, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 89 (98 f.); Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 40; Hetschko/Quint/Thye, Achtung, Bremsversagen!, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. November 2012, Nr. 274, S. 12. 128 Siehe etwa: Magin, Wirtschaftsdienst 2010, 262 (266). Kritisch hierzu allerdings Koemm, die vorschlägt, der genannten Umgehungsgefahr mit einer verfassungskonformen Auslegung zu begegnen: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 195. 125

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Differenz zwischen den beiden Größen jedoch gerade nicht um die zentrale, zu begrenzende Größe der grundgesetzlichen Schuldenbremse handelt, soll an dieser Stelle eine nähere Auseinandersetzung mit der angesprochenen Umgehungsproblematik entfallen. c) Zwischenergebnis Die Bestimmungen der Schuldenbremse werden den Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ im Hinblick auf die zu begrenzende Größe nicht vollständig gerecht. Als Problembereiche haben sich insbesondere missbräuchlich eingesetzte Kassenverstärkungskredite, alternative Finanzierungsmodelle, Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen sowie implizite Staatsschulden herausgestellt. 2. „Gut definiert“ bezüglich der erfassten Haushalte? Das Merkmal „gut definiert“ verlangt ferner, dass die betreffenden fiskalpolitischen Regelungen in Bezug auf die von ihnen umfassten Haushalte gut definiert sind. Wie bereits ausführlich dargelegt, ist hierbei von zentraler Bedeutung, dass möglichst der gesamte öffentliche Sektor, d. h. Bund, Länder und Kommunen, sowie Sozialversicherungen und sonstige Sondervermögen129, den Vorgaben der jeweiligen fiskalpolitischen Regelung unterworfen sind. Hinter dieser Forderung steht vor allem der Gedanke, eventuell bestehende Umgehungsmöglichkeiten weitestgehend auszuschließen. a) Die Haushalte von Bund und Ländern Den Vorgaben und Grenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse unterliegen unzweifelhaft die Haushalte von Bund und Ländern. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von Art. 109 Abs. 3 GG („Haushalte von Bund und Ländern“ 130) und für den Bund ergänzend aus Art. 115 Abs. 2 GG. b) Einschließlich der rechtlich unselbstständigen Sondervermögen Ebenfalls erfasst und in die Grenzen und Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse miteinbezogen werden die rechtlich unselbstständigen Sondervermögen131 von Bund und Ländern132. 129 Alternativ zum Begriff des „Sondervermögens“ sind verschiedentlich auch andere Begrifflichkeiten geprägt worden, z. B. „Schattenhaushalte“, „Nebenhaushalte“, „Intermediäre Finanzgewalt“ bzw. „Sonderhaushalte“. Siehe hierzu mit konkreten Nachweisen: Kube, ZG 2010, 105 (109). 130 So: Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG. 131 Rechtlich unselbstständige Sondervermögen werden vorliegend definiert als dem Staat zuzurechnende, vom Haushalt abgesonderte und bestimmten Ausgabenzwecken

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Prominente Beispiele speziell für rechtlich unselbstständige Sondervermögen des Bundes stellen bzw. stellten das ERP-Sondervermögen, der Lastenausgleichsfonds, der Fonds Deutsche Einheit, der Entschädigungsfonds und der Erblastentilgungsfonds dar133. Eine aktuelle Übersicht über die Sondervermögen des Bundes ist dem Finanzbericht 2014 des Bundesfinanzministeriums zu entnehmen; besonders hervorgehoben werden hierin das Sondervermögen Energie- und Klimafonds, das Sondervermögen „Aufbauhilfe“, das Sondervermögen Finanzmarktstabilisierung, der Restrukturierungsfonds und das Sondervermögen Investitions- und Tilgungsfonds134. Die Kreditaufnahmen eines rechtlich unselbstständigen Sondervermögens sind nunmehr dem jeweiligen Bundes- bzw. Landeshaushalt zuzurechnen, so dass etwaige Defizite durch entsprechende Zuschüsse des Bundes bzw. Landes ausgeglichen werden müssen135. Einschränkend ist an dieser Stelle auf die Übergangsbestimmung des Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG hinzuweisen, nach der die am 31. Dezember 2010 bestehenden Kreditermächtigungen für bereits existierende Sondervermögen „unberührt“ bleiben. Dementsprechend können die am 31. Dezember 2010 bereits vorliegenden Kreditermächtigungen über diesen Zeitpunkt hinaus auch in Zukunft ausgeschöpft werden, ohne dass sich die jeweilige Kreditaufnahme an den Neuverschuldungsgrenzen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG messen lassen muss136. Nicht zu übersehen ist, dass die Bestimmung des Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG mit Blick auf die rechtlich unselbstständigen Sondervermögen ein gegewidmete Mittel, „die durch eine organisatorische und wirtschaftliche, nicht aber zugleich rechtliche Sonderung eines bestimmten Bereichs der staatlichen Tätigkeit vom allgemeinen Haushalt begründet werden“. Zu dieser Definition siehe Kube, mit weiteren Nachweisen: Kube, ZG 2010, 105 (109). 132 Ebenso: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 117; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36. Siehe auch: Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 51; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 51. Bezüglich der rechtlich unselbstständigen Sondervermögen der Länder ist letztlich umstritten, ob sich eine Einbeziehung dieser Sondervermögen bereits aus den Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse ergibt oder oder ob eine solche auf der Ebene des Landes(verfassungs-)rechts zu normieren ist. Kritisch etwa: Kuntze, in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2010, 255 (269); Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2565). Siehe hierzu die folgenden Ausführungen. 133 Siehe Kube, mit weiteren Nachweisen: Kube, ZG 2010, 105 (111). 134 Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2014 – Stand und voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang, S. 45 ff. 135 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 51; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 51. 136 Siehe beispielsweise: Kube, ZG 2010, 105 (122).

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wisses Umgehungspotenzial beinhaltet137. Die sich hieraus ergebenden Umgehungsmöglichkeiten werden im Ergebnis jedoch weitgehend entschärft: Sobald die am 31. Dezember 2010 bestehenden Kreditermächtigungen durch die betreffenden rechtlich unselbstständigen Sondervermögen vollständig ausgeschöpft worden sind, sind die Defizite der genannten Sondervermögen in den Staatshaushalt zu integrieren und unterliegen damit den in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG verankerten Neuverschuldungsgrenzen; das aufgezeigte „Schlupfloch“ 138 ist dann endgültig geschlossen139. Dass die rechtlich unselbstständigen Sondervermögen in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse miteinbezogen sind, ergibt sich speziell für den Bund aus den nachfolgenden Zusammenhängen: Im Grunde wurden bereits vor der Föderalismusreform II die Kreditaufnahmen rechtlich unselbstständiger Sondervermögen des Bundes dem Bund als Rechtsträger zugerechnet und somit von den Schuldenregelungen des Grundgesetzes erfasst; zu beachten war allerdings die Bestimmung des Art. 115 Abs. 2 GG a. F., nach der rechtlich unselbstständige Sondervermögen des Bundes von den Bestimmungen des Art. 115 Abs. 1 GG a. F. und damit von den in Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. normierten Neuverschuldungsgrenzen freigestellt werden konnten140. Die ersatzlose Streichung dieser Ausnahme- und Öffnungsklausel des Art. 115 Abs. 2 GG a. F. kann nunmehr als ein „beredetes Schweigen“ 141 dahingehend gedeutet werden, dass nach der reformierten Rechtslage rechtlich unselbstständige Sondervermögen des Bundes unzweifelhaft den Grenzen der neuen grundgesetzlichen Schuldenbremse unterliegen sollen142. Auch die bereits genannte Bestimmung des Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG, die die am 31. Dezember 2010 bestehenden Kreditermächtigungen für bereits existierende Sondervermögen von dem Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG explizit ausnimmt, bestätigt dieses Ergebnis143.

137 Ebenso beispielsweise: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 155. Kritisch zu der Bestimmung des Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG auch: Tappe, DÖV 2009, 881 (888 f.); Kube, ZG 2010, 105 (122); Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 57. Erg.-Lfg., 2010, Art. 143d, Rn. 12. Korioth fordert insbesondere eine „zeitliche Grenze der Altfonds“: Korioth, JZ 2009, 729 (733). 138 Korioth, JZ 2009, 729 (733). 139 Im Ergebnis ähnlich die Einschätzung von Ryczewski: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 185. 140 Siehe beispielsweise: Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 307. 141 So: Seiler, JZ 2009, 721 (723, Fußnote 15). 142 Zu diesem Argument: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36. 143 Zu diesem Argument: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 51; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 51.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Weniger eindeutig stellt sich die Sachlage mit Blick auf die rechtlich unselbstständigen Sondervermögen der Länder dar. Insbesondere lässt sich aus der Streichung des Art. 115 Abs. 2 GG a. F. kein zwingendes Argument für eine entsprechende Einbeziehung der rechtlich unselbstständigen Sondervermögen auf Länderebene ableiten. Dementsprechend wird teilweise auch die Ansicht vertreten, dass den Ländern diesbezüglich nach Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG ein eigener Ausgestaltungsspielraum verbleibe144. Dafür, dass bereits nach den Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse eine Einbeziehung vorgesehen ist, sprechen allerdings im Wesentlichen zwei Argumente: Zum einen ist der Entstehungsgeschichte zu entnehmen, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund und für die Länder insgesamt parallel und ohne relevante Abweichungen ausgestaltet werden sollten145. Zum anderen gilt Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG in gleicher Weise für den Bund und für die Länder146, so dass auch diese Bestimmung in einem Umkehrschluss auf eine grundsätzliche Einbeziehung der rechtlich unselbstständigen Sondervermögen der Länder hindeutet147. c) Selbstständige juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, insbesondere Kommunen und Sozialversicherungen Die Vorgaben und Grenzen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse erfassen allein die Haushalte von Bund und Ländern – einschließlich ihrer rechtlich unselbstständigen Sondervermögen –, nicht hingegen die Haushalte anderer selbstständiger juristischer Personen des öffentlichen oder privaten Rechts148. Dies folgt bereits aus dem gemeinhin anerkannten und bislang nicht in Frage ge144 Siehe beispielsweise die Ansicht von Lenz/Burgbacher und Kuntze: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2565); Kuntze, in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2010, 255 (269). 145 So auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 189, Fußnote 315. 146 Ob Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG sowohl für die unselbstständigen Sondervermögen des Bundes als auch für diejenigen der Länder gilt, ist letztlich umstritten. Für die Ansicht, dass Art. 143d Abs. 1 S. 2 2. HS GG auch die rechtlich unselbstständigen Sondervermögen der Länder umfasst, siehe beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 57. Erg.-Lfg., 2010, Art. 143d, Rn. 11 f., vor allem Fußnote 5; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 143d, Rn. 4 f. und 7. Anders etwa: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2565). Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente für die zuerst genannte Ansicht. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass innerhalb von Art. 143d Abs. 1 GG klare Differenzierungen zwischen Vorgaben für die Länder und solchen für den Bund erst ab Satz 3 getroffen werden. 147 Zu diesem Argument auch explizit mit Blick auf die Länder: Reimer, in: Epping/ Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 51; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 51. 148 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 119; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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stellten Grundsatz des Haushaltsrechts, dass verschiedene Rechtsträger getrennt voneinander zu betrachten sind149. Im Folgenden sind hierzu einige weiterführende Ausführungen erforderlich, um bestehende Missbrauchsgefahren und Umgehungsmöglichkeiten aufzuzeigen. aa) Kommunen und Sozialversicherungen Mit Blick auf die Gemeinden, Gemeindeverbände und Sozialversicherungsträger wird kontrovers diskutiert inwieweit sie – abweichend von der gerade getroffenen Feststellung – doch bereits de constitutione lata gegenständlich in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse miteinbezogen sind. Wie bereits im Rahmen der allgemeinen Darstellung der in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG normierten Schuldenbremse dargelegt worden ist, sprechen jedoch gegen diesen Ansatz schwerwiegende Argumente, so dass er im Ergebnis zurückzuweisen ist. Die Defizite von Kommunen und Sozialversicherungen, bei denen es sich um selbstständige Rechtsträger des öffentlichen Rechts handelt, unterliegen somit nicht den Neuverschuldungsgrenzen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG150. bb) Sonstige rechtlich selbstständige Einheiten des Bundes und der Länder Zu den sonstigen rechtlich selbstständigen Einheiten des Bundes und der Länder ist Folgendes anzumerken: Für den Bund ist auf der Grundlage des erwähnten Rechtsträgerprinzips festzustellen, dass – ebenso wie nach der bisherigen Rechtslage – selbstständige Rechtsträger des öffentlichen oder privaten Rechts grundsätzlich nicht von Art. 115 GG erfasst werden und damit nicht den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 115 Abs. 2 GG unterliegen; dies gilt auch dann, wenn sie vom Bund finanziert werden oder der Bund für ihre Verbindlichkeiten haftet151. Verschiedentlich werden allerdings im Wege der teleologischen Auslegung Zurechnungsregelungen hergeleitet, um möglichen Missbrauchsgefahren vorzubeugen: Hiernach soll dem Bund die Kreditaufnahme eines selbstständigen Rechtsträgers doch zugerechnet werden, wenn sich diese Kreditaufnahme als eine missbräuchliche Umgehung des Art. 115 GG darstellt; genannt werden etwa Kon149 Hierzu: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 36; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 24. 150 Siehe hierzu ausführlich, mit weiteren Nachweisen: 2. Teil § 2 B. II. 151 Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 49; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 24; Tappe, DÖV 2009, 881 (889); Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 60; Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 71.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

stellationen, in denen ein selbstständiger Rechtsträger im Auftrag und für Rechnung des Bundes handelt und der Bund den Schuldendienst übernimmt oder in denen ein selbstständiger Rechtsträger, an dem der Bund wesentlich beteiligt ist, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird, der Bund aber den Schuldendienst übernimmt und der Zweck dieser Ausgestaltung gerade in der damit erreichten formalen Auslagerung der aufgenommenen Kredite besteht152. Im Einzelnen sind jedoch viele Punkte „zweifelhaft und umstritten“ 153. Im Rahmen der vorliegenden Betrachtung, die darauf abzielt, mögliche Mängel innerhalb des Regelungssystems der grundgesetzlichen Schuldenbremse herauszuarbeiten, können diese durch teleologische Auslegung gewonnenen Zurechnungsregelungen letztlich nicht zugrunde gelegt werden; vielmehr handelt es sich hierbei um Hilfskonstruktionen um bestehende Defizite der grundgesetzlichen Schuldenregelungen zu entschärfen. Für die Länder lassen sich mit Blick auf Art. 109 Abs. 3 GG die getroffenen Feststellungen für den Bund grundsätzlich übertragen154. Zu erwähnen ist allerdings ergänzend der nachstehende Aspekt: Im Rahmen des den Ländern durch Art. 109 Abs. 3 GG belassenen Regelungsspielraums155 besteht für die Länder die Möglichkeit ausdrückliche Regelungen für die Einbeziehung von Kreditaufnahmen durch rechtlich selbstständige Rechtsträger in den Anwendungsbereich der jeweiligen landesspezifischen Schuldenbremse zu normieren; vereinzelt ist dies sogar bereits erfolgt156. cc) Bestehende Umgehungsmöglichkeiten Im Folgenden sollen die wichtigsten, sich hieraus ergebenden Umgehungsmöglichkeiten aufgezeigt werden157:

152 So Kube mit umfangreichen weiteren Nachweisen: Kube, ZG 2010, 105 (123); Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 61. 153 So: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 24. Ebenso, mit einem Überblick über verschiedene in der wissenschaftlichen Literatur vertretene Standpunkte: Pinkl, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 103 (123 f.). 154 Siehe hierzu die allgemeinen Ausführungen von Kube zu Art. 109 Abs. 3 GG: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 119, 121. 155 Zur Reichweite des Regelungsspielraums siehe oben: 3. Teil § 2 B. II. 156 Siehe hierzu die neu eingeführte Schuldenbremse in der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz: Nach Art. 117 Abs. 3 LV RP entstehen dem Land „Einnahmen aus Krediten“ auch dann, „wenn Kredite von juristischen Personen, an denen das Land maßgeblich beteiligt ist, im Auftrag des Landes und zur Finanzierung staatlicher Aufgaben aufgenommen werden, und wenn die daraus folgenden Zinsen und Tilgungen aus dem Landeshaushalt zu erbringen sind“. 157 Für die nachfolgenden Umgehungsmöglichkeiten ist insbesondere die Formulierung einer „Flucht aus dem Budget“ geprägt worden. Siehe: Smekal, Die Flucht aus dem Budget.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Zunächst ist auf die Gefahr einer Staatsfinanzierung über selbstständige Rechtsträger als Schuldner hinzuweisen158: Da die Kreditaufnahme durch eine rechtlich selbstständige Person des öffentlichen oder privaten Rechts grundsätzlich nicht von den Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse erfasst wird, bietet sich die Möglichkeit, dass der Bund bzw. ein Land gerade nicht selbst, sondern vielmehr über einen nicht an Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG gebundenen, selbstständigen Rechtsträger Kredite aufnimmt. Beispielsweise kann anstelle einer Kreditaufnahme durch den Bund bzw. ein Land eine Kreditaufnahme über einen privaten Dritten, gegebenenfalls sogar über eine eigens eingerichtete „Zweckgesellschaft“, gewählt und auf diese Weise gezielt eine Anwendung der im Grundgesetz verankerten Schuldenregelungen vermieden werden159. Alternativ ist ein zweiter Weg zur Umgehung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu erwähnen: Bund und Länder könnten auch versuchen, eigentlich den Staatshaushalt treffende Finanzierungslasten auf andere nicht durch die grundgesetzliche Schuldenbremse erfasste selbstständige Rechtsträger zu übertragen160. Konkret könnten Bund und Länder darauf abzielen, ihre eigenen Haushalte im Wege des „Aufgabenexport[s]“ zu entlasten und mit hohen Finanzierungslasten verbundene Aufgaben beispielsweise auf die Sozialversicherungsträger oder Kommunen abzuwälzen161. Diesen Umgehungsmöglichkeiten stehen zwar partiell rechtliche Hindernisse entgegen162; die bestehende und durchaus relevante Missbrauchsgefahr wird hierdurch allerdings nicht umfassend gebannt.

158 Ausführlich zu der Ausweichmöglichkeit der Staatsfinanzierung über Dritte als Schuldner: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (310 ff.). 159 Vgl.: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (311). 160 Ausführlich zu der Ausweichmöglichkeit der Verlagerung von Finanzierungslasten: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (313 f.). 161 Siehe hierzu: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (313); vgl. auch: Wieland, Neuordnung der Finanzverfassung nach Auslaufen des Solidarpakts II und Wirksamwerden der Schuldenbremse, Speyerer Arbeitsheft 211/2013, S. 28. Zu dieser Gefahr speziell mit Blick auf die Kommunen beispielsweise: Groh, LKV 2010, 1 (1 ff.); Herrmann, Kommunale Kassenkredite, S. 22 f. 162 Zu nennen sind an dieser Stelle insbesondere die nachfolgenden Bestimmungen: Eine gewisse Bindung wird zunächst durch Art. 109 Abs. 2 GG hergestellt, der auf die Verschuldungsgrenzen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts verweist und insoweit den gesamten öffentlichen Sektor mit in den Blick nimmt. Ferner wird speziell einer Lastenverschiebung auf die Kommunen an verschiedenen Stellen entgegengewirkt: Nach Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG darf der Bund Gemeinden und Gemeindeverbänden gerade keine Aufgaben übertragen. Werden den Kommunen von Ländern Aufgaben übertragen, so verlangen die in den Landesverfassungen normierten Konnexitätsregelungen eine entsprechende Finanzierung durch die Länder. Siehe hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 120.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

d) Zwischenergebnis Die grundgesetzliche Schuldenbremse wird den oben aufgestellten Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ im Hinblick auf die von ihr erfassten Haushalte nicht vollständig gerecht, so dass ein gewisser Nachbesserungsbedarf zu konstatieren ist: Die Vorgaben und Grenzen der in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG normierten Schuldenbremse beziehen nicht den gesamten öffentlichen Sektor mit ein; vielmehr bleiben bedeutsame Bereiche, etwa die Haushalte von Kommunen, Sozialversicherungen sowie sonstigen rechtlich selbstständigen Einheiten des Bundes und der Länder von dem Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse ausgenommen. 3. „Gut definierte“ Ausnahmeregelungen? Eine besondere Bedeutung erlangt das Bewertungskriterium „gut definiert“ darüber hinaus mit Blick auf die von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts vorgesehenen Ausnahmebestimmungen. Entscheidend ist, dass die Ausnahmeregelungen so klar und eindeutig bestimmt sind, dass Unsicherheiten bezüglich ihrer Reichweite vermieden werden. Zur Vereinfachung konzentriert sich die nachstehende Untersuchung anhand des Merkmals „gut definiert“ auf die in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG verankerten, auf einfachgesetzlicher Ebene bereits näher ausgestalteten Ausnahmeregelungen für den Bund. Soweit die Länder entsprechende Ausnahmeregelungen vorsehen und in vergleichbarer Weise näher ausgestalten sollten, wird man die gefundenen Ergebnisse jedoch auf Länderebene übertragen können. a) Die Strukturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG Eine erste Ausnahmeregelung von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts findet sich für den Bund in der sogenannten Strukturkomponente in Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG. aa) Tatbestandsvoraussetzungen Auf der Tatbestandsseite besteht bei der Strukturkomponente die Besonderheit, dass ihre Inanspruchnahme an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist. Vereinzelt wird zwar diskutiert, dass für eine hiernach zulässige strukturelle Kreditaufnahme die Finanzierung von Investitionen in einer korrespondierenden Höhe als (ungeschriebene) Tatbestandsvoraussetzung anzuerkennen sei163; wie ausführlich 163 So vor allem Pünder: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 92.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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dargelegt wurde, ist dieser Auslegungsansatz aber im Ergebnis zurückzuweisen164. Bei der Strukturkomponente handelt es sich somit um ein „voraussetzungsloses“ Verschuldungsrecht165 und damit um eine voraussetzungslose Ausnahmebestimmung für den Bund. Die Ausschöpfung des durch die Strukturkomponente eröffneten Neuverschuldungsspielraums steht grundsätzlich in „freiem Ermessen“ 166 des Haushaltsgesetzgebers. In Anbetracht dieser Feststellung drängt sich die Frage auf, ob das Fehlen jeglicher einschränkender Tatbestandsvoraussetzungen als ein Zeichen mangelnder Bestimmtheit zu deuten ist. Hiergegen spricht auf den ersten Blick, dass durch den gänzlichen Verzicht auf Tatbestandsvoraussetzungen in besonderer Weise Auslegungsschwierigkeiten und Mehrdeutigkeiten vermieden werden; vor diesem Hintergrund lässt sich der Vorwurf der Unbestimmtheit zunächst nur schwer begründen. Letztlich wird man das vollständige Fehlen von Tatbestandsvoraussetzungen allerdings gerade als den schwerwiegendsten Fall der Unbestimmtheit einordnen müssen: Die Funktion des Kriteriums „gut definiert“ und die Forderung nach bestimmten Ausnahmeregelungen dienen nicht allein dem Zweck, das Auftreten von Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden; ein wesentliches Ziel besteht vielmehr auch darin, angesichts der bestehenden polit-ökonomischen Fehlanreize den Verschuldungsmöglichkeiten klare und eindeutige Grenzen zu ziehen. Eine Regelung, die den Haushaltsgesetzgeber auf der Tatbestandsseite an keinerlei Voraussetzungen bindet, sondern ihm vielmehr einen umfassenden Entscheidungsspielraum zubilligt, erscheint folglich überaus bedenklich. bb) Rechtsfolgen Auf der Rechtsfolgenseite lässt die Strukturkomponente eine Kreditaufnahme des Bundes bis zu einer Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts zu. Weiter konkretisiert wird die genaue Berechnung der zulässigen Neuverschuldung durch die einfachgesetzliche Bestimmung des § 4 G 115. Die klare Angabe einer in Prozent ausgedrückten Neuverschuldungsgrenze ermöglicht es, auf der Rechtsfolgenseite die Höhe der zulässigen strukturellen Neuverschuldung anhand des Bruttoinlandsprodukts des vorangegangenen Jahres exakt und präzise zu bestimmen. Die Strukturkomponente gewährleistet folglich im Hinblick auf ihre Rechts-

164

Siehe hierzu oben unter: 2. Teil § 2 B. III. 2. So: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). Siehe hierzu auch: Christ, NwVZ 2009, 1333 (1333); Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (113); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 211; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 50. Möglicherweise bestehen allerdings formelle Anforderungen an die Inanspruchnahme der Strukturkomponente in Form von Begründungs- und Darlegungspflichten. Siehe hierzu etwa: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 209. 166 So etwa: Christ, NwVZ 2009, 1333 (1333). 165

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

folgen eine „Auslegungsgenauigkeit auf die zweite Nachkommastelle“ 167 und „könnte präziser kaum formuliert sein“ 168. Die Rechtsfolgen der Strukturkomponente sind demnach äußerst bestimmt gefasst worden und genügen den Anforderungen des Kriteriums „gut definiert“. cc) Zwischenergebnis Zur Strukturkomponente ist somit festzuhalten, dass die Tatbestandsseite dieser Ausnahmeregelung eine bedenkliche Unbestimmtheit aufweist, die jedoch auf der Rechtsfolgenseite durch eine sehr präzise Grenze zumindest partiell kompensiert wird. b) Die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 2 S. 2 1. HS, Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG Zu untersuchen ist auch die zweite Ausnahmebestimmung für den Bund, die in Art. 109 Abs. 2 S. 2 1. HS, Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG normierte Konjunkturkomponente. aa) Tatbestandsvoraussetzungen Als zentrale Tatbestandsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Konjunkturkomponente durch den Bund stellen die einschlägigen Grundgesetzbestimmungen das Bestehen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung auf 169. Bei dem verwendeten Begriff der „Normallage“ handelt es sich nicht nur um ein „zentrale[s], höchst anspruchsvolle[s] und ökonomisch nicht einfach bestimmbare[s] Tatbestandsmerkmal“ 170, sondern darüber hinaus um einen unbestimmten Rechtsbegriff 171, der auf der Ebene des Grundgesetzes nicht näher definiert wird. Erst auf einfachgesetzlicher Ebene – konkret in § 5 Abs. 2 G 115 – findet sich für den Bund eine Legaldefinition für diesen unbestimmten Rechtsbegriff: Hiernach ist eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung dann gegeben, wenn eine Über- oder Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten erwartet wird, d. h. bei Be167 So: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 8. 168 So: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 182. 169 Zur Konjunkturkomponente siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 3. a). 170 So: Seiler, JZ 2009, 721 (724). 171 So beispielsweise: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1271 f.); Korioth, JZ 2009, 729 (732); C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (276). Kube kommt zu dem Ergebnis, dass der Begriff der von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung ebenso unbestimmt sei wie der nach der bisherigen Rechtslage vorgesehene Verweis auf die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 174.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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stehen einer sogenannten Produktionslücke; eine Produktionslücke soll wiederum dann vorliegen, wenn das zu schätzende Produktionspotenzial vom erwarteten Bruttoinlandsprodukt des betreffenden Haushaltsjahres abweicht. Allerdings erweist sich auch diese in dem Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG gewählte Präzisierung der im Grundgesetz normierten Tatbestandsvoraussetzung unter Bestimmtheitsgesichtspunkten als problematisch: Anzumerken ist, dass die dargelegte einfachgesetzliche Definition, beispielsweise mit den Begriffen des „Produktionspotenzials“ und „erwarteten Bruttoinlandsprodukts“, ebenfalls auf unbestimmten Elementen aufbaut172. Eine gewisse Verbesserung wird erst durch die konkretisierenden Regelungen der hierzu erlassenen Rechtsverordnung erzielt173. Unter dem Aspekt möglichst bestimmter und vor allem eng definierter Ausnahmeregelungen ist die in § 5 Abs. 2 G 115 festgelegte Definition darüber hinaus aus einem weiteren Grund als kritisch einzuordnen: Da das zu schätzende Produktionspotenzial kaum je punktgenau mit dem erwarteten Bruttoinlandsprodukt übereinstimmen wird, wird durch die oben wiedergegebene einfachgesetzliche Konkretisierung die von einer konjunkturellen Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung letztlich zum Regel- und Normalfall, die konjunkturelle Normallage hingegen zum Sonder- und Ausnahmefall umdefiniert174. Hierdurch wird in letzter Konsequenz sogar der Charakter der Konjunkturkomponente als Ausnahmeregelung gefährdet. Die Tatbestandsseite der Konjunkturkomponente wird man demnach nicht als „gut definiert“ einstufen können. bb) Rechtsfolgen Auf der Rechtsfolgenseite schreibt die Konjunkturkomponente vor, dass die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen sind175. Auch diese im Grundgesetz gewählte Formulierung begegnet bei einer Überprüfung auf ihre Bestimmtheit gewissen Bedenken: Zum einen könnte der Wortlaut „zu berücksichtigen“ dahingehend fehl verstanden werden, dass es sich bei den Rechtsfolgen der Konjunkturkomponente lediglich um „Abwägungsprozesse im Rahmen von Ermessensausübung“ und nicht um eine kon172 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 164. Vgl. auch Korioth, der die einfachgesetzliche Definition als „eher wahllos, sektoral und letztlich unbestimmt“ bezeichnet: Korioth, JZ 2009, 729 (732). 173 Siehe: Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikels 115-Gesetzes. 174 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 164; Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (407); Pinkl, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 103 (108 ff., vor allem 111); vgl. auch: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2563). 175 Siehe hierzu die obigen Ausführungen zur Konjunkturkomponente: 2. Teil § 2 B. III. 3. b).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

krete Rechtspflicht handelt176. Zum anderen finden sich auf der Ebene des Grundgesetzes keine Hinweise darauf, wie die geforderte symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Auswirkungen im Detail erfolgen soll. Erst auf einfachgesetzlicher Ebene wird die Rechtsfolgenseite der Konjunkturkomponente durch § 5 Abs. 3 G 115 näher ausgestaltet: Hiernach ergibt sich die Konjunkturkomponente aus dem Produkt von Produktionslücke und Budgetsensitivität. Die einfachgesetzliche Bestimmung des § 5 Abs. 3 G 115 scheint auf der Rechtsfolgenseite ein hohes Maß an Bestimmtheit zu verwirklichen; so lässt sich der Umfang und die Höhe der Konjunkturkomponente theoretisch anhand einer vorgegebenen Formel ermitteln und sich in Form eines „konkrete[n] Zahlenergebnis[ses]“ ablesen177. Diese Annahme ist allerdings mit einer gravierenden Einschränkung zu versehen: Wie bestimmt die Konjunkturkomponente auf der Rechtsfolgenseite tatsächlich ist, hängt maßgeblich davon ab, wie bestimmt die einzelnen Variablen der betreffenden Formel sind178. Diesbezüglich ist anzumerken, dass die einzelnen Elemente der Konjunkturkomponente auch auf einfachgesetzlicher Ebene relativ unbestimmt bleiben, so dass im Kern durch die einfachgesetzlichen Konkretisierungen gegenüber den grundgesetzlichen Vorgaben „wenig gewonnen“ scheint179. Somit bedarf es der weiterführenden Präzisierungen in der entsprechenden Rechtsverordnung zur Ermittlung der Konjunkturkomponente, um die Bestimmtheit der Rechtsfolgenseite zu erhöhen. cc) Zwischenergebnis Im Ergebnis wird die Konjunkturkomponente bei einer kritischen Betrachtung nicht allen Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ umfassend gerecht. c) Die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6–8 GG Besonderen Bedenken hinsichtlich des Kriteriums „gut definiert“ begegnet die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6 bis 8 GG. So wird verschiedent-

176

C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (278). Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 165. Vgl. auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 179. Kritisch zu der Ermittlung der Konjunkturkomponente mittels einer Rechenoperation unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (407 ff.). 178 Vgl. hierzu etwa die Überlegungen von Sacksofsky: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (407). 179 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 164. 177

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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lich auf die „ungewöhnliche Ballung unbestimmter Rechtsbegriffe“ 180, die „Unbestimmtheit der Tatbestandsvoraussetzungen“ 181 sowie auf die „generalklauselartige Formulierung“ 182 hingewiesen. Ohne an dieser Stelle auf mögliche legitime und rechtfertigende Gründe für eine gewisse Offenheit dieser Ausnahmebestimmung näher einzugehen183, sind nachfolgend die kritischen Aspekte sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite herauszuarbeiten. aa) Tatbestandsvoraussetzungen Gerade die zentralen materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Ausnahmeregelungen – das Bestehen einer Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation, die sich darüber hinaus der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt – erscheinen unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit außerordentlich problematisch. Unkritisch sind demgegenüber die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmebestimmung, das Vorliegen eines mit der „Kanzlermehrheit“ gefassten Bundestagsbeschlusses sowie eines mit diesem Beschluss verbundenen Tilgungsplans184. (1) „Naturkatastrophe“ Durchaus ambivalent fällt die Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der „Naturkatastrophe“ aus: Grundsätzlich handelt es sich bei der in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS, 115 Abs. 2 S. 6 GG genannten Tatbestandsalternative der „Naturkatastrophe“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff 185. Bedenklich unter dem Gesichtspunkt des Kriteriums „gut definiert“ erscheint hierbei, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff weder im Grundgesetz noch auf einfachgesetzlicher Ebene näher präzisiert wird. Hinweise dazu, was von dem Begriff der „Naturkatastrophe“ umfasst werden soll, finden sich allein in den umfassenden Ausführungen der Gesetzesbegründung, die an dieser Stelle „[k]onkretisierend oder zu180 So Korioth allgemein mit Blick auf die Formulierungen in Art. 109 Abs. 3 S. 2, 115 Abs. 2 S. 3 und 6 GG: Korioth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 270 (276); Korioth, JZ 2009, 729 (732). 181 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 213. 182 So: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (117). 183 Zur Funktion der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen und der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit einer offenen und unbestimmten Formulierung der Tatbestandsvoraussetzungen siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 4. Siehe ferner die näheren Ausführungen unter dem Merkmal der Flexibilität: 4. Teil § 3 F. II. 184 Siehe hierzu die obigen Ausführungen zur Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen: 2. Teil § 2 B. III. 4. 185 So auch: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (286).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

mindest richtungweisend“ wirken können186: Hiernach sind Naturkatastrophen „unmittelbar drohende Gefahrzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse ausgelöst werden“ 187. Doch auch, wenn man diese in der Gesetzesbegründung genannte Definition zugrunde legt, werden nicht alle Abgrenzungsfragen geklärt: So wird beispielsweise durch die Formulierung „von einem erheblichen Ausmaß“ wiederum auf unbestimmte Begrifflichkeiten zurückgegriffen. Ungeklärt bleibt auch, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Katastrophe tatsächlich durch Naturereignisse ausgelöst wird; im Einzelfall kann diese Frage schwer zu beantworten sein, vor allem wenn eine menschliche Einflussnahme oder Beteiligung festzustellen ist188. Doch trotz der aufgezeigten Unschärfe und den damit einhergehenden Unsicherheiten bezüglich der exakten Reichweite des Begriffs der „Naturkatastrophe“ wird man von einer hinreichenden Bestimmtheit dieser Tatbestandsvoraussetzung ausgehen können. Der Begriff der „Naturkatastrophe“ ist greifbar und durch eine „gewisse Anschaulichkeit“ gekennzeichnet189. Darüber hinaus findet der Begriff der Naturkatastrophe auch an anderen Stellen des Grundgesetzes – insbesondere in Art. 35 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 1 GG – Verwendung, sodass aus diesen Grundgesetzbestimmungen konkrete Anhaltspunkte für die Auslegung und Anwendung dieses Begriffs gewonnen werden können190. (2) „Außergewöhnliche Notsituation . . .“ Wesentlich unbestimmter als der Begriff der „Naturkatastrophe“ ist demgegenüber der Begriff der „außergewöhnlichen Notsituation“. Auch bezüglich dieses unbestimmten Rechtsbegriffs191 ist sowohl in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG als auch in der einfachgesetzlichen Bestimmung des § 6 G 115 auf eine nähere Defi186 So: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 214. 187 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 188 Zu diesem Abgrenzungsproblem und konkreten Beispielsfällen siehe insbesondere die Ausführungen von Koemm, die an dieser Stelle allerdings zu dem Ergebnis kommt, dass die dargelegte Definition hierdurch nicht „zu unbestimmt“ sei: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 234 f. 189 Seiler, JZ 2009, 721 (726). Ähnlich auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 234; Häde, AöR 135 (2010), 541 (559); Wieland, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 229 (241). 190 So bereits die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, die eine „Orientierung an die Rechtslage bei der Amtshilfe nach Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3“ vorschlagen: BT-Drs. 16/12410, S. 11. Ebenso beispielsweise auch: Heun, in: Dreier, GG.Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 43; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 141; Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1282); Seiler, JZ 2009, 721 (726). 191 So auch: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (286); Ekardt/Buscher, AöR 137 (2012), 42 (49).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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nition durch den Gesetzgeber verzichtet worden. Selbst die Ausführungen der Gesetzesbegründung sehen von einer exakten Definition dieser Tatbestandsvoraussetzung ab und beschränken sich auf eine Konkretisierung durch die Nennung von drei Fallgruppen, die ausweislich der gewählten Formulierung „beispielsweise“ nicht einmal abschließend sein sollen192. Über diese exemplarische Auflistung einiger Beispielsfälle hinaus findet sich nur noch eine negative Abgrenzung dahingehend, dass die üblichen konjunkturellen Schwankungen im Einnahmen- und Ausgabenbereich von der Tatbestandsalternative der außergewöhnlichen Notsituation ausgenommen sein sollen193. Somit ist an keiner Stelle der ernsthafte Versuch unternommen worden, den Begriff der „außergewöhnlichen Notsituation“ präzise und abschließend zu definieren. Von vornherein zweifelhaft ist, dass das dem Begriff der „Notsituation“ beigefügte Adjektiv „außergewöhnlich“ einen relevanten „Konkretisierungswert“ 194 aufweist. Berücksichtigt man, dass gewöhnliche Notsituationen im Grunde nicht vorstellbar sind, erscheint die Verwendung des Wortes „außergewöhnlich“ zunächst rein tautologisch195. Gleichwohl ist zu bedenken, dass bestimmte Notsituationen jeweils für sich betrachtet einmalig und gravierend sein können, auf längere Sicht aber regelmäßig wiederkehren und sich dementsprechend einkalkulieren lassen. Im Hinblick auf derartige, regelmäßig auftretende Notsituationen kann das Merkmal „außergewöhnlich“ durchaus eine einschränkende Bedeutung erlangen. Dennoch ist festzustellen, dass durch das unbestimmte und auslegungsbedürftige Merkmal „außergewöhnlich“ keine wesentliche Erhöhung der Bestimmtheit der Tatbestandsalternative der außergewöhnlichen Notsituationen herbeigeführt wird. (3) „. . . die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ Die beiden Tatbestandsalternativen der Naturkatastrophen und der außergewöhnlichen Notsituationen werden durch zwei weitere, in einem Relativsatz formulierte Tatbestandsvoraussetzungen ergänzt. Zum einen muss die jeweilige Naturkatastrophe oder außergewöhnliche Notsituation der staatlichen Kontrolle entzogen sein196. Bei genauerer Betrachtung 192

Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 194 Berlit, SächsVBl 2010, 53 (59). 195 So etwa: Seiler, JZ 2009, 721 (726); Scholl, DÖV 2010, 160 (167); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 139. Anders etwa Koemm, die die Ansicht vertritt, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „außergewöhnlich“ um eine „sachgerechte Unterstreichung des Ausnahmecharakters“ handelt: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 237. 196 Siehe hierzu die obigen Ausführungen: 2. Teil § 2 B. III. 4. c). 193

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

erweist sich dieses Tatbestandsmerkmal als unbestimmt, vor allem aber als ungeeignet für eine engere Begrenzung der genannten Ausnahmeregelung: Auf die Frage, ob eine bestimmte Situation der staatlichen Kontrolle entzogen ist, wird sich gerade bei vielschichtigen und komplexen Sachverhalten häufig keine eindeutige und unumstrittene Antwort finden lassen; Mehrdeutigkeiten und Auslegungsschwierigkeiten sind insoweit vorprogrammiert197. Indiz für die tatbestandliche Unbestimmtheit ist zudem die in der Gesetzesbegründung gewählte Definition, nach der es ausreichend sein soll, wenn das jeweilige Ereignis auf äußeren Faktoren beruht, die „im Wesentlichen“ nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen198. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich durch die Begrenzung auf der staatlichen Kontrolle entzogene Notsituationen keine bedeutsame Einschränkung des Anwendungsbereichs der genannten Ausnahmeregelung erreichen lässt, da in einer freiheitlichen Demokratie letztlich „zahllose gesellschaftliche Vorgänge“ außerhalb der staatlichen Kontrolle liegen199. Zum anderen muss die eingetretene Naturkatastrophe bzw. außergewöhnliche Notsituation die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen200. Dieses Tatbestandsmerkmal weist bereits eine hohe begriffliche Unbestimmtheit auf, die weder auf grundgesetzlicher noch auf einfachgesetzlicher Ebene durch Präzisierungen behoben worden ist. In der Gesetzesbegründung findet sich zu dieser Tatbestandsvoraussetzung lediglich ein Hinweis darauf, dass sich die erhebliche Beeinträchtigung der Finanzlage aus dem Finanzbedarf zur Beseitigung von Schäden einer Naturkatastrophe bzw. außergewöhnlichen Notsituation sowie aus entsprechenden vorbeugenden Maßnahmen ergeben muss201. Bezüglich der Fragestellung, wann eine derartige Beeinträchtigung der Finanzlage als „erheblich“ einzustufen ist, finden sich hingegen keine konkretisierenden Ausführungen. Auch an dieser Stelle ist demnach eine mangelnde Bestimmtheit festzuhalten. bb) Rechtsfolgen Neben den Tatbestandsvoraussetzungen sind ferner die in der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen vorgesehenen Rechtsfolgen mit Blick auf ihre Bestimmtheit als bedenklich einzustufen.

197 So auch Mayer, der ausführt, dass sich darüber, „was sich der staatlichen Kontrolle entzieht, [. . .] in manchem Fall streiten“ lässt und hierbei auf verschiedene Diskussionen innerhalb der Föderalismuskommission II – konkret auf die Wiedervereinigung und die Finanzkrise 2008/2009 – verweist: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (288, einschließlich Fußnote 82). 198 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 199 Seiler, JZ 2009, 721 (726); Berlit, SächsVBl 2010, 53 (59); Pünder, in: Friauf/ Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 139. 200 Siehe hierzu die obigen Ausführungen: 2. Teil § 2 B. III. 4. c). 201 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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(1) Begrenzung der Kredithöhe Die zentrale Rechtsfolge der genannten Ausnahmeregelung besteht darin, dass die ansonsten geltenden Neuverschuldungsgrenzen überschritten werden dürfen202. Hierbei ist in den entsprechenden Grundgesetzbestimmungen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG weder „ein die Kredithöhe begrenzendes Kriterium“ 203 noch eine sonstige, allgemein geltende Kreditobergrenze normiert worden204; gleiches gilt für die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Ausführungsgesetzes zu Art. 115 GG. Im Ergebnis lässt sich eine Begrenzung der nach der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen zulässigen staatlichen Kreditaufnahme allein im Wege der Auslegung – beispielsweise auf der Grundlage des Normzwecks bzw. ausgehend von Verhältnismäßigkeitsüberlegungen – ableiten205. Für die Bestimmtheit der vorgesehenen Rechtsfolge wäre allerdings die explizite Festlegung eines Kriteriums, das den Umfang der zulässigen Neuverschuldung auf eine dem Ausmaß der jeweiligen Naturkatastrophe bzw. außergewöhnlichen Notsituation entsprechende Höhe begrenzt, oder alternativ die ausdrückliche Normierung einer allgemein geltenden Höchstgrenze wünschenswert gewesen. (2) Bestimmtheit der Rückführungsverpflichtung Kritisch unter Bestimmtheitsgesichtspunkten erscheint auch die durch das Grundgesetz aufgestellte Verpflichtung zur Rückführung der auf Grundlage der genannten Ausnahmeregelung aufgenommenen staatlichen Kredite. Aus Art. 109 Abs. 3 S. 3, Art. 115 Abs. 2 S. 7, 8 GG ergibt sich lediglich die Anforderung den zugrunde liegenden Bundestagsbeschluss mit einem Tilgungsplan zu verbinden und die Kredite innerhalb eines „angemessenen Zeitraums“ zurückzuführen. Vor allem darüber, was unter einem „angemessenen Zeitraum“ zu verstehen ist, „kann man [jedoch] trefflich streiten“ 206. Die Normierung eines präzisen Zeitrahmens oder zumindest eines allgemeinen Richtwertes, was noch als „angemessen“ bewertet werden kann, ist gleichwohl unterblieben. Auch bezüglich der 202

Siehe hierzu: Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG i.V. m. Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG. Korioth, JZ 2009, 729 (733). 204 Siehe hierzu auch: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1272); Kube, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 217; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 197. 205 Letztlich sind im Detail voneinander abweichende Ansätze für eine Begrenzung des Umfangs der auf der Grundlage dieser Ausnahmeregelung zulässigen Neuverschuldung entwickelt worden. Siehe beispielsweise: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1272); C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (290); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar, GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 145 f.; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 217; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 241. 206 C. Mayer, AöR 36 (2011), 266 (292). 203

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Tilgungsanforderungen ist demnach ein hohes Maß an Unbestimmtheit zu erkennen207. cc) Zwischenergebnis Insgesamt bestehen an diversen Stellen der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen erhebliche Mängel hinsichtlich des Merkmals „gut definiert“. d) Weitere Ausnahmeregelungen? Abschließend ist der Frage nachzugehen, ob weitere Ausnahmen innerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse bestehen und ob diese gegebenenfalls den Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ entsprechen. aa) Das Kontrollkonto: Der eingeräumte Überziehungskredit als weitere Ausnahmebestimmung? Im Zusammenhang mit der Einführung eines Kontrollkontos wird diskutiert, dass sich aus Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG eine weitere „Kreditoption“ 208 für den Bund und somit eine zusätzliche Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts ergebe209. Diese Ansicht stützt sich auf folgende Argumentation: Dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht allein bei der Haushaltsaufstellung, sondern auch im Haushaltsvollzug zu beachten seien, ließe sich bereits dem Wortlaut des Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG entnehmen. Die entscheidende Funktion des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG bestehe folglich darin, dem Bund eine Art Dispo- bzw. Überziehungskredit i. H. v. 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts einzuräumen: Nach Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG sei es möglich, auf dem eingerichteten Kontrollkonto zur Überwachung des Haushaltsvollzugs Belastungen bis zu einer Höhe von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts anzusammeln; eine Rückführungsverpflichtung greife nicht bereits bei dem Auftreten eines negativen Saldos auf dem

207 Ebenso kritisch zur Unbestimmtheit der Tilgungsverpflichtung siehe beispielsweise: Seiler, JZ 2009, 721 (726); Korioth, JZ 2009, 729 (733); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 183 f.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 393; Wieland, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009, S. 5. 208 So die Formulierung von Mayer, der sich mit der nachfolgenden Fragestellung kritisch auseinandersetzt: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (284). 209 So die Ansicht von: Lenz/Burgbacher; NJW 2009, 2561 (2564); ebenso: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 179; vgl. auch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 35.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Kontrollkonto, sondern vielmehr erst bei einer Überschreitung dieses festgesetzten Schwellenwertes ein. Damit sei für den Bund eine über die Struktur- und Konjunkturkomponente sowie die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen hinausgehende vierte Ausnahme von dem Gebot des materiell ausgeglichenen Haushalts geschaffen worden210. Dagegen, Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG eine vierte Ausnahmebestimmung entnehmen zu wollen, sprechen jedoch schwerwiegende Argumente: Bei dem in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vorgesehenen Kontrollkonto handelt es sich um ein Instrument, das die Einhaltung der im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse normierten Verschuldungsgrenzen gerade auch im Haushaltsvollzug absichern soll211. Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG bezweckt somit nicht, die im Grundgesetz verankerten Kreditobergrenzen zu modifizieren, sondern zielt allein darauf ab, Abweichungen der tatsächlichen von der grundgesetzlich zulässigen Kreditaufnahme zu erfassen und eine Rückführung der negativen Abweichungen zu gewährleisten212. Entscheidend gegen den Charakter einer Ausnahmebestimmung spricht vor allem, dass der durch Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG geschaffene zusätzliche „Neuverschuldungsspielraum“ nur einmalig ausgeschöpft werden kann213. Sobald der festgesetzte Schwellenwert für den auf dem Kontrollkonto bestehenden negativen Saldo von 1,5 % erreicht ist, bewirkt jede weitere negative Abweichung von der sich aus Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG ergebenden Kreditobergrenze, dass die verfassungsrechtlich verankerte Rückführungsverpflichtung des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG unmittelbar eingreift. Demnach ist festzuhalten, dass sich aus Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG keine weitere Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts ergibt, die unter dem Merkmal „gut definiert“ einer näheren Untersuchung bedürfte. bb) Abschließende Regelung der Ausnahmebestimmungen im Grundgesetz? Den Anforderungen „gut definierter“ Ausnahmeregelungen würde die Schuldenbremse in besonderer Weise zuwiderlaufen, wenn weitere ungeschriebene und nicht näher bestimmte Ausnahmen zulässig wären.

210 So die Ausführungen von Lenz/Burgbacher: Lenz/Burgbacher; NJW 2009, 2561 (2564). 211 Siehe die explizite Begründung des Gesetzesentwurfs zu Art. 115 Abs. 2 GG: „In Satz 4 wird gewährleistet, dass die neue Schuldenregel nicht nur die Aufstellung des Bundeshaushaltes erfasst, sondern darüber hinaus dessen Vollzug.“, BT-Drs. 16/12410, S. 12. 212 Siehe: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (284 f.). 213 Siehe hierzu: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (285).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Ausweislich der Gesetzesbegründung214 und nach unbestrittener Ansicht215 sind die Ausnahmeregelungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse jedoch abschließend normiert worden, so dass jede Anerkennung weiterer ungeschriebener Ausnahmen ausgeschlossen ist. Hervorzuheben ist nichtsdestoweniger der nachstehende Aspekt: Dem Wortlaut der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG lässt sich der abschließende Charakter der ausdrücklich geregelten Ausnahmebestimmungen nicht hinreichend entnehmen. Vereinzelt wird etwa die Formulierung des Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG, nach der dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts „nur dann entsprochen ist, wenn keine Einnahmen aus Krediten zugelassen werden“, als Indiz dafür gewertet, dass die Ausnahmen von diesem Grundsatz verfassungsrechtlich abschließend normiert seien216. Gegen dieses Verständnis des Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG ist allerdings einzuwenden, dass es sich hierbei nur um eine Klarstellung dahingehend handelt, dass speziell auf Länderebene anders als auf Bundesebene ein struktureller Verschuldungsspielraum der Länder vollständig ausgeschlossen ist. Tatsächlich fehlt es somit innerhalb Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG an einer ausdrücklichen Hervorhebung, dass die Ausnahmen von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts abschließend normiert worden sind. Mit Blick auf das Merkmal „gut definiert“ wäre eine entsprechend eindeutige Formulierung wünschenswert gewesen, um möglicherweise auftretenden Unklarheiten oder fehlerhaften Auslegungen umfassend vorzubeugen. e) Zwischenergebnis Die vorstehende Analyse der innerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse vorgesehenen und für den Bund auf einfachgesetzlicher Ebene bereits näher ausgestalteten Ausnahmebestimmungen hat ergeben, dass den Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ nicht umfänglich entsprochen wird. Vielmehr zeichnen sich vor allem die Konjunkturkomponente und die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen durch eine „Fülle strategieund streitanfälliger unbestimmter Rechtsbegriffe“ aus, die sich als Gefahr für die Wirksamkeit der Schuldenregelungen erweisen könnten217.

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Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. Siehe exemplarisch: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 39; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 126; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 59; Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 68; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 109, Rn. 33; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 109, Rn. 12; Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 216 So etwa: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (273). 217 Selmer, NVwZ 2009, 1255 (1260). 215

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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III. Ergebnis Somit ist festzustellen, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gemessen an den Anforderungen des Merkmals „gut definiert“ schlecht abschneidet und im Ergebnis als mangelhaft einzustufen ist.

B. „Transparent“ An zweiter Stelle benennen Kopits und Symansky die Transparenz als zentrales Charakteristikum einer idealen fiskalpolitischen Regelung218. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Kopits und Symansky führen zu dem Merkmal der Transparenz aus, dass Transparenz konkret in Bezug auf das Regierungshandeln im fiskalischen Bereich, vor allem in Bezug auf die Rechnungslegung, die Aufstellung von Prognosen und den institutionellen Rahmen, gewährleistet sein müsse. Die geforderte Transparenz diene insbesondere dazu, unklare fiskalpolitische Absichten, den Rückgriff auf Instrumente der kreativen Buchführung sowie fehlerhafte Darstellungen hinsichtlich der tatsächlichen Höhe und des Fälligkeitszeitpunkts zukünftiger finanzieller Verpflichtungen zu vermeiden. Entscheidend ist nach Kopits und Symansky, dass durch die Herstellung von Transparenz einer Aushöhlung der betreffenden fiskalpolitischen Regelung sowie einer Verringerung der öffentlichen Zustimmung zu dieser Regelung entgegengewirkt werde219. Was Transparenz im fiskalischen Bereich im Einzelnen bedeutet, wird von Kopits und Symansky nicht näher beleuchtet; vielmehr verweisen sie auf eine ebenfalls 1998 vom IMF veröffentlichte Arbeit von Kopits und Craig, die sich eingehend mit diesem Problem beschäftigt220. In dieser Arbeit wird fiskalische Transparenz definiert als Offenheit gegenüber der Bevölkerung in Bezug auf Regierungsstruktur und Regierungsfunktionen, finanzpolitische Absichten, Rechnungsabschlüsse der öffentlichen Haushalte und Prognosen. Betont wird insbesondere die Notwendigkeit eines Zugangs zu verlässlichen, umfassenden, rechtzeitigen, verständlichen und international vergleichbaren Informationen über die Aktivitäten der Regierung221. Im Folgenden finden sich detailliertere Ausführungen zu der geforderten Transparenz des institutionellen Rahmens222, der öffentlichen Buchführung223 sowie der Indikatoren und Prognosen224. 218

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 220 Siehe: Kopits/Craig, Transparency in Government Operations, IMF Occasional Paper No. 158. 221 Kopits/Craig, Transparency in Government Operations, IMF Occasional Paper No. 158, S. 1. 222 Ausführlich: Kopits/Craig, Transparency in Government Operations, IMF Occasional Paper No. 158, S. 5 ff. 219

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Auch außerhalb des von Kopits und Symansky aufgestellten Bewertungsmaßstabs wird die Bedeutung des Merkmals „transparent“ an vielen Stellen betont225. Hierbei wird Transparenz häufig in einem engen Zusammenhang mit dem Kriterium der Einfachheit gesehen. So wird beispielsweise ausgeführt, dass eine fiskalpolitische Regelung im Interesse der Transparenz einfach, präzise, eindeutig bzw. nachvollziehbar ausgestaltet werden sollte226. Diesbezüglich ist somit eine gewisse Abweichung zu dem von Kopits und Symansky vorgetragenen Ansatz zu erkennen: Während Kopits und Symansky die von ihnen geforderte Transparenz auch auf das Umfeld der betreffenden fiskalpolitischen Regelungen, etwa auf die Rechnungslegung, die Erstellung von Prognosen bzw. den institutionellen Rahmen beziehen, wird das Bewertungskriterium der Transparenz an anderen Stellen allein auf die in Frage stehende fiskalpolitische Regelung selbst angewendet. Dem Merkmal der Transparenz wird für die Wirksamkeit fiskalpolitischer Regelungen eine bedeutsame Funktion zugeschrieben: Kopits und Symansky legen dar, dass die Auferlegung von Budgetrestriktionen, z. B. von Grenzen für das Haushaltsdefizit bzw. die Kreditaufnahme, in besonderer Weise ein Ausweichen auf intransparente Haushaltspraktiken fördern könne. Die Festsetzung einer fiskalpolitischen Regelung, die nicht zugleich mit einem expliziten Auftrag zur Aufrechterhaltung der Transparenz verbunden sei, führe folglich mit einer großen Wahrscheinlichkeit zu Umgehungen und Verzerrungen und damit zu einer weitgehenden Unwirksamkeit dieser Regelung227. Eine ähnliche Funktion des Merkmals „transparent“ wird auch von denjenigen betont, die Transparenz allein in Bezug auf die fiskalpolitische Regelung selbst fordern: Auch in diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, dass durch Transparenz Verschleierungsmöglichkeiten vermieden werden könnten und sich eine verbesserte Überprüfbarkeit 223 Ausführlich: Kopits/Craig, Transparency in Government Operations, IMF Occasional Paper No. 158, S. 7 ff. 224 Ausführlich: Kopits/Craig, Transparency in Government Operations, IMF Occasional Paper No. 158, S. 9 f. 225 Siehe beispielsweise: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f.; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211 und 226); BAKBASEL, Sparpaket II des Kantons St. Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3; Truger/ Will, Gestaltungsanfällig und pro-zyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 2; economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nummer 18, S. 8; Junkernheinrich, Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007, Kom.Drs. 034, S. 26. 226 Siehe beispielsweise die nachstehenden Ausführungen: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f.; economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nummer 18, S. 8. 227 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 1.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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erzielen lasse228. Zusammenfassend kommt dem Merkmal „transparent“ somit die folgende Funktion zu: Es erscheint nahezu unmöglich, eine fiskalpolitische Regelung so zu formulieren, dass keinerlei Unklarheiten auftreten können und Umgehungsmechanismen, Verschleierungstaktiken, sämtliche Formen kreativer Buchführung und alle in Betracht kommenden Haushaltstricks vollständig ausgeschlossen sind229. Allein durch eine umfassende Transparenz wird letztlich eine fundierte Bewertung durch die Öffentlichkeit ermöglicht, ob die betreffende Regelung korrekt und ohne Manipulationen Anwendung findet230. Es stellt sich indes die Frage, was der oft schon schlagwortartig gebrauchte Begriff der Transparenz konkret beinhaltet. Im Rahmen einer ersten begrifflichen Annäherung kann Transparenz mit den Begriffen „Durchsichtigkeit, Deutlichkeit, Verstehbarkeit und Erkennbarkeit“ umschrieben werden231. Transparenz ist vor allem von der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Informationen abhängig. Wie offen und „transparent“ ein Vorgang für einen interessierten Beobachter tatsächlich ist, wird maßgeblich von der Menge der ihm zur Verfügung stehenden Informationen beeinflusst232. Neben der Menge der vorhandenen Informationen ist darüber hinaus ihre „Komplexität“ ein entscheidender Faktor für Transparenz233. Besteht ein hoher Grad an Komplexität, so sind trotz zugänglicher Informationen unter Umständen die Verständlichkeit und infolgedessen die Transparenz erheblich beeinträchtigt. Im verfassungsrechtlichen Kontext wird Transparenz beispielsweise definiert als „allgemeine Zugänglichkeit und Wahrnehmbarkeit von Informationen, die im Zusammenhang mit verfassungsrechtlich relevanten Vorgängen entstanden sind“ 234. Zu verlangen ist folglich mit Blick auf das Merkmal „transparent“, dass die Offenlegung aller relevanten Informationen sichergestellt ist und dass die Menge sowie die Komplexität der zugänglich gemachten Informationen die geschaffene 228 Siehe etwa: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f.; economiesuisse, Schuldenbremse: nachhaltig erfolgreich, dossierpolitik, 11. September 2012, Nr. 18, S. 8. 229 Ähnlich beispielsweise auch Feld, der betont, dass „es keine wasserdichte Regelung zur Verhinderung übermäßiger Staatsverschuldung geben [. . . könne]. Findige Haushälter [. . . würden] die typischerweise vorhandenen Schlupflöcher in den Regelungen herausfinden und sie zu nutzen wissen.“ So: Feld, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 226 (235). 230 Allgemein zu den Vorteilen und Nachteilen fiskalischer Transparenz: Kopits/ Craig, Transparency in Government Operations, IMF Occasional Paper No. 158, S. 2 ff. 231 So: Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18. Ausführlich zu dem Begriff und zu den verschiedenen Bezugspunkten von Transparenz: Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18 ff. 232 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18. 233 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18 f. 234 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 19.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Transparenz im Gegenzug nicht wieder reduzieren. Eine umfassende Untersuchung anhand des Merkmals „transparent“ hat hierbei die beiden oben genannten Bereiche zu berücksichtigen: Zum einen bedarf es einer Transparenz der Schuldenbremse selbst; zum anderen ist zu überprüfen, ob bzw. inwieweit im Bereich der Finanz- und Haushaltspolitik allgemein, d. h. im Umfeld der deutschen Schuldenbremse, eine ausreichende Transparenz gewährleistet ist. Einschränkend ist zu bedenken, dass die Forderung nach einer transparenten Ausgestaltung der Schuldenbremse selbst eine Überschneidung mit dem Merkmal der Einfachheit aufweist, das Kopits und Symansky im Rahmen ihres Kriterienkatalogs als separates Merkmal einordnen235. Die Bedeutung und die eigenständigen Funktionen des Merkmals „einfach“ legen es nahe, die gewichtige Frage, ob die Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse einfach und verständlich ausgestaltet sind, aus dem Merkmal „transparent“ vorerst auszuklammern und einer gesonderten Betrachtung zuzuführen236. II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „transparent“ Nachdem die Anforderungen und der Bezugspunkt des Merkmals „transparent“ präzisiert worden sind, ist zu prüfen, ob die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse die erforderliche Transparenz aufweist. 1. „Transparenz der Schuldenbremse“ Die entscheidende Frage ist zunächst, inwieweit das Regelungskonzept der deutschen Schuldenbremse selbst transparent ist. Hierbei sollen exemplarisch die für den Bund normierten Schuldenregelungen des Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG sowie die hierzu vorgesehenen Konkretisierungen auf der Ebene des einfachen Rechts einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Ausgehend von der oben gegebenen begrifflichen Annäherung, ist nachstehend zu klären, ob dem interessierten Bürger sämtliche, für eine Beurteilung dieses Regelungskonzepts und für eine Überprüfung seiner Anwendung erforderlichen Informationen zugänglich sind. Die Fragestellung, ob die Bestimmungen der Schuldenbremse gegebenenfalls zu komplex sind, soll demgegenüber unter dem Merkmal der Einfachheit erörtert werden237. Zur Veranschaulichung, was die transparente Ausgestaltung einer fiskalpolitischen Regelung auszeichnet, kann auf die in der Schweizer Bundesverfassung 235

Siehe: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162,

S. 19. 236 237

Siehe hierzu unten: 4. Teil § 3 E. Siehe hierzu unten: 4. Teil § 3 E.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

251

normierte Schuldenbremse verwiesen werden, deren ausgeprägte Transparenz hervorgehoben wird238. Mit Blick auf die Schweizer Schuldenbremse wird vor allem betont, dass alle relevanten Inhalte, Vorgaben und Grenzen bis in die Details rechtlich fixiert worden seien; sogar „die exakte Berechnungsmethode, d. h. das ökonometrische Verfahren zur Bestimmungen des Trendoutputs“, sei explizit in die Durchführungsbestimmungen aufgenommen worden239. Hieraus ergibt sich die folgende Konsequenz: Die politischen Entscheidungsträger können im Ergebnis allein über die von ihnen vorzunehmenden Prognosen des Bruttoinlandsprodukts bzw. der Einnahmen auf die Höhe der zulässigen Ausgabenobergrenze innerhalb des durch die Schuldenbremse gezogenen Rahmens Einfluss nehmen; jede darüber hinausgehende Einflussnahme bzw. Manipulation ist demgegenüber ausgeschlossen. Auf diese Weise wird eine sehr weitgehende Transparenz und Überprüfbarkeit durch die Öffentlichkeit gewährleistet240. Ob mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse für den Bund eine vergleichbare Transparenz gegeben ist, ist demgegenüber fraglich: Zwar finden sich die zentralen Schuldenregelungen für den Bund in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG sowie in den ergänzenden Bestimmungen des einfachgesetzlichen Ausführungsgesetzes und der auf der Grundlage von § 5 Abs. 4 S. 1 G 115 erlassenen Rechtsverordnung; alle diese Regelungen sind im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und dementsprechend allgemein zugänglich gemacht worden241. Als problematisch erweist sich die Schuldenbremse für den Bund allerdings mit Blick auf die konkrete Berechnung der Konjunkturkomponente, die nähere Angaben zur Produktionslücke und Budgetsensitivität voraussetzt. Vor allem das in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommende Konjunkturbereinigungsverfahren ruft Zweifel an einer ausreichenden Transparenz hervor: Festgelegt worden ist zwar, dass im Wesentlichen dem im Rahmen der Haushaltsüberwachung nach dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt angewand-

238 Siehe hierzu beispielsweise: Müller/Hartwig/Frick, Eine Schuldenbremse für den deutschen Bundeshaushalt – Ein Vorschlag zur Reform der Haushaltsgesetzgebung, Kom.-Drs. 038, S. 40 f. und 68. Siehe auch: Müller, Aspekte einer Schuldenbegrenzung nach helvetischem Vorbild, Kom.-Drs. 028, S. 37. 239 Hierzu: Müller/Hartwig/Frick, Eine Schuldenbremse für den deutschen Bundeshaushalt – Ein Vorschlag zur Reform der Haushaltsgesetzgebung, Kom.-Drs. 038, S. 40; Müller, Aspekte einer Schuldenbegrenzung nach helvetischem Vorbild, Kom.Drs. 028, S. 37. 240 Müller/Hartwig/Frick, Eine Schuldenbremse für den deutschen Bundeshaushalt – Ein Vorschlag zur Reform der Haushaltsgesetzgebung, Kom.-Drs. 038, S. 40. 241 Siehe konkret: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d) vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S. 2248 (2248 ff.); Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009, BGBl. I, S. 2702 (2702 ff.); Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel 115-Gesetzes (Artikel 115-Verordnung – Art115V) vom 9. Juni 2010, BGBl. I, S. 790 (790 f.).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

ten Verfahren gefolgt werden soll242; im Detail ist die exakte technische Ausgestaltung bzw. Umsetzung jedoch unklar und bleibt im Ergebnis „der Entscheidung von Wirtschafts- und Finanzministerium vorbehalten“ 243. An dieser Stelle sind demnach Verschleierungs- bzw. Manipulationsmöglichkeiten zu erkennen, die gerade auf eine nicht unbedenkliche Intransparenz der für den Bund normierten Schuldenbremse hinweisen244. Im Ergebnis stehen den interessierten Bürgern sämtliche Informationen zu den Vorgaben der im Grundgesetz verankerten, im einfachen Recht näher ausgestalteten Schuldenbremse für den Bund offen; punktuell – speziell mit Blick auf das Konjunkturbereinigungsverfahren – ist allerdings eine gewisse Intransparenz zu diagnostizieren, die sich vor dem Hintergrund der Manipulationsanfälligkeit fiskalpolitischer Regelungen als bedenklich herausstellen könnte. 2. „Transparenz durch die Schuldenbremse“ Wie bereits dargelegt worden ist, erschöpft sich die Bedeutung des Merkmals „transparent“ nicht allein in einer transparenten Ausgestaltung der betreffenden fiskalpolitischen Regelung selbst. Von Bedeutung ist darüber hinaus, dass auch das Umfeld der jeweiligen Regelung, unter anderem die Buchführung, die Prognosen und der institutionelle Rahmen transparent ausgestaltet sind245. Allgemeiner formuliert: Als Voraussetzung dafür, dass eine fiskalpolitische Regelung erfolgreich sein kann, ist grundsätzlich auch die Transparenz über die allgemeine Finanz- und Haushaltslage des Staates anzusehen246. Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit im Zusammenhang mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse auch diese umfassendere Transparenz gewährleistet ist, ergibt sich das folgende Problem: Eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung, ob auf Bundes- ebenso wie auf Länderebene eine ausreichende Transparenz in Bezug auf die gesamte Finanz- und Haushaltssituation besteht, geht bereits vom Ansatz her weit über eine Betrachtung der Schuldenbremse hinaus. Eine derart weit gefasste Transparenz, unter anderem hinsichtlich der Buchführung, der Prognosen und des institutionellen Rahmens, wird 242

Siehe hierzu die Vorgaben des § 5 Abs. 4 G 115 i.V. m. § 2 Abs. 2 S. 2 Art115V. So: Truger/Will, Gestaltungsanfällig und pro-zyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 8. 244 Siehe hierzu etwa: Truger/Will, Gestaltungsanfällig und pro-zyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 8. Ähnlich wohl auch: Müller, Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009, Stellungnahme, S. 4 f. 245 Siehe: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 246 Ebenso: Junkernheinrich, Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 034, S. 26. 243

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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durch die verschiedensten, außerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse verankerten Regelungen und Grundsätze verwirklicht. Eine eingehende Analyse, inwieweit in Deutschland eine umfassende Transparenz über die Finanz- und Haushaltslage gegeben ist, verliert somit den eigentlichen Untersuchungsgegenstand – die im Grundgesetz verankerte, deutsche Schuldenbremse – aus den Augen. Im Folgenden soll deshalb lediglich untersucht werden, inwieweit die grundgesetzliche Schuldenbremse selber, einschließlich der sie ergänzenden und begleitenden Bestimmungen, einen Beitrag zu Verwirklichung der gewünschten Transparenz leistet. Nachdem in dem vorstehenden Abschnitt die „Transparenz der Schuldenbremse“ untersucht worden ist, ist nunmehr die „Transparenz durch die Schuldenbremse“ näher zu beleuchten. Auf den ersten Blick scheinen die zentralen Bestimmungen der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG keinen konkreten Auftrag zur Verwirklichung von Transparenz zu beinhalten und keine besonderen Vorkehrungen zur Herstellung von Transparenz vorzusehen. Bei einer genaueren Betrachtung findet sich indes in Art. 115 Abs. 2 GG eine Regelung, die gegebenenfalls zu einer verbesserten Transparenz beitragen kann; hierbei handelt es sich um die Einführung eines Kontrollkontos für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG. Darüber hinaus sieht das ergänzend zu den Bestimmungen der Schuldenbremse eingeführte Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen in Art. 109a S. 2 GG eine ausdrücklich normierte Publizitätspflicht vor, die unter Umständen die Transparenz bezüglich der Haushaltssituation in Bund und Ländern fördert. a) Transparenz durch das für den Bund normierte Kontrollkonto in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG Zunächst ist das für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vorgesehene und auf einfachgesetzlicher Ebene näher ausgestaltete Kontrollkonto unter dem Aspekt der Transparenz zu betrachten. Soweit sich die Bundesländer für die Normierung einer vergleichbaren Bestimmung entschlossen haben bzw. noch entschließen sollten, lassen sich die nachfolgenden exemplarischen Ausführungen zumindest im Ansatz übertragen. Das für den Bund vorgesehene Kontrollkonto dient im Wesentlichen dazu, Abweichungen der tatsächlich erfolgten Neuverschuldung von den durch die grundgesetzliche Schuldenbremse festgelegten Neuverschuldungsgrenzen zu erfassen: Konkret sollen Unter- bzw. Überschreitungen der sich aus Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG ergebenden Kreditobergrenze auf dem Kontrollkonto verbucht werden247. Die entscheidende Funktion des Kontrollkontos und der hieran anknüp247 Eingehend zum Kontrollkonto und seiner näheren Ausgestaltung siehe oben unter: 2. Teil § 2 B. III. 5.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

fenden Tilgungspflicht ab einer bestimmten Höhe der angesammelten Belastungen besteht darin, relevante und dauerhafte Überschreitungen der für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierten Grenze für die strukturelle Neuverschuldung zu verhindern248. Über diese bereits in der Gesetzesbegründung ausdrücklich betonte Funktion hinaus, kommt dem Kontrollkonto allerdings auch eine Funktion zur Herstellung von Transparenz zu: An dem Stand bzw. vor allem der Entwicklung des Kontrollkontos lässt sich explizit ablesen, ob und in welcher Höhe die durch die Schuldenbremse gezogenen Neuverschuldungsgrenzen im Rahmen des Haushaltsvollzugs über- bzw. unterschritten worden sind. Damit macht das Kontrollkonto gut sichtbar, ob es über einen längeren Zeitraum hinweg zu einem Anstieg der Staatsverschuldung gekommen ist, der nicht mehr von den durch die grundgesetzliche Schuldenbremse gezogenen Grenzen gedeckt ist. Der Transparenz kommt hierbei in besonderer Weise zu gute, dass ein negativer Saldo auf dem Kontrollkonto sowohl „leicht zu erkennen“ als auch „eindeutig zu bewerten“ ist249. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Stand und Entwicklung des Kontrollkontos selbst „transparent ausgewiesen“ werden: Angaben zum Kontrollkonto finden sich zum einen in der Jahresrechnung wieder und werden ferner nachrichtlich im Rahmen der Haushaltsaufstellung des folgenden Jahres mitgeteilt 250. Was das Auftreten von Abweichungen der tatsächlich erfolgten Neuverschuldung von der nach der grundgesetzlichen Schuldenbremse eigentlich zulässigen Neuverschuldungshöhe betrifft, kommt dem Kontrollkonto somit eine bedeutsame Funktion zur Herstellung von Transparenz zu251; vor diesem Hintergrund wird es gerade auch als „Gedächtnis“ 252 bzw. als „formale[s] Gewissen der Haushaltspolitik“ 253 bezeichnet. Ansonsten darf die Reichweite der durch das Kontrollkonto geschaffenen Transparenz allerdings nicht überbewertet werden: Da das Kontrollkonto nur Abweichungen von der nach Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG zulässigen Neuverschul248 Siehe hierzu vor allem die Ausführungen in der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12 f. 249 Eckardt bezeichnet das Kontrollkonto in Anbetracht dieser Eigenschaften explizit als „sehr transparentes Instrument“: Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (383). 250 Baumann, in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2012, 347 (356). 251 Zur Transparenz durch das Kontrollkonto siehe beispielsweise auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 329; G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, S. 595; Ekardt/Buscher, AöR 137 (2012), 42 (48); Lenk, Stellungnahme zur Anhörung der Föderalismusreform II am 04. Mai 2009, S. 3. 252 Baumann, in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2012, 347 (356). 253 Feld, in: Zur Reform der föderalen Finanzverfassung in Deutschland, 98 (114); ebenso: Kemmler, DÖV 2009, 549 (553); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 121; Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 328.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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dungsgrenze abbildet, ist seine Aussagekraft in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Zum einen bleiben die auf der Grundlage der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen aufgenommenen Kredite und ihre spätere Tilgung vollkommen unberücksichtigt254. Zum anderen lässt sich dem Kontrollkonto auch nicht entnehmen, in welcher Weise die Konjunkturkomponente den Umfang der zulässigen Neuverschuldung beeinflusst hat; sollte etwa ein asymmetrischer Konjunkturverlauf dazu führen, dass die Konjunkturkomponente entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers auf mittel- bzw. langfristige Sicht keinen vollständigen Ausgleich der konjunkturellen Defizite und der konjunkturellen Überschüsse herbeiführt, so würde das Kontrollkonto dieses – im Rahmen der Schuldenbremse zulässigerweise erfolgte – Ansammeln konjunkturbedingt aufgenommener Kredite nicht erfassen255. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Kontrollkonto tatsächlich nur Transparenz bezüglich auftretender Abweichungen von der sich aus Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG ergebenden Neuverschuldungsgrenze schafft; es vermittelt aber gerade kein umfassendes Bild darüber, wie sich die Staatsverschuldung des Bundes tatsächlich entwickelt. b) Transparenz durch die Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG Besondere Beachtung verdient des Weiteren die Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG. Die genannte Publizitätspflicht ist zwar nicht explizit in den beiden zentralen Grundgesetzbestimmungen der Schuldenbremse, Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG, verankert worden; ihre Erwähnung in dem vorliegenden Kontext rechtfertigt sich jedoch daraus, dass sie einen gewichtigen Bestandteil des begleitend zur Schuldenbremse eingeführten Frühwarnsystems dar-

254 Dass die auf die Ausnahmeregelung von Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen aufgenommenen Kredite von dem Kontrollkonto nicht erfasst werden, ist grundsätzlich als unproblematisch einzuordnen, da für diese Kredite eine separate Tilgungsregelung vorgesehen ist. Siehe: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1281); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 124. Im Interesse der Transparenz wäre es allerdings vorteilhaft gewesen, auch diese Kredite und ihre ordnungsgemäße Rückführung über das Kontrollkonto zu überwachen. Anders Koemm, die die Ansicht vertritt, dass die Verbuchung der Kreditaufnahmen, die auf die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen gestützt werden, letztlich „kontraproduktiv“ für die Transparenz und die Effektivität des Kontrollkontos wäre: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 329 f. 255 Siehe hierzu Pünder, der die fehlende Einbeziehung der auf der Grundlage der Konjunkturkomponente eingegangenen Neuverschuldung als „eine Enttäuschung“ bezeichnet: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 124. Kritisch unter dem Aspekt der Transparenz sieht beispielsweise auch Koemm die fehlende Erfassung der auf die Konjunkturkomponente gestützten Kredite: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 329.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

stellt. Konkret schafft Art. 109a GG die Grundlage für ein Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen und für die Einführung eines sogenannten Stabilitätsrates256; hierauf aufbauend wird in Art. 109a S. 2 GG verlangt, dass die Beschlüsse des Stabilitätsrates und die zugrunde liegenden Beratungsunterlagen zu veröffentlichen sind. Der grundgesetzlich normierten Publizitätspflicht bezüglich der genannten Beschlüsse und Beratungsunterlagen werden verschiedene Funktionen zugeschrieben257: Die in Art. 109a Abs. 2 GG normierte Publizitätspflicht soll das legitime und allgemeine „Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Stabilität der Finanzen“ befriedigen und auf diese Weise eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit ermöglichen258. Damit zielt die vorgeschriebene Veröffentlichungspflicht der genannten Beschlüsse und Beratungsunterlagen konkret auf die Schaffung von Transparenz ab259. Von dieser verwirklichten Transparenz und Öffentlichkeit verspricht man sich wiederum einen bedeutenden Beitrag zum „Funktionieren des präventiven Verfahrens“ 260: So erhofft man sich, dass vor allem auf „Gebietskörperschaften mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen“ 261 sowie darüber hinaus auf den Stabilitätsrat öffentlicher Druck ausgeübt wird262. Eine weitere relevante Funktion der Publizitätspflicht wird auch darin gesehen, dass die politischen Entscheidungsträger einer betroffenen Gebietskörperschaft bzw. die Mitglieder des Stabilitätsrates „zu entschlossenem Handeln“ angeregt werden sollen263. Wie gerade dargelegt worden ist, soll die Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG unter anderem einen Beitrag zur Herstellung von Transparenz über die öffentlichen Finanzen leisten. Welches Ausmaß an Transparenz im Ergebnis erzielt wird, hängt allerdings von dem Umfang der hierdurch zur Verfügung gestellten

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Zu dem Frühwarnsystem des Art. 109a GG siehe oben unter: 2. Teil § 2 B. V. 1. Zu den Funktionen siehe beispielsweise: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 32; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 57; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 66. Erg.-Lfg., 2012, Art. 109a, Rn. 34. 258 So: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 32; siehe auch: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 57. 259 Siehe hierzu auch die Gesetzesbegründung zu Art. 109a GG: BT-Drs. 16/12410, S. 12. 260 Siehe hierzu die Gesetzesbegründung zu dem insoweit übereinstimmenden § 1 Abs. 4 S. 5 StabiRatG: BT-Drs. 16/12400, S. 18. 261 BT-Drs. 16/12400, S. 18. 262 Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 32. Zu der Funktion öffentlichen Druck aufzubauen siehe auch: BT-Drs. 16/12410, S. 7; BTDrs. 16/12400, S. 15; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 57. 263 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 57. 257

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Informationen ab. Die nachfolgenden Ausführungen sollen an dieser Stelle einer ersten Einschätzung dienen: Zu veröffentlichen sind nach Art. 109a S. 2 GG und dem insoweit deckungsgleichen § 1 Abs. 4 S. 5 StabiRatG die „Beschlüsse des Stabilitätsrats“ sowie „die zugrunde liegenden Beratungsunterlagen“; nicht von der Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG erfasst werden hingegen das Verfahren und der Sitzungsverlauf innerhalb des Stabilitätsrates264. Einen Eindruck davon, welche Beschlüsse und Beratungsgrundlagen der Publizitätspflicht unterliegen, lässt sich beispielsweise der nicht abschließenden Auflistung in § 7 der Geschäftsordnung des Stabilitätsrates entnehmen. Als zu veröffentlichende Beschlüsse und Beratungsgrundlagen werden an dieser Stelle explizit genannt: 1. die vorgelegten Haushaltskennziffern, die einzureichenden Berichte der jeweiligen Gebietskörperschaften sowie die Schlussfolgerungen des Stabilitätsrates nach § 3 StabiRatG, 2. die Berichte zur Prüfung einer drohenden Haushaltsnotlage und die Schlussfolgerungen des Stabilitätsrates nach § 4 StabiRatG, 3. die Sanierungsprogramme, Berichte der Gebietskörperschaften zur Einhaltung eben dieser Sanierungsprogramme sowie die Schlussfolgerungen des Stabilitätsrates nach § 5 StabiRatG, 4. die Entscheidung des Stabilitätsrates über die Einhaltung der Konsolidierungsverpflichtungen nach § 2 KonsHilfG und 5. die Beschlüsse zur Überwachung der Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits und zur Koordinierung der Haushalts- und Finanzplanungen nach § 51 HGrG sowie die Berichte der Vorsitzenden nach § 6 Abs. 3 StabiRatG. Viele der aufgezählten Beschlüsse und Beratungsgrundlagen dürften detaillierte Informationen zu der Finanzlage des Bundes bzw. des jeweiligen Landes liefern. Hervorzuheben sind etwa die vom Bund sowie von allen Bundesländern vorzulegenden Berichte, die nach § 3 StabiRatG als Grundlage der vom Stabilitätsrat durchzuführenden regelmäßigen Haushaltsüberwachung dienen: Nach § 3 Abs. 2 S. 2 StabiRatG sollen die Berichte „die Darstellung bestimmter Kennziffern zur aktuellen Haushaltslage und zur Finanzplanung, die Einhaltung der verfassungsmäßigen Kreditaufnahmegrenzen sowie eine Projektion der mittelfristigen Haushaltsentwicklung auf Basis einheitlicher Annahmen“ beinhalten. Dem interessierten Bürger bieten die genannten Berichte somit die Möglichkeit, sich umfassend über bedeutsame Aspekte der Bundes- bzw. Länderfinanzen zu informieren. Insgesamt wird man folglich festhalten können, dass die in Art. 109a S. 2 GG normierte Publizitätspflicht der Öffentlichkeit vielfältige und detaillierte Infor264 Siehe beispielsweise: Henneke, NdsVBl 2010, 313 (318). Eingehend zu dem Gegenstand der Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109a, Rn. 33; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 58 ff.; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 66. Erg.-Lfg., 2012, Art. 109a, Rn. 35 f.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

mationen, insbesondere über die Haushaltslage sowie auch über eine möglicherweise drohende Haushaltsnotlage von Bund und Ländern, zugänglich macht. Dementsprechend ist der Veröffentlichungspflicht des Art. 109a S. 2 GG ein relevanter Beitrag zur Verwirklichung von Transparenz zuzusprechen265. Wie allerdings herausgearbeitet worden ist, hängt Transparenz nicht alleine von der Menge der zur Verfügung gestellten Informationen, sondern auch von dem Grad ihrer Komplexität ab; entscheidend für die Transparenz kann somit neben der „Erhöhung einer abstrakten Informationsmenge“ auch eine „Strukturierung“ und „Aufbereitung“ sein, die diese Informationen für die Bürger erst „nutzbar und fruchtbar“ macht266. Gerade in Bezug auf das genannte zweite Element von Transparenz sind mit Blick auf die nach Art. 109a S. 2 GG zu veröffentlichenden Beschlüsse und Beratungsgrundlagen gewisse Zweifel angebracht: Die im Rahmen der Föderalismusreform II neu eingeführte Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG sieht allein eine unstrukturierte und nicht für die Öffentlichkeit sachgerecht aufgearbeitete Veröffentlichung der Beschlüsse des Stabilitätsrates und der zugrunde liegenden Beratungsunterlagen vor; für die Bürger könnten sich folglich der Umfang und die Komplexität der zugänglich gemachten Informationen sowie fehlende Erläuterungen zu den einzelnen Finanz- und Haushaltsangaben als unüberwindliche Hindernisse erweisen. Im Ergebnis ist anzunehmen, dass die fehlende Aufbereitung der veröffentlichten Informationen in einer für den interessierten Bürger verständlichen Form den Beitrag, den die Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG zur Herstellung von Transparenz zu leisten vermag, wieder abschwächt. III. Zwischenergebnis Was die „Transparenz der Schuldenbremse“ betrifft, so ist davon auszugehen, dass diese Transparenz weitgehend gewährleistet ist; lediglich hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Konjunkturbereinigungsverfahrens für den Bund wurde ein potenzieller Nachbesserungsbedarf festgestellt. Mit Blick auf die „Transparenz durch die Schuldenbremse“ wurde herausgearbeitet, dass die Schuldenbremse an zwei Stellen Regelungen vorsieht, die – in eingeschränkter Weise – zu einer Steigerung der Transparenz beitragen.

265 Zur Transparenz durch die Publizitätspflicht des Art. 109a S. 2 GG bzw. allgemein durch das Frühwarnsystem siehe auch beispielsweise: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 387 f.; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109a, Rn. 19; Kemmler, DÖV 2009, 549 (552); Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1284); Thomasius, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 189 (219). 266 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18 f.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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C. „Adäquat“ Über die bereits problematisierten Kriterien hinaus, stellen Kopits und Symansky ferner das Merkmal der Adäquanz als eine bedeutende Voraussetzung für die Wirksamkeit fiskalpolitischer Regelungen auf 267. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals 1. Allgemeine Anmerkungen zum Merkmal „adäquat“ Allgemein formulieren Kopits und Symansky mit Blick auf das von ihnen genannte Kriterium der Adäquanz, dass die betreffenden Regelungen adäquat in Bezug auf das ihnen zugrunde liegende spezifische, unmittelbare Ziel sein sollten268. Im Folgenden zeigen sie anhand einiger Beispiele auf, was sie darunter verstehen: Unter anderem führen sie aus, wo fiskalpolitische Regelungen ansetzen sollten bzw. wie sie gegebenenfalls ausgestaltet werden müssten, wenn das Ziel der jeweiligen Regelung darin bestehe, eine Tragfähigkeit der Schuldenstandsquote zu erreichen. Speziell für das Ziel einer tragfähigen Schuldenstandsquote empfehlen sie, für diese Kennziffer einen exakten Zielwert zu normieren bzw. die Erzielung eines mit dem gesetzten Zielwert in Einklang stehenden Primärüberschusses vorzuschreiben269. Betrachtet man die in anderen Bewertungsmaßstäben genannten Merkmale, so findet man verschiedentlich ähnliche oder zumindest vergleichbare Forderungen nach einer – allgemein gehaltenen – Adäquanz fiskalpolitischer Regelungen: Genannt werden kann exemplarisch die übereinstimmende und lediglich sprachlich abweichende Forderung nach einer Zielgerichtetheit 270 bzw. das bereits etwas präziser gefasste Kriterium einer eindeutigen und stabilen Verbindung zwischen der konkret normierten Zielvorgabe und dem endgültigen Ziel der fiskalpolitischen Regelung271. Häufig werden die Bewertungsmaßstäbe allerdings bereits überlagert und vorbeeinflusst durch die Zielsetzungen, die der Verfasser des jeweiligen Maßstabs als „richtig“ einstuft272; für eine Berücksichtigung des vom 267

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18. 269 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18 f. 270 So etwa: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658. 271 So etwa: Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 20. 272 Exemplarisch kann an dieser Stelle etwa der Bewertungsmaßstab von Koch herausgegriffen werden, in dem als Ziele eines guten Regelungsansatzes konkret die Vermeidung von Lastenüberwälzung und die Erhaltung fiskal- und wirtschaftspolitischer Flexibilität festgelegt werden. Siehe: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 216. Diese festgesetzten Ziele prägen im Folgenden die Aufstellung der einzelnen Bewertungskrite268

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

(Verfassungs-)Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der betreffenden fiskalpolitischen Regelung zugrunde gelegten Ziels bleibt dementsprechend wenig Spielraum. Die Bedeutung des Merkmals „adäquat“ für den Erfolg einer fiskalpolitischen Regelung lässt sich vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen folgendermaßen zusammenfassen: Die Adäquanz bzw. Zielgerichtetheit soll sicherstellen, dass eine fiskalpolitische Regelung tatsächlich geeignet ist, zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels beizutragen. Entscheidend hierfür ist, dass die Vorgaben der betreffenden fiskalpolitischen Regelung möglichst exakt und passend auf das zugrunde liegende Ziel zugeschnitten sind und mit der zentralen Zielsetzung harmonieren; umgekehrt gilt es relevante Abweichungen und Spannungen zwischen den normierten Vorgaben und dem angestrebten Ziel zu vermeiden. Den Maßstab, der bei der Beurteilung einer fiskalpolitischen Regelung unter dem Merkmal „adäquat“ zugrunde zu legen ist, stellt hierbei die Zielsetzung des – demokratisch legitimierten – (verfassungsändernden) Gesetzgebers dar. Angesichts des unsicheren Meinungsstands in der Ökonomie zum Thema Staatsverschuldung kann – zumindest von einem juristischen Standpunkt aus – die von den gewählten Volksvertretern getroffene Entscheidung bezüglich der Zielvorgaben einer von ihnen normierten Schuldenregelung nicht in Frage gestellt werden273. 2. Die konkreten Anforderungen des Merkmals „adäquat“ mit Blick auf die Schuldenbremse des Grundgesetzes Um die allgemein gehaltenen Anforderungen des Merkmals „adäquat“ in Bezug auf das Regelungskonzept der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse weiter zu konkretisieren, ist zu klären, welche Zielsetzung der (verfassungsändernde) Gesetzgeber mit der Einführung der grundgesetzlichen Schuldenbremse verbunden hat. Die entscheidende Antwort auf diese Frage lässt sich in der dazugehörigen Gesetzesbegründung finden. In der Begründung zu den Grundgesetzänderungen im Rahmen der Föderalismusreform II wird die Zielsetzung folgendermaßen formuliert: Ziel der vorgenommenen Grundgesetzänderungen im rien und schließen damit von vornherein die Berücksichtigung abweichender Zielsetzungen aus. 273 Das Merkmal der Adäquanz macht nur Sinn, wenn innerhalb dieses Merkmals die vom (Verfassungs-)Gesetzgeber gewählte Zielsetzung zugrunde gelegt wird; dass eine fiskalpolitische Regelung die Anforderungen des Merkmals „adäquat“ im Hinblick auf ein individuell festgesetztes, aber vom Gesetzgeber gerade nicht angestrebtes Ziel zu erfüllen vermag, erscheint bereits vom Ansatz her unrealistisch. Dass der von Kopits und Symansky gewählte Ansatz innerhalb ihres Bewertungsmaßstabs ausdrücklich Raum für die von dem demokratisch gewählten Gesetzgeber bestimmte Zielsetzung lässt, ist letztlich – vor allem auch aufgrund des unsicheren Meinungsstands in der Ökonomie – uneingeschränkt zu begrüßen.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Bereich der Finanzverfassung – und damit auch der Einführung der grundgesetzlichen Schuldenbremse – sei es, „im Einklang mit den Vorgaben des reformierten europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes die institutionellen Voraussetzungen für die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern zu verbessern“ 274. Konkret auf den Punkt gebracht besteht das zentrale, vom (verfassungsändernden) Gesetzgeber verfolgte Ziel der grundgesetzlichen Schuldenbremse darin, die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern sicherzustellen275. Auch aus dieser Zielsetzung lassen sich allerdings auf den ersten Blick nur schwer präzise und überprüfbare Anforderungen ableiten, sodass es zunächst einiger weiterführender Anmerkungen bedarf. a) Die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern Zu klären ist vor allem, was unter der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern zu verstehen ist bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Haushalt als tragfähig eingeordnet werden kann. Für eine erste Annäherung an den Begriff der Tragfähigkeit bietet sich ein Einstieg über den in der politischen Diskussion geläufigeren Begriff der Nachhaltigkeit an, der häufig synonym zum Tragfähigkeitsbegriff, verschiedentlich allerdings auch als allgemeinerer Oberbegriff verwendet wird276. Ursprünglich kam dem Nachhaltigkeitsbegriff eine sehr eng umgrenzte, allein auf den Bereich der Forstwirtschaft beschränkte Bedeutung zu. Erst in der Folgezeit wurde seine auf rein forstwirtschaftliche Zusammenhänge beschränkte Verwendung aufgegeben und der Nachhaltigkeitsbegriff auch auf andere Politikbe-

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Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 1. Genannt wird in der Gesetzesbegründung zwar auch die Absicht einen „Einklang“ mit den Bestimmungen des reformierten Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts herzustellen. Hierbei handelt es sich allerdings streng betrachtet weniger um eine konkrete Zielsetzung als vielmehr um eine Vorgabe, woran sich die Ausgestaltung der grundgesetzlichen Schuldenregelungen grundsätzlich orientieren soll. Auf die Frage, ob die Regelungen der Schuldenbremse mit den EU-rechtlichen Regelungen in „Einklang“ stehen, wird nachfolgende unter dem Merkmal der Konsistenz eingegangen. Siehe hierzu unten: 4. Teil § 3 D. II. 2. c). 276 Der Sachverständigenrat beispielsweise versteht unter dem Begriff der Nachhaltigkeit einen allgemeineren, mehrdimensionalen Begriff, der insbesondere ökologische, ökonomische und soziale Zielsetzungen umfasst. Den Begriff der Tragfähigkeit verwendet er demgegenüber in einem wesentlich engeren Sinne, indem er ihm lediglich eine ökonomische Dimension zuweist und ferner allein auf die öffentlichen Haushalte bezieht. Siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformieren, Jahresgutachten 2003/04, S. 270. 275

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

reiche übertragen277. Eine bedeutende Erweiterung des Nachhaltigkeitsbegriffs wurde insbesondere durch den sogenannten Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahre 1987 vorgenommen, der die Nachhaltigkeit als „Zielvorgabe gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen“ formulierte278. In dem erwähnten Bericht mit dem Titel „Our Common Future“ wurde der Begriff der nachhaltigen Entwicklung definiert als, eine „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ 279. Heute verbindet man mit dem Begriff der Nachhaltigkeit üblicherweise drei verschiedene Dimensionen: Es gilt die ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange der heutigen und der zukünftigen Generationen in einen harmonischen Ausgleich zu bringen280. Allgemein versteht man unter dem Begriff der Nachhaltigkeit eine Entwicklung, „die dauerhaft aufrecht erhalten werden kann“ 281. Ausgehend von den oben dargelegten Ausführungen zum Nachhaltigkeitsbegriff, lassen sich für die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte die folgenden Schlussfolgerungen ableiten: Entscheidend ist, ob die gegenwärtige Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik – bei einer umfassenden, insbesondere auch den demographischen Wandel mit einbeziehenden Betrachtung – dauerhaft fortgesetzt werden kann, ohne dass es zu einem dramatischen Anstieg der Staatsverschuldung und infolgedessen zu einem Verlust der staatlichen Handlungsfähigkeit kommt282. Ob die gegenwärtige Politik über einen längeren Zeitraum fort-

277 Ausführlich zu dem Begriff der Nachhaltigkeit und seiner historischen Entwicklung: Klippel/Otto, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 39 (39 ff.). Siehe auch: Kahl, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 1 (6 ff. und 16 ff.); Glaser, Nachhaltige Entwicklung und Demokratie, S. 42 ff.; Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 336 ff. 278 So: Calliess, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 25 (25). 279 World Commission on Environment and Development, Our Common Future, S. 43. Die deutsche Übersetzung wird vorliegend zitiert nach: Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 46. 280 Siehe hierzu beispielsweise: Calliess, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 25 (25); Kahl, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 1 (8 ff., vor allem 9); Möstl, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 569 (571); Glaser, Nachhaltige Entwicklung und Demokratie, S. 44 ff.; Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 18 ff., vor allem S. 19 f.; Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, S. 16 f.; Rogall, Akteure der nachhaltigen Entwicklung, S. 26 f.; Wieland, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 229 (230). Verschiedentlich wird in diesem Zusammenhang auch von einem „magischen Dreieck“ bzw. einem „Drei-Säulen-Konzept“ gesprochen. Siehe hierzu mit weiteren Nachweisen: Kahl, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 1 (9). Kritisch zu diesem dreidimensionalen Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffs siehe beispielsweise: Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit, S. 27 f.; Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 340 f. 281 Bundesministerium der Finanzen, Zweiter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Juni 2008, S. 7.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

263

gesetzt werden kann, ist hierbei anhand eines Zeitraums von ca. 30, 40 oder 50 Jahren zu beurteilen283. Auf internationaler Ebene hat sich für die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in diesem Zusammenhang eine allgemein anerkannte Definition durchgesetzt, die die gerade dargelegten Überlegungen präzisiert. Hiernach sind öffentliche Haushalte dann als tragfähig einzustufen, „wenn die aktuellen und die – auf der Basis des geltenden Rechts fortgeschriebenen – zukünftig erzielten staatlichen Einnahmen ausreichen, um sämtliche aktuellen und künftigen Ausgaben und die Summe der aus der Vergangenheit ererbten Schulden zu decken“ 284. Eine exakte Aussage dazu, bis zu welcher Grenze Staatsverschuldung gerade noch als tragfähig eingeordnet werden kann, liegt bis heute nicht vor285. Ausgeführt wird allerdings, dass für die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte zumindest eine Voraussetzung zwingend erfüllt sein muss: Die Schuldenstandsquote darf nicht kontinuierlich ansteigen. Dementsprechend wird als „Mindestanforderung“ für die Tragfähigkeit eines öffentlichen Haushalts die Stabilisierung der Schuldenstandsquote genannt286. Hingewiesen wird jedoch auch auf den folgenden Aspekt: Der Ansatz allein auf eine Stabilisierung der Schuldenstandsquote abzustellen, greift gegebenenfalls zu kurz, da das bestehende Niveau des Schuldenstands gänzlich unberücksichtigt bleibt. Unter Umständen kann über die bereits genannte Mindestanforderung hinaus unter Tragfähigkeitsgesichtspunkten zunächst eine gewisse Rückführung der Schuldenstandsquote erforderlich sein287. Im Rahmen der nachstehenden Betrachtung soll dieser Aspekt jedoch unberücksichtigt bleiben und zum besseren Verständnis davon ausgegangen werden, dass die Tragfähigkeit bzw. Nachhaltigkeit eines öffentlichen Haushalts dann gewährleistet ist, wenn die „gegenwärtige Haushaltspolitik unbegrenzt fortgesetzt werden kann, ohne dass die Schuldenstandsquote ansteigt“ 288. 282 Bundesministerium der Finanzen, Zweiter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Juni 2008, S. 7. 283 Siehe hierzu etwa: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 667. 284 Bundesministerium der Finanzen, Zweiter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Juni 2008, S. 7. Vgl. hierzu beispielsweise auch: Eckardt, in: Schuldenregeln als goldener Weg zur Haushaltskonsolidierung in der EU?, 41 (43); Dang, Zur Nachhaltigkeit der Länderhaushalte, S. 39 f. 285 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 168. Ebenso mit weiteren Nachweisen siehe beispielsweise: Eckardt, in: Schuldenregeln als goldener Weg zur Haushaltskonsolidierung in der EU?, 41 (43). 286 Siehe beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 168. 287 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 168 f. 288 So: Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 667. Siehe etwa auch: Scherf, Öffentliche Finanzen, S. 435.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Konstant bleibt die Schuldenstandsquote unter der Bedingung, dass die Wachstumsrate des absoluten Schuldenstands mit der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts übereinstimmt289. Ein absoluter Verzicht auf staatliche Neuverschuldung ist demnach unter Tragfähigkeitsgesichtspunkten nicht zwingend erforderlich, sofern die Zuwachsrate des absoluten Schuldenstands die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigt. Als hilfreich und anschaulich erweist sich in diesem Zusammenhang der Indikator des Primärsaldos: Der Primärsaldo ergibt sich aus der Differenz zwischen den um die Nettokreditaufnahme bereinigten Einnahmen und den um die Zinsausgaben bereinigten Ausgaben des Staates. Dementsprechend zeigt ein Primärüberschuss an, dass die um die aufgenommenen Kredite bereinigten Einnahmen dazu ausreichen, die staatlichen Ausgaben sowie zumindest einen Teil der Zinsausgaben zu decken; hingegen indiziert ein Primärdefizit, dass die staatlichen Einnahmen nicht einmal dazu ausreichen, um die Erfüllung der staatlichen Aufgaben vollständig zu finanzieren290. Die Schuldenstandsquote bleibt im Ergebnis genau dann über einen längeren Zeitraum hinweg stabil, wenn konstant ein positiver Primärsaldo gegeben ist, dessen exakte Höhe dem Produkt aus der Differenz zwischen Zinssatz und Wachstumsrate und dem absoluten Schuldenstand entspricht. Veranschaulichen lässt sich dieses Ergebnis anhand des folgenden Beispiels: Besteht über einen längeren Zeitraum hinweg ein konstanter Primärsaldo von 0, so bedeutet dies, dass sich die jährliche Neuverschuldung auf die Höhe der Zinszahlungen beschränkt; damit beläuft sich die jährliche Wachstumsrate des Schuldenstandes auf die Höhe des Zinssatzes. Geht man davon aus, dass die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts voraussichtlich auch in Zukunft meist hinter dem Zinssatz zurückbleiben werden, so wird deutlich, dass für eine tragfähige Entwicklung der öffentlichen Haushalte letztlich ein positiver Primärsaldo, dessen konkrete Höhe sich an Zinssatz und Wachstumsrate zu orientieren hat, zu fordern ist291. Für die Ausgestaltung einer fiskalpolitischen Regelung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern zu sichern, ist somit unter dem Merkmal „adäquat“ die folgende Anforderung zu formulieren: Entscheidend ist, dass die betreffende Schuldenregelung Vorgaben macht, die bei konsequenter Einhaltung zu einer Stabilisierung der Schuldenstandsquote führen. Konkret bietet sich etwa ein unmittelbares Anknüpfen an die Schuldenstandsquote bzw. an den Primärsaldo an. 289 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 169. 290 Zu dem Indikator des Primärsaldos siehe: Möstl, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 569 (576); siehe hierzu auch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 20. 291 Hierzu ausführlich: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 169. Im Ergebnis ähnlich: Scherf, Öffentliche Finanzen, S. 435 ff.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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b) Möglicher Konflikt mit der Kurzfristorientierung in der Politik Einer besonderen Gefahr sieht sich das Ziel einer langfristigen Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit öffentlicher Haushalte durch die bekannte „Kurzfristorientierung“ 292 politischer Entscheidungsträger in einer Demokratie ausgesetzt. Hinzuweisen ist an dieser Stelle erneut auf die bereits erwähnten polit-ökonomischen Zusammenhänge293. Politikern bzw. Parteien kann in Anbetracht relativ kurzer Wahlzyklen eine „hohe Gegenwartspräferenz“ nachgesagt werden294. Ihr durchschnittlicher Zeithorizont wird auf die kurze Zeitspanne von etwa zwei bis drei Legislaturperioden geschätzt295. Folglich ist anzunehmen, dass im politischen Entscheidungsprozess langfristige Folgen tendenziell weniger Beachtung finden als kurzfristige Konsequenzen; beispielsweise ist zu erwarten, dass politische Entscheidungsträger bei der Beantwortung der Frage, wie bestimmte staatliche Ausgaben zu finanzieren sind, die langfristigen negativen Folgen von Staatsverschuldung insgesamt weniger stark gewichten als die kurzfristigen Vorteile, die sie sich von dem Instrument der Staatsverschuldung versprechen296. Das in einer Demokratie übliche „Denken in Wahlperioden“ dürfte somit nicht unwesentlich dazu beitragen, „eine langfristig tragfähige Haushaltswirtschaft“ zu erschweren297. Damit fiskalpolitische Regelungen überhaupt geeignet sind, das gesetzte Ziel von langfristig tragfähigen öffentlichen Haushalten zu erreichen, haben sie demnach in besonderem Maße diesen politökonomisch erklärbaren Anreizstrukturen zugunsten einer Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben Rechnung zu tragen und den aufgezeigten Fehlanreizen entgegenzuwirken. c) Zwischenergebnis Eine Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse unter dem Merkmal der Adäquanz hat im Ergebnis zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen ist zu untersuchen, inwieweit die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse mit dem Ziel einer Stabilisierung der Schuldenstandsquote harmonieren. Zum anderen ist entscheidend, inwieweit die Bestimmungen der Schuldenbremse den politischen Entscheidungsträgern Spielraum lassen, den bekannten polit-ökonomischen Fehlanreizen nachzugeben.

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v. Arnim, BayVBl 1981, 514 (519). Hierzu siehe oben: Einleitung § 2 A. Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 206 f. v. Weizsäcker, Kyklos 45 (1992), 51 (62). Siehe hierzu auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 112 f. So: Möstl, in: Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, 569 (578).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „adäquat“ Dass die Schuldenregelungen des Grundgesetzes tatsächlich geeignet und „adäquat“ sind, das ihnen zugrunde liegende Ziel zu erreichen, wird bereits von verschiedenen Seiten in Zweifel gezogen. So ist beispielsweise zu lesen, dass die Schuldenregelungen des Grundgesetzes in Anbetracht ihrer vielfältigen „Einzelprobleme“ letztlich das ihnen zugrunde liegende „übergeordnete Endziel verfehlen“ könnten298. Andererseits wird jedoch auch vertreten, dass die „neuen Haushaltsregeln [tatsächlich . . .] die fundamental große Chance [bieten], tragfähige, nachhaltige Staatsfinanzen als zentrales Ziel zu verwirklichen“ 299. 1. Sicherstellung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern: Stabilisierung der Schuldenstandsquote? Zur Beantwortung der Frage, ob die grundgesetzliche Schuldenbremse als adäquates Regelungskonzept zur Verwirklichung des Ziels einer langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern einzuordnen ist, bedarf es einer näheren Betrachtung, inwieweit die Vorgaben und Grenzen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG zu einer Stabilisierung der Schuldenstandsquote beitragen. Als besonders geeignet mit Blick auf die genannte Zielvorgabe der langfristigen Tragfähigkeit erscheint vor allem der Regelungsansatz, für die zu stabilisierende Schuldenstandsquote einen festen, nicht zu überschreitenden Grenzwert zu normieren300. Hierdurch ließe sich die angestrebte Stabilisierung der Schuldenstandsquote am sichersten und damit auf eine besonders adäquate Weise verwirklichen. Alleine aus der Tatsache, dass das Regelungskonzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse diesem Ansatz nicht folgt, kann man jedoch noch nicht zwingend auf eine mangelnde Adäquanz dieser Schuldenregelungen schließen. Um zu ermitteln, inwieweit die Schuldenbremse des Grundgesetzes eine langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern sicherstellt, sind somit nachfolgend die einzelnen Komponenten der Schuldenbremse daraufhin zu untersuchen, ob sie ein weiteres Anwachsen, eine Stabilisierung oder möglicherweise sogar einen Rückgang der Schuldenstandsquote erwarten lassen. Hierbei ist zunächst abzuschätzen, wie sich die grundgesetzliche Schuldenbremse – unter 298

Seiler, JZ 2009, 721 (728). Katz, VBlBW 2012, 41 (56). 300 Zu dieser Feststellung kommen beispielsweise auch Kopits und Symansky, die im Zusammenhang mit dem Merkmal der Adäquanz für das Ziel einer nachhaltigen Schuldenstandsquote ebenfalls die Normierung eines festen Grenzwertes für die Schuldenstandsquote befürworten, Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. 299

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der Voraussetzung ihrer Einhaltung – langfristig auf die Entwicklung des absoluten Schuldenstands auswirken wird; anschließend sind diese Auswirkungen vor dem Hintergrund der zu erwartenden Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts zu bewerten. a) Die langfristigen Auswirkungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf die Entwicklung des absoluten Schuldenstands des Bundes und der Länder Speziell für den Bund ergibt sich für die langfristige Entwicklung des absoluten Schuldenstands unter den Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse das folgende Bild: Den Ausgangspunkt der Schuldenbremse für den Bund bildet zunächst das Gebot des materiell ausgeglichenen Haushalts bzw. das darin enthaltene grundsätzliche Verbot jeglicher (Netto-)Neuverschuldung301. Unter der Voraussetzung, dass es entsprechend dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts auf der Ebene des Bundes tatsächlich zu keiner staatlichen (Netto-)Kreditaufnahme kommt, ist eine langfristige Wachstumsrate des nominalen Schuldenstands von 0 % zu erwarten. Ein abweichendes Ergebnis folgt möglicherweise aus der für den Bund vorgesehenen Strukturkomponente, die eine jährliche strukturelle Neuverschuldung bis zu einer Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts zulässt302. Ob die Strukturkomponente langfristig betrachtet eine Erhöhung des absoluten Schuldenstands ermöglicht, hängt vor allem davon ab, ob bezüglich der auf ihrer Grundlage aufgenommenen Kredite eine Tilgungsverpflichtung besteht. Wie im Rahmen der obigen Darstellung der grundgesetzlichen Schuldenbremse ausgeführt worden ist, findet sich mit Blick auf die Strukturkomponente weder in den entsprechenden Grundgesetzbestimmungen noch auf einfachgesetzlicher Ebene eine explizit normierte Tilgungsbestimmung. Vereinzelt wird allerdings eine Tilgungsverpflichtung aus den im Grundgesetz verankerten Vorgaben – insbesondere aus dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts sowie aus der in Art. 109 Abs. 2 GG normierten Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht – hergeleitet303. Dieser Auslegungsansatz ist jedoch aufgrund schwerwiegender Argumente zurückzuweisen304: Zunächst ist zu betonen, dass der (Ver301 Allgemein zum Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts siehe oben unter: 2. Teil § 2 B. III. 1. 302 Allgemein zur Strukturkomponente siehe oben unter: 2. Teil § 2 B. III. 2. 303 So: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 316. Im Ergebnis wohl auch: G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 105; Ruck, Bucerius Law Journal 2010, 14 (18). 304 Dass mit Blick auf die strukturelle Neuverschuldung gerade keine Tilgungsverpflichtung besteht, wird beispielsweise explizit betont von: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 160; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-

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fassungs-)Gesetzgeber – anders als bei der Konjunkturkomponente und bei der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen – in Bezug auf die Strukturkomponente erkennbar auf die Normierung einer ausdrücklichen Tilgungsbestimmung verzichtet hat. Gegen die Annahme einer Tilgungsverpflichtung spricht ferner der der Strukturkomponente zugrunde liegende Gedanke der intergenerativen Gerechtigkeit: Den Ausführungen der Gesetzesbegründung305 lässt sich entnehmen, dass die auf der Grundlage der Strukturkomponente aufgenommenen Kredite gerade der Finanzierung zukunftsbegünstigender Maßnahmen dienen sollen und dass alleine in diesen Zukunftsbegünstigungen der gerechte Ausgleich für die mit den Krediten verbundenen Zukunftslasten gesehen wird; eine Tilgung der strukturellen Neuverschuldung würde diesen Grundüberlegungen der Strukturkomponente sogar explizit zuwiderlaufen306. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der (Verfassungs-)Gesetzgeber bewusst keine Tilgungsverpflichtung bezüglich der zulässigen strukturellen Kredite vorsehen wollte und dass auch dem dargelegten teleologischen Auslegungsansatz nicht gefolgt werden kann. Aus dem Fehlen einer Tilgungsregelung für die auf der Basis der Strukturkomponente zulässige Neuverschuldung ergibt sich die nachfolgende Konsequenz: Unter der Voraussetzung, dass der strukturelle Neuverschuldungsspielraum der Strukturkomponente in der Praxis tatsächlich ausgeschöpft wird, ist mit einem jährlichen Anstieg des absoluten Schuldenstands des Bundes um bis zu 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen. Auch die Konjunkturkomponente, die in Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung sogar eine über die Strukturkomponente hinausgehende Kreditaufnahme des Bundes ermöglicht307, lässt gegebenenfalls ein Ansteigen des Schuldenstands erwarten. Hierbei ist jedoch die innerhalb der Konjunkturkomponente vorgesehene Pflicht zur symmetrischen Berücksichtigung der konjunkturellen Auswirkungen zu beachten, die darauf abzielt, dass die in konjunkturellen Abschwungphasen aufgenommenen Kredite in konjunkturellen Aufschwungphasen wieder zurückgeführt werden. Durch diese Tilgungsverpflichtung wird eine „mittel- bis langfristige Verschuldungsneutralität“ angestrebt308. Von einem theoretischen Standpunkt aus ist folglich anzunehmen, dass die Konjunkturkomponente bei einer langfristigen Betrachtung keine Erhöhung des absoluten SchulKommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 109, Rn. 14; Reimer, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 147 (160); Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 36. Auch Ryczewski betont die Gefahr einer mit der Strukturkomponente verbundenen „Stapelung“ von neuen Schulden: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 141. 305 Konkret: BT-Drs. 16/12410, S. 5 f. 306 Ähnlich auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62 Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 160. 307 Allgemein zur Konjunkturkomponente siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 3. 308 Seiler, JZ 2009, 721 (724). Siehe hierzu auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 11.

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denstands hervorruft. Diese Feststellung ist jedoch mit einer gewissen Einschränkung verbunden: Die der Konjunkturkomponente zugrunde liegende Vorstellung von – zumindest annähernd – symmetrischen konjunkturellen Auf- und Abschwungphasen ist als eher unrealistisch einzustufen; dementsprechend könnte auch der erwartete und erhoffte Ausgleich zwischen den konjunkturbedingten Defiziten und Überschüssen in der Praxis ausbleiben309. Abweichend von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts lässt ferner die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen eine zusätzliche staatliche Neuverschuldung des Bundes zu310. Aber auch diese Ausnahmeregelung ist an eine Tilgungsverpflichtung geknüpft: Konkret wird der Bund gem. Art. 115 Abs. 2 S. 7, 8 GG dazu verpflichtet, die auf der Grundlage dieser Ausnahmeregelung aufgenommenen Kredite entsprechend eines aufgestellten Tilgungsplans „binnen eines angemessenen Zeitraums“ zurückzuführen. Auf langfristige Sicht ermöglicht die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen somit keine Erhöhung des absoluten Schuldenstands des Bundes. Mit Blick auf die Länder sind aus den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse die folgenden Auswirkungen auf die Entwicklung ihres Schuldenstands abzuleiten: Da das Gebot des materiell ausgeglichenen Haushalts den Ländern ebenso wie dem Bund im Grundsatz jegliche (Netto-)Neuverschuldung untersagt, ist für die Länder im Ausgangspunkt ebenfalls kein Ansteigen des nominellen Schuldenstands zu erwarten. Zwar besteht nach Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG auch für die Länder die Möglichkeit, Konjunkturkomponenten bzw. Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen zu normieren und auf dieser Grundlage abweichend von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts staatliche Kredite aufzunehmen; in diesem Fall müssen allerdings die Regelungen der Länder – ebenso wie diejenigen des Bundes – bei der Konjunkturkomponente auf eine symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Auswirkungen und damit auf eine Tilgung der konjunkturbedingten Defizite durch konjunkturbedingte Überschüsse abzielen311 bzw. bei der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen eine Tilgungsverpflichtung vorsehen312. Mittel- bis langfristig wird demnach auch auf Länderebene durch die Konjunkturkomponenten 309 Siehe beispielsweise: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 41; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 175. Siehe hierzu auch Kuntze, die exemplarisch auf die konjunkturelle Entwicklung der letzten Jahre Bezug nimmt: Kuntze, SächsVBl 2010, 61 (66). 310 Allgemein zur Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 4. 311 Siehe hierzu: Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG. 312 Siehe hierzu: Art. 109 Abs. 3 S. 3 GG.

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bzw. durch die genannten Ausnahmeregelungen keine Erhöhung des nominellen Schuldenstands zu verzeichnen sein. Eine mit der Strukturkomponente für den Bund vergleichbare Regelung, die einen gewissen, nicht zu tilgenden strukturellen Neuverschuldungsspielraum vorsieht, ist für die Länder nicht vorgesehen313. Zusammenfassend ist anzunehmen, dass sich bei einer strikten Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, der absolute Schuldenstand des Bundes langfristig betrachtet jährlich um bis zu maximal 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts erhöhen wird; bei den Ländern dürfte demgegenüber auf langfristige Sicht kein Ansteigen des absoluten Schuldenstands zu verzeichnen sein. b) Die damit verbundenen langfristigen Auswirkungen auf die Schuldenstandsquote Nachdem untersucht worden ist, wie die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse die Entwicklung des absoluten Schuldenstands von Bund und Länder beeinflussen werden, ist nunmehr in einem zweiten Schritt zu klären, welche Konsequenzen sich hieraus für die Entwicklung der Schuldenstandsquoten von Bund und Ländern ergeben können. Die Schuldenstandsquote gibt an, in welchem Verhältnis der absolute Schuldenstand zum Bruttoinlandsprodukt steht. Wie sich die aufgezeigte, voraussichtliche Entwicklung des nominellen Schuldenstands auf die Schuldenstandsquoten von Bund und Ländern auswirken werden, d. h. ob es langfristig gesehen zu einer Stabilisierung, Absenkung oder Erhöhung der betreffenden Schuldenstandsquoten kommen wird, ist somit im Ergebnis vor allem von den Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts abhängig. Aus der Tatsache, dass das Regelungskonzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse den herausgearbeiteten Zusammenhang mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts insgesamt unberücksichtigt lässt, kann bereits an dieser Stelle die Feststellung getroffen werden, dass es sich bei der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse nicht um ein fein auf das ihr zugrunde liegende Ziel abgestimmtes Instrumentarium handelt. Zur Veranschaulichung können die nachfolgenden, exemplarisch auf den Bund bezogenen Ausführungen dienen: Die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse ermöglichen über einen längeren Zeitraum betrachtet, dass der absolute Schuldenstand des Bundes jährlich um bis zu 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts ansteigen kann. Eine Stabilisierung der Schuldenstandsquote wird unter dieser Voraussetzung nur dann erreicht, wenn das Bruttoinlandsprodukt langfristig ebenfalls zumindest moderat wächst. Kommt es demgegenüber auf längere Sicht zu negativen Wachstumsraten des Bruttoinlands-

313 Im Ergebnis ebenso die Einschätzung von Dang zur Entwicklung der Staatsverschuldung auf Länderebene: Dang, Zur Nachhaltigkeit der Länderhaushalte, S. 157 f.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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produkts, so ist mit einem Ansteigen der Schuldenstandsquote des Bundes zu rechnen; bei höheren Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts ist umgekehrt ein Rückgang der Schuldenstandsquote zu erwarten314. Sicherheitsmechanismen gerade für den Fall, dass negative Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts und infolgedessen ein beständiges Ansteigen der Schuldenstandsquote drohen, sind in dem Regelungssystem der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht vorgesehen315. Es bestehen demnach nicht zu übersehende Mängel bezüglich der Adäquanz der grundgesetzlichen Schuldenbremse im Hinblick auf das ihr zugrunde liegende Ziel langfristig tragfähiger Haushalte von Bund und Ländern. Diese von einem theoretischen Standpunkt aus aufgezeigte Unzulänglichkeit verliert an Bedeutung, wenn man zugleich die zu erwartenden Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts mit in die Betrachtung aufnimmt: Berücksichtigt man das durchschnittliche jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, so wird man insgesamt zu dem Ergebnis kommen können, dass sich bei Einhaltung der Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse voraussichtlich eine Stabilisierung, langfristig sogar ein – unter Umständen erheblicher – Rückgang der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote abzeichnen wird: Auf der Grundlage, dass die Schuldenbremse für den Bund nur eine (Netto-)Neuverschuldung von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts und für die Länder keine (Netto-)Neuverschuldung ermöglicht, ist etwa berechnet worden, dass sich bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts von 3 % die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote auf Dauer 11,7 % annähern wird316. Unter der Voraussetzung, dass das durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts tatsächlich dauerhaft ein derart hohes Niveau aufweisen sollte, setzt die grundgesetzliche Schuldenbremse folglich sogar engere Grenzen, als für die Verwirklichung des Ziels tragfähiger Haushalte erforderlich gewesen wäre. c) Zwischenergebnis Zusammenfassend wird man davon ausgehen können, dass die grundgesetzliche Schuldenbremse – ein gewisses Wachstum des Bruttoinlandsprodukts voraus314 Zu dem dargelegten Zusammenhang mit dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, allerdings beschränkt auf eine isolierte Betrachtung der Strukturkomponente: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 182. 315 Insgesamt wird man dieses Szenario nicht als generell unrealistisch abtun können. Insbesondere könnte der demographische Wandel mit einem konstant sinkenden Wirtschaftswachstum einhergehen. So beispielsweise: Buscher, Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise, S. 349. 316 Truger/Will, Gestaltungsanfällig und prozyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 5. Eingehende Berechnungen finden sich ferner beim Sachverständigenrat: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen, Jahresgutachten 2009/10, S. 183 ff.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

gesetzt – zu einer Stabilisierung der Schuldenstandsquoten von Bund und Ländern führen wird; gegebenenfalls wird die Schuldenbremse sogar einen deutlichen Rückgang der Schuldenstandsquoten auslösen und damit über das ihr gesetzte Ziel hinausgehen. Festzustellen ist allerdings zugleich, dass die Regelungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht exakt und präzise auf das mit ihnen verfolgte Ziel abgestimmt worden sind. Mit Blick auf das Kriterium der Adäquanz sind demnach bedeutsame Mängel anzumahnen. Ergänzend ist ein weiterer Aspekt zu betonen: De facto wird die Stabilisierung bzw. Rückführung der Schuldenstandsquoten von Bund und Ländern und damit die zukünftige Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch eine relevante Tragfähigkeitslücke der öffentlichen Haushalte in Deutschland gefährdet317. Allgemein ergibt sich eine Tragfähigkeitslücke aus einer zusammenfassenden Betrachtung der bestehenden expliziten und impliziten Staatsverschuldung und beziffert den „finanzpolitischen und sozialpolitischen Handlungsbedarf [. . .], der zur Sicherstellung tragfähiger Haushalte unabweisbar ist“ 318. Berechnungen des Sachverständigenrates aus dem Jahre 2011 haben auf der Grundlage eines Basisszenarios319 ergeben, dass sich die Tragfähigkeitslücke der öffentlichen Haushalte auf ungefähr 3,1 % des Bruttoinlandsprodukts beläuft. Hieraus lässt sich die Schlussfolgerung ableiten, dass ohne entsprechende Konsolidierungsbemühungen die Schuldenstandsquote bis 2060 auf rund 270 % des Bruttoinlandsprodukts ansteigen könnte bzw. dass für eine langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte die Primärsalden „sofort und dauerhaft um 3,1 Prozentpunkte höher ausfallen“ müssten320. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu relevanten Konsolidierungsbemühungen verpflichtet, damit ihre dauerhafte Einhaltung und zugleich die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte gesichert ist.

317 Eingehend zur Tragfähigkeitslücke der öffentlichen Haushalte in Deutschland: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 157 ff.; Bundesministerium der Finanzen, Dritter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Oktober 2011, S. 17 ff. Eine eingehende Untersuchung speziell der Nachhaltigkeit der Länderhaushalte findet sich bei Dang: Dang, Zur Nachhaltigkeit der Länderhaushalte, S. 119 ff. 318 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 24. 319 Ausführlich zu dem Basisszenario, das dem Sachverständigenrat als Projektionsmodell im Rahmen seiner Berechnungen gedient hat, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 176 ff. 320 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 10, siehe ferner auch: S. 157 ff.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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2. Entschärfung der Kurzfristorientierung der politischen Entscheidungsträger Entscheidend für die adäquate Ausgestaltung von auf die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern ausgerichteten Schuldenregelungen ist darüber hinaus, dass sie der Kurzfristorientierung der demokratisch gewählten Entscheidungsträger entsprechend entgegenwirken. Die in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG verankerte Schuldenbremse muss somit geeignete Vorkehrungen treffen, die es den politischen Entscheidungsträgern erschweren, ihrem polit-ökonomisch erklärbaren Hang zur Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben uneingeschränkt nachzugeben; sicherzustellen ist, dass neben kurzfristigen, auf den nächsten Wahltermin konzentrierten Zielvorstellungen auch langfristige, über die nachfolgenden Legislaturperioden hinausgehende Überlegungen mit in den politischen Abwägungs- und Entscheidungsprozess einfließen. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere die nachstehenden Maßnahmen zu ergreifen: Zum einen ist es wichtig, die bestehenden Verschuldungsspielräume durch präzise Regelungen so eng und exakt zu definieren, dass der Haushaltsgesetzgeber von ihnen nicht nach freiem Belieben und uneingeschränkt zur Erfüllung seiner kurzfristigen politischen Ziele Gebrauch machen kann. Diese Voraussetzung wurde bereits oben im Rahmen des Merkmals „gut definiert“ eingehend geprüft321. Zum anderen sollten im Rahmen von Schuldenregelungen jegliche polit-ökonomische Fehlanreize vermieden werden, die den Haushaltsgesetzgeber in besonderem Maße dazu anregen könnten, seiner Verschuldungsneigung nachzugeben; bestenfalls sollten sie sogar konkrete Gegenanreize zugunsten einer langfristig tragfähigen und nachhaltigen Haushaltspolitik setzen. Zu diesen Gegenanreizen, die die politökonomischen Fehlanreize möglicherweise neutralisieren könnten, sind beispielsweise Sanktionen zu zählen, auf die unter dem Merkmal der Durchsetzbarkeit näher einzugehen sein wird322. Zu untersuchen bleibt vorliegend, inwieweit die Grundgesetzbestimmungen der Schuldenbremse für Bund und Länder – unter Außerachtlassung von eventuell vorhandenen Sanktionsmechanismen – polit-ökonomischen Fehlanreizen entgegenwirken oder Anreize für eine langfristig tragfähige Verschuldungspolitik beinhalten. Diese Untersuchung wird hierbei exemplarisch anhand der bereits für den Bund näher ausgestalteten Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse vorgenommen.

321 322

Hierzu siehe oben: 4. Teil § 3 A. II. 3. Hierzu siehe unten: 4. Teil § 3 G. II. 3.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

a) Die Strukturkomponente Als „[b]esonders ungünstig im Hinblick auf polit-ökonomische Fehlanreize“ 323 ist in diesem Zusammenhang die in Art. 109 Abs. 3 S. 4, Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierte Strukturkomponente für den Bund einzustufen. Indem die Strukturkomponente des Bundes eine strukturelle Neuverschuldung in Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts ohne weitere Einschränkungen und Voraussetzungen für zulässig erklärt, wird ein relevanter Anreiz geschaffen, diesen eröffneten Neuverschuldungsspielraum auch umfassend zu nutzen324. Tatsächlich ist vor dem Hintergrund der praktischen Erfahrungen mit den bisherigen Schuldenregelungen davon auszugehen, dass der geschaffene strukturelle Neuverschuldungsspielraum auf Dauer weitgehend durchgängig und vollständig ausgeschöpft werden wird325. In seiner Gesetzesbegründung weist der verfassungsändernde Gesetzgeber zwar ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem mit der Strukturkomponente vorgesehenen strukturellen Neuverschuldungsspielraum von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts gerade nicht um einen „Automatismus“ handeln soll, der „stets in der laufenden Haushaltsplanung auszunutzen“ ist326. Doch obwohl er sich erkennbar mit dem Risiko eines derartigen Automatismus auseinandergesetzt hat, wurden im Ergebnis keine Mechanismen, Schranken oder sonstigen Vorkehrungen gegen eine konstante und vollständige Ausschöpfung des strukturellen Neuverschuldungsspielraums normiert327. Auf das Setzen eines konkreten Gegenanreizes wurde somit sehenden Auges verzichtet. Zudem stellt sich im Rahmen einer genaueren Untersuchung heraus, dass die Aussage des verfassungsändernden Gesetzgebers, es handele sich bei dem strukturellen Verschuldungsspielraum um keinen Automatismus, letztlich sogar unzutreffend ist328. Bezieht man den Wirkungsmechanismus des für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vorgesehenen Kontrollkontos mit in die Betrachtung ein, so ergibt sich das folgende Bild: Wird in einem Haushaltsjahr der nach der Strukturkomponente zulässige Rahmen für eine strukturelle Neuverschuldung un323

Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 190. Ebenso: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 144; im Ergebnis wohl auch: Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 41. 325 Zu diese Annahme kommen beispielsweise auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 191; Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (113); G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, S. 590; Wendt, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 115, Rn. 37. 326 BT-Drs. 16/12410, S. 6. 327 Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 191; Meyer, Stellungnahme zur gemeinsamen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009, S. 6. 328 Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 191 f.; vgl. auch: Tappe, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 432 (445 f.). 324

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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terschritten, so wird dies als ein entsprechendes „Plus“ auf dem Kontrollkonto verbucht. Mit diesem „Plus“ können anschließend bereits bestehende oder erst zukünftige anfallende Belastungen des Kontrollkontos wieder ausgeglichen werden. Letztlich wird auf diese Weise eine „gleichmäßige Verteilung der zulässigen strukturellen Verschuldung über die Haushaltsjahre“ erreicht und damit eine quasi-automatische und vollständige Ausschöpfung der Strukturkomponente realisiert329. Die Strukturkomponente ist demnach unter Berücksichtigung der polit-ökonomischen Fehlanreize und der Kurzfristorientierung der politischen Entscheidungsträger als höchst problematisch einzustufen. b) Die Konjunkturkomponente Weniger bedenklich ist demgegenüber die Konjunkturkomponente, die sich für den Bund aus Art. 109 Abs. 3 S. 2, 115 Abs. 2 S. 3 GG ergibt und durch das Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG sowie durch die Artikel 115-Verordnung weiter konkretisiert wird. Grundsätzlich bietet die Konjunkturkomponente für die politischen Entscheidungsträger wenig Spielraum, ihrer Verschuldungsneigung beliebig nachzugeben. Deutlich wird dies insbesondere, wenn über die im Grundgesetz verankerten Vorgaben hinaus die auf einfachgesetzlicher Ebene bzw. in der genannten Rechtsverordnung normierten Regelungen zur näheren Ausgestaltung der Konjunkturkomponente mit in die Betrachtung einbezogen werden. Ob und in welchem Umfang die Konjunkturkomponente zu einer Erweiterung oder zu einer Verringerung des zulässigen Neuverschuldungsspielraums führt, ergibt sich hiernach aus einer fest vorgegebenen Rechenoperation auf der Grundlage einer klar definierten Formel (Produkt aus Produktionslücke und Budgetsensitivität330). Durch die Konjunkturkomponente wird somit der polit-ökonomischen Kurzfristorientierung und Verschuldungsneigung der politischen Entscheidungsträger eine klare Grenze gezogen331. Bei einer genaueren Betrachtung wird allerdings auch mit Blick auf die Konjunkturkomponente das Restrisiko erkennbar, dass sich die bestehenden politökonomischen Fehlanreize auf den Umfang des eröffneten Neuverschuldungsspielraums auswirken können. Hinzuweisen ist in diesem Kontext auf die sogenannte „Verschätzungstaktik“ 332. Zwar lässt sich die Höhe der zulässigen konjunkturellen Neuverschuldung anhand einer konkreten Formel berechnen. 329

Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 191 f. Siehe: § 5 Abs. 3 G 115. 331 Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 190. 332 Zur der Problematik der „Verschätzungstaktik“ eingehend: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (315 ff.). 330

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Letztlich ist man bei der Ermittlung der Höhe der Konjunkturkomponente aber in besonderer Weise auf Schätzungen und Prognosen angewiesen. Vielfach steht Regierung und Haushaltsgesetzgeber bezüglich der notwendigen Schätzungen und Prognosen sogar eine Einschätzungsprärogative zu. In Anbetracht dieser Feststellungen könnte für die politischen Entscheidungsträger ein Anreiz vorhanden sein, durch zielgerichtetes „Verschätzen“ den auf der Grundlage der Konjunkturkomponente bestehenden Neuverschuldungsspielraum nach ihren eigenen Wünschen auszuweiten333. Das Risiko einer derartigen „Verschätzungstaktik“ wird jedoch unter anderem durch das für den Bund vorgesehene Kontrollkonto wesentlich entschärft: Durch die Verbuchungen auf dem Kontrollkonto wird sichergestellt, dass durch fehlerhafte Prognosen und Schätzungen aufgetretene Abweichungen von der zulässigen konjunkturellen Neuverschuldung später wieder auszugleichen sind. Damit wird ein bedeutender präventiver Gegenanreiz gegen eine aus polit-ökonomischer Sicht wünschenswerte „Verschätzungstaktik“ gesetzt334. Trotz im Einzelnen gegebenenfalls bestehender Manipulationsmöglichkeiten ist die Konjunkturkomponente somit als weitgehend unkritisch einzustufen. c) Die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen Einzugehen ist ferner auf die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, die für den Bund in Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG und Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG normiert ist. Wie bereits festgestellt worden ist, weist diese Ausnahmeregelung an vielen Stellen eine gravierende Unbestimmtheit auf. Gerade diese Schwäche könnten die politisch Verantwortlichen dazu ausnutzen, auf der Grundlage der genannten Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen ihrer auf kurzfristige politische Ziele ausgerichteten Verschuldungsneigung nachzugeben335. Einen wirksamen Gegenanreiz gegen eine übermäßige Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen wird man auch in der im Grundgesetz verankerten Verpflichtung, die auf dieser Grundlage aufgenommenen Kredite entsprechend einem aufzustellenden Tilgungsplan wieder zurückzuführen, nicht sehen können. Zu berücksichtigen ist vor allem, dass die genannte Verpflichtung zur Rückführung der aufgenommenen Ausnahmekredite mit keinen genauen zeitlichen Vorgaben verbunden ist; in Art. 115 Abs. 2 S. 8 GG wird lediglich verlangt, dass der Bund die Rückführung 333

Hierzu: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (315). C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (316). 335 Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 190; Wieland, in: Nachhaltige Finanzstrukturen im Bundesstaat, 229 (242). 334

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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der betreffenden Kredite innerhalb eines „angemessenen Zeitraums“ vorzunehmen hat. Die Entscheidung über die Angemessenheit dieses Zeitraums wird hierbei dem Haushaltsgesetzgeber überlassen, der sich bei seiner Entscheidungsfindung insbesondere an der „Größenordnung der erhöhten Kreditaufnahme sowie der konkreten konjunkturellen Situation“ orientieren soll336. Damit wird es im Kern dem Gesetzgeber frei gestellt, den Zeitrahmen für die Tilgung der aufgenommenen Kredite zu bestimmen. Ermöglicht wird somit die geforderte Tilgung auf einen deutlich späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls sogar auf die Zeit nach einem absehbaren politischen Machtwechsel, zu verschieben337. Die Tilgungsverpflichtung bezüglich der aufgenommenen Kredite, die an sich den polit-ökonomischen Fehlreizen effektiv entgegenwirken könnte, erweist sich demnach bei einer kritischen Betrachtung in ihrer vorliegenden Ausgestaltung als unzureichend und unwirksam338. Im Rahmen der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen wird folglich nicht hinreichend sichergestellt, dass diese Ausnahmebestimmung nicht als Grundlage für eine extensive, auf polit-ökonomischen Fehlanreizen beruhende Verschuldungspolitik instrumentalisiert werden kann. d) Das Kontrollkonto Dass sich das Kontrollkonto vor dem Hintergrund der polit-ökonomischen Fehlanreize gerade im Zusammenspiel mit der Strukturkomponente für den Bund als problematisch erweist, ist bereits aufgezeigt worden. Ergänzend ist zu erwähnen, dass das Kontrollkonto unter dem Gesichtspunkt polit-ökonomischer Anreizstrukturen eine relevante Asymmetrie aufweist: Beliebigen Überschreitungen der durch die grundgesetzliche Schuldenbremse vorgegebenen Kreditobergrenzen und übermäßigen negativen Salden auf dem Kontrollkonto wird durch die an das Kontrollkonto anknüpfende Tilgungsverpflichtung ab einem negativen Saldo von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts entgegengewirkt; diesbezüglich ist somit ein konkreter Gegenanreiz vorgesehen worden339. Umgekehrt wird jedoch kein Anreiz gesetzt, der es für die politisch Verantwortlichen attraktiv machen könnte, auf dem Kontrollkonto positive Salden zu erzielen; vielmehr müssen die politischen Machtinhaber bei Bestehen ei-

336

BT-Drs. 16/12410, S. 13. Kritisch zu der zu weich und unbestimmt gefassten Tilgungsregelung auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 183; Seiler, JZ 2009, 721 (726); Korioth, JZ 2009, 729 (733). 338 Ähnlich auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 190. 339 Siehe: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (285). Zu der Frage, ob das Kontrollkonto als wirksame Sanktion einzustufen ist, siehe ausführlich unter dem Merkmal „durchsetzbar“: 4. Teil § 3 G. II. 3. b). 337

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

nes positiven Saldos auf dem Kontrollkonto sogar befürchten, dass nach einem Machtwechsel der politische Nachfolger von der eigenen zurückhaltenden Verschuldungspolitik profitiert340. Insgesamt werden somit die politischen Entscheidungsträger anstreben, das Kontrollkonto „eher belastet als entlastet an die nachfolgende Regierung zu übergeben“ 341. Damit kann sich auch aus den Bestimmungen des Kontrollkontos ein Fehlanreiz zugunsten einer hohen Verschuldungsneigung ergeben. e) Zwischenergebnis Abschließend ist festzustellen, dass die reformierten Schuldenregelungen, die bestehenden polit-ökonomischen Fehlanreize nicht vollständig neutralisieren. Als problematisch erweisen sich vor allem die für den Bund vorgesehene Strukturkomponente, die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, die insbesondere nicht durch eine ausreichend rigide Tilgungsregelung abgesichert ist, sowie einige Aspekte des für den Bund eingeführten Kontrollkontos. III. Zwischenergebnis Auch wenn die reformierten Schuldenregelungen des Grundgesetzes insgesamt verbesserte „institutionelle Voraussetzungen für die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern“ 342 schaffen, so ist immer noch klarer Nachbesserungsbedarf zu erkennen. Zum einen sind die Regelungen der Schuldenbremse nicht exakt auf das mit ihnen verfolgte Ziel abgestimmt. Zum anderen werden auch die polit-ökonomischen Anreize zugunsten einer auf kurzfristige Ziele ausgerichteten, übermäßigen Verschuldungspolitik nicht ausreichend beseitigt.

D. „Konsistent“ Das nächste Merkmal einer idealen fiskalpolitischen Regelung, das Kopits und Symansky innerhalb des von ihnen aufgestellten Kriterienkatalogs benennen, ist die Konsistenz343. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Kopits und Symansky legen zu diesem von ihnen formulierten Merkmal Folgendes dar: Zum einen solle das Regelungsgefüge fiskalpolitischer Bestimmun340 341 342 343

Siehe: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (285). Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 192. Vgl.: BT-Drs. 16/12410, S. 1. Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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gen in sich konsistent, d. h. in sich selbst widerspruchsfrei und schlüssig sein. Zum anderen sei es auch von Bedeutung, dass die betreffenden fiskalpolitischen Regelungen mit anderen makroökonomischen Politiken bzw. Regelungen kompatibel seien. In diesen Zusammenhang führen Kopits und Symansky einige Beispiele an, was sie im Falle bestimmter fiskalpolitischer Regelungen unter dem genannten Kriterium für sinnvoll und erforderlich halten. Besonders hervorgehoben werden hierbei die Referenzwerte der Europäischen Währungsunion, die für das öffentliche Defizit in Höhe von 3 % des Bruttoinlandsprodukts bzw. für den öffentlichen Schuldenstand in Höhe von 60 % des Bruttoinlandsprodukts festgesetzt worden sind. Diese Vorgaben werden explizit als konsistent bewertet, da ein öffentliches Defizit von 3 % des Bruttoinlandsprodukts bei Zugrundelegung vernünftiger makroökonomischer Prämissen langfristig betrachtet auf einen Gesamtschuldenstand von 60 % des Bruttoinlandsprodukts hinauslaufe344. Obwohl dem Merkmal der Konsistenz, d. h. der inneren Widerspruchsfreiheit und äußeren Kompatibilität, eine bedeutsame Funktion für die optimale Wirksamkeit fiskalpolitischer Bestimmungen zukommt, wird es in anderen Bewertungsmaßstäben überwiegend vernachlässigt und nicht in seiner vollen Tragweite beachtet. Konkret lässt sich die Bedeutung und Funktion des Kriteriums „konsistent“ folgendermaßen zusammenfassen: Weisen fiskalpolitische Regelungen innere Widersprüche auf bzw. stehen sie in einem Konflikt zu sonstigen makroökonomischen Politiken oder Vorgaben, so ergeben sich schwerwiegende Hindernisse, die eine konsequente und vollständige Umsetzung dieser Regelungen beeinträchtigen. Nur unter der Voraussetzung möglichst umfassender Konsistenz ist gesichert, dass sich die verschiedenen Anordnungen innerhalb einer fiskalpolitischen Regelung gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen oder zumindest nicht behindern bzw. dass im Zusammenwirken mit anderen fiskalpolitisch relevanten Bestimmungen keine einer effektiven Anwendung entgegenstehenden Konflikte auftreten. Was unter dem Merkmal der Konsistenz insgesamt zu verlangen ist, lässt sich auf der Grundlage der Ausführungen von Kopits und Symansky345 wie folgt formulieren: Die fiskalpolitischen Regelungen müssen einerseits in sich schlüssig und ohne innere Widersprüche sein; andererseits müssen sie auch mit anderen makroökonomischen Politiken und Vorgaben harmonieren.

344

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Siehe hierzu: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. 345

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „konsistent“ Nachfolgend ist herauszuarbeiten, ob bzw. inwieweit die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für den Bund und die Länder den genannten Voraussetzungen des Merkmals „konsistent“ gerecht wird. 1. Innere Widerspruchsfreiheit der grundgesetzlichen Schuldenbremse Ein wichtiger Aspekt ist hierbei, dass die verschiedenen Komponenten und Bestimmungen der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse in sich selbst schlüssig, kohärent und widerspruchsfrei sind. a) Widersprüche zwischen den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund und für die Länder? Eine relevante Unvereinbarkeit zwischen den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund und denjenigen für die Länder ist nicht erkennbar. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Anforderungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse an Bund und Länder weitgehend parallel ausgestaltet346 und damit widerspruchsfrei sind. Dies folgt bereits daraus, dass die grundgesetzlichen Schuldenregelungen sowohl für den Bund als auch für die Länder in Art. 109 Abs. 3 GG eine gemeinsame und größtenteils übereinstimmende Grundlage finden347. Allerdings weisen die für den Bund und die für die Länder geltenden Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse einen zentralen und bedeutsamen Unterschied auf: Während dem Bund durch Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG ein – wenn auch begrenzter – struktureller Neuverschuldungsspielraum eingeräumt wird, wird den Ländern durch Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG ausdrücklich jegliche strukturelle Neuverschuldung untersagt348. Aber auch aus dieser Abweichung wird man nicht auf einen bedenklichen Widerspruch bzw. eine fehlende innere Konsistenz der Schuldenbremse schließen können: Zwar kann die dargelegte Diskrepanz zwischen den Vorgaben für den Bund und denen für die Länder möglicherweise als „politisch brisant [. . .]“ 349 und nicht sachge346 Ohler etwa betont, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse und vor allem die konkreten Verschuldungstatbestände für den Bund und für die Länder in „nahezu indentischer Weise“ normiert worden seien: Ohler, DVBl 2009, 1265 (1271). 347 Siehe hierzu die obigen Ausführungen: 2. Teil § 2 B. I. 348 Zur Strukturkomponente für den Bund siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 2. Zum Verbot jeglicher struktureller Neuverschuldung für die Länder siehe oben: 2. Teil § 2 B. IV. 2. 349 Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (101).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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recht350 eingeordnet werden351. Das Ziel des Merkmals „konsistent“ besteht jedoch nicht darin, eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Konstellationen und Sachverhalte zu erzwingen; vielmehr sollen Widersprüche, die die Wirksamkeit einer fiskalpolitischen Regelung beeinträchtigen, vermieden werden. Dass sich allein aus dem Bestehen abweichender Vorgaben für verschiedene Gebietskörperschaften Probleme bzw. Hindernisse für die sachgerechte Anwendung der grundgesetzlichen Schuldenbremse ergeben werden, ist nicht ersichtlich. b) Widersprüche innerhalb des Regelungskonzepts der grundgesetzlichen Schuldenbremse? Ferner ist auf möglicherweise bestehende Widersprüche innerhalb der Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund bzw. für die Länder einzugehen. Hierbei soll die nachfolgende Untersuchung speziell mit Blick auf die im Grundgesetz normierten Bestimmungen der Schuldenbremse für den Bund vorgenommen werden. Allein darin, dass der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts, der in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 115 Abs. 2 S. 1 GG geregelt ist, durch verschiedene Ausnahmebestimmungen relativiert wird352, ist kein Widerspruch zu sehen. Vielmehr entspricht diese Ausgestaltung der gewählten Regelungstechnik nach dem RegelAusnahme-Prinzip353. Oberflächlich betrachtet sind auch keine relevanten Widersprüche zwischen den jeweils verschiedene Bereiche abdeckenden Ausnahmetatbeständen für den Bund zu erkennen. Erst eine genauere Analyse legt eine Unstimmigkeit zwischen den Komponenten der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund offen: Als problematisch erweist sich das Verhältnis zwischen der für den Bund vorgesehenen Struktur- und Konjunkturkomponente. Der Konjunkturkomponente liegt das explizit erklärte Ziel zugrunde, einer prozyklischen Politik entgegen-

350 Siehe hierzu beispielsweise Korioth, der von einer „verfassungspolitische[n] Fragwürdigkeit dieses Vorgehens“ spricht: Korioth, JZ 2009, 729 (732). 351 Wieland weist beispielsweise darauf hin, dass für die dargelegte Ungleichbehandlung „kein Grund ersichtlich sei“, und sieht insoweit die grundgesetzliche Schuldenbremse als „strukturell verfehlt“ an: Wieland, Neuordnung der Finanzverfassung nach Auslaufen des Solidarpakts II und Wirksamwerden der Schuldenbremse, Speyerer Arbeitsheft 211/2013, S. 11. Anders beispielsweise die Einschätzung von Mayer, der verschiedene „sachliche Gründe“ anführt: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (275). 352 Zu den „Relativierungen“ des grundsätzlichen Neuverschuldungsverbots durch die verschiedenen Ausnahmeregelungen siehe beispielsweise: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2562). 353 Siehe beispielsweise auch Ryczewski, der von einer Ausgestaltung nach dem „Regel-Ausnahme-System“ spricht: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 139.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

zuwirken354. Von der Strukturkomponente geht demgegenüber eine prozyklische Wirkung aus, da sie den zulässigen Umfang der strukturellen Neuverschuldung an die Höhe des Bruttoinlandsprodukts (des Vorjahres) knüpft355; damit bewirkt die Strukturkomponente tendenziell, dass gerade in konjunkturell guten Zeiten, in denen das Bruttoinlandsprodukt ansteigt, zugleich der strukturelle Neuverschuldungsspielraum des Bundes – wenn auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – ausgedehnt wird. Dementsprechend besteht zwischen der Struktur- und Konjunkturkomponente des Bundes ein erkennbarer „Wertungswiderspruch“ 356. Innerhalb der für den Bund normierten Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse ist somit im Wesentlichen die erforderliche Widerspruchfreiheit gewährleistet; ein punktueller Mangel besteht allerdings in Bezug auf das Verhältnis zwischen Struktur- und Konjunkturkomponente. 2. Kompatibilität der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit anderen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung Schwieriger zu beurteilen ist die Frage der äußeren Konsistenz bzw. Kompatibilität, d. h. der Vereinbarkeit des Regelungskonzepts der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit anderen makroökonomischen Politiken und Regeln. An dieser Stelle ist vorab eine grundsätzliche Einschränkung vorzunehmen: Eine Untersuchung der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse daraufhin, ob sie mit sämtlichen, außerhalb ihrer Regelungen stehenden makroökonomisch bedeutsamen Handlungen, Politiken und Bestimmungen vereinbar ist, kommt vorliegend nicht in Betracht. Entsprechend dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, die sich auf eine Auseinandersetzung mit rechtlichen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung konzentriert, soll allein analysiert werden, inwieweit die Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse mit anderen für Deutschland – den Bund, die Länder bzw. den Gesamtstaat – geltenden und außerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse normierten Verschuldungsgrenzen kompatibel sind. Wichtige Regelungen und Begrenzungen bezüglich der deutschen Staatsverschuldung finden sich sowohl auf der Ebene des Bundes- und Landesrechts als auch auf der Ebene des EU- und Völkerrechts.

354 Siehe die ausdrückliche Gesetzesbegründung zur Konjunkturkomponente für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG: BT-Drs. 16/12410, S. 12. 355 Siehe hierzu: Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG i.V. m. §§ 2 Abs. 1 S. 2, 4 G 115. Siehe hierzu ferner die obigen Ausführungen zur Strukturkomponente: 2. Teil § 2 B. III. 2. 356 So: Tappe, DÖV 2009, 881 (890).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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a) Kompatibilität mit Art. 109 Abs. 2 GG Einführend ist die Kompatibilität und Vereinbarkeit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für Bund und Länder mit sonstigen auf der Ebene des Bundesrechts existierenden Verschuldungsgrenzen zu untersuchen. Eine besondere Stellung nimmt hierbei die ebenfalls im Grundgesetz normierte Regelung des Art. 109 Abs. 2 GG ein357. Die erste der beiden in Art. 109 Abs. 2 GG festgelegten Verpflichtungen gibt keine eigenständige Verschuldungsgrenze vor, sondern nimmt vielmehr allein die auf der Ebene des EU-Rechts bestehenden Verpflichtungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, einschließlich der Verpflichtungen aus Art. 126 AEUV und aus dem Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, in Bezug358. Eine Überprüfung der Kompatibilität zwischen den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse und denen der genannten EUrechtlichen Schuldenregelungen, soll demnach im Zusammenhang mit den EUund völkerrechtlichen Verschuldungsgrenzen erfolgen. Von Bedeutung ist allerdings die zweite, in Art. 109 Abs. 2 GG normierte Verpflichtung, die mit der Auflage zur Berücksichtigung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine Verschuldungsgrenze beinhaltet359. Mit Blick auf diese Vorgabe des Art. 109 Abs. 2 2. HS GG lassen sich berechtigte Zweifel an einer Kompatibilität mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse äußern. Der Pflicht zur Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die bereits im bisherigen Staatsschuldenrecht des Grundgesetzes enthalten war, lag bei ihrer Einführung im Jahr 1967 im Wesentlichen das von Keynes

357 Zu Art. 109 Abs. 2 GG siehe bereits die obigen Ausführungen unter: 2. Teil § 2 B. VI. Anzumerken ist an dieser Stelle ferner, dass auf Bundesebene weitere Verschuldungsgrenzen in einfachgesetzlichen Bestimmungen normiert sind. Ein Überblick über die einfachgesetzlichen Verschuldungsgrenzen auf Bundesebene findet sich beispielsweise bei v. Lewinski: v. Lewinski, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 10, § 217, Rn. 18. Ergänzend ist zudem auf den jüngst reformierten § 51 Abs. 2 HGrG hinzuweisen, der nunmehr eine weitere Verschuldungsgrenze für das strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit vorsieht. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich allerdings aus Übersichtlichkeitsgründen lediglich auf eine Untersuchung der Kompatibilität mit den sonstigen auf Grundgesetzebene normierten Verschuldungsgrenzen. 358 Die exakte Reichweite der Verweisung in Art. 109 Abs. 2 1. HS GG ist letztlich umstritten. Ebenso wie hier beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 79; Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 26; G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GGKommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 36 f.; Häde, AöR 135 (2010), 541 (553). A.A. etwa: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 303 f. 359 Als eine weitere verfassungsrechtliche Verschuldungsgrenze ordnet etwa auch v. Lewinski die Vorgabe des Art. 109 Abs. 2 2. HS GG ein: v. Lewinski, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 10, § 217, Rn. 16.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

geprägte Konzept einer antizyklischen Konjunktursteuerung zugrunde360; nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts soll der unbestimmte Verfassungsbegriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aber grundsätzlich offen sein, „für die Aufnahme neuer gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als zuständiger Fachdisziplin“ 361. An dieser Stelle werden Spannungen zu den Vorgaben und Grenzen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG offensichtlich: Konkret erscheint es vorstellbar, dass die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts i. S. d. Art. 109 Abs. 2 2. HS GG unter Berücksichtigung der neusten wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse eine staatliche Schuldenpolitik verlangen, die in einem Widerspruch zu den Verschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse steht. Folglich ist die Verschuldungsgrenze des Art. 109 Abs. 2 2. HS GG unzureichend auf die Grenzen der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG abgestimmt362. Das aufgezeigte Problem einer mangelnden Kompatibilität wird allerdings durch verschiedene Aspekte entschärft: Zum einen hat die Verpflichtung auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Zuge der Föderalismusreform II insgesamt an Bedeutung und Selbstständigkeit verloren363; so ist die Pflicht zur Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach der reformierten Rechtslage nur noch „im Rahmen“ der Verpflichtung des Art. 109 Abs. 2 1. HS GG, d. h. im Rahmen der Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, zu beachten364. Zum anderen handelt es sich bei Art. 109 Abs. 2 2. HS GG nur um eine Staatszielbestimmung, die einer Abwägung mit anderen Verfassungsprinzipien unterliegt365; die zwingenden Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG können somit nicht unter Berufung auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts außer Kraft gesetzt werden366. Dessen ungeachtet ist das Verhältnis zwischen 360 Siehe hierzu beispielsweise die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 79, 311 (331). Vgl. auch: BVerfGE 119, 96 (138). 361 So: BVerfGE 79, 311 (338). 362 Im Ergebnis ebenso Korioth, der betont, dass eine „Abstimmung“ der Vorgaben „mit den in Art. 109 Abs. 3 GG folgenden eigenständigen Verschuldungsleitlinien des Grundgesetzes vollständig fehl[e]“. In diesem Zusammenhang führt er insbesondere aus, dass auf der Grundlage der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine kreditfinanzierte Konjunkturpolitik gefordert werden könnte, der Art. 109 Abs. 3 GG indes eine klare Grenze ziehe: Korioth, JZ 2009, 729 (731). 363 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, 2013, Art. 109, Rn. 32. 364 So bereits der eindeutige Wortlaut des Art. 109 Abs. 2 2. HS GG. Eingehend zu dem Verhältnis der beiden in Art. 109 Abs. 2 GG normierten Verpflichtungen siehe: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 312 ff. 365 Siehe hierzu mit weiteren Nachweisen: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 86 und 88. 366 So ausdrücklich: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 89; siehe auch: Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 14.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Art. 109 Abs. 2 GG und Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG unter dem Gesichtspunkt der Kompatibilität im Ergebnis als kritisch einzustufen. b) Kompatibilität mit landesrechtlichen Verschuldungsgrenzen Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung auf Länderebene finden sich darüber hinaus im Landes(verfassungs-)recht. Da die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse auch für die Länder Neuverschuldungsgrenzen formuliert, stellt sich an dieser Stelle ebenfalls die Frage nach der Kompatibilität. Eine Vereinbarkeit und Kompatibilität der landes(verfassungs-)rechtlichen Schuldenregelungen mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse wird im Kern durch Art. 109 Abs. 3 GG sichergestellt. Mit Ablauf der Übergangsfrist des Art. 143d Abs. 1 S. 3 GG sind die Länder an den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG gebunden; Ausnahmen können sie lediglich innerhalb des durch Art. 109 Abs. 3 GG zugelassenen Rahmens vorsehen. Sofern landes(verfassungs-)rechtliche Bestimmungen in einem Widerspruch zu den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG stehen, werden sie durch das Grundgesetz derogiert367. Eine Inkompatibilität der landesrechtlichen Verschuldungsgrenzen mit den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse ist demnach ab 2020 zwingend ausgeschlossen. c) Kompatibilität mit EU- und völkerrechtlichen Verschuldungsgrenzen Von besonderem Interesse ist unter dem Merkmal der Kompatibilität, inwieweit die Regelungen der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse mit den auf der Ebene des EU- und Völkerrechts bestehenden Verschuldungsgrenzen kompatibel, d. h. vereinbar und aufeinander abgestimmt sind. Damit alle für Deutschland geltenden Verschuldungsgrenzen ihre optimale Wirkung entfalten können, ist von Bedeutung, dass die auf EU- und völkerrechtlicher Ebene bestehenden Schuldenregelungen nicht in einem Widerspruch zu der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse stehen, sondern vielmehr hinsichtlich ihrer Ziele und Vorgaben möglichst umfassend miteinander harmonieren. Bereits an anderer Stelle wurde ein Überblick über das komplexe Gefüge der auf EU- bzw. völkerrechtlicher Ebene bestehenden Verschuldungsgrenzen gegeben; hierbei wurden verschiedene rechtliche Fragestellungen zu dem Verhältnis zwischen der grundgesetzlichen Schuldenbremse und den EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen erörtert368. Ergänzend soll an dieser Stelle einer wei367 Siehe hierzu die obigen Ausführungen zu dem Verhältnis der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu den auf Landesebene normierten Schuldenregelungen: 3. Teil § 2 A. vor allem II. 368 Siehe hierzu oben unter: 3. Teil § 3.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

teren Frage nachgegangen werden: Außerhalb des deutschen Rechts finden sich vor allem zwei zentrale, für Deutschland verbindliche Verschuldungsgrenzen, die beiden sogenannten „Maastricht-Kriterien“; zu untersuchen ist, ob die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse mit diesen beiden von Seiten der EU gesetzten Verschuldungsgrenzen weitestgehend im Einklang steht. aa) Überblick über die bedeutsamen EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen: Die „Maastricht-Kriterien“ Die entscheidende Ausgangsbestimmung der genannten EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen, auf die an dieser Stelle kurz wiederholend eingegangen werden soll, findet sich in Art. 126 AEUV: Art. 126 Abs. 1 AEUV369 gibt vor, dass Mitgliedstaaten „übermäßige öffentliche Defizite“ zu vermeiden haben. Art. 126 Abs. 2 AEUV stellt hierbei zwei Kriterien auf, anhand derer die Einhaltung der Haushaltsdisziplin durch das jeweilige Mitgliedsland zu überprüfen ist: zum einen das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt und zum anderen das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt. Für diese beiden Kriterien werden in dem Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit konkrete Referenzwerte festgelegt: 3 % des Bruttoinlandsprodukts für das öffentliche Defizit sowie 60 % des Bruttoinlandsprodukts für den öffentlichen Schuldenstand370. Allerdings gelten diese beiden, durch Referenzwerte präzisierten Verschuldungsgrenzen nicht uneingeschränkt und ausnahmslos. Vielmehr sind in Art. 126 Abs. 2 AEUV Ausnahmen geregelt, bei deren Eingreifen eine Überschreitung der Referenzwerte gerade kein Verstoß gegen die geforderte Haushaltsdisziplin bedeutet371. Art. 126 Abs. 2 a) AEUV normiert zwei Ausnahmen von dem festgelegten Referenzwert für das öffentliche Defizit: Eine Überschreitung der 3 %-Grenze ist

369 Art. 126 AEUV wurde eingeführt durch den Vertrag von Lissabon, siehe: Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, ABl. der Europäischen Union 2007/C 306/01 v. 17. Dezember 2007. Zu den konsolidierten Fassungen des EUV und AEUV siehe: Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. der Europäischen Union 2008/C 115/01 v. 9. Mai 2008. 370 Art. 1 des Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, ABl. der Europäischen Union 2010/C 83/279 v. 30. März 2010. 371 Zu den Referenzwerten und den hierzu vorgesehenen Ausnahmen ausführlich: Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV-Kommentar, 4. Auflage, 2011, Art. 126 AEUV, Rn. 25 ff.; Hattenberger, in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Auflage, 2012, Art. 126 AEUV, Rn. 18 ff.; Kempen, in: Streinz, EUV/AEUV-Kommentar, 2. Auflage, 2012, Art. 126 AEUV, Rn. 16 ff. Siehe auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 88 ff.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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zum einen dann nicht als eine Verletzung des Defizitkriteriums zu werten, wenn das öffentliche Defizit „erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwerts [von 3 % des Bruttoinlandsprodukts] erreicht hat“ 372. Zum anderen existiert eine Ausnahme für den Fall, dass der Referenzwert von 3 % des Bruttoinlandsprodukts „nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt“ 373. Die in dieser Ausnahme enthaltenen Voraussetzungen einer nur ausnahmsweisen und vorübergehenden Überschreitung werden durch die Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) 1177/2011374 weiter konkretisiert375. Nach Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung gilt der Referenzwert als ausnahmsweise und vorübergehend überschritten, „wenn dies auf ein außergewöhnliches Ereignis, dass sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedsstaats entzieht und die Lage der öffentlichen Finanzen erheblich beeinträchtigt, oder auf einen schwerwiegenden Wirtschaftsabschwung zurückzuführen ist“. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass eine vorübergehende Überschreitung vorliegt, „wenn die Haushaltsschätzungen der Kommission darauf hindeuten, dass das Defizit unter den Referenzwert sinken wird, wenn das außergewöhnliche Ereignis nicht mehr vorliegt oder der schwerwiegende Wirtschaftsabschwung beendet ist“ 376. Art. 126 Abs. 2 b) AEUV sieht eine Ausnahme für den Fall vor, dass der öffentliche Schuldenstand den Referenzwert von 60 % des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Hiernach ist eine Überschreitung des festgelegten Referenzwertes von 60 % nicht als Verletzung des Schuldenstandskriteriums einzuordnen, wenn „das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert annähert“ 377.

372

So: Art. 126 Abs. 2 a) 1. Spiegelstrich. So: Art. 126 Abs. 2 a) 2. Spiegelstrich. 374 Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl. der Europäischen Gemeinschaften 1997/L 209/6 v. 2. August 1997, geändert durch: Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl. der Europäischen Union 2005/L 174/5 v. 7. Juli 2005, geändert durch: Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl. der Europäischen Union 2011/L 306/33 v. 23. November 2011. 375 Siehe konkret Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011. 376 Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011. 377 Eine weitere Konkretisierung findet sich hierzu in Art. 2 Abs. 1a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011. 373

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

bb) Kompatibilität der Maastricht-Kriterien mit den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse Nachdem Inhalt und Ausnahmen der Maastricht-Kriterien vorgestellt worden sind, ist nunmehr auf einige problematische Aspekte ihrer Kompatibilität mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse einzugehen. (1) Unterschiedliche Berücksichtigung der Schulden von Kommunen und Sozialversicherungen Vorab ist auf eine grundlegende Differenz zwischen der grundgesetzlichen Schuldenbremse und den Maastricht-Kriterien hinzuweisen. Während die genannten EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen den Gesamtstaat betreffen und somit den gesamten öffentlichen Sektor, d. h. Bund und Länder ebenso wie Kommunen und Sozialversicherungen, umfassen378, gelten die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG ausdrücklich nur für die Haushalte von Bund und Ländern. Die öffentlichen Schulden auf Seiten der Kommunen und Sozialversicherungen werden von den grundgesetzlichen Regelungen der Schuldenbremse – wie ausführlich diskutiert worden ist – nicht erfasst379. In Anbetracht dieses gewichtigen Unterschieds hinsichtlich der inhaltlichen Reichweite der grundgesetzlichen und EU-rechtlichen Schuldenregelungen ist nicht zu übersehen, dass die genannten Verschuldungsgrenzen in einem relevanten Aspekt nicht gut aufeinander abgestimmt sind380. Da die Kommunen und Sozialversicherungen vom Anwendungsbereich der Schuldenbremse ausgenommen sind, besteht hier eine bedenkliche „offene Flanke“ 381. Selbst für den Fall, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse vollständig eingehalten werden, ist keineswegs sichergestellt, dass die Maastricht-Kriterien nicht überschritten werden. Eine umfassende Harmonisierung und ein absoluter Einklang zwischen den grundgesetzlichen und EU-rechtlichen Schuldenregelungen sind somit zu verneinen. (2) Vereinbarkeit des Defizitkriteriums mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse Im Folgenden soll nunmehr die Vereinbarkeit des Maastricht-Kriteriums für das öffentliche Defizit mit den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse 378 Dies ergibt sich konkret aus Art. 2, 1. Spiegelstrich des Protokolls (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. 379 Zu dieser Diskussion siehe oben: 2. Teil § 2 B. II. 380 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 83. Siehe auch Christ, der in diesem Zusammenhang betont, dass insoweit Art. 109 Abs. 2 GG eine eigenständige Bedeutung gegenüber den Grundgesetzbestimmungen zur Schuldenbremse zukommt: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1337 f.). 381 Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 109, Rn. 85.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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betrachtet werden. Hierzu sind die einzelnen Komponenten der grundgesetzlichen Schuldenbremse daraufhin zu untersuchen, ob sie mit dem EU-rechtlichen Defizitkriterium vereinbar sind und die Einhaltung der darin vorgegebenen 3 %Grenze gewährleisten. Der durch die Strukturkomponente zugelassene Neuverschuldungsspielraum des Bundes in Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts ist mit dem durch das EU-Recht festgesetzten Referenzwert für das öffentliche Defizit in Höhe von 3 % des Bruttoinlandsprodukts grundsätzlich kompatibel. Selbst wenn der Bund den ihm gewährten strukturellen Neuverschuldungsspielraum bis zu der 0,35 %-Grenze voll ausschöpfen sollte, ist eine Überschreitung der EU-rechtlich vorgegebenen 3 %-Grenze auf der Grundlage der Strukturkomponente ausgeschlossen382. Dies gilt insbesondere, da für die Länder keine vergleichbare Strukturkomponente und demnach kein entsprechender struktureller Kreditspielraum besteht. Zum gleichen Ergebnis kommt man auch mit Blick auf die für Bund und Länder innerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse vorgesehene Konjunkturkomponente: Da die Konjunkturkomponente in den Zeiten einer wirtschaftlichen Rezession eine erhöhte staatliche Kreditaufnahme zulässt und an dieser Stelle auch keine klare „Obergrenze für die im Abschwung zulässige Kreditaufnahme“ festsetzt383, lässt die Konjunkturkomponente theoretisch eine Überschreitung des für das öffentliche Defizit vorgegebenen Referenzwertes von 3 % des Bruttoinlandsprodukts zu384. Dennoch dürfte die Konjunkturkomponente weitgehend kompatibel mit dem EU-rechtlichen Defizitkriterium sein: Erlaubt die Konjunkturkomponente dem Bund und den Ländern eine konjunkturbedingte Kreditaufnahme in einer solchen Höhe, dass es zu einer Überschreitung der 3 %-Grenze kommt, so wird regelmäßig der EU-rechtlich normierte Ausnahmetatbestand eines „schwerwiegenden Wirtschaftsabschwungs“ 385 eingreifen und eine ausnahmsweise und vorübergehende Überschreitung des genannten Defizitkriteriums gestatten386. Als problematisch erweist sich allerdings der folgende Aspekt:

382

Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193. Christ, NVwZ 2009, 1333 (1337). 384 Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193; vgl. auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1337). 385 Der Ausnahmetatbestand des schwerwiegenden Wirtschaftsabschwungs ergibt sich im Ergebnis aus Art. 126 Abs. 2 a) 2. Spiegelstrich AEUV, der eine ausnahmsweise und vorübergehende Überschreitung des konkreten Defizitkriteriums zulässt, i.V. m. Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011. 386 So: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1337); ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193. Anders wohl Häde, der verlangt, dass gleichzeitig sichergestellt wird, dass der Referenzwert von 3 % des Bruttoinlandsprodukts auch bei einem wirtschaftlichen Abschwung eingehalten wird: Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses des Deut383

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Auch bei Eingreifen der genannten, im EU-Recht vorgesehenen Ausnahme zum Defizitkriterium muss sich das öffentliche Defizit stets „in der Nähe des Referenzwertes“ halten387; innerhalb der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse fehlt es demgegenüber selbst an einer vergleichbar weichen und dehnbaren Obergrenze für die im Rahmen der Konjunkturkomponente zulässige Neuverschuldung. Die für Bund und Länder im Grundgesetz verankerte Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen gibt ebenfalls keine allgemeine Obergrenze für die hierauf gestützte staatliche Kreditaufnahme vor. Somit ist auch auf der Grundlage dieser Ausnahmebestimmung eine Überschreitung des Referenzwertes von 3 % des Bruttoinlandsprodukts vorstellbar. Ein relevantes Problem unter dem Gesichtspunkt der Kompatibilität ergibt sich hieraus jedoch nicht: Die grundgesetzliche Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen ist in enger Anlehnung an Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 ausgestaltet worden, der konkretisiert, wann nach Art. 126 Abs. 2 a) 2. Spiegelstrich AEUV eine zulässige, ausnahmsweise und vorübergehende Überschreitung des genannten Defizitkriteriums vorliegt388. Die grundgesetzliche und die EU-rechtliche Ausnahmebestimmung fordern im Kern übereinstimmend, dass eine außergewöhnliche Notsituation bzw. ein außergewöhnliches Ereignis eingetreten ist, die bzw. das der staatlichen Kontrolle entzogen ist und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt389. Da zwischen der grundgesetzlichen und der EU-rechtlichen Ausnahmeregelung somit ein „Gleichklang [. . .] der Konzepte“ 390 besteht, kann diesbezüglich von einer weitreichenden Kompatibilität ausgegangen werden. Einschränkend ist lediglich Folgendes anzumerken: Auch an dieser Stelle wird auf Ebene des EU-Rechts weiterhin eine gewisse „Nähe“ zum festgelegten Referenzwert verlangt391, während die grundgesetzliche Schuldenbremse auf jede Grenzziehung verzichtet. schen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 2 f.; Häde, AöR 135 (2010), 541 (556). 387 So die explizite Voraussetzung der Ausnahme in Art. 126 Abs. 2 a) 2. Spiegelstrich. 388 Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193 f.; C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (288); Häde, AöR 135 (2010), 541 (559 f.); Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses des Deutschen Bundestags und des Finanzausschusses des Bundesrates am 4. Mai 2009 (Föderalismusreform II – Finanzthemen), S. 2. Häde betont in diesem Zusammenhang darüber hinaus, dass die Einhaltung der europarechtlichen Vorgaben allerdings nur gewährleistet ist, wenn die konkrete Ausnahmeregelung des Grundgesetzes auch in Übereinstimmung mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ausgelegt wird. 389 Siehe die grundgesetzliche Ausnahmeregelung des Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS und Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG und den EU-rechtlichen Ausnahmetatbestand des Art. 126 Abs. 2 a) zweiter Gedankenstrich i.V. m. Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1177/2011. 390 Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 194.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Abgesehen von punktuellen Spannungen ist insgesamt zwischen dem EUrechtlichen Defizitkriterium und den Komponenten der grundgesetzlichen Schuldenbremse ein hohes Maß an Einklang gegeben. Anders kann sich die Lage allerdings darstellen, wenn man gerade auch die von der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht erfassten Defizite von Kommunen und Sozialversicherungen mit in die Betrachtung aufnimmt. (3) Vereinbarkeit des Schuldenstandskriteriums mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse Was die Vereinbarkeit des EU-rechtlichen Schuldenstandskriteriums mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse betrifft, so wird von vornherein eine entscheidende Diskrepanz sichtbar: Während durch das genannte Schuldenstandskriterium auf der Ebene des EU-Rechts ein klarer Referenzwert für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 60 % vorgegeben wird, konzentrieren sich die Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse nur auf eine Begrenzung der Nettoneuverschuldung. Für den Schuldenstand finden sich in den einschlägigen Grundgesetzbestimmungen der Schuldenbremse hingegen keine konkreten Grenzen392. Inwieweit die grundgesetzliche Schuldenbremse in einem Konflikt zu der EUrechtlich vorgegebenen 60 %-Grenze für den öffentlichen Schuldenstand steht, soll nachfolgend im Rahmen einer näheren Betrachtung der in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG verankerten einzelnen Komponenten aufgezeigt werden: Als problematisch erweist sich die für den Bund vorgesehene Strukturkomponente des Art. 109 Abs. 3 S. 4, 115 Abs. 2 S. 2 GG: Werden auf dieser Grundlage durch den Bund regelmäßig Kredite bis zu einer Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts aufgenommen, so kann es durchaus – in Abhängigkeit vom Wachstum des Bruttoinlandsprodukts – zu einem Anstieg der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote kommen393. Infolgedessen ermöglicht die Strukturkom-

391 So die explizite Voraussetzung der Ausnahme in Art. 126 Abs. 2 a) 2. Spiegelstrich. Siehe hierzu auch: Häde, AöR 135 (2010), 541 (560). 392 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 83. Kube leitet allerdings aus Art. 109 Abs. 2 2. HS i.V. m. Art. 109 Abs. 2 1. HS und Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG die nicht näher konkretisierte Verpflichtung ab, eine „übermäßig hohe, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nachhaltig gefährdende Staatsverschuldung abzubauen“. Siehe hierzu: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 104 und 128. 393 Diese Schlussfolgerung kann man daraus ableiten, dass die Schuldenstandsquote den Schuldenstand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt angibt. Steigt der Schuldenstand durch eine Kreditaufnahme in Höhe von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts an, während das Bruttoinlandsprodukt in einem lediglich geringeren Maße wächst, konstant bleibt oder sogar zurückgeht, so kommt es zu einem Anstieg der Schuldenstandsquote.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

ponente der grundgesetzlichen Schuldenbremse gegebenenfalls auch eine Überschreitung der EU-rechtlich festgelegten Grenze für den öffentlichen Schuldenstand von 60 % des Bruttoinlandsprodukts394. Angesichts dieses Befunds ist von einer fehlenden Kompatibilität auszugehen. Ob die grundgesetzliche Konjunkturkomponente für Bund und Länder mit dem EU-rechtlichen Schuldenstandskriterium kompatibel ist, ist demgegenüber schwieriger und weniger eindeutig zu beantworten: Grundsätzlich lässt die Konjunkturkomponente in konjunkturellen Abschwungphasen eine erhöhte staatliche Kreditaufnahme durch den Bund bzw. die Länder zu, so dass ein Anstieg der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote auf der Grundlage der Konjunkturkomponente zu befürchten ist; unter Umständen ist sogar eine Überschreitung des EU-rechtlichen Referenzwertes für den öffentlichen Schuldenstand von 60 % des Bruttoinlandsprodukts infolge der Konjunkturkomponente denkbar395. Etwas entschärft werden die aufgezeigten Spannungen jedoch durch die im Rahmen der Konjunkturkomponente vorgeschriebene Pflicht zur symmetrischen Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung396, durch die es in konjunkturellen Aufschwungphasen umgekehrt wieder zu einem Rückgang der Schuldenstandsquote kommen sollte. Trotz gewisser Unstimmigkeiten ist an dieser Stelle keine kritische Inkompatibilität zu erkennen397. Ähnlich verhält es sich mit der für Bund und Länder vorgesehenen grundgesetzlichen Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen. Insgesamt ermöglicht die genannte Ausnahmeregelung des Grundgesetzes eine nicht durch eine allgemeine Obergrenze gebundene staatliche Kreditaufnahme, so dass sie – abhängig vom Wirtschaftswachstum – möglicherweise auch einen Anstieg der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote auslösen kann. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Überschreitung des EU-rechtlichen Schuldenstandskriteriums nicht ausgeschlossen. Da die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen allerdings mit einer Tilgungsund Rückführungsverpflichtung verbunden ist398, ist sie im Ergebnis nicht als schwerwiegende und dauerhafte Bedrohung der EU-rechtlichen 60 %-Grenze zu werten. 394

Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193. Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193. 396 Zu dieser Pflicht zur „symmetrischen Berücksichtigung“ siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 3. b) und IV. 3. 397 Auch Ryczwski sieht im Ergebnis wohl keinen Verstoß gegen das vorliegend zur Diskussion stehende Kriterium. Allerdings erwecken seine Ausführungen den (unzutreffenden) Eindruck als würde der Ausnahmetatbestand des „schwerwiegenden Wirtschaftsabschwungs“ letztlich auch für die EU-rechtlich normierte 60 %-Grenze für den Gesamtschuldenstand gelten. Siehe: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 193. 398 Zu dieser Rückführungsverpflichtung siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 4. und IV. 4. 395

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Zusammenfassend ist zur Vereinbarkeit des EU-rechtlichen Schuldenstandskriteriums mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse anzumerken, dass ein Mangel an Kompatibilität besteht: Die grundgesetzliche Schuldenbremse nimmt den Schuldenstand bzw. die Schuldenstandsquote nicht durch die Normierung expliziter Grenzen in den Blick; demnach ist es auch nicht überraschend, dass die verschiedenen Komponenten der Schuldenbremse zu einer Überschreitung des EU-rechtlich vorgegebenen Referenzwertes führen können. cc) Zwischenergebnis Abschließend ist zu der Kompatibilität zwischen der deutschen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG und den genannten EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen folgende Feststellung zu treffen: Werden die Bestimmungen der nationalen, im Grundgesetz normierten Schuldenbremse durchgängig beachtet, so wird man davon ausgehen können, dass die EU-rechtlichen Vorgaben der Maastricht-Kriterien im Wesentlichen gewahrt werden399. An einigen Stellen sind die grundgesetzlichen und EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen indes nicht gut aufeinander abgestimmt, sondern weisen relevante Diskrepanzen auf400: Dies betrifft zum einen die Tatsache, dass die deutsche Schuldenbremse des Grundgesetzes allein die Schulden von Bund und Ländern erfasst, während sich die EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen auf den gesamten öffentlichen Sektor beziehen. Zum anderen erscheint bedenklich, dass allein auf der Ebene des EURechts und nicht innerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse der Schuldenstand einer Begrenzung unterworfen wird. III. Zwischenergebnis Unter dem Gesichtspunkt des Merkmals „konsistent“ wurden an einigen wenigen Stellen gewisse Unzulänglichkeiten aufgezeigt, die sich möglicherweise negativ auf die Wirksamkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse auswirken könnten. Die herausgearbeiteten Mängel betreffen hierbei weniger die innere Konsistenz als vor allem die externe Kompatibilität.

399

Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 194. Siehe hierzu etwa auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 83. Anders wohl Feld, der die „Sorgfalt“ hervorhebt, „die zur Herstellung der Kompatibilität mit europarechtlichen Regeln verwendet wurde“: Feld, Schriftliche Stellungnahme für die gemeinsame Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates zu den Finanzthemen am 4. Mai 2009, S. 5. 400

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

E. „Einfach“ Als weiteres Merkmal einer vorbildlichen fiskalpolitischen Regelung wird von Kopits und Symansky das Kennzeichen der Einfachheit genannt401. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Kopits und Symansky führen aus, dass die Einfachheit einer fiskalpolitischen Bestimmung entscheidend zu ihrer Attraktivität beitrage und ihren Rückhalt bei dem Gesetzgeber ebenso wie in der Öffentlichkeit stärke. Anhand einzelner Beispiele legen sie dar, dass die politische Unterstützung und Zustimmung, die eine Fiskalregel erhalte, wesentlich dadurch beeinflusst werde, ob die betreffenden Bestimmungen eher einfach oder eher komplex und umständlich ausgestaltet seien402. Die Bedeutung des Merkmals „einfach“ für die Ausgestaltung von fiskalpolitischen Regelungen wird jedoch nicht allein von Kopits und Symansky anerkannt; entsprechende Forderungen nach „einfachen“ Schuldenregelungen finden sich auch an diversen anderen Stellen403. Was die Funktionen des Merkmals „einfach“ betrifft, so lassen sich aus den verschiedenen Ausführungen zu diesem Kennzeichen die nachfolgenden Punkte herauskristallisieren: Bei einer komplexen und gegebenenfalls auch spezielles Fachwissen voraussetzenden fiskalpolitischen Regelung bestehen vor allem zwei Gefahren: Erstens ist es möglich, dass die Adressaten einer Schuldenregelung diese aufgrund unzureichender Kenntnisse und einer mangelhaften Einsicht in die schwierigen Zusammenhänge versehentlich fehlerhaft anwenden404. Zweitens erscheint es vorstellbar, dass die Komplexität einer fiskalpolitischen Regelung gezielt für „Um-

401

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Siehe hierzu: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. 403 Siehe beispielsweise: Buchanan/Wagner, Democracy in Defict, S. 176; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f.; Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 658; BAKBASEL, Sparpaket II des Kantons St. Gallen – Dauerhafte Stabilisierung des Staatshaushaltes, Analyse der Schuldenbremse, S. 3. Kampmann beispielsweise erfasst das Kriterium der Einfachheit über die von ihr formulierte Anforderung der Praktikabilität, unter der sie unter anderem die Zweckmäßigkeit im Sinne einer „einfachen Handhabung“ versteht, Kampmann, Staatsverschuldung, S. 70. Auch speziell mit Blick auf die im Grundgesetz normierte neue Schuldenbremse ist verschiedentlich die Bedeutung einer einfachen bzw. die Gefahr einer komplexen Ausgestaltung betont worden. Siehe hierzu beispielsweise: Korioth, KritV 2008, 187 (191 f.); Truger/Will, Gestaltungsanfällig und prozyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 2; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394 f. 404 Ähnlich beispielsweise: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394. 402

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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deutungen und Umgehungen“ ausgenutzt werden kann405; damit steigt vor allem die Manipulationsgefahr. Durch die Einfachheit fiskalpolitischer Regelungen soll diesen Gefahren entgegengewirkt werden; Ziel ist es den betreffenden Fiskalregeln eine „größere Wirkung auf Regierende und Öffentlichkeit“ 406 zu sichern. Aufbauend auf den vorstehenden Anmerkungen kann zwischen zwei konkreten Funktionen des Kriteriums „einfach“ differenziert werden. Zum einen soll eine einfache Ausgestaltung von Schuldenregelungen dazu beitragen, dass die betreffenden Normen für die mit ihrer Anwendung und Umsetzung betrauten Personen tatsächlich verständlich, nachvollziehbar und einsichtig sind. Hierbei handelt es sich um eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die fiskalpolitischen Regelungen im Rahmen der Haushaltsaufstellung und des anschließenden Haushaltsvollzugs korrekt befolgt werden können407. Zum anderen soll das Merkmal „einfach“ gewährleisten, dass sich die jeweiligen Fiskalregeln auch den Bürgern und Wählern erschließen. Nur auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass die Einhaltung der Bestimmungen durch die Öffentlichkeit überprüft und ein gewisser öffentlicher Druck auf die Politik zur korrekten Anwendung der festgelegten Schuldenregelungen ausgeübt werden kann408. Die zuletzt genannte Funktion des Merkmals „einfach“ weist hierbei auf die enge Verknüpfung mit dem Merkmal „transparent“ hin. Durch die Bedeutung, die die geforderte Einfachheit fiskalpolitischer Regelungen nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern gerade auch für die Normadressaten, insbesondere für den demokratisch gewählten Haushaltsgesetzgeber, entfaltet, wird indes der eigenständige Charakter dieses Merkmals erkennbar; dementsprechend bietet sich eine separate Betrachtung außerhalb des Merkmals „transparent“ an409. Abschließend ist zu klären, was für Anforderungen sich aus den beiden dargelegten Funktionen für das Merkmal der Einfachheit ableiten lassen: Den zentralen Maßstab für die Einfachheit hat der durchschnittliche, interessierte Bürger und Wähler darzustellen; das bedeutet, dass der normale Bürger den wesentlichen Inhalt der fiskalpolitischen Regelung auch ohne besondere finanz- oder 405

Vgl. hierzu beispielsweise: Korioth, KritV 2008, 187 (191). Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 207. 407 Siehe hierzu etwa Neidhardt: Neidhardt führt aus, dass die Komplexität einer rechtlichen Regelung „über ihre praktische Wirksamkeit [entscheidet], da die Adressaten einer Norm diese nur befolgen, wenn sie sie verstehen und anwenden können“, Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394. Allgemein zur Verständlichkeit als Gebot der Rechtsordnung äußert sich beispielsweise Korinek. Korinek führt aus, dass die Anwendung von Rechtsvorschriften es erfordere, sie zu verstehen, ansonsten bestünde für die Rechtsanwendung nur eine „höchst unsichere Basis“, Korinek, in: Festschrift für Josef Isensee, 277 (278 f.). 408 Siehe hierzu etwa: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 221 f. 409 Zur Abgrenzung „einfach“ und „transparent“ siehe auch: 4. Teil § 3 B. I. 406

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

rechtswissenschaftliche Fachkenntnisse erfassen können muss. Bei den mit der Anwendung einer Schuldenregelung betrauten Angehörigen der Legislative und Exekutive wird man möglicherweise umfangreicheres Fachwissen und ein profunderes Verständnis unterstellen können. Damit beide Funktionen erfüllt sind, ist der entscheidende Maßstab innerhalb des Kriteriums der Einfachheit jedoch notwendigerweise auf der niedrigeren Ebene anzulegen. II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „einfach“ Nachfolgend ist zu erörtern, inwieweit die Regelungen der Schuldenbremse den gerade formulierten Anforderungen entsprechen. 1. Einfachheit des Gesamtregelungskonzepts der Schuldenbremse Betrachtet man das Gesamtregelungskonzept der in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG normierten Schuldenbremse, so kommt man zu folgenden Erkenntnissen: Im Kern ist die grundgesetzliche Schuldenbremse für den Bund und für die Länder nach einem Regel-Ausnahme-System410 ausgestaltet. Hierbei stellt der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts die Regel dar, von der in bestimmten Konstellationen Ausnahmen zugelassen werden. Diesen Regelungsansatz wird man als denkbar einfach einstufen können: Es ist vom Prinzip her leicht zu verstehen und setzt keinerlei besondere Fachkenntnisse voraus. Kritik an der Einfachheit des Gesamtregelungskonzepts ist allerdings bereits mit Blick auf die regelungstechnische Ausgestaltung zu üben: Zunächst dürfte sich für juristische Laien das dargelegte Regel-AusnahmeVerhältnis nicht sofort aus der Formulierung in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG bzw. Art. 115 Abs. 2 S. 1 GG ergeben. Während die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ in Art. 109 Abs. 3 S. 1, 115 Abs. 2 S. 1 GG einem Juristen von vornherein die Normierung eines Grundsatzes mit den dazu gehörigen Ausnahmen signalisiert, wird das Wort „grundsätzlich“ außerhalb des juristischen Sprachgebrauchs häufig mit „ohne Ausnahme“ gleichgesetzt411. Der betreffende Regelungsansatz erschließt sich demnach für einen juristischen Laien bedeutend schwerer. Des Weiteren hat die separate Normierung der für Bund und Länder gemeinsam geltenden Vorgaben der Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG und der Re410

Siehe etwa: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 139. Auf diese Differenzierung zwischen dem allgemeinen und dem juristischen Sprachgebrauch mit Blick auf den Begriff „grundsätzlich“ weist in einem anderen Kontext etwa auch Ryczewski hin. Siehe: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 176. 411

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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gelungen zur näheren Ausgestaltung der Schuldenbremse für den Bund in Art. 115 Abs. 2 GG dazu geführt, dass an vielen Stellen Wiederholungen auftreten412. Diese Dopplungen sind nicht allein aus Gründen der Verfassungsästhetik413, sondern auch unter dem Aspekt der Einfachheit bedenklich: Da sich das exakte Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG einem durchschnittlichen Bürger und Wähler nicht auf den ersten Blick erschließen wird, ist davon auszugehen, dass die genannten Redundanzen nur für Verwirrung sorgen und einem einfachen Verständnis im Wege stehen. 2. Einfachheit der einzelnen Komponenten der Schuldenbremse Als noch bedenklicher stellen sich die einzelnen Vorgaben und Komponenten der Schuldenbremse bei einer Überprüfung anhand des Kriteriums „einfach“ heraus. Exemplarisch soll sich die nachfolgende Betrachtung auf die für den Bund bereits näher ausgestaltete Schuldenbremse beschränken: Der Ausgangspunkt der Schuldenbremse – das grundsätzliche Gebot, den Haushalt ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen – ist noch als allgemein verständlich und dementsprechend als einfach einzustufen. Einer näheren Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der Einfachheit bedarf allerdings bereits die für den Bund normierte Strukturkomponente: Der zentrale Inhalt der Strukturkomponente, die Eröffnung eines konjunkturunabhängigen Verschuldungsspielraums von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts, dürfte zunächst als einfach zu qualifizieren sein414. Zwar wird an dieser Stelle mit dem Begriff des Bruttoinlandsprodukts ein volkswirtschaftlicher Terminus verwendet415; einen interessierten Bürger sollte die Verwendung dieser Begrifflichkeit jedoch nicht vor zu hohe Verständnisanforderungen stellen. Problematisch erscheint indes die Ausgestaltung der Strukturkomponente als verfassungsrechtliche Fiktion416: Die Maßgabe, dass dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haus412

Siehe hierzu oben unter: 2. Teil § 2 B. I. Kritik unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsästhetik äußern beispielsweise: Korioth, JZ 2009, 729 (736 f.); Selmer, NVwZ 2009, 1255 (1259); Tappe, DÖV 2009, 881 (889). Siehe hierzu auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 169 ff. 414 Auch Neidhardt kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Bestimmung der nach der Strukturkomponente zulässigen Neuverschuldung im Ergebnis „keine besonderen Schwierigkeiten bereitet“: Neidthardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394. 415 Dass es sich bei dem Bruttoinlandsprodukt um eine volkswirtschaftliche Größe handelt, die nunmehr erstmals als Tatbestandsvoraussetzung in eine Verfassungsbestimmung übernommen worden ist, wird vielfach hervorgehoben. So etwa: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg. 2010, Art. 115, Rn. 71; Seiler, JZ 2009, 721 (723, Fußnote 19). 416 Siehe hierzu die obigen Ausführungen zur Strukturkomponente für den Bund: 2. Teil § 2 B. III. 2. 413

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

halts selbst dann „entsprochen“ 417 ist, wenn sich der Bund gegebenenfalls in Milliardenhöhe neu verschuldet418, wird einem juristischen Laien, der sich mit der Rechtstechnik der Fiktion nicht auskennt, wie ein „Taschenspielertrick“ erscheinen. Ferner lässt sich für den normalen Bürger aus der gewählten Formulierung nicht ohne Weiteres entnehmen, dass es sich bei der Strukturkomponente letztlich um eine Ausnahmebestimmung zu dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts handeln soll419. Besonders kritisch fällt die Beurteilung der Konjunkturkomponente aus: Einem durchschnittlichen Bürger, der nicht über ein umfassenderes ökonomisches Fachwissen verfügt, wird sich der Regelungsinhalt der Konjunkturkomponente nur im Ansatz erschließen. Der Grund hierfür besteht darin, dass die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse ein hohes Maß an inhaltlicher „Komplexität“ aufweist und hierbei ein nicht unbedeutendes Maß an finanz- und wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen voraussetzt420. Offensichtlich wird dies bereits mit Blick auf die im Grundgesetz, konkret in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2 S. 3 GG, gewählte Formulierung „einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“. Bei dem Begriff der konjunkturellen Normallage handelt es sich um ein „höchst anspruchsvolle[s] und ökonomisch nicht einfach bestimmbare[s] Tatbestandsmerkmal“ 421. Noch deutlicher wird die fehlende Einfachheit der Konjunkturkomponente, wenn man die auf der Grundlage des Gesetzesvorbehalts in Art. 115 Abs. 2 S. 5 GG für den Bund erlassenen einfachgesetzlichen Bestimmungen hinzuzieht: In diesen Bestimmungen findet sich eine Vielzahl von Begrifflichkeiten und Formulierungen, beispielsweise „Unter- oder

417 Diese Formulierung findet sich konkret in Art. 109 Abs. 3 S. 4 GG und Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG. 418 Gegenwärtig würde die zulässige strukturelle Neuverschuldung entsprechend der Strukturkomponente etwa 8,7 Mrd. Euro betragen. Siehe: Kube, in: Maunz/Dürig, GGKommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 156. 419 Die Einordnung der Strukturkomponente als Ausnahme zu dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts ist letztlich keineswegs unstrittig. Der vorliegenden Untersuchung wird diese Einordnung der Strukturkomponente allerdings im Ergebnis zugrunde gelegt. Siehe hierzu oben: 2. Teil § 2 B. III. 2. 420 Ebenso: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394. Siehe auch: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 99. Dass die Konjunkturkomponente letztlich nur durch ein überaus komplexes Verfahren ermittelt werden kann, wird letztlich an vielen Stellen betont. Exemplarisch soll auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen werden: So betont beispielsweise Ohler, dass die „neue Vorschrift [. . .] in technischer Hinsicht freilich außerordentlich kompliziert geraten“ ist, Ohler, DVBl 2009, 1265 (1271). Seiler führt aus, dass die „Voraussetzungen einer konjunkturell bedingten Kreditaufnahme [. . .] mithin höchst abstrakt und mithilfe rechtsdogmatisch nicht vorgeprägter und wirtschaftswissenschaftlich überaus voraussetzungsreicher Verweisbegriffe auf eine komplexe volkswirtschaftliche Gesamtlage definiert worden“ sind, Seiler, JZ 2009, 721 (724). 421 So: Seiler, JZ 2009, 721 (724).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Überauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten“ 422, „Produktionslücke“ 423, „das auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens zu schätzende Produktionspotenzial“ 424 oder „Budgetsensitivität“ 425, die zu ihrem Verständnis einen „besonderen finanzwirtschaftlichen Sachverstand“ voraussetzen426. Gerade an diesen einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 5 G 115 lässt sich somit erkennen, dass im Zusammenhang mit der Konjunkturkomponente „die Volkswirte das Kommando“ übernehmen427. Ergänzend ist die auf der Grundlage von § 5 Abs. 4 G 115 erlassene Rechtsverordnung zu den Einzelheiten der Konjunkturkomponente zu erwähnen, die endgültig auf einem profunden Fachwissen aufbaut428. Von einigen Experten abgesehen werden die wenigsten Bürger und möglicherweise noch nicht einmal sämtliche Parlamentarier die Funktionsweise und den Wirkungsmechanismus der Konjunkturkomponente über die groben Grundzüge hinaus vollständig erfassen429. Weitgehend unproblematisch unter dem Aspekt der Einfachheit erscheint demgegenüber die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen. Trotz der Verwendung diverser unbestimmter Rechtsbegriffe430 ist davon auszugehen, dass sich der durchschnittliche Wähler ausreichend konkret vorstellen kann, welche Konstellationen von dieser Ausnahmeregelung umfasst werden sollen. III. Zwischenergebnis Was das Merkmal der Einfachheit betrifft, so besteht an verschiedenen Stellen ein gewisser Nachbesserungsbedarf. Wie festgestellt worden ist, erweist sich vor allem die Konjunkturkomponente als bedenklich: Gerade mit Blick auf diese Komponente der Schuldenbremse ist das Risiko einer fehlerhaften Anwendung 422

Vgl.: § 5 Abs. 2 S. 1 G 115. Vgl.: § 5 Abs. 2 S. 1 G 115. 424 Vgl.: § 5 Abs. 2 S. 2 G 115. 425 Vgl.: § 5 Abs. 3 G 115. 426 So auch: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394. 427 Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2563). 428 Konkret kann an dieser Stelle insbesondere das nachfolgende Beispiel angeführt werden: Die Konkretisierung, dass die Schätzung des Produktionspotenzials „mit Hilfe einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion vom Typ Cobb-Douglas“ erfolgen soll, dürfte für wirtschaftswissenschaftliche Laien nicht zu verstehen sein. 429 Im Ergebnis ebenso: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 394 f. Die getroffene Feststellung, dass gegebenenfalls nicht einmal die gewählten Parlamentarier in der Lage sein werden, die komplexen Bestimmungen zur Konjunkturkomponente umfassend zu verstehen, erweist sich gerade auch unter dem folgenden Aspekt als äußerst problematisch. So weist Pünder darauf hin, dass die Politiker zwar auf „von Fachleuten errechnete Daten“ angewiesen sein werden, sich letztlich allerdings für die Anwendung der Konjunkturkomponte vor ihren Wählern verantworten müssen, Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 99. 430 Siehe oben zu dem Merkmal „gut definiert“: 4. Teil § 3 A. II. 3. c). 423

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

durch den Haushaltsgesetzgeber nicht vollständig ausgeschlossen und eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit nahezu unmöglich.

F. „Flexibel“ Entscheidend ist darüber hinaus nach dem von Kopits und Symansky entwickelten Kriterienkatalog, dass die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes ein ausreichendes Maß an Flexibilität aufweist431. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Kopits und Symansky führen zu dem Kriterium der Flexibilität aus, dass fiskalpolitische Regeln dem Staat die Möglichkeit eröffnen müssten, auf exogene Schocks außerhalb der staatlichen Kontrolle zu reagieren. Dargelegt wird ferner, dass im Interesse der Flexibilität Regelungen gewählt werden sollten, die auf einen mittelfristigen Zeithorizont angelegt seien und lediglich einen strukturellen bzw. konjunkturbereinigten Haushaltsausgleich verlangten; insbesondere sollten kurzfristige, konjunkturbedingte Abweichungen von dem Grundsatz eines materiellen Haushaltsausgleichs, vor allem durch das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren, möglich sein432. Auch außerhalb des Kriterienkatalogs von Kopits und Symansky finden sich explizite Forderungen nach einer Flexibilität fiskalpolitischer Regelungen oder unter einer anderen Bezeichnung zusammengefasste Ausführungen, die inhaltlich eine vergleichbare Zielrichtung aufweisen. Trotz im Einzelnen bestehender Abweichungen lässt sich insgesamt zu den an anderer Stelle formulierten Anforderungen an die flexible Ausgestaltung fiskalpolitischer Regelungen die folgende Feststellung treffen: Weitgehende Übereinstimmung besteht dahingehend, dass Flexibilität insbesondere mit Blick auf konjunkturelle Schwankungen bzw. mit Blick auf (nicht vorhersehbare) nichtkonjunkturelle Krisensituationen verlangt wird433. 431

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. 433 Ausführungen zur Flexibilität finden sich beispielsweise auch bei: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 216 und S. 217 ff.; Kumar et al., Fiscal Rules – Anchoring Expectations for Sustainable Public Finances, IMF Staff Papers, S. 20; Sutherland/ Price/Joumard, Sub-Central Government Fiscal Rules, OECD Economic Studies No. 41, 2005/2, 141 (152, 155 f., 165 und 170 f.); Kastrop/Marklein, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 1 (4). Beispielsweise bei Kampmann findet sich zwar keine explizite Forderung nach „Flexibilität; die von ihr formulierten Anforderungen an Schuldenregelungen – konkret die Konjunkturverträglichkeit sowie die Aufrechterhaltung eines ausreichenden haushaltspolitischen Handlungsspielraums – können jedoch inhaltlich dem Kriterium der Flexibilität zugeordnet werden, siehe: Kampmann, Staatsverschuldung, S. 71. 432

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Überträgt man diese Ausführungen zur Flexibilität auf eine allgemeinere Ebene, so wird deutlich, dass dem Merkmal der Flexibilität schwerpunktmäßig die nachstehende Funktion zukommt: Durch die Flexibilität fiskalpolitischer Regelungen soll letztlich der Nutzen erhalten werden, „den Staatsverschuldung als Instrument der Politik unbestreitbar entfalten kann“ 434. Anders ausgedrückt: Die geforderte Flexibilität soll sicherstellen, dass die von ökonomischer Seite anerkannten Funktionen von Staatsverschuldung auch innerhalb des durch die fiskalpolitischen Regelungen gesetzten Rahmens weiterhin genutzt werden können. Welche bedeutenden Funktionen Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht erfüllen kann bzw. soll, wurde im obigen Kapitel zur ökonomischen Betrachtung der Staatsverschuldung bereits umfassend dargelegt und erörtert435; wiederholend ist an dieser Stelle lediglich auf die Stabilisierungsfunktion, die Lastenverschiebungsfunktion und die Überbrückungsfunktion von Staatsverschuldung zu verweisen. Festgestellt wurde hinsichtlich dieser in der Ökonomie diskutierten Funktionen von Staatsverschuldung allerdings auch, dass an vielen Stellen kaum Konsens besteht436. Für eine juristische Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse unter dem Gesichtspunkt der Flexibilität ergeben sich somit die folgende Konsequenzen: Es ist nicht Aufgabe eines Juristen innerhalb des zwischen Ökonomen ausgetragenen „Glaubenskrieg[es]“ 437 über die Funktionen von Staatsverschuldung Stellung zu beziehen. Ebenso wenig können die von ökonomischer Seite vorgebrachten, im Detail jedoch von einander abweichenden Forderungen nach einer Flexibilität zur Erfüllung bestimmter, teils umstrittener Funktionen unkritisch übernommen werden. Vor diesem Hintergrund bietet sich die folgende Vorgehensweise an: In einem ersten Schritt ist zu überprüfen, welche der in der Ökonomie diskutierten Funktionen von Staatsverschuldung bei der Normierung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse berücksichtigt worden sind und entsprechend Eingang in die Bestimmungen gefunden haben. In einem zweiten Schritt ist die jeweils getroffene Entscheidung für oder gegen die Berücksichtigung einer bestimmten Funktion anhand des Diskussionstandes in der Ökonomie zu beurteilen: Ist eine Funktion der Staatsverschuldung in der Ökonomie allgemein anerkannt und bereits über einen längeren Zeitraum nicht mehr grundlegend in Zweifel gezogen worden, so erscheint es unter dem Gesichtspunkt der Flexibilität zwingend, dass die Schuldenbremse den erforderlichen Neuverschul434 So Koch, der die Erhaltung der fiskal- und wirtschaftspolitischen Flexibilität zu einem der beiden zentralen Ziele der Staatsschuldenbegrenzung erhebt: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 216. 435 Zu den Funktionen Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht siehe oben: 1. Teil § 2 A. 436 Siehe hierzu zusammenfassend: 1. Teil § 3. 437 So etwa: Lambsdorff, in: Staatsverschuldung kontrovers, 197 (197).

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dungsspielraum zur Erfüllung dieser Funktion bereitstellt. Ist eine Funktion der Staatsverschuldung hingegen insgesamt umstritten, d. h. halten sich Befürworter und Gegner, Pro- und Contra-Argumente annähernd die Waage, so wird man – zumindest von einem juristischen Standpunkt aus – die Entscheidung des (verfassungsändernden) Gesetzgebers zu dieser ökonomischen Glaubensfrage akzeptieren müssen438. II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „flexibel“ Nachfolgend ist die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse unter den herausgearbeiteten Aspekten des Merkmals „flexibel“ näher zu betrachten. Zu überprüfen ist, ob das für den Bund und die Länder aufgestellte grundsätzliche Neuverschuldungsverbot in ausreichendem Maße gelockert worden ist, damit auf Bundes- und Länderebene die ökonomisch bedeutsamen Funktionen von Staatsverschuldung genutzt werden können. 1. Flexibilität auf Bundesebene Zunächst ist hierbei die Flexibilität auf Bundesebene zu untersuchen. a) Flexibilität zur Verwirklichung der Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung Zu den Funktionen von Staatsverschuldung wird die Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung gezählt, die sich aus dem Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren ergibt439. Dementsprechend ist der Frage 438 An dieser Stelle ist auf einen weiteren, überaus bedeutsamen Gesichtspunkt hinzuweisen: Gerade auf Verfassungsebene sollte möglichst darauf verzichtet werden, ökonomische Theorien und Konzepte, die gegebenenfalls sehr schnell als überholt und veraltet gelten, zu verankern; im Kern soll die Verfassung schließlich eine „möglichst dauerhafte, Moden und wechselnden Anschauungen entzogene rechtliche Grundordnung“ darstellen. Siehe hierzu: Korioth, KritV 2008, 187 (192). Dieser Aspekt spricht letztlich sogar explizit dagegen, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber ökonomisch umstrittene Funktionen der Staatsverschuldung, die gerade nicht als einigermaßen gesichert angesehen werden können und bezüglich derer jederzeit mit einem Meinungsumschwung gerechnet werden muss, in das Konzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse integriert. Anders stellt sich demgegenüber die Lage auf einfachgesetzlicher Ebene dar; hier bestehen keine schwerwiegenden Bedenken dagegen, gegebenenfalls einem Wechsel unterliegende ökonomische Lehren umzusetzen. Da im Folgenden die grundgesetzliche Schuldenbremse einschließlich ihrer einfachgesetzlichen Konkretisierungen untersucht wird, soll das gerade dargelegte Problem im Rahmen der nachstehenden Untersuchung nicht näher verfolgt werden; er darf jedoch insgesamt nicht vernachlässigt werden. 439 Zur Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung siehe oben: 1. Teil § 2 A. I. 1.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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nachzugehen, ob die grundgesetzliche Schuldenbremse trotz des grundsätzlichen Neuverschuldungsverbots für den Bund den notwendigen Spielraum eröffnet, um eine passive konjunkturelle Verschuldung zuzulassen und den Wirkungsmechanismus der automatischen Stabilisatoren nicht zu beeinträchtigen. An dieser Stelle gewinnt die für den Bund in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG verankerte Konjunkturkomponente an Bedeutung. Bereits der Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich entnehmen, dass die Ausgestaltung der Konjunkturkomponente in einer engen Anlehnung an das ökonomische Konzept der automatischen Stabilisatoren erfolgt ist440. Die Idee der automatischen Stabilisatoren stellte letztlich das „,Leitbild‘ bei der Formulierung der Konjunkturkomponente“ dar441. Dies lässt sich auch aus den folgenden Zusammenhängen erkennen: Die Stabilisierungswirkung der passiven konjunkturellen Verschuldung ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass eine destabilisierende prozyklische Finanzpolitik des Staates verhindert und hierdurch eine weitere Verschärfung der konjunkturellen Schwankungen vermieden wird; nach dem Konzept der automatischen Stabilisatoren sollen die in konjunkturellen Abschwungphasen automatisch auftretenden Finanzierungsdefizite zugelassen und durch die in konjunkturellen Aufschwungphasen automatisch entstehenden Haushaltsüberschüsse wieder gedeckt werden442. Die Konjunkturkomponente scheint diesem Konzept zumindest vom Ansatz her zu folgen, indem sie in konjunkturellen Abschwungphasen ausdrücklich eine entsprechende Erweiterung und in konjunkturellen Aufschwungphasen eine entsprechende Verringerung des staatlichen Neuverschuldungsspielraums bewirkt443. Es finden sich allerdings kritische Stimmen, die darauf aufmerksam machen, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse die automatischen Stabilisatoren in ihrer Wirkung beeinträchtigen und letzten Endes eine prozyklische

440 Siehe vor allem die Ausführungen zu Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG im Besonderen Teil der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12. Aber auch an anderen Stellen der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass der Konjunkturkomponente das Konzept der automatischen Stabilisatoren zugrundeliegt. So wird im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung zu Art. 109 GG auf die „mit den konjunkturellen Schwankungen gewissermaßen automatisch einhergehenden Effekte“ Bezug genommen. Im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung zu Art. 115 GG finden sogar explizit die „automatischen Stabilisatoren“ Erwähnung. Siehe hierzu: BT-Drs. 16/12410, S. 5 und 7. 441 So: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1334). Zum ökonomischen Konzept der Konjunkturkomponente siehe auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 219 ff. 442 Hierzu ausführlich und mit weiteren Nachweisen oben: 1. Teil § 2 A. I. 1. 443 Siehe hierzu exemplarisch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12. Dass die Konjunkturkomponente – zumindest vom Ansatz her – darauf gerichtet ist, ein Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren sicherzustellen, wird im Kern nicht bestritten. Wie im Folgenden noch aufzuzeigen ist, wird lediglich in Frage gestellt, dass die Konjunkturkomponente tatsächlich einen ausreichenden Spielraum schafft, um die automatischen Stabilisatoren umfassend wirken lassen zu können.

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Wirkung entfalten könnten444. Hierbei wird vor allem auf Probleme im Zusammenhang mit der Berechnung der Konjunkturkomponente verwiesen: Nach dem im Rahmen der Schuldenbremse zur Anwendung kommenden Konjunkturbereinigungsverfahren sei zu erwarten, dass der in konjunkturellen Abschwungphasen zulässige Neuverschuldungsspielraum tendenziell zu niedrig und das in konjunkturellen Aufschwungphasen zulässige Defizit tendenziell zu hoch ausfalle; die automatischen Stabilisatoren könnten demnach nicht ihre volle Wirkung entfalten und ein prozyklischer Effekt der Schuldenbremse sei zu erwarten445. Ob sich dieser Einwand tatsächlich bestätigen wird, ist über einen längeren Zeitraum hinweg bei der praktischen Anwendung der Schuldenbremse kritisch zu überprüfen. Berücksichtigt man, dass in der Ökonomie die Stabilisierungsfunktion der Staatsverschuldung, die sich aus der passiven konjunkturellen Verschuldung bzw. aus dem Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren ergibt, unstreitig ist446, so lassen sich hieraus die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: Dass mit der Konjunkturkomponente eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Neuverschuldungsverbot geschaffen worden ist, die auf das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren abzielt, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Von ökonomischer Seite wird aber genau zu beobachten sein, ob bzw. inwieweit die konkrete Umsetzung dieses Konzepts auch tatsächlich gelungen ist. b) Flexibilität zur Verwirklichung der Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung In der Ökonomie wird darüber hinaus eine Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung, die auf dem Einsatz aktiver stabilisierungspolitischer Maßnahmen bzw. kreditfinanzierten staatlichen Konjunkturprogrammen aufbaut, diskutiert447. Ob die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse für eine derartige aktive antizyklische Fiskalpolitik die erforderlichen Neuverschuldungsspielräume vorsieht, ist allerdings zweifelhaft. 444 Siehe etwa: Truger/Will, Gestaltungsanfällig und prozyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 22 ff.; Anselmann, Auswege aus Staatsschuldenkrisen, S. 190. Von der „Gefahr einer prozyklischen Budgetpolitik“ spricht beispielsweise auch Heun: Heun, ZSE 2009, 552 (570). 445 So etwa: Truger/Will, Gestaltungsanfällig und prozyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 23 ff.; G. Horn et al., Die Schuldenbremse – eine Wachtumsbremse?, IMK Report Nr. 29, Juni 2008, S. 3 ff., vor allem S. 5; Anselmann, Auswege aus Staatsschuldenkrisen, S. 190; kritisch auch: John, in: Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch 23, 353 (385). Siehe hierzu auch, mit weiteren Nachweisen: Buscher/Fries, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2012, 367 (370 f.). 446 Siehe hierzu oben: 1. Teil § 2 A. I. 1. 447 Zur Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung siehe oben: 1. Teil § 2 A. I. 2.

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Schwierig zu beantworten ist zunächst, ob die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse als Grundlage für eine aktive konjunkturelle Verschuldung des Bundes in Betracht kommt. Zu dieser Fragestellung werden – ausgehend von der im Grundgesetz verankerten Bestimmung zur Konjunkturkomponente – divergierende Ansichten vertreten448. Betrachtet man den Wortlaut des Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG sowie des weitgehend übereinstimmenden Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG, so ist auf den ersten Blick nicht eindeutig zu erkennen, ob die Konjunkturkomponente nach Maßgabe der Grundgesetzbestimmungen allein eine passive oder gerade auch eine aktive konjunkturelle Verschuldung gestattet. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass die im Grundgesetz normierte Konjunkturkomponente keinen Spielraum für eine aktive Konjunkturpolitik eröffnet: Insbesondere kann auf die Gesetzesbegründung verwiesen werden, die in Bezug auf die Konjunkturkomponente in Art. 109 Abs. 3 GG bzw. Art. 115 Abs. 2 GG zwar wiederholt auf die Wirkung der automatischen Stabilisatoren Bezug nimmt, die Möglichkeit einer aktiven antizyklischen Fiskalpolitik hingegen mit keinem Wort erwähnt449. Darüber hinaus spricht für eine derartige Einschränkung der Konjunkturkomponente, dass innerhalb des Reformprozesses vor allem angestrebt wurde, die neuen Schuldenregelungen enger als die Vorgängerbestimmungen zu fassen450. Ferner ist zu beachten, dass die im Rahmen der Konjunkturkomponente verlangte symmetrische Berücksichtigung der konjunkturellen Schwankungen letztlich nur bezüglich der passiven konjunkturellen Verschuldung, nicht hingegen bezüglich einer aktiven Konjunkturpolitik gesichert sein dürfte451. Zudem ist der nachstehende Aspekt zu betonen: Wie im Folgenden aufzuzeigen ist, wird durch die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen ein auf extreme konjunkturelle Notsituationen beschränkter Neuverschuldungsspielraum bereitgestellt, der zur Finanzierung aktiver stabilisierungspolitischer Maßnahmen genutzt werden kann; die darin angelegte Beschränkung auf absolute Extremfälle würde im Ergebnis unterlaufen, wenn man bereits der 448 Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass sich die Konjunkturkomponente im Kern auf die passive konjunkturelle Verschuldung und auf das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren beschränkt. So etwa: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 221; Christ, NVwZ 2009, 1333 (1334 f.); Deubel, ZSE 2009, 231 (237 f.); Baumann/Schneider, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 89 (103). Andererseits wird die Ansicht vertreten, dass die Konjunkturkomponente auch den notwendigen Spielraum für eine aktive Konjunkturpolitik schafft. So etwa: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 96; Seiler, JZ 2009, 721 (723); G. Kirchhof, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 3, 6. Auflage, 2010, Art. 109, Rn. 95. 449 Siehe hierzu etwa die Ausführungen zu Art. 109 GG und Art. 115 GG im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 5 und 7. Siehe ferner die Ausführungen zu Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG im Besonderen Teil der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12. 450 So auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 220. 451 So: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 221. Vgl. auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1335).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Konjunkturkomponente die Grundlage für eine aktive Konjunkturpolitik entnehmen wollte. Abschließend ist somit festzuhalten, dass die im Grundgesetz normierten Bestimmungen zur Konjunkturkomponente allein die Grundlage für eine passive, nicht jedoch für eine aktive konjunkturelle Verschuldung schaffen452. Sollte die einfachgesetzlich normierte Formel und Berechnungsmethode der Konjunkturkomponente für den Bund wider Erwarten Spielraum für eine aktive konjunkturelle Verschuldung eröffnen, so würde eine derartige einfachgesetzliche Ausgestaltung nicht den Vorgaben des Grundgesetzes entsprechen; eine exakte Analyse des einfachgesetzlich normierten Berechnungsverfahrens ist allerdings einer juristischen Bewertung entzogen. Wie bereits angedeutet worden ist, bietet jedoch die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen einen gewissen, auf besondere Extremfälle beschränkten Neuverschuldungsspielraum für eine aktive konjunkturelle Verschuldung. Aufschlussreich ist an dieser Stelle die Gesetzesbegründung: In der Begründung des Gesetzentwurfs wird zwar ausdrücklich klargestellt, dass normale Schwankungen im Rahmen der konjunkturellen Entwicklung keinesfalls als außergewöhnliche Notsituationen anzusehen sind453. Damit wird bei normalen konjunkturellen Schwankungen eine aktive konjunkturelle Verschuldung auf der Grundlage dieser Ausnahmeregelung ausgeschlossen. Zugleich wird aber ausgeführt, dass für den Fall „eine[r] plötzliche[n] Beeinträchtigung der Wirtschaftsabläufe in einem extremen Ausmaß aufgrund eines exogenen Schocks, [. . .] die aus Gründen des Gemeinwohls aktive Stützungsmaßnahmen des Staates zur Aufrechterhaltung und Stabilisierung der Wirtschaftsabläufe gebietet“, der Anwendungsbereich der genannten Ausnahmeregelung eröffnet sei; als Beispiel wird an dieser Stelle die aktuelle Finanzkrise genannt454. Zumindest in extremen konjunkturellen Ausnahmesituationen gestattet somit die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen ein Abweichen von dem grundsätzlichen Neuverschuldungsverbot und schafft somit Spielraum für eine aktive konjunkturelle Verschuldung455. Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass für den Bund ferner die an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundene Strukturkomponente als Grundlage für eine – der Höhe nach allerdings eng begrenzte – aktive Konjunkturpolitik genutzt werden kann456. 452

Siehe hierzu die obigen Nachweise. Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 11. 454 BT-Drs. 16/12410, S. 11. 455 Ebenso: Deubel, ZSE 2009, 231 (245 f.). In diese Richtung wohl auch: Christ, NVwZ 2009, 1333 (1336); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 143. A.A. etwa: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 242. 456 Für diese Ansicht spricht eindeutig, dass der durch die Strukturkomponente eingeräumte Neuverschuldungsspielraum gerade nicht an besondere Voraussetzungen ge453

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Im Ergebnis erscheint es zweifelhaft, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse dem Bund eine umfassende Flexibilität für eine aktive konjunkturelle Verschuldung ermöglichen. Die Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung gilt allerdings in der ökonomischen Diskussion keineswegs als gesichert, sondern sieht sich einer Reihe schwerwiegender Einwände ausgesetzt457. Aus diesem Grund erscheint es nicht zwingend von juristischer Seite eine ausreichende Flexibilität zur Erfüllung eben dieser Funktion einzufordern. c) Flexibilität zur Verwirklichung der Lastenverschiebungsfunktion Im Zusammenhang mit den Funktionen von Staatsverschuldung ist ferner die sogenannte Lastenverschiebungsfunktion zu nennen: Die Lastenverschiebungsfunktion beruht auf der Überlegung, dass sich durch die Kreditfinanzierung zukunftswirksamer staatlicher Investitionen eine gerechtere zeitliche Verteilung zwischen den finanziellen Lasten und dem entsprechenden Nutzen dieser Investitionen verwirklichen lasse (pay-as-you-use-Prinzip)458. Zu untersuchen ist demnach, ob die für den Bund normierten Vorgaben der Schuldenbremse zulassen, dass abweichend von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Höhe der getätigten (Netto-)Investitionen staatliche Kredite aufgenommen werden dürfen. Eine Ausnahmeregelung, die explizit eine Neuverschuldung in Höhe des Investitionsvolumens ermöglicht, findet sich innerhalb der Schuldenbremse für den Bund nicht. Ein derartiger Neuverschuldungsspielraum wird weder durch die Konjunkturkomponente noch die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen geschaffen. Allein die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Strukturkomponente für den Bund, ermöglicht – zumindest bis zu einer Grenze von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts – eine Kreditfinanzierung staatlicher Investitionen. Wie sich der Begründung des Gesetzesentwurfs und vor allem dem Verweis auf die „intergenerative Gerechtigkeit“ entnehmen lässt, liegt der Strukturkomponente auch tatsächlich die Grundidee einer gerechten Lastenverschiebung in die Zukunft und damit der Ansatz der Lastenverschiebungsfunktion zugrunde459. Allerdings ist die Umsetzung der Lastenverschiebungsfunktion an dieser Stelle keineswegs „eins zu eins“ erfolgt: Für den Fall, dass die getätigten (Netto-)Investitionen die 0,35 %-Grenze überschreiten, reicht der durch die Strukturkomponente eröffnete

bunden ist, sondern dem Bund vielmehr zur freien Verfügung steht. Siehe hierzu oben unter: 2. Teil § 2 B. III. 2. A.A.: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 221 f. 457 Siehe hierzu oben unter: 1. Teil § 2 A. I. 2. 458 Zur Lastenverschiebungsfunktion siehe oben unter: 1. Teil § 2 A. II. 459 Siehe hierzu: BT-Drs. 16/12410, S. 5 f. Eingehend hierzu beispielsweise: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 74 ff.

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Neuverschuldungsspielraum zur Erfüllung der Lastenverschiebungsfunktion gerade nicht aus. Abschließend ist festzuhalten, dass die grundgesetzliche Schuldenbremse nicht die notwendige Flexibilität aufweist, um der Lastenverschiebungsfunktion der Staatsverschuldung vollständig Rechnung zu tragen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Lastenverschiebungsfunktion innerhalb der Ökonomie aber keineswegs uneingeschränkt anerkannt und teilweise sogar grundlegend in Frage gestellt wird460, ist die unzureichende Berücksichtigung dieser Funktion jedoch nicht als bedenklich einzustufen. Den kritischen Stimmen, die die Loslösung des nach der Schuldenbremse zulässigen Neuverschuldungsspielraums von der Höhe des Investitionsvolumens und die Aufgabe des pay-as-you-use-Prinzips bzw. der Goldenen Regel beanstanden461, ist somit nicht zwingend zu folgen. d) Flexibilität zur Verwirklichung der Überbrückungsfunktion Zuletzt ist auf die sogenannte Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung einzugehen. Nach der Überbrückungsfunktion ist das Instrument der Staatsverschuldung vor allem bei dem Auftreten einmaliger, besonders hoher staatlicher Ausgaben, beispielsweise im Zusammenhang mit nicht vorhersehbaren Notlagen wie Naturkatastrophen, politischen Unruhen oder Krieg sowie im Zusammenhang mit größeren Investitionen bei kleineren Gebietskörperschaften, einzusetzen. In diesen Fällen wird eine Überbrückung der hohen staatlichen Ausgaben mit Hilfe von staatlichen Krediten gegenüber den alternativ in Betracht kommenden Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen als ökonomisch vorteilhaft eingestuft462. Inwieweit die Schuldenbremse die notwendige Flexibilität zur Erfüllung dieser Überbrückungsfunktion aufweist, ist nachfolgend zu erörtern. Ein Neuverschuldungsspielraum zur Bewältigung einmaliger, hoher Ausgaben infolge einer plötzlich auftretenden, unvorhersehbaren Notlage wird vor allem durch die in Art. 109 Abs. 2 2. HS, Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG normierte Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen eröffnet. Tatsächlich wird in den meisten Fällen einmaliger, hoher und unvorhersehbarer Ausgabensteigerungen, in denen eine Kreditfinanzierung unter dem Gesichtspunkt der Überbrückungsfunktion erwogen wird, die genannte Ausnahmeregelung für den Bund eingreifen und ein Abweichen von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts zulassen. Dies betrifft insbesondere Naturkatastrophen und eine Vielzahl möglicher Unglücksfälle durch technisches oder 460

Siehe hierzu oben: 1. Teil § 2 A. II. 3. Siehe etwa: Truger/Will, Gestaltungsanfällig und prozyklisch: Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse, IMK Working Paper 88/2012, S. 5 f.; Tappe, DÖV 2009, 881 (889 f.); Heun, ZSE 2009, 552 (569 f.). 462 Zur Überbrückungsfunktion siehe oben unter: 1. Teil § 2 A. III. 461

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menschliches Versagen. Es sind allerdings auch Konstellationen denkbar, die als möglicher Anwendungsfall der Überbrückungsfunktion einzuordnen sind, letztlich aber nicht von der genannten Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen erfasst werden: Abweichungen können etwa bei Unglücksfällen auftreten, die durch staatliche Handlungen oder Entscheidungen ausgelöst worden sind463. Zwar wird sich unter dem Gesichtspunkt der Überbrückungsfunktion auch in diesen Konstellationen eine Kreditfinanzierung der entstehenden staatlichen Ausgaben empfehlen; speziell die Tatbestandsvoraussetzung der Ausnahmebestimmung, dass die jeweilige Naturkatastrophe oder außergewöhnliche Notsituation der staatlichen Kontrolle entzogen sein muss, wird jedoch in diesen Fällen nicht erfüllt sein. Auffällig ist in diesem Kontext ferner, dass der typischerweise im Zusammenhang mit der Überbrückungsfunktion genannte Anwendungsfall des Krieges in der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen keine Erwähnung findet. Dieses auf den ersten Blick bemerkenswerte Fehlen wird jedoch vor dem Hintergrund der speziell für den Verteidigungsfall normierten Bestimmung des Art. 115c Abs. 3 GG verständlich464: Nach dieser Bestimmung kann – soweit es zur Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs erforderlich ist – auch das Finanzwesen des Bundes und der Länder durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates abweichend von den Grundgesetzbestimmungen des X. Abschnitts und damit abweichend von Art. 109 GG und Art. 115 GG geregelt werden. Wie bereits angedeutet worden ist, kann die Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung darüber hinaus bei der Finanzierung größerer Investitionen auf der Ebene der kleineren Gebietskörperschaften Bedeutung erlangen; obwohl für den Bund unter diesem Gesichtspunkt keine zusätzliche Flexibilität zur Verwirklichung der Überbrückungsfunktion zu fordern ist, steht ihm mit der Strukturkomponente sogar ein gewisser, wenn auch begrenzter Neuverschuldungsspielraum zur Finanzierung größerer Investitionen zur Verfügung. Abschließend ist Folgendes festzuhalten: Dass Staatsverschuldung eine bedeutsame Überbrückungsfunktion zukommt, ist von ökonomischer Seite im Wesent-

463 Als Beispiel für einen durch staatliche Handlungen oder Entscheidungen ausgelösten Unglücksfall kommt beispielsweise eine Verunreinigung des Grundwassers durch radioaktive Substanzen durch die staatliche Auswahl eines ungeeigneten Atommüllendlagers in Betracht. Mayer nennt etwa das Beispiel einer auftretenden Seuche durch ein vom Staat zugelassenes Medikament. Hieraus zieht er allerdings die Schlussfolgerung, dass sich die beiden in dem Relativsatz normierten Anforderungen der Ausnahmeregelung allein auf die außergewöhnlichen Notsituationen und gerade nicht auf die Naturkatastrophen beziehen sollen: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (287 f., vor allem Fußnote 77). 464 Siehe hierzu auch: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 144.

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lichen anerkannt465. Vor diesem Hintergrund ist es als zwingend anzusehen, dass die notwendige Flexibilität zur Erfüllung dieser Funktion sichergestellt ist. Die vorstehende Betrachtung hat offengelegt, dass innerhalb der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen weitgehend den für die Überbrückungsfunktion erforderlichen Neuverschuldungsspielraum schafft. Lediglich in Bezug auf einige besondere Konstellationen ist gegebenenfalls eine unzureichende Flexibilität festzustellen; in diesen Fällen kann indes die an keine weiteren Voraussetzungen gebundene Strukturkomponente des Bundes begrenzte Abhilfe schaffen. e) Zwischenergebnis Als Funktionen der Staatsverschuldung sind von ökonomischer Seite allein die Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung sowie die Überbrückungsfunktion unstreitig anerkannt. Auf Bundesebene wird gerade diesen beiden Funktionen durch die Konjunkturkomponente sowie die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen weitgehend Rechnung getragen. Nur in einigen Randbereichen und in Bezug auf einige Sonderkonstellationen ist ein gewisser Mangel an Flexibilität festzustellen. Anzumerken ist ferner, dass speziell für die Strukturkomponente des Bundes kein zwingendes und in der Ökonomie unstreitiges Argument vorzuliegen scheint466; unter Umständen kann ihr jedoch eine Auffangfunktion zukommen. 2. Flexibilität auf Länderebene Nachzugehen ist zudem der Fragestellung, ob die grundgesetzliche Schuldenbremse für die Länder eine ausreichende Flexibilität gewährleistet. a) Flexibilität zur Verwirklichung der verschiedenen Funktionen In Bezug auf die Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung sind die nachstehenden Feststellungen zu treffen: Konkret wird für die Länder durch die Rahmenbestimmung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG gerade keine mit dem Bund vergleichbare Konjunkturkomponente geschaffen, sondern lediglich die Option zur Normierung einer entsprechenden Konjunkturkomponente vorgesehen467. Ob auf Länderebene entsprechend den Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG Konjunkturkomponenten 465

Siehe hierzu oben unter: 1. Teil § 2 A. III. Eine ähnliche Feststellung zur Strukturkomponente trifft etwa: Kube, in: Maunz/ Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 140 ff. 467 Zum optionalen Charakter der Konjunkturkomponente für die Länder siehe oben unter: 2. Teil § 2 B. IV. 3. 466

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normiert werden und damit der für die Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung erforderliche Neuverschuldungsspielraum geschaffen wird, ist somit nach den grundgesetzlichen Bestimmungen in das Ermessen der Länder gestellt. Da es in der ökonomischen Diskussion letztlich unstreitig ist, dass eine passive konjunkturelle Verschuldung zuzulassen ist, erscheint die nicht gesicherte Flexibilität der Länder an dieser Stelle insgesamt bedenklich. Im Hinblick auf die Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung stellt sich die Lage für die Länder folgendermaßen dar: Aus den obigen Ausführungen zum Bund lässt sich ableiten, dass für die Länder allein die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG als Grundlage für – auf extreme Ausnahmesituationen beschränkte – aktive stabilisierungspolitische Maßnahmen in Betracht kommt468. Die genannte Ausnahmeregelung ist allerdings wiederum nur als Option ausgestaltet und ihre Normierung in das Ermessen der Länder gestellt469. In Anbetracht der Tatsache, dass die Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung in der Ökonomie gleichermaßen auf Zustimmung wie auf Ablehnung stößt, ist der gegebenenfalls fehlende oder unzureichende Spielraum der Länder jedoch nicht zu kritisieren. Was die Lastenverschiebungsfunktion betrifft, so ist für die Länder festzuhalten, dass ihnen anders als dem Bund mangels einer entsprechenden Strukturkomponente keinerlei Neuverschuldungsspielraum zur Verfügung steht, um in Höhe der getätigten (Netto-)Investitionen Kredite aufnehmen zu können. Angesichts des kontroversen Diskussionstands zur Lastenverschiebungsfunktion in der Ökonomie, ist die fehlende Berücksichtigung dieser Funktion innerhalb der für die Länder normierten Vorgaben allerdings unproblematisch. Hinsichtlich der Überbrückungsfunktion ist für die Länder ebenso wie für den Bund anzunehmen, dass die in Art. 109 Abs. 3 S. 2 2. HS GG vorgesehene Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen die wichtigsten Konstellationen dieser Funktion erfasst470. Diese Flexibilität ist aber nur dann gegeben, wenn die Länder die im Grundgesetz gewährte Option zur Normierung einer entsprechenden Ausnahmeregelung auch tatsächlich umsetzen. Davon ausgehend, dass die Überbrückungsfunktion der Staatsverschuldung in der 468 Mit Blick auf die in Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS GG verankerte Konjunkturkomponente ist letztlich davon auszugehen, dass von ihr allein eine passive konjunkturelle Verschuldung erfasst wird. Siehe hierzu die obigen Ausführungen zur Flexibiltität auf Bundesebene: 4. Teil § 3 F. II. 1. b). Ferner ist für die Länder gerade keine mit dem Bund vergleichbare Strukturkomponente vorgesehen, die einen gewissen Neuverschuldungsspielraum für eine aktive Konjunkturpolitik bereitstellen könnte. 469 Zum optionalen Charakter der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen für die Länder siehe oben unter: 2. Teil § 2 B. IV. 4. 470 Siehe hierzu die Ausführungen zur Flexibilität auf Bundesebene: 4. Teil § 3 F. II. 1. d).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Ökonomie nahezu uneingeschränkt befürwortet wird, sind demnach mit Blick auf die erforderliche Flexibilität auf Länderebene gewisse Bedenken angebracht. Ergänzend ist zur Überbrückungsfunktion die nachfolgende Anmerkung zu machen: Wie bereits dargelegt, spielt die Überbrückungsfunktion von Staatsverschuldung auch bei der Finanzierung größerer Investitionen, vor allem auf der Ebene kleinerer Gebietskörperschaften, eine Rolle. An dieser Stelle kommt es zu einem durchaus interessanten Widerspruch: Obwohl auf Länderebene, insbesondere in kleineren Bundesländern und Stadtstaaten, eher als auf Bundesebene eine Kreditfinanzierung zur Überbrückung einmaliger großer Ausgaben ökonomisch sinnvoll sein kann471, wird nur für den Bund mit der Strukturkomponente eine gewisse Flexibilität gewährleistet472, für die Länder hingegen explizit darauf verzichtet473. b) Zwischenergebnis Auf Länderebene hängt die Flexibilität in erster Linie davon ab, ob die Bundesländer von den ihnen gewährten Optionen, zur Ausgestaltung einer Konjunkturkomponente sowie einer Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, Gebrauch machen oder nicht. Ohne eine entsprechende Konjunkturkomponente oder Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen wäre ein Bundesland stets und ohne Abweichungen an das Gebot eines materiell ausgeglichenen Haushalts gebunden474, was in einem eklatanten Widerspruch zu der erforderlichen Flexibilität stehen würde. Das Szenario, dass ein Land tatsächlich auf die Normierung der zulässigen Ausnahmebestimmungen verzichtet, ist im Grunde jedoch „kaum realistisch“ 475. III. Zwischenergebnis Insgesamt wird die grundgesetzliche Schuldenbremse für den Bund und für die Länder den Anforderungen dieses Merkmals – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – gerecht. Insbesondere ist zu betonen, dass innerhalb des Konzepts der grundgesetzlichen Schuldenbremse gerade den Funktionen der Staats-

471 Siehe hierzu etwa Ziffzer: „Je mehr sich die Betrachtung vom Bund auf die Länder und von dort auf die Gemeinden verlagert, um so eher ist mit solch einmaligem erheblichem Ausgabenmehrbedarf zu rechnen.“, Ziffzer, Ökonomische Grenzen der staatlichen Kreditaufnahme, S. 24. 472 Siehe hierzu die Ausführungen zur Flexibilität auf Bundesebene: 4. Teil § 3 F. II. 1. d). 473 Zu dem fehlenden strukturellen Neuverschuldungsspielraum für die Länder siehe oben: 2. Teil § 2 B. IV. 2. 474 Siehe hierzu etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 182 und 220. 475 So: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 109, Rn. 39.

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verschuldung, deren Anerkennung in der Ökonomie unstreitig ist, d. h. der Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung sowie der Überbrückungsfunktion, weitgehend Rechnung getragen wird. Lediglich punktuell ist ein gewisser Nachbesserungsbedarf ermittelt worden. Auf Länderebene steht dieses Ergebnis allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass sämtliche Länder von den grundgesetzlichen Ermächtigungen zur Normierung der vorgesehenen Ausnahmebestimmungen auch Gebrauch machen; dies steht jedoch grundsätzlich zu erwarten.

G. „Durchsetzbar“ Über die bereits erörterten Kriterien einer idealen fiskalpolitischen Regelung hinaus, stellen Kopits und Symansky des Weiteren das Merkmal der Durchsetzbarkeit auf 476. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Im Zusammenhang mit dem Merkmal „durchsetzbar“ weisen Kopits und Symansky daraufhin, dass bezüglich des institutionellen Rahmens fiskalpolitischer Regelungen, einschließlich möglicher Sanktionen, erhebliche Differenzen zwischen den Ländern bestünden und dass die empirischen Erfahrungen keinen eindeutigen Schluss darauf zuließen, welche institutionelle Ausgestaltung als besonders effektiv einzustufen sei. Im Folgenden arbeiten sie dennoch verschiedene Aspekte heraus, die für die Durchsetzbarkeit einer fiskalpolitischen Regelung von Bedeutung sein sollen: Es spreche einiges dafür, eine Verankerung der betreffenden fiskalpolitischen Regelung in verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Vorschriften zu verlangen; ferner führen sie aus, dass die Regelungen gegebenenfalls durch Sanktionen für den Fall ihrer Nichteinhaltung sowie entsprechende Durchsetzungsbefugnisse ergänzt werden sollten. Als denkbare Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung einer fiskalpolitischen Regelung werden sowohl finanzielle und gerichtliche als auch die Reputation betreffende Sanktionen genannt. Darüber hinaus empfehlen Kopits und Symansky, die Überwachung und Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung fiskalpolitischer Regelungen in der Praxis einer unabhängigen Instanz, beispielsweise Gerichten, zu übertragen477. Auch in anderen Kriterienkatalogen und wissenschaftlichen Ausführungen wird die ausschlaggebende Bedeutung des Kriteriums der Durchsetzbarkeit betont. Hierbei finden sich verschiedenste Forderungen, die entweder allgemein auf effektive Durchsetzungsmechanismen bzw. auf bestimmte Teilaspekte einer ef476

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Siehe ergänzend auch: Kopits, Fiscal Rules: Useful Policy Framework or Unnecessary Ornament?, IMF Working Paper 01/145, S. 16. 477

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

fektiven Durchsetzbarkeit, z. B. auf Sanktionen, gerichtet sind478. Als besonders aufschlussreich erweisen sich die nachfolgenden Ansätze: Beispielsweise ist ein Indikator für die Stärke von fiskalpolitischen Regelungen mit fünf zentralen Elementen entwickelt worden, von denen sich vier auf relevante Teilbereiche der Durchsetzbarkeit beziehen; zu diesen Elementen gehören die Verankerung der betreffenden Regelung in der Verfassung oder in einem Gesetz, die Überwachung bzw. Kontrolle ihrer Einhaltung durch eine unabhängige Instanz, ihre Durchsetzung im Wege geeigneter Maßnahmen durch eine unabhängige Instanz sowie automatisch eingreifende Korrekturmechanismen479. Auch an anderen Stellen wird eine Vielzahl von wichtigen Aspekten für die Durchsetzbarkeit fiskalpolitischer Regelungen herausgearbeitet: Gefordert wird insbesondere, dass derartige Regelungen schwer zu ändern und schwer zu missbrauchen sein sollten; betont wird ferner die Notwendigkeit wirksamer Sanktionen sowie einer gewissen „Unabhängigkeit von der Tagespolitik“, unter der die Aufsicht durch einen neutralen „Schiedsrichter“ verstanden wird480. Anknüpfend an die vorstehenden Ausführungen ist nunmehr der Frage nachzugehen, welche Funktion dem Merkmal der Durchsetzbarkeit zukommt: Die Funktion des Merkmals „durchsetzbar“ ist eng mit den bereits dargelegten politökonomischen Überlegungen verknüpft. Wie die polit-ökonomischen Theorien offengelegt haben, verspricht sich der an einer Wiederwahl interessierte Politiker von dem Einsatz des Instruments der Staatsverschuldung Vorteile innerhalb des demokratischen Machtkampfes; dementsprechend ist in (repräsentativen) Demokratien vor allem auf Seiten der gewählten politischen Entscheidungsträger eine 478 Für allgemeine Forderungen nach effektiven Durchsetzungsmechanismen siehe beispielsweise: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 217 und S. 220 f.; OECD, OECD Economic Outlook Volume 2007/1, No. 81, June, 209 (211); vgl. auch: Meyer, Stellungnahme zum Fragenkatalog der Föderalismuskommission II (Kommissionsdrucksache 11), Kom.-Drs. 014, S. 17. Für Forderungen nach einzelnen Teilaspekten der Durchsetzbarkeit, insbesondere nach wirksamen Sanktionen, siehe beispielsweise: European Commission, Public Finances in EMU 2009, European Economy 5/2009, S. 91; Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (118 f.); Häde, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007 in Berlin, Kom.-Drs. 021, S. 12; B. Huber, Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – Eine ökonomische Analyse, Kom.-Drs. 018, S. 4 ff., vor allem S. 6; Seitz, Stellungnahme zum Fragenkatalog für die öffentliche Anhörung zu den Finanzthemen am Freitag, dem 22. Juni 2007, der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen, Kom.-Drs. 023, vor allem S. 19; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Schriftliche Stellungnahme des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zum Fragenkatalog für die Anhörung am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 033, S. 9 ff. 479 Siehe: European Commission, Public Finances in EMU 2009, European Economy 5/2009, S. 91. 480 Siehe: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 220 f.

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erhebliche Verschuldungsneigung zu diagnostizieren481. Vor diesem Hintergrund ist ersichtlich, dass sich fiskalpolitische Regelungen, die auf eine Begrenzung der Staatsverschuldung abzielen, einem großen politischen Druck ausgesetzt sehen482. Konkret wird die Wirksamkeit und Einhaltung fiskalpolitischer Regelungen von zwei verschiedenen Seiten bedroht: Zum einen besteht die Gefahr, dass eine fiskalpolitische Regelung in Rahmen ihrer praktischen Anwendung ignoriert, umgangen, ausgehöhlt bzw. verletzt wird483. Zum anderen droht Gefahr durch eine „Änderung der Regeln selbst“; zu bedenken ist, dass die Legislative zwar als Haushaltsgesetzgeber den durch die fiskalpolitischen Regelungen gezogenen Grenzen unterworfen ist, aber zugleich auch über die Gestaltungsmacht hinsichtlich der betreffenden Regelungen verfügt484. Dem Kriterium der Durchsetzbarkeit kommt dementsprechend die entscheidende Funktion zu, den genannten Gefahren entgegenzuwirken und die Einhaltung der in Frage stehenden fiskalpolitischen Regelung sicherzustellen485. Aus der herausgearbeiteten Funktion des Merkmals „durchsetzbar“ lassen im Ergebnis die nachstehenden Anforderungen für eine ideale fiskalpolitische Regelung ableiten: 1. Verfassungsrechtliche Verankerung bzw. erschwerte Abänderbarkeit Um der Gefahr einer beliebigen und politisch opportunen Abschaffung bzw. Änderung fiskalpolitischer Regelungen vorzubeugen, ist es erforderlich sie dem uneingeschränkten Zugriff der Regierungsmehrheit zu entziehen. An erster Stelle ist somit unter dem Merkmal „durchsetzbar“ zu verlangen, dass die jeweilige fiskalpolitische Regelung – zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen – in der Verfassung verankert bzw. durch eine erschwerte Abänderbarkeit vor kurzfristigen, politisch gewünschten Änderungen geschützt wird486. 481 Siehe hierzu oben: Einleitung § 2 A. Zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit den politökonomischen Ursachen einer hohen Verschuldungsneigung siehe ferner: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 103 ff.; Funke, Die Verschuldungsordnung, S. 190 ff. 482 Meyer, Stellungnahme zum Fragenkatalog der Föderalismuskommission II (Kommissionsdrucksache 11), Kom.-Drs. 014, S. 17. Siehe auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 220. 483 So beispielsweise: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 220. 484 So beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 111. 485 Vgl. die Ausführungen von Koch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 217 und S. 220 f. 486 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 111 f.; siehe auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

2. Wirksame Kontroll- und Sanktionsmechanismen Der Gefahr einer Umgehung, Aushöhlung und Verletzung einer fiskalpolitischen Regelung kann man am besten durch wirksame Kontroll- und Sanktionsmechanismen begegnen: Zum einen besteht somit die Notwendigkeit eines wirksamen Kontrollmechanismus bezüglich der Einhaltung der betreffenden fiskalpolitischen Regelung. Entscheidend für einen wirksamen Kontrollmechanismus ist hierbei, dass er in den Händen einer unabhängigen Instanz und gerade nicht in den Händen der „zu kontrollierenden Akteure“ selbst liegt487. Zum anderen sollten Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung durch ein System wirksamer Sanktionsmechanismen für den Fall ihrer Nichteinhaltung abgesichert werden. Die Bedeutung von Sanktionen liegt vor allem darin, die in einer Demokratie bestehenden, politökonomisch erklärbaren Anreize zugunsten der Kreditfinanzierung staatlicher Ausgaben durch „spürbare Nachteile“ 488 für die betroffenen Akteure zu neutralisieren. Bezüglich der Frage, was für die Wirksamkeit von Sanktionen von Bedeutung ist, hat insbesondere der Sachverständigenrat einige allgemeine Leitlinien und Kriterien entwickelt, die nachfolgend berücksichtigt und demnach bereits an dieser Stelle kursorisch erwähnt werden sollen489: Empfohlen wird, dass wirksame Sanktionen nicht allein auf eine Bestrafung der politisch Verantwortlichen abzielen, sondern vielmehr eine möglichst frühzeitig, am besten bereits im Rahmen der Haushaltsaufstellung eingreifende „Verhaltenslenkung“ anstreben sollten490. Bedeutsam für die Durchschlagskraft von Sanktionen sei darüber hinaus die zeitliche Verzögerung, mit der sie im Anschluss an einen Regelverstoß eingriffen: Nur wenn die Sanktion relativ schnell auf einen Verstoß gegen die Schuldenregelungen folge, sei gewährleistet, dass die Öffentlichkeit bzw. die Wählerschaft, noch den Zusammenhang zwischen dem Regelverstoß und der Sanktion wahrnehme; ferner werde nur ohne bedeutende zeitliche Wirkungsverzögerung sichergestellt, dass die Sanktion nicht erst nach einem potenziellen Machtwechsel ergehe und noch die verantwortlichen

und ethischer Aspekte, S. 220; Meyer, Stellungnahme zum Fragenkatalog der Föderalismuskommission II (Kommissionsdrucksache 11), Kom.-Drs. 014, S. 17. 487 Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (384). Siehe beispielsweise auch: European Commission, Public Finances in EMU 2009, European Economy 5/2009, S. 91. 488 So: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 220. 489 Ausführlich zu verschiedenen Kriterien für wirksame Sanktionen: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 110 ff. 490 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 111, 1. Spiegelstrich.

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Entscheidungsträger treffe491. Zudem werde die Wirksamkeit einer Sanktion auch durch ihre Schwere sowie durch die Wahrscheinlichkeit bestimmt, mit der sie im Anschluss an einen Verstoß verhängt werde. Als besonders effektiv seien vor allem finanzielle Sanktionen einzuordnen492. II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „durchsetzbar“ Die gerade formulierten Anforderungen an wirksame Schuldenregelungen unter dem Aspekt des Merkmals „durchsetzbar“ sind nachfolgend auf die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse anzuwenden. Hierbei wird die Durchsetzbarkeit in erster Linie mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte und auf einfachgesetzlicher Ebene bereits näher ausgestaltete Schuldenbremse für den Bund untersucht. Viele Ergebnisse werden sich jedoch auf die Länder übertragen lassen. 1. Verfassungsrechtliche Verankerung bzw. erschwerte Abänderbarkeit der Schuldenbremse Die Anforderung, dass zumindest die wichtigsten Grundzüge der Schuldenbremse in der Verfassung verankert bzw. anderweitig durch eine erschwerte Abänderbarkeit geschützt werden sollten, dürfte gerade für den Bund weitgehend erfüllt sein. Die zentralen, grundlegenden Vorgaben der neuen Schuldenbremse für den Bund sind im Grundgesetz selbst normiert worden: Konkret finden sich für den Bund der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts und die wesentlichen Umrisse der vorgesehenen Ausnahmeregelungen in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG. Auf diese Weise wird der im Grundgesetz verankerte Kern der Schuldenbremse zugleich durch eine erschwerte Abänderbarkeit gesichert, da nach Art. 79 Abs. 2 GG ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes der Zustimmung von zwei Drittel des Bundestages und des Bundesrates bedarf 493. Im Ergebnis ist hierdurch sichergestellt, dass die im Grundgesetz normierten zentralen Bestimmungen der Schuldenbremse nicht mit einer einfachen Regierungsmehrheit beliebig geändert oder aufgehoben werden können. Grundsätzlich wird somit die 491 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 111, 2. Spiegelstrich. 492 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 111, 3. und 4. Spiegelstrich. 493 Zu der erschwerten Abänderbarkeit gem. Art. 79 Abs. 2 GG siehe beispielsweise: Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2010, Art. 79, Rn. 24 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 52. Erg.-Lfg., 2008, Art. 79, Rn. 42 ff.; Sachs, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 79, Rn. 21 ff.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 6. Auflage, 2012, Art. 79, Rn. 24.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Schuldenbremse für den Bund der ersten unter dem Merkmal „durchsetzbar“ zu stellenden Forderung gerecht494. Allerdings ist auf den nachfolgenden Gesichtspunkt aufmerksam zu machen: Die nähere Ausgestaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für den Bund ist auf einfachgesetzlicher Ebene, insbesondere in dem Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG, erfolgt. Die ergänzenden einfachgesetzlichen Regelungen sind gerade nicht durch eine besondere Hürde gegen eine Aufhebung oder Änderung abgesichert und stehen damit zur Disposition der jeweiligen Regierungsmehrheit495. Diesbezüglich wird die Gefahr einer beliebigen, politisch gewünschten Abänderung nicht vollständig gebannt. 2. Kontrollmechanismen bezüglich der Einhaltung der Schuldenbremse Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob eine wirksame Überwachung und Kontrolle bezüglich der Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, am besten durch eine unabhängige Instanz, vorgesehen ist. Im Folgenden sind drei potenzielle Kontrollmechanismen näher zu untersuchen: Zunächst könnte eine ausreichende Kontrolle der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsgericht gewährleistet sein. Darüber hinaus finden sich zwei, im Zusammenhang mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse eingeführte Mechanismen, die gegebenenfalls eine umfassende Kontrolle der Einhaltung der Schuldenregelungen bewirken könnten: Hierbei handelt es sich zum einen um das für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vorgesehene Kontrollkonto und zum anderen um das Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen in Art. 109a GG. a) Die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht Wie bereits vor der Föderalismusreform II, so besteht auch seit der Neufassung der im Grundgesetz normierten Schuldenregelungen die Möglichkeit ihre Einhaltung durch das Bundesverfassungsgericht kontrollieren zu lassen496. Fest steht 494 Im Ergebnis ebenso Koch, der den „hohen Schutz“ der im Grundgesetz verankerten „Schuldenbremse“ betont: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 265. 495 Siehe auch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 265. 496 Die Nichteinhaltung der bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes ist zweimal einer Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen worden. Siehe die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahre 1989 und 2007: BVerfGE 79, 311 (311 ff.); BVerfGE 119, 96 (96 ff.). Eingehend zur den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts siehe beispielsweise: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 48 ff. und S. 172 ff.

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zunächst, dass das Bundesverfassungsgericht als unabhängige Instanz grundsätzlich ein äußerst geeignetes Kontrollorgan darstellt497. Nachfolgend sollen jedoch verschiedene Aspekte erörtert werden, die gegebenenfalls die Effektivität der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht beeinflussen und schwächen könnten. aa) Der Gegenstand der bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung und die einschlägigen Verfahrensarten Zunächst ist der Frage nachzugehen, was konkret zum Gegenstand einer bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung gemacht werden kann bzw. welche Verfahrensarten in Betracht kommen, um die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109, 115 GG durch das Bundesverfassungsgericht kontrollieren zu lassen498. Sofern eine mögliche Verletzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch den Haushaltsgesetzgeber einer bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden soll, bietet sich in erster Linie das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V. m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG an499. Statthafter Gegenstand eines abstrakten Normenkontrollverfahrens kann Bundes- und Landesrecht sein500, so dass ein Haushaltsgesetz einschließlich des dazugehörigen Haushaltsplans einer abstrakten Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen werden kann501. Besteht der Verdacht, dass eine gesetzliche Kreditaufnahmeermächtigung die Grenzen des Art. 109 Abs. 3, 497 Vgl. hierzu beispielsweise Eckardt, die betont, dass die „stärkste Bindungswirkung“ von einer „Kontrolle durch die unabhängige Gerichtsbarkeit“ ausgehe: Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (386). 498 Ein umfassender Überblick über die verschiedenen, vorliegend in Betracht kommenden Verfahrensarten findet sich unter anderem bei Mayer: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (301 ff.). Ergänzend ist mit Blick auf die Länder der folgende Aspekt zu erwähnen: Soweit es um die Einhaltung der auf Länderebene normierten Schuldenregelungen geht, kommt demgegenüber eine Kontrolle durch das jeweilige Landesverfassungsgericht in Betracht. 499 Siehe beispielsweise: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 159; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 233; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 48; Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 87 f. 500 Siehe: Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 Abs. 1 BVerfGG. Eingehend zum tauglichen Prüfungsgegenstand eines abstrakten Normenkontrollverfahrens siehe auch: Lechner/Zuck, BVerfGG Kommentar, 6. Auflage, 2011, § 76, Rn. 13 ff.; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Auflage, 2005, § 76, Rn. 15 ff. 501 Siehe etwa: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (302). So bereits zur Rechtslage vor der Föderalismusreform II: Schaefer, Das Haushaltsgesetz jenseits der Kreditfinanzierungsgrenzen, S. 49 ff.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 137; siehe auch: Heintzen, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, § 120, Rn. 55; Pünder, in: Handbuch des Staaatsrechts, Bd. 5, § 123, Rn. 24.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

115 Abs. 2 GG überschreitet und damit verfassungswidrig ist, ist somit über das abstrakte Normenkontrollverfahren die Möglichkeit einer bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle eröffnet. Hinzuweisen ist hierbei allerdings auf den nachfolgenden Aspekt: Ob eine gesetzliche Kreditaufnahmeermächtigung die Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse überschreitet und letztlich verfassungswidrig ist, beurteilt sich allein nach dem Zeitpunkt der Verabschiedung des betreffenden Gesetzes502. Überschreitungen, die sich erst nachträglich aufgrund einer ex post-Neuberechnung des zulässigen konjunkturellen Kreditspielraums ergeben, lassen demgegenüber die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Kreditaufnahmeermächtigung unberührt503; diese Abweichungen werden infolgedessen auch nicht von einer bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle erfasst504. Eine bundesverfassungsgerichtliche Überprüfung der im Rahmen des Haushaltsvollzugs erfolgten Kreditaufnahme durch die Exekutive dürfte vor allem im Wege des Organstreitverfahrens gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V. m. § 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG möglich sein505. Auch das Handeln der Exekutive kann indes nur auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit hin überprüft werden. Verfassungswidrig ist eine Kreditaufnahme im Haushaltsvollzug allein dann, wenn die Exekutive hierzu nicht gem. Art. 115 Abs. 1 GG ermächtigt worden ist; eine derartige Konstellation ist insbesondere dann gegeben, wenn die der erfolgten Kreditaufnahme zugrunde liegende gesetzliche Kreditaufnahmeermächtigung verfassungswidrig ist oder die Grenzen der gesetzlichen Kreditaufnahmeermächtigung im Haushaltsvollzug überschritten werden506. Damit erfasst die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nicht den Fall, dass eine Überschreitung der grundgesetzlichen Kreditobergrenzen erst aus einer ex-post-Korrektur des konjunkturellen Neuverschuldungsspielraums folgt507.

502 Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 160. 503 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 229. 504 Siehe hierzu: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 160. 505 Siehe beispielsweise: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566); Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 161; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 233. A.A.: Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 90 f. 506 Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 161. 507 Eine Ausnahme wird lediglich für den Fall erwogen, dass sich im Zeitpunkt der Kreditaufnahme bereits eine Verbesserung der konjunkturellen Lage und damit eine Verringerung des konjunkturellen Neuverschuldungsspielraums deutlich abgezeichnet haben. Siehe hierzu: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 161; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 230, 233.

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bb) Fehlende Antragssteller für eine Verfahrenseinleitung Besonders problematisch daran, die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht als einen wirksamen Kontrollmechanismus bezüglich der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse einzuordnen, ist, dass es vielfach gar nicht erst zur Einleitung eines entsprechenden bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens kommen wird. Entscheidend ist, dass das Bundesverfassungsgericht nicht von selbst tätig wird, sondern vielmehr nur auf Antrag eine entsprechende gerichtliche Kontrolle durchführt508. Vor allem tragen zwei Aspekte dazu bei, dass eine solche Antragsstellung häufig unterbleiben wird: Zum einen ist der Kreis der Antragsteller bzw. Initiatoren, die eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht veranlassen könnte, zu eng gezogen509. Deutlich wird dies speziell mit Blick auf das bedeutsame Verfahren der abstrakten Normenkontrolle: Bei einer abstrakten Normenkontrolle kommen als zulässige Antragssteller ausschließlich die Bundesregierung, eine Landesregierung bzw. ein Viertel der Mitglieder des Bundestages in Betracht510. Von Seiten der Bundesregierung, der die Aufstellung des Haushaltsplanes obliegt511, dürfte eine derartige Antragsstellung de facto nie zu erwarten sein512. Demnach verbleiben von den möglichen Antragsstellern einer abstrakten Normenkontrolle von vornherein nur eine Landesregierung bzw. ein Viertel der Mitglieder des Bundestages. Gerade in den Zeiten einer großen Koalition erscheint es somit möglich, dass eine Antragsstellung an das Bundesverfassungsgericht aus politischen Gründen so gut wie ausgeschlossen ist; im Falle derartiger Mehrheitsverhältnisse könnte den Oppositionsparteien gegebenenfalls weder eine von ihnen geführte

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Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (397). Ausführlich zu den möglichen Anstragstellern der in Betracht kommenden Verfahrensarten, teilweise noch in Bezug auf die vor der Föderalismusreform II bestehende Rechtslage, siehe: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 71 ff.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 135 ff. Soweit sich die Ausführungen noch auf die bisherige Rechtslage beziehen, sind diese Ergebnisse weitgehend unproblematisch auf die gegenwärtige Rechtslage zu übertragen. Die im Bereich der „formellen Justiziabilität“ bestehenden Probleme der verfassungsgerichtlichen Kontrolle wurden im Rahmen der Föderalismusreform II im Wesentlichen nicht behoben. Siehe hierzu: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 186; kritisch ebenfalls: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 395 f. 510 Siehe: Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass mit Wirkung zum 1. Dezember 2009 eine Änderung bezüglich der Antragsberechtigung vorgenommen worden ist: Bislang bedurfte es eines Drittels und nicht eines Viertels der Mitglieder des Bundestags für eine entsprechende Antragsstellung. Zur Änderung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG siehe: Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Arikel 23, 45 und 93) vom 8. Oktober 2008, BGBl. I, S. 1926. 511 Zu dem unbestrittenenen Recht der Bundesregierung zur Budgetinitiative siehe beispielsweise: Heintzen, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, § 120, Rn. 61 ff. 512 Siehe beispielsweise: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 73. 509

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Landesregierung noch das erforderliche Quorum von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages zur Verfügung stehen513. Zum anderen ist zu befürchten, dass selbst bei einer bestehenden Antragsberechtigung auf Seiten der Oppositionsparteien das Interesse an einer bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle in vielen Fällen sehr gering ist514: Da Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht häufig einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, bedeutet selbst ein Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht für die Opposition regelmäßig keinen „schnellen, für sie verwertbaren Erfolg“ 515. Darüber hinaus wird die Opposition berücksichtigen, dass die durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise gezogenen Grenzen in Zukunft sie selber treffen und in ihrem Neuverschuldungsspielraum begrenzen könnten516. Die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht weist demnach für die Opposition eine gewisse „Zweischneidigkeit“ auf517. Wie die vorstehenden Ausführungen deutlich gemacht haben, ist es somit keineswegs gesichert, dass das Bundesverfassungsgericht überhaupt die Möglichkeit erhalten wird, die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu kontrollieren. cc) Justiziabilität: Ausreichende Kontrolldichte? Die Effektivität der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts hängt ferner maßgeblich von der Frage der Justiziabilität ab518. Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, ob bzw. wie intensiv das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse überhaupt kontrollieren kann. 513 So Lenz/Burgbacher, die sich in diesem Zusammenhang jedoch auf das damals noch erforderliche Quorum von einem Drittel der Mitglieder des Bundestags beziehen: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566). Inzwischen hat sich allerdings auch die politische Lage gewandelt: Konkret gibt es seit 2011 eine von den Grünen geführte Landesregierung in Baden-Württemberg. Somit erscheint nunmehr in den Zeiten einer großen Koalition zwischen CDU und SPD eine Antragsstellung durch eine „oppositionelle Landesregierung“ nicht zwingend ausgeschlossen. 514 Siehe hierzu: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (397 f.); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 186; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 138, 143 ff.; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 159; Engels/Hugo, DÖV 2007, 445 (453). 515 Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (397 f.); siehe auch: Wieland, KritV 2008, 117 (126). 516 Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (398); Wieland, KritV 2008, 117 (126 f.); Wieland, JZ 2006, 751 (753 f.); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 73 f.; Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 149; siehe auch: Höfling/Rixen, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar GG, 106. Erg.-Lfg., 2003, Art. 115, Rn. 99. 517 Waldhoff, JZ 2008, 200 (201). 518 Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (396).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass die Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse für den Bund in Art. 109 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 115 Abs. 2 GG vollständig justiziabel sind519. Im Detail ist allerdings fraglich, wie weit die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolldichte reicht. Bezüglich der bisherigen grundgesetzlichen Schuldenregelung des Art. 115 Abs. 1 S. 2 GG a. F. hatte das Bundesverfassungsgericht eine „deutliche richterliche Zurückhaltung bei der Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale“ an den Tag gelegt520. Im Zuge der Föderalismusreform II dürfte hier ein gewisser Wandel eingetreten sein: Wie bereits dargelegt worden ist, sind die im Grundgesetz normierten Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung durch die Einführung der neuen Schuldenbremse an vielen Stellen bedeutend konkreter und restriktiver ausgestaltet worden521. Deutlich wird dieser Entwicklungsschritt vor allem mit Blick auf den zulässigen konjunkturellen Neuverschuldungsspielraum: So ist die bisherige, überaus problematische Ausnahmeregelung, die an eine „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ anknüpfte, nunmehr durch die bedeutend präziser und enger gefasste, stärker verrechtlichte Konjunkturkomponente der Art. 109 Abs. 3 S. 2 1. HS, 115 Abs. 2 S. 3 GG ersetzt worden522. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolldichte bezüglich der grundgesetzlichen Schuldenbremse gegenüber der bisherigen Rechtslage erhöht worden ist523. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dem Haushaltsgesetzgeber an vielen Stellen weiterhin ein bedeutsamer Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum verbleibt. Dies gilt etwa für die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen524; betroffen ist aber auch die Konjunkturkomponente, deren Berechenbarkeit gerade von Prognosen und Schätzungen bezüglich der bestehenden Produktionslücke und Budgetsensitivität ab519 Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 76; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 234; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 48. 520 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 234. Eingehend hierzu: Simon, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 167 (169 ff.). 521 Siehe hierzu: Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 76; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 48; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 234. Siehe hierzu auch die obige Darstellung der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse einschließlich der historischen Einordnung ihrer Komponenten: 2. Teil § 2 B. 522 Seiler, JZ 2009, 721 (723). Kube spricht in diesem Zusammenhang von einer gesteigerten „Berechenbarkeit“ der reformierten Kreditobergrenzen: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 234. 523 So auch: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (301). 524 Hierzu beispielsweise: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 138, 146; Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 38, 40, 43; Ohler, DVBl 2009, 1265 (1272).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

hängt525. Somit beschränkt sich die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zumindest punktuell auf eine reine Vertretbarkeitskontrolle526. dd) Zwischenergebnis Die Kontrolle der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsgericht weist durchaus bedeutsame Lücken auf, so dass sich berechtigte Zweifel an einer Einordnung als effektiver Kontrollmechanismus ergeben. b) Wirksame Kontrolle durch das Kontrollkonto für den Bund Auf der Suche nach einem wirksamen Kontrollmechanismus bezüglich der Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenregelungen kommt ferner das in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vorgesehene Kontrollkonto für den Bund in Betracht. Auf den ersten Blick erscheint das Kontrollkonto als außerordentlich geeignetes Kontrollinstrument. Auf dem Kontrollkonto werden alle – positiven ebenso wie negativen – Abweichungen der im Haushaltsvollzug erfolgten Neuverschuldung von den durch die Schuldenbremse gezogenen Neuverschuldungsgrenzen verbucht527. Besonders vorteilhaft erscheint, dass das Kontrollkonto sämtliche Konstellationen erfasst, in denen es zu einer Nichteinhaltung bzw. einer Überschreitung der Kreditobergrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse kommen kann; so werden Abweichungen etwa unabhängig davon erfasst, ob diese auf ein verfassungsmäßiges oder verfassungswidriges Handeln der Legislative bzw. Exekutive zurückzuführen sind528: Auf dem Kontrollkonto finden zum einen solche Überschreitungen Berücksichtigung, die nicht als verfassungswidrig einzustufen sind, da sie sich erst aus einer ex-post-Betrachtung bzw. aus einer nachträglichen Korrektur des bei der Haushaltsaufstellung ermittelten, zulässigen konjunkturellen Neuverschuldungsspielraums ergeben. Zum anderen werden auf dem Kontrollkonto aber auch Überschreitungen infolge einer verfassungswidri525 Hierzu beispielsweise: Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, Supplementum 2010, Art. 115, Rn. 34; eingehend: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (275 ff.); Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (404 ff.). 526 So beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 234; Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 160. An welchen Stellen konkret eine vollständige und an welchen lediglich eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit anzunehmen ist, ist im Detail umstritten. Eingehend zur Justiziablität: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (393 ff.); Simon, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 167 (175 ff.). 527 Zum Wirkungsmechanismus des Kontrollkontos siehe oben: 2. Teil § 2 B. III. 5. 528 Siehe beispielsweise: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 169, 232.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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gen Kreditaufnahme verbucht; erfasst werden somit insbesondere die Fälle, in denen die im Haushaltsvollzug erfolgte Kreditaufnahme bereits auf einer verfassungswidrigen Kreditermächtigung beruht oder in denen die tatsächlich erfolgte Kreditaufnahme die gesetzliche Kreditermächtigung überschreitet529. Doch auch wenn das Kontrollkonto für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG zunächst den Eindruck eines effektiven Kontrollmechanismus erweckt, sprechen zwei gravierende Einwände gegen eine derartige Annahme. Kritisch zu sehen ist, dass auf dem Kontrollkonto lediglich Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der sich aus Art. 115 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG ergebenden Kreditaufnahmegrenze verzeichnet werden530. Damit ist ein gewichtiger Bereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse, die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen, von vornherein dem Anwendungsbereich des Kontrollkontos entzogen. Diese Ausklammerung ist zwar dadurch zu erklären, dass für die genannte Ausnahmebestimmung ausdrücklich eine separate Tilgungs- und Rückführungsverpflichtung normiert worden ist531. Dennoch erweist sie sich in dem vorliegenden Kontext als bedenklich: Das Kontrollkonto kann mithin keinen Aufschluss darüber geben, ob eine erfolgte Kreditaufnahme die nach der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen zulässige Höhe überschritten hat532 bzw. ob die aufgenommenen Kredite entsprechend der explizit normierten Tilgungsverpflichtung auch wieder ordnungsgemäß zurückgeführt worden sind. Eine umfassende Überwachung, dass sämtliche Vorgaben und Grenzen der grundgesetzlichen Schuldenregelungen tatsächlich eingehalten werden, gewährleistet das Kontrollkonto für den Bund im Ergebnis nicht. Der schwerwiegendste Einwand dagegen, das Kontrollkonto als einen effektiven Kontrollmechanismus für die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenregelungen einzuordnen, besteht allerdings darin, dass die Führung dieses Kontrollkontos gerade nicht einer unabhängigen Instanz obliegt: Das Kontrollkonto

529 Siehe hierzu auch: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 126. Eingehend zu der Fragestellung, ob auf dem Kontrollkonto „verfassungsmäßige“ ebenso wie „verfassungswidrige“ Kredite erfasst werden, siehe auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 327 f. 530 Dies lässt sich bereits dem eindeutigen Wortlaut des Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG entnehmen. 531 Siehe hierzu bereits oben: 2. Teil § 2 B. III. 5. a). 532 Eine konkrete Begrenzung der Höhe einer auf die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen gestützten Kreditaufnahme ist dem Wortlaut des Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG zunächst nicht zu entnehmen. Allerdings wird angenommen, dass Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG nur in dem Umfang eine Kreditaufnahme gestattet, der den durch die betreffende Notsituation ausgelösten Belastungen entspricht. Siehe hierzu etwa: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 197.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

wird ebenso wie der Bundeshaushalt als förmliches Parlamentsgesetz und somit durch den Haushaltsgesetzgeber selbst geführt533. Inwieweit vor diesem Hintergrund das Kontrollkonto als zuverlässiger Kontrollmechanismus für die Einhaltung der Schuldenbremse klassifiziert werden kann, erscheint zweifelhaft. Es ist beispielsweise wenig wahrscheinlich, dass der Haushaltsgesetzgeber Überschreitungen der grundgesetzlichen Neuverschuldungsgrenzen, die auf eine von ihm selbst erlassene, verfassungswidrige Kreditermächtigung zurückzuführen sind, als solche erkennen und ordnungsgemäß verbuchen wird. Folglich ist in dem durch Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG eingeführten Kontrollkonto für den Bund kein ausreichender Kontrollmechanismus für die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Haushaltspraxis zu sehen. c) Wirksame Kontrolle durch den Stabilitätsrat im Rahmen des Frühwarnsystems zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen Zuletzt ist zu klären, ob möglicherweise das in Art. 109a GG vorgesehene Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen die Anforderungen an einen wirksamen Überwachungs- bzw. Kontrollmechanismus bezüglich der Einhaltung der Schuldenbremse erfüllt. Eine genauere Untersuchung ergibt allerdings, dass es sich auch bei diesem Verfahren nur um den „halbherzige[n]“ 534 Ansatz eines Kontrollmechanismus handelt. Auf den ersten Blick könnte man durchaus zu der Annahme einer Kontrollfunktion des Stabilitätsrates bezüglich der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse kommen: Die zentrale Aufgabe des Stabilitätsrates besteht nach Art. 109a GG i.V. m. §§ 2 S. 1, 3 Abs. 1 StabiRatG unter anderem darin, die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern fortlaufend bzw. regelmäßig zu überwachen535. Im Rahmen dieser fortlaufenden bzw. regelmäßigen Haushaltsüberwachung finden gem. § 3 Abs. 2 StabiRatG jährliche Beratungen des Stabilitätsrates über die Haushaltslage des Bundes sowie der einzelnen Bundesländer statt; die entscheidende Grundlage dieser Beratungen bildet ein Bericht der betreffenden Gebietskörperschaft, der unter anderem Angaben zu der „Einhaltung der verfassungsmäßigen Kreditaufnahmegrenzen“ zu enthalten hat536. Demnach ist davon auszugehen, dass sich der Stabilitätsrat im Rahmen des in Art. 109a GG vorgesehenen Verfahrens zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen durchaus mit

533 Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 115, Rn. 44; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 169, Fußnote 3; Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 84. 534 So etwa: Katz, VBlBW 2012, 41 (48). 535 Zum Stabilitätsrat und seinen Aufgaben siehe auch oben: 2. Teil § 2 B. V. 1. 536 Vgl.: § 3 Abs. 2 S. 2 StabiRatG.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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Fragen zur Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse beschäftigen wird. Bei näherer Betrachtung überwiegen indes die Bedenken daran, dass das durch Art. 109a GG eingeführte Verfahren allen Anforderungen an einen ausreichenden Kontrollmechanismus entspricht: Zum einen wird man von einem effektiven Kontrollverfahren nur dann sprechen können, wenn eine zielorientierte Überprüfung stattfindet und am Ende ein klares Ergebnis bezüglich der Einhaltung oder Nichteinhaltung der grundgesetzlichen Schuldenregelungen im Rahmen der Haushaltsaufstellung bzw. des Haushaltsvollzugs vorliegt. Im Mittelpunkt des Frühwarnsystems des Art. 109a GG steht allerdings im Wesentlichen die Überprüfung der Haushaltslage von Bund und Länder auf der Grundlage festgesetzter Kennziffern sowie die Beschlussfassung darüber, ob eine drohende Haushaltsnotlage besteht537. Die Einhaltung der Schuldenbremse spielt demgegenüber lediglich die Rolle eines möglichen Beratungsgegenstands des Stabilitätsrates. Eine klare Aufgabe dahingehend, die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch Bund und Länder zu kontrollieren und gegebenenfalls eine Nichteinhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Verschuldungsgrenzen festzustellen, ist dem Stabilitätsrat nicht übertragen worden538; weder in Art. 109a GG noch in dem hierzu erlassenen Stabilitätsratsgesetz wird ausdrücklich eine Beschlussfassung des Stabilitätsrates über die Wahrung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch den Bund bzw. die Länder gefordert. Zum anderen bestehen Bedenken gegen die Eigenschaft des Stabilitätsrates als unabhängige Kontrollinstanz. Bei dem Stabilitätsrat handelt es sich um ein „rein politisches Gremium“ 539, das sich aus den zuständigen und verantwortlichen Fachministern von Bund und Ländern zusammensetzt540. Durch diese Besetzung wird vor allem demokratischen Legitimationsanforderungen Rechnung getragen541; die Eignung des Stabilitätsrates als unabhängiges Kontrollorgan wird hierdurch allerdings grundlegend in Frage gestellt. Zwar kommt dem Stabilitätsrat als Gesamtorgan eine unabhängige Stellung zu; er ist insbesondere nicht an 537 Siehe hierzu § 4 StabiRatG, der die Prüfung einer drohenden Haushaltsnotlage sowie eine Beschlussfassung des Stabilitätsrates über das Bestehen einer drohenden Haushaltsnotlage vorsieht. 538 Ebenso: Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (384). 539 Korioth, JZ 2009, 729 (734). 540 Die konkrete Besetzung des Stabilitätsrates ergibt sich aus § 1 Abs. 1 StabiRatG. Danach gehören dem Stabilitätsrat der Bundesminister für Finanzen, die für Finanzen zuständigen Landesminister sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie an. 541 Hierzu beispielsweise: Kemmler, DÖV 2009, 549 (552); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 337. Vgl. auch: Härtel, JZ 2008, 437 (439). Kritisch demgegenüber: Thye, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 223 (228 ff., vor allem 236 ff.).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Weisungen der Bundes- und Länderregierungen gebunden542. Seine Mitglieder sind jedoch „alle potenziell selbst von den Beschlüssen des Rates negativ betroffenen Akteure“ 543. Konkret ist somit ein kollusives Zusammenwirken zu erwarten. Die Mitglieder des Stabilitätsrates werden voraussichtlich einen schonenden Umgang untereinander an den Tag legen, da sie gegebenenfalls selbst entsprechende Vorhaltungen fürchten müssen544. Abschließend ist festzustellen, dass mit dem neuen Verfahren des Art. 109a GG kein ausreichender Mechanismus zur Kontrolle der Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse geschaffen worden ist. d) Zwischenergebnis An verschiedenen Stellen sind Ansätze potenzieller Kontrollmechanismen vorhanden; so sind etwa die Möglichkeiten einer bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle, das Kontrollkonto für den Bund sowie das Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen vor dem Stabilitätsrat zu nennen. Im Ergebnis vermag aber keiner dieser Ansätze die Anforderungen an einen wirksamen Kontrollmechanismus bezüglich der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu erfüllen. 3. Wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenregelungen Für die Durchsetzbarkeit ist ferner von entscheidender Bedeutung, dass die auf die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenregelungen gerichteten Kontrollmechanismen gegebenenfalls durch wirksame Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung ergänzt werden. Was im Einzelnen für die Wirksamkeit einer Sanktion von Bedeutung sein kann, wurde oben bereits näher dargelegt545. a) Wirksame Sanktionen durch das Bundesverfassungsgericht Festgestellt wurde bereits, dass nach der gegenwärtigen Rechtslage eine ausreichende Überwachung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsgericht nicht gewährleistet ist546. Soweit es zu einer bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle kommt, ist allerdings zu klären, ob bzw. 542 Hierzu: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 2013, Art. 109a, Rn. 21. 543 Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (385). 544 Ekardt/Buscher, AöR 137 (2012), 42 (59). Siehe auch: Thye, in: Staatsverschuldung in Deutschland nach der Föderalismusreform II – Eine Zwischenbilanz, 223 (226 f.); Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (385). 545 Siehe hierzu oben: 4. Teil § 3 G. I. 2. 546 Siehe hierzu oben unter: 4. Teil § 3 G. II. 2. a).

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

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inwieweit ein festgestellter Verstoß gegen die grundgesetzliche Schuldenbremse am Ende des Verfahrens eine wirksame Sanktion nach sich zieht. Untersucht man diese Fragestellung mit Blick auf die bedeutsame Konstellation, dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens die Nichteinhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse durch den Haushaltsgesetzgeber überprüft, so lassen sich im Wesentlichen die nachfolgenden Anmerkungen treffen: Stellt das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungswidrigkeit des Haushaltsgesetzes bzw. der gesetzlichen Kreditermächtigung547 fest, so steht am Ende eines abstrakten Normenkontrollverfahrens grundsätzlich nur eine entsprechende Nichtigkeitserklärung548. Die Verhängung spezieller, insbesondere finanzieller Sanktionen durch das Bundesverfassungsgericht als Reaktion auf eine derartige Verletzung der im Grundgesetz normierten Neuverschuldungsgrenzen ist demgegenüber nicht vorgesehen. Allein darin, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergeht und im Falle der Verfassungswidrigkeit die Nichtigkeit des Haushaltsgesetzes bzw. der gesetzlichen Kreditermächtigung erklärt wird, wird man keine ausreichend wirksame Sanktion sehen können. Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen erfahrungsgemäß erst mit einem bedeutenden zeitlichen Abstand, oft von mehreren Jahren549, trifft. Normalerweise ist davon auszugehen, dass der Haushalt im Zeitpunkt der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung „bereits vollzogen“ worden ist und dass sich folglich aus einer Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht ge-

547 Ob die Verfassungswidrigkeit gegebenenfalls das gesamte Haushaltsgesetz oder lediglich die gesetzliche Kreditermächtigung erfasst, ist umstritten. Für eine Verfassungswidrigkeit des gesamten Haushaltsgesetzes: Neidhardt, Staatsverschuldung und Verfassung, S. 155 f.; Schaefer, Das Haushaltsgesetz jenseits der Kreditfinanzierungsgrenzen, S. 36 f.; Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 229. Für die Verfassungswidrigkeit lediglich der gesetzlichen Kreditermächtigung: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (294). 548 Dass die Nichtigkeitserklärung die typische Rechtsfolge eines abstrakten Normenkontrollverfahrens ist, in dem die Verfassungswidrigkeit einer Norm festgestellt wird, ergibt sich konkret aus § 78 BVerfGG. Gelegentlich verzichtet das Bundesverfassungsgericht allerdings auch auf eine Nichtigkeitserklärung und wählt eine alternative Tenorierung; beispielsweise wird eine verfassungswidrige Norm nur als unvereinbar mit der Verfassung erklärt. Eingehend zu den Tenorierungsformen: Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 378 ff. Speziell zur Unvereinbarerklärung siehe beispielsweise: Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Auflage, 2005, § 78, Rn. 57 ff.; Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 538 ff.; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 394 ff.; Kreutzberger, Die gesetzlich nicht geregelten Entscheidungsvarianten des Bundesverfassungsgerichts, S. 103 ff. 549 So erging die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt 1981 erst im Jahr 1989 (BVerfGE 78, 311), die zum Haushalt 2004 erst im Jahr 2007 (BVerfGE 119, 96). Siehe hierzu: Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566 f., einschließlich Fußnote 40).

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

rade „keine praktischen Auswirkungen“ für den Haushaltsvollzug mehr ergeben können550. Folglich werden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts darüber, ob es im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung zu einem Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gekommen ist, in der Regel deutlich zu spät ergehen und selbst im Falle einer festgestellten Verfassungswidrigkeit „folgenlos“ bleiben551. Die einzige Folge, die sich aus einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung ergeben kann, ist in einem möglichen Ansehensverlust zu sehen. Die Wirksamkeit einer derartigen, allein die Reputation betreffenden Sanktion ist allerdings bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus als gering einzustufen552. Häufig werden die für die Nichteinhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse verantwortlichen Entscheidungsträger im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr im Amt sein553 und folglich die als Sanktion in Betracht kommende Ansehensschädigung nicht als abschreckend empfinden. Als weitere Sanktion, die im Zusammenhang mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts drohen könnte, kommt nur die Möglichkeit einer „indirekte[n] ,Bestrafung‘ durch die Wähler“ 554 in Betracht. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine „außerjuristisch[e] “ Sanktion555, deren Bedeutung nicht überschätzt werden darf. Nicht zuletzt durch den zeitlichen Abstand, mit dem die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts normalerweise ergehen, wird die Wahrscheinlichkeit eines sanktionierenden Wählervotums minimiert556. Am Ende eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht stehen somit keine wirksamen Sanktionen. Wird durch das Bundesverfassungsgericht gegebenenfalls eine Verletzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse festgestellt, so 550

Hierzu: Tappe, DÖV 2009, 881 (890). So: Tappe, DÖV 2009, 881 (890). Mayer hingegen betont, dass seit der Föderalismusreform II die Nichtigkeitserklärung von Haushaltsgesetzen „nicht wirkungslos“ sei, insbesondere weil Abweichungen von den zulässigen Kreditobergrenzen für den Bund auf dem Kontrollkonto zu verbuchen und gegebenenfalls zurückzuführen seien. Siehe: C. Mayer, AöR 136 (2011), 266 (297). Die Verbuchungen auf dem Kontrollkonto mit der hieran anknüpfenden Tilgungspflicht erfolgen allerdings an sich unabhängig von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und sind somit auch separat als möglicher Sanktionsmechanismus zu untersuchen. Hierzu siehe unten: 4. Teil § 3 G. II. 3. b). 552 Siehe hierzu die oben bereits erwähnten Leitlinien und Kriterien des Sachverständigenrats: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 111. 553 So beispielsweise bei den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Jahre 1989 und 2007. Vgl. Lenz/Burgbacher, NJW 2009, 2561 (2566 f., einschließlich Fußnote 40). 554 So die Bezeichnung von Scholl: Scholl, DÖV 2010, 160 (164). 555 So: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 70, Fußnote 276. 556 Vgl. die Ausführungen von Scholl zu der bisherigen Rechtslage: Scholl, DÖV 2010, 160 (164). Ebenfalls kritisch: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 64. 551

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

331

ist allein eine sehr eingeschränkte Sanktionswirkung durch Reputationsverlust der verantwortlichen politischen Entscheidungsträger zu erwarten. b) Wirksame Sanktionen im Zusammenhang mit dem Kontrollkonto Zu untersuchen ist ferner, ob im Zusammenhang mit dem Kontrollkonto Sanktionen für den Fall einer Nichteinhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenregelungen vorgesehen sind. Als mögliche Sanktion könnte die im Grundgesetz vorgesehene und durch § 7 G 115 weiter konkretisierte Rückführungsverpflichtung hinsichtlich des auf dem Kontrollkonto angesammelten Defizits einzuordnen sein. Gegen den Sanktionscharakter dieser Rückführungsverpflichtung spricht zunächst die extrem weiche und unbestimmte Ausgestaltung dieser im Grundgesetz normierten Tilgungsverpflichtung557: Zum einen entsteht eine Rückführungsverpflichtung nach den im Grundgesetz formulierten Vorgaben erst dann, wenn der auf dem Kontrollkonto bestehende negative Saldo einen Grenzwert von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Zum anderen enthält Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG lediglich die Verpflichtung, das angesammelte Defizit ohne nähere zeitliche Begrenzung „konjunkturgerecht zurückzuführen“. Zieht man allerdings die einfachgesetzliche Konkretisierung dieser Rückführungsverpflichtung in § 7 G 115 hinzu, die unter bestimmten, näher festgelegten Voraussetzungen558 die quasi automatische Verringerung des im nächsten Haushaltsjahr zur Verfügung stehenden Neuverschuldungsspielraums vorschreibt559, so könnte man in diesem Automatismus und seinen finanziellen Konsequenzen durchaus eine wirksame Sanktion sehen. Gegen diese Thesen sind jedoch zwei zentrale Einwände vorzubringen: Erstens ist zu bedenken, dass die Rückführungsverpflichtung bezüglich der auf dem Kontrollkonto angesammelten und die festgesetzte Grenze überschreitenden Defizite immer erst in dem jeweils darauffolgenden Haushaltsjahr eingreift560. Gegebenenfalls trifft die Rückführungsverpflichtung bezüglich des auf dem Kontrollkonto bestehenden negativen Saldos folglich nicht mehr die politisch Verant557 Zu der weichen und unbestimmten Ausgestaltung der Rückführungsverpflichtung in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG siehe auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 187. 558 Gem. § 7 Abs. 3 G 115 tritt die automatische Verringerung des Neuverschuldungsspielraums nur dann ein, wenn das Defizit auf dem Kontrollkonto die Grenze von 1 % des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Zudem wird dieser Automatismus der Höhe nach auf maximal 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts sowie auf Jahre mit einer positiven Veränderung der Produktionslücke begrenzt. 559 Zu dem (quasi) automatischen Eintritt dieser Rechtsfolge: Schmidt, DVBl 2009, 1274 (1281); Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 323. 560 Siehe insbesondere die Bestimmung des § 7 Abs. 3 G 115: Hiernach verringert sich ausdrücklich „jeweils im nächsten Jahr“ die Kreditermächtigung um den die Grenze von 1 % des Bruttoinlandsprodukts überschreitenden Betrag.

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

wortlichen, sondern bereits die Nachfolger. Für das Bestehen der Tilgungsverpflichtung ist dieser Aspekt allerdings bedeutungslos. Hieraus lässt sich ableiten, dass mit der in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG normierten Pflicht zur Tilgung der auf dem Kontrollkonto angesammelten Defizite gerade keine sanktionierende Zwecksetzung verfolgt wird. Tatsächlich ist es das alleinige Ziel dieser Tilgungsverpflichtung – unabhängig von einer möglicherweise bestehenden politischen Verantwortlichkeit – erhebliche und dauerhafte Überschreitungen der im Grundgesetz normierten Neuverschuldungsgrenzen zu verhindern561. Besonders zweifelhaft wird der Sanktionscharakter vor dem folgenden Hintergrund: Wie bereits dargelegt wurde, erfolgen die Belastungen auf dem Kontrollkonto unabhängig davon, ob den Überschreitungen ein verfassungswidriges oder verfassungsgemäßes Handeln der Legislative oder Exekutive zugrunde liegt; unter anderem werden auf dem Kontrollkonto auch solche negativen Abweichungen von den im Grundgesetz verankerten Neuverschuldungsgrenzen verbucht, die sich erst im Laufe des Haushaltsjahres aus einer Verbesserung der konjunkturellen Lage ergeben und erst durch eine ex-post-Neuberechnung des konjunkturellen Neuverschuldungsspielraums offengelegt werden562. Gegebenenfalls kann die genannte Tilgungsverpflichtung somit auch durch verfassungsmäßige und nicht vermeidbare Überschreitungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse ausgelöst werden. Ein sanktionierendes Eingreifen macht in diesen Fällen allerdings keinen Sinn; insbesondere kann eine Sanktion unter diesen Voraussetzungen nicht die gewünschte präventive und abschreckende Wirkung entfalten. Umgekehrt löst eine verfassungswidrige Kreditaufnahme und vorsätzliche Überschreitung der grundgesetzlichen Neuverschuldungsgrenzen die genannte Tilgungsverpflichtung nicht aus, solange der festgesetzte Schwellenwert von 1 bzw. 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts nicht überschritten wird. Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass der Tilgungsverpflichtung keine sanktionierende Zielsetzung zugrunde liegt. Auch mit Blick auf das Kontrollkonto fehlt es demnach an einem wirksamen Sanktionsmechanismus, durch den ein effektiver Anreiz gegen bewusste Überschreitungen der Schuldenbremse gesetzt wird563. c) Wirksame Sanktionen durch den Stabilitätsrat Zuletzt ist zu klären, ob im Zusammenhang mit dem Frühwarnsystem des Art. 109a GG wirksame Sanktionen für den Fall einer Nichteinhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse vorgesehen sind. Im Ergebnis ist diese Frage zu verneinen: Wie im Zusammenhang mit den Kontrollmechanismen dargelegt worden ist, fällt es nicht einmal in den konkreten 561 562 563

Vgl. die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 12 f. Siehe hierzu die obigen Ausführungen: 4. Teil § 3 G. II. 2. b). Im Ergebnis ähnlich: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 188.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

333

Aufgabenbereich des Stabilitätsrates, die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu kontrollieren und gegebenenfalls eine Verletzung durch den Bund bzw. ein Bundesland festzustellen564. Dementsprechend sind auch keine hieran anknüpfenden Sanktionen vorgesehen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Stabilitätsrat selbst innerhalb der ihm zugewiesenen Aufgaben nicht über effektive Sanktionsmöglichkeiten verfügt: Wird beispielsweise vom Stabilitätsrat ein Sanierungsverfahren durchgeführt und erweisen sich die von der betroffenen Gebietskörperschaft ergriffenen Sanierungsmaßnahmen als unzureichend, so kann der Stabilitätsrat lediglich mit Aufforderungen und Ermahnungen sowie mit der Vereinbarung eines neuen Sanierungsprogramms reagieren565; weitergehende Sanktions- und Eingriffsbefugnisse stehen ihm nicht zur Verfügung566. Zusammenfassend ergibt sich, dass auch innerhalb des Frühwarnsystems zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen keine wirksamen Sanktionsmechanismen gegen die Nichteinhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse normiert worden sind. d) Zwischenergebnis Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für den Bund lässt ein effektives Sanktionsregime vermissen, das ihre Einhaltung sichert. Eine geringfügige Sanktionswirkung kann sich lediglich aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, durch das ein Verstoß gegen die grundgesetzliche Schuldenbremse festgestellt wird567. Da die Durchsetzbarkeit ein zentrales Merkmal idealer fiskalpolitischer Regelungen ist und auf das Bestehen eines wirksamen Sanktionsregimes angewiesen ist, kann sich dieser herausgearbeitete Mangel letztlich als „Achillesferse“ 568 der reformierten Schuldenregelungen des Grundgesetzes herausstellen. III. Zwischenergebnis Insgesamt ist zu dem Merkmal der Durchsetzbarkeit, dem vielleicht die größte Bedeutung im Zusammenhang mit der Wirksamkeit fiskalpolitischer Regelungen zukommt, festzuhalten, dass gerade unter diesem Gesichtspunkt eine besondere Reformbedürftigkeit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse besteht. 564

Siehe hierzu oben: 4. Teil § 3 G. II. 2. c). Siehe: § 5 Abs. 3 und 4 StabiRatG. 566 Ekardt/Buscher, AöR 137 (2012), 42 (59); Kemmler, DÖV 2009, 549 (552); Häde, AöR 135 (2010), 541 (570); Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (385); kritisch hierzu vor allem: Korioth, JZ 2009, 729 (735). 567 Im Ergebnis ähnlich: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 264. 568 Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 264. 565

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

Zwar ist eine erschwerte Abänderbarkeit der zentralen Bestimmungen der Schuldenbremse gewährleistet; mit Blick auf die genannten Anforderungen an das Bestehen eines wirksamen Kontrollmechanismus sowie eines effektiven Sanktionssystems sind allerdings gravierende Unzulänglichkeiten zu konstatieren569.

H. „Effizient“ An letzter Stelle des von Kopits und Symansky entwickelten Kriterienkatalogs steht das Merkmal der Effizienz570. I. Bedeutung und Funktion dieses Merkmals Konkret führen Kopits und Symansky unter dem Merkmal „effizient“ aus, dass eine fiskalpolitische Regelung nur dann über einen längeren Zeitraum Bestand haben könne, wenn sie zugleich von wirksamen politischen Reformmaßnahmen begleitet und unterstützt werde. Entscheidend sei, dass grundlegende finanzbzw. wirtschaftspolitische Reformen durchgeführt würden, die die dauerhafte Einhaltung der jeweiligen Regelung auch in Zukunft sicherstellten. In diesem Kontext warnen Kopits und Symansky insbesondere vor Maßnahmen mit einmaliger Wirkung, durch die sich lediglich vorübergehend die Einhaltung eines bestimmten Haushaltsziels erreichen lasse: Derartige Schritte könnten nur der temporären Überbrückung dienen, auf längere Sicht bedürfe es hingegen tiefgreifender und grundlegender Reformen, um den dauerhaften Erfolg einer fiskalpolitischen Regelung zu gewährleisten571. Die Funktion, die dem Merkmal der Effizienz für die Wirksamkeit fiskalpolitischer Bestimmungen zukommt, besteht somit zusammenfassend darin, die langfristige Einhaltung dieser Regelungen abzusichern. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Kriterium „effizient“ eine gewisse Sonderstellung innerhalb des von Kopits und Symansky formulierten Bewertungsmaßstabs einnimmt: Wie sich den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt, werden unter dem Merkmal „effizient“ keine spezifischen Anforderungen an die Ausgestaltung von Schuldenregelungen formuliert, sondern vielmehr effiziente begleitende und unterstützende Reformmaßnahmen gefordert. Allerdings betonen Kopits und Symansky, dass fiskalpolitische Regelungen wiederum als 569 So beispielsweise auch Eckardt, die in den „immer noch unzureichend ausgeprägten Umsetzungs-, Kontroll- und Sanktionsmechanismen“ eine Schwachstelle der deutschen Schuldenbremse sieht: Eckardt, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 369 (386). Ähnlich auch Katz, der von „etwas halbherzigen Kontroll- und Sanktionsmechanismen“ spricht: Katz, VBlBW 2012, 41 (48). 570 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. 571 Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19.

§ 3 Kritische Analyse anhand des festgelegten Bewertungsmaßstabs

335

„Katalysator“ für die Umsetzung entsprechender finanz- und wirtschaftspolitischer Reformen wirken könnten572. II. Überprüfung der grundgesetzlichen Schuldenbremse anhand des Merkmals „effizient“ Eine Überprüfung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse anhand des Merkmals „effizient“ ist in Anbetracht der Sonderstellung dieses Kriteriums nur eingeschränkt möglich: Da das Merkmal der Effizienz keine präzisen Vorgaben für die Ausgestaltung einer fiskalpolitischen Regelung beinhaltet, scheidet zumindest auf den ersten Blick eine eingehende Untersuchung der Schuldenbremse auf der Grundlage dieses Merkmals aus. Bezieht man über die konkrete Ausgestaltung des Regelungskonzepts der Schuldenbremse hinaus allerdings Hintergrundinformationen über die Finanzlage der öffentlichen Haushalte in Deutschland mit in die Betrachtung ein, so lassen sich unter dem Gesichtspunkt des Merkmals „effizient“ einige bedeutende Feststellungen zu der voraussichtlichen Wirksamkeit der deutschen Schuldenbremse treffen: Die grundgesetzliche Schuldenbremse verlangt in ihrem Ausgangspunkt einen materiell ausgeglichenen Haushalt und zielt auf die Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern ab573. Wie im Zusammenhang mit dem Merkmal „adäquat“ dargelegt wurde, ist auch grundsätzlich anzunehmen, dass die durch die Schuldenbremse gezogenen Neuverschuldungsgrenzen im Falle ihrer Einhaltung und unter Zugrundelegung normaler, durchschnittlicher Wachstumsraten eine Stabilisierung, gegebenenfalls sogar eine Rückführung der Schuldenstandsquoten von Bund und Ländern bewirken werden574. Betrachtet man jedoch die tatsächliche Lage der öffentlichen Haushalte in Deutschland, so zeigt sich ein anderes Bild: Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland wird gegenwärtig durch die verschiedensten Faktoren gefährdet; das Bundesfinanzministerium nennt in seinem im Oktober 2011 veröffentlichten Dritten Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen etwa die Auswirkungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, die Herausforderungen durch den demografischen Wandel sowie sonstige Risiken, zu denen der Klimawandel und der Ausbau der Erneuerbaren Energien gezählt werden575. Nach Be572

Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 19. Zu dieser mit der Einführung der grundgesetzlichen Schuldenbremse verbundenen Zielsetzung siehe insbesondere die Ausführungen der Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12410, S. 1. 574 Siehe hierzu die obigen Ausführungen mit weiteren Nachweisen unter dem Merkmal „adäquat“: 4. Teil § 3 C. II. 1. 575 Bundesministerium der Finanzen, Dritter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Oktober 2011, S. 11 ff. 573

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4. Teil: Kritische Bewertung der deutschen Schuldenbremse

rechnungen des Sachverständigenrates liegt die Tragfähigkeitslücke der öffentlichen Finanzen bei etwa 3,1 % des Bruttoinlandsprodukts; angenommen wird, dass bis 2060 die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote bei Ausbleiben erfolgreicher Konsolidierungsbemühungen auf ungefähr 270 % des Bruttoinlandsprodukts ansteigen könnte576. Da ein derartiger Anstieg der Schuldenstandsquote – zumindest im Normalfall – bei einer Einhaltung der Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ausgeschlossen sein sollte, ist die nachstehende Feststellung unvermeidbar: Ohne wirksame finanz- und wirtschaftspolitische Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen ist eine Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für den Bund und die Länder langfristig gefährdet. Ob die bereits durchgeführten oder geplanten Reformansätze ausreichend sind, entzieht sich an der vorliegenden Stelle einer abschließenden Bewertung; das Bundesfinanzministerium jedenfalls hält weitere „erhebliche Anstrengungen“ für erforderlich577. III. Zwischenergebnis Da sich das Merkmal „effizient“ nicht auf die konkrete Ausgestaltung der fiskalpolitischen Regelung selbst bezieht, ist unter diesem Gesichtspunkt kein Nachbesserungsbedarf der grundgesetzlichen Schuldenbremse festzustellen. Erkennbar geworden ist allerdings, dass die Wirksamkeit und der langfristige Erfolg der Schuldenbremse von den finanz- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen abhängig sind und dass an dieser Stelle ein nicht unerheblicher Handlungsbedarf bestehen dürfte. Entscheidend wird somit sein, ob die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse die gewünschte „Katalysator“-Wirkung für die Durchführung effizienter Reformmaßnahmen entfalten wird.

§ 4 Abschließende und zusammenfassende Betrachtung: Ist die im Grundgesetz verankerte deutsche Schuldenbremse das Erfolgsmodell der Zukunft? Ziel der vorstehenden kritischen Analyse der im Grundgesetz normierten deutschen Schuldenbremse war es, herauszufinden, ob das im Rahmen der Föderalismusreform II eingeführte Regelungskonzept zur Begrenzung der Staatsverschuldung das gewünschte Erfolgsmodell und eine überzeugende Antwort auf die dringend zu lösende „politische Schicksalsfrage der Gegenwart“ 578 ist. Zum Ab576 Siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herausforderungen des demographischen Wandels, Mai 2011, S. 10. 577 So etwa das Fazit des Dritten Berichts zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen: Bundesministerium der Finanzen, Dritter Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Oktober 2011, S. 58. 578 Waldhoff, JZ 2008, 200 (200).

§ 4 Abschließende und zusammenfassende Betrachtung

337

schluss der vorstehenden eingehenden Untersuchung der deutschen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG ist die folgende Bilanz zu ziehen: Fest steht, dass das Modell der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht sämtlichen oben genannten Merkmalen einer idealen fiskalpolitischen Regelung vollständig und umfassend gerecht wird579. Zugleich ist aber auf den nachstehenden Gesichtspunkt hinzuweisen: Zwischen den verschiedenen oben geprüften Kriterien bestehen vielfältige Wechselbeziehungen und relevante Zielkonflikte580. Da eine vollständige Erfüllung aller Anforderungen an eine ideale fiskalpolitische Regelung unmöglich ist, lässt sich aus den festgestellten Defiziten keineswegs zwingend eine negative Bewertung des neu eingeführten Regelungssystems zur Begrenzung der Staatsverschuldung ableiten. Tatsächlich ist zu konstatieren, dass einige Schwächen, wie z. B. die unter dem Merkmal „gut definiert“ festgestellte Unbestimmtheit der vorgesehenen Ausnahmeregelungen, der Erfüllung anderer Anforderungen, beispielsweise der Herstellung der erforderlichen Flexibilität, geschuldet sind. Eine eingehende Betrachtung der oben herausgearbeiteten Mängel der grundgesetzlichen Schuldenbremse legt allerdings offen, dass sich keineswegs alle Unzulänglichkeiten auf die widersprüchlichen Anforderungen an eine ideal ausgestaltete Schuldenregelung zurückführen lassen; vielmehr wären mehrere bedenkliche Aspekte leicht und ohne Effektivitätsverluste an anderer Stelle vermeidbar gewesen. Vor diesem Hintergrund scheidet es aus, das in das Grundgesetz eingeführte Modell der deutschen Schuldenbremse als das neue „Erfolgsmodell“ zur Lösung der bestehenden Staatsschuldenproblematik zu feiern. Auch einem Export des deutschen Modells in andere Länder sollte man in Anbetracht der noch völlig unzureichenden Erfahrungsgrundlage gegenwärtig noch mit Vorsicht begegnen. Vielmehr sollte man sich bevorzugt der Fragestellung zuwenden, welche der aufgezeigten Mängel der grundgesetzlichen Schuldenbremse behoben werden können und durch welche Reformansätze zu einer weiteren Optimierung dieses Regelungsmodells beigetragen werden kann.

579 Insoweit kann auf die oben festgehaltenen Ergebnisse zu den verschiedenen geprüften Merkmalen verwiesen werden. 580 Siehe hierzu oben unter: 4. Teil § 2 A. II. 2.

5. Teil

Reformvorschläge Die obige kritische Analyse des Regelungskonzepts der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für den Bund und für die Länder hat diverse größere und kleinere Mängel offen gelegt. Um das Modell der Schuldenbremse tatsächlich zu dem gewünschten „Erfolgsmodell“ auszubauen, bedarf es somit einer weiteren Perfektionierung. Zum Abschluss der vorliegenden Untersuchung sollen demnach einige Reformvorschläge zur Behebung festgestellter Unzulänglichkeiten vorgestellt werden.

§ 1 Reformvorschlag zur Vereinfachung des Regelungsverhältnisses zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG An erster Stelle ist das komplexe Verhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG mit seiner problematischen regelungstechnischen Ausgestaltung zu vereinfachen und zu entflechten. Das unübersichtliche Regelungsgefüge zwischen den beiden zentralen Grundgesetzbestimmungen zur Schuldenbremse mit zahlreichen Wiederholungen, Dopplungen und fragwürdiger Verweisungstechnik steht in besonderer Weise einer leichten Zugänglichkeit und einfachen Verständlichkeit des zugrundeliegenden Regelungskonzepts entgegen1. Ein Reformansatz hat vor allem zwei verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: Die unmittelbar geltenden Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG sind für den Bund nicht in Art. 115 Abs. 2 GG wiederholend aufzugreifen; eine Verdopplung dieser Regelungen für den Bund in Art. 115 Abs. 2 GG ist schlicht redundant2 und damit zu streichen. Ferner sind die in Art. 109 Abs. 3 GG vorgesehenen und unter regelungstechnischen Gesichtspunkten wenig überzeugenden Ermächtigungen für den Bund zur Normierung bestimmter Ausnahmeregelungen3, von denen 1 Zum Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG siehe oben: 2. Teil § 2 B. I. Zu der Bewertung unter dem Merkmal „einfach“ siehe oben: 4. Teil § 3 E. II. 1. 2 Siehe hierzu oben: 2. Teil § 2 B. I. Siehe auch: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (401). 3 Siehe hierzu oben: 2. Teil § 2 B. I. Kritisch auch: Sacksofsky, in: Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, 393 (401).

§ 2 Reformvorschläge zu Art. 109 Abs. 3 GG

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gerade in Art. 115 Abs. 2 GG – d. h. auf derselben normhierarchischen Ebene – „Gebrauch gemacht“ worden ist, zu beseitigen; für den Bund sollten entsprechende Ausnahmeregelungen direkt in Art. 115 Abs. 2 GG, d. h. ohne Umweg über eine in Art. 109 Abs. 3 GG gewährte Option, normiert werden. Hieraus ergibt sich der folgende Reformvorschlag: In Art. 109 Abs. 3 GG sind die für den Bund und die Länder gemeinsam und unmittelbar geltenden Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu verankern, so vor allem der Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts. Darüber hinaus hat sich Art. 109 Abs. 3 GG darauf zu beschränken, speziell für die Länder den Rahmen zu bestimmen, der von diesen auf der Ebene des Landesrechts näher ausgestaltet werden kann. Die entsprechenden Regelungen für den Bund sind hingegen unmittelbar in Art. 115 Abs. 2 GG zu treffen4.

§ 2 Reformvorschläge zu Art. 109 Abs. 3 GG Ausgehend von dem gerade vorgeschlagenen modifizierten Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG, sind nachstehend Ergänzungs- und Änderungsvorschläge mit Blick auf Art. 109 Abs. 3 GG vorzustellen.

A. Festlegung einer Grenze für den gesamtstaatlichen Schuldenstand Zunächst erscheint es empfehlenswert, dass innerhalb der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse die „Scheuklappen“ 5 der Nettoneuverschuldung, die schon das vor der Föderalismusreform II bestehende Staatsschuldenrecht geprägt haben, abgelegt werden. Dementsprechend sind die grundgesetzlichen Regelungen zur Begrenzung der Neuverschuldung von Bund und Ländern durch eine Obergrenze für die Schuldenstandsquote zu ergänzen. Konkret bietet es sich an, den aus dem EU-Recht bekannten Referenzwert für den gesamtstaatlichen Schuldenstand von 60 % des Bruttoinlandsprodukts in das Begrenzungskonzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu übernehmen.

4 Anders beispielsweise der Vorschlag von Lange und Ryczewksi, die zentralen Regelungen für Bund und Länder gemeinsam in Art. 109 Abs. 3 GG zu verankern und hierbei vor allem Art. 115 Abs. 2 GG zu kürzen. Gegen diesen Ansatz spricht, dass in diesem Fall für den Bund auf der Ebene des Grundgesetzes allein die Option zur Normierung von Ausnahmeregelungen vorgesehen würde; die eigentlichen Ausnahmeregelungen für den Bund erst auf einfachgesetzlicher Ebene zu treffen, erscheint indes weder wünschenswert noch ratsam. Siehe: Lange, Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung zur Föderalismusreform II – Finanzthemen – am 4. Mai 2009, S. 18 f.; Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 225 ff. 5 So Tappe zur bisherigen Rechtslage: Tappe, DÖV 2009, 881 (883).

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5. Teil: Reformvorschläge

Hierdurch würde zum einen das bestehende Restrisiko minimiert, dass es trotz Einhaltung der Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu einem weiteren Anstieg der Schuldenstandsquote und damit zu einer Gefahr für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte kommen könnte6. Zum anderen würde auf diese Weise eine besondere Konsistenz und Kompatibilität mit den EU-rechtlichen Verschuldungsgrenzen verwirklicht7. Vorgeschlagen wird demnach an dieser Stelle, in Art. 109 Abs. 3 GG eine Grenze für den gesamtstaatlichen Schuldenstand von 60 % des Bruttoinlandsprodukts zu verankern. Da gegenwärtig die Schuldenstandsquote in Deutschland weit über diesem Grenzwert liegt, müsste diese Bestimmung allerdings zunächst mit einer Übergangsregelung verbunden werden. In Übereinstimmung mit den Bestimmungen des EU-Rechts8 und des Fiskalpakts9 könnte eine derartige Übergangsregelung darin bestehen, dass der Abstand zu der 60 %-Grenze im Jahr durchschnittlich um ein Zwanzigstel zu verringern ist.

B. Einbeziehung der Sozialversicherungen und Kommunen in den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts Reformierend sollte überdies bei der Reichweite der grundgesetzlichen Schuldenbremse und ihres zentralen Ausgangspunkts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG angesetzt werden: De constitutione lata ist eine Einbeziehung der Haushalte von Sozialversicherungen und Kommunen in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse zwar zurückgewiesen worden10; de constitutione ferenda sprechen für eine derartige Einbeziehung schwerwiegende Argumente11: Wie oben herausgearbeitet, ist es bedenklich, dass sich das grundsätzliche Neuverschuldungsverbot des Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich auf den Staatshaushalt des Bundes und auf die Staatshaushalte der Länder, unter Ausklammerung der Sozialversicherungen und Kommunen, beschränkt. Durch diese Einschränkung in der Reichweite der grundgesetzlichen Schuldenbremse werden „Schlupflöcher“ eröffnet, die den Erfolg des Regelungskonzepts zur Begrenzung der Staatsverschuldung in Frage stellen; insbesondere könnten Bund und Länder ver6 Siehe hierzu die obigen Ausführungen unter dem Merkmal „adäquat“: 4. Teil § 3 C. II. 1. 7 Siehe hierzu die obigen Ausführungen unter dem Merkmal „konsistent“: 4. Teil § 3 D. II. 2. c) bb) (3). 8 Siehe hierzu: Art. 2 Abs. 1a der Verordnung (EG) 1467/97 i. d. F. der Verordnung (EU) 1177/2011. 9 Siehe hierzu: Art. 4 VSKS. 10 Siehe hierzu oben unter: 2. Teil § 2 B. II. 11 Ein entsprechender Reformansatz wird beispielsweise von Kube explizit gefordert: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.-Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 119.

§ 2 Reformvorschläge zu Art. 109 Abs. 3 GG

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sucht sein, Finanzierungslasten – soweit wie möglich – auf Sozialversicherung bzw. Kommunen abzuwälzen12. Durch eine Einbeziehung in den Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG würden derartige Umgehungsversuche zulasten der Kommunen und Sozialversicherungen effektiv unterbunden. Die in der Gesetzesbegründung vorgetragene Argumentation gegen eine Einbeziehung der Defizite von Sozialversicherungen und Kommunen in den Anwendungsbereich der Schuldenbremse vermag demgegenüber nicht zu überzeugen: Ausgeführt wird, dass die Einbeziehung von Defiziten der Sozialversicherungen und Kommunen in die Haushalte des Bundes bzw. der Länder „sowohl inhaltlich als auch in der zeitlichen Abfolge unerfüllbare Informationsanforderungen“ an die Haushaltsaufstellung stellen würde13. Diese Begründung hält einer kritischen Hinterfragung nicht stand. Fest steht, dass auch Sozialversicherungen und Gemeinden auf der Grundlage von Prognosen eine Haushaltsplanung durchführen und dass Bund und Ländern Informationen bezüglich der Ergebnisse dieser Haushaltsplanung vorliegen14. Gegebenenfalls ließen sich durch die Einführung gesetzlicher Bestimmungen Vorkehrungen dafür treffen, dass die relevanten Informationen Bund und Ländern inhaltlich umfassend und rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden15. Ein Reformvorschlag zugunsten einer Einbeziehung der Haushalte von Sozialversicherungen und Kommunen in den Anwendungsbereich der grundgesetzlichen Schuldenbremse muss allerdings auch die folgenden Aspekte berücksichtigen: Mit Blick auf die Sozialversicherungen ist vor allem eine Lösung für möglicherweise anfallende Überschüsse zu entwickeln; die Bildung von Rücklagen der Sozialversicherungssysteme für zukünftige Verpflichtungen darf nicht gefährdet und durch eine erhöhte Kreditaufnahme anderer öffentlicher Haushalte konterkariert werden16. Im Zusammenhang mit den Kommunen gilt es ihre besondere Stellung im Rahmen des grundgesetzlichen Verfassungsgefüges zu beachten. Ein abschließender Reformvorschlag kann somit an dieser Stelle nicht entwickelt werden, sondern bleibt einer zukünftigen Diskussion vorbehalten.

12 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „gut definiert“ mit weiteren Nachweisen: 4. Teil § 3 A. II. 2. c). 13 Siehe: BT-Drs. 16/12410, S. 10 f. 14 So beispielsweise auch: Scholl, DÖV 2010, 160 (165); Feld, Schriftliche Stellungnahme für die gemeinsame Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates zu den Finanzthemen am 4. Mai 2009, S. 6 f.; Feld, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 226 (238 f.). 15 Siehe hierzu, speziell mit Blick auf die Kommunen: Reimer, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar, 2013, Art. 109, Rn. 50; vgl. auch: Henneke, NdsVBl 2011, 329 (330). 16 Ähnlich: Kopits/Symansky, Fiscal Policy Rules, IMF Occasional Paper No. 162, S. 18.

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5. Teil: Reformvorschläge

C. Klarstellung des abschließenden Charakters der in Art. 109 Abs. 3 GG vorgesehenen Ausnahmen Wie bereits dargelegt, sind die in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ermächtigungen zur Normierung bestimmter Ausnahmeregelungen von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts allein auf die Länder zu beschränken. Hierbei sollte der abschließende Charakter der in Art. 109 Abs. 3 GG vorgesehenen Optionen für die Länder in dem Wortlaut der Grundgesetzbestimmung explizit hervorgehoben werden. Zwar besteht gegenwärtig Konsens, dass weitere ungeschriebene Ausnahmen zu Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG nicht anzuerkennen sind17. Durch eine ausdrückliche Klarstellung innerhalb von Art. 109 Abs. 3 GG würde allerdings auch für die Zukunft sichergestellt, dass das Wort „grundsätzlich“ in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG nicht als „Einfallstor für weitere Ausnahmen“ missbraucht werden kann18.

D. Der neu gefasste Art. 109 Abs. 3 GG Aus den obigen Ausführungen lässt sich für Art. 109 Abs. 3 GG der folgende neu gefasste Entwurf ableiten: Der gesamtstaatliche Schuldenstand darf eine Grenze von 60 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Abweichend von Satz 2 können die Länder ausschließlich Regelungen zur im Aufund Abschwung symmetrischen Berücksichtigung der Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, vorsehen. Für die Ausnahmeregelung ist eine Tilgungsregelung vorzusehen. Die nähere Ausgestaltung regeln die Länder im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen. Für den Bund gilt Art. 115 GG.

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115 Reformbedarf besteht ferner bezüglich Art. 115 Abs. 2 GG und den hierauf aufbauenden einfachgesetzlichen Bestimmungen zur näheren Ausgestaltung im G 115. Nachfolgend sind verschiedene Reformvorschläge zur Änderung des Art. 115 Abs. 2 GG zu unterbreiten; darüber hinaus sollen aber auch einige Gedankenanstöße sowie einige konkretisierte Vorschläge für neu einzuführende oder zu ändernde Bestimmungen des G 115 vorgelegt werden. 17 Siehe hierzu die obigen Ausführung und die angegebenen Nachweise unter „gut definiert“: 4. Teil § 3 A. II. 3. d) bb). 18 So auch: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 226 f.

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115

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A. Einfachgesetzliche Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ Der zentrale Anknüpfungspunkt der grundgesetzlichen Schuldenbremse, der Begriff der „Einnahmen aus Krediten“, sollte für den Bund näher definiert werden. Im Zusammenhang mit dem Merkmal „gut definiert“ wurde herausgearbeitet, dass über die exakte Reichweite des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ im Einzelnen Unklarheit besteht bzw. dass einige für den Erfolg der Schuldenbremse bedeutsame Bereiche von vornherein nicht erfasst werden19. Um diesen Gefahren angemessen entgegenzuwirken, darf nicht auf problemorientierte Auslegungsansätze vertraut werden; vielmehr ist eine explizite Klarstellung und Definition durch den Gesetzgeber zu fordern. Eine geeignete Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ ist aufgrund ihres notwendigen Umfangs und Detaillierungsgrad allerdings nicht im Grundgesetz, sondern vielmehr auf einfachgesetzlicher Ebene, konkret im G 115, zu verankern. Nachfolgend ist ein Reformvorschlag für eine einfachgesetzliche Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ für den Bund vorzustellen: Ausgegangen wird hierbei von dem traditionellen Verständnis dieses Begriffs, nach dem unter „Einnahmen aus Krediten“ die staatliche Nettoneuverschuldung zu verstehen ist; hieran anknüpfend sind spezifische Regelungen zu entwickeln, durch die die oben dargelegten Problembereiche einer adäquaten Lösung zugeführt werden. – Kassenverstärkungskredite: Als kritisch ist die grundsätzliche Ausklammerung der sogenannten Kassenverstärkungskredite aus dem Begriff der „Einnahmen aus Krediten“ identifiziert worden. Hierdurch wird die Gefahr begründet, dass Kassenverstärkungskredite faktisch zu Deckungskrediten umfunktioniert werden und dass auf diese Weise außerhalb des Anwendungsbereichs der grundgesetzlichen Schuldenbremse ein zweites strukturelles Defizit entsteht20. Zur Beseitigung dieser Missbrauchsgefahr bietet sich eine Regelung an, durch die die Kassenverstärkungskredite, die „wiederholt und damit praktisch ganzjährig in Anspruch genommen werden“, in die zulässigen Neuverschuldungsgrenzen miteinbezogen werden; für diesen Ansatz spricht, dass diejenigen Kassenverstärkungskredite, die durchgängig und beständig genutzt werden und somit einen „festen Sockel“ bilden, letztlich die Funktion eines Deckungskredits erfüllen21. Als Regelungsvorschlag lässt sich demnach formulieren22: „Als 19 Siehe hierzu die eingehenden Ausführungen unter dem Merkmal „gut definiert“: 4. Teil § 3 A. II. 1. 20 Zu der Problematik der Kassenverstärkungskredite siehe oben: 4. Teil § 3 A. II. 1. a) bb). 21 Schemmel, Schuldenverbot für Bund und Länder: Anmerkungen und Vorschläge zu den Empfehlungen der Föderalismuskommission II, Sonderinformation//Karl-

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5. Teil: Reformvorschläge

Einnahmen aus Krediten gelten auch . . . (1) solche Kassenverstärkungskredite, die wiederholt und damit praktisch ganzjährig in Anspruch genommen werden.“ – Neuartige Finanzierungsinstrumente: Reformierend anzusetzen ist ferner bei den neuartigen Finanzierungsinstrumenten, die streng formal betrachtet nicht zu Einnahmen aus Krediten führen, allerdings mit nahezu identischen Zukunftsbelastungen verbunden sein können. Auch an dieser Stelle existiert eine Türe für Umgehungs- und Ausweichstrategien, die dringend durch eine explizite Regelung und nicht allein durch Auslegungsansätze geschlossen werden sollte23. Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Reformvorschlag bereiten allerdings die vielfältigen und nicht abschließend erfassbaren Ausgestaltungsmöglichkeiten, die sich im Zusammenhang mit den alternativen Finanzierungsmodellen bieten. Eine Vorbildfunktion kann hierbei dem österreichischen Bundeshaushaltsgesetz zukommen, das in § 78 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 eine differenzierte Regelung trifft, wann Verwaltungsschulden in wirtschaftlicher Hinsicht mit einer Kreditaufnahme vergleichbar sind und dementsprechend als Finanzschulden eingeordnet und behandelt werden müssen24. Ausgehend von dieser Bestimmung des österreichischen Rechts kann als Lösungsansatz der nachstehende Regelungsvorschlag unterbreitet werden: „Als Einnahmen aus Krediten gelten auch . . . (2) solche Geldverbindlichkeiten des Bundes aus Rechtsgeschäften, bei denen dem Bund außergewöhnliche Finanzierungserleichterungen dadurch eingeräumt werden, dass die Fälligkeit der Gegenleistung des Bundes auf einen mehr als zehn Jahre nach dem Empfang der Leistung gelegenen Tag festgesetzt und hinausgeschoben wird. Bei der Erbringung der Leistung in mehreren Teilbeträgen richtet sich die Fälligkeit nach der Fälligkeit des letzten Teilbetrages.“ – Staatsfinanzierung über juristisch selbstständige Rechtsträger: Da die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse nicht die Kreditaufnahme durch selbstständige Rechtsträger des öffentlichen und privaten Rechts erfassen,

Bräuer-Institut, No. 58, S. 22; siehe auch: Schemmel, Staatsverschuldung und öffentliche Investitionen, S. XXX und 209 f. 22 So auch der Reformvorschlag von Schemmel: Schemmel, Schuldenverbot für Bund und Länder: Anmerkungen und Vorschläge zu den Empfehlungen der Föderalismuskommission II, Sonderinformation//Karl-Bräuer-Institut, No. 58, S. 22; siehe auch: Schemmel, Staatsverschuldung und öffentliche Investitionen, S. XXX und 209 f. 23 Zu der Problematik der neuartigen Finanzierungsinstrumente siehe oben: 4. Teil § 3 A. II. 1. a) cc). 24 Auf diese Bestimmung des österreichischen Bundeshaushaltsgesetzes, die bislang in § 65 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 a. F. normiert war, verweist auch ausdrücklich Jahndorf: Jahndorf, Grundlagen der Staatsfinanzierung durch Kredite und alternative Finanzierungsformen im Finanzverfassungs- und Europarecht, S. 263.

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115

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steht dem Bund auch an dieser Stelle eine Möglichkeit zur Umgehung der normierten Neuverschuldungsgrenzen zur Verfügung25. Diesen missbräuchlichen Fallgestaltungen kann ebenfalls durch eine erweiterte Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ begegnet werden. Als Vorbild kann insoweit die Bestimmung der rheinlandpfälzischen Verfassung in Art. 117 Abs. 3 RhPfVerf dienen. Zu empfehlen ist dementsprechend eine Bestimmung folgenden Inhalts: „Als Einnahmen aus Krediten gelten auch . . . (3) Kredite von juristischen Personen, an denen der Bund maßgeblich beteiligt ist, wenn diese im Auftrag des Bundes und zur Finanzierung staatlicher Aufgaben aufgenommen werden und die daraus folgenden Zinsen und Tilgungen aus dem Bundeshaushalt zu erbringen sind.“ – Garantien, Bürgschaften und sonstige Gewährleistungen: Ein weiterer Problembereich sind die Garantien, Bürgschaften und sonstige Gewährleistungen. Hierbei handelt es sich unzweifelhaft nicht um „Einnahmen aus Krediten“; als lediglich potenzielle Verbindlichkeiten scheidet im Grunde auch eine uneingeschränkte Gleichbehandlung mit Krediteinnahmen aus. Zugleich ist allerdings die Notwendigkeit aufgezeigt worden, die Gewährleistungsübernahme auf einen mit der zukünftigen Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse vereinbaren Umfang zu beschränken26. Eine mögliche Regelungsoption erscheint vor diesem Hintergrund die nachstehende Bestimmung27: „Zu den Einnahmen aus Krediten hinzuzurechnen sind ferner Garantien, Bürgschaften und sonstige Gewährleistungen, allerdings nur in dem Umfang, in dem zu einem späteren Zeitpunkt eine tatsächliche Inanspruchnahme des Bundes aus diesen Gewährleistungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.“

B. Reform der Strukturkomponente Ein weiterer Reformvorschlag ist in Bezug auf die für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG normierte Strukturkomponente zu entwickeln. Im Rahmen der obigen Analyse hat sich die Strukturkomponente für den Bund an verschiedenen Stellen als bedenklich erwiesen. So fehlt es innerhalb der Strukturkomponente an 25 Zu den juristisch selbstständigen Rechtsträgern des öffentlichen und privaten Rechts siehe oben: 4. Teil § 3 A. II. 2. c. 26 Zu den Garantien, Bürgschaften und sonstigen Gewährleistungen siehe oben: 4. Teil § 3 A. II. 1. a) dd). 27 Ein ähnlicher Regelungsvorschlag wird von Siekmann unterbreitet: Siekmann spricht sich für die Einführung einer Bestimmung in das Grundgesetz aus, nach der Gewährleistungen „zumindest in Höhe der erfahrungsgemäß realisierten Zahlungspflichten“ zu der Kreditaufnahme hinzuzurechnen sind. Siekmann, in: Sachs, GG-Kommentar, 6. Auflage, 2011, Art. 115, Rn. 19.

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5. Teil: Reformvorschläge

konkreten Tatbestandsvoraussetzungen, die die Inanspruchnahme an möglichst präzise gefasste Bedingungen knüpfen28; damit wird nicht zuletzt der problematische Anreiz für die politischen Entscheidungsträger gesetzt, den eingeräumten strukturellen Neuverschuldungsspielraum auch stets vollständig auszuschöpfen29. Die gewählte Ausgestaltung der Strukturkomponente lässt überdies unter dem Gesichtspunkt der Einfachheit zu wünschen übrig30. Die aufgezeigten Mängel der Strukturkomponente legen allerdings keineswegs nahe, dass diese Ausnahme von dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts – wie gelegentlich gefordert – zwingend zu streichen ist31. Vielmehr lassen sich den obigen Ausführungen durchaus Argumente für eine Aufrechterhaltung der Strukturkomponente – in einer modifizierten und durch Sicherheitsmechanismen ergänzten Form – entnehmen: Im Zusammenhang mit dem Merkmal „adäquat“ wurde herausgearbeitet, dass die Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse – selbst im Falle einer Ausschöpfung des Neuverschuldungsspielraums der Strukturkomponente – bei Zugrundelegung der üblichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts einer Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte nicht entgegenstehen32; sollte die Strukturkomponente dennoch ein weiteres Anwachsen der Schuldenstandsquote bewirken, so ist mit der oben vorgeschlagenen 60 %-Grenze ein ausreichender Sicherheitsmechanismus gegeben. Des Weiteren ist unter dem Merkmal der Flexibilität deutlich geworden, dass es des Neuverschuldungsspielraums der Strukturkomponente möglicherweise nicht zwingend bedarf, dass ihm allerdings gleichwohl eine nicht unbedeutende Auffangfunktion zukommen kann33. – Zunächst ist die Strukturkomponente des Bundes in regelungstechnischer Hinsicht grundlegend umzuarbeiten. Die gegenwärtige Ausgestaltung in Form einer verfassungsrechtlichen Fiktion ist aufzugeben. Vielmehr ist bereits im Wortlaut der Grundgesetzbestimmung klar erkennbar und für den durchschnittlichen, interessierten Bürger verständlich zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei dem gewährten strukturellen Neuverschuldungsspielraum des Bundes von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts um eine zulässige Abweichung vom 28 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „gut definiert“: 4. Teil § 3 A. II. 3. a) aa). 29 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „adäquat“: 4. Teil § 3 C. II. 2. a). 30 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „einfach“: 4. Teil § 3 E. II. 2. 31 Für eine Abschaffung der Strukturkomponente sprechen sich etwa aus: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 196 f.; Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 169. Gegen eine Aufrechterhaltung der Strukturkomponente letztlich wohl auch: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 62. Erg.Lfg., 2011, Art. 109, Rn. 158. 32 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „adäquat“: 4. Teil § 3 C. II. 1. 33 Siehe hierzu die Ausführungen zu dem Merkmal „flexibel“: 4. Teil § 3 F. II. 1. siehe vor allem e).

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115

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grundsätzlichen Neuverschuldungsverbot handelt. Auf diese Weise würde vor allem die Einfachheit der grundgesetzlichen Schuldenbremse verbessert. – Ferner ist die Strukturkomponente an konkrete Anwendungsvoraussetzungen zu binden. Nachfolgend werden zwei Tatbestandsvoraussetzungen vorgeschlagen: Zum einen ist der zulässige strukturelle Neuverschuldungsspielraum des Art. 115 Abs. 2 GG davon abhängig zu machen, dass die neu einzuführende Grenze für den Schuldenstand in Höhe von 60 % des Bruttoinlandsprodukts gewahrt wird; hierdurch wird der oben angesprochene Sicherheitsmechanismus ausdrücklich verankert. Zum anderen sollte die Ausschöpfung der Strukturkomponente daran geknüpft werden, dass in einem zumindest entsprechenden Umfang Nettoinvestitionen getätigt werden34. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, liegt der Strukturkomponente die Idee zugrunde, ein üblicherweise zu erwartendes Mindestniveau an Investitionen zu typisieren35; als Vorkehrung gegen den – sichtlich nicht gewollten – Einsatz von Staatsverschuldung zu konsumtiven Zwecken sollte dieser Ansatz auch in den expliziten Wortlaut des Art. 115 Abs. 2 GG Eingang finden. Durch die zweite vorgeschlagene Voraussetzung wird zwar die ausdrücklich aufgegebene Investitionsgrenze des bisherigen Staatsschuldenrechts wieder aufgegriffen; die altbekannten Probleme dieses Ansatzes36 lassen sich allerdings durch eine möglichst bestimmte einfachgesetzliche Definition des Investitionsbegriffs sowie eine ausdrückliche Inbezugnahme der Nettoinvestitionen vermeiden. – Zuletzt ist im Rahmen der Strukturkomponente der oben im Zusammenhang mit dem Merkmal „konsistent“ aufgezeigte Widerspruch zur Konjunkturkomponente zu beheben. Dadurch, dass der Umfang der zulässigen strukturellen Neuverschuldung an das jeweilige Bruttoinlandsprodukt des Vorjahres geknüpft wird, kann die Strukturkomponente in gewisser Weise eine prozyklische Wirkung entfalten; dieser Effekt steht in einem bedenklichen Gegensatz zu der antizyklisch angelegten Konjunkturkomponente37. Vorgeschlagen wird demnach, die Höhe der Strukturkomponente nicht von dem Bruttoinlandsprodukt des Vorjahres, sondern vielmehr von dem durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt der letzten zehn Jahre abhängig zu machen. Auf diese Weise 34 Ein ähnlicher Reformvorschlag findet sich bei Schiller, der eine konkrete Zweckbindung der strukturellen Kredite an die Finanzierung von Investitionen empfiehlt: Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 169 f. Pünder sieht eine entsprechende Bindung der Kredite an die Finanzierung von Investitionen bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage im Wege einer teleologischen Auslegung als Tatbestandsvoraussetzung der Strukturkomponente an, siehe: Pünder, Friauf/ Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 92. 35 Siehe hierzu die obigen Ausführungen zur Strukturkomponente des Bundes: 2. Teil § 2 B. III. 2. 36 Siehe hierzu oben unter: 2. Teil § 1 C. II. 37 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „konsistent“: 4. Teil § 3 D. II. 1. b).

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5. Teil: Reformvorschläge

würde der mögliche Einfluss konjunktureller Schwankungen auf den Umfang der Strukturkomponente beseitigt. § 4 S. 2 G 115 ist demnach folgendermaßen abzuändern: „Zugrunde zu legen ist das durchschnittliche nominale Bruttoinlandsprodukt der letzten zehn vorangegangenen Jahre.“

C. Reform der Konjunkturkomponente Die Untersuchung der für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG normierten und im G 115 näher konkretisierten Konjunkturkomponente anhand der obigen Merkmale einer guten fiskalpolitischen Regelung hat verschiedene Schwächen offen gelegt: Vor allem hat sich die Ausgestaltung der Konjunkturkomponente als komplex, schwer verständlich und intransparent herausgestellt38. Darüber hinaus wurde im Zusammenhang mit dem Merkmal „adäquat“ auf das nachstehende Problem aufmerksam gemacht: Da die der Konjunkturkomponente zugrunde liegende Annahme eines in Dauer und Intensität symmetrischen Verlaufs konjunktureller Auf- und Abschwungphasen nicht realistisch ist, wird die Erwartung eines vollständigen Ausgleichs konjunkturbedingter Defizite und Überschüsse gegebenenfalls enttäuscht39. Umgekehrt ist im Rahmen des Merkmals „flexibel“ deutlich geworden, dass erst die Konjunkturkomponente den ökonomisch sinnvollen Neuverschuldungspielraum für das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren eröffnet; somit ist es zwingend geboten, an der zentralen Idee der Konjunkturkomponente ohne relevante Einschränkungen weiterhin festzuhalten40. Vorliegend sind vor allem zwei mögliche Reformansätze zur Verbesserung der Konjunkturkomponente zu nennen: – Nachgedacht werden sollte über eine Vereinfachung des außerordentlich schwierigen und undurchdringlichen ökonomischen Verfahrens zur exakten Ermittlung der Konjunkturkomponente, das im G 115 und in der dazugehörigen Verordnung festgelegt worden ist. Gerade für die Bestimmung der Produktionslücke steht letztlich eine Vielzahl unterschiedlichster Schätzverfahren zur Verfügung, die sich in „rein statistische und stärker auf die ökonomische Theorie zurückgreifende sowie in ,univariate‘ und ,multivariate‘ Verfahren“ einteilen lassen41. Die Frage, welches Verfahren die exaktesten Ergebnisse liefert

38 Siehe hierzu vor allem die Ausführungen unter dem Merkmal „einfach“ und „transparent“: 4. Teil § 3 E. II. 2. und B. II. 1. 39 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „adäquat“: 4. Teil § 3 C. II. 1. a). 40 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „flexibel“: 4. Teil § 3 F. II. 1. a). 41 Siehe Pünder, mit zahlreichen weiteren Nachweisen: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 102. Ein Überblick über die Verfahren zur Bestimmung der Produktionslücke findet sich bei Thye: Thye, Die neue „Schuldenbremse“ im Grundgesetz, S. 82 f. Eingehend hierzu: S. Walther, Berech-

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115

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und gleichzeitig in besonderer Weise den Kriterien der Einfachheit und Transparenz genügt, ist indes allein von ökonomischer Seite abschließend zu beantworten42. Von juristischer Seite kann an dieser Stelle nur eine erneute Diskussion angestoßen werden. Entscheidend für die Auswahl eines geeigneten ökonomischen Verfahrens ist in jedem Fall, dass es für den interessierten Bürger, zumindest aber für den politisch verantwortlichen Haushaltsgesetzgeber nachvollziehbar ist. – Darüber hinaus ist ein Mechanismus einzuführen, der sicherstellt, dass es trotz einer möglichen Asymmetrie der konjunkturellen Aufschwungs- bzw. Abschwungphasen mittel- bis langfristig betrachtet zu dem angestrebten Ausgleich zwischen den konjunkturbedingten Defiziten und konjunkturbedingten Überschüssen kommt. Konkret bietet es sich an, ergänzend zu dem Kontrollkonto, ein spezielles „Konjunkturkonto“ 43 einzuführen, auf dem sämtliche durch die Konjunkturkomponente ausgelösten Modifikationen des zulässigen Neuverschuldungsspielraums mitzuverfolgen sind. Anhand dieses „Konjunkturkontos“ ließe sich zum einen überprüfen, ob sich die konjunkturbedingten Erweiterungen und Einschränkungen des vorgegebenen Kreditspielraums auch tatsächlich mittel- bis langfristig wieder ausgleichen44; zum anderen könnte man verlangen, dass im Verlaufe eines Konjunkturzyklus ein Ausgleich der auf dem „Konjunkturkonto“ angesammelten konjunkturellen Defizite zu erreichen ist. Dementsprechend könnte etwa normiert werden, dass die bestehenden konjunkturell bedingten Defizite spätestens nach sieben Jahren wieder zurückzuführen sind45.

D. Reform der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen Die Bewertung der für den Bund in Art. 115 Abs. 2 S. 6 bis 8 GG normierten und im G 115 näher ausgestalteten Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen anhand der festgelegten Kriterien fällt im Detail nungsmethoden des Produktionspotenzials, S. 29 ff.; Schumacher, Alternative Schätzansätze für das Produktionpotenzial im Euroraum, S. 45 ff. 42 Der Sachverständigenrat beispielsweise spricht sich gerade aus Gründen der Einfachheit und Transparenz für die statistischen Filtermethoden und hierbei in besonderer Weise für das sogenannte Hodrick-Prescott-Filter aus: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 135 f. 43 So auch der Vorschlag von Koch: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 281. Vgl. auch: Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung?, S. 403. 44 Siehe: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 281. 45 So auch: Schiller, Die verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung, S. 171.

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5. Teil: Reformvorschläge

ambivalent aus. Hervorzuheben ist vor allem das nachfolgende Spannungsverhältnis46: Im Zusammenhang mit den Merkmalen „gut definiert“ und „adäquat“ wurde die genannte Ausnahmeregelung aufgrund der ausgeprägten Unbestimmtheit ihrer Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen als bedenklich eingestuft; hingewiesen wurde insbesondere auf die Gefahr, dass diese Ausnahmebestimmung von Seiten der politischen Entscheidungsträger für eine expansive Verschuldungspolitik missbraucht werden könnte47. Unter dem Gesichtspunkt der Flexibilität wurde demgegenüber die Existenz einer entsprechend weit gefassten, offenen Ausnahmeregelung für eine Vielzahl nicht abschließend erfassbarer Anwendungsfälle als unverzichtbar anerkannt48. In diesem Spannungsfeld stellt der in Art. 115 Abs. 2 GG gewählte Ansatz einen weitgehend überzeugenden Kompromiss dar: Durch die gewählten unbestimmten und offenen Begrifflichkeiten wird einerseits ein umfassender, flexibler Neuverschuldungsspielraum für besondere Notsituationen erhalten; dennoch geben sowohl die inhaltlichen als auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen eine relativ hohe Hürde für die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung vor. Punktuell und vor allem auf einfachgesetzlicher Ebene bestehen allerdings Verbesserungsmöglichkeiten. Nachfolgend sollen vier Reformvorschläge vorgestellt werden, durch die eine höhere Bestimmtheit verwirklicht bzw. die bestehende Missbrauchsgefahr weiter begrenzt werden kann, ohne dass zugleich die Flexibilität gefährdet wird: – Zunächst ist auf einfachgesetzlicher Ebene eine Präzisierung des äußerst unbestimmten Begriffs der „außergewöhnlichen Notsituationen“ vorzunehmen. Konkret kommt eine exemplarische, nicht abschließende Aufzählung der wichtigsten Anwendungsfälle einer „außergewöhnlichen Notsituation“ in Betracht; ergänzend sollte eine explizite Liste derjenigen Fälle aufgenommen werden, die unzweifelhaft nicht als „außergewöhnliche Notsituationen“ einzuordnen sind. Auf diese Weise könnten einige klarstellende und richtungsweisende Vorgaben für das Begriffsverständnis verbindlich festgelegt werden, ohne dass die erforderliche Flexibilität durch die Festlegung eines abschließenden Katalogs der erfassten Notsituationen beseitigt würde. Als Minimallösung ist etwa zu erwägen, die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispiele zu dem Begriff der „außergewöhnlichen Notsituationen“ auf einfachgesetzlicher Ebene verbindlich zu verankern49. 46 Ähnlich auch Ryczewski zu dem Bestehen eines Spannungsverhältnisses „zwischen der notwendigen Offenheit der Verfassung einerseits und der Notwendigkeit zu deren Begrenzung zwecks Verhinderung von Missbrauch andererseits“: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 190. 47 Siehe hierzu die Ausführungen unter den Merkmalen „gut definiert“ und „adäquat“: 4. Teil § 3 A. II. 3. c) und C. II. 2. c). 48 Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „flexibel“: 4. Teil § 3 F. II. 49 Ähnlich auch die Forderung von Kube konkret in Bezug auf die einfachgesetzliche Bestimmung des § 6 G 115: Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 198.

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115

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Darüber hinaus ist über eine Verschärfung der verfahrensrechtlichen Anforderungen nachzudenken. Nach der gegenwärtigen Rechtslage setzt die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen eine Beschlussfassung des Bundestages mit der Mehrheit seiner Mitglieder, d. h. mit sogenannter Kanzlermehrheit, voraus. Diese Voraussetzung wird im Normalfall ohne größere Hindernisse für „jede [. . .] Regierungskoalition erfüllbar sein“ 50. Eine deutlich verbesserte Missbrauchskontrolle ließe sich erreichen, wenn man über entsprechende Mehrheits- und Zustimmungserfordernisse eine Einbeziehung der Oppositionsparteien in den Entscheidungsprozess sicherstellen würde; sofern wirklich eine Naturkatastrophe bzw. außergewöhnliche Notsituation vorliegt, ist auch nicht mit ernsthaftem Widerstand und einer Blockade von Seiten der Opposition zu rechnen51. Als mögliche Verschärfungen kommen insbesondere ein erhöhtes Quorum für die Beschlussfassung des Bundestages52 bzw. eine Zustimmungserfordernis des Bundesrates53 in Betracht54. Als sicherster Weg, um im Normalfall eine Beteiligung der Opposition zu erreichen, erscheint es, für die Beschlussfassung des Bundestages über die Inanspruchnahme der genannten Ausnahmebestimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu fordern. Art. 115 Abs. 2 GG ist demnach entsprechend anzupassen. – Ferner erscheint die – zumindest einfachgesetzliche – Einführung eines ausdrücklichen, die Höhe der zulässigen Neuverschuldung begrenzenden Kriteriums zur Präzisierung der Rechtsfolgenseite sinnvoll. Damit die Flexibilität, um auf Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen reagieren zu können, nicht zu sehr eingeschränkt ist, muss eine derartige Begrenzung der Höhe der Neuverschuldung allerdings zwangsläufig sehr allgemein ausfallen.

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Feld, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 226 (238). Siehe etwa die Ausführungen von Friedrich zugunsten der Einführung einer Zweidrittelmehrheit: Friedrich spricht sich dafür aus, dass in entsprechenden Notsituationen eine automatische Einbeziehung der Opposition anzustreben sei und dass in derartigen Ausnahmesituationen auch auf die „staatspolitische Verantwortung der Opposition“ vertraut werden könne. Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Stenographischer Bericht, 17. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 5. Februar 2009, Kommissionsprotokoll 17, S. 533. 52 Vorgeschlagen wurde insbesondere die Einführung einer Zweidrittel- oder Dreifünftelmehrheit: Bundesministerium der Finanzen, Notwendigkeit und Inhalt einer neuen Schuldenregelung im Grundgesetz, Kom.-Drs. 096, S. 7. Siehe auch: Hausner/ Simon, Wirtschaftsdienst 2009, 265 (269). 53 So beispielsweise: Feld, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (2010), 226 (238); Feld, Schriftliche Stellungnahme für die gemeinsame Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates zu den Finanzthemen am 4. Mai 2009, S. 6. 54 Noch weiter geht etwa der Vorschlag von Kirchhof für eine entsprechende Ausnahmeregelung. Kirchhof empfiehlt die Einführung einer Regelung, nach der Kredite „für außerordentliche Staatsnotlagen“ nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat aufgenommen werden können. F. Kirchhof, DVBl 2002, 1569 (1578). 51

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5. Teil: Reformvorschläge

Empfehlenswert erscheint es, § 6 G 115 um einen weiteren Absatz zu ergänzen55: „Die im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen zulässige Kreditaufnahme ist der Höhe nach auf einen zur Bewältigung und Überwindung der betreffenden Naturkatastrophe oder außergewöhnlichen Notsituation geeigneten, erforderlichen und angemessenen Umfang begrenzt.“ – Zuletzt ist die in Art. 115 Abs. 2 S. 7 und 8 GG verankerte Tilgungsverpflichtung zu der genannten Ausnahmeregelung zu reformieren und zu verschärfen. Zumindest auf einfachgesetzlicher Ebene ist die Vorgabe, dass die Rückführung der aufgenommenen Kredite binnen eines „angemessenen Zeitraums“ zu erfolgen hat, zu konkretisieren56. Vorgeschlagen wird an dieser Stelle der nachstehende Regelungsansatz57: „Die Rückführung der aufgenommenen Kredite hat im Regelfall innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren, spätestens aber nach 8 Jahren zu erfolgen“. Mit der empfohlenen Frist von 5 Jahren wird zunächst ein Richtwert festgelegt, der gegebenenfalls auch einen längeren Rückführungszeitraum zulässt, in diesem Fall jedoch zumindest eine Begründungspflicht auslöst58; die empfohlene Obergrenze von 8 Jahren für die Rückführung der aufgenommenen Kredite dient als zusätzlicher Sicherheitsmechanismus. Durch diesen Reformvorschlag wird ein erhöhter Druck zugunsten einer zeitnahen Tilgung der Notlagenkredite geschaffen und damit einer zu großzügigen Anwendung der Ausnahmeregelung entgegengewirkt59. Zugleich wird dem Staat ein hohes Maß an Flexibilität bei der Tilgung der Kredite gewährt, die ihm insbesondere eine Rücksichtnahme auf konjunkturelle Schwankungen erlaubt.

E. Reform des Kontrollkontos Die dem Kontrollkonto zugedachte Aufgabe, die Einhaltung der Neuverschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse im Rahmen des Haushalts55 Der nachstehende Regelungsvorschlag folgt weitgehend dem Auslegungsansatz von Pünder, der die Ansicht vertritt, dass die nach der Ausnahmebestimmung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen zulässige Kreditaufnahme durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt ist. Siehe: Pünder, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar GG, 30. Erg.-Lfg., 2010, Art. 115, Rn. 145 f. 56 Ebenso: Seiler, JZ 2009, 721 (726, Fußnote 39). Anders Ryczewski, der eine entsprechende Konkretisierung auf der Ebene des Grundgesetzes verankern will: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 198. 57 Die Regelgrenze von 5 Jahren orientiert sich an dem Reformvorschlag von Seiler und Ryczewski: Seiler, JZ 2009, 721 (726, Fußnote 39); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 198. Die ergänzend vorgeschlagene Obergrenze von 8 Jahren folgt der in dem reformierten Art. 95 Abs. 6 S. 3 SächsVerf verankerten Obergrenze. 58 Seiler, JZ 2009, 721 (726, Fußnote 39); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 198. 59 Siehe: Seiler, JZ 2009, 721 (726, Fußnote 39); Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 198.

§ 3 Reformvorschläge zu Art. 115 Abs. 2 GG und zum G 115

353

vollzugs sicherzustellen, wird durch dieses weitgehend zufriedenstellend erfüllt. Einer Verbesserung bedarf alleine die Verpflichtung zur Rückführung eines bestehenden negativen Saldos. Nach Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG setzt die grundgesetzlich verankerte Rückführungsverpflichtung bezüglich der auf dem Kontrollkonto bestehenden Belastungen erst bei Überschreitung eines Schwellenwertes von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts ein; damit wird dem Bund letztlich ein Dispokredit eingeräumt, der mehr als das „Vierfache der jährlichen strukturellen Nettoneuverschuldungsgrenze“ beträgt60. Dem Bund einen derart hohen Dispokredit zu eröffnen, erscheint jedoch nicht sachgerecht. Vielmehr sollte bei Auftreten einer Belastung des Kontrollkontos sofort eine Verpflichtung zur konjunkturgerechten Tilgung dieses negativen Saldos eingreifen. Der in Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG vorgesehene Schwellenwert ist somit zu streichen; die hieran anknüpfenden einfachgesetzlichen Bestimmungen des G 115 sind entsprechend abzuändern: § 7 Abs. 2 G 115 ist aufzuheben; in § 7 Abs. 3 G 115 ist die zusätzliche Voraussetzung „und überschreitet der Betrag des Saldos 1 Prozent im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt“ aufzugeben, sodass die vorgesehene automatische Verringerung des Neuverschuldungsspielraums sofort bei Auftreten eines negativen Saldos auf dem Kontrollkonto, aber unter Berücksichtigung der konjunkturellen Situation eingreift.

F. Höhere Hürden für eine Abänderbarkeit der einfachgesetzlichen Regelungen Einzuführen ist überdies eine erschwerte Abänderbarkeit der einfachgesetzlichen Bestimmungen des G 115. Wie im Zusammenhang mit dem Merkmal „durchsetzbar“ festgestellt worden ist, ist die erschwerte Abänderbarkeit eine bedeutsame Voraussetzung für den Erfolg von Schuldenregelungen; die Schuldenbremse erfüllt diese Anforderung allerdings nur mit Blick auf ihre im Grundgesetz verankerten zentralen Vorgaben61. Vor diesem Hintergrund ist der nachfolgende Reformansatz zu empfehlen: Der in Art. 115 Abs. 2 GG normierte Gesetzesvorbehalt zur näheren Ausgestaltung der Vorgaben der Schuldenbremse ist durch einen Zusatz zu ergänzen, wonach für den Erlass bzw. die Änderung des auf diese Grundlage gestützten Bundesgesetzes eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich sein soll62.

60 61

Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 179. Siehe hierzu die Ausführungen unter dem Merkmal „durchsetzbar“: 4. Teil § 3 G.

II. 1. 62 Ein entsprechender Vorschlag findet sich beim Sachverständigenrat: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 116 und 117.

354

5. Teil: Reformvorschläge

G. Der neu gefasste Art. 115 Abs. 2 GG Nach den oben dargelegten Vorschlägen würde Art. 115 Abs. 2 GG somit die nachfolgende Fassung erhalten: Abweichungen von Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG63 sind für den Bund ausschließlich nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zulässig: 1. Unter der Voraussetzung, dass die Grenze des Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG gewahrt wird und in einer zumindest entsprechenden Höhe Nettoinvestitionen getätigt werden, sind Einnahmen aus Krediten bis zu einer Höhe von 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt zulässig. 2. Bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sind die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Die konjunkturbedingt auftretenden Defizite und Überschüsse sind auf einem Konjunkturkonto zu erfassen; Belastungen sind spätestens nach sieben Jahren zurückzuführen. 3. Im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen können die nach Absatz 2 Nr. 1 und Nr. 2 zulässigen Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses mit zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. Die Rückführung der aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraums zu erfolgen. Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von den nach Absatz 2 Nr. 1 und Nr. 2 zulässigen Kreditgrenzen werden auf einem Kontrollkonto erfasst; Belastungen sind konjunkturgerecht zurückzuführen. Näheres regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates bedarf.

§ 4 Reformvorschläge zu Art. 109a GG Auch mit Blick auf das in Art. 109a GG eingeführte Frühwarnsystem sind nachfolgend Reformvorschläge zu entwickeln, durch die die Wirksamkeit des Regelungskonzepts der im Grundgesetz normierten Schuldenbremse weiter verbessert werden kann. Diese Reformvorschläge zielen vor allem darauf ab, das genannte Frühwarnsystem zu einem effektiven Überwachungsmechanismus bezüglich der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse auszubauen. Hierfür bedarf es zwei konkreter Maßnahmen: – Zunächst ist die Überwachung der Einhaltung der Verschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Stabilitätsrat zu machen. Im Zuge der in63 Die nachfolgenden Verweise auf Art. 109 Abs. 3 GG beziehen sich auf den oben vorgelegten Entwurf für einen neu gefassten Art. 109 Abs. 3 GG.

§ 4 Reformvorschläge zu Art. 109a GG

355

nerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts ist dem Stabilitätsrat inzwischen die zusätzliche Aufgabe übertragen worden, die Einhaltung der neu eingeführten Grenze für das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit in § 51 Abs. 2 HGrG zweimal jährlich zu überprüfen64. In vergleichbarer Weise sollte in § 2 StabiRatG die Überwachung der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG als eine weitere Aufgabe des Stabilitätsrates verankert werden. In § 2 StabiRatG ist demnach ergänzend ein weiterer Satz einzufügen: „Der Stabilitätsrat überwacht ferner die Einhaltung der Verschuldungsgrenzen nach Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG.“ – Darüber hinaus ist ein Reformansatz zu suchen, der den dargelegten Überwachungsmechanismus durch eine gestärkte Unabhängigkeit der Kontrollinstanz verbessert. Hierbei sind grundsätzlich zwei gegenläufige Aspekte zu berücksichtigen: Gegen den Stabilitätsrat bestehen aufgrund seiner politischen Besetzung berechtigte Zweifel an seiner Eignung als unabhängiges Kontrollorgan65; für eine wirksame Überwachung bietet sich vor allem eine möglichst „politferne [. . .] Institution“ 66, d. h. ein unabhängiges Sachverständigengremium, an67. Zugleich fehlt einem externen Sachverständigengremium allerdings die erforderliche demokratische Legitimation, um diesem bedeutsame Sachentscheidungen und relevante Beschlussfassungen übertragen zu können68. Für die Überwachung der Einhaltung der in § 51 Abs. 2 HGrG normierten Grenze hat man im Zuge der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts den nachfolgenden Kompromiss gefunden: Die Überwachung der Einhaltung der genannten Verschuldungsgrenze ist grundsätzlich dem Stabilitätsrat zugewiesen worden, dessen rein politische Besetzung unangetastet geblieben ist; der Stabilitätsrat wird bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe jedoch durch einen 64

Siehe: § 2 S. 2 i.V. m. § 6 StabiRatG. Siehe hierzu die obigen Ausführungen unter dem Merkmal „durchsetzbar“: 4. Teil § 3 G. II, 2, c. 66 Fuest, Stellungnahme zum Fragenkatalog der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (Kommissionsdrucksache 011) anlässlich der öffentlichen Anhörung zu den Finanzthemen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 019, S. 11. 67 Für eine unabhängige Institution, die mit Sachverständigen besetzt ist, siehe beispielsweise: Junkernheinrich, Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 034, S. 38 ff.; Seitz, Stellungnahme zum Fragenkatalog für die öffentliche Anhörung zu den Finanzthemen am Freitag, dem 22. Juni 2007, der Kommission von Bundesrat und Bundestag zur Modernisierung der BundLänder-Finanzbeziehungen, Kom.-Drs. 023, S. 28, 35. 68 Siehe hierzu: Härtel, JZ 2008, 437 (439). Kritisch etwa auch: Korioth, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 017, S. 3 f.; Konrad, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 020, S. 11. 65

356

5. Teil: Reformvorschläge

neu geschaffenen, und mit unabhängigen Sachverständigen besetzten Beirat unterstützt69. Dieser Lösungsansatz ist auf das neu zu schaffende Überwachungsverfahren bezüglich der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu übertragen. Für das Verfahren zur Überwachung der Verschuldungsgrenzen der Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG sollten demnach Bestimmungen in enger Anlehnung an §§ 6, 7 StabiRatG normiert werden.

§ 5 Weitere Reformansätze Zuletzt sollen zwei Reformideen zur Diskussion gestellt werden, die die Transparenz und die Sanktionierung von Verletzungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse betreffen.

A. Transparenz Nicht zu unterschätzen für den zukünftigen Erfolg der grundgesetzlichen Schuldenbremse ist das Merkmal der Transparenz. Speziell zur Verbesserung der Transparenz soll demnach ein weiterer Reformansatz vorgestellt werden: Ziel dieses Vorschlags ist es, den Bürgern die wichtigsten Informationen leicht zugänglich zu machen und zugleich in einer einfachen, verständlichen und bewältigbaren Form zur Verfügung zu stellen. Konkret sollten den wahlberechtigten Bürgern in regelmäßigen Abständen sogenannte „Schuldenberichte“ von staatlicher Seite aus zugesendet werden. In besonderer Weise würde es sich anbieten, diese „Schuldenberichte“ den Wählern zusammen mit der jeweiligen Wahlbenachrichtigung zu kommen zu lassen70. Der Inhalt dieser Berichte sollte hierbei die folgenden Punkte umfassen: – ein Überblick über die wichtigsten Daten zur Entwicklung der Staatsverschuldung des Bundes bzw. des betreffenden Landes während der letzten Legislaturperiode, u. a. zur Neuverschuldung, zum Schuldenstand und zur Schuldentilgung, – (soweit vorhanden) ein Überblick über den Stand der jeweiligen Kontroll- und Ausgleichskonten, – eine kurze Bewertung dieser Daten durch den Stabilitätsrat, unterstützt durch den unabhängigen Beirat,

69

Siehe: §§ 6, 7 StabiRatG. Ähnlich Koch, der zur Verbesserung der Transparenz vorschlägt, den Bürgern jährliche „Bürgerberichte“ mit den Steuerbescheiden zu zuschicken. Auch nach Koch sollen in diesen Bürgerberichten die wesentlichen „Eckpunkte, wie die Stände der Ausgleichskonten, übersichtlich aufbereitet“ werden. Siehe: Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 289. 70

§ 5 Weitere Reformansätze

357

– eine kurze Stellungnahme der bisherigen Regierung und der Oppositionsparteien zur Haushaltssituation des Bundes bzw. der Länder und der voraussichtlichen zukünftigen Entwicklung. Entscheidend ist, dass der genannte Bericht einen Umfang von maximal drei Seiten nicht überschreitet. Mit dem Zusenden derartiger „Schuldenberichte“ wären entscheidende Vorteile verbunden: Den Wählern würde ermöglicht, sich in relativ kurzer Zeit mit den wichtigsten Daten und Ansichten vertraut zu machen, ohne dass sie diese erst mühsam aus dem umfangreichen Informationsangebot auswählen und herausfiltern müssen. Durch den zeitnahen Zusammenhang dieser „Schuldenberichte“ mit den nächsten anstehenden Wahlen auf Bundes- bzw. Landesebene würde überdies ein nicht unbedeutender Druck auf die jeweilige amtierende Regierung zur soliden Haushaltsführung ausgeübt.

B. Reformansätze bezüglich möglicher Sanktionen Um das Regelungskonzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu perfektionieren, ist des Weiteren über Reformansätze zur Einführung von Sanktionen nachzudenken: Fest steht, dass auch verschärfte verfassungsrechtliche Schuldenregelungen ohne wirksame Sanktionen lediglich einem „zahnlose[n] Papiertiger“ 71 gleichen. Bei einer unbefangenen Betrachtung kommen als Sanktionen für eine Verletzung von Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung verschiedenste Modelle in Betracht. Exemplarisch sind die nachstehenden Ideen zu nennen: Besoldungs- und Diätenkürzungen für die politisch verantwortlichen Entscheidungsträger72, eine automatische Parlamentsauflösung73, die Verhängung von Geldbußen74 für den Bund bzw. das betroffene Bundesland, automatische Ausgaben-

71 Seitz, Stellungnahme zum Fragenkatalog für die öffentliche Anhörung zu den Finanzthemen am Freitag, dem 22. Juni 2007, der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Kom.-Drs. 023, S. 19. 72 So etwa Seitz bezüglich möglicher Sanktionen für die Länder: Seitz, in: Der Föderalstaat nach dem Berlin-Urteil, 71 (78). Ein ähnlicher Ansatz ist etwa in der kanadischen Provinz Manitoba verwirklicht worden: Bei Auftreten oder Prognose eines näher definierten negativen Haushaltssaldos sind Kürzungen der zusätzlichen Bezüge der Kabinettsmitglieder vorgesehen. Siehe die gesetzlichen Bestimmungen von Manitoba: The Balanced Budget, Fiscal Management and Taxpayer Accountability Act, C.C.S.M. c. B5, Artikel 6 und 7 (Stand: 29. Oktober 2014). 73 So beispielsweise Seitz, allerdings nur mit Blick auf die Länderparlamente: Seitz: in: Der Föderalstaat nach dem Berlin-Urteil, 71 (78). 74 Diese Art von Sanktion findet sich beispielsweise auf der Ebene der EU, in Art. 126 AEUV und im Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt.

358

5. Teil: Reformvorschläge

kürzungen75 sowie automatische Einnahmenerhöhungen76. Den meisten dieser vorgestellten Sanktionsansätze stehen allerdings gravierende Bedenken entgegen: Teils sind sie aus (verfassungs-)rechtlichen Erwägungen heraus als problematisch einzustufen, teils ist ihre Effektivität und Wirksamkeit als geeignete Sanktion in Frage zu stellen. Einzelne Sanktionsmodelle sind auch bereits in anderen Ländern zur Anwendung gekommen und gescheitert. Am überzeugendsten ist der Reformvorschlag eines auf automatischen Einnahmeerhöhungen aufbauenden Sanktionsmodells. Konkret könnte ein derartiger Sanktionsansatz die nachstehenden Eckpunkte aufweisen: Für den Bund kommt als Sanktion die automatische Erhebung eines allein dem Bund zufließenden Zuschlags auf die Einkommenssteuer in Betracht77. Für die Länder scheitert eine korrespondierende Sanktion in Form eines länderspezifischen Zuschlags auf die Einkommenssteuer daran, dass den Ländern die hierfür erforderliche Steuerautonomie fehlt78; vor diesem Hintergrund könnte man als Sanktion für die Länder alternativ die Erhebung von Zuschlägen auf die Grunderwerbssteuer, die seit der Föderalismusreform I autonom durch die Bundesländer bestimmt und festgesetzt werden kann, erwägen79. Die Vorteile dieses Sanktionsmodells lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

75 Verwirklichung fand diese Idee etwa 1985 in den USA durch das sogenannte Gramm-Rudman-Hollings-Gesetz. Eingehend zum Gramm-Rudman-Hollings-Gesetz: v. Kleist, Das Gramm-Rudman-Hollings-Gesetz, S. 44 ff.; Kampmann, Staatsverschuldung, S. 101 ff.; Koch, Wirksame Begrenzung von Staatsverschuldung unter Berücksichtigung (polit-)ökonomischer und ethischer Aspekte, S. 267 ff. In eine ähnliche Richtung geht beispielsweise der Vorschlag von Kirchhof, bei einer wachsenden Staatsverschuldung automatische Ausgabenkürzungen hinsichtlich der im öffentlichen Dienst zu zahlenden Bezüge und Gehälter sowie bezüglich der an die Bürger fließenden Subventionen und Transferzahlungen vorzusehen: P. Kirchhof, in: Festschrift für Reinhard Mußgnug, 131 (142). 76 Siehe hierzu die nachstehenden Ausführungen. 77 Für diese Sanktion beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 115. Eingehend: Ryczewksi, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 198 ff.; siehe auch: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (118 f.); Korioth, Wirtschaftsdienst 2008, 559 (561); Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen am 22. Juni 2007 in Berlin, Kom.-Drs. 021, S. 13; Feld, Schriftliche Stellungnahme für die Anhörung der Föderalismuskommission II zu den Finanzthemen am 22. Juni 2007, Kom.-Drs. 024, S. 27 f.; Meyer, Stellungnahme zum Fragenkatalog der Föderalismuskommission II (Kommissionsdrucksache 11), Kom.-Drs. 014, S. 18. 78 Siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 120. 79 So: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 120; ebenso beispielsweise: Waldhoff/Dieterich, ZG 2009, 97 (118 f.).

§ 5 Weitere Reformansätze

359

Die Effektivität eines Sanktionsmechanismus in Form von automatischen Einnahmeerhöhungen wird man vor allem in präventiver Hinsicht sehr hoch einschätzen müssen. Streben die politischen Entscheidungsträger eine Ausdehnung der staatlichen Ausgaben an, so bleibt ihnen zukünftig nur noch die Wahl, ob sie freiwillig von vornherein eine entsprechende Steuererhöhung vorsehen bzw. ob sie das Eingreifen des genannten zwingenden Sanktionsmechanismus riskieren wollen; beide Wege sind für die Wähler mit unmittelbaren finanziellen Belastungen verbunden. In beiden Fällen müssen die politisch Verantwortlichen gegebenenfalls mit einer Abstrafung bei den nächsten Wahlen und einem Machtverlust rechnen80. Die genannte Sanktion kann folglich dazu beitragen, dass der „Wettbewerb um unfinanzierbare Wahlversprechen“ zwischen den Parteien und Politikern durch einen „Wettbewerb um solide Finanzpolitik“ abgelöst wird81. Als effektiv erweist sich die Sanktion automatischer Einnahmeerhöhungen grundsätzlich aber auch dann, wenn es zu einer Verletzung der Verschuldungsgrenzen der grundgesetzlichen Schuldenbremse gekommen ist und die Sanktion tatsächlich Anwendung findet: In diesem Fall leisten automatische Einnahmeerhöhungen einen konkreten Beitrag dazu, dass die eingetretene Überschreitung der Verschuldungsgrenzen auch tatsächlich wieder zurückgeführt wird82. Festzuhalten ist somit das folgende Ergebnis: Wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, sprechen überzeugende Argumente dafür, die grundgesetzliche Schuldenbremse durch wirksame Sanktionen in Form von automatischen Einnahmeerhöhungen gegen mögliche Verletzungen abzusichern. Wie die Umsetzung dieses Sanktionsmechanismus im Detail auszusehen hat, wodurch das Eingreifen dieser Sanktion exakt ausgelöst werden soll und was für Anpassungen im Bereich der Finanzverfassung bzw. im Bereich des Steuerrechts erforderlich werden, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Möglich ist allein einen sehr abstrakt gehaltenen, im Einzelnen noch näher auszuarbeitenden Reformansatz zu präsentieren: Für den Bund ist in Art. 115 Abs. 2 GG die notwendige Grundlage für eine Sanktion in Form eines Zuschlags auf die Einkommenssteuer zu schaffen. Für die Länder ist hingegen in Art. 109 Abs. 3 GG lediglich die Option einer entsprechenden Sanktion auf Länderebene zu normieren: Ob die Länder eine Sanktion vorsehen wollen und wie diese Sanktion ausgestaltet sein soll, ist der Entscheidung der Länder zu überlassen83.

80

Hierzu eingehend: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 199 ff. Seitz, in: Der Föderalstaat nach dem Berlin-Urteil, 71 (82). 82 Siehe hierzu beispielsweise: Häde, Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen am 22. Juni 2007 in Berlin, Kom.-Drs. 021, S. 13. 83 Ebenso: Ryczewski, Die Schuldenbremse im Grundgesetz, S. 211 f. 81

360

5. Teil: Reformvorschläge

Speziell mit Blick auf die Länder ist eine weitere Anmerkung zu machen: Gegebenenfalls könnte sich der für die Länder angedachte Zuschlag auf die Grunderwerbssteuer aufgrund des insgesamt geringen Aufkommens dieser Steuer als finanziell wenig „ergiebig“ herausstellen84; die Sanktionswirkung könnte hierdurch zu schwach ausfallen. Somit ist darüber nachzudenken, den Ländern allgemein oder zumindest punktuell eine erweiterte Steuerautonomie zu gewähren und damit die Grundlage für ein verschärftes Sanktionssystem auf Länderebene zu schaffen. Die überaus komplexe, schwierige und politisch brisante Frage nach einer Erhöhung der Steuerautonomie der Länder kann in diesem Zusammenhang allerdings nicht abschließend beantwortet werden85.

§ 6 Abschließendes Fazit Im Ergebnis fällt die Beurteilung der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse nicht eindeutig aus: Festzustellen ist, dass das Regelungsmodell der grundgesetzlichen Schuldenbremse auf der einen Seite zwar gute und überzeugende Ansätze aufweist, auf der anderen Seite allerdings auch durch relevante Mängel und Lücken entscheidend geschwächt wird. Keinesfalls wird man dieses Regelungssystem zur Begrenzung der Staatsverschuldung als das gewünschte Ideal- oder Erfolgsmodell und als die einzig richtige Antwort auf das Staatsschuldenproblem ansehen können. Den bestehenden Zweifeln an dem zukünftigen Erfolg der Schuldenbremse liegt unter anderem der Verdacht zugrunde, dass die „politische Haltbarkeitsdauer der Schuldenbremse“ 86 extrem kurz sein könnte. Tatsächlich wurden bereits offen Spekulationen geäußert bzw. Wetten darüber abgeschlossen, dass die Politik die grundgesetzliche „Schuldenbremse“ wohl kaum über das Ende der gesetzten Übergangsfrist in 2016 bzw. 2020 hinaus unverändert beibehalten wird87. Ferner weist die grundgesetzliche Schuldenbremse eine Vielzahl relevanter Schlupflöcher und Regelungslücken auf, die von politischer Seite umfassend für Ausweich- und Umgehungsstrategien genutzt werden könnten. Sofern gewünscht, werden sich zahllose Wege und Strategien finden lassen, das Konzept der Schul-

84 Siehe: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, März 2007, S. 120. 85 Zu der Frage einer Erweiterung der Steuerautonomie für die Länder siehe beispielsweise mit weiteren Nachweisen: Härtel, JZ 2008, 437 (444 ff.); Ekardt/Buscher, DÖV 2007, 89 (92 f.); Korioth, in: Der Föderalstaat nach dem Berlin-Urteil, 49 (58 ff.). 86 Weigelt, DÖV 2012, 768 (771). 87 Beispielsweise hat Kloepfer auf der Tagung „Auf dem Weg zu nachhaltig ausgeglichenen öffentlichen Haushalten?“ im Mai 2012 eine „gute Flasche Wein“ darauf gewettet, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse noch vor dem Auslaufen der Übergangsfrist wieder einer Änderung unterzogen werden wird. Vgl. hierzu den Tagungsbericht: Weigelt, DÖV 2012, 768 (771).

§ 6 Abschließendes Fazit

361

denbremse trotz seiner formalen Aufrechterhaltung auszuhöhlen, zu unterlaufen und damit rein faktisch außer Kraft zu setzten. Damit die aufgezeigten Gefahren kein „Bremsversagen“ 88 auslösen, bedarf es des ausdrücklichen politischen Willens, an den Zielen der grundgesetzlichen Schuldenbremse weiterhin festzuhalten und sich ihren strikten Vorgaben und Grenzen zu unterwerfen. Mit der Verankerung der neuen deutschen Schuldenbremse im Grundgesetz haben die politischen Entscheidungsträger ihren grundsätzlichen Willen zum Umdenken und zur Begrenzung der Staatsverschuldung bereits unter Beweis gestellt. In einem zweiten Schritt sollten sie allerdings nun ihre unveränderte Entschlossenheit und Bereitschaft zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem nützlichen und zugleich gefährlichen Instrument der Staatsverschuldung dadurch bekunden, dass sie die bestehenden Schuldenregelungen entsprechend der vielfach empfohlenen Reformvorschläge verbessern und die verbliebenen Schlupflöcher und Regelungslücken schließen. Zuletzt bedarf es nur noch einer entschlossenen und konsequenten Betätigung der eingeführten Schuldenbremse. Es hängt somit nicht allein von den rechtlichen Bestimmungen des Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG ab, ob es gelingen wird, die „politische Schicksalsfrage der Gegenwart“ 89 zufriedenstellend zu lösen. Zwingend ist auch ein Mentalitätswechsel sowohl bei den politischen Entscheidungsträgern als auch bei den Bürgern und das klare Bekenntnis zu einer „politische[n] Kultur des Maßes und der Verantwortung“ 90.

88 Zu der Gefahr eines „Bremsversagens“: Hetschko/Quint/Thye, Achtung, Bremsversagen!, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. November 2012, Nr. 274, S. 12. 89 Waldhoff, JZ 2008, 200 (200). 90 Kube, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 56. Erg.-Lfg., 2009, Art. 115, Rn. 249. Zu der Bedeutung eines „finanz- und haushaltspolitischen Mentalitätswechsels“ siehe beispielsweise auch: Korioth, KritV 2008, 187 (191).

6. Teil

Zusammenfassung der zentralen Thesen Abschließend sollen die wesentlichen Gedankengänge und die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in wenigen, knappen Thesen zusammengefasst werden: 1. Die Staatsverschuldung in Deutschland bedarf einer wirksamen Begrenzung. Diese Notwendigkeit ergibt sich vor allem aus der allgemein bekannten „demokratischen Krankheit“ – dem Hang zur Kreditfinanzierung, der das Verhalten von politischen Entscheidungsträgern in einem demokratischen Staatswesen üblicherweise kennzeichnet1. 2. In der Ökonomie als der eigentlich zuständigen Fachdisziplin besteht zum Thema Staatsverschuldung und zur Lösung der Staatsschuldenproblematik kaum Konsens: Ob Staatsverschuldung von ihren Auswirkungen her als gut, schlecht oder neutral zu bewerten ist, wie das Instrument der Staatsverschuldung in optimaler Weise eingesetzt werden sollte, welche Funktionen Staatsverschuldung erfüllt und welche Gefahren mit ihr verbunden sind – auf alle diese Fragen finden sich in der Ökonomie keine unumstrittenen, zeitlosen und allgemein anerkannten Antworten2. 3. Gerade das offenkundige Scheitern der bislang im Grundgesetz normierten Regelungen zur Begrenzung der Staatsverschuldung hat den wesentlichen Anstoß zur Neugestaltung des grundgesetzlichen Staatsschuldenrechts im Rahmen der Föderalismusreform II gegeben3. Die 2009 in das Grundgesetz eingeführte Schuldenbremse für den Bund und für die Länder, die in Art. 109 Abs. 3 GG, Art. 115 Abs. 2 GG verankert worden ist, lässt sich in ihren elementaren Grundzügen folgendermaßen beschreiben: Der Ausgangspunkt der grundgesetzlichen Schuldenbremse besteht in der Verpflichtung von Bund und Ländern auf den Grundsatz eines materiell ausgeglichenen Haushalts. Von diesem Grundsatz sind allerdings Ausnahmen vorgesehen: die Strukturkomponente für den Bund, die Konjunkturkomponente sowie die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen für 1

Zur „demokratischen Krankheit“: Einleitung § 2 A. und B. Zur Staatsverschuldung aus ökonomischer Sicht: 1. Teil vor allem § 2 und § 3. 3 Zum Scheitern der bisherigen Schuldenregelungen des Grundgesetzes: 2. Teil § 1 C. vor allem II. 2

6. Teil: Zusammenfassung der zentralen Thesen

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Bund und Länder. Der nachgezeichnete Rahmen der Schuldenbremse wird ferner durch ergänzende Bestimmungen abgerundet4. 4. Im Zusammenhang mit der grundgesetzlichen Schuldenbremse drängen sich verschiedene rechtliche Probleme und Fragestellungen auf. Sie betreffen vor allem eine mögliche Verfassungswidrigkeit der im Grundgesetz verankerten deutschen Schuldenbremse, ihre Auswirkungen auf die bestehenden landesspezifischen Schuldenregelungen sowie ihr Verhältnis zu den auf EU-rechtlicher bzw. völkerrechtlicher Ebene bestehenden Vorgaben. Diesbezüglich sind die folgenden Ergebnisse festzuhalten: Der verschiedentlich geäußerte Vorwurf, die in der grundgesetzlichen Schuldenbremse enthaltenen Vorgaben für die Länder verletzten das Bundesstaats- bzw. das Demokratieprinzip und seien verfassungswidrig, erweist sich bei genauerer Betrachtung als unbegründet5. Für die Länder ist eine Anpassung ihrer landesspezifischen Schuldenregelungen an die Bestimmungen der grundgesetzlichen Schuldenbremse zwar nicht zwingend; gleichwohl liegen gewichtige Gründe vor, die eine Anpassung zweckmäßig und ratsam erscheinen lassen. Dementsprechend wird der noch nicht abgeschlossene Reformprozess auf Länderebene weiterhin kritisch zu beobachten sein6. Im Zusammenhang mit den auf EU-rechtlicher bzw. völkerrechtlicher Ebene bestehenden Schuldenregelungen ist vor allem von Interesse, inwieweit die im Grundgesetz normierte Schuldenbremse die Anforderungen des Fiskalpakts an eine näher bestimmte nationale Schuldenbremse erfüllt. Im Ergebnis besteht zwischen der deutschen Schuldenbremse des Grundgesetzes und der im Fiskalpakt geforderten Schuldenbremse keine vollständige Übereinstimmung; hierauf hat der Gesetzgeber mit der Einführung einer neuen Grenze für das gesamtstaatliche strukturelle Finanzierungsdefizit in § 51 Abs. 2 HGrG reagiert7. 5. Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit der im Grundgesetz normierten deutschen Schuldenbremse ist, ob mit dem im Rahmen der Föderalismusreform II beschlossenen Regelungskonzept ein richtiger und überzeugender Ansatz gewählt worden ist. Eine Überprüfung der deutschen Schuldenbremse anhand der von Kopits und Symansky entwickelten Bewertungsmerkmale „gut definiert“, „transparent“, „adäquat“, „konsistent“, „einfach“, „flexibel“, „durchsetzbar“ und „effizient“ legt hierbei sowohl zentrale Stärken als auch relevante

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Zur Ausgestaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse: 2. Teil § 2 B. Zur Frage der Verfassungswidrigkeit der grundgesetzlichen Schuldenbremse: 3. Teil

§ 1. 6 Zum Verhältnis der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu den landesspezifischen Schuldenregelungen: 3. Teil § 2. 7 Zum Verhältnis zwischen der grundgesetzlichen Schuldenbremse und den EU- bzw. völkerrechtlichen Schuldenregelungen, 3. Teil § 3.

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6. Teil: Zusammenfassung der zentralen Thesen

Schwächen dieses Regelungssystems offen8. Als unzureichend stellt sich das Modell der grundgesetzlichen Schuldenbremse in seiner jetzigen Ausgestaltung unter den Gesichtspunkten „gut definiert“, „adäquat“, „einfach“ und „durchsetzbar“ heraus9. In diesem Zusammenhang sind vor allem die folgenden Mängel zu erkennen: So ist die grundgesetzliche Schuldenbremse mit Blick auf die zu begrenzende Größe und die erfassten Haushalte nicht präzise genug und zu eng definiert; die Ausnahmebestimmungen zu dem Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts sind stellenweise sehr unbestimmt und bieten damit einen bedenklichen Spielraum für die hohe Verschuldungsneigung politischer Entscheidungsträger10. Zudem ist das Konzept der grundgesetzlichen Schuldenbremse von hoher Komplexität und setzt teilweise ein profundes ökonomisches Fachwissen voraus11. Überdies fehlt es an effektiven Kontroll- und Sanktionsmechanismen zur Absicherung der grundgesetzlichen Schuldenbremse12. Demgegenüber sind bei den Merkmalen „transparent“, „konsistent“ und „flexibel“ lediglich punktuelle Unzulänglichkeiten festzustellen13. Unter dem Merkmal „effizient“ ist auf die Notwendigkeit von umfassenden Reform- und Konsolidierungsmaßnahmen hinzuweisen, wenn die Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse auch für die Zukunft sichergestellt werden soll14. 6. Das Modell der grundgesetzlichen Schuldenbremse bietet Spielraum für Verbesserungen. Besonders hervorzuheben sind die folgenden Reformvorschläge15: Das Regelungsverhältnis zwischen Art. 109 Abs. 3 GG und Art. 115 Abs. 2 GG sollte vereinfacht werden16. Art. 109 Abs. 3 GG ist durch eine Grenze für den gesamtstaatlichen Schuldenstand in Höhe von 60 % zu ergänzen17. Speziell mit Blick auf die Schuldenbremse für den Bund empfiehlt es sich, eine problemorientierte einfachgesetzliche Definition des Begriffs der „Einnahmen aus Krediten“ einzuführen, die Strukturkomponente durch die Normierung konkreter Tatbestandsvoraussetzungen weiter zu beschränken, über eine Vereinfachung der Konjunkturkomponente nachzudenken, die Ausnahmerege-

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Zur kritischen Analyse der grundgesetzlichen Schuldenbremse: 4. Teil § 3. Zu den Merkmalen, „gut definiert“, „adäquat“, „einfach“ und „durchsetzbar“: 4. Teil § 3 A., C., E. und G. 10 Siehe hierzu vor allem die Ausführungen unter dem Merkmal „gut definiert“: 4. Teil § 3 A. II. 1., 2. und 3. 11 Siehe hierzu vor allem die Ausführungen unter dem Merkmal „einfach“: 4. Teil § 3 E. II. 12 Siehe hierzu vor allem die Ausführungen unter dem Merkmal „durchsetzbar“: 4. Teil § 3 G. II. 2. und 3. 13 Zu den Merkmalen „transparent“, „konsistent“, „flexibel“: 4. Teil § 3 B., D. und F. 14 Zum Merkmal „effizient“: 4. Teil § 3 H. 15 Zu den Reformvorschlägen: 5. Teil. 16 Siehe hierzu: 5. Teil § 1. 17 Siehe hierzu: 5. Teil § 2 A. 9

6. Teil: Zusammenfassung der zentralen Thesen

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lung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen zu präzisieren und die Rückführungsverpflichtung bezüglich der auf dem Kontrollkonto angesammelten Defizite zu verschärfen18. Zuletzt sind Reformansätze zur Optimierung des Frühwarnsystems in Art. 109a GG, zur Verbesserung der Transparenz sowie zur Einführung eines Sanktionssystems vorgestellt worden19.

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Siehe hierzu: 5. Teil § 3 A., B., C., D. und E. Siehe hierzu: 5. Teil § 4 und § 5 A. und B.

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Sachwortverzeichnis Absolutismus 38 Abstrakte Normenkontrolle 319, 320, 321, 329 Aggregate Investment Approach 51, 56 Allgemeine Kriegsfolgengesetz vom 5. November 1957 23 Asymmetrischer Haushaltsvollzug 84–85 Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen – Übersicht 109–113, 119 Automatische Stabilisatoren siehe Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung Bereinigung um finanzielle Transaktionen 100, 156, 225, 227 Betreibermodelle 219 Budgetsensitivität 108, 238, 251, 275, 299, 323 Bundesstaatsprinzip 130–141 Bürgschaften 221–224, 345 Crowding out 42, 48, 56–61 – Erwartungsbedingtes crowding out 58, 60 – Finanzielles crowding out 57, 59 – Realwirtschaftliches crowding out 57, 60 Deficit spending siehe Keynesianismus Demographischer Wandel 81, 140, 262 Demokratieprinzip 141–143 Deutsche Finanzklassik 39–41 Domar-Modell 62–63 Durchgriffsbestimmungen 145–146, 148, 149

Entschädigungsfonds 228 Erblastentilgungsfonds 228 ERP-Sondervermögen 228 Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) 169 Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) 169 Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) 169, 176 Euro-Plus-Pakt 172–173, 180, 181–183 Euro-Rettungsschirm, dauerhafter 169, 176 Euro-Rettungsschirm, vorläufiger 169 Ewigkeitsgarantie 126–128 Fiskalpakt 26, 173–178, 179, 180, 182– 190, 340 Föderalismusreform I 88, 123, 358 Fonds Deutsche Einheit 228 Forfaitierungsverträge 219 Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen – Übersicht 121– 122 Garantie einer angemessenen Finanzausstattung 136–137 Garantien 221–224, 345 Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags 188–189 Gewährleistungen 221–224, 345 Globalisierung 81 Goldene Regel 308 Große Finanzreform 1967/1969 77–86 Grundsatz der föderalen Gleichbehandlung 139–141 Grundsatz des materiell ausgeglichenen Haushalts – Übersicht 100–102, 117

Sachwortverzeichnis Haushaltsautonomie 131–136 – Formelle Haushaltsautonomie 131 – Materielle Haushaltsautonomie 131– 136 Herrenchiemseer Konvent 75 Homogenitätsgebot 138 Juliusturm 24 Junktimklausel 79, 82–83, 105 Justiziabilität 151, 322–324 Kameralismus 38 Kassenverstärkungskredite 34, 217–219, 343–344 Keynesianismus 41, 75, 77 Klassische Nationalökonomie 38–39, 73 Konjunkturbereinigungsverfahren 107, 251, 252, 258, 299, 304 Konjunkturelle Verschuldung – Definition 35 Konjunkturkomponente – Übersicht 106–109, 118–119 Konsolidierungshilfen 93, 122 Konstitutionalismus 72 Kontrollkonto – Übersicht 113–117 Kreditaufnahme – Definition siehe Neuverschuldung – Definition Landesverfassungsrechtliche Schuldenregelungen 86–87, 158–163 – Baden-Württemberg 86 – Bayern 87, 160 – Berlin 86 – Brandenburg 86 – Bremen 86 – Hamburg 87, 161 – Hessen 87, 160 – Mecklenburg-Vorpommern 86, 160 – Niedersachsen 86 – Nordrhein-Westfalen 86 – Rheinland-Pfalz 86, 162 – Saarland 86 – Sachsen 86, 162

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– Sachsen-Anhalt 86 – Schleswig-Holstein 86, 158, 161 – Thüringen 86, 87, 158, 163 Lastenausgleichsfonds 228 Lastenverschiebungsfunktion 48–53, 67, 301, 307–308, 311 Leasingverträge 219 Londoner Abkommen über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 23 Maastricht-Kriterien 165–166, 286–293 Merkantilismus 38 Monetarismus 42 Nachhaltigkeit 261–264 Neue Orthodoxie 50 Neuverschuldung – Definition 34 – Bruttoneuverschuldung 34 – Nettoneuverschuldung 34 Normativbestimmungen 145–146 Ökonomische Theorie der Politik siehe Polit-ökonomische Theorien Ökonomische Theorie der Verschuldungspolitik siehe Polit-ökonomische Theorien Organstreitverfahren 320 Parallelpolitik 45 Park- und Platzhalterlösungen 219 Parlamentarischer Rat 75 Pay as you use-Argument siehe Lastenverschiebungsfunktion Polit-ökonomische Theorien – Übersicht 27–29, 42 Primärsaldo 264 Produktionslücke 107, 108, 116, 237, 238, 251, 275, 299, 323, 348 Produktionspotenzial 107, 237, 299 Public-Choice-Theory siehe Polit-ökonomische Theorien Publizitätspflicht 122, 255–258

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Sachwortverzeichnis

Restrukturierungsfonds 228 Sale and lease back 219 Schuldenstand – Definition 33 Schuldenstandsquote – Definition 34 Schweizer Schuldenbremse 25, 192–197 Sixpack-Reformen 170–172, 178, 179, 180, 181–183 Sondervermögen Aufbauhilfe 228 Sondervermögen Energie- und Klimafonds 228 Sondervermögen Finanzmarktstabilisierung 228 Sondervermögen Investitions- und Tilgungsfonds 228 Staatsverschuldung – Definition 33 – Explizite Staatsverschuldung 34 – Implizite Staatsverschuldung 34 Stabilisierungsfunktion 44–48, 301 – Stabilisierungsfunktion durch aktive konjunkturelle Verschuldung 46–48, 304–307, 311 – Stabilisierungsfunktion durch passive konjunkturelle Verschuldung 44–46, 302–304, 311 Stabilitätsrat siehe Frühwarnsystem zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen Statistisches Bundesamt 103 Strukturelle Verschuldung – Definition 35

Strukturkomponente – Übersicht 102– 105 Tragfähigkeit 261–264, 266–272, 335– 336 Tragfähigkeitslücke 272, 335–336 Transferansatz 64–66 Tübinger Vertrag von 1514 72 Twopack-Reformen 179 Überbrückungsfunktion 53–55, 301, 308–310, 311 Utility Approach 50–51 Veräußerungsmodelle 219 Verdrängung privater Investitionen siehe Crowding out Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 73–74 Verfassung des Norddeutschen Bundes 73 Verfassungsautonomie 137–139 Vertrag von Maastricht 164, 165 Währungsreform 1948 23 Weimarer Reichsverfassung 74 Wiedervereinigung 81, 86, 111 Zeitmaschinen-Wirkung von Staatsverschuldung 49