Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht [1 ed.] 9783428498482, 9783428098484

Aufgrund der fortschreitenden Internationalisierung des Rechts und der wachsenden Zahl grenzüberschreitender Aktivitäten

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Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht [1 ed.]
 9783428498482, 9783428098484

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CHRISTIAN FELDMÜLLER

Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 127

Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwa1tungsprozeßrecht

Von

Christian Feldmüller

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Feldmüller, Christian: Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaitunsgprozeßrecht I von Christian Feldmüller. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 127) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09848-X

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-09848-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1998/99 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ehlers, ftir die Betreuung und Unterstützung, die ich von ihm während und nach der Bearbeitung erfahren habe. Weiterhin möchte ich Herrn Prof. Dr. Kadelbach für die Mühe der Erstellung des Zweitgutachtens sowie den Herren Prof. Dr. Erichsen, Prof. Dr. Kollhosser und Prof. Dr. Welp für die Aufuahme der Arbeit in die Schriftenreihe "MÜDsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft" danken. Dankbar bin ich in besonderem Maße auch meinen Eltern, die mit ihrer Unterstützung diese Arbeit erst ermöglicht haben. Herzlich danke ich auch Frau Nicole Lempka für die Rechtschreibkorrektur. In Liebe danke ich zum Abschluß meiner Freundin, Frau Assessorin Stefanie Hollmann, die mich bei der Erstellung der Arbeit nicht nur fachlich unterstützt, sondern über die gesamte Zeit hinweg auch meine Launen ertragen hat. Münster, im Juli 1999

Christian Feldmül/er

Inhaltsü bersieht § 1 Einleitung........................................ ... ............................................................ 25 § 2 Deutsche Gerichtsbarkeit................................................................................. 33 § 3 Internationale Zuständigkeit....... .................... ............................ ......... ............ 74 § 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ................................................... 109 § 5 Beteiligten- und Prozeßfähigkeit... ................................................................... 118 § 6 Statthafte Klagearten ....................................................................................... 126

§ 7 Klagebefugnis ........................................................................... ...................... 127 § 8 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen

und Verwaltungsakte in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ........................... 348

§ 9 Schlußzusammenfassung ................................................................................. 360 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 365 Stichwortverzeichnis ............................................................................................... 382

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung............................................ ............................................................ 25 I.

Problemstellung und Gang der Untersuchung.............................................. 25

ll. Die Rahmenbedingungen staatlicher Jurisdiktion...... .................................. 29 I. Die Regelungskompetenz ...................................................................... 29 2. Die Rechtsdurchsetzungsbefugnis ......................................................... 30 3. GeltWlgs- und Anwendungsbereich von Rechtsnormen.......................... 31

§ 1 Deutsche Gerichtsbarkeit............................................................................... 33 I.

Begriffund Umfang deutscher Gerichtsbarkeit............................................ 33 I. Begriff.................................................................................................. 33 2. Umfang deutscher Gerichtsbarkeit........................................................ 34

ll. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit (Staatenimmunität)................ 36 I. Immunität im verwaltWlgsprozessualen Erkenntnisverfahren ................. 36 a) Immunität fremder Staaten.............................................................. 36 aa) Völkerrechtliche Grundlagen und Umfang ............................... 36 bb) Abgrenzung von hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln ................................................................................... 40 cc) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität (EurÜStI)....... .............. ... ... ................. ............................... ...... 43 b) Immunität staatlicher Untergliederungen ......................................... 44 aa) Rechtlich unselbständige organisatorische Untergliederungen.. 44 bb) Innerstaatlich selbständige Untergliederungen.......................... 45 c) Immunität fremder Staatsunternebmen ............................................ 47 d) Immunität diplomatischer und konsularischer Missionen................. 49 aa) Diplomatische Missionen ......................................................... 49 bb) Konsularische Missionen......................................................... 52 2. Immunität im Vollstreckungsverfahren.................................................. 52 3. Drittbezüge der ImmunitätsgewährleistWlg......... ...... ............................. 56

Inhaltsverzeiclmis

12

4. Immunität im Verwalnmgs- Wld Verwalnmgsvollstreclamgsverfahren... 56 5. Immunitätsverzicht ............................................................................... 57 6. Deutsche Gerichtsbarkeit Wld transnationales Verwalnmgshandeln....... 59

m.

Die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen................ .......... 61 1. Ansprüche aus ausländischem öffentlichen Recht........................ .... ...... 61 2. Ansprüche aus deutschem öffentlichen Recht.............. ........... ..... .......... 66

IV. Die deutsche Gerichtsbarkeit im Prozeß...................................................... 69 1. KlagezustellWlg, TerminiefWlg Wld LadWlg .......................................... 69 2. Zur Wirlamg eines Urteils trotz Fehlens deutscher Gerichtsbarkeit ....... 70

§ 3 Internationale Zuständigkeit........... ....... ............................. ........... ... ....... ...... 74 I.

Die internationale Zuständigkeit als Sachurteilsvoraussetzilllg .................... 74 I. Begriff............ ......... ... ........... .......................... ....... .......... ....... ...... ....... 74 2. Verhältnis zur deutschen Gerichtsbarkeit Wld "innerstaatlichen" Zuständigkeitsrege1Wlgen .. ......... ............................................. ........ ..... 75 3. Bedeunmg für das VerwaltWlgsprozeßrecht... ........................................ 75 4. Völkerrechtliche Grenzen der internationalen Zuständigkeit ................. 77

II. BestirnmWlg der internationalen Zuständigkeit im Verwalnmgsprozeß........ 78 I. Völkerrechtliche Übereinkommen ......................................................... 79 2. Ausdrückliche BestirnmWlg der internationalen Zuständigkeit............... 81 3. BindWlg der internationalen Zuständigkeit an die RegelWlgen der örtlichen Zuständigkeit in privatrechtlichen Streitigkeiten..................... 81 4. Die internationale Zuständigkeit für Ansprüche aus ausländischem öffentlichen Recht................................................................................. 82 a) Fehlendes staatliches Interesse an der Rechtsdurchsetzilllg .............. 84 b) Prozessuale Waffengleichheit. .................. ... ...... .............................. 86 c) Fehlen eines Justizanspruchs....................... .................................... 88 d) Fehlen kollisionsrechtlicher RegelWlgen ......................................... 90 e) Die Maßgeblichkeit des anwendbaren Rechts.................................. 91

f) Qualifikation.................. ................................................................. 97 5. Internationale Zuständigkeit Wld deutsches öffentliches Recht .............. 99 6. ZusammenfassWlg .... .. .................................... .. .................................... 100

Inhaltsverzeichnis

13

llI. Zuständigkeit internationaler und supranationaler Gerichte......................... 10 I l. Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs ................................. 102

2. Zuständigkeitszuweisungen aufgrund sonstiger europäischer Regelungen ........................................................................................... lOS 3. Die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs ............................... 105 VI. Die internationale Zuständigkeit im Prozeß ................................................. 107

§ 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ................................................. 109 I.

Erötlhung des Verwaltungsrechtswegs ........................................................ 109 1. Deutsches öffentliches Recht........... ..................................................... 109 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht ........................ ...... ...... ..................... 110 3. Völkerrechtliche Streitigkeiten ............................................................. 111 4. Ausländisches öffentliches Recht .......................................................... 112

II. Schiedsgerichtsbarkeit ................................................................................ 114 llI. Gegenseitigkeit........................................................................................... 116

§ 5 Beteiligten- und Prozeßfähigkeit .................................................................... 118 I.

Beteiligtenfähigkeit .................................................................................... 118 I. Die Regelung des § 61 VwGO.............................................................. 118 2. Die Beteiligtenfiihigkeit fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts .................................... 118 3. Ausländische Behörden als Beteiligte ................................................... 122

II. Prozeßfähigkeit ........................................................................................... 124

§ 6 Statthafte Klagearten ..................................................................................... 126

§ 7 Klagebefugnis ................................................................................................. 127 I.

Voraussetzungen der Klagebefugnis ............................................................ 127 1. Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO ....... ............ ...................... 127 2. Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ........................................................ 129 a) Begriffsbestimmung ........................................................................ 129 b) Schutznormtheorie ................ .......................................................... 132 c) Lehre vom Rechtsverhältnis ............................................................ 135 d) Eigene Würdigung .......................................................................... 136 e) Schutznormerfordernis und verwaltungsgerichtlicher Drittschutz ..... 138

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Inhaltsverzeichnis f) Trägerschaft subjektiv-öffentlicher Rechte ...................................... 138 3. Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung .................................. 141 4. Zusanunenfassung ................................................................................ 144 II. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regehmgen ................................ 144 1. Innerstaatliche Geltung und unmittelbare Anwendbarkeit... ... ................ 145 2. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts ............................................. 146 a) Die Übernahme völkerrechtlicher Regehmgen nach Art. 25 GG ...... 146 b) Allgemeine Regeln des Völkerrechts als Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ......................................................................... 149 3. Völkerrechtliche Verträge ..................................................................... 152 4. Der Rang völkerrechtlicher Regeln im innerstaatlichen Recht ............... 154 III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte ..................................... 157 1. Der personale Schutzbereich der materiellen Grundrechte..................... 158 a) Die Bedeutung der Auslandseigenschaft juristischer Personen ftIr die Gewährung grundrechtlichen Schutzes ................................. 159 aa) Die Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf inländische juristische Personen ................................................................. 160 (1) Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG ................................. 160 (2) Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 3 GG ................... 161 (3) Bestimmung des personalen Schutzbereichs der Grundrechte nach Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG .......... 161 (4) Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.......... 163 (5) Exkurs: Die Einschränkung zugunsten der Verfahrensund Prozeßrechte aus Art. 10 1 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG ........................................................................ 163 bb) Keine Ausdehnung des Grundrechtsschutzes ftlr ausländische juristische Personen aufgrund innerstaatlichen Rechts .............. 166 (1) Zur Bedeutung der ,,Anerkennung" ausländischer juristischer Personen ......................................................... 166 (2) Die Möglichkeit der analogen Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG ........................................................................ 167

Inhaltsverzeiclmis

15

(3) Der Grundsatz der inländergleichen Gewaltunterworfenheit ........................................................................ 168 (4) Kritik an der Erweiterung grundrechtlichen Schutzes ........ 171 (5) Stellungnahrne .................................................................. 171 ce) Keine Ausdehnung grundrechtlichen Schutzes aufgrund völkerrechtlicher Übereinkommen ........................................... 176 dd) Europäisches Gemeinschaftsrecht ............................................ 178 (1) Das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot.. ...... 179 (2) Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen aus EG-Mitgliedstaaten ...................................................................... 183 ee) Teilergebnis ............................................................................. 188 b) Die Gewährleistung der Grundrechte zugunsten juristischer Personen des öffentlichen Rechts .................................................... 189 aa) Zur Grundrechtsfähigkeit inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts ............................................................ 189 bb) Übertragbarkeit der Argumente auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts ............................................. 194 cc) Das Wesen der Grundrechte und die Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts ..... 195 dd) Die Bedeutung des Art. 6 EGV ................................................ 201 ee) Teilergebnis ............................................................................. 203 2. Der Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte ....... 204 a) Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 103 Abs. 1 GG .................................. 204 b) Art. 19 Abs. 4 GG ........................................................................... 205 aa) Wortlaut und systematischer Zusammenhang ........................... 205 bb) Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsfähigkeit.. ...................... 206 cc) Zur Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des Privatrechts .............................................................................. 208 dd) Kein Ausschluß ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts .................................................................. 210 ee) Rechte i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG ........................................... 212 3. Art. 28 Abs. 2 GG ................................................................................. 214

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Inhaltsverzeichnis 4. Probleme und Konsequenzen fehlender materieller Grundrechtstahiglceit im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO ........................................ 215 a) Auswirkungen auf den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz ........ 215 b) Die rechtsstaatlichen Garantien und der sog. ,,mittelbare" Grundrechtsschutz .......................................................................... 216 c) Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Rechtsinstitute .................. 218 d) Zum unmittelbaren Rückgriff auf die Grundrechte im Verwaltungsprozeß .................................................................................... 220

N. Einfachgesetzliche Schutznormen deutschen Rechts .................................... 226 1. Der räumliche Aspekt verwaltungsrechtlicher Schutznormen ................. 226 a) Das Verhältnis von räumlichem Anwendungsbereich und räumlichem Schutzbereich .............................................................. 226 b) Zur Bedeutung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte ........ 228 c) Übersicht über die relevante Rechtsprechung .................................. 229 d) Literaturauffassungen...................................................................... 233 e) Systematischer Ansatz ..................................................................... 239

f) ,,Externe" Bestimmung des Anwendungsbereichs ............................ 240 aa) Völkerrechtliche Regelungen ................. .................................. 240 (1) Territorialitätsprinzip................................................. ....... ·241 (2) Principle of non-discrimination ......................................... 245 (3) Sonstige völkerrechtliche Verpflichtungen ........................ 248 (4) Zusammenfassung ............................................................ 249 bb) Regelungen des Grundgesetzes ................................................ 250 g) Normimmanente Bestimmung des Anwendungsbereichs ................. 251 aa) Ausdrückliche Regelungen des Anwendungsbereichs ............... 251 bb) Das Territorialitätsprinzip als Systementscheidung des Verwaltungsrechts? ................................................................. 252 ce) Ermittlung des Anwendungsbereichs durch Auslegung ............. 259 (1) Grundlagen der Auslegung des Anwendungsbereichs ........ 259 (2) Auslegungsgrundsätze zugunsten einer extraterritorialen Anwendung ...................................................................... 260 (a) Völkerrechtsfreundliche Auslegung ........................... 262

Inhaltsverzeichnis

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(b) Auslegung nach dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit .............................................................. 264 (3) AuslegungsgrUnde zugunsten einer territorial begrenzten AnwendWlg ...................................................................... 269 (a) VerfassWlgsrechtlicher Vorrang des Inländerinteresses ...................................................... 269 (b) Gegenseitigkeit.. ............................................ .... ........ 272 (c) Innerstaatliche KompetenzverteilWlg ......................... 276 (d) Präklusion ................................................................. 277 (4) ZusammenfasSWlg ............................................................ 278 2. Der personale Aspekt verwaltWlgsrechtlicher Schutznormen ................. 279 a) Grundsatz der WlbeSChrän1cten personalen Anwendbarkeit.. ............. 280 b) Der rechtliche Schutz fremdstaatlicher Interessen ............................ 281 aa) Die innerstaatliche Berücksichtigungsfiihigkeit fremdstaatlicher Interessen ....................................................................... 281 bb) Rechtlich geschützte Interessen i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO .... 283 c) Exkurs: Die RechtsstellWlg ausländischer Behörden ........................ 289 V. Klagebefugnis aufgrwtd europäischen Gemeinschaftsrechts ........................ 292 I. Die EinbeziehWlg des Gemeinschaftsrechts in den innerstaatlichen Rechtskreis ........................................................................................... 292 2. Subjektiv-öffentliche Rechte aus Wlffiitte1bar anwendbarem Gemeinschaftsrecht. ...................... '" ................................................................. 294 a) Spezifisch gemeinschaftsrechtliche Kriterien ................................... 295 b) AnwendWlg der deutschen Schutznormtheorie ................................. 296 c) Die AusnahmeregelWlg des § 42 Abs. 2, l. Hs. VwGO ................... 296 d) Eigene WürdigWlg .......................................................................... 297 aa) Maßstab Wld Grundlage des subjektiv-öffentlichen Rechts i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO ..................................................... 297 bb) Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts .................................... 299 cc) Das EG-Recht als subjektiv-öffentliches Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO .................................................................. 301 VI. Die Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts Wld ihre BedeutWlg für die Klagebefugnis .................................................................................. 303 2 Feldmüller

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Inhaltsverzeichnis 1. Voraussetzlmg eines Anwendungsbefehls.............................................. 304 2. Völkerrechtliche Zulässigkeit ............................................................... 305 3. Internationales Verwaltungsrecht .......................................................... 307

a) Internationales Verwaltungsrecht und Einseitigkeit des öffentlichen Rechts............................................................................................. 307 b) Internationales Verwaltungsrecht als zweiseitiges Kollisionsrecht ... 309 c) Eigene Würdigung .......................................................................... 311 4. Grundsatz der Anwendung eigenen öffentlichen Rechts......................... 314 5. Ausländisches öffentliches Recht im Verwaltungsprozeß....................... 318 a) Rechtsanwendungsbefehle ...................................................... ........ 318 aa) Art. 19 Abs. 4 GG ..................................................... ............... 318 bb) § 42 Abs. 2 VwGO .................................................................. 321 ce) Verweisungen innerhalb des deutschen öffentlichen Rechts ..... 322 dd) Sachgerechtigkeitserwägungen als Anwendungsbefehl ............. 323 ee) Rechtswahl .............................................................................. 324 (1) Grundsatz der fehlenden Rechtswahlmöglichkeit bei subordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen .................. 324 (2) Die Zulässigkeit der Rechtswahl in koordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen ................................................ 325 b) Verfassungsrechtliche Bedenken und Ordre-public-Vorbehalt... ...... 331 c) Ausländisches öffentliches Recht und subjektives Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO ......................................................................... 333 d) Anhang: Rechtsanwendungsbefehl und internationale Zuständigkeit .................................................. ............................................... 335 6. Sonderproblem: Grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit .................................................. .................................................. 336

a) Grundlagen der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit ... .......................................................................... 336 b) Rechtsforrn und Rechtsschutz .......................................................... 340 c) Anwendbares Recht und Klagebefugnis ........................................... 342 7. Zusammenfassung ...................................................... .......................... 346

Inhaltsverzeiclmis

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§ 8 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen und Verwaltungs akte in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ......... 348 I.

Grundlagen ..... ............................................................................................ 348

ll. AnerkennWlg Wld VollstreckWlg ausländischer gerichtlicher EntscheidWlgen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten durch deutsche Gerichte ...... 349 1. Völkerrechtliche Übereinkommen ......................................................... 349 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht ......................................................... 350

3. Nonnen des deutschen Rechts ............................................................... 350 4. Rechts- Wld Amtshilfe durch deutsche Gerichte .................................... 352 ill. AnerkennWlg Wld VollziehWlg ausländischer Verwaltungsakte bzw. entsprechender EntscheidWlgen durch deutsche Verwaltungsbehörden ........ 353

1. Staatsverträge ....................................................................................... 354 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht ......................................................... 354

3. Amtshilfe nach deutschem Recht... .................................................. ...... 355 4. Rechtsschutzprobleme ........................................................................... 356

§ 9 Schlußzusammenfassung ................................................................................ 360 Literaturverzeichnis ........................................... .... .... ........................ .................. 365

Stichwortverzeichnis ......... ............................ ...... ............ .................. ...... ...... ........ 382

Abkürzungsverzeichnis AcP AltK Ann. IDI AöR AVR BayVBI. BB BerDGVR BGBl. BGE BGHZ BK BSGE BVerfGE BVerwGE BVerwGG

Archiv fiIr die civilistische Praxis Reihe Altemativkommentare Annuaire de l'lnstitut de Droit International Archiv des öffentlichen Rechts Archiv des Völkerrechts Bayerische VerwaItungsblätter Der Betriebs-Berater Berichte der Deutschen Gesellschaft fiIr Völkerrecht Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Entscheidungen des Bundegerichtshofes in Zivilsachen Bonner Kommentar Entscheidungen des Bundessozialgerichts Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverwaltungsgerichtsgesetz

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) European Free Trade Association (Europäische Freihandelsassoziation) Europäische Gemeinschaft; Europäische Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft fiIr Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Menschenrechtskonvention

DV DVBI. EAGV EFTA EG EGKS EGV

EMRK EU EuGRZ EuGVO

Europäische Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

22 EuR EurÜStI EUV

EuZW FS GBl. GewArch GkGNW GMBl. GVBl. HbStR HdUR IGH IGH-Statut ILM

IPR IPRax IPRspr IStR NerwR IZPR JBI Jura JuS JZ KommZG MüKo MüKo(ZPO) NJW NuR NVwZ OECD

Abkümmgsverzeichnis Europarecht Europäisches Übereinkommen über die StaatenimmWliät Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag) Europäische Zeitschrift ft1r Wirtschaftsrecht Festschrift Gesetzblatt Gewerbearchiv Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit (NordrheinWestfalen) Gemeinsames Ministerialblatt des Bundesministers des Inneren u. a. Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch des Staatsrechts, s. lsensee, J.lKirchof, P. (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Handwörterbuch des Umweltrechts, s. Kimrninich, O./Lersner, H. v./Storm, P (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts Internationaler Gerichtshof Statut des Internationalen Gerichtshofs International Legal Materials Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Internationales Strafrecht Internationales Verwaltungsrecht Internationales Zivilprozeßrecht Juristische Blätter Jura/Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Gesetz über die Kommunale Zusammenarbeit (Bayern) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung Neue Juristische Wochenschrift Natur und Recht Neue Zeitschrift ft1r Verwaltungsrecht Organisation ft1r die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organization for Economic Cooperation and Development)

23

Ab~gsver.zeichrüs

ÖJZ OLGRspr. PCIJ PCIJ SerieA RabelsZ RGZ RIW RIW/AWD

StIGH UN UPR UVPG

VerwArch VGHErk. VVDStRL

WiVerw WM

WOD WOK ZaöRV ZfBR ZfRV ZRP

ZUM ZVglRWiss

ZZP

Österreichische Juristenzeitung Die RechtsprechWlg der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts Pennanent Court ofInternational Justice (s. StIGH) PCIJ Serie A: Collection of Judgements, Nos. 1-24 (1923-30) Rabels Zeitschrift ftI.r ausländisches Wld internationales Privatrecht EntscheidWlgen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Recht der Internationalen Wirtschaft, Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (seit 1982 RIW) Ständiger Internationaler Gerichtshof Vereinte Nationen (United Nations) Umwelt- Wld PlanWlgsrecht Gesetz über die UmweltvertragJ.ichkeitsprüfung Verwaltungsarchiv Erkenntnisse Wld Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes (Administrativer Teil) VeröffentlichWlgen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wirtschaft Wld Verwaltung Zeitschrift ftI.r Wirtschafts- Wld Bankrecht, WertpapiermitteilWlgen Wiener Übereinkommen über diplomatische BeziehWlgen Wiener Übereinkommen über konsularische BeziehWlgen Zeitschrift ftI.r ausländisches öffentliches Recht Wld Völkerrecht Zeitschrift ftI.r deutsches Wld internationales Baurecht Zeitschrift ftI.r RechtsvergleichWlg Zeitschrift ftI.r Rechtspolitik Zeitschrift ftI.r Urheber- Wld Medienrecht Zeitschrift ftI.r Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift ftI.r Zivilprozeß

Zu den sonstigen Ab~gen vgl. Kirchner, H., sprache, 4. Aufl., Berlin u. a. 1993.

Ab~gsverzeichrüs

der Rechts-

§ 1 Einleitung I. Problemstellung und Gang der Untersuchung Die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeß wurde bislang kaum erörtert. Regelmäßig nur am Rande oder in Teilbereichen werden die Rechte ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts behandelt.) Dies liegt zum einen daran. daß entsprechende Verfahren in der Praxis bislang wenig Bedeutung erlangt haben, und ist zum anderen darauf zurückzuführen, daß die klassischen zwischenstaatlichen Konflikte stets als ausschließliches Problem des Völkerrechts angesehen werden. Dennoch bestehen verschiedene Gründe, sich mit der Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeßrecht näher zu befassen. Zu nennen ist zunächst der Problembereich des grenzüberschreitenden Umweltrechts. Grenznahe Kernkraftwerke, Flughäfen oder sonstige emittierende Anlagen zeigen, daß auch verwaltungsrechtliche Sachverhalte nicht alleine territorial begrenzt sind, sondern Auswirkungen über die Staatsgrenzen hinaus haben können. In derartigen Fällen stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Rechtsschutz extraterritorial Betroffener. Daß solche nicht nur natürliche Personen sein können, sondern auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie Gliedstaaten, Provinzen oder Gemeinden, ein Interesse an der Inanspruchnahme inländischen Rechtsschutzes haben, zeigen Klagen wie die des österreichischen Bundeslandes Vorarlberg gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, 2 die der deutschen Gemeinde Freilassing gegen den Flughafen Salzburg vor dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof 3 oder I Zu den wenigen eingehenderen Ausführungen mit ausdrücklichem Bezug zum Verwaltungsprozeßrecht vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 25 ff. (zur deutschen Gerichtsbarkeit und internationalen Zuständigkeit); Heberlein, Konununale Außenpolitik, S. 217 ff. (zum Rechtsschutz bei der grenzüberschreitenden interkonununalen Zusanunenarbeit); Wemer, S. 92 ff. (zu den subjektiven Rechten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts); GramslPitschas, ZfBR 1996,75 (zum öffentlichen Baurecht). 2 Vgl. BayVGH, BayVBl. 1988, 661; zur anschließenden Verfassungsbeschwerde BVerfG, EuGRZ 1988,424. 3 Vgl. den Beschluß des österreichischen VGH v. 30.5.1969, VGH Erk. Nr. 7582 (A),264.

26

§ 1 Einleitung

die des Saarlandes und einiger deutscher Gemeinden gegen Umweltbeeinträchtigungen in Frankreich. 4 Die Inanspruchnahme innerstaatlichen Rechtsschutzes bietet ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts den Vorteil, daß Streitigkeiten im Wege der nationalen obligatorischen Gerichtsbarkeit regelmäßig schneller und durch die Bindung der Exekutive an die Entscheidungen der Gerichte auch effektiver erledigt werden können, als dies im Wege völkerrechtlicher Verfahren möglich ist. In Anbetracht dieser Voraussetzungen stellt sich damit die Frage, ob und inwieweit, insbesondere unter Bezugnahme auf welche Rechte, ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts Rechtsschutz vor den deutschen Verwaltungsgerichten in Anspruch nehmen können. In einen ähnlichen Kontext gehört auch der Bereich der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit. Wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat, bietet die Zusammenarbeit verschiedenstaatlicher kommunaler Körperschaften eine gute Möglichkeit, die gemeinsamen Probleme in grenznahen Regionen wirksam zu lösen. Ob gemeinsame Wasserversorgung oder abgestimmte Bauplanung, alle derartigen Sachprobleme lassen sich im Wege der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit bewältigen. Weitgehend ungeklärt ist insoweit aber, ob und gegebenenfalls unter Bezugnahme auf welches Recht in Fällen grenzüberschreitender interkommunaler Streitigkeiten Rechtsschutz vor deutschen Verwaltungsgerichten zu erlangen ist. Über diese grenzüberschreitenden Sachverhalte hinaus kann die RechtssteIlung fremder Staaten und sonstiger ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts aber auch im innerstaatlichen Bereich relevant werden. Soweit bspw. im Zuge der Verlegung des bundesdeutschen Regierungssitzes von Bonn nach Berlin viele fremde Auslandsvertretungen ebenfalls ihren Standort wechseln, ist zu erörtern, in welchem Umfang fremde Staaten dem innerstaatlichen Recht unterworfen sind bzw. inwieweit ihnen im inländischen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren Immunität zukommt. Ähnliches gilt im Hinblick auf die zunehmende Tätigkeit ausländischer öffentlichrechtlicher Unternehmen (wie staatlicher Zentralbanken) in der Bundesrepublik. Auch hier stellt sich Frage nach der Gewährung staatlicher Immunität. Als letzter Problemkreis soll an dieser Stelle auf den Versuch fremder Staaten und sonstiger ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts hingewiesen werden, ausländische öffentlich-rechtliche Ansprüche im Inland durchzusetzen. Ob und inwieweit ausländische Steuer- oder Rückforderungsansprüche :für öffentlich-rechtliche Leistungen vor deutschen Gerichten

4 Vgl. dazu den Auszug aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Straßburg in EuGRZ 1986, 575.

I. Problemstellung und Gang der Untersuchung

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durchsetzbar sind, ist eine Frage, die zunächst auch die inländische Verwaltungsgerichtsbarkeit betrifft. Unter Beachtung der dargestellten Konstellationen ist das Ziel der nachfolgenden Untersuchung, die wesentlichen verwaltungsprozessualen Fragen im Hinblick auf die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts zu klären. Besondere Beachtung finden dabei das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, die Beteiligtenfähigkeit und das Bestehen materieller Rechtspositionen, die dazu geeignet sind, die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zu begründen. Als fremde Staaten werden nachfolgend alle diejenigen Gebilde bezeichnet, die dem völkerrechtlichen Begriff des "Staates" entsprechen. s Sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts sind solche Rechtssubjekte, deren Rechtspersönlichkeit auf einem fremdstaatlichen Hoheitsakt beruht. 6 Dazu gehören insbesondere alle Gliedstaaten (wie Bundesstaaten) und sonstige dem Gesamtstaat untergeordneten Gebietskörperschaften, wie Gemeinden, Kreise oder Provinzen. Umfaßt werden von dieser Definition auch öffentlich-rechtliche Verbände und Staatsunternehmen. Die Rechtsstellung unselbständiger staatlicher Untergliederungen, wie ausländischer Behörden, wird im Einzelfall gesondert untersucht. 7 Der Gang der nachfolgenden Untersuchung orientiert sich an dem herkömmlichen Prüfungsaufbau einer verwaltungsprozessualen Klage. 8 Im einzelnen soll nachfolgend zunächst untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen die deutsche Gerichtsbarkeit überhaupt gegeben ist (§ 1). Insoweit wird insbesondere der Grundsatz der Staatenimmunität und die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen eine Rolle spielen. Im Anschluß daran wird zu erörtern sein, in welchen Fällen die internationale Zuständigkeit (§ 2) gegeben ist, insbesondere inwieweit ausländische öffentlich-rechtliche Ansprüche im Inland durchsetzbar sein können. Im Zusammenhang mit der internationalen Zuständigkeit wird auch die Zuständigkeit internationaler und supranationaler Gerichte erörtert werden. Die nachfolgenden Ausführungen werden sich dann mit der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (§ 4), das heißt insbesondere mit dem Vorliegen öffentlichVgl. dazu lpsen, § 5 Rn. I tI; Seidl-Hohenveldem, Rn. 622 tI Ähnliche Definition bei Wemer, S. 92. 7 Nicht eingehend behandelt wird die Rechtsstellung fremder Staatsorgane, wie bspw. ausländischer Staatsoberhäupter und fremder Streitkräfte. Zur Rechtsstellung fremder Streitkräfte in der Bundesrepublik vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 472 tI; DahmIDelbriJckIWolfrum, NJW 1989, 425 (427 ff.); Sennekamp, NJW 1983, 2731 (3731 ff.). 8 Vgl. dazu Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 8. 5

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§ 1 Einleitung

rechtlicher Streitigkeiten i. S. des § 40 Abs. 1 VwGO, beschäftigen sowie Fragen der Beteiligten- und Prozeßfähigkeit (§ 5) und der statthaften Klageart (§ 6) behandeln. § 7 der Untersuchung beschäftigt sich mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO und wird insoweit das Problem zum Gegenstand haben, ob und gegebenenfalls aus welchen Rechtsquellen sich klagefähige Rechte zugunsten fremder Staaten und sonstiger ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts ergeben. Im Rahmen dieser Untersuchung soll zunächst auf die Regelungen des Völkerrechts (11.) eingegangen werden, da dieses als Völkergewohnheitsrecht und Völkervertragsrecht die wesentliche Grundlage der Beziehungen unter den Staaten darstellt. Im Anschluß daran wird erörtert werden, ob und inwieweit fremden Staaten und insbesondere sonstigen juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts grundrechtlicher Schutz (111.) zukommen kann und welche Bedeutung insoweit das Europäische Gemeinschaftsrecht (insbesondere Art. 6 EGV) erlangt. Besondere Berücksichtigung findet auch die Regelung des Art. 19 Abs. 4 GG. Nach den Ausführungen zu den Regelungen des Grundgesetzes sollen die einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts auf ihren subjektivrechtlichen Gehalt untersucht werden (IV.). Unter Beachtung der anhaltenden Diskussion um den sog. "grenzüberschreitenden Umweltschutz" wird insbesondere dem räumlichen Anwendungsbereich nationaler verwaltungsrechtlicher Normen Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Anschluß daran soll die zur Zeit kontroverse Auseinandersetzung um die Herleitung subjektiv-öffentlicher Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO aus Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts (V.) diskutiert werden. Zuletzt ist unter Beachtung des Begriffs des "Internationalen Verwaltungsrechts" der Frage nachzugehen, ob deutsche Verwaltungsgerichte ausländisches öffentliches Recht (VI.) anwenden dürfen und ob sich daraus gegebenenfalls subjektiv-öffentliche Rechte ergeben können. Besondere Beachtung findet insoweit das Problem der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit.

Der abschließende § 8 soll letztlich ergänzend die über die verwaltungsprozessuale Klage hinausgehenden Möglichkeiten untersuchen, mittels derer fremde Staaten versuchen könnten, ihre hoheitlichen Ansprüche im Inland durchzusetzen. Soweit nach dem hier verfolgten Aufbau die Anwendbarkeit fremder Rechtsordnungen im Inland erst in § 7 eingehend erörtert wird, eine entsprechende Fragestellung aber bereits in einem früheren Zusammenhang eine Rolle spielt, ist diese Trennung im Interesse der besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit bewußt hingenommen worden.

11 Die Rahmenbedingwtgen staatlicher Jurisdiktion

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11. Die Rahmenbedingungen staatlicher Jurisdiktion Bevor die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im einzelnen untersucht werden soll, ist es notwendig, kurz auf die wesentlichen Rahmenbedingungen der staatlichen Jurisdiktion einzugehen. Jurisdiktion im hier verwendeten Sinn bezeichnet dabei die Befugnis jedweder staatlicher Gewalt (Legislative, Exekutive und Judikative) zur Setzung und Durchsetzung von Recht. 1 Zu unterscheiden sind insoweit insbesondere die Regelungs- und die Rechtsdurchsetzungskompetenz eines Staates.

1. Die Regelungskompetenz Die Regelungskompetenz (sog. ''jurisdiction to prescribe"i betriffi das völkerrechtliche Problem, fiir welchen räumlichen Bereich ein Staat Rechtsnormen erlassen, das heißt, welche Sachverhalte er durch seine Rechtsordnung regeln darf. 3 Der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) hat dazu im sog. LotusFall4 entschieden, daß die Regelungsbefugnis eines Staates nicht auf sein Staatsgebiet beschränkt ist, sondern daß die Staaten in der Frage, welche Sachverhalte sie zum Gegenstand eigener Regelungen machen, weitgehend frei sind. "[ ... ] Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion [...],,5

In der Lehre hat diese Ansicht mehrheitliche Zustimmung gefunden. 6 Nach Maßgabe des Völkerrechts kommt den Staaten damit die (teilweise konkurrie-

Vgl. zum Begriff der Jurisdiktion, Meng, S. 1 ff. Vgl. zu dieser Terminologie und ihrer Herleitung aus der US-amerikanischen Rechtslehre (Restaternent of Foreign Relations, 2nd and 3rd des Arnerican Law Institute) Geimer, Rn. 373 a; Meng, S. 9 f; eingehend Ziegenhain, S. 11 ff. 3 Vgl. Meng, S. 6. 4 PCll Serie A No. 10 (1927); eine Zusammenfassung des zugrundeliegenden Sachverhaltes fmdet sich u.a. bei Geiger, GGuVöR, S. 219 f; eine deutsche Übersetzung des Urteils bei Schlochauer, Extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten, S. 71 ff. 5 PCll Serie A No. 10 (1927), 19. 6 Vgl. DahmIDelbrackIWolfrum, S. 319 f; Geiger, GGuVöR, S. 319 f; lpsen, § 23 Rn. 95 f; Oppermannl Kilian, S. 17; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 18; Verdross/Simma, § 1019. I

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§ 1 Einleitung

30

rende7) Befugnis zu, Sachverhalte zu regeln, unabhängig davon, ob diese sich innerhalb oder außerhalb ihres eigenen Territoriums zutragen. 8 Diese staatliche Regelungskompetenz gilt nach ganz herrschender Meinung allerdings nicht unbegrenzt. Vielmehr muß zwischen dem von der Regelung betroffenen Sachverhalt und dem Territorium des rechtssetzenden Staates eine "echte Verknüpfung" (sog. "genuine link") bestehen. 9 Fehlt eine solche nach völkerrechtlichen Vorgaben zu bestimmende Verknüpfung, macht der Staat von einer Befugnis Gebrauch, die nicht ihm, sondern einem anderen Staat zusteht. Entsprechende Regelungen erfiillen den Tatbestand der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates und sind insoweit völkerrechtswidrig. I 0

2. Die Recbtsdurcbsetzungsbefugnis Von dem Problem, fiir welchen räumlichen Bereich ein Staat Normen erlassen darf, zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Gebiet diese Regelungen durchgesetzt, das heißt, durch Ausübung staatlicher Gewalt vollzogen werden dürfen (sog. '~urisdiction to enforce"). Die völkerrechtlich zulässige Rechtsdurchsetzungsbefugnis erstreckt sich anders als die Regelungskompetenz allein auf das Gebiet, auf dem ein Staat seine Hoheitsgewalt ausüben darf. I I Einem souveränen Staat ist es aufgrund der ihm zukommenden Gebietshoheitl2 grundsätzlich erlaubt, seine Rechtsordnung innerhalb seines Staatsgebietes durchzusetzen. 13 Auf fremdem Territorium hingegen ist ihm die Ausübung hoheitlicher Gewalt und damit auch die Durchsetzung bzw. der Vollzug nationalen Rechts, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nach allgemeiner Meinung völkerrechtlich untersagt.14 In diesem Sinne ist die staatliche Jurisdiktionsgewalt, wie auch der StiGH bestätigt hat, territorial begrenzt. I 5

Vgl. DahmIDelbrackIWolfrum, S. 319; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1368. Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 320; Ipsen, § 23 Rn. 96. 9 Vgl. BVerfGE 63, 343 (369); DahmIDelbrackIWolfrum, S. 320 f.; Geiger, GGuVöR, S. 320 fT.; Geimer, Rn. 374; Ipsen, § 23 Rn. 97 fT.; Verdross/Simma, § 1183. 10 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 320; Geimer, Rn. 374. 11 Vgl. Ipsen, § 23 Rn. 96 f. 12 Vgl. zum Gnmdsatz der Gebietshoheit ausführlich Geiger, GGuVöR, S. 345 fT.; Ipsen, § 23 Rn. 3 tr. 13 Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 326. 14 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 346; Ipsen, § 23 Rn. 6; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1504; VerdrosslSimma, § 1022. 15 Vgl. PCIJ Serie A No. 10 (1927), 18 f.: "(. .. ] it [Arun. d. Verf.: der Staat] may not exercise its power in any form in the territory of another State. In this sense jurisdiction is certainly territorial." 7

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ll. Die Rahmenbedingungen staatlicher Jurisdiktion

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J. Geltungs- und Anwendungsbereich von Rechtsnormen Die völkerrechtlichen Grundsätze der Regelungs- und Rechtsdurchsetzungsbefugnis finden im innerstaatlichen Gesetzesrecht ihre weitgehende Entsprechung in den Begriffen Anwendungs- und Geltungsbereich einer Rechtsnorm. I 6 Mit dem "räumlichen Anwendungsbereich" einer Rechtsnorm ist der territoriale Bereich gemeint, der von dem Tatbestand einer Norm erfaßt wird und fiir den Rechtsfolgen angeordnet werden. Die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs einer Norm liegt im weiten Ermessen des Gesetzgebers, der insoweit aber, wie zuvor gezeigt, die ihm durch das Völkerrecht gesetzten Grenzen staatlicher Regelungskompetenz zu beachten hat. Der Anwendungsbereich einer Norm enthält neben dem räumlichen auch ein personales Element. Der personale Anwendungsbereich bestimmt, welche Rechtssubjekte von dem Regelungsgehalt einer Vorschrift erfaßt werden. 17 In Abgrenzung zum räumlichen Anwendungsbereich umschreibt der räumliche "Geltungsbereich" einer Rechtsnorm den Raum, innerhalb dessen die angeordneten Rechtsfolgen durchgesetzt werden können. Im konkreten bedeutet dies, daß unter Geltungsbereich staatlicher Rechtssätze das Territorium zu verstehen ist, auf dem der Staat die Einhaltung der angeordneten Rechtsfolgen erzwingen kann. 18 Der Geltungsbereich nationaler Rechtsnormen ist in seiner maximalen Ausdehnung auf das Staatsgebiet beschränkt. 19 Nur für dieses Territorium kann der Gesetzgeber die Durchsetzung eigener Rechtssätze befehlen.

16 Vgl. zur hier verwendeten Tenninologie Ipsen, § 23 Rn. 96; ebenso Dormann Bessenich, S. 50; s. auch BVerwGE 75, 285 (286 fI); EyermannIFriJhler, § 42 Rn. 68; Weber, DVBI. 1980,330 (331); Weitbrecht, NJW 1987,2132 (2133); im Hinblick auf die DefInition des Geltungsbereichs ebenso Meng, S. 10 f.; s. zudem § 5 OWiG, welcher den Begriff "gelten" im oben genannten Sinne verwendet. Anders dagegen das StGB, welches unter Geltungsbereich zugleich auch den Anwendungsbereich versteht. In der Literatur werden die Begriffe ,,Anwendungs-" und "Geltungsbereich" in verschiedener Weise gebraucht. (Vgl. dazu Vogel, S. 1 fI; Meng, S. 11 f.). So spricht Vogel (S. 2) in gleichbedeutendem Sinn von "transitivem" bzw. "intransitivem Anwendungsbereich" und Rudolf (BerDGVR 11 [1973], 9 f) von ,,Anwendungs-" und "Geltungsbereich" in gerade umgekehrtem, als dem hier dargestellten Sinn. Meng (S. 10 ff.) hingegen ersetzt den Begriff des Anwendungsbereichs durch den inhaltlich gleich besetzten Terminus ,,Regelungsbereich". 17 Zum Begriff der "unmittelbaren Anwendbarkeit" von Rechtsnormen s. unten § 7 ll. 1.; § 7 V. 1. 18 Vgl. Meng, S. 10 f. 19 Vgl. Ipsen, § 23 Rn. 96.

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§ 1 Einleitung

Die Unterscheidung von "Anwendungs-" und "Geltungsbereich" hat grundlegende Bedeutung, da beide Bereiche nicht zwingend deckungsgleich sein müssen und in der Bestimmung ihres Umfangs, wie gezeigt, verschiedenen Regeln folgen können. Die Inkongruenz von Anwendungs- und Geltungsbereich wird bspw. im Bereich des Strafrechts deutlich. Nach deutschem Recht können im Ausland begangene Taten im Inland strafrechtlich verfolgt werden. Damit ist der Anwendungsbereich einer Strafrechtsnonn weiter als ihr Geltungsbereich, der wie bei jeder staatlichen Nonn (mit wenigen Ausnahmen) auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzt ist. Für das Verwaltungsrecht gewinnt die Unterscheidung von Anwendungsund Geltungsbereich von Rechtsnonnen insbesondere im Hinblick auf die Frage des Bestehens extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte an Bedeutung. Zu klären ist insoweit, ob der Anwendungsbereich deutschen Rechts die Gewährung entsprechender Rechtspositionen über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus zuläßt.

§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit I. Begriff und Umfang der deutschen Gerichtsbarkeit 1. Begriff Die Zulässigkeit eines jeden in Deutschland gestellten Rechtsschutzantrages hängt nach allgemeiner Auffassung von dem Vorliegen deutscher Gerichtsbarkeit ab. I Gerichtsbarkeit ist die hoheitliche Befugnis eines jeden Staates zur Ausübung eigener Rechtsprechung (facultas jurisdictionis).2 Seine Grundlage findet dieses Recht in dem völkerrechtlichen Prinzip der territorialen Souveränität. Danach kommt jedem Staat die ausschließliche Befugnis zu, über sein Staatsgebiet zu verfUgen und innerhalb dieses Gebietes seine Staatstätigkeit zu entfalten, insbesondere Hoheitsakte zu erlassen (Gebietshoheit). 3 Von dem Bestehen der Gerichtsbarkeit eines Staates abzugrenzen ist die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte. Während die Gerichtsbarkeit die Frage betriffi, ob einem Staat überhaupt eine Gerichtsgewalt zukommt, bestimmen die Regelungen über die internationale Zuständigkeit, ob im Falle bestehender Gerichtsgewalt inländische Gerichte zum Streitentscheid berufen sind. 4 In diesem Zusammenhang ist auch der Frage nachzugehen, in welchem 1 Vgl. statt vieler Ehlers, in: Schoch/Sclunidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 25; Schmitt Glaeser, Rn. 32. 2 Vgl. Geimer, Rz. 371; Hausmann, in: WieczorekiSchütze vor § 12 Rn. 37; Patzina, in: MüKo (ZPO) § 12 Rn. 58; Schock, Rn. 131. Zur innerstaatlichen Abgrenzung von Exekutive, Legislative und Judikative wird die Gerichtsbarkeit auch als "auf die Verwirklichung der Rechtsordnung gerichtete Staatstätigkeit" verstanden, vgl. RosenbergiSchwab/Gottwald, § 9 I; ArenslLiike, Rn. 48; s. zum Begriff der Gerichtsbarkeit auch Kropholler, S. 505. 3 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 344 f.; Ipsen, § 23 Rn. 3; zur Unterscheidung von territorialer Souveränität und Gebietshoheit s. Geiger, GGuVöR, S. 273; Schweitzer, Rn. 417. 4 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 25; Esser, S. 14 f. Die Trennung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit ist in der deutschen Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt. Vgl. Hausmann, in: WieczorekiSchütze, vor § 12 Rn. 37; Patzina, in: MüKo (ZPO) § 12 Rn. 58. Im angloamerikanischen Rechtskreis fmdet sich eine solche Unterscheidung hingegen nicht 3 Feldmüller

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

Umfang sich deutsche Gerichte mit Sachverhalten beschäftigen dürfen, die einen extraterritorialen Bezug aufweisen. 5

2. Umfang deutscher Gerichtsbarkeit In räumlicher Hinsicht ist die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit, von wenigen Ausnahmen abgesehen, 6 auf das eigene Staatsgebiet begrenzt. 7 Diese Begrenzung ergibt sich aus dem allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz, daß kein Staat auf dem Gebiet eines anderen Hoheitsakte vornehmen darf. Die aus der territorialen Souveränität fließende Gebietsausschließlichkeit eines jeden Staates führt dazu, daß auf seinem Territorium nur durch ihn oder mit seiner Zustimmung hoheitliche Akte gesetzt werden dürfen. 8 Da die Wahrnehmung staatlicher Gerichtsbarkeit Ausübung von Hoheitsgewalt ist, 9 gilt der Grundsatz, daß es jedem Staat untersagt ist, seine Rechtspflegeorgane außerhalb seines eigenen Territoriums tätig werden zu lassen. 10 Dies gilt nicht nur im Hinblick auf gerichtliche Entscheidungen wie Urteile oder Beschlüsse, unzulässig ist vielmehr jede hoheitliche Maßnahme, wie die gerichtliche Zustellung von Schriftstücken, die Durchfiihrung einer Beweisaufnahme oder von Vollstreckungsmaßnahmen im Ausland. I I Die räumliche Beschränkung der deutschen Gerichtsbarkeit auf das inländische Staatsgebiet schließt nach allgemeiner Auffassung eine Verurteilung zu

(vgl. Nagel, Rz. 101; zur Unterscheidung in weiteren Staaten Schock, Rn. 132). Vielmehr werden Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit als unselbständige Elemente des Begriffs "jurisdiction" verstanden. Vgl. dazu Esser, S. 16; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 57. 5 Vgl. dazu unten § 3 I. 4. 6 Zu den Ausnahmen vgl. Ipsen, § 49 Rn. 3 ff., Rn. 10 (zu Schiffen), § 51 Rn. 37 ff. (zu Luftfahrzeugen); s. auch Schack, Rn. 133. 7 Vgl. Nagel, Rn. 44; RosenbergiSchwablGottwald, § 19 vor I.; Schilken, Rn. 319; s. auch oben § I 11. 2. Zu Begriff, Umfang und Grenzen des Staatsgebietes vgl. Geiger, GGuVöR, S. 244 ff.; Ipsen, § 23 Rn. 1 ff., Rn. 67 ff.; Schweitzer, Rn. 418. 8 Ipsen, § 23 Rn. 6. 9 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schrnidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 28. 10 Ausnahmen bestehen in den Fällen, in denen ein Staat eine ausdrückliche Erlaubnis zur Ausübung hoheitlicher Gewalt auf einem fremden Territorium besitzt. Vgl. Geimer, Rn. 371; Schack, Rn. 133. J\ Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schrnidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 30; ausftlhrlich Geimer, Rn. 414 ff.; zur Zustellung von Klagen im Ausland Hess, RIW 1989, 254 (257 ff.); dazu, sowie zum Zusammenhang mit dem Grundsatz der Staatenimmunität unten § 2 IV. I.

I. Begriff und Umfang

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einer Leistung oder einem Unterlassen im Ausland nicht aus. 12 Mit einer solchen Entscheidung wird die territoriale Souveränität des fremden Staates nicht verletzt. Das Recht der Anerkennung und Durchsetzung eines solchen Urteils verbleibt beim ausländischen Hoheitsträger. 13 Nach heute allgemeiner Auffassung besteht die deutsche Gerichtsbarkeit für alle Teile des deutschen Territoriums. Auch die sog. exterritorialen Gebiete, wie die Räumlichkeiten diplomatischer oder konsularischer Missionen, stellen keine Enklaven ausländischen Rechts dar, vielmehr unterstehen auch sie grundsätzlich der deutschen Gerichtsbarkeit. 14 In Betracht kommt in solchen Fällen jedoch eine ausnahmsweise Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit aufgrund völkerrechtlich begründeter Immunität. Diese Problematik soll jedoch später im Zusammenhang mit den Voraussetzungen und Wirkungen der Staatenimmunität dargestellt werden. Neben dem räumlichen Geltungsbereich der Gerichtsbarkeit ist auch deren personeller Geltungsbereich festzustellen. Der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen grundsätzlich alle Personen, unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder juristische, deutsche oder ausländische Personen handelt, und unabhängig davon, ob sie dem privaten oder dem öffentlichen Recht angehören. 15 Auch hier ist jedoch zu beachten, daß aufgrund völkerrechtlicher Regeln eine Befreiung von der Gerichtsbarkeit in Betracht kommt. Aus der strengen Bindung der Ausübung von Hoheitsgewalt an das jeweilige Staatsgebiet folgt nicht nur die Beschränkung der deutschen Gerichtsbarkeit auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, vielmehr ist gleichzeitig festgelegt, daß anderen Staaten die Ausübung jurisdiktioneller Gewalt in der Bundesrepublik untersagt ist. Dies bedeutet, daß ein Gericht oder ein sonstiges Rechtspflegeorgan eines anderen Staates in der Bundesrepublik nur dann tätig werden darf, wenn eine ausdrückliche Erlaubnis (für den Einzelfall oder aufgrund innerstaatlich geltenden Völkervertrags- oder VÖlkergewohnheitsrechts) vorliegt. Von der Ausübung fremdstaatlicher Hoheitsgewalt zu unterscheiden ist die Tätigkeit solcher Gerichte, denen die Rechtsprechungsgewalt auf Grundlage der Artt. 23 Abs. 1, 24 Abs. I GG übertragen worden ist. Diese üben keine 12 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 30; m. w. N. Geimer, Rn. 396; vgl. dazu auch unten § 3 11. 4. 13 Geimer, Rn. 396. 14 Vgl. dazu BVerfGE 15, 25 (Klage auf Grundbuchberichtigung); E 16, 27 (Botschaftsreparatur-Fall); s. auch Nagel, Rn. 64; Schock, Rn. 141 f.; Verdross/Simma, § 1027. 15 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 32; Erichsen, Jura 1994,418(419).

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

ausschließlich fremde, sondern aufgrund der Übertragung zugleich eine funktionale deutsche Gerichtshoheit aus. 16

11. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit (Staatenimmunität) Die Ausübung staatlicher Gerichtshoheit ist nicht nur nach außen hin auf das eigene Staatsgebiet begrenzt, sondern unterliegt auch innerstaatlich verschiedenen Beschränkungen. So sind fremde Staaten und bestimmte natürliche und juristische Personen sowie verschiedene Gegenstände im Interesse des Verkehrs der Staaten untereinander von der nationalen Gerichtsbarkeit befreit. 1 Man spricht insoweit von Immunität, Exemtion oder Extraterritorialität. 2 Eine entsprechende Beschränkung der deutschen Gerichtsbarkeit kann sich aus einer allgemeinen Regel des Völkergewohnheitsrechts, soweit diese nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts geworden ist, aus einer innerstaatlich geltenden Norm des Völkervertragsrechts sowie den Vorschriften des GVG (§§ 18 bis 20 GVG) ergeben. Inwieweit dies im einzelnen der Fall ist, soll nachfolgend geklärt werden.

1. Immunität im verwaltungsprozessualen Erkenntnisverfahren a) Immunität fremder Staaten

Die im Hinblick auf den internationalen Rechtsverkehr wichtigste Einschränkung bildet der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität. Danach unterliegen fremde Staaten der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang. Auch weitere Immunitäten lassen sich aus diesem Prinzip ableiten. 3

aa) Völkerrechtliche Grundlagen und Umfang Nach heute ganz überwiegender Auffassung beruht der Grundsatz der Staatenimmunität auf dem völkerrechtlichen Prinzip der souveränen Gleich-

16 Vgl. dazu BVerfGE 73, 339 (366 f.); BVerfG NVwZ 1991,53 (57 f.); Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 29; Geimer, ZfRV 1992, 321 (328). 1 Schack, Rn. 134. 2 Vgl. dazu Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 34. 3 Vgl. Geimer, Rn. 488.

n. BefreiWlg von der deutschen Gerichtsbarkeit

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heit aller Staaten. 4 "Par in parem non habet imperium." In diesem Satz kommt der Rechtsgedanke zum Ausdruck, daß die Staaten im Rechtsverkehr untereinander gleich sind und kein Staat über den anderen zu Gericht sitzen darf. 5 Immunität bedeutet insoweit die Freistellung fremder Staaten von der Ausübung innerstaatlicher (gerichtlicher) Rechtsdurchsetzung. Nicht gewährleistet ist insoweit aber eine Freistellung von der materiellen Rechtsordnung. 6 Daß fremden Staaten Immunität gegenüber staatlicher Gerichtsbarkeit zukommt, ist als allgemeine Regel des Völkergewohnheitsrechts anerkannt. 7

4 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 328; lpsen, § 26 Rn. 16; Seidl-Hohenveldern, Rn. 1462; s. auch Albert, S. 28 ff.; Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 41; Kropholler, S. 506; Linke, Rn. 71. Seine KodiflzierWlg fmdet der Grundsatz der "souveränen Gleichheit" der Staaten in Art. 2 Nr. 1 UN-Charta; vgl. auch lpsen, § 26 Rn. 7 fT. 5 Vgl.lpsen, § 26 Rn. 16. Im Schrifttum ist die AbleitWlg der Staatenimmunität aus dem Prinzip der Gleichheit der Staaten auf Kritik gestoßen. (Vgl. Albert, S. 28 ff.; Dahm, in: FS Nikisch, S. 155; DahmIDelbrllckIWolf",m, S. 453; Damian, S. 14 ff.; Geimer, Rn. 556; vgl. auch Berber, S. 220.) Zum einen seien die am Verfahren beteiligten Staaten aufgrWId der Territorialität des einen Wld der Extraterritorialität des anderen nicht in der gleichen Lage (Albert, S. 31), Wld zum anderen wäre dem Prinzip der Gleichheit bereits genüge getan, wenn jeder Staat über den anderen richten dürfte (Damian, S. 15; Geimer, Rn. 556). Die Staateninununität sei daher nicht (alleine) mit der Gleichheit der Staaten zu erklären, sondern basiere vielmehr auf dem Prinzip der staatlichen Souveränität und diene dem Schutz der Unabhängigkeit der Staaten im Verhältnis zu einander (vgl. ebenda). Bei der Frage der Staateninununität stünden sich zwei souveräne Staaten gegenüber. Zum einen der Gerichtsstaat, dessen territoriale Hoheit es ihm prinzipiell gestatte, auf seinem Gebiet Gerichtsbarkeit frei auszuüben, und zum anderen der fremde Staat dessen Unabhängigkeit berührt werde, wenn er sich vor einem Gericht eines anderen Staates verantworten müsse. Das Prinzip der Immunität stehe damit im "Spannungsfeld zweier Souveränitätsbereiche" (Damian S. 15). In welchem Maße die Souveränität des einen oder des anderen Staates einzuschränken sei, richte sich nach dem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht. Einer solchen Argumentation ist zuzugeben, daß dem Grundsatz der staatlichen Souveränität insoweit eine tragende BedeutWlg zukommt, als die Souveränität der Staaten Wlerläßliche Voraussetzung des völkerrechtlichen Gleichheitssatzes ist. Inwieweit allerdings der AblebnWlg der Lehre von der Gleichheit gefolgt werden kann, erscheint fraglich. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, daß erstens fil.r die Feststellung der Gleichheit der Staaten der "unbeschadete", d.h. vor der Klage bestehende, Zustand maßgeblich ist Wld daß zweitens das Prinzip der Gleichheit in dem Sinne zu verstehen ist, daß zwei Gleichstehende grWIdsätzlich nicht übereinander zu Gericht sitzen dürfen, da die AusübWlg von Gerichtsbarkeit stets von einem Über-/Unterordnungsverhältnis geprägt ist. Grundlage der Staatenimmunität bleibt damit das Prinzip der souveränen Gleichheit aller Staaten. 6 So zutreffend Damian, S. 72 f; vgl. auch Geimer, Rn. 663; GramslPitschas, ZfBR 1996, 75 (76); Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 48 ff.; s. auch DahmIDelbrllcki Wolf",m, S. 320; ebenso Rundschreiben des Bundesministers des Inneren Abschnitt I Nr. 1, GMBI. 1975,337 (337); Obermayer, in: FS Boorberg Verlag, S. 119. 7 Vgl. DahmIDelbrückIWolf",m, S. 454.

§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

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Keine Einigkeit besteht jedoch hinsichtlich des Umfangs der Befreiung von der Gerichtsbarkeit. Der Theorie der absoluten Immunität folgend ist ein fremder Staat vollständig und uneingeschränkt von der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit befreit. 8 Nach dieser früher allgemein anerkannten Ansicht kommt die Ausübung von Gerichtshoheit nur dann in Betracht, wenn der fremde Staat auf seine Immunität verzichtet hat. 9 In jüngerer Zeit ist die Auffassung von der absoluten Immunitätsgewährung einer restriktiven Betrachtungsweise gewichen. Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Tätigkeit der Staaten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Staatenimmunität nur in begrenztem Umfang zu gewähren ist. IO Nehme ein Staat nämlich gleich einem Privaten am Rechtsverkehr teil, so sei es nicht zu rechtfertigen, entsprechendes Handeln gegenüber den sonstigen Wirtschaftsteilnehmem zu privilegieren. I I Die (heute) überwiegende Zahl der Staaten hat sich dieser Ansicht angeschlossen und erkennt den Umfang der Immunität nur noch in sachlich beschränktem Umfang an. 12

Zur absoluten Immunität vgl. Boguslavskij, S. 22 fI Vgl. Geimer, Rn. 557. 10 Grundlegend für die Bundesrepublik BVerfGE 16,27 (61); vgl. auch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 41; Geiger, GGuVöR, S. 338; Geimer, Rn. 578; Ipsen, § 26 Rn. 7; Linke, Rn. 71; Nagel, Rn. 43; Schenke, Rn. 148; SeidlHohenveldem, Rn. 1472. 11 Geimer, Rn. 558; Schack, Rn. 148. 12 Vgl. zur Staatenpraxis m. w. N. DahmIDelbrUckIWolfrom, S. 458 fI; Ipsen, § 26 Rn. 17 fI; Steinberger in Freiheit und Verantwortung im Verfassungsstaat S. 452 ff.; VerdrosslSimma, §§ 1169 t1; ausfilhrlich bis zum Jahr 1963 BVerfGE 16,26 (33 tT.). Die geschichtliche Entwicklung der Staatenimmunität beginnt zur frühen Neuzeit. ,,L'Etat c'est moi" ist die zentrale Aussage des Absolutismus, in dem der Staat nur in Person seines Souveräns galt. Ein Verfahren gegen einen ausländischen Monarchen war zu dieser Zeit undenkbar. Es galt das Prinzip der absoluten Immunität. Dieses Prinzip änderte sich auch zu Beginn des Zeitalters des Liberalismus, eingeleitet durch die französische Revolution, zunächst nicht. Staat und Staatsoberhaupt wurden zwar als verschiedene Rechtssubjekte angesehen, aber das Territorialprinzip, wonach eine ausschließliche und absolute Gebietshoheit bestand, blieb bestehen, mit ihm das Prinzip der absoluten Immunität. Letzteres geriet jedoch in dem Moment ins Wanken, in dem sich der Staat zunehmend als Unternehmer und Handelspartner im Ausland betätigte. So erfuhr das prinzip der absoluten Immunität Ende des 19. Jh. erstmals vor italienischen und belgischen Gerichten eine Einschränkung. Diese erachteten eine Ausübung der eigenen Gerichtsbarkeit (im Erkenntnisverfahren) über nichthoheitliches Handeln (acta iure gestionis) fremder Staaten als zulässig. Immunität wurde hingegen weiterhin uneigeschränkt für hoheitliches Handeln (acta iure imperii) gewährt, womit 8 9

11. BefreiWlg von der deutschen Gerichtsbarkeit

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Es wird unterschieden zwischen hoheitlichem Handeln (acta iure imperii) einerseits und nicht hoheitlichem Handeln (acta iure gestionis) andererseits. Nur im Hinblick auf erstgenannte hoheitliche Handlungen wird einem fremdem Staat Immunität gewährt. Ist dessen Tätigkeit hingegen als nicht hoheitlich oder privatwirtschaftlich zu charakterisieren, so unterliegen entsprechende Handlungen in vollem Umfang der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit. Die Unterscheidung von acta iure imperii und acta iure gestionis sowie die sich daraus ergebenden Immunitätstatbestände sind nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als allgemeine Regel des Völkerrechts zu qualifizieren und damit gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts. J3 Soweit im Hinblick auf staatliches Handeln Immunität zu gewähren ist, bedeutet dies, daß der Staat als Immunitätsträger von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist, nicht aber, daß fremde Hoheitsakte nicht zum Gegenstand eines inländischen Verfahrens gemacht werden können. 14 Die im anglo-amerikanischen Recht entwickelte "Act of State-Docrine", wonach Hoheitsakte eines fremden Staates, die dieser innerhalb seines Staatsgebiets setzt, vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden anderer Staaten nicht auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden dürfen,15 ist nach allgemeiner Auffassung nie Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts geworden. 16

durch diese UnterscheidWlg die Grundlage der Lehre der funktional begrenzten Inununität gelegt wurde. Dieser AuffassWlg des restriktiven Inununitätsprinzips schlossen sich zu Beginn dieses JahrhWlderts u. a. auch Frankreich, Österreich Wld die Deutschland an. 1952 bzw. 1977 gaben auch die USA Wld Großbritannien das Prinzip der absoluten Inununität auf. An diesem halten heute hauptsächlich noch die Staatshandelsländer der Dritten Welt fest. Inwieweit sich die EinstellWlg der osteuropäischen Länder mit dem Wandel ihrer politischen Systeme ändert, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch zu erwarten, daß sie sich im Hinblick auf westliche marktwirtschaftliche Strukturen dem Prinzip der restriktiven Inununität anschließen. 13 Grundlegend BVerfGE 16, 27 (61); vgl. auch Geiger, GGuVöR, S. 341; Linke, Rn. 72; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 25 Rn. 7; Stern, VwPrR, Rn. 11. Die EntscheidWlg darüber, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des BWldesrechts ist, kommt nach Art. 100 Abs. 2 GG dem BWldesverfassWlgsgericht zu. Verkennt ein Gericht dies Wld legt es die entsprechende Frage dem BWldesverfassWlgsgericht nicht vor, kann dieser Mangel Wlter Berufung auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG im Wege der VerfasSWlgsbeschwerde gerügt werden, vgl. BVerfGE 64, 1 (12). 14 Vgl. Geimer, Rn. 465 f.; VerdrossiSimma, § 1178 ff. IS Vgl. zur Act of State-Doctrine: DahmIDelbrückIWolfrum, S. 487 ff.; Schweitzer, Rn. 432. 16 Vgl. lpsen, § 26 Rn. 10; Seidl-Hohenveldern, Rn. 1490; VerdrosslSimma, § 1180; zum Verhältnis von "Act of State-Doctrine" Wld Staatenimmunität zutreffend Folz,

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

bb) Abgrenzung von hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln Bis heute problematisch ist die Frage der Abgrenzung von hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln. In der deutschen Rechtsprechung und Lehre sowie der Praxis verschiedener Staaten wird insoweit auf die Rechtsnatur der staatlichen Handlung bzw. des entstandenen Rechtsverhältnisses abgestellt. 17 Danach kommt es darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, also öffentlich-rechtlich, oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist. 18 Nicht entscheidend ist dagegen der Zweck oder das Motiv staatlicher Betätigung. Da staatliches Handeln letztlich ganz überwiegend der Erfiillung und Verwirklichung hoheitlicher Aufgaben und Ziele dient, würde eine entsprechende Qualifikation den Schutzbereich der Staatenimmunität zu weit ausdehnen. 19 Um dem Grundsatz der restriktiven Immuniätsgewährung Wirkung zu verleihen, ist es vielmehr notwendig, die Qualifikation staatlichen Verhaltens davon abhängig zu machen, ob die betreffende Handlung ihrem Inhalt nach auch von einem Privaten vorgenommen werden konnte oder die Vornahme dem Staat als Hoheitsträger vorbehalten bleibt. 20 Trotz der weitgehenden Übereinstimmung über den Bezugspunkt der Abgrenzung hoheitlichen und nichthoheitlichen Handeins bleibt streitig, nach welchem Recht die Qualifikation vorzunehmen ist. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts21 hat sich in der Bundesrepublik überwiegend die Ansicht durchgesetzt, daß die QualifIkation der Staatstätigkeit nach nationalem Recht (lex fori) erfolgen müsse, da das Völkerrecht keine entsprechenden Kriterien bereithalte?2

Geltungskraft fremder Hoheitsäußerungen, S. 178 ff.; vgl. auch Strebei, RabelsZ 44 (1980), 66 (71 ff.). 17 Vgl. BVerfGE 16,23 (61); m. w. N. zur Staatenpraxis in Belgien, Italien, Österreich und der Schweiz Damian S. 103; Ipsen, § 26 Rn. 18; vgl. weiter auch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 42; Dormann Bessenich, S. 23.; Schack, Rn. 148; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1478; Verdross/Simma, § 1173. Das Merkmal der ,,Rechtsnatur" wird teilweise als inhaltsleer (Geimer, Rn. 581) bzw. die QualifIkation danach als zirkulär (GramslPitschas, ZfBR 1996, 75 [76]) kritisiert, ohne das es jedoch gelänge, ein (wesentlich) anderes Abgrenzungsmerkmal zu entwickeln. 18 BVerfGE 16,23 (61). 19 Vgl. BVerfGE 16,23 (61); Ipsen, § 26 Rn. 18; Schack, Rn. 148. 20 Damian, S. 103. 21 Vgl. BVerfGE 16,27 (61 ff.). 22 Vgl. m. w. N. DahmIDelbrackIWolfrum, S. 468; Ehlers, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 41; Ipsen, § 26 Rn. 18; Kropho/ler, § 57 Rn. 507;

n. BefreiWlg von der deutschen Gerichtsbarkeit

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Gegen eine solche Qualifikation nach der lex fori wird eingewendet, daß die Immunitätsgewährung auf Völker- und nicht auf nationalem Recht beruhe und insoweit auch das Völkerrecht zur Abgrenzung herangezogen werden müsse. 23 Zudem führe ein Rückgriff auf die innerstaatliche Rechtsordnung dazu, daß gleichgelagerte Fälle in verschiedenen Staaten ungleich behandelt werden könnten, was mit dem Grundsatz der Staatenimmunität als Prinzip des Völkerrechts nur schwerlich zu vereinbaren sei. 24 Wenngleich der vorgebrachten Kritik insoweit zuzustimmen ist, als daß es sinnvoll und systemgerecht wäre, den völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität auch nach völkerrechtlichen Kriterien zu bestimmen, so kann sie letztlich dennoch nicht überzeugen. Zu bedenken ist nämlich, daß sich ein völkerrechtlicher Standard, nach dem eine Qualifikation als hoheitlich oder nichthoheitlich erfolgen könnte, tatsächlich nicht zu ermitteln ist. Zu verschieden sind die Ansichten der Staaten über den Umfang hoheitlicher Aufgaben. 2S Exemplarisch zeigt sich dies im Hinblick auf das Selbstverständnis sozialistischer Staaten, nach deren Grundansicht auch wirtschaftliche Tätigkeiten zum zentralen Aufgabenbereich des Staates gehören und mithin, anders als nach überwiegender Auffassung westlicher Industrieländer, als hoheitlich zu qualifizieren sind. 26 Um das Prinzip der Staatenimmunität überhaupt handhabbar zu machen, ist es daher notwendig, die Qualifikation nach innerstaatlichen Rechtsgrundsätzen vorzunehmen, soweit keine entsprechenden Regeln des Völkerrechts bestehen. 27 Letzteres ist nach dem aktuellen Stand des Völkergewohnheitsrechts nur der Fall, soweit staatliche Handlungen dem Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn zuzuordnen sind. 28 In diesen Fällen qualifiziert das Völkerrecht staatliche Betätigungen als hoheitlich, ohne daß es auf die Wertungen der lex fori ankäme.

Linke, Rn. 75; Nagel, Rn. 44; Schack, Rn. 149; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 25 Rn. 7; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1476; s. auchPatzina, in: MüKo (ZPO) § 12 Rn. 62. 23 Vgl. Damian, S. 98 ff.; Geimer, Rn. 579; Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 123 f1; s. auch GramslPitschas, ZfBR 1996, 75 (76); Mann, in: FS Kegel, S. 375; ebenfalls kritisch, aber mit a. A. Gramlich, RabelsZ 45 (1981), 545 (586 f.), der Wlter Hinweis auf das völkerrechtliche Interventionsverbot eine QualifIkation nach dem Recht des Herkunftsstaates verlangt. 24 Ress, ZaöRV 40 (1980), 217 (258 f.). 25 Vgl./psen, § 26 Rn. 19. 26 Vgl. DahmIDelbrUckIWolfrum, S. 461. 27 Vgl. ebenso Schack, Rn. 149; Wlter BerucksichtigWlg auch der französischen RechtsprechWlg Grabinski, lPRax 1992, 55 (56). 28 Unter Hinweis auf die auswärtige Wld militätische Gewalt, die GesetzgebWlg, die Polizeigewalt Wld Rechtspflege BVerfGE 16, 23 (63); vgl. auch Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 41.

§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

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In der neueren Literatur wird weitergehend zu Recht darauf hingewiesen, daß die Qualifikation staatlichen Handeins nach der nationalen Rechtsnatur nicht unzweifelhaft sein kann. 29 Soweit Betätigungen betroffen sind, deren öffentlich-rechtlicher Charakter weitgehend aus historischen Besonderheiten, nicht aber aus staatlichen Notwendigkeiten folgt3o (wie bspw. ehemals der Bundespost3), besteht kein zwingendes Erfordernis, diese Tätigkeiten als hoheitlich zu qualifizieren und sie der staatlichen Gerichtshoheit zu entziehen. 32 Als nichthoheitlich sind danach auch jene staatlichen Tätigkeiten zu bewerten, deren Vornahme nach dem Recht des Gerichtsstaates sowohl öffentlichrechtlich als auch privatrechtlich erfolgen kann. 33 Besondere Beachtung verdient die Frage, inwieweit fremden Staaten gegenüber dinglichen Klagen, also solchen die inländische Grundstücke oder Rechte an diesen betreffen, Immunität zukommt. Im öffentlichen Recht gewinnt diese Problematik durch den Umzug zahlreicher diplomatischer Missionen von Bonn nach Berlin insbesondere im Bereich des Baurechts Relevanz. 34 Entsprechend der oben dargestellten Systematik ist auch bei dinglichen Rechtspositionen auf die Rechtsnatur des entstandenen Rechtsverhältnisses abzustellen. Diesbezüglich gilt, daß Erwerb und Innehabung immobiliaren Eigentums regelmäßig Folge privatrechtlichen Handeins sind und mithin als nicht hoheitlich zu gelten haben. Ein Immunitätsanspruch besteht insoweit zunächst nicht. Teilweise wird darüber hinaus eine Befreiung von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich dinglicher Klagen bereits mit der Begründung abgelehnt, daß das Interesse des Gerichtsstaates an der Kontrolle seines Staatsgebietes grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des beklagten Staates, nicht vor ein fremdes Gericht gezogen zu werden und dort Rede und Antwort stehen zu müssen, habe. 35 Dieser Grundsatz sei seit Jahrhunderten Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts und gelte für das Erkenntnis- wie Vollstreckungsverfahren gleichermaßen, letzteres selbst dann, wenn der inländische Grundbesitz hoheitlichen Zwecken eines fremden Staates diene.

Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 44. Vgl. dazu auch Hufen, § 11 Rn. 59. 31 Vgl. zur früheren und heutigen Rechtslage der Bundespost bzw. Deutschen Post AG Ehlers, in: SchochI Schmidt-Aßmann/Pietzner § 40 Rn. 272 ff. 32 Vgl. dazu auch unten zur Imqtunität fremder Staatsunternehmen § 211. 1. c); zur Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmann/Pietzner, § 40 Rn. 288. 33 Ehlers, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 44. 34 Vgl. GramsIPitschas, ZfBR 1996, 75. 3S SO Geimer, Rn. 627. 29

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TI. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit

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Inwieweit allerdings eine Erstreckung der deutschen Gerichtsbarkeit auf dingliche Klagen in dieser Allgemeinheit zutreffend ist, erscheint jedoch fragIich. 36 Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrens,37 sondern insbesondere auch im Hinblick auf die Rechtsstellung diplomatischer und konsularischer Missionen, deren besonderer Immunitätsanspruch nicht durch eine extensive Auslegung der Gerichtsbarkeit hinsichtlich dinglicher Klagen eingeschränkt werden darf. 38

cc) Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität (EurÜStI) Eine umfassende vertragliche Regelung der Immunität fremder Staaten findet sich in dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. 5. 1972. 39 Anders als die herkömmliche Praxis verwendet dieses Übereinkommen nicht die Unterscheidung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis, sondern beschreibt in den Artt. 1 bis 13 enumerativ jene Tätigkeiten, derentwegen dem in Anspruch genommen Staat im Gerichtsstaat keine Immunität zukommt. 40 In allen sonstigen Fällen ist die Ausübung von Gerichtsbarkeit ohne Zustimmung des beklagten Staates unzulässig (Art. 15). Abweichend von diesen Regelungen kann allerdings jeder Vertragsstaat gemäß Art. 24 Abs. 1 eine Erklärung abgeben, wonach seine Gerichte, über die Fälle der Artt. 1 bis 13 hinaus, in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie gegen Nichtvertragsstaaten entscheiden können. 4 \ Ausgenommen sind insoweit allerdings auch hier, entsprechend der allgemeinen Staatenpraxis, hoheitliche Handlungen. Da das EurÜStI, zumindest im Hinblick auf das gerichtliche Erkenntnisverfahren, im wesentlichen die allgemeinen Grundsätze der Staatenimmunität

36 Ebenso Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 44 Fußn. 138; Verdross/Simma, § 1174; vgl. auch BVerfGE 15,25 (34 ff.). 37 Vgl. zur Immunität im Vollstreckungsverfahren unten § 2 m 2. 38 Vgl. zu der Immunität diplomatischer und konsularischer Missionen unten § 2 TI. 1. d). 39 Für die Bundesrepublik in Kraft seit dem 16. 8. 1990, BGBL 1990 TI S. 34, BGBL 1990 TI S. 1400. Vgl. dazu Geimer, Rn. 666 ff.; Karczewski RabelsZ 54 (1990), 533. 40 Die Wahl eines enumerativen Ansatzes wird darauf zurUckgeftlhrt, daß damit die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staaten, die dem Grundsatz der absoluten Immunität folgten, und denjenigen Staaten, die das Prinzip der relativen Immunität vertraten, überwunden werden sollten, vgl. DahmIDelbrilckIWolfrom, S. 423. 4\ Die Bundesrepublik hat eine entsprechende Erklärung abgegeben, vgl. m. w. N. Geimer, Rn. 699 (Fußn. 399); Linke, Rn. 73.

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

widerspiegelt und das Übereinkommen bislang nur von wenigen Staaten ratifiziert wurde,42 ist seine praktische Bedeutung begrenzt. 43 b) Immunität staatlicher Untergliederungen

Soweit bislang von der Immunität fremder Staaten gesprochen wurde, war damit alleine der souveräne Staat in seiner Eigenschaft als Völkerrechtssubjekt gemeint. Diesem und ihm gleichgestellten Völkerrechtssubjekten, wie dem Heiligen Stuhl,44 steht völkergewohnheitsrechtlich Immunität vor fremden Gerichten zu. Inwieweit gleiches fiir selbständige und unselbständige Untergliederungen souveräner Staaten gilt, ist fraglich und wird unterschiedlich beurteilt. 4s

aa) Rechtlich unselbständige organisatorische Untergliederungen

Einigkeit besteht allerdings insoweit, als rechtlich unselbständige organisatorische Untergliederungen eines souveränen Staates, wie Ministerien, Behörden oder Ämter, in den Schutzbereich dessen staatlicher Immunität miteinbezogen sind. 46 Rechtlich unselbständige Untergliederung in dem zuvor genannten Sinne sind (essentieller) Teil des Staates,47 und die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten genießen Immunität, soweit diese nach den allgemeinen Grundsätzen als hoheitlich zu qualifizieren sind. 48

42 Neben der BWldesrepublik haben (soweit ersichtlich) bislang nur Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, das Vereinigte Königreich Wld Zypern das EurÜStI ratiftziert; vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 46 (Fußn. 144). 43 Zur Kritik s. Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (543 tI). 44 Vgl. dazu DahmIDelbrilckIWolfrum, S. 464. 45 UntergliederW1gen in dem hier verwendeten Sinn sind Rechtspersonen, die organisatorisch oder funktional in den Staatsapparat eingegliedert sind. Nicht behandelt wird nachfolgend die Immunität fremdstaatlicher Streitkräfte, vgl. dazu: DahmIDelbrilckIWolfrum, S. 472 fI; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 50; RandelzhoJerlHamdt, NJW 1989,425 (427 fI); Sennekamp, NJW 1983,2731 (2731 tI). 46 Vgl. Damian, S. 21; Geimer, Rn. 567. 47 Damian, S. 21. 48 vgl. DahmIDelbrilckIWolfrum, § 73 S. 465; s. dazu die EntscheidWlg des OLG FrankfurtRIW/AWD 1977,720, worin das Gericht den Immunitätsanspruch spanischer Fremdenverkehrsämter, als Wlselbständige staatliche Untergliederungen, Wlter Hin-

II. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit

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bb) Innerstaatlich selbständige Untergliederungen Umstritten ist die Immunitätsgewährung zugunsten innerstaatlich selbständiger Untergliederungen, wie Gliedstaaten, Provinzen, Gemeinden oder sonstigen Gebietskörperschaften. Teilweise wird vertreten, daß grundsätzlich keine völkerrechtliche Pflicht bestehe, diesen juristischen Personen des öffentlichen Rechts Immunität zu gewähren. 49 Soweit sie nicht ausnahmsweise Völkerrechtssubjektivität besäßen,s° sei kein Raum für die Anwendung der Regel ,par in parem non habet imperium'. Es fehle insoweit an der souveränen Gleichheit der beteiligten Parteien. SI Dem wird entgegengehalten, daß auch die innerstaatlich selbständigen Untergliederungen von der Staatenimmunität umfaßt seien. Es sei letztlich allein die innere Angelegenheit eines Staates, ob er zentralistisch oder föderalistisch organisiert sei und ob er Hoheitsakte von unselbständigen Untergliederungen der Zentralregierung oder von innerstaatlich selbständigen Rechtspersonen wahfnehmen lasse. 52 Nach dieser Ansicht sind auch selbständige Untergliederungen hinsichtlich ihres hoheitlichen Handeins von der Ausübung inländischer Gerichtsbarkeit befreit. 53 Ihre dogmatische Grundlage findet die Diskussion um die Trägerschaft der völkerrechtlichen Immunität durch innerstaatlich selbständige Untergliederungen in der Frage nach dem Anknüpfungspunkt der Immunitätsgewährung. 54 Wie oben dargestellt, knüpft der Grundsatz der Staatenimmunität infolge seiner historischen Entwicklung zunächst an die Person des Staates an. Dem Staat als souveränem Gleichem unter Gleichen kommt Immunität als Folge seiner Rechtspersönlichkeit (ratione personae) zu. Darüber hinaus hat die völkerrechtliche Immunität jedoch einen Doppelcharakter. 55 Sie bezieht sich nicht ausschließlich auf die Person, sondern stellt, wie insbesondere das Prinzip der restriktiven Immunität zeigt, auch auf weis auf die privatrechtliche Natur der fraglichen Handlung (acta iure gestionis) ablehnt. 49 Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 455; s. auch RosenbergiSchwablGottwald, § 19 I 3 a; zur Staatenpraxis Damian, S. 21 tT. so Zur Völkerrechtssubjektivität vgl. lpsen, § 4 Rn. 1 tT.; Seidl-Hohenveldem, Rn. 600 tT. 51 So schon RGZ 110 (1925), 315 (317). 52 Vgl. Geimer, Rn. 567; ebenso v. SchlJnjeld, NJW 1986,2980 (2987). 53 Vgl. i. E. auch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 43; Kronke, IPRax 1989, 176 (178); Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 44 f.; VerdrosslSimma, § 1176. 54 Vgl. auch Kronke, IPRax 1989, 176 (178). 55 Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 453; Dormann Bessenich, S. 8; Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 7 f.

§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

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die betreffende Handlung ab. Immunität besteht danach fiir fremde Staaten ratione materiae nur rur hoheitliches Handeln. Sie weist damit neben einem personenbezogenem auch ein sachbezogenes Merkmal auf. Im Hinblick auf die Immunität selbständiger Untergliederungen souveräner Staaten bedeutet das Spannungsverhältnis von Immunität ratione personae und ratione materiae einen Widerspruch. Einerseits kommt diesen juristischen Personen mangels Völkerrechtssubjektivität keine Immunität ratione personae zu, andererseits sind diese Rechtssubjekte infolge innerstaatlicher Kompetenzzuweisung dazu berufen hoheitlich zu handeln, was dafiir spricht, ihnen ratione materiae Immunität zu gewähren. Unter Beachtung des Doppelcharakters der Staatenimmunität erscheint es wenig überzeugend, die Immunität sämtlicher selbständiger Untergliederungen grundsätzlich abzulehnen. Eine solche Haltung wäre zwar angesichts der uneinheitlichen Staatenpraxis nicht als völkerrechtswidrig zu bezeichnen, 56 sie würde aber der teilweise zufaIligen Verteilung staatlicher Hoheitsaufgaben in den verschiedenen Staaten nicht gerecht. Zu berücksichtigen ist zudem, daß auch die innerstaatlich selbständigen Untergliederungen dem souveränen Staat als einem Völkerrechtssubjekt zuzurechnen sind. Dies zeigt sich insbesondere auch in der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des Gesamtstaates fiir seine Untergliederungen. 57 Insbesondere diese völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Gesamtstaates läßt es gerechtfertigt erscheinen, dessen Untergliederungen an seiner Immunität teilhaben zu lassen. Fraglich bleibt insoweit aber, ob es überhaupt auf die Anknüpfung ratione personae ankommt oder ob alleine auf den hoheitlichen Charakter der vorgenommenen Handlung abzustellen ist. Im Hinblick auf die Immunität selbständiger Untergliederungen macht die Wahl des entsprechenden Anknüpfungspunktes keinen sachlichen Unterschied. Soweit man das Immunitätsrecht vorrangig personenbezogen versteht, kommt selbständigen Untergliederungen als in den Gesamtaufbau des Staates integrierten Teilen eine von diesem abgeleitete Immunität zu, die ihr Handeln von fremdstaatlicher Gerichtsbarkeit befreit, soweit es als hoheitlich zu qualifizieren ist. Zu dieser Ansicht gelangt auch Schaumann, der primär von einer Immunität ratione personae ausgeht, selbständige staatliche Untergliederungen aber mittelbar an der Immunität des Gesamtstaates teilhaben läßt, indem er die persönliche Anknüpfung beim Gesamtstaat vornimmt. 58 Wenngleich mit dem Abstellen auf das hoheitliche Handeln auch ein sachlicher Bezug bestehe (Immunität ratione materiae), so werde die Anknüpfung an die Person dadurch gewahrt, daß die Wahrnehmung Insoweit zutreffend DahmIDelbrilckIWolfrum, S. 455. Vgl. Ipsen, § 36 Rn. 9; Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 44. 58 Vgl. Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 44. 56 57

II. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit

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hoheitlicher Aufgaben aufgrund einer in der Gesamtverfassung enthaltenen Aufgabenverteilung erfolge. S9 Stellt man entgegen dieser Ansicht unmittelbar auf die Immunität ratione materiae ab,60 so bleibt das Ergebnis gleich. Hoheitliches Handeln selbständiger staatlicher Untergliederungen genießt Immunität. 61 Die Qualifikation der fraglichen Tätigkeit als hoheitlich oder nicht hoheitlich erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen.

c) ImmuniUit fremder Staatsunternehmen Gegenstand einer anhaltenden Diskussion ist die Frage, inwieweit Staatsunternehmen Immunität genießen. Als Staatsunternehmen bezeichnet man rechtlich verselbständigte, nicht in den Staatsapparat eingegliederte Wirtschaftsträger, die in enger Beziehung zum Staat stehen, sei es, daß sie einer besonderen Kontrolle oder Einflußnahme unterworfen sind oder daß der Staat an ihnen vennögensmäßig beteiligt ist. 62 Auf die Rechtsfonn kommt es insoweit nicht an. 63 Die Praxis zur Immunität staatlicher Unternehmen ist ebenso uneinheitlich wie die Auffassungen in der Lehre. 64 Anders als bei den zuvor behandelten selbständigen Untergliederungen eines Staates gewinnt im Hinblick auf die Immunität fremder Staatsunternehmen die Frage an Bedeutung, ob der Immunitätsanspruch wesentlich an die Person oder die Handlung anknüpft. Da Staatsunternehmen nicht in den

Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 45. Eine Befreiung selbständiger staatlicher Untergliederungen ratione materiae sieht das EurÜStI vor. Gemäß Art. 27 Abs. 1 EurÜStI sind solche juristischen Personen zwar nicht ratione personae hnmunitätsträger, gemäß Art. 27 Abs. 2 EurÜStI können die Gerichte eines anderen Vertrags staates jedoch nicht über die in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers entscheiden. (Vgl. Denkschrift zum Übereinkommen, BT-Drucks. 1114307 S. 37). Eine ergänzende Regelung betrifft die Rechtsstellung von Gliedstaaten. Diese genießen zwar nach Art. 28 Abs. 1 EurÜStI unbeschadet des Art. 27 EurÜStI keine 00munität, gemäß Art. 28 Abs. 2 EurÜStI kann der Bundesstaat aber eine Erklärung abgeben, wonach sich auch seine Gliedstaaten auf die filr die Vertragsstaaten geltenden Vorschriften berufen können. Vgl. dazu Damian, S. 23. 61 Vgl. i. E. gleich Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 43; Geimer, Rn. 567; Kronke, IPRax: 1989, 176 (178); Schaumann, BerDVGR 8 (1968), 44 f.; v. SchtJnjeld, NJW 1986,2980 (2987); VerdrosslSimma, § 1176. 62 Vgl. Damian, S. 24. 63 Vgl. Schack, Rn. 153. 64 Vgl. zur Staatenpraxis Esser, S. 175 ff.; ders. RIW 1984, 577 (580 ff); insoweit zur hnmunität staatlicher Unternehmen aus Sicht der (ehemaligen) DDR, Enderlein, RIW 1988, 333; zur Sicht der ehemaligen UdSSR, Nagel, Rn. 45. S9

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

Staatsapparat eingebunden sind, wird daraus in der Literatur und Rechtsprechung teilweise der Schluß gezogen, daß diese juristischen Personen keine Immunität beanspruchen können, da sie weder Immunität ratione personae besäßen,65 noch eine solche von einem Immunitätsträger ableiten könnten. 66 Nachdem infolge dessen lange Zeit die Immunität von Staatsunternehmen abgelehnt wurde, scheint sich in der neueren deutschen Rechtsprechung und Lehre zunehmend die Ansicht durchzusetzen, daß es nicht auf die Frage der rechtlichen Selbständigkeit oder Unselbständigkeit staatlicher Rechtssubjekte ankommt, sondern daß die Aufgabe (bzw. Funktion), die ein Rechtssubjekt erfüllt, im Vordergrund steht und infolge dessen auch Staatsunternehmen Immunität beanspruchen können, soweit sie hoheitlich handeln. 67 Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Ähnlich wie bei den selbständigen staatlichen Untergliederungen kann nicht alleine an die (selbständige) Rechtspersönlichkeit angeknüpft werden, sondern muß auch die Vornahme hoheitlicher Handlungen Beachtung finden. Entscheidet sich ein Staat die ihm zustehenden Hoheitsbefugnisse durch eine selbständige juristische Person vornehmen zu lassen, so ist dies letztlich Ausdruck eigener völkerrechtlicher Souveränität und von der Staatengemeinschaft zu respektieren. Fraglich bleibt insoweit allerdings, ob es alleine auf die einzelne in Rede stehende Handlung ankommt oder ob es zusätzlich erforderlich ist, daß der Aufgabenschwerpunkt des Staatsunternehmens auf der Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeit liegen muß. 68 Letzteres wird als notwendig erachtet, um den Immunitätsanspruch des Staatsunternehmens von der Immunität des betreffenden Staates ableiten zu können. Das Abstellen auf den Tätigkeitsschwerpunkt erscheint jedoch zweifelhaft. Zum einen ist dessen Ermittlung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet,69 und zum anderen muß es auch unter 65 Vgl. BGHZ 18, I (9); OLG Frankfurt, IPRax 1982, 71 (73); ohne eingehende Begründung RosenbergiSchwablGottwald, § 19 I 3 a; als "ganz h. M." bezeichnet von Busl, S. 17; unklar Patzina, in: MüKo (ZPO) § 12 Rn. 61, der den Inununitätsanspruch ausländischer Staatsunternehmen auch filr hoheitliches Handeln ablehnt, zur Begründung aber auf deren wirtschaftliche Tätigkeit in der Bundesrepublik abstellt. 66 Vgl. Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 46. 67 Vgl. Ehlers, in: SchochlSclunidt-AßmarutlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 43; Geimer, Rn. 624 a; Ipsen, § 26 Rn. 28 f.; Kropholler, S. 508; Schack, Rn. 153; Schweitzer, Rn. 459; VerdrosslSimma, § 1176; ebenso unter Beachtung der französischen Rechtsprechung Grabinski, IPRax 1992, 55 (57 f.); s. auch v. Sch6nfeld, NJW 1986,2980 (2987), der zutreffend darauf hinweist, daß die Übertragung einer Aufgabe an eine selbständige juristische Person als Indiz dagegen spricht, daß es sich insoweit um den engeren Kreis hoheitlicher Betätigung eines Staates handelt; s. auch Esser S. 276 f., der zudem ausländischen Staatsunternehmen Inununität ratione personae gewähren will, sofern diese als Regierungsorgane zu qualiftzieren seien. 68 Vgl. Damian, S. 32. 69 Vgl. dazu Kronke, IPRax 1989, 176 (178).

TI. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit

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Berücksichtigung der Theorie der abgeleiteten Immunität ratio ne personae als ausreichend angesehen werden, wenn die Befugnis hoheitliche Handlungen vorzunehmen nur für einzelne Handlungen übertragen worden ist. 70 Soweit nämlich einer innerstaatlichen Rechtsperson die Befugnis zukommt hoheitlich zu handeln, findet diese Kompetenz ihre Grundlage stets in der Person des Staates. Von diesem leitet sich letztlich jede Hoheitsausübung ab, womit darin umgekehrt zugleich eine hinreichende Anknüpfung an den immunitätsberechtigten Staat liegt. Die Anknüpfung an die Person des Staates (ratione personae) wird damit gewahrt. Sie ist jedoch dahingehend zu modifizieren, daß das Vorliegen eines immunitätsbegrüDdenden Tatbestandes wesentlich nach der Vornahme hoheitlichen Handeins (ratione materiae) zu bestimmen ist. Fremde Staatsunternehmen genießen somit hinsichtlich hoheitlicher Handlungen die gleiche Immunität wie ihr Heimatstaat. 71 Die Qualifikation der Handlung erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen, womit insoweit hinreichender Raum für eine restriktive Handhabung der Immunität fremder Staatsunternehmen hinsichtlich privatwirtschaftlicher Tätigkeiten bleibt. d) Immunität diplomatischer und konsularischer Missionen

Zu den wichtigsten hoheitlichen Tätigkeiten eines Staates gehört die Entsendung, Errichtung und Unterhaltung diplomatischer und konsularischer Missionen.

aa) Diplomatische Missionen Die Rechtsstellung diplomatischer Missionen 72 ist im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) geregelt. 73 Das WÜD beinhaltet insbesondere weitreichende Immunitäten zugunsten des Missionschefs und des Vgl. insoweit auch Esser, S. 252. Die hier bevorzugte Lösung gilt auch im Hinblick auf die vielfach diskutierte hrununität ausländischer Zentralbanken. Diese typischerweise hoheitlich wie nicht hoheitlich handelnden Staatsuntemehmen genießen wie andere Staatsunternehmen auch hrununität nur dann, wenn sie im Einzelfall hoheitlich tätig geworden sind. Vgl. wie hier Schack, Rn. 157; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 43; Geimer, Rn. 626 a; Verdross/Simma, § 1176; allgemein zur hrununität von Zentralbanken mit teilweise a. A. GramIich, RabelsZ 45 (1981), 545; Krauskopf, WM 1986, 89 (89 fI); zur hrununität von Rundfunkanstalten: Kronke, IPRax 1989, 176; Rohloch, ZUM 1986, 165 (I72). 72 Unter einer diplomatischen Mission versteht man eine Person oder eine Gruppe von Personen, die diplomatische Funktionen wahrnehmen, vgl. lpsen, § 31 Rn. 13. 73 BGBI. 1964 TI S. 957. 70

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4 Feldmüller

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diplomatischen Personals. Diese Mitglieder einer diplomatischen Mission sowie deren Familienangehörige und private Hausangestellte sind von der deutschen Gerichtsbarkeit nach Maßgabe des WÜD gemäß § 18 GVG befreit. 74 Dies gilt auch dann, wenn der Entsendestaat nicht Vertragspartei ist. Die besonderen Immunitäten und Vorrechte im diplomatischen Verkehr bestehen nicht nur ratione personae fiir die Mitglieder und Angehörigen diplomatischer Missionen, sondern erstrecken sich ratione materiae auch auf den Entsendestaat. 75 Zu den besonders relevanten Vorrechten gehören insbesondere die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten der diplomatischen Mission (Art. 22 WÜD)76 und die (teilweise beschränkte) Befreiung des Entsendestaates hinsichtlich der in seinem Eigentum stehenden oder gemieteten bzw. gepachteten Räumlichkeiten der Mission von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Steuern oder sonstigen Abgaben (Art. 23 WÜD). Während letzteres die Befreiung des Entsendestaates von der materiellen Rechtsordnung bedeutet, fuhrt der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten der Mission dazu, daß in diesen Räumlichkeiten und den dazugehörigen Bereichen keine hoheitlichen Handlung durch den Empfangsstaat vorgenommen werden dürfen, daß insoweit insbesondere auch die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit unzulässig ist. 77 Fraglich ist allerdings, ob und inwieweit der Entsendestaat Immunität hinsichtlich der von einem Diplomaten vorgenommenen Handlungen genießt. Grundsätzlich gilt, daß der Diplomat ein Organ des Entsendestaates ist und seine Handlungen diesem zugerechnet werden. 78 Dies bedeutet jedoch noch nicht, daß der Entsendestaat fiir jedes geschützte Handeln seines Organs selbst Immunität beanspruchen kann. Wenngleich die diplomatische Immunität auf den Grundsätzen der Staatenimmunität beruht,79 kommt ihr eine eigenständige, von der allgemeinen Staatenimmunität unabhängige Bedeutung zu. Die

74 Die persönliche BefreiWlg wird auch als Exemtion bezeichnet, vgl. Schack, Rn. 137. 75 Vgl. zu den diplomatischen Vorrechten Seidl-Hohenveldem, Rn. 1008 t1 76 Die RegelWlg des Art. 22 WÜD wird von Damian (S. 81) als lex specialis zur

allgemeinen StaatenimmWlitätqualifiziert. Zu den geschützten Gegenständen gehören neben den Räumlichkeiten der Mission auch Archive Wld Korrespondenzen (Art. 24 WÜD) sowie das Kuriergepäck (Art. 27 Abs. 3 WÜD). Die Unverletzlichkeit bestimmter Gegenstände wird auch als Extraterritorialität bezeichnet, vgl. Schack, Rn. 140. 77 Vgl. BVerfGE 15, 25 (35); Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 31; Linke, Rn. 92. 78 Vgl.lpsen, § 31 Rn. 42. 79 Vgl. Damian, S. 74.

ll. Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit

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Befreiung eines Diplomaten, die unmittelbar an seine Person anknüpft, ist eigener Art und nicht auf den Entsendestaat übertragbar. 80 Auch sind nicht alle Handlungen, die ein Diplomat im Zusammenhang mit seiner diplomatischen Tätigkeit vornimmt, zugleich als hoheitlich im Sinne der allgemeinen Staatenimmunität zu qualifizieren. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit den Reparaturauftrag für ein Botschaftsgebäude als nichthoheitlich qualifiziert und zugleich festgestellt, daß darin kein "Problem der Immunität diplomatischer Missionen" zu sehen sei. 81 Trotz dieser grundsätzlichen Trennung von diplomatischer Immunität und Immunität des Entsendestaates wird man im Interesse des diplomatischen Verkehrs auch den Entsendestaat in beschränktem Umfang und über die Grundsätze der allgemeinen Staatenimmunät hinaus als von der Gerichtsbarkeit befreit ansehen müssen, soweit andernfalls der Schutz der Ausübung diplomatischer Tätigkeiten über den Umweg der Klage gegen den Entsendestaat ausgehebelt würde. Für eine solche Sichtweise spricht auch die Präambel des WÜD in der festgestellt wird, daß die ,,[ ... ] Vorrechte und hnmunitäten nicht dem Zweck dienen, einzelne zu bevorzugen, sondern zum Ziel haben, den diplomatischen Missionen als Vertretungen von Staaten die wirksarne Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu gewährleisten."

Unter Beachtung dieser Zielvorgabe erscheint es daher geboten, daß der Entsendestaat ratione materiae hinsichtlich jener Handlungen Immunität genießt, die der Ausübung dienstlicher Tätigkeiten, im Sinne der Wahrnehmung diplomatischer Aufgaben (Le.S.) nach Vorgabe des Art. 3 WÜD, dienen. 82

Vgl. Geimer, Rn. 488; s. auch Damian, S. 75; lpsen, § 31 Rn. 42. BVerfGE 16, 24 (64); vgl. auch zur Zulässigkeit einer Klage auf Grundbuchberichtigung BVerfGE 15,25 (34 fT.). 82 lpsen (§ 31 Rn. 42) stellt insoweit fest, daß zwischen funktioneller und persönlicher hnmunität eines Diplomaten zu unterscheiden sei. Die funktionelle Immunität befreie den Diplomaten filr alle Amtshandlungen von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates, die persönliche filr alle privaten Handlungen. Die funktionelle Immunität sei keine hnmunität des Diplomaten, sondern seines Staates im diplomatischen Verkehr. Nicht befriedigend geklärt sei die Abgrenzung von Amtshandlung und privater Tätigkeit des Diplomaten. Die funktionelle Immunität sei nach Art. 39 Abs. 2 S. 2 WOD von der AusübWlg "dienstlicher" Tätigkeiten abhängig. Darunter fielen nicht nur die Amtshandlungen, sondern auch solche Tätigkeiten, die im engen Zusarrunenhang mit den Amtshandlungen stünden. Vgl. dazu auch Damian, S. 76; s. auch Seidl-Hohenveldem, Rn. 1030; BVerfGE 15, 25 (42); a. A. Geimer, Rn. 489, der allerdings den Bereich der dienstlichen Handlungen (insoweit bezogen auf konsularische Tätigkeiten), sehr weit faßt. 80 81

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bb) Konsularische Missionen Ähnlich den diplomatischen Missionen unterstehen auch die konsularischen Missionen einem besonderen, wenngleich weniger umfassenden Schutz. Entsprechende Regelungen sind im Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) kodifiziert. 83 Die Mitglieder konsularischer Vertretungen sind nach deutschem Recht unmittelbar gemäß § 19 Abs. 1 GVG nach Maßgabe des WÜK von der Gerichtsbarkeit befreit. Entsprechendes gilt für konsularische Missionen aus Nichtmitgliedstaaten des WÜK. Für den Entsendestaat gilt, daß ihm die konsularischen Tätigkeiten (ähnlich der diplomatischen Tätigkeiten) in Ausnahmefällen zugerechnet werden können und er insoweit beschränkte Immunität genießt. 84 Ähnlich den diplomatischen Missionen sind auch Teile der Räumlichkeiten konsularischer Vertretungen geschützt. Sie sind in bestimmtem Umfang unverletzlich (Art. 31 WÜK), und in ihnen dürfen ohne entsprechende Zustimmung keine Hoheitshandlungen durch den Empfangsstaat vorgenommen werden.

2. Immunität im Vollstreckungsverfahren

Immunität kommt fremden Staaten nicht nur im Erkenntnis-, sondern auch im Vollstreckungsverfahren zu. Ebenso wie dort, sind Umfang und Voraussetzungen der Befreiung von der Gerichtsbarkeit umstritten. Die Staatenpraxis ist uneinheitlich. Teilweise wird am Grundsatz der absoluten Immunität festgehalten, teilweise auch im Vollstreckungsverfahren nur noch eingeschränkte Immunität gewährt. 85 In der deutschen Rechtsprechung und Lehre hat sich in Übereinstimmung mit der Praxis der meisten westlichen Staaten die Ansicht durchgesetzt, daß eine Vollstreckung in die Güter fremder Staaten nur insoweit zulässig ist, als diese keinem hoheitlichen Verwendungszweck unterliegen. 86 Dienen Güter einem hoheitlichen Verwendungszweck, ist eine Vollstreckung dagegen ausgeschlossen. Vgl. BGBl. 1969 n S. 2585. Vgl. dazu die vorstehenden Ausfiihrungen zur diplomatischen Immunität. 85 Vgl. zur Staatenpraxis ausfilhrlich BVerfGE 46, 342 (365 ff); E 64, I (24 ff); Albert, S. 130 ff. 86 Grundlegend BVerfGE 46, 342 (364 ff.); vgl. auch BVerfGE 64, I (22 ff); DahmlDelbrückIWolfrnm, S. 471; Damian, S. 173 f.; Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 45; Geiger, GGuVöR, S. 340; Geimer, Rn. 590; Ipsen, § 26 Rn. 27; Schack, Rn. 151; Verdross/Simma, § 1175. 83

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Zu dieser Ansicht ist auch das Bundesverfassungsgericht gelangt, das in seiner richtungsweisenden Entscheidung vom 13.12.1977 unter Hinweis auf die uneinheitliche Staatenpraxis festgestellt hat, daß keine allgemeine Regel des Völkerrechts bestehe, nach der dem Gerichtsstaat eine Zwangsvollstrekkung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt sei. 87 Dies gelte jedoch nicht, wenn der Gegenstand, in den vollstreckt werden solle, zum Zeitpunkt des Beginns des Vollstreckungsverfahrens hoheitlichen Zwecken des fremden Staates diene. Insoweit bestehe eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der eine Vollstreckung unzulässig sei, unabhängig davon, ob dieser Gegenstand im Erkenntnisverfahren, aufgrund dessen die Vollstreckung erfolge, als nichthoheitlich qualifiziert worden sei. 88 Anders als im Erkenntnisverfahren knüpft die Immunität im Vollstreckungsverfahren damit nicht an die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, sondern an den Verwendungszweck des betreffenden Gegenstandes89 an. 90 Ist der Verwendungszweck als hoheitlich zu qualifizieren, kommt eine Vollstreckung nicht in Betracht. Handelt es sich dagegen um einen Vermögensgegenstand, der nichthoheitlichen Zwecken dient, so steht dem fremden Staat kein Immunitätsanspruch zu. Der Verwendungszweck muß, als subjektives Element, so keine Erklärungen des betroffenen Staates vorliegen, mit Hilfe von Indizien nachgewiesen werden. Sollte dies nicht möglich sein, so ist es völkerrechtlich zulässig, den fremden Staat zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder ähnlichen Erklärung zur Glaubhaftmachung aufzufordern. Die Erbringung eines Beweises kann jedoch aufgrund völkerrechtlicher Erwägungen nicht verlangt werden. 91 Die Bestimmung, inwieweit der Verwendungszweck als iure imperii oder iure gestionis zu qualifizieren ist, erfolgt nach allgemeiner Meinung mit Beginn der Zwangsvollstreckung entsprechend den für das Erkenntnisverfahren entwickelten Grundsätzen. 92 Auch im Vollstreckungsverfahren ist die AbgrenBVerfGE 46, 342 (392). Andersherum kann allerdings eine Vollstreckung nur dann erfolgen, wenn dem Vollstreckungstite1 ein nichthoheitliches Handeln zugrunde liegt. Das Vorliegen eines nichthoheitlichen Handelns wird so zur impliziten Voraussetzung auch für das Vollstreckungsverfahren. Vgl. Damian, S. 168 ff. 89 Als Vollstreckungsgegenstand eignet sich jede Sache oder Forderung eines fremden Staates, die sich unter seiner tatsächlichen Sachherrschaft befmdet oder an welcher i1un ein dingliches Recht zusteht. Vgl. m. w. N. Damian, S. 174. 90 Zu den sonst vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien, vgl. Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 140 ff. 91 Vgl. BVerfDE 46, 342 (400); Damian, S. 176 f. 92 Der Zeitpunkt der Feststellung des Verwendungszwecks (Qualifikation sub specie temporis) wurde in der Vergangenheit nicht ganz einheitlich beurteilt. Es scheint 87 88

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zung nach der lex fori, unter Beachtung der überwiegenden Auffassung der Staaten, zu treffen. 93 Obgleich insoweit keine allgemeinverbindlichen völkerrechtlichen Regelungen bestehen,94 hat sich in verschiedenen Bereichen eine allgemeine Auffassung hinsichtlich der Qualifizierung fremdstaatlicher Vermögensgegenstände gebildet. Eine gefestigte Zuordnung zu dem Bereich der iure imperii besteht vor allem in den Bereichen, die eine traditionell starke Auslandsbeziehung aufweisen. Von der Zwangsvollstreckung ausgenommen sind daher Gegenstände die militärischen Zwecken dienen9s oder dazu bestimmt sind, wie Kriegsschiffe, Militärflugzeuge, Panzer, Waffen u.a. sowie Vermögensgegenstände, die zur Funktionserhaltung diplomatischer oder konsularischer Vertretungen benötigt werden. Insoweit unterliegt auch die Auffassung Geimers Bedenken, der eine Vollstreckung in dingliche Rechte, unabhängig vom Verwendungszweck, als zulässig ansieht. 96 Der Vollstreckung unterliegen dagegen unter anderem folgende, zum Kembereich der iure gestionis zählende Vermögensgegenstände: staatliche Beteiligungen an gewerblichen Unternehmen, Konten zur Abwicklung von (Außen-)Handelsgeschäften, kommerziellen Zwecken dienende Güter, sowie Handelsschiffe und Verkehrsflugzeuge. 97 Probleme bestehen im Vollstreckungsverfahren im Hinblick auf solche Vermögensgegenstände, die einen "gemischten", also sowohl hoheitlichen als auch nicht hoheitlichen Verwendungszweck aufweisen. In diesen Fällen gilt: Ist der Gegenstand unteilbar, so ist die Vollstreckung kraft Völkerrecht unzulässig. Kann er dagegen geteilt werden, ist eine Vollstreckung in den nichthoheitlichen Zwecken dienenden Anteil zulässig. Dem auswärtigen Staat ist aufgrund des völkerrechtlichen Verbotes der Einmischung in die Angelegenheit eines fremden Staates jedoch nicht aufzuerlegen, über die Verteilung der Anteile Rechnung zu legen. Ebenso sind dem Gerichtsstaat Ermittlungen in diese Richtung untersagt. 98

insoweit allerdings inzwischen eine allgemeine Auffassung zu bestehen, wonach der Verwendungszweck mit dem Beginn des Vollstreckungsverfahrens festzustellen ist. Vgl. dazu Damian, S. 177 f.; Geimer, Rn. 562, 591; Kropholler, S. 507. 93 Vgl. Linke, Rn. 76; s. dazu auch Damian, S. 177; Schack, Rn. 151; offengelassen BVerfGE 46,342 (394); zum Streit um das anwendbare Recht im Erkenntnisverfahren s. oben § 2 II. 1. a) bb). 94 Zu den multi- und bilateralen Verträgen über die Vollstreckungsimmunität in einzelnen Bereichen vgl. Damian, S. 147 ff. 9S Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 42; Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 146 ff.; s. auch Seidl-Hohenveldem, Rn. 1493 f. 96 Vgl. Geimer, Rn. 627; dazu oben § 2 II. 1. a) bb). 97 Vgl. Damian, S. 182. 98 Damian, S. 183.

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Hinsichtlich der Trägerschaft des Immunitätsanspruchs bestehen im Vollstreckungsverfahren keine Besonderheiten gegenüber dem Erkenntnisverfahren. 99 Zu berücksichtigen sind aber die sich aus dem Immunitätsrecht ergebenden Drittwirkungen. loo Abweichend von den dargestellten Grundsätzen geht das EurÜStI in der Frage der Immunität im Vollstreckungsverfahren eigene Wege. Nach Art. 23 EurÜStI darf von keinem Vertragsstaat gegen das Vermögen eines anderen Vertagsstaates eine Zwangsvollstreckung durchgefiihrt, noch eine Sicherungsmaßnalune getroffen werden. Zulässig ist dies nur in dem Fall und in dem Ausmaß, in dem der betroffene Staat ausdrücklich und schriftlich zugestimmt hat. Die Festschreibung einer solchen absoluten Vollstreckungsimmunität ist insoweit besonders bemerkenswert, als sich eine beträchtliche Anzahl der Vertragsstaaten in der Praxis der Lehre der restriktiven Immunität auch für das Vollstreckungsverfahren zugewendet hat. I 01 Begründet wurde dies bei der Ausarbeitung der Konvention mit dem Erfordernis, einen Kompromiß I02 zwischen den Vertretern der unterschiedlichen Immunitätslehren finden zu müssen. Ferner hätten bei der Entscheidung zugunsten einer absoluten Vollstreckungsimmunität mögliche politische Verwicklungen bei der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von hoheitlichen und nichthoheitlichen Verwendungszwecken des Vollstreckungsgegenstandes und das große Vertrauen zwischen den Vertragsstaaten eine Rolle gespielt. 103 Soweit das EurÜStI im Einzelfall anwendbar ist, gilt damit abweichend der sonstigen Praxis der Grundsatz der absoluten Vollstreckungsimmunität.

99 Vgl. zur Immunität ausländischer Staatsunternehmen Esser, S. 277; insbesondere zur Staatenpraxis, mit a. A. Busl, S. 93 ff., 167 ff. 100 Dazu sogleich § 2 ll. 3. 101 Vgl. dazu die Rechtsprechung bzw. Gesetzgebung in Belgien, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich, dem Vereinigten Königreich und auch der Bundesrepublik; dazu ausftlhrlich BVerfGE 46,342 (368 ff); Damian, S. 116 ff 102 Vgl. Albert, S. 112 ff.; Karczewski, RabelsZ 54 (1990), 533 (544 ff.). 103 Kompensiert wird der Ausschluß von Vollstreckungsmaßnahmen durch Art. 20 EurÜStI, wonach die Vertragsstaaten verpflichtet sind, die gegen sie erlassenen Urteile anzuerkennen und zu erfüllen, solange sie keine Immunität nach Art. 1-13 EurÜStI beanspruchen können, die Entscheidung rechtskräftig ist und keine besonderen Ausschlußgrilnde nach Art 20 Abs. 2 und 3 vorliegen. Kommt ein Vertrags staat seiner Erfüllungspflicht gern. Art 20 EurÜStI nicht nach, so kann die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, nach Art 21 EurÜStI vor dem zuständigen Gericht dieses Staates eine Feststellungsklage hinsichtlich dessen Verpflichtungen erheben.

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

3. Drittbezüge der Immunitätsgewährleistung Die Grundsätze der Immunitätsgewährleistung finden nicht nur Anwendung, soweit ein fremder Staat unmittelbar am Prozeß beteiligt ist, sondern sind auch in Verfahren zu beachten, die den fremden Staat lediglich mittelbar, als Dritten betreffen. Dies gilt in besonderem Maße zunächst für das Vollstreckungsverfahren. Die Durchfiihrung von entsprechenden Maßnahmen ist auch insoweit unzulässig, als sie Vennögensgegenstände betreffen, die zwar nicht unmittelbar dem fremden Staat zuzuordnen sind, die von diesem aber zu hoheitlichen Zwecken genutzt werden. 104 Einschränkungen bestehen aber auch im Erkenntnisverfahren. So ist es einem Gericht untersagt Entscheidungen zu treffen, die sich mittelbar auf hoheitliches oder sonst immunitätsgeschütztes Handeln eines fremden Staates beziehen. Verlangt bspw. ein privater Dritter im Wege der verwaltungsgerichtIichen Klage ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegen ein als hoheitlich zu qualifizierendes Handeln eines fremden Staates (zum Beispiel im Zusammenhang mit der Unterhaltung einer diplomatischen Mission), so ist ein entsprechender Anspruch mangels Durchsetzbarkeit von vornherein ausgeschlossen, und die betreffende Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abzuweisen.

4. Immunität im Verwaltungs- und Verwaltungsvollstreckungsverfabren Die Frage der Immunität fremder Staaten stellt sich nicht nur im gerichtlichen Verfahren, sondern kann zeitlich vorrangig bereits im Verwaltungsverfahren eine Rolle spielen. Die Entscheidung, ob und inwieweit dort schon Immunität besteht, kann für das gerichtliche Verfahren insoweit von Bedeutung sein, als davon Klageart und Klagebefugnis abhängen können. Ersteres bspw., wenn der fremde Staat seinen Immunitätsanspruch feststellen lassen will, letzteres bspw., wenn die Immunität des fremden Staates als Drittbeteiligtem bereits den Anspruch eines sonstigen Klägers ausschließen kann. 105 Das Problem der Immunität fremder Staaten im Verwaltungsverfahren ist bislang kaum diskutiert worden,106 . 104 Vgl. Damian, S. 82; Geimer, Rn. 504; Schaumann, BerDVGR 8 (1968), 138 ff.;

unter Hinweis auf die Rechtsprechung in Großbritannien Sonnenberger, AcP 162 (1963),485 (507). 105 Zu den Fällen der Drittwirkung, siehe zuvor § 2 n. 3. 106 In Ansätzen Obermayer, in: FS Boorberg Verlag, S. 119 fT.; Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 53 f.; s. auch GramslPitschas, ZfBR 1996, 75 (77).

n. BefreiWlg von der deutschen Gerichtsbarkeit

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wenngleich es in der Praxis bspw. im Hinblick auf die Benutzung von PKW durch Mitglieder diplomatischer Missionen oder hinsichtlich des öffentlichen Baurechts, bedingt durch den Umzug der Auslandsvertretungen vieler Staaten von Bonn nach Berlin, 107 durchaus von Bedeutung ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß im Verwaltungsverfahren die gleichen Grundsätze gelten, wie im gerichtlichen Erkenntnisverfahren. 108 Soweit nämlich durch den Satz "par in parem non habet imperium" der Rechtsgedanke manifestiert wird, daß die Staaten untereinander gleich sind, so bedeutet dies nicht nur die Freistellung von der Anwendung gerichtlicher, sondern jedweder Hoheitsgewalt. I09 Die sich aus der souveränen Gleichheit der Staaten ergebende Immunität gilt jedoch auch im Verwaltungsverfahren nur beschränkt. Dem Prinzip der restriktiven Immunität folgend ist eine fremder Staat nur im Hinblick auf sein hoheitliches Handeln von der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt befreit. Acta iure gestionis unterliegen auch im Verwaltungsverfahren der staatlichen Beurteilung. Ist bspw. ein fremder Staat Eigentümer eines Grundstücks, für das keine diplomatischen Sonderregeln gelten, so ist er den Anordnungen des zuständigen Bauordnungsarntes in gleicher Weise unterworfen, wie jeder Private. 11 0 Entsprechende Anwendung finden die Grundsätze der Staatenimmunität auch im Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Eine Vollstreckung ist (nur) insoweit unzulässig, als der betreffende Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient. Im einzelnen gelten die Regeln über die Staatenimmunität im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren entsprechend.

5. Immunitätsverzicht Trotz des Vorliegens eines immunitätsbegründenden Tatbestandes ist die deutsche Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen, wenn der fremde Staat auf sein Vorrecht verzichtet. 111 Der Verzicht kann sowohl einseitig erklärt werden, als auch Bestandteil eines (völkerrechtlichen) Vertrages sein. 112 In jedem Fall ist

Vgl. GramslPitschas, ZfBR 1996, 75. Vgl. Kopp, VwVfG, Vorbem. § 9 Rn. 15; Schaumann, BerDGVR 8 (1968),54; s. auch RWldscheiben des BWldesministers des hmeren Abschnitt V A Nr. 2, GMBI. 1975, 337 (342). 109 Zweifelhaft insoweit Kissel, § 18 Rn. 9. llO Vgl. zur RechtsstellWlg fremder Staaten im öffentlichen Baurecht GramsIPitschas, ZfBR 1996, 75 (75 ff.). III Vgl. DahmIDelbrackIWolfrum, S. 469 ff.; Damian, S. 34; Schack, Rn. 162; mit Vorbehalten Ress, ZaöRV (40) 1980,216 (222). 112 Vgl. Geimer, Rn. 507 f.; DahmIDelbrackIWolfrum, S. 469. \07

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eine Erklärung notwendig. Diese kann ausdrücklich, \13 aber auch konkludent erfolgen. 114 Eine Vennutung ist insoweit nicht ausreichend. 115 Ein konkludenter Verzicht liegt nach verbreiteter Auffassung immer dann vor, wenn ein fremder Staat selbst als Kläger auftritt. 116 Insoweit erlaubt er dem Gerichtsstaat den geltend gemachten Anspruch in jeder Richtung zu prüfen und die Klage aus jedem Grunde abzuweisen. 117 Eine hinsichtlich des Erkenntnisverfahrens abgegebene Verzichtserklärung wirkt nicht automatisch für das Vollstreckungsverfahren. 118 Insoweit ist eine weitere Erklärung notwendig. Zu den wesentlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Verzichts gehört die Zuständigkeit des Erklärenden. Wenig Probleme bereitet diese Frage, soweit der fremde Staat unmittelbar betroffen ist. Insoweit werden die notwendigen Erklärungen regelmäßig von dem innerstaatlich zuständigen Organ für die auswärtigen Beziehungen abgegeben. JJ9 Schwierigkeiten bestehen aber, wenn eine innerstaatlich selbständige Untergliederung des Staates, wie Gliedstaaten und Gemeinden, oder eine sonstige juristische Person, die hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, betroffen ist. Steht insoweit die Befugnis zur Verzichtserklärung den genannten Rechtspersonen zu oder verbleibt sie beim Gesamtstaat? Für letzteres spricht, daß die Immunitätsgewährung primär an die Person des Gesamtstaates anknüpft und zugunsten der selbständigen Untergliederungen und sonstiger juristischer Personen von diesem abgeleitet wird. 120 Der Gesamtstaat ist das maßgebliche Völkerrechtssubjekt, welchem zudem regelmäßig auch die Kompetenz zur Regelung der auswärtigen Beziehungen zukommt. Dennoch vermag eine solche Sichtweise nicht zu überzeugen. Soweit staatliche Untergliederungen und sonstige juristische Personen die Kompetenz besitzen, hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen, und ihnen insoweit Immunität Vgl. dazu Art. 32 Abs. 2 WüD und Art. 45 Abs. 2, 3 WOK. Geimer, Rn. 629; lpsen, § 26 Rn. 26. m Schack, Rn. 162. 116 Vgl. Donnann Bessenich, S. 26; Habscheid, BerOOVR 8 (1968), 219; Schack, Rn. 163; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1466; Roth, in: SteinlJonas, § 216 Rn. 14; vgl. OVG Münster NJW 1992, 2043 zur Klage eines ausländischen Diplomaten auf SoziaUrilfe; i. E. gleich, aber mit anderer Begründung Geiger, GGuVöR, S. 341; vgl. auch Geimer, Rn. 634. 117 Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 470; zur Zulässigkeit konnexer Widerklagen s. Seidl-Hohenveldem, Rn. 1467; Schack, Rn. 163; ausftl.hrlichDamian, S. 45 tr. IIS Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 471; Wolf, in: MüKo (ZPO), vor §§ 18-20 GVG Rn. 8; VerdrossiSimma, § 1175. 119 Hinsichtlich der Zuständigkeit anderer Organe gelten die nachfolgenden Ausft1hrungen, wonach die Verzichtsbefugnis von dem übertragenen Aufgabenbereich abhängt, entsprechend, vgl. dazu Damian, S. 36. 120 So Beyerlin, S. 448; vgl. auch Schaumann, BerOOVR 8 (1968), 44 ff 113

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11. BefreiWlg von der deutschen Gerichtsbarkeit

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zukommt, muß ihnen als Annex auch die Befugnis zukommen, über das Privileg der Immunität zu verfiigen. 121 Nur so ist ihnen eine umfassende Aufgabenerfiillung möglich und nur so findet die Ausdehnung des Immunitätsschutzes auf alle hoheitlich handelnden Rechtssubjekte eine vollständige Umsetzung. Für die Zuständigkeit selbständiger Untergliederungen und sonstiger juristischer Personen spricht auch, daß diese Rechtspersonen nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich in der Lage sind, vor einem fremdstaatlichen Gericht Klage zu erheben, womit, wie gerade gezeigt, zugleich automatisch ein konkludenter Immunitätsverzicht verbunden ist. Insoweit ist im Interesse der Rechtssicherheit und in Respekt vor der innerstaatlichen Aufgabenverteilung eines fremden Staates davon auszugehen, daß selbständige Untergliederungen und sonstige mit Hoheitsaufgaben betraute juristische Personen innerhalb des ·ihnen übertragenen Aufgabenbereiches die Kompetenz besitzen, Verzichtserklärungen abzugeben. 122

6. Deutsche Gerichtsbarkeit und transnationales Verwaltungshandeln Eine neueres Problem im Zusammenhang mit der deutschen Gerichtsbarkeit stellt die Beurteilung sog. transnationalen Verwaltungshandelns auf der Grundlage des europäischen Gemeinschaftsrechts dar. 123 Transnationales Verwaltungshandeln ist die Vornahme fremdstaatlicher Handlungen im oder mit Wirkung für das inländische Staatsgebiet. Beispiele dafür sind zum einen der Erlaß fremdstaatlicher Hoheitsakte, die auch in der Bundesrepublik als verbindlich zu beachten sind (z. B. die Erteilung von Hochschuldiplomen l24 oder die Zulassung eines Kreditinstitutes nicht nur für den Herkunftsstaat, sondern für die gesamte europäische GemeinschaftI25 ), 121 Vgl. Damian, S. 26; entsprechend zur Kompetenz sonstiger staatlicher Organe Geimer, Rn. 509; s. auch Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 28. 122 Vgl. auch Damian, S. 26. Bestehen im Hinblick auf den hnmWlitätsverzicht innerhalb des fremden Staatsverbandes Streitigkeiten, so ist die Erklärung des Gesamtstaates als Völkerrechtssubjekt maßgeblich. Ist eine Erklärung Wlter Verletzung einer innerstaatlichen Kompetenzvorschrift zustande gekommen, so sind die Regeln über den Abschluß völkerrechtlicher Verträge (s. Art. 46 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge [WÜV], vgl. BGBI. 198711 S. 757) entsprechend anwendbar, vgl. Damian, S. 37. 123 Vgl. dazu Neßler, NVwZ 1995, 863 (865). Als Grwtdlage transnationalen Verwaltwtgshandelns kommen sowohl die GründWlgsverträge der Europäischen Gemeinschaften sowie gemeinschaftsrechtliche VerordnWlgen, unmittelbar anwendbare EGRichtlinien Wld nationale Umsetzungsgesetze in Betracht. Vgl. dazu Ehlers, in: SchochiSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 69. 124 Vgl. dazu Burgi, VwPruE, S. 55. 125 Vgl. dazu Ehlers, in: SchochiSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 69.

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und zum anderen das unmittelbare Tätigwerden fremdstaatlicher Behörden im Inland (wie bspw. die Durchführung hoheitlicher Kontrolltätigkeit fiir die Bankenaufsicht innerhalb des Staatsgebietes eines anderen MitgIiedstaates I26). Angesichts dieser transnationalen Handlungsmöglichkeiten fremdstaatlicher Hoheitsträger stellt sich die Frage nach den Rechtsschutzmöglichkeiten im Inland betroffener Rechtssubjekte. Daß diesen Rechtssubjekten Rechtsschutz im Rahmen der Gerichtsbarkeit des fremden Staates zusteht, ist unzweifelhaft. 127 Fraglich ist allerdings, ob und inwieweit deutsche Gerichte zur Überprüfung transnationalen Verwaltungshandelns fremder Hoheitsträger berufen sind. Ausdrückliche Regelungen bestehen insoweit nicht. In den Mittelpunkt der Betrachtung rückt vielmehr der allgemeine Grundsatz der Staatenimmunität. Soweit danach fremdstaatliche Hoheitsträger im Hinblick auf ihr hoheitliches Handeln der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen sind, gilt dies zunächst auch in bezug auf die Vornahme transnationaler Verwaltungstätigkeit aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Regelungen. Etwas anderes gälte nur dann, wenn der Grundsatz der Staatenimmunität zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft keine Anwendung fände oder die Staaten im Rahmen zwischenstaatlicher Verträge auf ihren Immunitätsanspruch verzichtet hätten. Beides ist bislang jedoch nicht ersichtlich. Weder kann dem Gemeinschaftsrecht eine Regelung entnommen werden, aus der ein genereller oder zumindest auf die Vornahme transnationaler Handlungen bezogener (völkerrechtlich zulässiger) Immunitätsverzicht folgt,128 noch bestehen entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarungen fiir den Einzelfall. Soweit damit vor deutschen Gerichten Rechtsschutz gegen transnationales Verwaltungshandeln eines fremden Staates begehrt wird, fehlt es infolge des Grundsatzes der Staatenimmunität bereits an dem Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit. 129 Ein entsprechender Rechtsschutzantrag wäre damit unzulässig. 130

126 Vgl. dazu Groß, JZ 1994, 596 (596); s. insoweit zur Versicherungsaufsicht Roth, NJW 1993, 3028 (3028 fT.). 127 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 56; Groß, JZ 1994,596 (601 f.). 128 Vgl. ebenso Groß, JZ 1994,596 (604). 129 Ebenso Burgi, VwPruE, S. 56; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 69; Groß, JZ 1994,596 (604); vgl. dazu im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhardt, S.1283 ff. 130 Zum Rechtsschutz beim Vollzug transnationaler Verwaltungsakte durch deutsche Behörden s. unten § 8 ßI. 4.

ill. Die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen

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111. Die völkerrechtliche Zulissigkeit fremdstaatlicher Klagen Soweit das Völkerrecht die Gerichtsbarkeit des Staates begrenzt. stellt sich gleichsam spiegelverkehrt die Frage, ob auch die Geltendmachung fremdstaatlicher Ansprüche im Inland völkerrechtlichen Restriktionen unterliegt. I Entsprechende Überlegungen sind insbesondere im Hinblick auf die klageweise Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche fremder Staaten vor inländischen Gerichten angestellt worden.

1. Anspruche aus ausländischem öffentlichen Recht

Eine vor allem von Mann vertretene, viel beachtete Auffassung geht davon aus, daß die gerichtliche Verfolgung hoheitlicher Ansprüche durch fremde Staaten die Souveränität des Gerichtsstaates verletze und insoweit völkerrechtlich unzulässig sei. 2 Der ausländische Staat, der im Inland Straf-, Steueroder ähnliche Ansprüche verfolge, berufe sich auf seine Hoheitsgewalt und mache diese im Inland geltend. Auch die Einleitung gerichtlicher Verfahren impliziere die Aussage, daß der klagende Staat im Inland seine öffentlichrechtlichen Ansprüche zu verfolgen berechtigt sei. Verlange ein fremder Staat die Durchsetzung seines Anspruchs, liege darin eine Verletzung inländischer Jurisdiktion oder Souveränität und somit des Völkerrechts, soweit es an der Genehmigung des Gerichtsstaates fehle. 3 Eine entsprechende Erlaubnis könne nur der Souverän erteilen. Eine Gestattung durch das Gericht oder die beklagte Partei komme nicht in Betracht. 4 Ein Richter, der sich über die Hoheitsrechte seines Souveräns hinwegsetze, würde diesen benachteiligen, da er ihn der Möglichkeit beraube, auf Gegenseitigkeit zu bestehen. 5

I Die Frage der (verwaltungs-)prozessualen Eingliederung der völkerrechtlichen Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen ist noch nicht eindeutig geklärt. Thre Erörterung wäre daher ebenso an anderer Stelle möglich gewesen, sie soll aufgrund des Zusammenhangs mit dem Völkerrecht jedoch an dieser Stelle behandelt werden. Zur Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche als Problem der internationalen Zuständigkeit vgl. unten § 3 ll. 4. 2 Vgl. Mann, in: FS Kegel, S. 366; ders., RabelsZ 21 (1956), I (4 ff.); s. auch SeidlHohenveldem, Rn. 1509 f.; Vischer, IPRax 1991,209 (212); LG Offenburg IPRspr. 1960/61 Nr. 172,550 (551). 3 Mann, in: FS Kegel, S. 366. 4 Mann, in: FS Kegel, S. 373. 5 Mann, in: FS Kegel, S. 366.

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In der Literatur findet sich eine beachtliche Anzahl von Stimmen, die sich gegen eine solche Auffassung wenden. 6 Schon früh wurde von Herzfeld darauf hingewiesen, daß eine Klageerhebung als legale Methode der Rechtsverfolgung per definitonem nicht völkerrechtswidrig sein könne. 7 Das Völkerrecht beschäftige sich nicht mit dem Ergebnis, sondern mit der Methode der Rechtsverfolgung. Dieser, von Mann kritisierte, 8 Ansatz erscheint insoweit zu kurz gegriffen, als eine Souveränitätsverletzung und damit ein Verstoß gegen das Völkerrecht gerade die Illegalität einer Klage als Mittel zur Rechtsverfolgung zur Folge hätte. Mit anderen Worten, die Legalität eines Mittels bestimmt sich sowohl nach nationalem als auch nach Völkerrecht, womit nur unter Beachtung des nationalen Rechts nichts im Hinblick auf eine völkerrechtliche Zulässigkeit ausgesagt werden kann. 9 Weiterfiihrend ist die Auffassung Lipsteins, wonach die Frage nach staatlicher Souveränität immer dann uninteressant sei, wenn der Gerichtsstaat nach seinem Recht über die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts entscheide. lo Es bestehe kein Zwang zur Anwendung fremden öffentlichen Rechts, womit eine Souveräßitätsverletzung ausgeschlossen sei. Ein ähnlicher Gedankengang liegt der Ansicht Franks zugrunde, der die Klage eines fremden Staates als "Bitte" zur Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts interpretiert. 11 Die Entscheidung, ob die inländische Gerichtsbarkeit zur Verfügung gestellt werde, liege beim Gerichtsstaat, womit von einem Eingriff in die Souveränität dieses Staates nicht gesprochen werden könne. Gemeinsam ist diesen Literaturmeinungen die Ansicht, daß eine Klage aufgrund der Entscheidungskompetenz des Gerichtsstaates nicht dessen Souveränität verletzen könne. In einem ähnlichen Zusammenhang weist Tomuschat darauf hin, daß nicht pauschal auf das Souveränitätsprinzip verwiesen werden könne, sondern geprüft werden müsse, ob die Hoheitsbefugnisse des Gerichtsstaates in irgendeiner Weise beeinträchtigt würden. 12

6 Vgl. Dormann Bessenich, S. 62 f; Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (62 ff.); Frowein, BerDGVR 11 (1973), 104 (Diskussion); Lipstein, in: FS Zaitay, S. 359; Roloff, S. 135 ff.; Schack, Rn. 510; s. ebenfalls Schurig, S. 163; Vogel, S. 202 f (mit dortiger Fußn.34). 7 Herz/eid, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1932,422 (441). 8 Vgl. Mann, RabelsZ 21 (1956), 1 (7 f). 9 Insoweit a. A. Roloff, S. 137. 10 Lipstein, in: FS Zaitay, S. 359. 11 Frank, Rabe1sZ 34 (1970), 56 (64). 12 Tomuschat, BerDGVR 11 (1973), 106 (Diskussion).

ill. Die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen

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Unbestritten ist die Souveränität eines Staates verletzt, wenn ein fremder Staat auf dessen Territorium ohne Einwilligung Hoheitsakte vornimmt. 13 Fraglich ist aber, ob es sich bei der Erhebung einer Klage zur Durchsetzung eines ausländischen öffentlich-rechtlichen Anspruchs um einen solchen Hoheitsakt handelt. Welches Handeln eines fremden Staates als hoheitlich zu qualifizieren ist, ist bislang noch nicht einheitlich geklärt. Denkbar wäre es insoweit, auf das Kriterium der Ausübung direkten oder indirekten Zwanges abzustellen, so daß alle Maßnahmen unzulässig wären, die den Willen des Adressaten zumindest mittelbar zu beeinflussen vermögen. 14 Eine solche Sichtweise hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Nach allgemeiner Auffassung fallen in den Bereich der hoheitlichen Handlungen auch rein verwaltungsrechtliche Tätigkeiten oder gerichtliche Untersuchungsmaßnahmen, 15 ohne daß es insoweit auf die Ausübung staatlichen Zwanges ankäme. Vorzugswürdig erscheint zunächst eine Definition, die sich an der Unterscheidung von acta iure imperii und acta iure gestionis im Recht der Staatenimmunität anlehnt und jedes Handeln als hoheitlich ansieht, das in Ausübung einer nach internationalem Einverständnis spezifischen Staatsfunktion erfolgt.16 Aber auch eine solche Definition vermag die Einordnung fremdstaatlicher Klagen zur Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche nicht abschließend zu klären. Stellt man nämlich ungeachtet der Person des Klägers und der rechtlichen Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs auf den Charakter der Klageerhebung ab, ist die Annahme eines typisch hoheitlichen Handeins zu verneinen. 17 Klagen können typischerweise von jedermann, insbesondere von jedem privaten Rechtssubjekt erhoben werden. Eine solche Argumentation wäre jedoch insoweit unzureichend, als sie vernachlässigen würde, daß es dem fremden Staat um die Durchsetzung eigenen Hoheitsrechts geht. Der ambivalente Charakter der Klageerhebung fremder Staaten zur Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts macht eine Entscheidung über die

13 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 346; Ipsen, § 23 Rn. 6; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1504; VerdrosslSimma, § 1022; s. auch oben § I II. 2. 14 Vgl. dazu Folz, in: FS Verdross, S. 417. 15 Vgl. Ipsen, § 23 Rn. 6; Vogel, S. 102; s. auch Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 30; Geimer, Rn. 442. 16 Vgl. Folz, in: FS Verdross, S. 418. 17 Vgl. insoweit auch Donnann Bessenich, S. 62, die die Erhebung einer Klage zur Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts nicht als Hoheitsakt qualifIziert.

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völkerrechtliche Zulässigkeit eines solchen Verhaltens allein anband der vorgenommenen Tätigkeit unmöglich. Die Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit kann daher nur unter Beachtung der Auswirkung der Klageerhebung im Gerichtsstaat und des Grundsatzes der territorialen Souveränität erfolgen. Aufgabe des Grundsatzes der territorialen Souveränität ist, dem Staat auf seinem Territorium eine unabhängige Hoheitsentfaltung zu sichern. 18 Innerhalb seines Staatsgebietes kommt ihm die alleinige Hoheitsgewalt zu. Dem Staat obliegt es, die Rechts- und Lebensverhältnisse aller ihm unterstehenden Personen umfassend zu regeln. Ihm stehen insoweit alle Maßnahmen der Exekutive, der Legislative und der Judikative zur Verfügung.19 Diese (ausschließliche) Gebietshoheit eines Staates ist von den anderen Staaten zu achten. Sie dürfen daher ohne seine Einwilligung auf dem fremden Staatsgebiet keine Hoheitsakte vornehmen. 20 Fraglich ist daher, ob diese dem Staat zustehende territoriale Souveränität durch die gerichtliche Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruche durch fremde Staaten beeinträchtigt wird und ob darin schließlich ein unzulässiger Eingriff in die ausschließliche Gebietshoheit des Gerichtsstaates liegt. Dies erscheint zweifelhaft. Aus Sicht des Gerichtsstaates muß die Geltendmachung entsprechender Anspruche zwar als Versuch gelten, fremdes Hoheitsrecht auch im Inland durchzusetzen, entscheidend ist aber, daß es ihm gleichermaßen freisteht, ob er die Durchsetzung dieses Begehrens fördert oder abweist. Dem Gerichtsstaat allein obliegt die Entscheidung, ob er seine Gerichte zur Verfiigung stellt bzw. ob er das ausländische (Hoheits-)Recht überhaupt als innerstaatlich anwendbar anerkennt. 21 Verweigert er seine Gerichtsbarkeit oder betrachtet er das fremde Recht als aus seiner Sicht nicht 18lpsen, § 23 Rn. 3. 19lpsen, § 23 Rn. 4; s. dazu auch § I 1I. 20 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 346. 21 Entgegen der hier vertretenen Auffassung wird darauf hingewiesen, daß ein völkerrechtliches Verbot der Geltendrnachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche dem Schutz schwacher Staaten diene. Diesen sei es eher möglich sich unter Berufung auf eine rechtliche Unmöglichkeit (,,non-pouvoir") dem Verlangen eines anderen Staates nach der Durchsetzung seines Hoheitsrechts entgegenzusetzen, als eine solche unter Hinweis auf ein eigenes Nichtwollen (,,non-vouloir") zu abzulehnen. (Vgl. so Seidl-Hohenveldem, Ann. IDI 57 1I S. 22). Eine solche Argumentation ist jedoch insoweit abzulehnen, als sie allein politisch motiviert ist und keine Aussagekraft hinsichtlich der Bestimmung staatlicher Souveränität nach dem Völkerrecht besitzt. (Vgl. auch Donnann Bessenich, S. 61 Fußn. 61.) Zudem weist Roloff(S. 155) zu Recht darauf hin, daß sich eine Einflußnahme nicht erst auf die Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts, sondern bereits auf die vorausgehende QualifIkation als öffentlichoder privatrechtlich erstrecken kann, so daß mit der vorstehenden Auffassung nichts im Hinblick auf den Schutz schwacher Staaten gewonnen ist.

ill. Die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen

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durchsetzbar, vennag der fremde Staat von sich aus nicht seinem Anspruch Geltung zu verleihen. Anders als bei den herkömmlich genannten Handlungen, wie der Verkündung von Gesetzen22 , der Zustellung von Verwaltungsakten23 , dem Vollzug eines HaftbefehIs24 oder der Vornahme einer steuerlichen Fahnduni5, obliegt es dem Gerichtsstaat, die rechtliche Wirkung fremdstaatIicher Tätigkeit herbeizuführen. 26 Insoweit ist es auch zutreffend, wenn darauf hingewiesen wird, daß eine Beeinträchtigung der Souveränität nicht unmittelbar vorliege, wenn ein fremder Staat im Inland hoheitlich tätig werde, sondern erst dann, wenn dies ohne Überwachung und Kontrolle durch den jeweiligen Staat geschehe. 27 Es kommt damit entscheidend darauf an, ob der Gerichtsstaat das Verfahren und den Ablauf in der Hand hat, er somit die ihm zustehenden Hoheitsrechte uneingeschränkt verwirklichen kann. Dies ist in allen Fällen der innerstaatlichen Klageerhebung durch einen fremden Staat gewährleistet, ohne daß es insoweit auf die Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs ankäme. Mit Klageerhebung wird nicht die inländische Souveränität in Frage gestellt, sondern es wird vielmehr deutlich, daß der fremde Staat die GebietsausschIießIichkeit des Gerichtsstaates anerkennt und respektiert. Der fremde Staat unterwirft sich der bestehenden Hoheitsgewalt, indem er die Entscheidung über die Anwendung und extraterritoriale Durchsetzung seines öffentlichen Rechts den zuständigen Instanzen des Gerichtsstaates überläßt. Die gerichtliche Geltendmachung fremdstaatlicher öffentlich-rechtlicher Ansprüche bedeutet daher keinen Eingriff in die territoriale Souveränität des Gerichtsstaates. 28 Eine Regel des Völkerrechts, die die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche verböte, besteht demnach nicht.

Vgl./psen, § 23 Rn. 6. Ebenda. 24 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 346. 25 Vgl. Folz, in: FS Verdross, S. 417. 26 Vgl. auch Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (62). Nach dessen Auffassung entspricht die Erhebung einer Klage durch einen fremden Staat nicht dem Tätigwerden eines ausländischen Beamten auf deutschem Hoheitsgebiet, sondern dem Ersuchen des Auslandes auf Vollstreckungshilfe. 27 Vgl. Roloff, S. 134. 28 Ebenso liegt nach ganz herrschender Meinung kein Eingriff in die Souveränität des klagenden Staates vor. Mit Klageerhebung verzichtet dieser, wie oben dargestellt, auf die ihm zustehende Immunität und willigt in die Prüfung des geltend gemachten Rechts ein. Er begibt sich insoweit eines Teils seiner Souveränität (Frank, RabelsZ 34 [1970),56 [63)), so daß ein deutsches Gericht völkerrechtlich nicht gehindert ist, auch über ausländisches öffentliches Recht zu urteilen. Vgl. Schack, Rn. 510; s. auch Darmann Bessenich, S. 19,62; Geiger, GGuVöR, S. 341; zur älteren Auffassung Riezler, in: FS Rosenberg, S. 206 f. 22

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5 Feldmüller

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2. Ansprüche aus deutschem öffentlichen Recht Ebenso wie bei Ansprüchen aus ausländischem öffentlichen Recht könnte man auch in Fällen der Geltendmachung von Ansprüchen aus deutschem öffentlichen Recht die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit einer entsprechenden Klage stellen. Beachtenswert sind insoweit zwei weitere Aspekte des Souveränitätsprinzips. Neben dem Verbot der Vornahme hoheitlicher Handlungen auf fremdem Staatsgebiet gehören das Recht auf Nichteinmischung und der Grundsatz der Achtung staatlicher Hoheitsakte als grundlegende, eng miteinander verbundene Prinzipien mit zum Bereich staatlicher Souveränität. 29 Beide Aspekte sind regelmäßig betroffen, wenn ein fremder Staat die Überprüfung deutschen Verwaltungshandelns durch deutsche Verwaltungsgerichte begehrt. Wendet sich ein fremder Staat bspw. aufgrund befürchteter grenzüberschreitender Umweltbeeinträchigungen gegen die Erteilung einer atomoder wasserrechtlichen Genehmigung durch eine deutsche Behörde, so will dieser Staat die Entscheidung eines deutschen Hoheitsträgers einer Überprüfung zufiihren und "mischt" sich zugleich in eine deutsche Verwaltungsangelegenheit "ein". 30 Fraglich ist daher, in welchem Umfang die Überprüfung staatlicher Hoheitsakte ausgeschlossen ist und das Recht auf Nichteinmischung gewährleistet wird. Das Recht auf Nichteinmischung umfaßt neben dem Verbot der Einflußnahme auf die politische Willensbildung in anderen Staaten die Verpflichtung, daß fremde oder fremdstaatliche Angelegenheiten nicht zum Gegenstand eigener Regelungen oder Maßnahmen gemacht werden dürfen. 31 Ob eine verwaltungsgerichtliche Klage fremder Staaten, die die Überprüfung deutschen Verwaltungshandelns zum Gegenstand hat, als unzulässige und damit völkerrechtswidrige Maßnahme eines fremden Staates angesehen werden kann, ist allerdings fraglich. In diesem Zusammenhang sind zwei Gesichtspunkte entscheidend. Zunächst ist zu beachten, daß es sich bei entsprechenden Klagen fremder Staaten in den seltensten Fällen um rein deutsche Angelegenheiten handelt. Die meisten Bereiche, in denen grenzüberschreitende Streitigkeiten auftreten, sind nicht eindeutig der ausschließlichen Ordnungsgewalt eines Staates zuzuord-

Vgl. dazu Folz, in: FS Verdross, S. 403 ff.; s. auch Berber, S. 188. Vgl. zu einer entsprechenden Fragestellung im Hinblick auf die Beteiligung fremder Staaten an inländischen VerwaltungsverfahrenHirzel, in: Pelzer, S. 69. 31 Vgl. Folz, in: FS Verdross, S. 406, 408; zur Abgrenzung der Begriffe ,,Einmischung in fremdstaatliche Angelegenheiten" und ,,Interventionsverbot", vgl. Geiger, GGuVöR, S. 348 f. 29

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ill. Die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen

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nen, sondern betreffen regelmäßig auch den Interessen- und Souveränitätsbereich des jeweils anderen Staates. 32 Als zweiter Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, welchen Charakter eine Maßnahme haben muß, daß von einer unzulässigen Einmischung ausgegangen werden kann. Ist in diesem Zusammenhang in der Literatur von dem Verbot der Einmischung in ausländische Verfahren oder fremde VelWaitungsangelegenheiten die Rede, so wird davon ausgegangen, daß die betreffende Maßnahme eine fremdstaatliche Handlung ersetzt und gerade in dieser Ersetzung eine Verletzung staatlicher Souveränität zu sehen ist. Das Recht der Nichteinmischung wird insoweit auch als Substitutionsverbot bezeichnet. 33 Handlungen, die keinen solchen ersetzenden Charakter haben und damit auch Hoheitsäußerungen, die fremdstaatliche Angelegenheiten betreffen, werden allgemein als zulässig angesehen. 34 Hinsichtlich velWaitungsgerichtlicher Klagen fremder Staaten wird damit deutlich, daß diese nicht als unzulässige Einmischung in Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland angesehen werden können. Die Erhebung einer Klage hat keinen substituierenden Charakter, sondern setzt vielmehr ein Verfahren in Gang, welches von dem Gerichtsstaat Bundesrepublik Deutschland bestimmt wird. Es liegt damit auch keine Einmischung in fremdes VelWaItungshandeln vor, weil eine Klage nicht auf Beeinflussung, sondern Überprüfung eines staatlichen Verfahrens gerichtet ist. Insoweit bestehen im Hinblick auf das Recht der Nichteinmischung keine Bedenken. Gleiches gilt hinsichtlich des Grundsatzes der Achtung bzw. der Unüberprüfbarkeit staatlicher Hoheitsakte. Dieser nur teilweise als selbständiges Recht diskutierte Grundsatz beinhaltet, daß staatliche Hoheitsakte mit ihren rechtlichen Wirkungen hinzunehmen, zu respektieren und anzuerkennen sind. 35 Ob und vor allem in welchem Umfang der Grundsatz der Unüberprüfbarkeit staatlicher Hoheitsakte besteht, ist umstritten. 36

32 Dies wird insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen deutlich. Solche Umweltbeeinträchtigungen betreffen regelmäßig nicht nur den Emissions-, also den Genehmigungsstaat, sondern auch den Nachbarstaat. So kann bspw. die Genehmigung eines grenznahen AKW durch deutsche Behörden nicht als rein nationale Angelegenheit betrachtet werden. Anders dagegen bspw. Regelungen des nationalen Verfassungs- oder Organisationsrechts, die alleinige Angelegenheit des betreffenden Staates sind. Vgl. Folz, in: FS Verdross, S. 410 ff.; WengIer, S. 1046. 33 Vgl. Folz, in: FS Verdross, S. 408. 34 Vgl. auch WengIer, S. 1040. 3S Folz, in: FS Verdross, S. 418. 36 Vgl. dazu Folz, Geltungskraft fremder Hoheitsäußerungen, S. 15 ff.; s. auch DahmIDelbrückIWolfrum, S. 482 ff.

§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

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Befiirworter dieses Prinzips leiten das Verbot der Überprüfung aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten ab. Die Gleichheit der Staaten zwinge zur Respektierung fremder Hoheitsakte. 37 Dem ist insoweit zuzustimmen, als eine pauschale Nichtanerkennung fremder Hoheitsakte die Zuständigkeit des fremden Staates zur Normierung seiner inneren Angelegenheiten in Frage stellen würde. 38 Allerdings besteht demgegenüber nach allgemeiner Auffassung auch kein Satz des allgemeinen Völkerrechts, der die Staaten zwänge, fremde Hoheitsakte grundsätzlich anzuerkennen. 39 Um die beiden betroffenen staatlichen Souveränitätsbereiche hinreichend zu würdigen, wird zum einen darauf abgestellt, ob dem fraglichen Hoheitsakt mittelbare oder unmittelbare Auslandswirkung zukommt, das heißt, ob der Rechtsakt seine Wirkungen von vornherein auch im Ausland entfalten soll oder nicht, und zum anderen danach unterschieden, ob dem normierenden Staat eine ausschließliche Kompetenz des zugrundeliegenden Sachverhalts zukommt oder ob diese Befugnis mit der Kompetenz eines anderen Staates konkurriert. 40 Entsprechend dem gewählten Ansatz sind fremdstaatliche Hoheitsakte, von Ausnahmen abgesehen,41 mit ihren Rechtswirkungen hinzunehmen, wenn ihnen nur mittelbare Auslandswirkung zukommt bzw. dem normierenden Staat eine ausschließliche Regelungskompetenz obliegt. Inwieweit dem im einzelnen zuzustimmen ist, kann hier dahinstehen. Fraglich ist vielmehr, ob die Erhebung einer (verwaltungsgerichtlichen) Klage überhaupt das Prinzip der Achtung und Unüberprüfbarkeit fremdstaatlicher Hoheitsakte berührt. Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Mit Klageerhebung nimmt ein fremder Staat, wie oben bereits angesprochen, keine eigene Überprüfung staatlichen Handeins vor, sondern fiihrt dieses der Kontrolle durch ein Gericht desjenigen Staates zu, dessen Hoheitsakt in Frage steht. Ein fremder Staat, der eine Überprüfung deutschen Verwaltungshandelns durch deutsche Gerichte begehrt, bedient sich der in der deutschen Rechtsordnung vorgesehenen Mittel. Er achtet damit hoheitliches Handeln im Rahmen der in Rede stehenden Rechtsordnung und enthält sich einer eigenen Beurteilung.

Vgl. Folz, in: FS Verdross, S. 418 f.; ausfilhrlich, Geiger, GGuVöR, S. 351 fT. Vgl. DahmlDelbrilckIWolJrum, S. 485; Verdross/Simma, § 1021. 39 Vgl. Berber, S. 188; DahmlDelbrilckIWolJrum, S. 484; Ipsen, § 26 Rn. 10; Verdross/Simma, § 1021. 40 Vgl. DahmlDelbrilckIWolJrum, S. 487; Geiger, GGuVöR, S. 351 f.; Verdross/ Simma, § 1021. 41 Vgl. dazu DahmlDelbrilcklWolJrum, S. 486 fT.; Geiger, GGuVöR, S. 352 fT. 37 38

N. Die deutsche Gerichtsbarkeit im Prozeß

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Selbst unter der Prämisse einer umfassenden Geltung des Grundsatzes der Unüberprüfbarkeit staatlicher Hoheitsakte kann in der Klage eines fremden Staates vor deutschen Venvaltungsgerichten keine Verletzung der deutschen Souveränität gesehen werden.

IV. Die deutsche Gerichtsbarkeit im Prozeß Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ist nach allgemeiner Auffassung vor den sonstigen Sachurteilsvoraussetzungen1 und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. 2 Umstritten sind dagegen die Auswirkungen immunitätsbegrüDdender Tatbestände auf einzelne gerichtliche Handlungen, wie Klagezustellung, Ladung oder Terminierung, sowie die Wirkung gerichtlicher Urteile, die unter Mißachtung fehlender deutscher Gerichtsbarkeit zustande gekommen sind.

1. KIagezustellung, Tenninierung und Ladung Soweit ein Staat oder eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts Immunität genießt, ist dieses Rechtssubjekt, wie oben festgestellt, von der Ausübung jedweder staatlicher Hoheitsgewalt befreit. Dies gilt, einem Teil der Rechtsprechung und Lehre folgend, auch für die Zustellung einer Klage sowie für Terminierung und Ladung. In jenen Fällen, in denen die Immunität offensichtlich sei, habe sich das Gericht jeder Tätigkeit zu enthalten. 3 Wenngleich eine solche Auffassung insoweit dogmatisch konsequent ist, als die Immunität die Ausübung jedweder Hoheitsgewalt verbietet, kann ihr in dieser Allgemeinheit dennoch nicht gefolgt werden. Zu bedenken ist zum einen, daß immunitätsbegründende Tatbestände im Einzelfall nur schwer feststellbar sein können und zur Klärung dieser Frage gegebenenfalls eine Stellungnahme des betroffenen Rechtssubjekts notwendig machen, und zum 1 Zur verwendeten Terminologie s. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 6 f1 2 Vgl. BVerfGE 46, 342 (359); Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, GVG Einl. §§ 18-20 Rn. 2; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 51; Kropholler, S. 506; Linke, Rn. 67; Schack, Rn. 160; Wolf, in: MüKo (ZPO), vor §§ 18-20 GVG Rn. 4. 3 Vgl. OLG Milnchen NJW 1975,2144 (2144 f.); Linke, Rn. 69; s. dazu m. w. N. auch Hess, RIW 1987,254 (255); Wolf, in: MüKo (ZPO), vor §§ 18-20 GVG Rn. 4; s. auch BVerwGE NJW 1989,678 (679).

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

anderen, daß es sich beim Grundsatz der Staatenimmunität um ein verzichtbares Recht handelt, das die Ausübung des Immunitätsrechts zur Disposition des Immunitätsträgers stellt. 4 Insbesondere letzteres rechtfertigt es, die Zustellung einer Klage, gegebenenfalls auch Terminierung und Ladung zuzulassen, um den fremden Staat oder das sonstige betroffene Rechtssubjekt von dem Rechtsstreit in Kenntnis zu setzen und ihm die Möglichkeit zu geben, über die Ausübung bzw. den Verzicht auf die Ausübung seines Rechts zu entscheiden. Eine solche Sichtweise ist aus völkerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. 5 Der fremde Staat (0. a.) wird dadurch nicht gegen seinen Willen der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen, sondern lediglich zur Ausübung seines Rechts angehalten. Ladung, Terminierung und Zustellung sind daher nicht von vornherein ausgeschlossen. 6 Zu beachten ist allerdings, daß Zustellung und Ladung in Fällen mit Auslandsbezug einer besonderen Form bedürfen. 7

2. Zur Wirkung eines Urteils trotz Fehlens deutscher Gerichtsbarkeit Jedes Urteil eines Gerichts, das unter Mißachtung fehlender Gerichtsbarkeit zustande gekommen ist, ist als Staatsakt des Gerichtsstaates anzusehen, der zu Unrecht in die staatliche Souveränität des verurteilten Staates eingreift und damit gegen Völkerrecht verstößt. 8 Umstritten ist die rechtliche Behandlung gerichtlicher Entscheidungen, die unter Mißachtung des Nichtbestehens der deutschen Gerichtsbarkeit ergangen sind. Nach der bislang herrschenden Auffassung ist eine solche Entscheidung unwirksam. 9 Sie kann nicht in materielle Rechtskraft erwachsen.

4 Vgl. ebenso Ehlers, in: SchochlSclunidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 51; s. auch Mann, NJW 1990,618 (618). 5 Vgl. Damian, S. 88 f1; Hess, RIW 1987,254 (256). 6 Vgl. ebenso Geimer, Rn. 525; Mann, NJW 1990, 618 (618 f.); RosenbergiSchwablGottwald, § 19 n 1 c; Roth, in: SteiniJonas, § 216 Rn. 14; Strebei, RabelsZ 44 (1980), 66 (74); eingeschränkt auch Albers, in: BaumbachlLauterbachl AlberslHartmann, §§ 18-20 Rn. 2; Schack, Rn. 160. 7 Regehnäßig werden Zustellungen im Ausland im Wege der Rechtshilfe vorgenommen. Kommt eine solche Zustellung im Wege der Rechtshilfe nicht in Betracht, kann eine öffentliche Zustellung erfolgen. Unzulässig ist in aller Regel eine Zustellung über die Auslandsvertretung eines fremden Staates. Vgl. zur Zustellung ausführlich: Damian, S. 90 ff.; Geimer, Rn. 414 ff.; Hess, RIW 1989,254 (257 ff.); Linke, Rn. 70; Nagel, Rn. 48 f. 8 Vgl. Habscheid, BerDGVR 8 (168), 239. 9 Vgl. Albers, in: BaumbachILauterbachlAlberslHartmann, GVG Eint. §§ 18-20 Rn. 2; ArensILake, Rn. 342; Kegel, S. 800; (m. w. N.) Kissel, § 18 Rn. 6; Paatzina, in: MüKo (ZPO) § 12 Rn. 69; RosenbergiSchwablGottwald, § 62 IV 2; Schack, Rn. 161;

IV. Die deutsche Gerichtsbarkeit im Prozeß

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Eine neuere Auffassung sieht Entscheidungen, die trotz Fehlens deutscher Gerichtsbarkeit ergangen sind, hingegen als lediglich anfechtbar an. 10 So ist Geimer der Ansicht, daß die herrschende Meinung dazu führe, daß die Frage nach der Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nie abschließend und verbindlich geklärt werden könne, selbst wenn das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit ausdrücklich bejaht habe. 11 Dies sei nach seiner Auffassung mit den Forderungen der Rechtssicherheit unvereinbar. Weiter wird angeführt, daß nach deutschem Verfahrensrecht gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich wirksam seien. Dies gelte auch dann, wenn sie gegen einfache Gesetze, die Verfassung oder Völkerrecht verstießen. 12 Unter welchen Voraussetzungen der Mangel deutscher Gerichtsbarkeit geheilt werden kann, ist innerhalb dieser Auffassung allerdings umstritten. Teilweise wird vertreten, daß Heilung in jedem Fall mit Eintritt der Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln erfolge. J3 Andere Vertreter dieser Ansicht gehen nicht so weit, sie sehen den Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit für die Fälle als geheilt an, in denen das Gericht in seiner Entscheidung das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit ausdrücklich bejaht hat und diese Entscheidung unanfechtbar geworden ist. 14 Inwieweit der neueren Auffassung gefolgt werden kann, erscheint insgesamt fraglich. Wie oben definiert, bedeutet Gerichtsbarkeit die aus der Souveränität fließende staatliche Befugnis, Recht zu sprechen. Diese Befugnis wird nicht verliehen, sondern kommt jedem Staat originär zu. Sie findet ihre Begrenzung in der Souveränität anderer Staaten, wird gleichermaßen durch das Völkerrecht reglementiert, das heißt, in ein internationales System gebracht, damit Kollisionen staatlicher Souveränität vermieden werden. Durch das Völkerrecht werden "Kompetenzbereiche" abgegrenzt, innerhalb derer jedem Staat die Gerichtsbarkeit nach seinen eigenen Regeln zukommt. Innerhalb der jeweiligen Gerichtsbarkeit steht jedem Staat damit das Recht zu, Bestimmungen über Verfahren oder die Heilung eventueller Verfahrensfehler zu treffen. Nach außen hin bildet die Gerichtsbarkeit als Sachurteilsvoraussetzung die Grenze der verschiedenen staatlichen "Kompetenzbereiche" zur Ausübung jurisdiktioneller Gewalt. Das Problem besteht daher darin, daß ein Gericht über

Schreiber, in: WieczoreklSchütze, § 18 GVG Rn. 10; Vo/lkommer, in: Zöller, vor § 300

Rn. 15. 10 Vgl. Geimer, Rn. 529; Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 239 f; Strebei, RabelsZ 44 (1980), 66 (74); s. auch Grunsky, in: SteiniJonas, vor § 578 Rn. 10. \I Geimer, Rn. 529. 12 Vgl. Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 240. 13 Vgl. Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 241; dazu m. w. N. Geimer, Rn. 530. 14 Vgl. Geimer, Rn. 529; s. auch Gnmsky, in: SteiniJonas, vor § 578 Rn. 10.

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§ 2 Deutsche Gerichtsbarkeit

seine eigene Kompetenz zu entscheiden hat, ihm diese Entscheidung jedoch nur im Falle bestehender Gerichtsbarkeit auch zukommt. Besteht die Gerichtsbarkeit nicht, fehlt zugleich die völkerrechtliche Berechtigung zur Ausübung jedweder staatlichen Gewalt und damit auch zur Entscheidung eines Rechtsstreites. Dieses Fehlen staatlicher Gerichtshoheit kann nicht unter Hinweis auf die Forderung nach Rechtssicherheit oder die Notwendigkeit einer abschließenden Entscheidung überwunden werden. Das Vorliegen staatlicher Gerichtsbarkeit ist Grundlage jeder gerichtlichen Entscheidung und kann auch im Interesse einer praxisgerechteren Lösung nicht umgangen werden. Eine trotz Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidung ist dem Gerichtsfreien gegenüber aufgrund des Mangels staatlicher Kompetenz unwirksam. 15 Fraglich ist allein, ob es sich bei einer solchen Entscheidung um ein Nichturteil oder um ein lediglich wirkungsloses Urteil handelt. Ein wirkungsloses Urteil unterscheidet sich von einem Nichturteil dadurch, daß bei ersterem zumindest der Tatbestand eines Urteils vOrliegt.16 Gemeinsam ist Nicht- und wirkungslosem Urteil, daß sie keiner materiellen Rechtskraft fähig sind und zur Beseitigung des Rechtsscheins mit den normalen Rechtsmitteln angegriffen werden können. 17 Anders als das Nichturteil kann ein wirkungsloses Urteil aber in formelle Rechtskraft erwachsen. 18 Die überwiegende Anzahl der Literaturstimmen nimmt unter Hinweis auf das Vorliegen einer formellen Entscheidung an, daß Urteile bei Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit (lediglich) wirkungslos sind. 19 Zu bedenken ist demgegenüber, daß dem betreffenden Gericht die völkerrechtliche Kompetenz zu jedweder Entscheidung fehlt. Insoweit wird in der neueren Lehre zurecht darauf hingewiesen, daß es sich im Falle des Fehlens der Gerichtsbarkeit um "ultra-vires"-, also Nichtentscheidungen handele. 20

15 Nur diese Sichtweise entspricht auch den völkerrechtlichen hnmunitätsgrundsätzen, nach denen bestinunte Handlungen nicht zum Gegenstand innerstaatlicher Hoheitsausübung gemacht werden dürfen. Vgl. auch Schreiber, in: WieczoreklSchütze, § 18 GVG Rn. 10. 16 Vgl. RosenberglSchwablGottwald, § 62 IV 1; s. zum Nichturteil auch Grunsky, in: SteinlJonas, vor § 578 Rn. 2 ff 17 Vgl. ArenslLüke, Rn. 342; Vol/kommer, in: Zöller, vor § 300 Rn. 19. 18 Vgl. RosenberglSchwablGottwald, § 62 IV 1, a. A. ArenslLüke, Rn. 342. 19 Vgl. ArenslLüke, Rn. 342; RosenbergiSchwablGottwald, § 62 IV 2; Schack, Rn. 161; Schreiber, in: Wieczorekl Schütze, § 18 GVG Rn. 10; Vol/kommer, in: Zöller vor § 300 Rn. 15. 20 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 51; a. A. Strebel, RabelsZ 44 (1980), 66 (74).

IV. Die deutsche Gerichtsbarkeit im Prozeß

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Eine sachgerechte Berücksichtigung völkerrechtlicher und prozessualer Aspekte ergibt sich, wenn man Ursache und Folge der fehlerhaften gerichtlichen Handlung trennt. Grund fii.r die fehlerhafte Entscheidung ist die fehlende völkerrechtliche Legitimation zur Ausübung hoheitlicher Gewalt. Prozessuale Folge ist insoweit aber kein Nichturteil, da das Gericht unter Annahme bestehender Gerichtsbarkeit ein formelles Urteil erläßt und somit mehr als nur der bloße Anschein21 eines solchen vorliegt, sondern ein wirkungsloses Urteil. Das Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit führt damit zu einer "u1tra-vires"Entscheidung des Gerichts, die ein (innerstaatlich) wirkungsloses Urteil nach sich zieht. 22 Insoweit ist es entgegen einer verbreiteten Auffassung unbeachtlich, ob die Entscheidung den Gerichtsfreien begüDstigt23 oder ob das Gericht das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit ausdrücklich bejaht hat. 24 Ein Urteil, das unter Mißachtung des Nichtbestehens innerstaatlicher Gerichtsbarkeit zustande kommt, kann, wie oben gezeigt, nicht nur mit den normalen Rechtsmitteln angegrifIen25 oder im Wege des Wiederaufnahmeverfahrens beseitigt werden. 26 Es ist vielmehr auch möglich, die gleiche Sache erneut anhängig zu machen?7 Eine Vollstreckung ist ausgeschlossen. 28

Vgl. zu Nichturteilen Vol/kommer, in: Zöller, vor § 300 Rn. I3 f. "Völlige WirkungslosigkIeit" bzw. ,,keinerlei Wirkung" nelunen an: Albers, in: BawnbachlLauterbachl AlbersIHartmann, GVG Einl. §§ 18-20 Rn. 2; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 69; Schreiber, in: WieczorekiSchütze, § 18 GVG Rn. 10. 23 Vgl. Schreiber, in: WieczorekiSchütze, § 18 GVG Rn. 10; Wolf, in: MüKo (ZPO), vor §§ 18-20 GVG Rn. 4. Dieser Ansicht kann auch nicht entgegengehalten werden, daß im Falle der Wirkungslosigkeit der Entscheidung der Beklagte nach WegfaII der hnmunität erneut einem Verfahren ausgesetzt ist. So aber Gnmsky, in: SteinlJonas, vor § 578 Rn. 10. 24 So aber Grunsky, in: SteinlJonas, vor § 578 Rn. 10; Schack, Rn. 161. 25 Vgl. Schreiber, in: WieczorekiSchütze, § 18 GVG Rn. 10. 26 Vgl. RosenbergiSchwablGottwald, § 62 IV 1; zum Wiederaufnaluneverfahren und zur analogen Anwendung der Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO vgl. Schmitt Glaeser, Rn. 494; s. dazu auch Ehlers, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 5 I (mit Fußn. 176); Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 242 f. 27 RosenbergiSchwablGottwald, § 62 11 1; s. zur Statthaftigkeit einer Feststellungsklage unten § 6. 28 Grunsky, in: SteinlJonas, vor § 578 Rn. 7; Vol/kommer, in: ZölIer, vor § 300 Rn. 19. 21

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§ 3 Internationale Zuständigkeit I. Die internationale Zustindigkeit als Sachurteilsvoraussetzung Nach der Frage der deutschen Gerichtsbarkeit ist zu prüfen, ob deutsche Gerichte international zustllndig sind.

1. Begriff Unter dem Begriff der internationalen Zustllndigkeit versteht man die Zuweisung von Rechtsprechungsaufgaben an einen Staat als solchen. I Die internationale Zustllndigkeit trifft eine Bestimmung, ob in einem konkreten Fall inländische Gerichte zur Sachentscheidung berufen sind2 oder ob sie sich aufgrund des A~landsbezuges einer Entscheidung in der Sache zu enthalten haben. 3 Die Entscheidung über die Bestimmungen hinsichtlich der internationalen Zustllndigkeit unterliegt dem nationalen Gesetzgeber. 4 Auch wenn eine Festlegung durch einen supranationalen Gesetzgeber als wünschenswert angesehen wird, um die in der Welt entstehenden Rechtsprechungsaufgaben wirkungsvoll und systematisch zu ordnen, s ist die Regelung der internationalen Zustllndigkeit bislang Aufgabe der einzelnen Staaten. Regeln des Völkerrechts, die eine Bestimmung über die Zustllndigkeit bestimmter Staaten für verschiedene Streitigkeiten träfen, sind nicht ersichtlich. 6

I Vgl. Geimer, Rn. 844; Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 34; zu den Begriffen "staatliche Zuständigkeit" und "Jurisdiktion" vgl. Patzina, in: MüKo (ZPO), Rn. 56 f. 2 Vgl. Kropholler, S. 513. Vielfach ist die Fonnu1ierung zu [mden, daß die internationale Zuständigkeit eine Bestimmung darüber treffe, ob in- oder ausländische Gerichte zur Sachentscheidung berufen sind. Dies ist zumindest insoweit ungenau, als nationales Recht keine verbindliche Aussage über die Zuständigkeit fremdstaatlicher Gerichte treffen kann. Vgl. zur fehlenden Verweisungskompetenz Nagel, Rn. 103. Etwas anderes ergibt sich allerdings insoweit, als man auf die innerstaatliche Anerkennungskompetenz deutscher Gerichte abstellt, vgl. dazu Geimer, Rn. 851. 3 Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 34. 4 Vgl. Geimer, 845; Nagel, Rn. 102. 5 So bspw. Geimer, Rn. 383. 6 Vgl. Geimer, Rn. 383, 848; Nagel, Rn. 102; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 55;Schack,Rn. 186.

I. Die internationale Zuständigkeit als Sachurteilsvoraussetzung

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2. Verhältnis zur deutschen Gerichtsbarkeit und "innerstaatlichen" Zuständigkeitsregelungen Als Sachurteilsvoraussetzung ist die internationale Zuständigkeit strikt von der Frage nach dem Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit zu trennen. 7 Während die Gerichtsbarkeit eine Aussage darüber trifft, ob einem Staat die Befugnis zukommt, Recht zu sprechen, regelt die internationale Zuständigkeit, ob von einer bestehenden Gerichtsbarkeit Gebrauch gemacht werden darf oder ob staatlicher Rechtsschutz aufgrund des vorhandenen Auslandsbezuges verweigert wird. 8 Mit dieser begriffiichen Unterscheidung ist auch das Verhältnis der beiden Sachurteilsvoraussetzungen zueinander geklärt. In diesem Zusammenhang wird von einer "logischen Priorität" der Gerichtsbarkeit gesprochen,9 was bedeutet, daß die Frage nach der Zuständigkeit staatlicher Gerichte nur dann relevant ist, wenn feststeht, daß diesem Staat auch die Befugnis zukommt, über den zugrundeliegenden Sachverhalt zu entscheiden. Zu unterscheiden ist die internationale Zuständigkeit auch von den "innerstaatlichen" Zuständigkeitsregeln, wie den Vorschriften über den zulässigen Rechtsweg und die Normen über die örtliche Zuständigkeit. lo Während die internationale Zuständigkeit die Erledigung auslandsbezogener Streitigkeiten den nationalen Gerichten insgesamt zuweist, grenzen die "innerstaatlichen" Zuständigkeitsregeln die Kompetenzen der inländischen Gerichte untereinander ab. 11

3. Bedeutung für das Verwaitungsprozeßrecht Der Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte wurde in der Literatur zum Verwaltungsprozeßrecht bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. 12 Dies liegt wesentlich daran, daß den deutschen Verwaltungsgerich-

7 Vgl. BSGE 54, 250 (252); Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 25; Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 37; Patzina. in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 58,64. B Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 52. 9 Vgl. Geimer, Rn. 846; Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 37. 10 Vgl. Geimer, Rn. 847; Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 37; Heldrich, S. 74 ff.; Kropholler, S. 513; WalchsMfer, ZZP 80 (1967),165 (183 ff.). 11 Vgl. Kropholler, S. 513; Patzina, in: MllKo (ZPO), § 12 Rn. 55. 12 AusfiIhrlieh erstmals Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 52 ff.; vgl. weiter speziell zum Verwaltungsprozeß Burgi, VwPruE, S 31; ders.,

76

§ 3 Internationale Zuständigkeit

ten zuvörderst die Aufgabe zukommt, das Handeln inländischer Verwaltungsbehörden zu kontrollieren und demnach, anders als im Zivilprozeßrecht, Sachverhalte mit extraterritorialen Bezügen, die an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zweifeln lassen, nur selten vorliegen. Dennoch ist die internationale Zuständigkeit auch im Verwaltungsprozeß zu beachten. Zum einen kommt ihr als rechtswegunabhängige 13 und damit auch fiir die Verwaltungsgerichtsbarkeit geltende Sachurteilsvoraussetzung die Aufgabe zu, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sich deutsche Gerichte mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt überhaupt beschäftigen dürfen, zum anderen bestehen spezifisch öffentlich-rechtliche Fallkonstellationen, die eine Behandlung der internationalen Zuständigkeit auch im Verwaltungsprozeßrecht notwendig machen. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob und inwieweit fremde S~ten oder sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts vor deutschen Gerichten Ansprüche geltend machen können, die sich aus ausländischem öffentlichen Recht ergeben. So hatte sich bspw. das Bundessozialgericht mit der Klage des Trägers der niederländischen Arbeitslosenversicherung gegen einen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Deutschen auf Rückzahlung einer in den Niederlanden zu Unrecht gewährten Arbeitslosenunterstützung zu beschäftigen. 14 Das Gericht vertrat insoweit die Auffassung, daß diese Klage bei Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit wegen fehlender internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte unzulässig gewesen sei. Ähnliche Probleme können im Bereich der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit entstehen, wenn man mit einem Teil der Literatur der Auffassung ist, daß insoweit eine Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts in Frage kommt. 15 Auch hier ist zu klären, ob deutsche Verwaltungsgerichte zur Sachentscheidung berufen sein können. Festgestellt werden kann damit, daß die Sachurteilsvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit auch fiir das Verwaltungsprozeßrecht relevant ist, wenngleich sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit hier seltener stellt als im Zivilprozeß. 16

DVBI. 1995, 772 (776); Schenke, Rn. 166 a; s. auch Kegel, S. 847; ohne Trennung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit dagegen Erichsen, Jura 1994, 418 (419); Hufen, § 11 Rn. 2; Schmitt Glaeser, Rn. 31 f. 13 Vgl. auch Geimer, Rn. 117. 14 Vgl. BSGE 54, 250. 15 Vgl. Oehm, S. 95 fT. und S. 118. 16 Zu den Ausnahmen, in den die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Regeln über die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in privatrechtlichen Streitigkeiten anzuwenden hat, s. unten § 3 ll. 3.

I. Die internationale Zustandigkeit als Sachurteilsvoraussetzung

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4. Völkerrechtliche Grenzen der internationalen Zuständigkeit Bevor die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestimmt werden kann, ist der Frage nachzugehen, ob insoweit völkerrechtliche Grundsätze zu beachten sind. Ein Teil der deutschen Literatur verneint dies. 17 Innerhalb der Grenzen inländischer Gerichtsgewalt sei der Staat vollkommen frei, die Voraussetzungen und Grenzen seiner Kognitationsbefugnis zu bestimmen. 18 Da es keine dem nationalen Recht vorgehende völkerrechtliche Zuständigkeitsordnung gebe, könne jeder Staat, soweit er nicht durch völkerrechtliche Verträge gebunden sei, so viele Rechtsstreitigkeiten an sich ziehen, wie es ihm zweckmäßig erscheine. Diese Freiheit werde durch keine allgemeine Regel des Völkerrechts eingeschränkt. 19 Insbesondere bestehe keine völkerrechtliche Mindestanforderung an den Inlandsbezug der zu entscheidenden Streitigkeit. 20 Nach einer anderen Auffassung setzt die Bejahung der internationalen Zuständigkeit dagegen einen Minimalbezug zum Inland voraus. 21 Das Völkerrecht verbiete insoweit, daß ein Staat für alle Streitigkeiten auf der Welt die internationale Zuständigkeit beanspruche. 22 Dieser letztgenannten Auffassung ist zu folgen. Die Befugnis, über die internationale Zuständigkeit inländischer Gerichte zu bestimmen, ist Teil der einem jeden Staat zustehenden weitreichenden Regelungskompetenz. 23 Diese auf der territorialen Souveränität beruhende Fähigkeit, auch Regelungen mit extraterritorialen Bezügen erlassen zu können, gilt, wie oben gezeigt, aber nicht unbegrenzt. Im Interesse des Ausgleichs und der Respektierung fremdstaatlicher Souveränitätsbereiche ist es aus völkerrechtlicher Sicht notwendig, daß zwischen dem betreffenden Sachverhalt und dem innerstaatlichen Territorium eine "echte Verknüpfung" ("genuine link") besteht. Diese völkerrechtliche Maßregel gilt nicht nur für das materielle Recht, sondern bestimmt auch

17 Vgl. Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, vor § 12 Rn. 39; Rosenbergl Schwab/Gottwald, § 20 I; Schack, Rn. 186; ders., in: FS Nakamura, S. 505 f 18 Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, vor § 12 Rn. 39; Schack, Rn. 186. 19 Vgl. Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, vor § 12 Rn. 39, s. aber auch die dort (Rn. 41) zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung nationaler Zustandigkeitsregeln gemachten Ausftlhrungen. 20 RosenbergiSchwab/Gottwald, § 20 I. 21 Vgl. DahmIDelbrackIWolfrum, S. 324; Esser, S. 15; Geiger, GGuVöR, S. 320 ff.; Geimer, Rn. 126 f; lpsen, § 24 Rn. 103; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 78. 22 Vgl. Geimer, in: Zöller IZPR, Rn. 36; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 78. 23 Siehe dazu oben § 1 11. 1.

§ 3 Internationale Zuständigkeit

78

die prozeßrechtlichen Regelungen. 24 Im Hinblick auf die Normierung der internationalen Zuständigkeit bedeutet dies, daß die Frage, mit welchen auslandsbezogenen Sachverhalten sich inländische Gerichte beschäftigen dürfen, zwar primär zur Entscheidung des nationalen Gesetzgebers steht, daß das Völkerrecht entsprechende Regelungen aber nur zuläßt, soweit das Erfordernis einer hinreichenden Anknüpfung beachtet wird. Welche Anforderungen an diese völkerrechtlich notwendige Verbindung zu stellen sind, ist allerdings noch nicht geklärt. Eine Staatenpraxis, die insoweit zuverlässige Abgrenzungskriterien hervorgebracht hätte, ist nicht erkennbar. 2s Eine ausreichend enge Beziehung wird jedoch immer dann anzunehmen sein, wenn der Beklagte Inländer ist, hier seinen Wohnsitz oder ständigen Aufent6 oder wenn der betreffende Sachverhalt territoriale Bezüge zum Inhalt land aufweist. 27 Die Voraussetzungen für die Annahme einer hinreichenden Verknüpfung werden insoweit insbesondere im Prozeßrecht relativ weit gefaßt. 28

hae

Im Rahmen der völkerrechtlich begrenzten Regelungskompetenz und der nationalen Regelungen über die internationale Zuständigkeit ist die so eröffnete Kognitationsbefugnis deutscher Gerichte unbegrenzt. 29 Diesen steht die Befugnis zu, den zugrundeliegenden Sachverhalt in jeder Hinsicht zu untersuchen und entsprechende, auch über die Staatsgrenzen hinausgreifende30 Entscheidungen zu treffen.

11. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit richtet sich als rechtswegunabhängige Sachurteilsvoraussetzung nach eigenen Grundsätzen. Entsprechende Regelungen können sich aus dem geschriebenen und ungeschriebenen innerstaatlichen Recht sowie aus völkerrechtlichen Übereinkommen ergeben.

24

Vgl. DahmIDelbrackIWolfrom, S. 324; Geiger, GGuVöR, S. 321; Ipsen, § 24

Rn. 103; VemrossiSimma, § 1186. 25 Patzina,

in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 78. Vgl. dazu Ipsen, § 24 Rn. 103; s. auch, insoweit aber in bezug auf das materielle Recht BVerfGE 63, 343 (369). 27 Zu diesem Anknüpfungsmerkmal s. Geiger, GGuVöR, S. 320 tf. 28 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 52; Geimer, Rn. 392. 29 Geimer, Rn. 867. 30 Vgl. Geimer, ZfRV 1992,321 (335); s. dazu auch bereits oben § 2 1.2. 26

11. Bestinunung der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

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Trotz der Rechtswegunabhängigkeit wurde die Entwicklung der internationalen Zuständigkeit maßgeblich durch das Zivil- bzw. Zivilprozeßrecht geprägt. Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen stets privatrechtliche Streitigkeiten. 1 Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten wurden und werden zumeist nur am Rande und regelmäßig als Ausnahme der zivilprozessual geprägten Regeln behandelt. 2 Inwieweit die im IZPR entwickelten Grundsätze auf öffentlichrechtliche Streitigkeiten anwendbar sind, soll nachfolgend untersucht werden.

1. Völkerrechtliche Übereinkommen Unbestritten vorrangig und unabhängig von der Art der zugrundeliegenden Streitigkeit zu prüfen ist die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit aufgrund völkerrechtlicher Übereinkommen. 3 Die Befugnis zum Abschluß solcher Übereinkommen folgt aus der Kompetenz der einzelnen Staaten, die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit autonom vornehmen zu können. Für den europäischen Rechtsraum sind zwei internationale Abkommen hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit von besonderer Bedeutung. Entsprechend seines Geltungsbereichs ist zunächst auf das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGvüt hinzuweisen. Dieses Abkommen regelt die Entscheidungszuständigkeit für die Gerichte der Vertragsstaaten in Zivil- und Handelssachen, ohne daß es insoweit auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. 5 Wie sich bereits aus der Bezeichnung des Übereinkommens ergibt, findet es keine unmittelbare Anwendung auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Insbesondere Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sind nach Art. 1 S. 2 EuGVÜ ausdrücklich nicht erfaßt.

1 Zur geschichtlichen Entwicklung der internationalen Zuständigkeit s. Heldrich, S. 1 ff. 2 Vgl. dazu unten § 3 11. 4. 3 Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 64; Geimer, Rn. 1874; Hausmann, in: Wieczorek/ Schütze, vor § 12 Rn. 49; s. auch BSGE 54, 250 (252); zum Vorrang des EuGVÜ vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmarutlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 53; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 81. 4 BGBL 1972 11 S. 773, in der Bundesrepublik gültig in der dritten Neufassung, die am 1.12.1994 in Kraft getreten ist, vgl. BGBl. 1994 11 S. 3707. Zu den Vertragsstaaten s. ThomaslPutzo, Vorb. EuGVÜ Rn. l. 5 Ausgenommen ist nach Art. lAbs. 2 Nr. 4 EuGVÜ alleine die Schiedsgerichtsbarkeit.

§ 3 Internationale Zustandigkeit

80

Zur Bestimmung dessen, was unter Zivil- und Handelssachen fallt, hat der EuGH in seiner sog. Eurocontrol-Entscheidung6 klargestellt, daß diese nicht anband des Rechts des jeweiligen Staates zu erfolgen hat, sondern gemäß den Zielsetzungen und der Systematik des Übereinkommens sowie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnungen der Vertragsstaaten ergeben, also anband vertragsautonomer Bestimmungen, vorzunehmen ist. 7 Ausgenommen vom Anwendungsbereich des EuGVÜ sind danach alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse stehen. 8 Darunter fallen insbesondere alle Tätigkeiten der Eingriffs- und weite Teile der Leistungsverwaltung. 9 Nicht hoheitlich und damit als Zivilund Handelssache im Sinne des EuGVÜ anzusehen sind dagegen wirtschaftliche Betätigungen eines Staates, auch wenn sie auf öffentlichem Recht beruhen. In diesen Fällen kommt dem EuGVÜ auch fiir das Verwaltungsprozeßrecht Bedeutung zu. Bewirbt sich bspw. ein Ausländer, womit auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts (bspw. ein Staatsunternehmen) gemeint sein kann, um die Vergabe eines öffentlichen Auftrages, handelt es sich um eine Zivil- und Handelssache i. S. des EuGVÜ, wobei aber gleichzeitig von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nach § 40 VwGO auszugehen ist. IO Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit wäre somit nach Art. 2 S. 1 EuGVÜ vorzunehmen. Als weiteres fiir die Bundesrepublik beachtliches Abkommen ist das sog. Luganer Übereinkommen zu erwähnen. 11 Dieses Übereinkommen enthält dem EuGVÜ ähnliche Bestimmungen fiir die Staaten der EFTA. Es berührt den Geltungsbereich des EuGVÜ nicht und kommt in Staaten, die Unterzeichner

EuGH Sig. 1976, 1541 (1549 i1). So auch BSGE 54, 250 (252 f.); Ehlers, in: SchochlSchrnidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 56; KrophoJ/er, S. 515; RosenbergiSchwablGottwald, § 20 VI 3; ThomasIPutzo, Art. 1 EuGVüRn. 1; a. A. BGHZ 65, 291 (298). 8 Vgl. EuGH Sig. 1976, 1541 (1551); s. auch VG Schleswig NJW 1991, 1129 (1129). 9 Vgl. Ehlers, in: SchochlSchrnidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 56, der zur Abgrenzung hoheitlichen und nichthoheitlichen Handelns auf die QualifIkation im Recht der Staatenimmunität hinweist, dazu oben § 2 11. I. a) bb). 10 Beispiel nach Ehlers, in: SchochlSchrnidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 61. 11 Die Bundesrepublik hat dem Luganer Abkommen mit dem Gesetz vom 30.9.1994 (BGBI. 199411 S. 2658) zugestimmt, es ist am 1.3.1995 in Kraft getreten (BGBI. 1995 11 S. 221). Vgl. dazu auch ThomaslPutzo, Vorb. EuGVü Rn. 17. 6

7

II. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im VerwaItungsprozeß

81

beider Abkommen sind, nur· zur Anwendung, wenn die enthaltenen Bezugspunkte über das EuGVÜ hinaus auf einen EFfA-Staat hinweisen. 12

2. Ausdrückliche Bestimmung der internationalen Zuständigkeit Ausdrückliche Bestimmungen der internationalen Zuständigkeit sind im deutschen Recht kaum zu finden. Insbesondere die VwGO enthält keine Normen, die die internationale Zuständigkeit ausdrücklich regeln. Gleiches gilt für das SGG, das nach Auffassung des Bundessozialgerichts ebenfalls keine solchen Vorschriften enthält. \3 Damit sind für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, soweit ersichtlich, keine ausdrücklichen Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit vorhanden. 14 Ähnlich verhält es sich im Zivilprozeßrecht, in dem nur wenige Vorschriften nach allgemeiner Ansicht die internationale Zuständigkeit speziell regeln. 15

3. Bindung der internationalen Zuständigkeit an die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit in privatrechtlichen Streitigkeiten Im Zivilprozeßrecht geht die überwiegende Auffassung davon aus, daß sich die internationale Zuständigkeit für privatrechtliche Streitigkeiten im Falle des Fehlens völkerrechtlicher Vereinbarungen oder spezieller nationaler Regelungen nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit richtet. 16 Nach dieser Ansicht enthalten die Normen über die örtliche Zuständigkeit zugleich (mittelbare) Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit. Der BGH fUhrt insoweit aus, daß die internationale Zuständigkeit in der ZPO (mit wenigen Ausnahmen) nicht ausdrücklich und unmittelbar, sondern grundsätzlich nur mittelbar durch stillschweigende Verweisung auf die Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO über den Gerichtsstand geregelt werde. Soweit ein ThomaslPutzo, Vorb. EuGVÜRn. 17. Vgl. BSGE 54, 250 (253). 14 VgI Ehlers, in: Schoch/Sclunidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 64. 15 Vgl. zu Ehe- und Kindschaftssachen (bspw. §§ 606 a, 640 a Abs. 2 ZPO), sowie zu den Regelungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Hausmann, in: Wieczorekl Schütze, vor § 12 Rn. 47; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 89; Schack, Rn. 189; s. auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 20 II I. 16 Vgl. ArenslLake, Rn. 84; Hausmann, in: WieczorekiSchütze, vor § 12 Rn. 48; Kropholler, S. 517; Geimer, Rn. 943 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 20 II I; Schilken, Rn. 3 I 9; s. auch mit Hinweis auf kritische Stimmen Nagel, Rn. 108; weitgehend ablehnendPfefffer, S. 194 ff. (S. 73 ff.). 12

13

6 Feldmüller

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

deutsches Gericht örtlich zuständig sei, sei es nach deutschem Recht auch international zuständig. 17 Den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit kommt damit eine Doppelfunktion zu. IS Insoweit ist jedoch zu beachten, daß trotz der weitgehenden Übereinstimmung der Anknüpfung von örtlicher und internationaler Zuständigkeit beide Komplexe rechtsdogmatisch zu unterscheiden sind. 19 Während die internationale Zuständigkeit die Zuweisung von Rechtssachen an einen Staat als solchen vornimmt, betriffi: die örtliche Zuständigkeit die innerstaatliche Zuweisung. Die Regelungen über die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in privatrechtlichen Streitigkeiten ist fiir die deutschen Verwaltungsgerichte nur in wenigen AusnahmefiUlen beachtlich. 20

4. Die internationale Zustindigkeit für Anspruche aus auslindischem iiffentlichen Recht Abweichend von der Anbindung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in Fällen privatrechtlicher Streitigkeiten an die Regeln der örtlichen Zuständigkeit, findet sich in Rechtsprechung und Literatur die ganz überwiegende Meinung, daß fremden Staaten die Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Inland zu verweigern ist. Das Bundessozialgericht führt insoweit aus: ,,Nach allgemeiner [... ] AuffasSWlg ist trotz Inlandsberührung und örtlicher Zuständigkeit die deutsche internationale Zuständigkeit im allgemeinen ausgeschlossen, wenn Streitgegenstand ein ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruch ist.,,21

Wenngleich im Ergebnis weitgehende Übereinstimmung besteht, ist eine allgemein anerkannte Begründung dieses Grundsatzes bislang nicht gefunden worden. Zu verschieden sind die gewählten Ansätze und Argumentationen. 22 17 Vgl. BGHZ 44, 46 (46 f.). 18 Vgl. Firsching/v. Hoflmann, § 3 Rn. 38; Geimer, in: Zöller IZPR, Rn. 37; Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 48; Kropholler, S. 517; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 86; Schack, in: FS Nakamura, S. 494; WalchshiJfer, ZZP 80 (1967), 165 (185). 19 Vgl. Geimer, Rn. 847; ders., in: Zöller IZPR, Rn. 38 f.; Schack, Rn. 188. 20 In der Literatur wird insoweit zu Recht auf die Fälle hingewiesen, in denen I. der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch besondere ZuweiSWlg privatrechtliche Streitigkeiten übertragen worden sind, in denen 2. die Verwaltungsgerichte nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 GVG über privatrechtliche Ansprüche mitentscheiden müssen oder in denen 3. ein Zivilgericht einen Rechtsstreit zu Unrecht, aber mit bindender Wirkung nach § 17 a GVG an das Verwaltungsgericht verwiesen hat. Vgl. dazu Ehlers, in: SchochI Schrnidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 62 f. 21 BSGE 54, 250 (254).

II. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

83

Ansprüche aus ausländischem öffentlichem Recht können sich in verschiedenen Konstellationen ergeben. Diskutiert werden insoweit insbesondere die Durchsetzung fremdstaatlicher Steueransprüche23 , die (Rück-)Forderung staatlicher (Geld-)Leistungen24 oder Ansprüche gegen ehemalige Organe, Beamte oder Angestellte des klagenden Staates. 25 Denkbar sind aber auch Klagen aufgrund grenzüberschreitender Umweltbeeintfächtigungen26 oder Streitig22 Teilweise wird in der Literatur im Hinblick auf die Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche von einer "wesensfremden" (vgl. Hausmann, in: WieczorekiSchütze, vor § 12 Rn. 94, 96; Schack, Rn. 504) oder "sachlich internationalen" (vgl Riezler, in: FS Rosenberg, S. 199 ff.) Unzuständigkeit gesprochen. Bei diesen Ansätzen geht es danun, eine an sich gegebene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund der Eigenart des anzuwendenden Sachrechts auszuschließen. Alleine der Hinweis auf eine solche Unzuständigkeit ist allerdings zunächst von nur terminologischer Bedeutung. Eine eigenständige Begründung ergibt sich aus dieser Einteilung zumeist nicht. Entscheidend sind vielmehr die hinter diesen Begriffen stehenden Argumentationen, die sich insoweit erheblich voneinander (vgl. bspw. Schack, Rn. 510 und Riezler, in: FS Rosenberg, S. 20 I ff.; s. dazu auch Geimer, Rn. 993) und der unter gleichem Begriff im IZPR verwendeten Definition unterscheiden. Diese verschiedenen zuvor genannten Ansichten werden nachfolgend entsprechend den ihnen zugrundeliegenden Argumentationen behandelt. Ausführlich zur "wesenseigenen (Un-)Zuständigkeit" im IZPR Heldrich, S. 255 ff.; Kropholler, S. 510 ff. Dort wird das Institut der wesenseigenen Unzuständigkeit in Fällen diskutiert, in denen die zur Anwendung berufenen fremden Sachnormen vom zuständigen deutschen Richter eine Tätigkeit verlangen, die mit dessen Rechtsprechungstätigkeit nicht zu vereinbaren ist. Mit diesem Inhalt kann die wesenseigene Unzuständigkeit allerdings nicht als Argument ft1r die Nichtdurchsetzbarkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche herangezogen werden, da es nicht ersichtlich ist, warum es einem inländischen Gericht, allein von der Tätigkeit her betrachtet, nicht möglich sein soll bspw. über fremdstaatliche Steueransprüche oder Gebührenforderungen zu entscheiden (ohne weitere Begründung daher zweifelhaft Schack, RabelsZ 58 [1994],40 [43]). 23 Vgl. dazu die Klage einer russischen Stadt auf Zahlung rückständiger Gemeindesteuern von einem preußischen Staatsbürger, KG OLGE 20 (1910), 91; s. auch die Forderung von Parkraumbenutzungsgebühren durch eine niederländische Gemeinde, AG Münster IPRspr. 1994 Nr. 146; dazu auch AG Mannheim DAR 1994, 405 (405 f.). 24 Vgl. BSGE 54,250; s. auch die Klage der Präfektur des Departement Bas-Rhin in Straßburg auf Ersatz gewährter Fürsorgeleistungen vor dem LG Offenburg (IPRspr. 1961/61 Nr. 172) und die Klage der Stadt Wien auf Erstattung der Kosten ft1r eine Ersatzvornahrne vor dem LG Hamburg (IPRspr. 1977 Nr. 115); vgl. des weiteren OLG Hamm RIW 1994,513. 25 Vgl. aus der schweizer Rechtsprechung den Fall ,Gordon gegen die Republik Ungarn' (sog. ,,Fall des treuen Ungarn"), in dem die Republik Ungarn auf Herausgabe eines, in dienstlicher Eigenschaft anvertrauten, Tresorschlüssels klagte, BGE 75 II S. 122; des weiteren auch den Fall ,die Republik der Philippinen gegen Marcos', BGE 115 I b S. 496. Vgl. mit ausführlichen Darstellungen deutscher und internationaler Rechtsprechung: Roloff, S. 35 ff.; des weiteren Dormann Bessenich, S. 75 ff.; Frank, RabelsZ 34 (1970),56 (67 ff.); Kegel, S. 847; Vischer, IPRax 1991,209 (209 f.). 26 Vgl. dazu unten § 7 VI.

§ 3 Internationale Zuständigkeit

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keiten aus dem Bereich der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit. 27

a) Fehlendes staatliches Interesse an der Rechtsdurchsetzung

Vielfach wird die Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche unter Hinweis auf ein fehlendes staatliches Interesse an der Durchsetzung fremden Hoheitsrechts abgelehnt. 28 Der Staat mache sich nicht zum "Büttel" eines fremden Hoheitsträgers. 29 Er habe auch kein Interesse, seine Organe einseitig zur Feststellung und Durchsetzung fremder Interessen einzusetzen. 3o Für die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Ziele eines fremden Staates stehe die Gerichtsbarkeit des Inlandes nicht zur Verfiigung. 31 Den Grund dafiir sieht Kegel darin, daß jeder Staat ein Zusammenschluß der Leute in seinem Lande sei. 32 Ihre Sicherheit und ihr Wohl solle er fördern, dem Staatswohl solle er dienen. Dazu und um der Gerechtigkeit zwischen den einzelnen zu dienen, brauche er Macht, also die Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen. "Jeder Staat fördert das eigene Staatswohl im eigenen Lande: er ist frei (Herr im eigenen Haus), nimmt keine Befehle von außen an, duldet keinen Richter über sich. Das gleiche billigt er den anderen Staaten zu: alle Staaten sind gleich, keiner darf sich in die inneren Angelegenheiten des anderen einmischen. Aber es hilft auch keiner dem anderen und darum sind Ansprüche aus dem öffentlichen Recht eines Staates in einem anderen Staat grundsätzlich nicht durchsetzbar.,,33

Ausnahmen bestehen nach Ansicht Kegels allerdings, soweit sich fremde und eigene Staatsinteressen deckten. 34 In diesen Fällen sei die Anwendung oder wenigstens die Berücksichtigung ausländischen öffentlichen Rechts möglich.

Vgl. Oehm, S. 118; dazu unten § 7 VI. 6. Vgl. Meng S. 286; Schack, Rn. 510 f.; Schurig S. 163; LG Offenburg IPRspr. 1960/61 Nr. 172; differenzierend Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (65 fI). 29 Vgl. BGHZ 23, 333 (337). 30 Meng S. 286. 31 Kegel, S. 847, der insoweit allerdings offen läßt, ob die internationale oder sachliche Zuständigkeit fehlt; s. auch AG Münster IPRspr. 1994 Nr. 146; so schon KG OLGE 20 (1910), 91 (91); vgl. auch Geimer, Rn. 1976. 32 Kegel, S. 848. 33 Kegel, S. 848. 34 Vgl. Kegel, S. 850. 27

28

11. BestimmWlg der internationalen Zuständigkeit im VetWaltWlgsprozeß

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Das LG OfIenburg sieht die Unzuständigkeit deutscher Gerichte im Interesse des Verfassunggebers begründet. 35 Diesem könne naturgemäß nur daran gelegen sein, die hoheitliche Betätigung deutscher Verwaltungsorgane nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu kontrollieren. Das öffentlich-rechtliche Verhältnis eines Gewaltunterworfenen zu einer ausländischen Behörde dagegen solle nicht der Kontrolle durch die deutschen Gerichte unterworfen werden, da der deutsche Verfassunggeber nicht daran interessiert sei, das Verhältnis des ausländischen Rechts mit einer rechtsstaatlichen Garantie auszustatten. Auch Frank sieht die GlÜDde fiir die Verweigerung der deutschen internationalen Zuständigkeit in dem fehlenden staatlichen Interesse an der Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts. 36 Nicht das "Nicht-dürfen", sondern das "Nicht-wollen" sei entscheidend. Anders als die zuvor dargestellten Auffassungen gelangt er aber zu der Ansicht, daß mit dem Hinweis auf das mangelnde Entscheidungsinteresse das Problem der Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche noch nicht ad acta gelegt werden könne. Vielmehr sei im Einzelfall zu fragen, warum das Inland an der Entscheidung nicht interessiert sei oder ob es nicht doch die Bereitschaft zur Beurteilung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche gebe. 37 Zuzugeben ist den dargestellten Ansichten, daß dem Interesse des Staates an der Beurteilung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte maßgebliche Bedeutung zukommt. Nur wenn der Staat ein Interesse an der Beurteilung und Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts hat, wird er seine Gerichte zur Verfügung stellen. Die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Interesses darf jedoch nicht anband allgemeiner Überlegung vorgenommen, sondern muß nonnativ nachgewiesen werden. 38 Diesen Nachweis bleiben die dargestellten Auffassungen jedoch weitgehend schuldig, womit sie letztlich Spekulationen Raum geben und die Frage der internationalen Zuständigkeit so nur in Ansätzen klären können. Allein das LG OfIenburg bemüht sich um eine normative Begründung. Insoweit ist ihm auch zuzustimmen, daß sich aus der Verfassung keine Anhaltspunkte für die Bereitstellung der inländischen Gerichtsbarkeit zur Durchset3.5

LG Offenburg IPRspr. 1960/61 Nr. 172 (S. 551).

Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (65 ff.); zustimmendSchurig S. 163. 37 Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (67), der infolge seiner weiteren UntersuchWlg zu 36

der AuffassWlg gelangt, daß die internationale Zuständigkeit wenigstens dann zu bejahen sei, wenn ein ausländischer Staat versuche Geld- oder geldwerte Ansprüche einzuklagen, die ihren Ursprung in einem Tätigwerden des betreffenden Staates auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge haben (S. 74). 38 Vgl. dazu im Hinblick aufprivatrechtliehe Streitigkeiten, Heldrich, S. 129.

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

zung ausländischen öffentlichen Rechts ergeben. Diese Feststellung allein besagt jedoch noch nichts über das "Interesse" des einfachen Gesetzgebers. Bedenklich sind dagegen insbesondere Hinweise auf politische Opportunitäten,39 die nicht dazu geeignet sind, die Voraussetzungen der internationalen Zuständigkeit objektiv zu bestimmen. 40 Ein alleiniges Abstellen auf das staatliche Interesse an einer Entscheidung über einen ausländischen öffentlichrechtlichen Anspruch fUhrt auch in jenen Fällen zu keinem überzeugenden Ergebnis, in denen ein deutscher Hoheitsträger selbst Anspruchsgegner ist. In solchen, bspw. im Hinblick auf grenzüberschreitende Sachverhalte denkbaren Konstellationen,41 erscheint, unter Beachtung des öffentlich-rechtlichen Charakters des Beklagten, die generelle Ablehnung eines eigenstaatlichen Interesses am Streitentscheid zumindest fraglich.

b) Prozessuale Waffengleichheif Von einem anderen Ansatz ausgehend, wird zur Begründung der Undurchsetzbarkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche auf den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit hingewiesen. 42 Könne sich ein fremder Staat hinter seiner völkerrechtlichen Immunität verschanzen, so er aus einem hoheitlichen Rechtsverhältnis im Inland verklagt werde, verdiene er im umgekehrten Fall keine Besserstellung durch die Gewährleistung innerstaatlichen Rechtsschutzes. Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit zwischen fremdem Staat und betroffenem Privatem gebiete es vielmehr, beide Fälle einheitlich zu behandeln und den inländischen Rechtsweg verschlossen zu halten. 43

39

Vgl. bspw. Schack, Rn. 511.

Vgl. ebenso Pfeiffer, S. 714 f; R%ff, S. 153 f1 Eine solche Konstellation kann z. B. entstehen, wenn zwei grenznahe Gebietskörperschaften eine grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit unter Herrschaft fremden öffentlichen Rechts vereinbaren, und sich aus dieser Vereinbarung eine Streitigkeit über eine Verpflichtung seitens des deutschen Vertragspartners entsteht. Zur grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit s. unten § 7 VI. 6. 42 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 67; Schack, Rn. 511; Vischer, IPRax 1991,209 (212); s. auch Wengier in: BGB-RGRK S. 124 f, der allerdings keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts sieht, "wo aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen zwischen einer Privatperson und einem öffentlich-rechtlichen Partner der in einem anderen Staat erstrebte Rechtsschutz sämtlichen Beteiligten in gleicher Weise zuteil werden kann" und der betroffene Staat insoweit auf seine Immunität verzichtet. (S. 125); s. auch Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, vor § 12 Rn. 96. 43 Vgl. Vischer, IPRax 1991,209 (212). 40

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ll. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

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Diese Auffassung ist in der neueren Literatur auf Kritik gestoßen. 44 Es wird darauf hingewiesen, daß Folge dieses Gleichheitssatzes sei, daß einem fremden Staat unter Umständen weniger Rechtsschutz zukommen könne als einem ausländischen Privaten. Wenn nämlich ein Gerichtsstaat über die hoheitlichen Handlungen (acta iure imperii) hinaus auch für privatrechtliche Tätigkeiten eines fremden Staates Immunität gewähre, so dürfte dieser Staat seine Gerichte auch für privatrechtliche Ansprüche fremder Staaten verschlossen halten und damit den fremden Staat schlechter behandeln als einen vergleichbaren Privaten. 45 Ein anderer Kritikansatz geht dahin, daß zum einen die Frage der Immunität einzelner Rechtsträger, wie selbständiger Staatsunternehmen, bislang noch nicht abschließend geklärt sei und daß zum anderen Komplementäransprüche, die an der Immunität des fremden Staates scheitern würden, nicht immer zu finden seien. 46 Schließlich findet sich die Auffassung, daß es sich bei der Klage eines fremden Staates gar nicht um ein Problem der "umgekehrten Staatenimmunität" handele, sondern darum, ob dieser Staat die Gerichte eines anderen Staates in Anspruch nehmen dürfe. 47 Inwieweit die dargestellte Kritik zutreffend ist, erscheint allerdings im Hinblick auf die Rechtslage fremder Staatsunternehmen und das Fehlen entsprechender Komplementäransprüche fraglich. Die Rechtslage ausländischer Staatsunternehmen muß, der neueren Lehre folgend, insoweit als geklärt angesehen werden, als diesen Rechtssubjekten Immunität zukommt, soweit sie hoheitlich handeln. 48 Was die Frage des Bestehens von Komplementäransprüchen angeht, so ist der dargestellten Auffassung entgegenzuhalten, daß sich der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit nicht allein auf den konkreten Komplementäranspruch, sondern auf alle aus einem Rechtsverhältnis entstehenden Rechte und Pflichten bezieht. Insoweit begründet die Immunität zugunsten eines Staates stets eine Ungleichbehandlung zu Lasten des beteiligten Privaten. Der maßgebliche Ansatz zur Kritik an der dargestellten Ansicht liegt im Wesen der Staatenimmuniät begründet.

Vgl. Donnann Bessenich, S. 30 ff.; Pfeiffer, S. 714 f.; R%ff, S. 141 fT. Donnann Bessenich, S. 31. 46 Vgl. R%ff, S. 142 tT., die zudem darauf hinweist, daß eine Ungleichbehandlung der Parteien im Prozeß auch nicht gegen Art. 3 Abs. I GG verstoße, da der Immunitätsgrundsatz einen sachlich gerechtfertigten Differenzierungsgrund darstelle (S. 145). 47 Geiger, GGuVöR, S. 341. 48 Siehe dazu oben § 2 ll. 1. c). 44

45

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

Der Immunitätsanspruch stellt ein aus der souveränen Gleichheit der Staaten folgendes, verzichtbares Abwehrrecht dar. Diesem Charakter als Abwehroder Schutzrecht widerspräche es, wenn daraus zugleich ein Verweigerungsrecht würde. 49 Würde der völkerrechtlich gewährte Schutz ausländischer Hoheitsträger e contrario zum Verlust der Durchsetzbarkeit materieller Rechte führen, wäre dies mit dem Sinn der Immunitätsgewährung nicht vereinbar. Zu bedenken ist zudem, daß ein Staat auf seine Immunität verzichten kann. so Dem fremden Staat (oder sonstigen Immunitätsträgern) kommt die Befugnis zu, über den Immunitätsanspruch selbst zu entscheiden. Der Immunitätsanspruch steht zu seiner eigenen Disposition und darf nicht über den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit teilweise in die Hände des Gerichtsstaates gelegt werden. Es wäre zudem nicht konsequent, dem fremden Staat zunächst die völkerrechtliche Möglichkeit des Immunitätsverzichts einzuräumen, für entsprechende Klagen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aber grundsätzlich zu verneinen. Unter Beachtung des Charakters der Staatenimmunität ist dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit genüge getan, wenn dieser auf den einzelnen Prozeß beschränkt wird und sich der mit der Klage verbundene Immunitätsverzicht auf den gesamten Prozeß (einschließlich konnexer Widerklagen) erstreckt. SI Verhält sich ein fremder Staat darüber hinaus rechtsmißbräuchlich, so kann dem schließlich unter Hinweis auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis begegnet werden.

c) Fehlen eines Justizanspruchs

Nach Ansicht Pfeiffers ist fremden Staaten die Verfolgung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Inland verwehrt, weil es insoweit (regel-

49 Vgl. dazu auch die Auffassung des OVG Münster NJW 1992,2043 (2043), nach der die diplomatische hnmunität einen ausländischen Diplomaten nicht daran hindert, selbst gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die ,,Regelung des § 18 GVG i. V. m. Art. 31 Abs. 1 WüD bezieht sich ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck aber alleine auf den Schutz des Diplomaten vor staatlichen Eingriffen seitens des Empfangsstaates. Der den Schutz der hnmuniät genießende Diplomat ist dagegen nicht gehindert als [... ] Kläger gerichtlichen Rechtsschutz vor den Gerichten des Empfangsstaates aktiv in Anspruch zu nehmen." Diese Auffassung wird vom BVerwG NJW 1996, 2744 (2744) und in der Literatur (vgl. PfeifJer, S. 715; Stern, VwPrR, Rn. 12; Wolfin: MtlKo[ZPO] § 18 GVG Rn. 10) geteilt. so Zum hnmunitätsverzicht vgl. oben § 2 11. 5. SI Vgl. zur Zulässigkeit konnexer Widerklagen Seidl-Hohenve1dern Rn. 1467; Schack, Rn. 163; ausfilhrlich Damian S. 45 ff.; weitergehend Geimer, Rn. 635 ff.

II. BestimmWlg der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

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mäßig) an einem die internationale Zuständigkeit begründenden allgemeinen Justizanspruch fehle. 52 Pfeiffer geht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit, anders als die überwiegende Ansicht, nicht von der Bindung an die Regeln über die örtliche Zuständigkeit aus, sondern folgert die internationale Zuständigkeit aus dem allgemeinen Justizanspruch. 53 Dieser Justizanspruch finde, soweit es um die Eröffnung des Rechtsweges gehe, seine materielle Grundlage in den materiellen Freiheitsgrundrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.54 Da fremde Staaten aber prinzipiell keine Grundrechtsträger sein könnten, stünde ihnen auch der verfassungsrechtliche Justizanspruch nicht zu. Ließen sich auch keine sonstigen Grundlagen (einfachgesetzlich oder staatsvertraglich) feststellen, infolge derer sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen lasse, sei diese für Klagen fremder Staaten ausgeschlossen. 55 Insoweit, so Pfeiffer, sei auch der Hinweis auf die Möglichkeit des ausländischen Staates, sich hinter seiner Souveränität zu verstecken, richtig, da damit der Zweck des Justizanspruchs, Freiheit und Gleichheit zu verwirklichen, zum Scheitern verurteilt sei. Etwas anderes ergebe sich nur, wenn der fremde Staat "privatrechtlich" handele. Auch insoweit stünde ihm der allgemeine Justizanspruch zwar nicht zu, es entspreche aber einer systematisch-wertenden Betrachtung, ihn im Prozeßrecht wie einen Privaten zu behandeln. 56 Wenngleich der Auffassung Pfeiffers in Teilen zuzustimmen ist, so bleibt ihre Aussagekraft im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Beurteilung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche begrenzt. Richtig ist zwar, daß fremden Staaten hinsichtlich ihres hoheitlichen Handelns weder Grundrechtsschutz57 noch der allgemeine (verfassungsrechtliche) Justizgewährleistungsanspruch zukommt. Dies beantwortet, wie Pfeiffer selbst einräumt, aber noch nicht die Frage, ob sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht aus anderen Gesichtspunkten ergibt, ob also gegebenenfalls der einfache Gesetzgeber über die Gewährleistungen der Verfassung

52

Pfeiffer, S. 719.

53 Vgl. Pfeiffer, S. 335 tT. Der von PfeitTer verwendete Tenninus "Justizanspruch"

entspricht weitgehend dem allgemeinen BegritT des Justizgewährleistungsanspruchs. Vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 64; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 16 tT. 54 Pfeiffer, S. 716. 55 Pfeiffer, S. 717. 56 Pfeiffer, S. 718 f 57 Vgl. dazu ausfilhrlich Wlten § 7 m.

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hinaus fremden Staaten den Zugang zu den inländischen Gerichten ermöglicht. Wenn und soweit PfeifIer für das Zivilrecht eine systematisch-wertende Betrachtung vornimmt, muß man gleiche Argumentationsmöglichkeiten auch im Hinblick auf das öffentliche Recht überprüfen. Insoweit ist es allerdings ein Vorzug der Ansicht PfeifIers, daß gefragt werden muß, warum die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht, anstatt warum nicht. d) Fehlen kollisionsrechtlicher Regelungen

Eine weitere Auffassung sieht den Grund fiir die Nichtdurchsetzbarkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche in dem Fehlen öffentlichrechtlicher Kollisionsnormen. 58 Bei allen internationalen Sachverhalten müsse der Richter prüfen, welches Recht er seiner Entscheidung zugrundezulegen habe. Diese Frage würde im Zivilrecht durch die zweiseitigen Kollisionsnormen des IPR geregelt, das je nach Sachlage auf das Recht des einen oder anderen Staates verweise. Ein solches dem IPR vergleichbares Kollisionsrecht bestehe im öffentlichen Recht nicht. In Rechtsbeziehungen zwischen Hoheitsträger und Gewaltunterworfenem wende der Staat grundsätzlich nur sein eigenes öffentliches Recht an. Dies sei Folge des Grundsatzes der Einseitigkeit des öffentlichen Rechts. Insoweit weist Vogel im Rahmen seiner Untersuchung zum räumlichen Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnormen darauf hin, daß die anerkannte Lehre, wonach Ansprüche, die aus dem öffentlichen Recht eines Staates fließen, vor den Gerichten eines anderen Staates nicht durchgesetzt werden können, als eine Folgerung aus diesem Gedanken der ,Einseitigkeit' [öffentlich-rechtlicher Kollisionsnormen] angesehen werden müsse. 59 Der Hinweis auf das Fehlen öffentlich-rechtlicher Kollisionsregelungen ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Frank wendet ein, daß die Lehre von der Einseitigkeit des deutschen Internationalen Verwaltungsrechts im Zusammenhang mit der Frage nach dem Anwendungsbereich eigenen öffentlichen Rechts entwickelt worden sei. 60 Demgemäß könne die darin zum Ausdruck kommende, mangelnde Verweisung auf fremdes öffentliches Recht auch nur Fälle betreffen, in denen die inländische Verwaltung, nicht aber das Ausland tätig geworden sei. Das deutsche Internationale Verwaltungsrecht bestimme, anders ausgedrückt, nur die Grenznormen für die deutsche Verwaltung, es äußere Vgl. Vogel, S. 195 f; s. auch Heiz, S. 107 f1; vgl. dazu Donnann Bessenich, S. 70. Vogel, S. 195 f. 60 Frank, RabelsZ 34 (1970),56 (61). 58

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11. Bestimrnoog der internationalen Zuständigkeit im VerwaltWlgsprozeß

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sich aber in keiner Weise zu der Frage, welches Recht ein deutsches Gericht anzuwenden habe, das nicht mit dem behördlichen Handeln der eigenen, sondern dem einer fremden Verwaltung befaßt sei. Da sich das Handeln jeder öffentlichen Verwaltung nur nach den eigenen Normen richte, könne auch ausländisches Verwaltungshandeln nur nach dem Recht des betreffenden Staates beurteilt werden. Nach dieser Ansicht bedürfte es daher keiner Kollisionsnorm, da das anwendbare Recht bereits aufgrund des Sachverhaltsbezuges feststünde, womit aber auch die Frage, ob ausländische öffentlich-rechtliche Ansprüche im Inland durchgesetzt werden können, nicht unter Hinweis auf ein fehlendes Kollisionsrecht zu beantworten sei. 61 Der dargestellten Kritik ist zuzugeben, daß das Fehlen kollisionsrechtlicher Regelungen tatsächlich wenig Bedeutung besäße, wenn diesen lediglich die Aufgabe zukäme, zwischen zwei (oder mehreren) anwendbaren Rechtsordnungen die in concreto maßgebliche herauszufinden. Der Kern der Überlegung liegt jedoch nicht primär in der Auswahl verschiedener Rechtsordnungen, sondern in der Suche nach dem anwendbaren Recht. Nur soweit das fragliche Recht überhaupt anwendbar ist, kann es tatsächlich rechtliche Wirkungen entfalten. e) Die Maßgeblichkeit des anwendbaren Rechts

Voraussetzung rur die Anwendung jedweden Rechts durch staatliche Organe ist das Vorliegen eines Rechtssatzes, der die Anwendung dieses Rechts befiehlt. 62 Während innerstaatliche Rechtsnormen diesen Rechtsanwendungsbefehl in sich selbst tragen, vermag es ausländisches (öffentliches) Recht von sich aus nicht, inländischen Hoheitsträgern seine Anwendung zu befehlen. 63 Die Anwendung fremden Rechts bedarf vielmehr eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls, der sowohl im geschriebenen wie ungeschriebenen Recht enthalten sein kann. In der Notwendigkeit eines solchen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls liegt auch der Ansatz zu einer zutreffenden Behandlung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche. Nur soweit den inländischen Gerichten die Vgl. auch Roloff, S. 152. Vgl. Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 37; s. auch Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (120 f.); LukeslDehmerlWendling, GewAreh 1986, 1 (1); zur Anwendbarkeit fremden Rechts s. ooten § 711. (Völkerrecht), § 7 V. (EG-Recht) ood § 7 VI. (ausländisches öffentliches Recht). 63 Vgl. Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 37; s. auch Ho.IJmann, in: v. MÜDch, BesVerwR, S. 863. 61

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Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts befohlen ist, kann die Beurteilung entsprechender Ansprüche Gegenstand einer inländischen Sachentscheidung sein. Fehlt ein Rechtsanwendungsbefehl, kommt eine Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche nicht in Betracht. Im Falle privatrechtlicher Streitigkeiten richtet sich die Frage des von inländischen Gerichten anwendbaren Rechts nach den Grundsätzen des IPR, insbesondere den kodifizierten Regelungen des EGBGB. Den internationalprivatrechtlichen Kollisionsnonnen kommt insoweit nämlich nicht nur die Aufgabe zu, zwischen verschiedenen Rechtsordnungen auszuwählen, sondern vielmehr das anwendbare Recht zu bestimmen. 64 In diesem Sinn wird das IPR zu einem "Rechtsanwendungsrecht", dem die Aufgabe zugewiesen wird, "dem zur Entscheidung über einen international privatrechtlichen Sachverhalt berufenen Richter zu sagen, welcher nationalen Rechtsordnung er seine Entscheidungsgrundlage entnehmen soll. ,,65 Ein solches dem IPR vergleichbares Kollisionsrecht, das die Anwendung ausländischen Rechts bestimmt, besteht im öffentlichen Recht nicht. Wie später noch zu zeigen sein wird, kommt die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. 66 Es findet sich insbesondere im deutschen Recht keine Nonn, die die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts zur Durchsetzung hoheitlicher Ansprüche fremder Staaten ausdrücklich befiehlt. Der Hinweis auf ein fehlendes öffentliches Kollisionsrecht zur Begründung der Nichtdurchsetzbarkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche ist daher insoweit berechtigt, als mit dem Fehlen kollisionsrechtlicher Regelungen zugleich auch keine Grundlage fiir die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts besteht. Selbst wenn sich das maßgebliche Recht also, wie teilweise behauptet, bereits aus dem Sachzusammenhang ergäbe,67 fehlte es insoweit noch immer an einem notwendigen Rechtsanwendungsbefehl. Machte bspw. ein ausländischer Staat im Inland einen Anspruch gegen einen ausländischen Beamten aus dem zugrundeliegenden Beamtenverhältnis geltend, würde, soweit man der Auffassung folgt, daß sich aufgrund des Sach64 Vgl. Heldrich, in: Palandt, EGBGB Art. 3 Rn. 2 fI; Waitz von Eschen, BayVBI. 1991,321 (322); zweifelhaft insoweit die Ausfilhrungen von Roloff(S. 162), wonach in einem Zivilprozeß ausländisches Recht auch angewendet werden dürfe, wenn das deutsche Recht keinen Rechtsanwendungsbefehl enthalte. Zum Begriff der Kollisionsnorm s. Kropholler, S. 88 f. 65 Eichenhofer, in: FS Jahr, S. 435. 66 Siehe dazu unten § 7 VI. 67 So Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (61); Roloff, S. 152.

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zusammenhangs die Regelung dieses Rechtsverhältnisses nach dem ausländischen öffentlichen Recht richtet,68 die Durchsetzung eines solchen Anspruchs dennoch am Fehlen eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls scheitern. Entscheidend fiir die Frage der Durchsetzbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts ist damit das Vorliegen eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls. Die Auffassung, daß das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsanwendungsbefehls fiir die Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Inland maßgeblich ist, hat in der neueren Lehre vermehrte Zustimmung gefunden. 69 So sieht Roloff den ..wahren" Grund fiir die Nichtdurchsetzbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verfassungsrecht. 70 Aus dem grundgesetzlichen Gebot vom Vorbehalt des Gesetzes, wonach jeder staatliche Eingriff in die Rechte eines einzelnen einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, folge, daß fiir die inländische Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts durch deutsche Hoheitsträger eine (inländische) Rechtsgrundlage erforderlich sei. Das Fehlen einer solchen Rechtsgrundlage bedeute, daß eine Durchsetzbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts abzulehnen sei. Fraglich ist allerdings, welche prozessualen Folgerungen aus der Notwendigkeit eines Rechtsanwendungsbefehls zu ziehen sind. Zunächst betrifft die Frage des Rechtsanwendungsbefehls nämlich primär das materielle Recht. Auf dieser Ebene ist zu klären, welches Recht im konkreten Fall anzuwenden bzw. nach welcher Rechtsordnung der vorliegende Sachverhalt zu beurteilen ist. Es wäre demzufolge denkbar, die Frage der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts erst im Rahmen der Klage- oder Prozeßfiihrungsbefugnis zu stellen. Anders als das IZPR, das aufgrund der umfassenden materiellrechtlichen Regelungen des IPR sämtliche Rechtsstreitigkeiten nach dem Recht des einen oder anderen Staates zu einer Entscheidung zu bringen vermag,71 ist im Hinblick auf das weitgehende Fehlen öffentlich-rechtlicher Rechtsanwendungsbefehle zugunsten ausländischen öffentlichen Rechts zu überlegen, ob sich dar-

68 Vgl. Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (61); zweifelhaft ist insoweit allerdings, ob die von Frank und Roloff (S. 152) vorgenommene Bestimmung des einschlägigen Rechts nach Maßgabe des Sachzusammenhangs nicht ihrerseits selbst eine ungeschriebene Kollisionsregel darstellen WÜrde. 69 Vgl. Eichenhofer, Rn. 639; Donnann Bessenich, S. 70; Roloff, S. 161 ff. 70 Roloff, S. 161 ff. 71 Vgl. dazu Heldrich, S. 57 ff.

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aus bereits Konsequenzen für die Zuständigkeit inländischer (Verwaltungs-) Gerichte ergeben. Von dem Grundsatz der Nichtanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts ausgehend, ist Eichenhofer der Auffassung, daß die internationale Zuständigkeit inländischer Sozial- und Verwaltungsgerichte von dem auf das Begehren des Klägers anwendbaren Recht abhänge. 72 Sei das Begehren nach ausländischem öffentlichen Recht zu messen, so fehle die internationale Zuständigkeit. Diesem Ansatz, der sich an die im IZPR entwickelte "Gleichlauftheorie"73 anlehnt, ist dahingehend zuzustimmen, als er die Problematik der internationalen Zuständigkeit, wie gezeigt, mit der Frage nach dem anwendbaren Recht verknüpft und danach einem fremden Staat oder einer sonstigen juristischen Person des ausländischen öffentlichen Rechts der Zugang zu den deutschen Gerichten in jenen Fällen zu verweigern ist, in denen der geltend gemachte Anspruch auf einem Recht beruht, das von den inländischen Gerichten mangels Rechtsanwendungsbefehl nicht angewendet werden kann. Bedenken bestehen allerdings insoweit, als die Frage der internationalen Zuständigkeit unmittelbar von Rechtswegüberlegungen abhängig gemacht wird. Eine solche Sichtweise wird zum einen der Rechtswegunabhängigkeit der internationalen Zuständigkeit nicht gerecht, zum anderen bleibt die genannte Auffassung eine Erklärung schuldig, warum in Fällen der Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche die internationale Zuständigkeit und nicht die sachnähere Rechtswegzuweisung an die Sozial- (§ 51 SGG) oder die Verwaltungsgerichte (§ 40 VwGO) entfällt. Eine zutreffende Bestimmung der internationalen Zuständigkeit erfolgt dagegen, wenn man diese Frage alleine von der Anwendbarkeit des streitentscheidenden Rechts abhängig macht. Wie oben dargestellt, beantwortet die internationale Zuständigkeit die Frage, ob der Staat von der ihm zustehenden Gerichtsgewalt in Fällen, die einen Auslandsbezug aufweisen, Gebrauch gemacht hat. Die Entscheidung darüber obliegt in weitem Umfang dem nationalen Gesetzgeber. Es ist insoweit zu Recht darauf hingewiesen worden, daß es maßgeblich darauf ankommt, ob der

Eichenhofer, Rn. 639. Nach der sog. positiven Gleichlauftheorie hängt die internationale Zuständigkeit vom materiellen Recht ab. Sie ist im deutschen Recht in Nachlaßsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt. Aufgrund der schwierigen kollisionsrechtlichen Vorfragen, die bei der Anwendung dieser Theorie in internationalprivatrechtlichen Streitigkeiten entstehen, hat sich diese Auffassung aber im deutschen Rechtskreis nicht weiter durchsetzen körmen. Vgl. Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 63; s. auch Kropho/ler, Rn. 524 f.; besonders kritischPatzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 108. 72

73

11. BestimmWlg der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

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Gesetzgeber ein Interesse an der Beurteilung entsprechender Sachverhalte hat. Dieses Interesse muß aber, wie oben dargestellt, 74 normativ nachgewiesen werden. Dieser Nachweis gelingt, wenn man die Frage der internationalen Zuständigkeit an die materielle Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts anknüpft. Hat sich der nationale Gesetzgeber dazu entschieden, ausländisches öffentliches Rechtfür innerstaatlich anwendbar zu erklären, kommt darin zugleich zum Ausdruck, daß er zur Durchsetzung entsprechender Ansprüche seine Gerichte zur Verfiigung stellen will. Fehlt es, wie in der Regel, aber an entsprechenden Rechtsanwendungsbefehlen, manifestiert sich darin zugleich das fehlende Interesse an der Bereitstellung innerstaatlicher Gerichtsbarkeit. Die deutschen Gerichte sind international nicht zuständig. Eine solche Parallelitäe s von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit unterscheidet sich von den zivilprozessualen Gleichlauftheorien dadurch, daß sie nicht fest an ein bestimmtes anwendbares Recht anknüpft, sondern aufgrund der Besonderheiten des öffentlichen Rechts (insbesondere des Internationalen Verwaltungsrechts) die internationale Zuständigkeit von den jeweils geltenden inländischen Regelungen über die Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts abhängig macht. Einer solchen Anbindung der internationalen Zuständigkeit an die Frage des anwendbaren Rechts kommt nicht nur der Vorteil zu, daß damit eine normative Begründung der weitgehenden Verweigerung der Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Inland gelingt, sie wird vielmehr darüber hinaus den unterschiedlichen Konstellationen der Geltendmachung ausländischen öffentlichen Rechts am besten gerecht. So liegt es bspw. auf der Hand, daß ausländische Steueransprüche prozeßrechlich anders beurteilt werden müssen als (öffentlich-rechtliche) Streitigkeiten in Fällen grenzüberschreitender interkommunaler Zusammenarbeit. Handelt es sich bei ersteren um den Versuch, fremdstaatliches Hoheitsrecht im Inland durchzusetzen, betreffen letztere ein Rechtsverhältnis, das durch Gleichordnung der Beteiligten bestimmt ist und in dem ausländisches öffentliches Recht infolge konsensualer Bestimmung Anwendung findet. 76 Mit Anbindung der internationalen Zuständigkeit an das anwendbare Recht wird es möglich derartigen Unterschieden bereits im Hinblick auf die Frage der Bereitstellung inländischer Gerichtsbarkeit gerecht zu werden. Die Parallelität von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht ermöglicht in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zudem eine gesicherte AbVgl. oben § 3 11. 4. a). Vgl. zur Parallelität der Anknüpfimg von internationaler Zuständigkeit Wld anwendbarem Recht im IZPR Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 65; Kropholler, S. 520 tI. 76 Vgl. dazu ausftlhrlich Wlten § 7 VI. 6. c). 74

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

grenzungsgrundlage, inwieweit deutsche Gerichte zuständig sind oder sich einer Entscheidung zu enthalten haben. Dieser Vorteil wird deutlich, wenn man sich den Fall der Geltendmachung ausländischer Steueranspriiche näher ansieht. Nach herkömmlicher Auffassung fehlt es am Interesse des deutschen Staates, in derartigen Streitigkeiten seine Gerichte zur Verfügung zu stellen. Dies ist im Ergebnis zwar richtig, eine solche Argumentation allein stößt allerdings auf Schwierigkeiten, wenn sich die Bundesrepublik wie bspw. gegenüber Österreich verpflichtet, in Zollund Verbrauchssteuerangelegenheiten Rechtshilfe zu leisten. 77 In solchen Fällen zeigt sich gerade ein Interesse an der Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts. Wenngleich man insoweit auf die Besonderheiten des Rechtshilfeverfahrens gegenüber der Bereitstellung staatlicher Gerichtsbarkeit hinweisen könnte, ergibt sich eine überzeugende Erklärung der Verweigerung inländischer Gerichtsbarkeit nur, wenn man auf das Fehlen eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls abstellt und infolge dessen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ablehnt. Anders als die bisherigen Auffassungen ist die Anbindung der internationalen Zuständigkeit an das anwendbare Recht zudem offen für eine de lege ferenda denkbare Entwicklung weitergehender kollisionsrechtlicher Regelungen oder einseitiger Rechtsanwendungsnormen auch im öffentlichen Recht. 78 Die hier vorgeschlagene Parallelität von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht wird auch durch die Regelungen der VwGO gestützt. Anders als im Zivilprozeßrecht, wo die ganz herrschende Meinung davon ausgeht, daß die Regelungen der §§ 12 ff. ZPO über den Gerichtsstand mittelbar durch eine stillschweigende Verweisung auch die internationale Zuständigkeit bestimmten, kann gleiches im Hinblick auf die Regelung des § 52 VwGO nicht angenommen werden. Der nationale Gesetzgeber hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit und mit ihr die Vorschriften der VwGO wesentlich zur Kontrolle inländischen Verwaltungshandelns geschaffen. 79 Es wäre demnach, anders als im Zivilprozeß, nicht ohne weiteres zutreffend, in den Normen über die örtliche Zuständigkeit der deutschen Verwaltungsgerichte auch mittelbare Regelungen über die internationale Zuständigkeit zu sehen. Anders als teilweise vertreten,80 macht es daher, zumindest im Hinblick auf § 52 Vgl BGBl. 1971 TI S. 1001; allg. zur Rechts- und Amtshilfe s. 8 TI. 4., rn. Zur Entwicklung eines Gesetzes, das die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts zur Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruche im Inland befiehlt, vgl. Roloff, S. 182. 79 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 70; s. auch RandelzhoJer, in: FS Schlochauer, S. 533. 80 Vgl. BSGE 54, 250 (254) im Hinblick auf § 51 SGG. 77 78

ll. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

97

VwGO, sehr wohl einen Unterschied, ob die innerstaatliche Regelung über die örtliche Zuständigkeit der ZPO oder der VwGO entnommen wird. In Verfahren um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ist es infolgedessen möglich, daß die internationale Zuständigkeit auch dann fehlt, wenn ein inländischer Gerichtsstand des Beklagten gegeben ist. 81 Aufgrund der Besonderheit des Verwaltungsprozeßrechts kommt auch keine entsprechende Anwendung der privatrechtlichen Regelungen über die internationale Zuständigkeit aufgrund der Regelung des § 173 VwGO in Betracht. 82

j) Qualifikation

Die hier vorgeschlagene Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an das anwendbare Recht hat auch Folgen für die bislang offen gelassene Frage der QualifIkation ausländischer Ansprüche als öffentlich- oder privatrechtlich. Die Qualifikation fremdstaatlicher Ansprüche ist bis heute Gegenstand einer kontroversen Auseinandersetzung. Im wesentlichen werden dazu zwei Ansätze vertreten. 83 Ein Teil der Lehre hält das Völkerrecht für die maßgebliche Qualifikationsordnung. 84 Nach Ansicht Manns komme es darauf an, ob im Sinne des Völkerrechts der Sache nach der Klageanspruch seine Grundlage in Bestimmungen habe, die auf der Hoheitsgewalt des klagenden Staates beruhten, die den Beklagten mit hoheitlich begründeten Lasten beschwerten und deren Verfolgung die Hoheitsgewalt des Gerichtsstaates zu verletzen geeignet seien. 85 Vorbild einer solchen Einordnung sei die im Zusammenhang mit der staatlichen Immunität bekannte Unterscheidung von acta iure imperii und acta iure gestionis, soweit man diese nach völkerrechtlichen Grundsätzen vornehme. 86 A. A. demgegenüber Mann, in: FS Kegel, S. 368. So auch Ehlers, in: SchochlSchrnidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 70. 83 Eine QualifIkation nach der lex causae wird heute nicht mehr diskutiert, vgl. Mann, in: FS Kegel, S. 374; Roloff, S. 132; s. aber auch AG Münster IPRspr. 1994 Nr.146. 84 Vgl. Mann, in: FS Kegel, S. 374 f; ähnlich Vischer, IPRax 1991, 209 (212 f); vgl. auch Pfeiffer, S. 717 Fußn. 77, der die Abgrenzung von hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln entsprechend der Abgrenzung von acta iure imperii und acta iure gestionis vornimmt, um insoweit nachzuweisen, daß ausländischen Staaten kein, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründender, grundrechtlicher Justizanspruch zukommt. Zu dieser Auffassung s. oben § 3 ll. 4. c). 85 Vgl. Mann, in: FS Kegel, S. 374 f 86 Vgl. zum Streit um die QualifIkation staatlichen Handelns im Recht der Staatenimmunität oben § 2 ll. 1. a) bb). 81

82

7 Feldmüller

§ 3 Internationale Zuständigkeit

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Inwieweit einer solchen Auffassung zugestimmt werden kann, erscheint fraglich. Die Ansicht, wonach die Qualifikation fremdstaatlicher Anspruche nach den Grundsätzen des Völkerrechts zu erfolgen hat, griindet wesentlich auf der Prämisse, daß die Geltendmachung ausländischen öffentlichen Rechts völkerrechtlich unzulässig sei. Insoweit ist es zwar folgerichtig, die Qualifikation nach den Regeln des Völkerrechts vorzunehmen, es ist aber zu berucksichtigen, daß es sich bei der Frage der Geltendmachung ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruche nicht um ein Problem des Völkerrechts handelt. Die Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen vor deutschen Gerichten richtet sich vielmehr nach den Grundsätzen des nationalen Rechts. Dementsprechend ist auch die Abgrenzung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Anspruche nach nationalem Recht vorzunehmen. Infolge dieser Erkenntnis hat sich in der deutschen Rechtsprechung87 und Lehre88 die Auffassung durchgesetzt, daß sich die Qualifikation nach der lex fori und damit nach deutschem Recht richtet. Dabei ist allerdings zu beachten, daß keine deckungsgleiche Übertragung deutscher Ordnungsvorstellungen auf fremdstaatliche Anspruche erfolgen kann. Die Einordnung innerstaatlicher Sachverhalte als öffentlich-rechtlich muß nicht dazu fiihren, daß ausländische Rechtsverhältnisse, die inhaltlich den gleichen Sachzusammenhang betreffen, ebenfalls als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind. 89 Ist auf der einen Seite bspw. das Rentensystem in einem fremden Staat auf Basis einer privatautonomen Gleichordnung organisiert, wäre es verfehlt, entsprechende Anspruche als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, weil sie gegebenenfalls im Inland einen öffentlich-rechtlichen Charakter aufweisen. Ist auf der anderen Seite eine nach deutschem Recht dem Privatrecht zuzuordnende Handlung im Ausland mit der Vornahme hoheitlicher Maßnahmen verbunden, so wäre es ebenfalls unzutreffend, aufgrund dessen die Durchsetzung ausländischen Hoheitsrechts im Inland zuzulassen.

Vgl. BSGE 64, 250 (255 f.); OLG Hamm RIW 1994, 513 (514). Vgl. Schumann, in: SteinlJonas, (20. Aufl.) Einl. XVD Rn. 737; Sonnenberger, in: MüKo (ZPO), Einl. IPR Rn. 260; s. m. w. N. Frank, RabelsZ 34 (1970), 56 (73, Fußn. 67); vgl. auch Ehlers, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 66; i. E wohl als Zirkel schluß erweist sich dagegen die QualifIkation bei R%ff, S. 161, wo die QualifIkation als öffentlich-rechtlich von der Notwendigkeit einer inländischen Ermächtigungsgrundlage abhängig gemacht wird, welche ihrerseits wiederum erforderlich ist, wenn ein nicht privatrechtlicher Anspruch durchgesetzt werden soll. 89 Zweifelhaft insoweit die Argumentation (nicht das Ergebnis) in BSGE 54, 250 (256), worin ein niederländischer Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht geleisteter Arbeitslosenunterstützung als hoheitlich qualifIziert wird, weil ein entsprechendes Rechtsverhältnis nach den Vorschriften des SGB X in der Bundesrepublik öffentlichrechtlich geregelt sei. Vgl. dazu auch Mann, in: FS Kegel, S. 374; i. E. a. A. (ohne Begründung) Geimer, Rn. 1974. 87 88

ll. Bestinunung der internationalen Zuständigkeit im Verwaltungsprozeß

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Die Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs muß also in der Weise erfolgen, daß das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, wie es sich tatsächlich darstellt, nach Maßgabe des deutschen Rechts beurteilt wird. 90 Grundlage dieser Qualifikation sind die Abgrenzungen, wie sie im nationalen Kollisions- bzw. Rechtsanwendungsrecht entwickelt worden sind.

5. Internationale Zuständigkeit und deutscbes öffentlicbes Recbt Keine besonderen Probleme bereitet die Frage der internationalen Zuständigkeit, wenn deutsches öffentliches Recht Anwendung findet. 91 In diesem Fall ist die internationale Zuständigkeit inländischer Gerichte aufgrund der Maßgeblichkeit des inländischen öffentlichen Rechts stets gegeben92 Dies gilt in erster Linie in jenen Fällen, in denen hoheitliches Handeln inländischer Verwaltungsträger den Gegenstand des Verfahrens bildet. Insbesondere die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit ist gerade zur Disziplinierung dieser Träger nationaler Staatsgewalt (sowie sonstiger Subjekte des öffentlichen Rechts) geschaffen worden. 93 Ist deutsches Verwaltungsrecht anwendbar, kommt es daher (regelmäßig) nicht darauf an, ob ein In- oder Auslandssachverhalt vorliegt bzw. ein in- oder ausländisches Rechtssubjekt betroffen ist. Auch die viel diskutierte Frage, ob ein ausländischer Kläger vom Ausland aus gegen eine inländische Genehmigung oder sonstiges Verwaltungshandeln vorgehen kann, ist kein Problem der internationalen Zuständigkeit, sondern berührt allenfalls die Klagebefugnis dieses Rechtssubjekts. 94 90 Bedenklich insoweit allerdings die Entscheidung des LG Hamburg IRPspr. 1977 Nr. 115, worin ein nach deutschem und fremdstaatlichem Recht öffentlich-rechtlicher Anspruch aufgrund seiner materiellrechtlichen ,,Natur" als zivilrechtlicher Streitgegenstand qualifIziert wird. 91 Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 72; s. auch Geimer, Rn. 1979. 92 Eine Ausnahme wäre nur in dem (sehr) theoretischen Fall denkbar, in dem fremdstaatliche Rechtssubjekte deutsches öffentliches Rechts kraft eigener Entscheidung zur Grundlage ihres Handelns machten. (Vgl. Grof, Grundfragen, S. 322.) In einem solchen Fall wäre die internationale Zuständigkeit, bei richtigem Verständnis des deutschen NerwR, dann wohl regelmäßig mangels Rechtsanwendungsbefehl zu verneinen. 93 Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 70. 94 Vgl. dazu ausführlich § 7 N. 1. Ebenfalls keine Probleme der internationalen Zuständigkeit bestehen, weIll1 ein deutscher Verwaltungsträger ein ausländisches Rechtssubjekt zu einer Leistung im Ausland verklagt. Soweit ein hinreichender Anknüpfungspunkt zum Inland vorliegt (s. dazu oben § 3 II. 4.), sind inländische Gerichte aufgrund der Maßgeblichkeit des deutschen öffentlichen Rechts international zustän-

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

Aus dem Grundsatz, daß deutsche Gerichte immer dann international zuständig sind, wenn deutsches öffentliches Recht anwendbar ist, folgt zugleich, daß deutsche Gerichte, von völkervertraglichen oder europarechtlichen Sonderregelungen abgesehen,95 in allen Streitigkeiten zur Entscheidung berufen sind, in denen ein deutscher Hoheitsträger in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig wird. 96 Würde bspw. eine deutsche Behörde im Inland einen ausländischen Steueranspruch, also ausländisches öffentliches Recht, durchsetzen, so wären deutsche Gerichte zur Überprüfung dieses Verhaltens in jedem Fall zuständig, unabhängig davon, ob das ausländische Steuerrecht im Inland anwendbar ist oder nicht. Eine solche Sichtweise folgt nicht nur aus Art. 19 Abs. 4 GG, wonach jedem97 der Rechtsweg offen steht, der durch die (inländische98 ) öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr wird bei zutreffender Sichtweise deutlich, daß auch in derartigen Fällen der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts durch deutsche Behörden das nationale öffentliche Recht die rur den Streitentscheid maßgebliche Rechtsordnung darstellt. Wendet nämlich ein deutscher Hoheitsträger fremdes Recht an, so bedarf es, wie oben dargestellt, stets eines inländischen Rechtsanwendungsbefehls. Setzt er solches Recht (bspw. im Wege der Amtshilfe) lediglich durch, bedarf es einer inländischen Rechtsgrundlage. In jedem Fall bildet das deutsche öffentliche Recht die Grundlage des staatlichen HandeIns.

6. Zusammenfassung

Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ist grundsätzlich unabhängig vom Rechtsweg. Vorrangig zu prüfen sind völkerrechtliche Übereinkommen und ausdrückliche gesetzliche Regelungen. Sind solche nicht vorhanden, hängt die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit von der Art der zugrundeliegenden Streitigkeit ab. Ist diese privatrechtlicher Natur, sind dig. Zur Frage des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit s. oben § 2 I. Zur Frage der VerurteilWlg zu einer LeistWlg im Ausland vgl. auch Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 71; im Ansatz, weil auf die Regeln über die örtliche Zuständigkeit abstellend, zweifelhaft OVG Schleswig NJW 1991, 119 (119 f.). 9S Dazu sogleich § 3 m. 96 Vgl. i. E. auch Kopp, § 1 Rn. 28; zum EG-Recht s. Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 48; ders., in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 55; EyermannlFröhler, Anh. § 40 Rn. 15. 97 Zum personalen Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Wlten § 7 m. 2. b). 98 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, EinleitWlg Rn. 6 ff.

rn. Die Zuständigkeit internationaler und supranationaler Gerichte

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deutsche Gerichte international zuständig, wenn sie örtlich zuständig sind (Doppelfunktionstheorie). Liegt dagegen eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, kommt es maßgeblich auf die Anwendbarkeit des zugrundeliegenden Rechts an. Macht der Kläger einen Anspruch aus ausländischem öffentlichen Recht geltend, sind deutsche Gerichte international nur zuständig, wenn (ausnahmsweise) ein entsprechender inländischer Rechtsanwendungsbefehl vorliegt. Bestimmt deutsches öffentliches Recht den Streitgegenstand oder ist ein hoheitliches Handeln eines Trägers deutscher öffentlicher Gewalt Gegenstand des Verfahrens, sind inländische Gerichte, vorbehaltlich völker- und europarechtlicher Regelungen, stets international zuständig.

111. Die Zuständigkeit internationaler und supranationaler Gerichte Soweit zuvor festgestellt wurde, daß deutsche Gerichte international zuständig sind, wenn das maßgebliche Recht im Inland anwendbar ist bzw. das Handeln eines deutschen Hoheitsträgers überprüft werden soll, stellt sich die Frage, inwieweit die gerichtliche Prüfungskompetenz in jenen Fällen besteht, die einen Bezug zum Recht der europäischen Gemeinschaft oder sonstigen supranationalen Organisationen bzw. zum Völker- und Völkervertragsrecht aufweisen. In diesem Zusammenhang ist allerdings, anders als im Hinblick auf die Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts, nicht so sehr die Frage der Anwendbarkeit des fremden Rechts (Völker- und Europarechts) maßgeblich, sondern die Frage, inwieweit die Entscheidung über den streitigen Sachverhalt anderen Gerichten als den inländischen zugewiesen ist. Klagte bspw. ein fremder Staat vor einem inländischen Gericht gegen eine deutsche Behörde wegen Verstoßes gegen geltendes Europa- oder Völkerrecht, so stünde aufgrund der Regelungen des Art. 23 Abs. I GG (früher Art. 24 GG) und Art. 25 GG (bzw. Art. 59 GG) nicht primär die Frage der Anwendbarkeit dieser Rechtsordnungen im Vordergrund. Es wäre vielmehr zu fragen, ob insoweit deutsche Gerichte von ihrer - an sich gegebenen - internationalen Zuständigkeit) Gebrauch machen könnten oder aber ob nicht der EuGH bzw. IGH aufgrund besonderer Regelungen in der Art abdrängender Sonderzuweisungen zuständig wären.

I Zu den Besonderheiten EG-eigener Rechtsakte im Hinblick auf die deutsche Gerichtsbarkeit s. Fußn. zu § 3 rn. 1.

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

1. Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs Aufgrund der besonderen Verflechtung von nationalem und europäischem Gemeinschaftsreche stellt sich insbesondere die Frage, in welchem Verhältnis innerstaatliche und europäische Gerichtszuständigkeit zueinander stehen. Dem EuGH kommt als Organ der EG gemäß Art. 164 EGV die allgemeine Aufgabe zu, "die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung" des EG-Vertrages zu sichern. Entsprechend diesem Ziel besitzt das Gericht drei wesentliche Entscheidungskompetenzen. 3 Zum einen obliegt dem EuGH die gerichtliche Überwachung des vertragskonfonnen Verhaltens der Mitgliedstaaten (Vertragsverletzungsverfahren nach Artt. 169, 170 EGV), zum anderen ist ihm die Rechtskontrolle der gemeinschaftlichen Organtätigkeit übertragen4 (insbesondere die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 173 EGV und die Untätigkeitsklage gemäß Art. 175 EGV) und letztlich hat das Gericht über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV zu entscheiden. 5 In allen diesen Fällen, in denen dem EuGH die Rechtsprechungskompetenz

kraft Vertrages (EGV) zugewiesen wird, besteht nach allgemeiner Ansicht eine ausschließliche Zuständigkeit. 6 Die mitgliedstaatlichen Gerichte sind insoweit von jeder Rechtsprechungstätigkeit ausgeschlossen. Sie können nur außerhalb der bestehenden vertraglichen Zuständigkeiten angerufen werden. 7 Die Frage der Zuständigkeit des EuGH kann im Hinblick auf die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts in jenen Fällen Bedeutung erlangen, in denen sich ein EGMitgliedstaat gegen ein Verhalten eines deutschen Hoheitsträgers wendet, das nach seiner Auffassung geltendes Gemeinschaftsrecht verletzt. Gemäß Art. 170 EGV kann ein Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn er der AuffasVgl. dazu Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3. Vgl. dazu Geiger, GGuVöR, S. 234. 4 Vgl. insoweit allerdings die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz (Art. 168 a EGV), das dem EuGH als selbständiger unabhängiger Spruchkörper beigeordnet ist (Art. 3 des Beschlusses des Rates [88/591IEGKS, EWG, Euratom] zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften); allg. zum Gericht erster Instanz SchweitzerlHummer, Rn. 273 ff. S Zu den sonstigen Verfahren vor dem EuGH vgl. SchweitzerlHummer, Rn. 461. 6 Vgl. (zumeist unter Hinweis auf Art. 183 EGV, s. aber auch Art. 219 EGV) Burgi, VwPruE, S. 31; Geiger, GGuVöR, S. 234; Grabitz, in: GrabitzlHilf, Art. 183 Rn. 23; HaibronnerIKleinIMagieraIMüller-Graff, Art. 183 Rn. 1; Oppermann, Rn. 619, Rosenbe,-wSchwabIGottwald, § 18 II 3; Schellhammer, Rn. 1345; Schmidt-Aßmann, in: SchochiSchmidt-AßmannlPietzner, Einleitung Rn. 103. 7 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 234; ders., EG-Vertrag, Art. 164 Rn. 7; Oppermann, Rn. 620. 2

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ill. Die Zuständigkeit internationaler und supranationaler Gerichte

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sung ist, daß ein anderer Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus dem EGVertrag verstoßen hat, 8 wobei sich dieser das Verhalten seiner Organe (unabhängig von ihrer Funktion) zurechnen lassen muß. 9 Ein Vertragsverstoß, der Gegenstand einer Klage nach Art. 170 EGV sein kann, liegt in jeder Verletzung einer Norm des Gemeinschaftsrechts, unabhängig von ihrem Rang. I 0 Beteiligtenfähig sind in diesem Verfahren alleine die Mitgliedstaaten. 11 Das Verfahren gemäß Art. 170 EGV wird als (gemeinschafts-)verfassungsrechtliche Streitigkeit angesehen,12 fiir die der EuGH ausschließlich zuständig ist. Deutsche Gerichte sind insoweit nicht zur Sachentscheidung berufen. Dies gilt allerdings nur unter den genannten engen Voraussetzungen. Nur wenn in einem inländischen Verfahren zwei EG-Mitgliedstaaten um Gemeinschaftsrecht streiten, besteht eine ausschließliche Zuständigkeit des EuGH. Klagt dagegen eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts oder ist eine solche inländischen öffentlichen Rechts der Klagegegner, kommt eine Zuständigkeit des EuGH ebensowenig in Betracht, als wenn allein die gemeinschaftskonforme Auslegung inländischen öffentlichen Rechts den Gegenstand des Verfahrens bildet. 13 Besteht aufgrund der Regelung des Art. 170 EGV eine ausschließliche Zuständigkeit des EuGH, stellt sich die Frage, ob insoweit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte oder das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit entfällt. Da in einem solchen Verfahren die Ausübung inländischer Staatstätigkeit den Gegenstand des Verfahrens bildet, fehlt es insoweit nicht an der inländischen Gerichtsbarkeit, sondern allein an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Anders als in den Fällen, in denen bspw. das hoheitliche Handeln eines fremden Staates aufgrund des Prinzips der Staatenimmunität der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen ist, ist insoweit nämlich nicht einzusehen, warum den deutschen Gerichten fiir die Überprüfung deutschen hoheitlichen Handeins die Gerichtshoheit fehlen soll. Dieses Ergebnis wird insbesondere durch Art. 23 Abs. 1 GG (bzw. Art. 24 Abs. 1 GG 8 In der Praxis spielt das Verfahren nach Art. 170 EGV allerdings eine relativ geringe Rolle, da die Mitgliedstaaten eine direkte Konfrontation mit einem anderen Mitgliedstaat zu venneiden suchen. Vgl. Haibronner/KleinIMagieralMaller-Graff, Art. 170 Rn. l. 9 Geiger, EG-Vertrag, § 164 Rn. 4. 10 Geiger, EG-Vertrag, § 169 Rn. 3. 11 Zur Klage der Kommission bei Verstoß eines Mitgliedstaates gegen gemeinschaftsvertragliche Pflichten vgl. Art. 169 EGV. 12 Schmidt-Aßmann, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Einleitung Rn. 106; zur Unterscheidung verfassungsrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Verfahren vor dem EuGH, SchweitzerlHummer, Rn. 460; s. auch Everling, in: FS Redeker, S. 294 tr. 13 Zur Prüfungskompetenz des EuGH insoweit auch Geiger, EG-Vertrag, § 164 Rn. 17.

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

a. F.) gestützt, wonach der Bund zwar eigene Hoheitsrechte auf die Europäische Union l4 übertragen kann. Mit Übertragung von Hoheitsrechten ist aber einzig die Rücknahme bzw. der Verzicht auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt gemeint, I S nicht aber zugleich die Aufgabe eigenstaatlicher Hoheitsgewalt umfaßt. 16 Im Hinblick auf die Ausübung nationaler Rechtsprechungstätigkeit bedeutet dies, daß alleine mit der Übertragung von Hoheitsrechten noch nicht die staatliche Befugnis entflUlt, innerhalb des eigenen Staatsgebietes hoheitliche Akte zu erlassen, das heißt die eigene Gerichtsbarkeit auszuüben. Vielmehr folgt aus der Übertragung von Hoheitsrechten nur ein Verzicht auf die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit, soweit Gemeinschaftsrecht dies vorsieht. Im Falle entsprechender Streitigkeiten entfallt damit zunächst, soweit keine sonstigen Umstände zum Entfall der deutschen Gerichtsbarkeit fUhren, allein die internationale Zuständigkeit inländischer Gerichte. 17 Soweit keine ausschließliche Zuständigkeit des EuGH besteht, sind die inländischen Gerichte zuständig. Dies gilt auch in jenen Fällen, in denen die Überprüfung von Rechtsakten begehrt wird, die von einer deutschen Behörde aufgrund von Gemeinschaftsrecht erlassen wurden. Soweit bspw. ein deutscher 14 Zum Begriff der Europäischen Union i. S. von Art. 23 Abs. I GG vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 23 Rn. 6; zur Rechtsnatur der EU Herdegen, Rn. 82 f. 15 Vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 23 Rn. 5. 16 Vgl. auch Geiger, GGuVöR, S. 141. 17 Inwieweit darüber hinaus gleiches gilt, wenn EG-eigene Rechtsakte den Gegenstand des Verfahrens bilden, erscheint allerdings zweifelhaft. Daß deutsche Gerichte filr solche Streitigkeiten international nicht zuständig sind, kann zwar nicht bestritten werden (vgl. Burgi, DVBI. 1995, 772 [776]; ders., VwPruE, S. 31; Schenke, Rn. 166 a), fraglich ist jedoch, ob es insoweit nicht bereits an der deutschen Gerichtsbarkeit fehlt. Vgl. Ehlers, in: SchochlSclunidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 40 Rn. 48; Herdegen, Rn. 78; s. auch EyermannIFröhler, Anh. § 40 Rn. 10 f.; indifferenziert, weil keine Unterscheidung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit vorgenommen wird: Erichsen, Jura 1994, 418 [419]; Hufen, § II Rn. 3; Schmitt Glaeser, Rn. 32. Für eine solche Sichtweise spricht die besondere Rechtsstellung der Gemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedern. Mit Gründung der EG haben die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als souveräne Staaten eigenstaatliche Hoheitsrechte auf diese übertragen und sich der Gemeinschaft ein- bzw. untergeordnet (vgl. Geiger, GGuVöR, S. 212). Sie haben der Gemeinschaft damit eine eigene Rechtspersönlichkeit gegeben, mit der es nicht vereinbar wäre, daß jeder Staat über EG-eigene Rechtsakte seine Gerichtsbarkeit ausübte. Ebenso wie internationale Organisationen kann die Gemeinschaft nur funktionieren, wenn ihre Unabhängigkeit gesichert ist und ihre eigenen Rechtsakte nicht der Gerichtsbarkeit einzelner Mitgliedstaaten unterliegen. (Vgl. Erichsen, Jura 1994,418 [419]; Grabitz, in: GrabitzlHilf, Art. 183 Rn. 2; Haibronner/KleinIMagiera/ Mü/ler-Graff, Art. 183 Rn. 1 f.; Herdegen, Rn. 78; vgl. auch das ,,Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der europäischen Gemeinschaften", BGBI. 196511 S. 1482; dazu und zur sonstigen Inununität der EG, GrabitzlHilf-VerdrosslSimma, Art. 210 EGV Rn. 16 ff., Art. 211 Rn. 20.) Für die vorliegende Untersuchung ist diese Problematik allerdings insoweit nicht relevant, als etwaige Klagen fremder Staaten vor deutschen Gerichten kaum denkbar erscheinen.

m. Die Zuständigkeit internationaler und supranationaler Gerichte

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Hoheitsträger eine europäische Verordnung durchsetzt oder zur Umsetzung einer EG-Richtlinie tätig wird, handelt es sich dabei um die Ausübung deutscher öffentlicher Staatstätigkeit, die als Akt der öffentlichen Gewalt von den inländischen (Verwaltungs-)Gerichten kontrolliert werden kann. 18

2. Zuständigkeitszuweisungen aufgrund sonstiger europäischer Regelungen Über die Regelungen des EGV hinaus bestehen weitere europäische Regelungen, die die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu verdrängen vermögen: 9 Hat die Bundesrepublik einem Teil ihrer Hoheitsgewalt gemäß Art. 24 Abs. 1 GG auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen20 und sind infolge der zugrundeliegenden Vereinbarung entsprechende Streitigkeiten bestimmten fremdstaatlichen Gerichten zugewiesen worden, sind die inländischen Gerichte nicht mehr zum Streitentscheid berufen. Inwieweit über die internationale Zuständigkeit hinaus bereits die deutsche Gerichtsbarkeit entfällt, hängt von dem angegriffenen Rechtsakt und der Organisationsstruktur der zwischenstaatlichen Einrichtung ab. 21

3. Die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs In Fällen, die einen Bezug zum Völkerrecht (allgemeines Völkerrecht oder Völkervertragsrecht) aufweisen, stellt sich die Frage, ob inländische Gerichte

18 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannJPietzner, Vorb. § 40 Rn. 48; ders., in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 55; EyermannIFrlJhler, Anh. § 40 Rn. 15; Schenke, Rn. 166 c; s. auch Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Einleitung Rn. 109; ders., in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 51. Etwas anderes gilt nur in jenen Fällen, in denen ein inländischer Hoheitsträger ftlr ein europäisches Organ dessen originären Befugnisse im Wege der Organleihe ausübt. Vgl. ErichsenlFrenz, Jura 1995,422 (424). 19 Vgl. dazu die sog. ,,Eurocontrol"-Entscheidungen: BVerfGE 58, I (34 f.); E 59, 63 (88). 20 Vgl. dazu Geiger, GGuVöR, S. 138 t1 21 Vgl. BVerfGE 58, I (28 f.); E 53, 63 (93); s. auch Eh/ers, in: Schoch/SchmidtAßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 49. Kommt einer zwischenstaatlichen Einrichtung eine eigene Völkerrechtssubjektivität zu, genießt sie nach überwiegender Auffassung Immunität und ist infolgedessen im Hinblick auf die Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeiten von der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit befreit. Vgl. Eh/ers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 47; Seidl-Hohenveldern, Rn. 1463, 1498 ff.; Verdross/Simma, § 1027; zur Institution Europäische Schulen s. BVerwGE 91, 126 (127 ff.).

106

§ 3 mtemationale Zuständigkeit

zum Streitentscheid berufen sind oder ob dem IGH22 eine ausschließliche Zuständigkeit zukommt. Gemäß Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut hat der IGH die ihm übertragenen Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden. Anders als beim EuGH handelt es sich beim IGH nicht um eine obligatorische Gerichtsbarkeit. 23 Die Zuständigkeit des IGH (Art. 36 Abs. 1 IGH-Statut) kann vielmehr auf verschiedene Arten freiwillig begründet werden. 24 Zunächst ist es möglich, daß die beteiligten Staaten die Zuständigkeit ad hoc vereinbaren oder ein Staat vor dem IGH Klage erhebt und der verklagte Staat seine Zustimmung zur Zuständigkeit des IGH erteilt. Des weiteren besteht die Möglichkeit, daß Staaten bi- oder multilaterale Verträge abschließen, die sog. kompromissatorische Klauseln enthalten, nach denen der IGH fiir einzelne oder alle aus dem Vertrag entstehenden Streitigkeiten zuständig ist. Die letzte und weitgehendste Möglichkeit, die Zuständigkeit des IGH zu begründen, eröffnet die Fakultativklausel des Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut. Danach können Staaten eine Erklärung abgeben, mit der sie sich verpflichten, die Zuständigkeit des IGH gegenüber jedem anderen Staat, der dieselbe Verpflichtung übernommen hat, in allen in der Vorschrift genannten Fällen als obligatorisch anzuerkennen. Die Bundesrepublik hat bislang keine solche Verpflichtungserklärung abgegeben. 25 Sie ist jedoch als Vertragspartei an zahlreichen Übereinkommen mit kompromissatorischen Klauseln beteiligt. 26 Die Bedeutung der Zuständigkeit des IGH ist im Verhältnis zur inländischen Gerichtsbarkeit begrenzt. Zum einen sind nur Staaten (in ihrer Eigenschaft als Völkerrechtssubjekte) vor dem IGH parteifähig (Art. 34 Abs. 1 IGHStatut), womit sich eine Kollision der Zuständigkeitsbereiche auf Fälle beschränkt, in denen ein Rechtsstreit zwischen zwei Staaten vorliegt. Zum anderen sind Klagen gegen fremde Staaten vor inländischen Gerichten bereits vielfach aufgrund des Prinzips der Staatenimmunität der deutschen Gerichts22 Der IGH ist das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen. Das Statut des IGH ist Teil der UN-Charta (Art. 92 UN-Charta), womit alle Mitgliedstaaten der UN automatisch auch Mitglieder des IGH-Statut sind. Nichtmitgliedstaaten können dem IGH-Statut beitreten (Art. 93 UN-Charta). Vgl. dazu Geiger, GGuVöR, S. 395; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1734 (zum Seegerichtshof Rn. 1752); Verdross/Simma, § 1986. 23 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 397; zum EuGH GroebenIThiesinglElIermann, Art. 169

Rn. I.

Vgl. dazu lpsen, § 60 Rn. 48. Geiger, GGuVöR, S. 396. 26 Vgl. Seidl-Hohenveldem Rn. 1741. Zudem ist die Bundesrepublik Vertragspartei des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (BGBL 1961 11 S. 82), wonach alle zwischen den Parteien entstehenden völkerrechtlichen Streitigkeiten dem IGH vorgelegt werden können (Art. 1). 24

25

IV. Die internationale Zuständigkeit im Prozeß

107

barkeit entzogen, so daß sich auch insoweit keine Überschneidungen der Zuständigkeit des IGH und der inländischen Gerichte ergeben. Die Notwendigkeit der Abgrenzung ergibt sich (nur) in den Fällen, in denen ein fremder Staat vor einem inländischen Gericht einen Verstoß der Bundesrepublik gegen geltendes Völker- oder Völkervertragsrecht rügt. In einem solchen Fall spricht einiges dafiir, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu verneinen, wenn eine ausdrückliche Zuständigkeitszuweisung an den IGH vorliegt. Soweit sich nämlich die Bundesrepublik im Rahmen bioder multilateraler Vertragsvereinbarungen der Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen hat, kommt darin zum Ausdruck, daß sie insoweit auf die Ausübung eigener Gerichtsbarkeit verzichtet und infolge dessen die innerstaatlichen Gerichte nicht zuständig sind. 27 Soweit keine ausdrückliche Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des IGH vorliegt, sind die inländischen Gerichte auch in Fällen mit Bezug zum Völker- und Völkervertragsrecht international zuständig, wobei sich insoweit allerdings die Frage stellt, ob für entsprechende Streitigkeiten ein inländischer Rechtsweg zur Verfiigung steht. 28

IV. Die internationale Zuständigkeit im Prozeß Das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit ist im Verfahren von Amts wegen zu prüfen. 1 Fehlt die internationale Zuständigkeit, ist die Klage als unzulässig abzuweisen. 2

27 Zum Verhältnis von Art. 23 Abs. 3 GG und der Gerichtsbarkeit des IGH, vgl. Geiger, GGuVöR, S. 396 f. Zu beachten ist insoweit aber die Besonderheit des Europäischen Übereinkommens über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten (BGBL 1961 11 S. 82), wonach gemäß Art. 29 Abs. 1 zunächst die betreffenden innerstaatlichen Gerichte anzurufen sind, wenn der Streitgegenstand in deren Zuständigkeitsbereich fltllt. 28 Vgl. dazu unten § 4 ill.; s. auch Seidl-Hohenveldem, Rn. 1740, wonach die Erschöpfung innerstaatlichen Rechtsschutzes Voraussetzung ftIr die Zuständigkeit des IGH ist. Vgl. ebenfalls Duckwitz, S. 147. I Vgl. Hausmann, in: Wieczorek!Schütze, vor § 12 Rn. 103; Kropholler, S. 535. Nach h. M. besteht gegenüber den sonstigen innerstaatlichen Sachurteilsvoraussetzungen (anders als gegenüber der Gerichtsbarkeit) kein zwingendes Rangverhältnis. Aus Gründen der Prozeßökonomie kötulen zunächst diejenigen Voraussetzungen geprüft werden, deren Vorliegen mit geringerem Aufwand geklärt werden kann, vgl. Hausmann, in: Wieczorek!Schütze, vor § 12 Rn. 103; Kropholler, S. 536; a. A. Geimer, Rn. 1841, demzufolge die Zulässigkeit des Rechtswegs in jedem Fall vor der internationalen Zuständigkeit zu prüfen ist. Eine solche Auffassung ist jedoch wegen des rechtswegunabhängigen Charakters und der Bedeutung der internationalen Zuständigkeit auch ftIr das Verwaltungsprozeßrecht abzulehnen.

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§ 3 Internationale Zuständigkeit

Ergeht ein Urteil durch ein Gericht, das international nicht zuständig war, ist das erlassene Sachurteil - anders als beim Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit - nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. 3 Der Mangel der fehlenden Zuständigkeit wird durch Eintritt der Rechtskraft geheilt. 4

2 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 73; Patzina, in: MüKo (ZPO), § 12 Rn. 68. Die Iilgelose Einlassung des Beklagten kann aufgrund der Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an das anwendbare Recht in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten, anders als teilweise in privatrechtlichen Streitigkeiten (vgl. Geimer, in: Zöller IZPR, Rn. 93), nicht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begIilnden. 3 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 40 Rn. 73; Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 111; Kropholler, S. 538; RosenbergiSchwabl Gottwald, § 20 IV 2. 4 Vgl. Hausmann, in: WieczoreklSchütze, vor § 12 Rn. 111; Kropholler, S. 538; RosenbergiSchwablGottwald, § 20 IV 2.

§ 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungs rechtswegs I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Unbeschadet aufdrängender Sonderzuweisungen ist der Verwaltungsrechtsweg infolge der GeneralklauseI des § 40 Abs. 1 VwGO in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Artl gegeben, soweit diese nicht einem anderen Gericht zugewiesen sind. Ob eine öffentlichrechtliche Streitigkeit vorliegt, bestimmt sich nach der wahren Natur des im Sachvortrag des Klägers behaupteten Rechtsverhältnisses. 2

1. Deutsches öffentliches Recht Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind solche, deren materiellrechtliche Beurteilung sich nach den Normen des deutschen öffentlichen Rechts - mit Ausnahme des Strafrechts - richtet. 3 Zur Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht, also zur Beantwortung der Frage, ob infolge dessen der Verwaltungs- (§ 40 Abs. 1 VwGO) oder der Zivilrechtsweg (§ l3 GVG) eröffnet ist, haben sich in der Lehre verschiedene Ansätze herausgebildet. Durchgesetzt haben sich insbesondere die sog. modifizierte Subjektstheorie4, wonach ein Rechtssatz dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, wenn eine der berechtigten oder verpflichteten Rechtspersonen zwingend ein Hoheitsträger, also der Staat oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts, sein muß, und die Subordinationstheorie5, wonach öffentliches Recht dann vorliegt, wenn zwischen den Beteiligten ein Über-lUnterordnungsverhältnis besteht. Inwieweit den einzelnen Auffassungen umfassend gefolgt werden kann, ist nach wie vor um-

I Zu diesem Merkmal mit abweichenden Auffassungen Schmitt Glaeser, Rn. 56 ff. und Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 137 ff. 2 Vgl. Hufen, § 11, Rn. 14; Schmitt Glaeser, Rn. 34; Stern, VwPrR, Rn. 14. 3 Stern, VwPrR, Rn. 17. 4 Vgl. Schenke, Rn. 100 ff.; Schmitt Glaeser, Rn. 47 ff. 5 Vgl. Schenke, Rn. 104 ff.; Schmitt Glaeser, Rn. 46.

110

§ 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

stritten. 6 Überwiegend hat sich aber wohl die Ansicht durchgesetzt, daß eine Kombination beider Theorien die praxisgerechteste Lösung darstellt. 7 Diese herkömmliche Abgrenzung von öffentlicher und privatrechtlicher Streitigkeit gilt uneingeschränkt auch in solchen Fällen, in denen fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts beteiligt sind.

2. Europäisches Gemeinschaftsrecht Die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO vorliegt, stellt sich in doppelter Hinsicht, wenn das betreffende Rechtsverhältnis auf Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts beruht. Zu klären ist zum einen, ob und inwieweit das EG-Recht dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann, und zum anderen, ob infolge einer entsprechenden Qualifikation fiir alle derartigen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten automatisch der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Das EG-Recht selbst kennt zwar die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht (Art. 183 EGV), dieser Unterscheidung kommt aber keine systematische Beurteilung fiir die Einordnung der europäischen Rechtsordnung zu. Vielmehr überläßt es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten selbst, ob diese eine solche Abgrenzung vornehmen wollen. 8 Aus Sicht des deutschen (prozeß-)Rechts wird man infolge einer sinngemäßen Anwendung der Subjektstheorie das EG-Recht in weiten Teilen dem öffentlichen Recht zuordnen müssen. 9 Adressat der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen sind neben der Gemeinschaft selbst zumeist die Mitgliedstaaten bzw. deren Organe in ihrer hoheitlichen Funktion. Eine Qualifizierung als privatrechtlich kommt im wesentlichen nur hinsichtlich gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen in Betracht, die sich ausschließlich an Privatrechtssubjekte wenden. Trotz der Qualifikation des EG-Rechts als öffentlich-rechtlich ist nach allgemeiner Auffassung nicht fiir alle daraus resultierenden Streitigkeiten der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Teilweise wird vertreten, daß Streitigkeiten, "die ihrer Art nach dem autonomen Recht der Europäischen Gemeinschaft zuzuordnen sind", von vornherein nicht als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 6 Vgl. dazu und weiteren Ansätzen die Ausftlhrungen bei Hufen, § 11, Rn. 15 ff.; Schenke, Rn. 99 ff.; Schmitt Glaeser, Rn. 46 ff. 7 Vgl. Stern, VwPrR, Rn. 19; s. auch Schenke, Rn. 107 ff.; Schmitt Glaeser, Rn. 55. 8 Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 23; Schmitt Glaeser, Rn. 45. 9 Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, § 40 Rn. 23; s. auch Burgi, VwPruE, S. 64; ErichsenIFrenz, Jura 1995,422 (424).

I. Eröffuung des Verwaltungsrechtswegs

111

i. S. von § 40 Abs. 1 VwGO qualifiziert werden könnten. lo Wenngleich für solche Streitigkeiten nach richtiger Ansicht bereits die deutsche Gerichtsbarkeit bzw. die internationale Zuständigkeit inländischer Gerichte fehlt, 11 ist einer solchen Auffassung im Ergebnis zuzustimmen. Die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit dient vorrangig der Kontrolle der inländischen öffentlichen Gewalt. Streitigkeiten, die unmittelbar Akte des Gemeinschaftsrechts betreffen, sind nicht umfaßt, da es insoweit nicht um die Ausübung inländischer öffentlicher Gewalt geht. 12 Etwas anderes gilt dagegen für Streitigkeiten, die Akte betreffen, welche von deutschen Behörden auf Grundlage bzw. in Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen erlassen wurden. Da es sich insoweit um die Ausübung inländischer öffentlicher Gewalt handelt, ist für entsprechende Klagen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben. 13

3. Völkerrechtliche Streitigkeiten Soweit nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten offensteht, ist weiterhin zu klären, inwieweit die Verwaltungsgerichte zuständig sind, wenn Regeln des allgemeinen Völkerbzw. des VölkelVertragsrechts das streitige Rechtsverhältnis bestimmen. Ebenso wie im Hinblick auf das Recht der Europäischen Gemeinschaft ist auch in bezug auf das Völkerrecht zunächst zu untersuchen, ob diese Rechtsordnung überhaupt dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann. Wenngleich das Völkerrecht aufgrund seines besonderen zwischenstaatlichen Charakters keine solche Einordnung kennt, wird man es aus Sicht des nationalen Rechts als öffentlich-rechtlich qualifizieren müssen. Dieser Charakter ergibt sich insbesondere aus der Überlegung, daß sich das Völkerrecht in weiten Teilen ausschließlich an souveräne Staaten in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger richtet, wonach das Völkerrecht infolge der Grundsätze der Subjektstheorie als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren iSt. 14 Dies gilt um so mehr, als die Regelung des Art. 25 GG alle Träger der öffentlichen Gewalt verpflichtet, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beachten und zu befol10 Vgl. RengelingIMiddeke/Geliermann, Rn. 1070; s. auch Kopp, § 40 Rn. 37; kritisch dazu Burgi, DVBl. 1995,772 (776); ders., VwPrRuE, S. 31. \I Vgl. dazu oben § 3 m. 1. 12 Vgl. Burgi, DVBl. 1995,772 (777); ders., VwPrRuE, S. 31. \3 Vgl. zur allg. Auffassung Kopp, § 40 Rn. 37; RengelingIMiddekelGeliermann, Rn. 1070; Schenke, Rn. 166 c; s. auch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 40 Rn. 69; EyermannIFr6hler, Anh. § 40 Rn. 15. 14 Vgl. auch Stern, VwPrR, Rn. 17; i. E. ebenso Ule, § 5 m.

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§ 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

gen. IS Trotz der Qualifikation als öffentlich-rechtlich gilt auch rur das Völkerrecht, daß nicht rur alle auf diesem Recht beruhenden Streitigkeiten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Ausgeschlossen sind vielmehr alle Streitigkeiten, die ihrer Art nach als "völkerrechtlich" zu bezeichnen sind. 16 Eine solche völkerrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn zwei Völkerrechtssubjekte um Fragen des von unmittelbarer innerstaatlicher Anwendbarkeit l7 unabhängigen Völkerrechts streiten. 18 Dies wäre bspw. dann der Fall, wenn ein fremder Staat versuchte, die Bundesrepublik vor inländischen Verwaltungsgerichten auf Einhaltung einer völkervertraglichen Verpflichtung zu verklagen. Für die Beurteilung einer solchen Klage fehlte zwar weder die inländische Gerichtsbarkeit, noch, mangels besonderer völkerrechtlicher Vereinbarung, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, es handelte sich jedoch um eine völkerrechtliche Streitigkeit, fiir die der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist. 19 Eröffnet wäre der Verwaltungsrechtsweg dagegen, wenn ein fremder Staat die Verletzung einer innerstaatlich geltenden und anwendbaren Regel des allgemeinen Völkerrechts, bspw. die Mißachtung staatlicher Immunität, durch einen deutschen Hoheitsträger rügte. Insoweit handelt es sich nicht um eine völkerrechtliche, sondern öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO, da die Kontrolle der deutschen inländischen öffentlichen Gewalt im Vordergrund steht. 20 Gleiches gilt in Fällen, in denen Völker- oder Völkervertragsrecht innerstaatlich unmittelbar anwendbar ist. 21

4. Ausländisches öffentliches Recht In der Literatur wird darauf hingewiesen, daß der Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich nicht rur Streitigkeiten eröffnet sei, die sich nach ausländischem IS Vgl. BVerfGE 75, I (18 f.); Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 2, 24; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 5; vgl. zwn öffentlich-rechtlichen Charakter des Völkerrechts auch Bleckmann, Staats- und Völkerrechtslehre, S. 598 f. 16 Die Frage, inwieweit inländische Gerichte zwn Streitentscheid in völkerrechtlichen Angelegenheiten berufen sind, gehört zwn Rechtsweg und nicht zur internationalen Zuständigkeit, da es insoweit maßgeblich um die Eigenart des Streitgegenstandes, nicht aber das anwendbare Recht oder den Auslandsbezug geht. 17 Zur Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit völkerrechtlicher Regelungen s. unten § 7 11. 1. 18 Zur völkerrechtlichen Streitigkeit s. auch RandelzhoJer, in: FS Schlochauer S.535. 19 Vgl. dazu auch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40 Rn. 316. 20 Zum Verwaltungshandeln und Vollzug des Völkerrechts vgl. Kopp, VwVfG, § I Rn. 42. 21 Vgl. Stern, VwPrR, Rn. 58.

I. Eröffuung des Verwaltungsrechtswegs

113

öffentlichem Recht richten. 22 Einer solchen Auffassung, die vor allem im Zusammenhang mit der Frage der Durchsetzung ausländischer hoheitlicher Ansprüche im Inland angeführt wird, kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar zunächst, daß die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit primär der Kontrolle inländischer Verwaltungsträger und dem Rechtsschutz des einzelnen vor Übergriffen durch die inländische öffentliche Gewalt dient,23 damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, welchem Recht die streitigen öffentlich-rechtlichen Sachverhalte unterliegen. Auch in den Fällen, in denen das deutsche Recht ausländisches öffentliches Recht ausnahmsweise für anwendbar erklärt, liegt zugleich eine den Verwaltungsrechtsweg eröffnende öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. 24 Dies gilt insbesondere, soweit inländische Verwaltungsträger aufgrund eines nationalen Rechtsanwendungsbefehls ausländisches öffentliches Recht anwenden. Hierbei handelt es sich, ebenso wie beim Vollzug europäischen Gemeinschaftsrechts, um einen Akt der deutschen öffentlichen Gewalt, zu deren Kontrolle die Verwaltungsgerichtsbarkeit dient. 2s Insoweit ist in diesen Fällen aufgrund des Handeins eines deutschen Hoheitsträgers (und unter Beachtung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG26) auch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Über die Fälle des Handeins deutscher Hoheitsträger hinaus wäre eine Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs aber zudem auch dann anzunehmen, wenn das deutsche Recht aufgrund eines inländischen Rechtsanwendungsbefehls eine Rechtsgrundlage für die gerichtliche Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts zugunsten eines ausländischen Hoheitsträgers böte. Wenngleich eine solche Rechtsgrundlage de lege lata nicht existiert, wäre eine entsprechende Streitigkeit aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Charakters,27 insbesondere aber aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters des inländischen Rechtsanwendungsbefehls, also nach Maßgabe des deutschen Internationalen Verwaltungsrechts, den inländischen Verwaltungsgerichten zugewiesen. 28 In einem solchen Fall wäre ausnahmsweise und 22 Vgl. ausdrücklich Meng, S. 285; s. auch Geiger, GGuVöR, S. 341 f.; zum Ganzen auch Ra/off, S. 148. 23 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: SchochlSchmidt-AßmannJPietzner, Einleitung Rn. 1 ff.; s. auch Hufen, § 11 Rn. 4. 24 Vgl. i. E. gleich Heber/ein, Komm. Außenpolitik, S. 217 f.; Kopp, § 1 Rn. 28, § 40 Rn. 37. Zur Qualifikation, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder privatrechtlich ist, s. oben § 3 n. 4. t). 25 Zur Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts s. unten § 7 VI. 26 Vgl. dazu auch Eh/ers, in: SchochlSchmidt-AßmannJPietzner, § 40 Rn. 13. 27 Vgl. zum entscheidenden Merkmal des öffentlich-rechtlichen Charakters einer Streitigkeit, die den Verwaltungsrechtsweg auch filr Streitigkeiten zwischen zwei Privaten eröffuet, sofern öffentliches Recht den Streitgegenstand bildet, Eh/ers, in: SchochlSchmidt-AßmannJPietzner, § 40 Rn. 13; EyermannlFr6h/er, § 40 vor Rn. 1. 28 Vgl. Kopp, § 40 Rn. 37; s. auch Heber/ein, Komm. Außenpolitik, S. 217.

8 Feldmüller

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§ 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

im Gegensatz zu den sonst denkbaren Konstellationen die inländische Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht ausschließlich zur Kontrolle der inländischen öffentlichen Gewalt berufen,29 sondern ihr käme infolge des inländischen Rechtsanwendungsbefehls zudem die Aufgabe zu, die Durchsetzbarkeit ausländischen hoheitlichen Handeins im Inland zu beurteilen. 30 Eine entsprechende Ausdehnung des inländischen Verwaltungsrechtsschutzes wäre in einem solchen Fall insoweit gerechtfertigt, als diese Ausnahme auf einer bewußten Entscheidung des nationalen Gesetzgebers beruhen würde, wonach ausländische öffentlich-rechtliche Ansprüche im Inland klageweise durchgesetzt werden könnten. 31 Im Hinblick auf die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gilt also letztlich das zur internationalen Zuständigkeit Ausgefiihrte entsprechend. Ist in Streitigkeiten, die nach ausländischem öffentlichen Recht zu beurteilen sind, die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben und ist das geltend gemachte Recht im Inland anwendbar, dann sind die deutschen Gerichte nicht nur international zuständig, sondern es ist :fiir entsprechende öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelungen) auch der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

11. Schiedsgerichtsbarkeit Auswirkungen auf den Verwaltungsrechtsweg können sich auch ergeben, wenn zur Beilegung der betroffenen Streitigkeit ein Schiedsgericht berufen ist. 1 Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich insoweit um ein "echtes", das heißt durch Parteivereinbarung konstituiertes, oder ein "unechtes", also durch Rechtsnorm begründetes Schiedsgericht handelt. 2 Für die vorliegende Untersuchung spielen insbesondere die "echten" Schiedsgerichte eine Rolle. Haben bspw. zwei Gebietskörperschaften eine bindende öffentlich-rechtliche Vereinbarung über eine grenzüberschreitende in-

Vgl. RandelzhoJer, in: FS Schlochauer, S. 533 ff. Zur deutschen Gerichtsbarkeit und zwn hnmunitätsverzicht bei Klagen fremder Staaten s. oben § 2 II. 5., ill. 31 Zur außergerichtlichen Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruche im Inland und zu den entsprechenden Rechtsschutzproblemen betroffener Dritter s. unten § 8 ill. I Vgl. Schmitt Glaeser, Rn. 68. 2 Ausftlhrlich Eh/ers, in: SchochlSchmidt-AßmannJPietzner, § 40 Rn. 718 ff. 29

30

ll. Schiedsgerichtsbarkeit

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terkommunale Zusammenarbeit getroffen, 3 wird die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vielfach Schiedsgerichten zugewiesen. 4 Infolge solcher Schiedsvereinbarungen ist nach herrschender Auffassung, anders als im Falle der Zuständigkeit unechter Schiedsgerichte, zwar nicht der Weg zu den inländischen (VelWaltungs-)Gerichten verschlossen. s Gemäß § 1027 a ZPO, der im VelWaltungsprozeß über § 173 VwGO analog anwendbar ist. wird das Gericht, das wegen eines Rechtsstreits angerufen wird, für den die Parteien einen Schiedsvertrag abgeschlossen haben, aber die Klage als unzulässig abweisen. Öffentlich-rechtliche Schiedsvereinbarungen stellen insoweit ein Prozeßhindernis dar. 6 Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines Schiedsvertrages ist allerdings, daß die zugrundeliegende Streitigkeit auch durch Vergleich hätte erledigt werden können (§ 1025 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 173 VWGO).7 Ob das Vorliegen einer Schiedsklausel als Einrede geltend gemacht werden muß B oder von Amts wegen9 zu berücksichtigen ist, ist umstritten. Aufgrund des Wortlauts des § 1027 a ZPO, wonach sich der Beklagte auf den Schiedsvertrag berufen muß, und der Tatsache, daß solche Abreden auch im VelWaltungsprozeß als Ausdruck der Dispositionsfreiheit der Parteien angesehen werden, ist der erstgenannten Ansicht zu folgen. IO Eine besondere Stellung nehmen die Schiedsvereinbarungen ein, die durch zwischenstaatliche Verträge begründet worden sind. Keine Probleme bereiten insoweit Fälle, in denen Streitigkeiten völkerrechtlicher Art betroffen sind. Hier fehlt es, entsprechend den Ausführungen zum IGH, entweder bereits an der internationalen Zuständigkeit deutscher Ge-

Vgl. dazu ausftlhrlich unten § 7 VI. 6. Vgl. Heberlein, DÖV 1996, 100 (106); m. w. N. zu verschiedenen Abkommen mit Schiedsabreden ders., Komm. Außenpolitik, S. 205 f1; SchliJge/, S. 204 f1, 229 f1, 299 ff. Zur Zulässigkeit solcher Schiedsgerichte vgl. auch HoppelBeckmann, DVBl. 1986, 1 (9). 5 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannJPietzner, § 40 Rn. 725; Eyermann/ FriJh/er, Rn. 139; Kopp, § 40 Rn. 56; a. A. BVerwGE 5, 293 (302); Schmitt G/aeser, Rn. 68; zur Fähigkeit kommunaler Gebietskörperschaften derartige Verträge abzuschließen, Heber/ein, Komm. Außenpolitik, S. 207 f; s. auch Beyerlin, S. 443 f 6 Vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-AßmannJPietzner, § 40 Rn. 725; Redekerlv. Oertzen, § 40 Rn. 79. 7 Vgl. Schmitt G/aeser, Rn. 68; zum Problem der Drittbetroffenheit EyermannIFriJh/er, § 40 Rn. 140. 8 Vgl. EyermannIFriJh/er, § 40 Rn. 139; Kopp, § 40 Rn. 56. 9 Vgl. BVerwGE 5, 293 (302); Schmitt Glaeser, Rn. 68. 10 Vgl. Eh/ers, in: Schoch/Schmidt-AßmannJPietzner, § 40 Rn. 725. 3

4

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§ 4 Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

richte ll oder aber an einer den Verwaltungsrechtsweg eröffnenden öffentlichrechtlichen Streitigkeit i. S. von § 40 Abs. I VwGO. Schwieriger ist dagegen die Beurteilung staatsvertraglicher Dachvereinbarungen, die zukünftige Streitigkeiten untergeordneter Rechtssubjekte, wie bspw. zweier kommunaler Gebietskörperschaften aus dem Bereich der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit, fiir diese verbindlich bestimmten internationalen Schiedsgerichten zuweisen. 12 Die Lehre geht davon aus, daß es sich hierbei um "unechte" Schiedsgerichte handelt, die der Regelung des § 40 Abs. I S. 2 VwGO unterfallen. 13 Die Errichtung unechter Schiedsgerichte ist unbedenklich, sofern sie den Anforderungen der Verfassung genügen. 14 Voraussetzung fiir die Beachtlichkeit einer solchen staatsvertraglichen Zuständigkeitsvereinbarung internationaler Schiedsgerichte ist neben der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Staatsvertrages auch die wirksame Umsetzung in nationales Recht. Sind diese Voraussetzungen erfiillt und wird eine Streitigkeit aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung einem internationalen Schiedsgericht zugewiesen, ist damit zugleich der Rechtsweg zu den inländischen Verwaltungsgerichten verschlossen.1 5

III. Gegenseitigkeit In den meisten Fällen, in denen ein ausländisches Rechtssubjekt inländischen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, stellt sich die Frage nach der VerbÜfgung von Gegenseitigkeit, also nach der Gewährleistung gleicher Rechte zugunsten inländischer Rechtssubjekte im Ausland. Klagte bspw. eine ausländische Gemeinde vor einem inländischen Verwaltungsgericht gegen eine inländische atomrechtliche Genehmigung, wäre zu klären, ob es für die 11 Vgl. dazu oben § 3 III. 3.; zum Entfall der deutschen Gerichtsbarkeit s. § 2 n. 12 Vgl. bspw. Art. 15 des luxemburgischlrheinland-ptalzischen Staatsvertrages,

GVBl. (Rheinland-Pfalz) 1975, 55 (dazu Beyerlin, S. 445), s. auch Art. 9 des Staatsvertrages zwischen Baden-Württemberg und dem Kanton SchafThausen, GBl. (BadenWürttemberg) 1977,94 (dazu Heberlein, DÖV 1996, 100 [1061; ders., Komm. Außenpolitik, S. 209). 13 Vgl. Beyerlin, S. 444; Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 221. 14 Vgl. dazu mit Hinweis auf Art. 101 Abs. 2 GG Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmannlPietzner, § 40 Rn. 717; hinsichtlich Art. 97 GG Beyerlin, S. 444; ebenso Kopp, § 40 Rn. 53 f 15 Vgl. Beyerlin, S. 444; allg. zu den unechten Schiedsgerichten Kopp, § 40 Rn. 54; Redekerlv. Oertzen, § 40 Rn. 78. Etwas anderes gilt allerdings in jenen Fällen, in denen das Gericht zwar durch einen in nationales Recht transformierten Vertrag errichtet wird, die Anrufung dieses Gerichts aber auf freiwilliger Unterwerfung beruht. Insoweit gelten die §§ 1025 ff. ZPO entsprechend. Vgl. Ehlers, in: SchochlSchmidtAßmannlPietzner, § 40 Rn. 726.

n. Schiedsgerichtsbarkeit

117

Zulässigkeit einer solchen Klage darauf ankommt, daß einer vergleichbaren inländischen Rechtsperson in einem vergleichbaren Fall im Ausland vergleichbarer Rechtsschutz gewährt wird oder ob eine solche Überlegung im Hinblick auf das inländische Verfahren keine Rolle spielt. Die aus völkerrechtlicher Sicht unbedenkliche Forderung nach der Verbürgung von Gegenseitigkeit} kann sich sowohl auf das materielle als auch auf das Prozeßrecht beziehen. Im Hinblick auf das materielle Recht bedeutet dies, daß ausländischen Rechtssubjekten bestimmte Rechtspositionen (bspw. extraterritoriale Abwehrrechte) im Inland nur zustehen, wenn ähnliche Rechtspositionen auch im umgekehrten Verhältnis bestehen. Prozeßrechtlich verlangt die Gegenseitigkeit, daß einem inländischen Rechtssubjekt der Zugang zu den ausländischen Gerichten in gleicher Weise zusteht wie ausländischen Rechtssubjekten der Zugang zum inländischen Richter. Inwieweit das Erfordernis der Gegenseitigkeit im Hinblick auf die Gewährung materieller Rechtspositionen eine Rolle spielt, soll erst später geklärt werden. 2 Aus rein prozessualer Sicht ist zunächst festzustellen, daß sich in der VwGO keine ausdrücklichen Regeln finden, die die Gewährleistung inländischen Rechtsschutzes von der Verbürgung von Gegenseitigkeit abhängig machten. Gleiches gilt im Grundsatz auch für das Zivilprozeßrecht. Die Rechtsschutzgewährung im Inland hängt, die Regelung des § 110 ZPO ausgenommen, nicht davon ab, daß der Heimatstaat des Klägers "Gegenrecht hält", das heißt seinerseits in einer vergleichbaren Situation seine Gerichte zur VerfUgung stellt. 3 Die Verbürgung von Gegenseitigkeit ist de lege lata nicht Voraussetzung für den Zugang eines fremden Staates oder einer sonstigen juristischen Person des ausländischen öffentlichen Rechts zu einem inländischen Gericht. 4

} Vgl. VerdrosslSimma, § 64; s. auch Ipsen, § 3 Rn. 11; Seidl-Hohenveldem, Rn. 34, 175. 2 Vgl. dazu Wlten § 7 IV. g) ce) (3) (b). 3 Vgl. Geimer, Rn. 1908. 4 Vgl. ebenso Schütze, S. 72; s. auch DahmIDelbrückIWolfrum, S. 451; Wahl! Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 226; i. E. ebenfalls BVerwGE 75, 285 289.

§ 5 Beteiligten- und ProzeOfähigkeit I. Beteiligtenfihigkeit 1. Die Regelung des § 61 VwGO Beteiligtenfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, als Rechtssubjekt an einem Verfahren teilnehmen zu können, das heißt, als Kläger, Beklagter oder Beigeladener Subjekt eines Prozeßrechtsverhältnisses im Rahmen der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit sein zu können.' Die verwaltungsprozessuale Beteiligtenfähigkeit orientiert sich nach allgemeiner Auffassung an der Regelung des § 50 Abs. 1 ZPO über die Parteifähigkeit im Zivilprozeß. Danach ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Über die Regelung des § 50 ZPO hinaus berücksichtigt die VwGO aber auch nichtrechtsfähige Vereinigungen sowie Behörden. Im einzelnen sind gemäß § 61 VwGO natürliche und juristische Personen (§ 61 Nr. 1 VwGO), Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zusteht (§ 61 Nr.2 VwGO), und Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt (§ 61 Nr. 3 VwGO), beteiligtenfähig.

2. Die Beteiligtenrabigkeit fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts Neben den natürlichen Personen sind gemäß § 61 Nr. 1 VwGO auchjuristische Personen fähig, am Verfahren teilzunehmen. Zu den juristischen Personen i. S. dieser Vorschrift gehören unstreitig alle inländischen Vereinigungen des Privat- und öffentlichen Rechts, denen durch Gesetz die volle Rechtsfähigkeit verliehen worden ist. 2 Inwieweit teilrechtsfähige Vereinigungen diesen juristischen Personen gleichzustellen sind, ist fraglich und wird von der Lehre unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, daß solche Rechtssubjekte juristischen Personen gleichzustellen seien, denen kraft Gesetzes oder Gewohnheitsrechts die gene1 Kopp,

§ 61, Rn. 4; Redekerlv. Demen, § 61 Rn. 1; Schenke, Rn. 455. Vgl. v. Mutius, Jura 1988, 469 (471); s. auch EyermannIFrähler, § 61 Rn. 4; Schenke, Rn. 456. 2

I. Beteiligtenfilhigkeit

119

relle Fähigkeit zukomme, im eigenen Namen zu klagen oder verklagt zu werden. 3 Dies gelte in besonderem Maße für die offene Handelsgesellschaft (§ 105 HGB) und für politische Parteien (§ 2 ParteienG). Von einem anderen Teil der Lehre wird diese Erweiterung des von § 61 Nr. 1 VwGO erfaßten Personenkreises abgelehnt. Die Beteiligtenfähigkeit teilrechtsfähiger Vereinigungen bestimmt sich nach dieser Ansicht ausschließlich nach § 61 Nr. 2 VwGO. 4 Zutreffend dürfte es sein, im Ergebnis der erstgenannten Ansicht zu folgen. Der Grund für die Gleichstellung ist aber nicht in der Fähigkeit zu sehen, daß diese Rechtssubjekte im eigenen Namen klagen und verklagt werden können, sondern liegt in dem Umstand begründet, daß ihnen durch Gesetz die Fähigkeit zu selbständigem rechtlichen Handeln verliehen worden ist. Sind Rechtssubjekte in erheblichem Umfang Träger von Rechten und Pflichten, reicht diese Teilrechtsfähigkeit dazu aus, daß sie nach § 61 Nr. 1 VwGO als beteiligtenfähig anzusehen sind. 5 Nicht beteiligtenfähig nach § 61 Nr. 1 VwGO sind dagegen nach allgemeiner Ansicht Organe und Organteile juristischer Personen. 6 Unbestritten gilt, daß auch ausländische juristische Personen beteiligtenfähig sein können. 7 Kaum geklärt ist allerdings, nach welchen Voraussetzungen sich die Beteiligtenfähigkeit dieser Rechtssubjekte im Verwaitungsprozeß bestimmt. Im Internationalen Zivilprozeßrecht werden im Hinblick auf die Parteifllhigkeit ausländischer Rechtssubjekte im wesentlichen zwei verschiedene Ansätze vertreten,8 die hier aufgrund der engen Verwandtschaft von § 61 VwGO und § 50 ZPO kurz dargestellt werden sollen. Einem Teil der Lehre folgend, bestimmt sich die Parteifllhigkeit ausländischer Rechtssubjekte ebenso wie die inländischer Rechtspersonen gemäß § 50 Abs. 1 ZPO nach ihrer Rechtsfähigkeit. Aufgrund des Auslandsbezuges ist die Bestimmung der Rechtsfähigkeit in diesen Fällen allerdings entsprechend den internationalprivatrechtlichen Grundsätzen (Art. 7 EGBGB) nach dem materiellen Recht des Heimat- bzw. 3

Vgl. Hufen, § 12 Rn. 23; Kopp, § 6 Rn. ll; zu § II VwVfG Obermayer, § II

Rn. 13.

4 Vgl. Dolde, in: FS Menger, S. 429; EyermannIFrlJhler, § 61 Rn. 6; v. Mutius, Jura 1988, 469 (471). S Vgl. Redekerlv. Oertzen, § 61 Rn. 2; fiIr § 11 VwVfG Bank, in: StelkensIBonkl Sachs, § 11 Rn. 13 f. 6 Dolde, in: FS Menger S. 429. 7 Vgl. Dolde, in: FS Menger S. 428; Hufen, § 12 Rn. 23; Kopp, § 61 Rn. 6; Redekerlv. Oertzen, § 61 Rn. 3; s. auch Bonk, in: StelkenslBonklSachs, § II Rn. 14. 8 Eine abweichende, dritte Ansicht wird von Grasmann vertreten, der die Parteifl!.higkeit ausländischer juristischer Personen davon abhängig macht, daß diese entweder nach dem Recht ihres Sitzstaates parteifl!.hig sind oder daß sie einer parteifl!.higen inländischen Gesellschaft entsprechen. Vgl. Grasmann, Rn. 856 ff.

120

§ 5 Beteiligten- und Prozeßtahigkeit

Sitzstaates vorzunehmen. 9 Nach anderer Ansicht richtet sich die Parteifähigkeit ausländischer Rechtssubjekte dagegen nach deren prozessualem Heimatrecht. 10 Parteifähig vor inländischen Gerichten ist danach, wer nach dem Recht seines Heimatstaates parteifähig ist. Auf die Rechtsfähigkeit kommt es nach dieser Auffassung nicht an. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ansichten setzt sich in der neueren Literatur zunehmend eine alternative Anknüpfung nach der Rechts- oder Parteifähigkeit durch. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzesll und zur Vermeidung von Rechtsangleichungsschwierigkeiten sei ein ausländisches Rechtssubjekt vor inländischen Gerichten parteifähig, wenn es nach seinem Heimatrecht entweder rechtsfähig oder parteifähig sei. 12 Für die Beteiligtenfähigkeit im Verwaitungsprozeß erscheint es, unter Beachtung der zuvor dargestellten Lösungen und ungeachtet ihrer Richtigkeit fiir den Zivilprozeß, vorzugswürdig, alleine auf die Rechtsfähigkeit ausländischer Rechtssubjekte abzustellen. Dieses Ergebnis folgt zunächst aus der unmittelbaren Bindung der verwaltungsprozessualen Beteiligtenfähigkeit an die Fähigkeit, Träger materieller Rechtspositionen sein zu können. Das Verwaltungsprozeßrecht stellt die Trägerschaft materieller Rechte in den Mittelpunkt seiner Beteiligungsregelungen. Dies gilt nicht nur fiir § 61 Nr. 1 VwGO, der mit der Formulierung ,juristische Personen" bereits auf die, diesen immanente, Rechtsfähigkeit abstellt, sondern zeigt sich insbesondere auch in der Regelung des § 61 Nr. 2 VwGO. Ungeachtet ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit sind danach Vereinigungen beteiligtenfähig, denen nach materiellem Recht das im 9 Vgl. Nagel, Rn. 262; Schatze, S. 72; nicht ganz eindeutig Hartmann, in: BawnbachlLauterbachlAlberslHartmann, § 50 Rn. 3; ebensowenig Vol/kommer, in: Zöller, § 50 Rn. 2 Soweit nachfolgend, anders als in der einschlägigen Lehre (vgl. Kegel, S. 413), von Heimatstaat (bzw. Heimatrecht) anstelle von Sitzstaat (oder Recht des Sitzstaates) gesprochen wird, hängt dies damit zusammen, daß ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts immer an ihren Gesamtstaat gebunden sind, d. h. anders als juristische Personen des Privatrechts ihren maßgeblichen Sitz nicht wechseln können. (Vgl. dazu unten § 7 m. I. a)). Insoweit soll hier in Unterscheidung zu den juristischen Personen des Privatrechts der Begriff Heimatstaat (Heimatrecht) verwendet werden. 10 Vgl. Koch, in: AltK(ZPO) § 50 Rn. 16; Firsching/v. HojJmann, § 3 Rn. 103; Schack, Rn. 530. Nicht einheitlich beurteilt wird innerhalb dieser Ansicht allerdings die Frage, ob die Bestimmung der Parteifähigkeit nach dem prozessualen Heimatrecht des betroffenen Rechtssubjekts aufgrund einer ungeschriebenen Kollisionsregel des IZPR erfolgt (vgl. Pagenstecher, ZZP 64, 249 [251]; s. auch Laderitz, in: Soergel, Anh. Art. 19 Rn. 28) oder aus einer analogen Anwendung des Art. 7 EGBGB zu gewinnen ist (vgl. dazu RosenbergiSchwab/Gottwald, § 43 12). Vgl. zu dieser Diskussion Nagel, Rn. 261 f JJ Geimer, Rn. 2203. 12 Vgl. Geimer, Rn. 2203; Lindacher, in: MüKo (ZPO) , § 50 Rn. 69; Laderitz, in: Soerge1, Anh. Art. 10 Rn. 29; Hausmann, in: Wieczorek-Schütze, § 50, Rn. 73.

I. Beteiligtenflihigkeit

121

konkreten Rechtsstreit in Frage stehende oder berührte Recht zustehen kann, das heißt, die als Rechtssubjekte Zuordnungssubjekt bestinunter Rechte oder Pflichten sein können. 13 Da § 61 VwGO damit, abgesehen von der Ausnahmeregelung des § 61 Nr. 3 VwGO, das materielle Recht in den Mittelpunkt stellt, ist es auch gerechtfertigt, die Bestinunung der Beteiligtenfähigkeit ausländischer juristischer Personen nach § 61 Nr. 1 VwGO von ihrer Rechtsfähigkeit, also ihrer Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, abhängig zu machen. Zu bedenken ist zudem, daß das Verwaltungsprozeßrecht in besonderem Maße auf die Wahrung der inländischen öffentlichen Rechtsordnung und die Kontrolle der inländischen Verwaltung zugeschnitten ist. Es ist aufgrund seiner Funktion so mit dem Recht des einzelnen Staates verschränkt, daß aus diesem Grunde eine fremdstaatliche Partei- oder Beteiligtenfähigkeit nicht automatisch in das nationale Prozeßrecht eingefügt werden kann. Insoweit besteht für das Verwaltungsprozeßrecht keine dem IZPR vergleichbare Kollisionsregel, die auf fremdstaatliches Prozeßrecht verweist. Im Hinblick auf die Beteiligtenfähigkeit ausländischer Rechtssubjekte gilt demnach, daß diese gemäß § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig sind, wenn sie nach dem Recht ihres Heimatstaates eine umfassende Rechtsfähigkeit besitzen. Ungeachtet dieser Rechtsfähigkeit sind ausländische Rechtssubjekte gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig, wenn ihnen das geltend gemachte materielle Recht im Einzelfall zustehen kann. Beteiligtenfähig sind im einzelnen gemäß § 61 Nr. 1 VwGO zunächst fremde Staaten. Diesen konunt die Rechtsfähigkeit allerdings nicht erst nach dem eigenen nationalen Recht, sondern bereits aufgrund ihrer Eigenschaft als Völkerrechtssubjekt ZU. 14 Weiterhin beteiligtenfähig sind Gliedstaaten l5 und sonstige Gebietskörperschaften. Ihnen konunt in aller Regel eine umfassende Rechtsfähigkeit nach dem Recht ihres Heimatstaates zu. Für die sonstigen juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts (öffentlichrechtliche Anstalten, Stiftungen oder Staatsunternehmen) gilt, daß diese beteiligtenfähig sind, soweit ihnen ihr Heimatstaat die Rechtsfahigkeit einräumt. 16 Zu beachten ist im Einzelfall, daß die Rechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen unter Umständen auf ihren Aufgabenbereich beschränkt sein 13 Vgl. Hufen, § 12 Rn. 24; s. auch Bonk, in: Stelkens/BonkiSachs, § 11 Rn. 6. 14Vgl. Damian, S. 21; Geimer,Rn. 2211;Habscheid, BerDGVR 8 (1968),190 f. 15 So offenbar unproblematisch BayVGH BayVBl. 1988,660 (660 f.). 16 Eine gewisse SonderstellWlg nehmen die nach dem Gesetz (zu dem Übereinkommen vom 29.2.1968 über die gegenseitige AnerkennWlg von Gesellschaften Wld juristischen Personen) vom 18.5.1972 (BGBl. 1972 n S. 369) anerkannten, weil wirtschaftlich handelnden (Art. 2 des Übereinkommens), ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein. Diese sind bereits nach § 61 Nr. 1 VwGO i. V. m. dem Abkommen beteiligtenfliliig. Vgl. Obermayer, § 11 Rn. 9.

122

§ 5 Beteiligten- und Prozeßfähigkeit

kann. 17 Außerhalb ihres Aufgabenbereichs, also für Handlungen "ultra-vires", kommt diesen ausländischen Rechtssubjekten, entsprechend den Regelungen des ausländischen Rechts, keine Rechtsfähigkeit zu. Für das deutsche Verwaltungsprozeßrecht bedeutet diese sachliche Beschränkung der Rechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen, daß diese gegebenenfalls nur nach § 61 Nr. 2 beteiligtenfähig sind.

3. Ausländische Behörden als Beteiligte Die Beteiligtenfl1higkeit inländischer Behörden ergibt sich regelmäßig aus § 61 Nr. 3 VwGO. Danach sind Behörden fähig, an einem Verfahren teilzunehmen, sofern Landesrecht dies bestimmt. Mit der Regelung des § 61 Nr. 3 VwGO durchbricht der Gesetzgeber das Rechtsträgerprinzip und schaffi: für die Landesgesetzgeber die Möglichkeit, durch eine entsprechende Regelung Behörden unabhängig von der Frage der Rechtsfähigkeit oder der Trägerschaft materieller Rechte und Pflichten für beteiligtenfähig zu erklären. 18 Von dieser Regelungsmöglichkeit haben einzelne Länder Gebrauch gemacht. 19 Eine von § 61 Nr. 3 VwGO unabhängige Beteiligtenfähigkeit inländischer Behörden nach § 61 Nr. 1 VwGO scheidet regelmäßig aus, da Behörden als unselbständige Teile juristischer Personen des öffentlichen Rechts in aller Regel keine Rechtsfähigkeit besitzen. 20 Etwas anderes gilt, sofern Behörden im Einzelfall nicht nur Kompetenzen wahrnehmen, sondern ihnen eigene Rechte zustehen oder sie Adressat eines Rechtsanspruchs sind. In diesen Fällen sind sie bereits nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfl1hig. 21 Die Ausführungen zu § 61 Nr. 1 und 2 VwGO gelten für ausländische Behörden entsprechend. Auch sie sind beteiligtenfähig, wenn ihnen ihr Heimatrecht weitgehende Rechtsfähigkeit zuerkennt (§ 61 Nr. 1 VwGO) oder sie im Einzelfall Träger eines Rechtsanspruchs sein können (§ 61 Nr. 2 VwGO). Fraglich dagegen ist, inwieweit die Regelung des § 61 Nr. 3 VwGO auf ausländische Behörden angewendet werden kann. Sofern der Landesgesetzgeber von seiner Regelungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat und Behörden die Kopp, § 61 Rn. 7. Vgl. v. Mutius, Jura 1988,469 (474). 19 Vgl. die Aufzählung bei Redekerlv. Oertzen, § 61 Rn. 6; fiIr NRW § 5 Abs. 1 17

18

AGVwGONW. 20 Hufen, § 12 Rn. 26. 21 Vgl. Dolde, in: FS Menger, S. 433; Kopp, § 61 Rn. 12; v. Mutius, Jura 1988,469 (474).

I. Beteiligtenfähigkeit

123

Beteiligtenfähigkeit zuerkennt, ist schon im Hinblick auf inländische Behörden die Reichweite dieser Regelungskompetenz umstritten. Teilweise wird insoweit vertreten, daß sich die gesetzliche Ennächtigung des § 61 Nr. 3 VwGO nur auf Landesbehörden beziehe. 22 In diesem Zusammenhang wird regelmäßig auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO verwiesen. 23 In E 14, 330 hat das Gericht unter Bezugnahme auf § 61 VwGO entschieden, daß das Landesrecht keine Bestimmung dartiber treffen könne, daß Bundesbehörden Klagegegner i. S. von § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sein könnten. 24 Vielmehr trage der Vorbehalt einer landesgesetzlichen Regelung dem Bedürfnis Rechnung, die fiiiheren Regelungen für die Landesbehörden beizubehalten. Ein Abweichen von der generellen Geltung des Rechtsträgerprinzips, das bereits in § 23 BVerwGG25 eingefiihrt worden sei, könne nicht angenommen werden. Diese Argumentation wird von einem Teil der Lehre auch auf § 61 Nr. 3 VwGO bezogen, womit infolge einer landesgesetzlichen Regelung nur Landesbehörden beteiligtenfähig sein können. 26 Im Hinblick auf Bundesbehörden sei nur der Bundesgesetzgeber in der Lage, diesen die Beteiligtenfähigkeit zuzuerkennen. 27 Nach einer anderen Auffassung handelt es sich bei § 61 VwGO um keine organisationsrechtliche, sondern alleine um eine prozessrechtliche Nonn. § 61 Nr. 3 VwGO bestimme, wer Subjekt eines Prozeßverhältnisses sein könne. 28 Aufgrund dessen gelte das ergänzende Landesrecht für alle Verfahren in seinem Geltungsbereich, womit auch Regelungen für Bundesbehörden getroffen werden könnten. 29 Die Organisationshoheit des Bundes werde dadurch nicht betroffen. Entsprechend den dargestellten Auffassungen ist auch die Beteiligtenfähigkeit ausländischer Behörden differenziert zu behandeln. Folgt man der Ansicht, daß es dem Landesgesetzgeber alleine zusteht, die Beteiligtenfähigkeit von Landesbehörden zu regeln, ist damit zugleich eine Beteiligtenfähigkeit ausländischer Behörden nach § 61 Nr. 3 VwGO ausgeschlossen.

22 Bier, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, § 61 Rn. 8; Eyermann/Fröhler, § 61 Rn. 9 a; Kopp, § 61 Rn. 18.

B Vgl. Erichsen, Jura 1994,418 (422); s. (i. E. aber a. A.) auch v. Mutius, Jura 1988,469 (474); unter Hinweis aufBVerwGE 20, 21 Kopp, § 61 Rn. 18. 24 Vgl. BVerwGE 14,330 (331 ff.); s. auch E 20, 21 (22). 25 BGBI. 1952 I S. 625. 26 So EyermannIFröhler, § 61 Rn. 9 a; Kopp, § 61 Rn. 18. 27 Vgl. Erichsen, Jura 1994,418 (422 f). 28 Vgl. Dolde, in: FS Menger, 423 (434); v. Mutius, Jura 1988,469 (474), v. Oertzen, NJW 1961,767 (768). 29 Vgl. Hufen, § 12 Rn. 26; Redekerlv. Oertzen, § 61 Rn. 6; Ule, § 18 II.

§ 5 Beteiligten- Wld Prozeßflihigkeit

124

Etwas anderes könnte dagegen gelten, wenn man mit der wohl für vorzugsWÜfdig zu haltenden Auffassung davon ausgeht, daß dem Landesgesetzgeber eine umfassende Regelungskompetenz hinsichtlich der Beteiligungsfähigkeit von Behörden zukommt. Zu bedenken ist insoweit aber, daß ausländische Behörden unselbständige Teile ausländischer juristischer Personen sind. Ihre rechtliche Struktur und ihr rechtlicher Status hängen alleine von der innerstaatlichen Organisation eines fremden Staates ab. Sie sind in ihrer Existenz und ihrem Aufgabenbereich von ihrem Rechtsträger abhängig. Ihre rechtliche Berücksichtigungsfähigkeit führt daher alleine über diese juristische Person. Der deutschen Staatsgewalt stehen ausländische Behörden in demselben Maße unverbunden gegenüber, wie bspw. ein Organ einer juristischen Person des Privatrechts. Ebenso wie dieses und anders als inländische Behörden üben ausländische Behörden keine Staatsgewalt im Sinne der deutschen Rechtsordnung aus. Sie sind daher aus Sicht des deutschen Rechts weder Behörde im organisatorischen noch im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinn. 30 Eine Gleichstellung mit inländischen Behörden kommt daher nicht in Betracht. Insoweit sind ausländische Behörden auch nicht nach § 61 Nr. 3 VwGO beteiligtenfähig. Dies gilt auch in Fällen, in denen nationale Vorschriften ausländische Behörden in ihren Regelungsbereich aufnehmen. Soweit bspw. § 8 UVPG bestimmt, daß ausländische Behörden bei umweltrelevanten Vorhaben, die grenzüberschreitende Wirkung haben können, in gleicher Weise zu unterrichten sind wie inländische Behörden, bedeutet dies für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung über diese Pflicht nicht, daß die betreffende ausländische Behörde nach § 61 Nr. 3 VwGO beteiligtenfahig sein muß. Entsprechende Konstellationen sind vielmehr unter Berücksichtigung des § 61 Nr. 2 VwGO zu lösen. 31 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß ausländische Behörden nicht nach § 61 Nr. 3 VwGO i. V. m. einer entsprechenden Regelung des Landesrechts beteiligtenfahig sein können. Ihre Beteiligtenfahigkeit kann sich aber u. U. aus § 61 Nr. 1 und 2 VwGO ergeben.

11. Prozeßfähigkeit Die Prozeßfahigkeit ist die ..prozessuale Handlungsfahigkeit" eines Rechtssubjekts, das heißt, die Fähigkeit, im Prozeß selbst oder durch Bevollmächtigte wirksame Handlungen vornehmen zu können. I

Vgl. dazu auch Obermayer, § I Rn. 70 tT., 88. Zur RechtsstellWlg ausländischer Behörden s. Wlten § 7 N. 2. c). Hufen, § 12 Rn. 29; Kopp, § 62 Rn. I; Schenke, Rn. 477.

30 31 I

II. Prozeßfilhigkeit

125

Nach § 62 Abs. 3 VwGO handeln fiir Vereinigungen sowie Behörden ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragte. Zu den Vereinigungen i. S. von Abs. 3 gehören neben den Vereinigungen i. S. von § 61 Nr. 2 VwGO mangels eigener Prozeßfähigkeit auch alle juristischen Personen i. S. von § 61 Nr. 1 VwGO. 2 Wer gesetzlicher Vertreter ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. 3 Dies gilt im Grundsatz auch fiir fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts. Auch sie werden im Prozeß durch ihre Organe vertreten. Die Bestimmung, durch welche Organe die Vertretung erfolgt, obliegt dabei ihrem Heimatrecht. 4 Anders als in bezug auf die Beteiligtenfähigkeit braucht hier allerdings nicht zwischen materiellem und prozessualem Recht unterschieden zu werden. Unabhängig davon ist das Organ vertretungsberechtigt, das nach fremdstaatlichem Recht fiir die betreffende juristische Person im Prozeß zu handeln hat. 5

2 Kopp,

§ 62 Rn. 14; Schenke, Rn. 481. Hufen, § 12 Rn. 34; Redekerlv. Dertzen, § 62 Rn. 6. 4 Vgl. Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 191; Schack, Rn. 538; s. auch Nagel, Rn. 272; ebenso zur Vertretung eines ausländischen Fiskus BGHZ 40, 197 (199). 5 Inwieweit das zuständige Organ seinerseits prozeßfähi~ ist, richtet sich wiederum nach § 62 VwGO. (Vgl. Redekerlv. Dertzen, § 62 Rn. 6.) Ahnlich wie zuvor im Hinblick auf die Parteifllhigkeit ausländischer Rechtssubjekte ist im IZPR hinsichtlich der Prozeßfähigkeit von Ausländern umstritten, ob insoweit auf das materielle oder prozessuale Heimatrecht abzustellen ist. (Vgl. dazu Nagel, Rn. 271.; s. auch Firsching/ v. HofJmann, § 3 Rn. 105; Geimer, Rn. 2217; Schack, Rn. 535.) Anders als dort ist es aber auch fttr den Verwaltungsprozeß ausreichend, daß ein Rechtssubjekt nach seinem Heimatrecht prozeßflIhig ist. § 62 VwGO stellt alleine darauf ab, wer eine wirksame Prozeßhandhmg vornehmen kann und verweist gemäß Abs. 4 insoweit auf die Regehmgen der ZPO (§§ 53 bis 58 ZPO). Eine besondere Behandlung wie im Hinblick auf § 61 VwGO, der an die Trägerschaft materieller Rechtspositionen anknüpft, ist nicht notwendig. Bestimmt ein fremder Staat, daß ein ihm zugehöriges Rechtssubjekt filhig ist, prozessuale Handlungen vorzunehmen, kann dies von der deutschen Rechtsordnung ohne weiters anerkannt werden. Für eine solche Sichtweise spricht auch § 55 ZPO (i. V. m. § 61 Abs. 4 VwGO), der ausdrücklich auf die fremdstaatliche ProzeßflIhigkeit abstellt. I. E. wie hier Kopp, § 61 Rn. 10; Redekerlv. Dertzen, § 62 Rn. 5; s. auch Dbermayer, § 12 Rn. 53; zum lZPR Nagel, Rn. 271. 3

§ 6 Statthafte Klagearten Keine Besonderheiten weist die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts hinsichtlich der statthaften Klagearten auf. Die Klageart bestimmt sich auch in diesen Fällen nach dem Begehren des Klägers. Tritt ein fremder Staat oder eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts als Kläger auf, sind sowohl gemäß § 42 Abs. 1 VwGO Anfechtungsklage (bspw. gegen die Genehmigung einer umweltgeflihrdenden Anlage) wie Verpflichtungsklage (bspw. auf Erteilung einer Genehmigung für ein Bauvorhaben im Inland), als auch Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO (bspw. auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes, der unter Mißachtung bestehender Immunität zustande gekommen ist») sowie eine allgemeine Leistungsklage denkbar. Letztlich kann ein fremder Staat oder eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts wie jeder Private einen Antrag auf Normenkontrolle (§ 47 VwGO) stellen oder einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO bzw. § 123 VwGO beantragen. 2

I Ist ein gerichtliches Urteil Wlter Mißachnmg fehlender deutscher Gerichtsbarkeit ergangen, kann diese wirkungslose EntscheidWlg, wie oben gezeigt (vgl. § 2 IV. 2.), zwn einen mit den nonnalen Rechtsmitteln oder im Wege des Wiederaufuahmeverfahrens angegriffen werden, es komme, einem Teil der Lehre folgend, zwn anderen aber auch eine Klage auf FeststellWlg der Unwirksamkeit des Urteils in Betracht. Die BeziehWlg zwischen dem hnmunitätsträger Wld dem Gericht bilde insoweit ein feststelIWlgsfiihiges Rechtsverhältnis, vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 62 IV 2. Ablehnend demgegenüber wohl Kopp, § 43 Rn. 13. 2 Zu den genannten Wld weiteren Klagearten vgl. Schmitt Glaeser, Rn. 25.

§ 7 Klagebefugnis I. Voraussetzungen der Klagebefugnis Zu den umstrittensten, wenngleich bedeutendsten Sachurteilsvoraussetzungen des deutschen Verwaltungsprozeßrechts gehört das Institut der Klagebefugnis.

1. Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO Nach § 42 Abs. 2 VwGO sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch einen VA oder dessen Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Sinn und Zweck dieser Regelung besteht zunächst darin, Popularklagen auszuschließen. 1 Es soll verhindert werden, daß sich jedennann zum Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Dritter machen kann. 2 Der Klagebefugnis kommt nach zutreffender Ansicht daneben die Aufgabe zu, verwaltungsprozessual relevante Rechtsverletzungen von bloßen tatsächlichen Interessensbeeinträchtigungen abzugrenzen. 3 Dem eindeutigen Wortlaut des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend, soll der Kläger nur vor Rechtsverletzungen geschützt werden. Eine bloße Interessenklage ist hingegen ausgeschlossen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Fälle der sog. Drittanfechtungsklage. Wenngleich die Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung nur für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nonniert ist, findet der Rechtsgedanke des § 42 Abs. 2 VwGO nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung

1 Vgl. EyermannIFrähler, § 42 Rn. 130; Hufen, § 14 Rn. 72; Kopp, § 42 Rn. 37; Schenke, Rn. 490; Stern, VwPrR, Rn. 285; vgl. auch Ehlers, JuS 1989, 364 (371); gnmdsätzlich kritisch Rupp, DVBl. 1982,144 (146). 2 Schmitt Glaeser, Rn. 150. 3 Vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993), l39 (141); ders. JuS 1989, 364 (371); Wahl/Schatz, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 8; Hufen, § 14 Rn. 72; Krebs, in: FS Menger, S. 198 (

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und Lehre auch auf die allgemeinen Leistungsklagen4 und den einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 VwGOs entsprechende Anwendung. Diese Sichtweise entspricht der grundsätzlichen Ausrichtung der VwGO auf das System des subjektiven Rechtsschutzes. 6 Nicht nur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verlangen zur Eingrenzung des Kreises der Rechtsschutzberechtigten eine besondere subjektive Rechtsposition, gleiches gilt vielmehr rur alle Leistungsklagen sowie den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 VwGO. 7 Teilweise wird analog § 42 Abs. 2 die Klagebefugnis auch als Voraussetzung fiir die Zulässigkeit einer Feststellungsklage angesehen. 8 Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß sich das Erfordernis des "berechtigten Interesses" in § 43 Abs. 1 VwGO, welches nicht zwingend rechtlicher, sondern auch tatsächlicher Art sein könne, lediglich auf das Rechtsschutzbedürfnis, nicht aber die Klagebefugnis beziehe. 9 Insoweit bestehe auch dort eine Regelungslücke, die aus Rücksicht auf die gleiche Interessenlage durch eine analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO zu schließen sei. Dem wird entgegengehalten, daß der Wortlaut des § 43 Abs. 1 VwGO lediglich ein berechtigtes Interesse verlange und insoweit eine abschließende Regelung treffe. Für eine Analogie sei kein Raum. IO Die Rechtsprechung folgt der erstgenann-

4 Vgl. BVerwGE 36, 192 (199); E 60, 144 (150); Ehlers, NVwZ 1990, 105 (109 0; ders., Jus 1989, 364 (371); EyermannIFröhler, § 42 Rn. 197; Hufen, § 14 Rn. 74; Schenke, Rn. 491 f.; Schmitt Glaeser, Rn. 150; Stern, VwPrR, Rn. 285; a. A. Erichsen, Jura 1994, 385 (386); Schoch, S. 213. S Vgl. Kopp, § 80 Rn. 93; PietznerlRonellenjitsch, § 57 Rn. 15; Stern, VwPrR, Rn. 305; zusätzlich auch im Hinblick auf § 123 VwGO: Wahl/Schütz, in: Schoch!Schmidt-AßmarutfPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 35; PietznerlRonellenjitsch, § 14

Rn. 1.

Vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993),139 (143); ders. , NVwZ 1990, 105 (110). Soweit eine analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO in der Literatur auf Ablehnung stößt, wird die Zulässigkeit einer Klage regelmäßig vom Vorliegen der allgemeinen Prozeßftlhrungsbefugnis abhängig gemacht, wonach eine Klage dann unzulässig ist, wenn der geltend gemachte Anspruch dem Kläger unter keinen Umständen zustehen kann. (vgl. dazu Schoch, S. 213 m. w. N., insb. auch Erichsen, Jura 1994, 385 (386); zur Kritik vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 [142 f.)) Auch nach dieser Auffassung ist somit der Frage nachzugehen, ob sich aus der deutschen Rechtsordnung Rechte zugunsten ausländischer juristi,scher Personen des öffentlichen Rechts ergeben, die es diesen ermöglichen, innerstaatlichen Rechtsschutz zu erlangen. S Vgl. Kopp, § 42 Rn. 38; PietznerlRonellenjitsch, § 14 Rn. 1; ausfilhrlich Ehlers, NVwZ 1990, 105 (110 0; ders. , JuS 1989,364 (371); Knuth, JuS 1986,523 (525 ff.); vgl. auch Stern, VwPrR, Rn. 300. 9 Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (143 f.). 10 Vgl. Schenke, Rn. 410; Schmitt Glaeser, Rn. 341; mit ausfilhrlicher Begrilndung Wahl/Schütz, in: Schoch! Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 23 ff.; vgl. auch Erichsen, Jura 1994, 385 (386); Schoch, JuS 1987, 783 (790). 6

1

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ten Ansicht und wendet die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO über die Klagebefugnis auch auf die Feststellungsklage entsprechend an. 11 Gleiches gilt nach überwiegender Ansicht fiir die Fälle der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VWGO. 12 Auch bei dieser Klageart sei § 42 Abs. 2 VwGO analog anzuwenden. Ausdrücklich erforderlich ist die Geltendrnachung einer subjektiven Rechtsverletzung jetzt auch im Normenkontrollverfahren. Nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO kann den Antrag auf Normenkontrolle jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch eine Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit zu werden. I3 Da der Rechtsgedanke des § 42 Abs. 2 VwGO somit auf alle wesentlichen verwaltungsrechtlichen Klagearten erstreckt wurde, soll nachfolgend ausfiihrlieh auf diese Vorschrift und ihre inhaltlichen Anforderungen eingegangen werden.

2. Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO a) Begriffsbestimmung

Als Rechte, deren Verletzung ein Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann, kommen nach ganz überwiegender Auffassung nur subjektivöffentliche Rechte in Betracht. 14 Begriff und Inhalt des subjektiv-öffentlichen Rechts sind seit langem umstritten. Dies liegt insbesondere daran, daß diesem Rechtsinstitut sowohl prozessuale als auch materielle Bedeutung zukommt. 15 11 Vgl. BVerwGE 99, 64 (66); BVerwG DVBl. 1993,886 (888); BVerwG NVwZ 1991,470 (471); BVerwG NVwZ 1989,470 (471); OVG Münster DVBl. 1993, 60 (61); zur Nichtigkeitsfeststelhmgsklage BVerwG NJW 1982, 2205; zwnindest filr DrittbeteiligungsOOle OVG Münster NVwZ 1984,522 (523). 12 Vgl. Wahl/Schatz, in: SchochlSchmidt-AßmannJPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 22; Schenke, Rn. 489; Stern, VwPrR, Rn. 285. \3 Zur AnpasSWlg der Antragsbefugnis nach, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO an, § 42 Abs. 2 VwGO kritisch Schenke, NJW 1997, 81 (87). 14 Vgl. Hufen, § 14 Rn. 94; Schenke, Rn. 495; Schmitt Glaeser, Rn. 157; Stern, VwPrR, Rn. 289; ausdrücklich zum Merkmal des öffentlichen Rechts Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (144 f.); Kopp, § 42 Rn. 45; differenzierend Eyermann/ Fröhler, § 42 Rn. 155; a. A. Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 102, nach deren Ansicht auch die BeeinträchtigWlg privater Rechte ausreicht. 15 Zur materiellen Bedeutung des subjektiv-öffentlichen Rechts ausftlhrlich Wahl, in: SchochlSchmidt-AßmannJPietzner, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 45 ff.; Erichsen, in: ders., 9 Feldmüller

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Nach heute überwiegender Auffassung liegt ein subjektiv-öffentliches Recht vor, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts einem Träger der öffentlichen Gewalt eine Verhaltenspflicht auferlegt, dieser Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung der (Individual-)Interessen des Betroffenen dient und so diesem die Rechtsmacht zukommt, die normgeschützten Interessen gegenüber dem Verpflichteten durchzusetzen. 16 Zu den Rechten i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO gehört jedes von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkanntes (Individual-)Interesse. 17 Eine Unterscheidung zwischen ausdrücklicher Berechtigung und implizit geschütztem Interesse erfolgt nicht. 18 Träger solcher individueller Berechtigungen kann neben den natürlichen Personen auch jede juristische Person sein. Auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts können Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zustehen. 19 Inwieweit diesen in einem solchen Fall jedoch der Charakter eines subjektivöffentlichen Rechts zukommt, ist umstritten. 20 Einigkeit besteht jedoch dahinAlIgVerwR, § 11 Rn. 30 ff.; Maurer, § 8 Rn. I ff.; Scherzberg, DVBl. 1988, 129 ff.; WolfflBachoflStober, § 43 Rn. 1 tI 16 Vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (145); ders., Rechtsschutz der Gemeinde, S. 35; Erichsen, in: ders., AlIgVerwR, § 11 Rn. 35; Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118; s. auch Schenke, Rn. 496; WolfflBachofiStober, § 43 Rn. 12. Vielfach wird das subjektiv-öffentliche Recht i. E. gleich als individuelle Berechtigung verstanden, von einem Hoheitsträger ein TWl, Dulden oder Unterlassen verlangen zu können. Vgl. Mayer/Kopp, § I S. 165; Schmitt Glaeser, Rn. 157; Schweickhardt, in: ders., Rn. 217. 17 Vgl. EyermannIFriJhler, § 42 Rn. 155; Kopp, § 42 Rn. 43; Schmitt Glaeser, Rn. 158; s. auch Erichsen, Jura 1989,220 (220). 18 Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 119; s. auch Ehlers, Rechtsschutz der Gemeinde, S. 35 f. 19 Vgl. Hufen, § 14 Rn. 126 ff.; Schenke, Rn. 498 a; Schmitt Glaeser, Rn. 158; Stern, VwPrR, Rn. 295; s. auch Mayer/Kopp, § 1 S. 166. 20 Vielfach wird das subjektiv-öffentliche Recht defmiert als eine dem einzelnen aufgrund öffentlichen Rechts verliehene Rechtsrnacht, mittels derer er vom Staat oder einem sonstigen Träger der öffentlichen Gewalt ein konkretes TWl, Dulden oder Unterlassen verlangen kann (vgl. m. w. N. Schmitt Glaeser, Rn. 157). Dieser Defmition liegt die Ansicht zugrunde, daß das subjektiv-Offentliche Recht ein wesentlicher Bestandteil einer RechtsordnWlg ist, die den einzelnen nicht zum Objekt staatlichen Handelns macht (Erichsen, in: ders., AlIgVerwR, § II Rn. 30), sondern ihn in Ausprägung des grundgesetzlichen Menschenbildes als eigenverantwortliches Wesen ansieht (Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 117). Unter ErweiterWlg der genannten Defmition wird vertreten, daß subjektiv-öffentliche Rechte nicht nur zugunsten des einzelnen, sondern auch zugunsten des Staates anzuerkennen seien. Vgl. Bauer, DVBl. 1986, 208 ff.; Erichsen, in: ders., AlIgVerwR, § 11 Rn. 42; Schenke, Rn. 387; Scherzberg, DVBl. 1988, 129 (BI ff.). So weist Erichsen darauf hin, daß heute nicht mehr von einer vorrechtlichen Unterworfenheit des Bürgers Wlter den Staat auszugehen sei, sondern das Recht vielmehr die KonfliktentscheidWlg zwischen staat-

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gehend, daß § 42 Abs. 2 VwGO sowohl Rechtspositionen von Organen oder Organteilen im staatlichen Binnenbereich als auch die Rechtspositionen von Gemeinden (insbesondere Art. 28 Abs. 2 GG) und sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften umfaßt. 21 Im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO spricht einiges dafür, zwischen staatsgerichteten Rechten einerseits und Rechtspositionen im organschaftlichen Rechtskreis andererseits zu unterscheiden und nur erstgenannte als subjektivöffentliche Rechte zu bezeichnen. 22 lichen Befugnissen und Individualinteressen darstelle. Aus diesem Grunde seien dem Staat subjektiv-öffentliche Rechte zur Durchsetzung der ihm verliehenen Rechtsrnacht in gleicher Weise wie dem Bürger zuzubilligen (Erichsen, in: ders., AllgVerwR, § 11 Rn. 42). Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Bauer unter Darlegung der geschichtlichen Entwicklung der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht. Den Begründern dieses Rechtsinstituts sei eine Erstreckung der Rechtsfigur des subjektiv-öffentlichen Rechts auch auf den Staat nicht fremd gewesen. Erst im Laufe der weiteren Diskussion habe sich die Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht auf die Ermittlung von Rechtspositionen, die dem einzelnen Bürger zukämen, reduziert. (Vgl. Bauer, DVBl. 1986, 208 [208 ff.)) Einer derartigen Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte zugunsten des Staates wird entgegengehalten, daß das subjektiv-öffentliche Recht auf Zivilpersonen zugeschnitten sei und sich grundsätzlich gegen den Staat und nicht umgekehrt gegen den Bürger richtete (sog. Konfusionsargument~ PietznerlRonellenfitsch, § 14 Rn. 2~ s. auch Bleckmann, DVBl. 1986, 666 fI~ zum Konfusionsargument im Bereich der Grundrechte vgl. unten § 7 IlI. 1. b] aa)). Die Annahme subjektiv-öffentlicher Rechte des Staates sei daher abzulehnen. Vgl. zum Streit um die subjektiv-öffentlichen Rechte des Staates auch Maurer, § 8 Rn. 2~ Ehlers, Rechtsschutz der Gemeinde, S. 36 f.~ Krebs, in: FS Menger, S. 207 f. Aus der Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte zugunsten des Staates werden in der Literatur teilweise weitreichende Konsequenzen gezogen. So sieht Bauer das subjektiv-öffentliche Recht als Bestandteil eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen Rechtssubjekten (im wesentlichen zwischen Bürger und Staat). Mit der Erkenntnis, daß aus diesem Rechtsverhältnis auch subjektive Berechtigungen des Staates folgten, könnten all jene Definitionen, die auf das rechtlich geschützte Individualinteresse abstellten, nicht mehr fortgeschrieben werden. Im Ergebnis versperre sich der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts gegen eine Einheitsdefmition, vielmehr handele es sich dabei um einen "offenen" und verschiedenen inhaltlichen Variationen zugänglichen Rahmenbegriff, "der besagt, daß jemandem ,etwas - und zwar etwas jeweils Bestimmtes - rechtens zukommt oder gebührt', wobei es sich bei diesem Etwas um sehr Verschiedenes handeln kann." (Vgl. Bauer, DVBl. 1986,208 (217) unter Bezugnahme auf die von Larenz entwickelte Defmition des subjektiven Rechts im Privatrecht~ ders., DVBl. 1986, 667 (668)~ zur Kritik Bleckmann, DVBl. 1986, 666 ff.). 21 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders., BesVerwR, 1. Abschn. Rn. 24~ Wahl, in: SchochlSchmidt-Aßmannl Pietzner, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 119~ zur Klagebefugnis aus organschaftlichen Rechten Kopp, § 42 Rn. 44~ zu Art. 28 Abs. 2 GG Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 103 ff.~ Schenke, Rn. 498 a~ s. auch BVerwG DVBl. 1984,88 (88 f.). 22 Vgl. Ehlers, DVBl. 1986, 912 (914)~ ders., Rechtsschutz der Gemeinde, S. 36~ s. auch Wahl, in: Schochl Schmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 42, 120.

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Subjektiv-öffentliche Rechtspositionen i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO können sich aus unterschiedlichen Rechtsquellen ergeben. In Betracht kommen insbesondere Nonnen des Verfassungsrechts (insb. die Rechte des 1., 11. und X. Abschnitts des Grundgesetzes) und einfachen öffentlichen Rechts. 23 Denkbar sind aber auch Rechtspositionen, die aus dem Völkerrecht, dem Europarecht oder dem ausländischen (öffentlichen) Recht folgen. 24 Voraussetzung ist insoweit allerdings stets die innerstaatliche Geltung und Anwendbarkeit des fremden Rechts. 25

b) Schutznormtheorie26

Nach überwiegender Auffassung richtet sich die Bestimmung subjektivöffentlicher Rechte nach der sog. "Schutznonntheorie". 27 Danach hängt die subjektive Berechtigung des einzelnen davon ab, ob sich dieser auf einen Rechtssatz berufen kann, der nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern zumindest auch dem Interesse des einzelnen zu dienen bestimmt ist. 28 Für den

23 So die ganz h. M.: Vgl. Kopp, § 42 Rn. 43; Hufen, § 14 Rn. 95; Schenke, Rn. 498 fI; Schmitt Glaeser, Rn. 157; Stern, VwPrR, Rn. 289; s. auch Maurer, § 8 Rn. 10; Schmalz, Rn. 853; Schweickhardt, in: ders., Rn. 220; Sachs, in: Stelkensl BonkiSachs, § 50 Rn. 17; a. A: Wahl, in: SchochtSchmidt-Aßmann/Pietzner Vorb.

§ 42 Abs. 2 Rn. 54, wonach subjektiv-öffentliche Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO nur auf der Ebene des einfachen Rechts existieren. Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Gnmdrechte vgl. unten § 7 m.; s. auch Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 fI 24 Vgl. Kopp, § 42 Rn. 43, 51; s. auch Schmalz, Rn. 853; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 133; WoljJlBachoJlStober, § 43 Rn. 42 ff.; zum EuroparechtHufen, § 14 Rn. 108 a; Schenke, Rn. 498 Fußn. 9 b; s. ebenfalls Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 6. 2S Vgl. dazu ausftihrlich zum Völkerrecht § 711.; zum EG-Recht § 7 V. und zum ausländischen öffentlichen Recht § 7 VI. 26 Die nachfolgenden Ausftihrungen müssen aufgrund des begrenzten Untersuchungsgegenstandes auf die Darstellung der wesentlichen Ansätze und Kritikpunkte der vertretenen Auffassungen insoweit beschränkt bleiben, als es ft1r die Erörterung subjektiv-öffentlicher Rechte zugunsten ausländischer Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts notwendig ist. 27 Vgl. zur Rechtsprechung: BVerfGE 27, 297 (307); E 83, 182 (194 f); BVerwGE 72,226 (229 f); s. weiter BVerwGE 27, 29 (31 f); E 41, 58 (63); E 52, 122 (129); E92, 313 (317); Vgl. zur Literatur: Ehlers, VerwArch 84 (1993),139 (145); Kopp, § 42 Rn. 43; Schenke, Rn. 497; Schmitt Glaeser, Rn. 158; Sachs, in: StelkensIBonkiSachs, § 40 Rn. 72; m. zahlr. N. Stern, IIIIl S. 534 f (insbes. Fußn. 247); ders., VwPrR, Rn. 289; Wahl/Schütz, in: SchochtSchmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs.2 Rn. 45; WoljJlBachoJlStober, § 43 Rn. 23; s. auch Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 19 Rn. 21; KrUger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 128; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 19 Abs. 4 Rn. 44; kritisch Bauer, AöR 113 (1988), 582 ff., insb. S. 603 f 28 Kopp, § 42 Rn. 43; Sachs, in: StelkensIBonkiSachs, § 40 Rn. 73, § 50 Rn. 15; Wahl/Schütz, in: Schocht Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 45; als grundle-

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Bestand entsprechender subjektiv-öffentlicher Rechte kommt es damit entscheidend auf den intendierten Interessenschutzzweck der Nonn an. 29 Soweit die fragliche Nonn keine ausdrückliche Begünstigung eines bestimmten Personenkreises enthält, ist der individualschützende Charakter der betreffenden Vorschrift durch Auslegung festzustellen. 30 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Schutznonntheorie zur Bestimmung des subjektiven Charakters von Nonnen jeglicher Provenienz heranzuziehen ist oder ob sich ihr Anwendungsbereich auf die Nonnen des einfachen (Verwaltungs-)Rechts beschränkt. 3) Während diese Frage im Hinblick auf die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Rechte insoweit keine Rolle spielt, als diese Vorschriften nach allgemeiner Auffassung subjektive Rechte gewähren,32 kommt ihr in jenen Fällen praktische Bedeutung zu, in denen Nonnen völkerrechtlicher oder europarechtlicher Herkunft betroffen sind. Der Systementscheidung des Verwaitungsprozeßrechts zugunsten des Individualrechtsschutzes folgend,33 ist jede Nonn, auf die sich der Kläger beruft, daraufhin zu untersuchen, ob sie ihm ein subjektives Recht, das heißt ein auch für ihn rechtlich anerkanntes und geschütztes Interesse, verleiht. 34 Dies gilt für Nonnen jedweder Herkunft. Nur subjektive Rechte berechtigen, von der Ausnalune des § 42 Abs., 2, l. Hs. VwGO abgesehen, zur Klage vor deutschen Verwaltungsgerichten. Diese Rechtspositionen sind letztlich im materiellen Recht begründet, und die (verwaltungsrechtliche) Klage fungiert nur als Mittel zu ihrer Durchsetzung. Inhalt und Umfang des subjektiven Rechts richten sich damit wesentlich nach den Vorgaben der zugrundeliegenden Rechtsordnung. Insoweit können die Kriterien, nach denen sich die Subjektivität einer Rechtsnonn bestimmt, je nach RechtsquelIe differieren. 35 Ob die Regelungen fremder gend gilt Ottmar Bahler, Die subjektiven Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwa1tungsrechtsprechung, 1914. 29 Wahl/Schatz, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 45; s. auch SchmittGlaeser, Rn. 158. 30 Vgl. Schenke, Rn. 498; Erichsen, Jura 1989, 220 (221); s. auch Kopp, § 42 Rn. 48; WolfflBachofiStober, § 43 Rn. 13 ff. 31 Zugunsten einer wnfassenden Anwendung der Schutznormtheorie: Kopp, § 42 Rn. 43; Schenke, Rn. 495 ff.; Stern IIIIl S. 541 ff.; ders. IIII2 S. 1770; ders., VwPrR, Rn. 289; vgl. auch WolfflBachofiStober, § 42 Rn. 27 ff.; wohl nur auf Normen des einfachen öffentlichen Rechts begrenzt: Hufen, § 14 Rn. 95; Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 127 ff. 32 Vgl. nur Schenke, Rn. 498; m. w, N. Stern, IIII1 S. 530 ff. 33 Zur Systementscheidung filr den subjektiven Rechtsschutz ausfilhrlich Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 11 ff.; vg1. auch Krebs, in: FS Menger, S. 197 ff. 34 Stern, VwPrR, Rn. 289. 35 Problematisch sind insbesondere die Fälle, in denen die zugrundeliegende Rechtsordnung keine subjektiv-öffentlichen Berechtigungen i. S. des deutschen öffent-

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Rechtsordnungen einer Anwendung der Schutznonntheorie zugänglich sind, wird damit nachfolgend hinsichtlich der verschiedenen Rechtsordnungen gesondert zu untersuchen sein. Zur Ermittlung des Schutzzwecks einfachgesetzlicher Nonnen des deutschen öffentlichen Rechts, also zur Abgrenzung von bloßer faktischer Begünstigung (sog. Rechtsreflex) und rechtlich geschütztem Interesse,36 wird auf die ganze Bandbreite an Auslegungsmethoden zurückgegriffen. Wurde in der Vergangenheit noch dem Willen des historischen Gesetzgebers besondere Bedeutung zuerkannt,37 gilt der Begriff der Schutznonntheorie nach heutigem Verständnis als "eine Sammelbezeichnung fiir einen ganzen Kanon von Auslegungsmethoden und Regeln, nach denen der subjektivrechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll. ,,38 Als Auslegungskriterien sind dabei neben Wortlaut und Nonnzweck unter anderem das die Nonn umgebende Rechtsgefiige, die institutionellen Rahmenbedingungen und auch die Wertungen der Grundrechte zu berücksichtigen. 39 Zur Bestinunung des zu ermittelnden Interesses weist Erichsen zu Recht darauf hin, daß die Beantwortung dieser Frage von der präzisen Erfassung der von der betreffenden Nonn benannten oder vorausgesetzten "Trägerschaft der Interessenwahrnehmung" abhängt. Die herkömmliche Abgrenzung von privatem und öffentlichem Interesse sei insoweit untauglich, als daß gegebenenfalls auch staatliche oder Gemeinwohlinteressen nichts anderes sein könnten als wohlverstandene Individualinteressen. 40 ,,Ein subjektives öffentliches Recht wird [... ] begründet, wenn einem Rechtssubjekt ein bestimmtes Interesse zur eigenen Wahrnehmung und damit als ,eigenes' normativ zugewiesen, es insoweit von der Rechtsordnung als Zurechnungsendsubjekt anerkannt wird. Das setzt zunächst voraus, daß das Interesse durch die Anwendung eines Rechtssatzes tatsächlich erfaßt ist und sich dies nicht nur als unspezifische Folge, sondern als sein objektiver Rege1ungsgegenstand und zumindest eines seiner Regelungsziele darstellt, der Rechtssatz also eine Regelung unter Berücksichtigung des Interesses enthält oder anordnet. Zudem muß er ein Rechtssubjekt durch aus-

lichen Rechts kennt. Vgl. dazu unten zum Völkerrecht § 7 11.2. b) und zum EG-Recht § 7 V. 2. 36 Zu Rechtsreflex und rechtlich geschütztem Interesse Erichsen, in: ders., AligVerwR, § 11 Rn. 36; Schmitt Glaeser, Rn. 158; vgl. auch Stern, VwPrR, Rn. 289; WolfflBachofiStober, § 43 Rn. 8 ff. 37 Vgl. dazu Bauer, AöR 113 (1988), 582 (597). 38 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 128. 39 Zu den Auslegungsmethoden im einzelnen Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 128; s. auch Schenke, Rn. 498 ff.; Schmitt Glaeser, Rn. 164 ff. 40 Erichsen, in: ders., AllgVerwR, § 11 Rn. 37; vgl. auch PietznerlRonellenjitsch, § 14 Rn. 2; s. zur Vielfältigkeit des Inhaltes öffentlicher Interessen auch BuH, § 2 Rn. 67; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerR, § 2 Rn. 26.

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drückliche oder konkludente Benennung zwn Träger der von der Regelung erfaßten Interessen machen. ,,41

Über den vorstehenden Ansatz hinaus ist die Schutznonntheorie in der Literatur vielfach kritisiert worden. 42 Es wird angefiihrt, daß sie zu einer großen Anwendungsunsicherheit fiihre. 43 So habe sich in der Rechtsprechung unter Anwendung der Schutznonntheorie eine unübersichtliche und schwankende Kasuistik herausgebildet,44 die an der Brauchbarkeit dieses Ansatzes zweifeln lasse. Selbst auf Rechtsgebieten wie dem Baunachbarrecht, die durch eine jahrzehntelange Rechtsprechungstradition geprägt seien, sei es nicht gelungen, die mit dem Schutznonndenken zusammenhängenden prinzipiellen Fragen zu klären. 45 Besonders augenfällig werde die mit der Schutznonntheorie verbundene Rechtsunsicherheit in den Fällen der sog. "Drittbetroffenheit", in denen die Anerkennung von ursprünglich äußerst umstrittenen und unter Berufung auf die Schutznonntheorie verneinten Ansprüchen im Laufe der Rechtsentwicklung zu einer Zunahme subjektiv-öffentlicher Rechte gefiihrt habe. Weiterhin wird darauf verwiesen, daß es mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar sei, die Gewährung subjektiver Rechte zur Disposition des einfachen Gesetzgebers zu stellen. Es sei bedenklich, daß einerseits Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg gegenüber Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt garantiere und andererseits dieser öffentlichen Gewalt die Entscheidung darüber zustehen solle, in welchen Fällen ein entsprechendes Recht bestehe. 46

c) Lehre vom Rechtsverhtiltnis Als methodologischer Neuansatz wird in der Literatur unter Ablehnung der Schutznonntheorie zur Begründung subjektiver Rechte auf die Lehre vom (Verwaltungs-)Rechtsverhältnis hingewiesen. 47 Nach dieser Auffassung wird das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger zum Ausgangspunkt der Begründung eines subjektiven Rechts. Allein mit der Beachtung des Rechtsver-

Erlchsen, in: ders., AllgVerwR, § 11 Rn. 38. 42 Vgl. dazu ausfil.hrlich Bauer, AöR 113 (1988), 582 ff. (m. zahlr. N. in Fußn. 11); s. auch Kopp, § 42 Rn. 48; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dorig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 129; WolfJlBachoJlStober, § 43 Rn. 23 ff. 43 Vgl. m. w. N. Bauer, AöR 113 (1988), 582 (604 f). 44 So bspw. Breuer, DVBl. 1983,431 (432). 45 Bauer, AöR 113 (1988), 582 (605). 46 VgJ. Hartmann, S. 212; Henke, S. 3. 47 Zur dogmatischen Grundlage Bauer, AöR 113 (1988), 582 (611 ff.); ders., DVBl. 1986,208 (215 tI); vgl. auch Hartmann, S. 215; Henke, in: FS Weber, S. 509 tI; mit weitgehenden Konsequenzen ders., DÖV 1980, 621 (633); allgemein zwn VerwaltungsrechtsverhältnisAchterberg, § 20 Rn. 1 ff.;Maurer, § 8 Rn. 16 ff. 41

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§ 7 Klagebefugnis

hältnisses könnten die komplexen Rechtsstrukturen mit Rechtsbeziehungen zwischen verschiedenen Rechtssubjekten, das heißt bspw. zwischen Staat, Betroffenem und Drittem, in ihrer Lebenswirklichkeit hinreichend beachtet werden. 48 Innerhalb der Untersuchung eines entsprechenden Rechtsverhältnisses komme den Grundrechten als absoluten Rechten besondere Bedeutung zu. Sie bilden quasi die Grundlage fiir die einfachgesetzlich normierten besonderen Rechtsverhältnisse. 49 Damit führe die Lehre vom Rechtsverhältnis zu einer "Orientierung an dem gesamten, das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normenmaterial, gestattet dementsprechend eine integrierte Heranziehung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht und erlaubt überdies die Berücksichtigung der konkreten Sachstrukturen des jeweiligen Regelungsbereichs."so

d) Eigene Würdigung

Soweit der neuere Ansatz auf die Notwendigkeit der Würdigung des gesamten einschlägigen Normkomplexes hinweist und subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne der Schutznonntheorie als Teil eines Rechtsverhältnisses betrachtet, ist ihm zuzustimmen. Nur die Beachtung aller das Verhältnis der Beteiligten betreffenden Nonnen kann zu einer hinreichenden Begründung subjektiver Rechte führen. Insoweit ist die Lehre vom Rechtsverhältnis als Bestandteil des oben angesprochenen "Auslegungskanons" im Rahmen der Schutznonntheorie zu berücksichtigen. 51 Es erscheint jedoch fraglich, ob dieser Ansatz die Schutznonntheorie zu verdrängen vennag. Soweit von Vertretern dieser Ansicht vorgebracht wird, daß die Schutznonntheorie zu unbestimmt und mit Anwendungsunsicherheiten behaftet sei, muß dem entgegengehalten werden, daß dies auch fiir die Lehre vom Rechtsverhältnis zutriffi:. Richtet sich dieser Auffassung folgend die Entscheidung über die subjektive Berechtigung des einzelnen in Abgren-

Vgl. Hartmann, S. 214 f. Für den Bereich des Baunachbarrechts formuliert Bauer dies so: ,,Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie regelt die subjektiven Nachbarrechte dem Grunde nach, die eigentumskonkretisierenden und -ausgestaltenden Normen des einfachen Rechts bestimmen den konkreten Inhalt, den konkreten Umfang und die konkrete Rechtsposition des Baunachbarn", Bauer, AöR 113 (1988), 528 (628); vgl. auch Breuer, DVBI. 1983,431 (436 f.). 50 Bauer, AöR 113 (1988), 582 (630 f.). SI Ebenso wohl WolfJlBachofiStober, § 43 Rn. 26, wo daraufhingewiesen wird, daß die subjektiv-öffentlichen Rechte Bestandteil eines Verwaltungsverhältnisses seien. Dies schließe jedoch weder eine getrennte Behandlung aus, noch mache es die Figur des subjektiv-öffentlichen Rechts überflüssig. 48

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I. Voraussetzungen der Klagebefugnis

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zung zum bloßen Rechtsreflex danach, "wessen Angelegenheiten" das Gesetz regelt, S2 so dürfte diese Feststellung in der konkreten Anwendung kaum geringere Schwierigkeiten bereiten als die Feststellung subjektiver Rechte nach der Schutznormtheorie. Dabei ist zusätzlich noch zu beachten, daß der Umfang des notwendig zu betrachtenden Rechtsverhältnisses gänzlich unbestimmt ist und der Ausfiillung durch den Rechtsanwender bedarf. Insoweit ist schon im Interesse der Rechtssicherheit an der (konkreten) Rechtssatzabhängigkeit des subjektiv-öffentlichen Rechts festzuhalten. Bedenken bestehen auch im Hinblick auf eine weitere Schlußfolgerung der dargestellten Auffassung. Dieser folgend wird teilweise vertreten, daß mit Abstellen auf das Rechtsverhältnis ein Rechtsschutz gewährt werde, der frei von jeglicher Disposition seitens des einfachen Gesetzgebers sei und damit anders als die herkömmliche Auffassung den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG entspreche. Demgegenüber weist Schmidt-Aßmann zu Recht darauf hin, daß zum einen eine Umgehung des Art. 19 Abs. 4 GG aufgrund der grundrechtlichen Bindung der Schutznormtheories3 ausgeschlossen sei und zum anderen die Gestaltungsfreiheit des einfachen Gesetzgebers bei der Ausformung von Interessenpositonen selbst eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit darstelle. ,,Die Schutznonnlehre sichert mit ihrem nonnativen Ansatz diese [verfassungsrechtlich geboten~ Gestaltungsfreiheit und damit den Gesetzesvorrang gegen judikative Eingriffe."

Zu berücksichtigen ist letztlich, daß die Lehre vom Rechtsverhältnis, soweit sie den Grundrechten eine tragende Funktion zuerkennt, ss im Hinblick auf solche Rechtssubjekte fraglich erscheint, denen kein Grundrechtsschutz zu-

52 Hartmann, S. 219; vgl. auch Henke, in: FS Weber, S. 510 f., der klarstellt, daß ein nur faktisches Betroffensein (so in der Literatur vielfach falsch verstanden) insoweit nicht gemeint sei. Gemeint sei, "daß ein subjektives Recht desjenigen, der von einer behördlichen Maßnahme tatsächlich in seinen Angelegenheiten betroffen wurde, nicht vom Willen oder der Absicht des Gesetzgebers abhängen dürfe, sondern von der objektiven Interpretation des Gesetzesinhalts, nämlich ob die betroffenen Angelegenheiten Gegenstand seiner Regelung sind oder nicht." Vgl. auch Henke, S. 57 ff., 60. 53 Zur grundrechtlichen Bindung vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 129; Schenke, Rn. SOl; s. auch Sachs, in: StelkensIBonklSachs, § 50 Rn. 15; auf Grundlage der sog. "doppelten Abhängigkeit des subjektiv-öffentlichen Rechts" sehr weitgehend Wahl, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 75; ders., DVBI. 1996,641. 54 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 129. 55 Hartmann, S. 217: ,,Die relativen Rechte [Anm. d. Verf.: solche aufgrund konkreter einfachgesetzlicher Nonnen] werden durch die absoluten Rechte [Anm. d. Verf.: Grundrechte] begründet."

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§ 7 Klagebefugnis

kommt. 56 Nach allgemeiner Auffassung hängt die Gewährung einfachgesetzlichen Rechtsschutzes nicht von der Grundrechtsfähigkeit ab. 57 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß an der herrschenden Schutznormtheorie festzuhalten ist. Subjektive Rechte können nur dort angenommen werden, wo ein Rechtssatz dies bestimmt. Ob eine Rechtsvorschrift zumindest auch das Interesse des Betroffenen schützt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Entscheidend kommt es insoweit darauf an, daß der fragliche Rechtssatz das geltend gemachte Interesse erfaßt und dem Betroffenen die Trägerschaft dieses Interesses normativ zugewiesen ist. e) SchutznormerJordernis und verwaltungsgerichtlicher Drittschutz

Besondere Bedeutung kommt der Schutznormtheorie im Bereich des verwaltungsgerichtlichen Drittschutzes ZU. 58 Gerade in den Fällen, in denen der Kläger nicht Adressat der angegriffenen oder begehrten Maßnahme der öffentlichen Gewalt ist, bedarf es einer eingehenden Prüfung, ob ihm ein eigenes Recht zusteht oder ob die betreffende Norm das geltend gemachte Interesse nur reflexartig schützt. 59 Nur wenn die Auslegung ergibt, daß sich der Kläger auf eine Norm berufen kann, die nicht nur im Interesse der Allgemeinheit besteht, sondern zumindest auch seinem Interesse zu dienen bestimmt ist, ihn also zum Träger der normintendierten Interessenwahmehmung macht, kann ihm innerhalb mehrpoliger Verwaltungsrechtsverhältnisse das Recht zukommen, sein Interesse im Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage durchzusetzen. Eine bloße tatsächliche oder mittelbare Betroffenheit reicht dazu nicht aus. 50

j) Trtlgerschajt subjektiv-öffentlicher Rechte Bevor die verschiedenen Rechtsquellen auf ihre subjektivrechtlichen Gewährleistungen untersucht werden können, muß zunächst der Frage nachgegangen werden, ob fremden Staaten und sonstigen juristischen Personen des

Zur Grundrechtsfiihigkeit ausländischer juristischer Personen s. unten § 7 ill. Vgl. Bleckmann, Staatsrecht, S. 147; Isensee, in: HbStR § 118 Rn. 47; Meessen, JZ 1970,602 (603); Riifner, in: HbStR § 116 Rn. 59; s. auch Jarass, in: FS Lukes, S. 69 f.; Kloepfer, VerwArch 1985,371 (386). 58 Vgl. dazu EyermannIFr6hlers, § 42 Rn. 158 ff.; WolfflBachofiStober, § 43 Rn. 17 ff.; ausführlich zum öffentlich-rechtlichen Drittschutz Preu S. 19 ff. 59 Vgl. PietznerlRonellenjitsch, § 14 Rn. 12. 60 Vgl. Sachs, in: Ste1kensIBonk/Sachs, § 50 Rn. 16. 56

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ausländischen öffentlichen Rechts überhaupt Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zustehen können und inwieweit diese als subjektiv-öffentliche Rechte zu bezeichnen sind. § 42 Abs. 2 VwGO selbst enthält zunächst keine ausdrückliche personale Beschränkung. Die Klagebefugnis hängt vielmehr davon ab, daß der Kläger eine eigene Rechtsverletzung geltend macht. Kläger ist die in der Klageschrift bezeichnete Person. 61 Insoweit kommen alle natürlichen und juristischen Personen, mithin auch fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts, in Betracht. 62 Mittelbare personale Beschränkungen können sich hingegen aus dem Merkmal des "Rechts" i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ergeben. Soweit § 42 Abs.2 VwGO die Verletzung eigener Rechte voraussetzt, hängt die Klagebefugnis, wie gezeigt, vom Vorliegen eines Rechtssatzes ab, der dem Kläger eine rechtlich geschützte Rechtsposition des öffentlichen Rechts einräumt. Inwieweit dem Kläger eine solche Rechtsposition zukommt, ist Frage des einschlägigen materiellen Rechts. Beschränkt ein Rechtssatz seine personale Anwendbarkeit auf bestimmte Rechtssubjekte, wirkt sich diese materiell-rechtliche Beschränkung unmittelbar auf § 42 Abs. 2 VwGO aus und fUhrt damit zu einer mittelbaren Einschränkung der Klagebefugnis. Festzustellen ist jedoch, daß eine solche personale Beschränkung Folge des materiellen Rechts ist. Der Begriff des "Rechts" i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO selbst ist in seinem personalen Anwendungsbereich offen. Träger subjektiver Berechtigungen kann jedes Rechtssubjekt unabhängig von Rechtsform oder Staatszugehörigkeit sein. Fraglich ist aber, ob entsprechende Rechtspositionen zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts als "subjektiv-öffentliche Rechte" bezeichnet werden können. Die Annahme eines subjektiv-öffentlichen Rechts setzt zunächst die Begründung einer öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflicht fiir einen Träger öffentlicher Gewalt voraus und verlangt danach eine in bezug auf diese Verpflichtung bestehende subjektive Berechtigung des von der fraglichen Rechtsnorm Begünstigten. Beide Merkmale fiihren nicht zu einer personalen Beschränkung der Trägerschaft subjektiv-öffentlicher Rechte. Soweit eine deutsche oder sonstige innerstaatlich anwendbare Rechtsnorm einem nationalen Hoheitsträger eine Verhaltenspflicht auferlegt, kann Träger der daraus folgenden Berechtigung grundsätzlich jedes Rechtssubjekt sein. Eine besondere personale Bindung an die deutsche Rechtsordnung ist insoweit nicht erforderlich. 63 Auch

Vgl. PietznerlRonellenjitsch, § 13 Rn. 7; Schmitt Glaeser, Rn. 106 ff. Zur Beteiligten- und Prozeßflihigkeit s. oben § 5. 63 Insbesondere ist die Fähigkeit, Träger subjektiv-öffentlicher Rechte zu sein, nicht von der Grundrechtstahigkeit abhängig, vgl. Fußn. zu § 7 I. 2. d); s. auch Quaritsch, in: HbStR § 120 Rn. 38. 61

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fremde Staaten und sonstige ausländische juristische Personen können Träger subjektiv-öffentlicher Berechtigungen sein. Dies gilt auch, wenn man den Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts nur für solche Rechte verwendet, die staatsgerichtet sind. Macht ein fremder Staat oder eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts gegenüber einem nationalen Hoheitsträger ein subjektives Recht geltend, so ist dieses immer staatsgerichtet. Ihm kommt der gleiche Charakter zu wie den Rechten ziviler Rechtspersonen. Geregelt wird stets das Verhältnis von staatsungebundenem Rechtssubjekt einerseits und staatsgebundener Hoheitsgewalt andererseits. Bedenken, wie sie im Hinblick auf die subjektiven Rechte inländischer Hoheitsträger bestehen, vermögen insoweit nicht zu greifen. Fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts sind nicht Teil der deutschen Staatsgewalt und stehen dieser in gleichem Maße unverbunden gegenüber wie zivile Rechtssubjekte. Für die Abgrenzung von objektivem und subjektivem Recht gelten die oben dargestellten Grundsätze der Schutznormtheorie. Im Hinblick auf die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen ausländischen öffentlichen Rechts ist abschließend noch einer weiteren Überlegung nachzugehen. Wie oben gezeigt, ist die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt durch den Grundsatz der Staatenimmunität beschränkt. Insoweit stellt sich die Frage, ob fremden Staaten die Berufung auf subjektiv-öffentliche Rechte in den Fällen verwehrt ist, in denen sie sich im umgekehrten Fall der Geltung nationalen Rechts entziehen könnten, ob also aus dem völkerrechtlichen Recht, sich der inländischen Jurisdiktion zu entziehen, zugleich die Einschränkung materiellrechtlicher Gewährleistungen folgt. Wie oben bereits angesprochen,64 bedeutet die Immunität fremder Staaten allein die Freistellung von der innerstaatlichen Rechtsdurchsetzung. 65 Nicht umfaßt ist aber die Exemtion von der materiellen Rechtsordnung. Insoweit hat das Prinzip der Staatenimmunität keinen Einfluß auf den Bestand materiellrechtlicher Gewährleistungen. 66 Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß fremden Staaten und sonstigen juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts eigene Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zustehen können und nichts dagegen

Siehe § 2 Il. 1. a) aa). Vgl. Damian, S. 72 f.; s. auch GramslPitschas, ZfBR 1996, 75 (76); Schaumann, BDGVR S. 48 ff. 66 Ebenso, wie oben bereits in anderem Zusammenhang erörtert (s. § 3 Il. 4. b)), wäre einer solchen Sichtweise zudem entgegenzuhalten, daß es dem Abwehrcharakter der Staatenimmunität widerspräche, wenn der durch die Inununitätsregelung gewährte Schutz gleichzeitig zu einem Verlust materieller Rechtspositionen ftlhrte. 64 65

I. Voraussetzungen der Klagebefugnis

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spricht, diese aufgrund ihres staatsgerichteten Charakters als subjektivöffentliche Rechte zu bezeichnen.

3. Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung § 42 Abs. 2 VwGO verlangt die Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung. Welche Anforderungen an das Vorbringen des Klägers zu stellen sind, ist umstritten.

Einigkeit besteht heute insoweit, als daß das Vorliegen einer tatsächlichen Rechtsverletzung nicht notwendig, die bloße Behauptung einer solchen hingegen nicht ausreichend ist. 67 Der sog. "Schlüssigkeitstheorie" folgend, hat der Kläger eine Rechtsverletzung schlüssig darzulegen. In ihrer strengsten Form würde diese Theorie dazu führen, daß der Kläger alle Tatsachen darzulegen hätte, die den Klageantrag rechtfertigten. Im Rahmen der Begründetheitspriifung wäre dann lediglich der Frage nachzugehen, ob die vom Kläger vorgebrachten Tatsachen wahr sind. Gegen eine solche Auffassung wird zu Recht vorgebracht, daß sie die Trennung von Zulässigkeit und Begründetheit mißachte und es im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 42 Abs. 2 VwGO zudem nicht erforderlich sei, vom Kläger die Schlüssigkeit seines Vorbringens zu verlangen. 68 Nicht überzeugend ist insoweit auch, zwischen Rechtsverletzung und Rechtsbeeinträchtigung zu unterscheiden und die Schlüssigkeitspriifung nur auf letztere zu beziehen. 69 Da § 42 Abs. 2 VwGO verlangt, daß der Kläger geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein, muß sich auch die ihm auferlegte Behauptungslast auf beide Merkmale beziehen. 70 Die heute wohl herrschende Auffassung geht davon aus, daß der Kläger lediglich die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte substantiiert darlegen muß (sog. Möglichkeitstheorie).71 Zur Begründung der Klagebefugnis ist es 67 Vgl. Kopp, § 42 Rn. 98; PietznerlRonellenfitsch, § 14 Rn. 9; Redekerlv. Dertzen, § 42 Rn. 15; Schmitt Glaeser, Rn. 153; Stern, VwPrR, Rn.286; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 65; s. auch Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (145 fI). 68 Vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (146); Schmitt Glaeser, Rn. 154; Stern, VwPrR, Rn. 286. 69 So wohl Ule, § 33 11. 70 Vgl. dazu Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (146); Schmitt Glaeser, Rn. 154; s. auchPietznerlRonellenfitsch, § 14 Rn. 9. 71 Vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (147 fT.); Erichsen, Jura 1989,220 (220); EyermannIFrohler, § 42 Rn. 121; Hufen, § 14 Rn. 143; Kopp, § 42 Rn. 98; Schmitt Glaeser, Rn. 155 f.; Stern, VwPrR, Rn. 286; vgl. auch BVerwG DVBl. 1989, 1097 (1097).

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§ 7 Klagebefugnis

danach ausreichend, wenn der Kläger vorträgt, daß und warum er in seinen Rechten verletzt sein kann. 72 Im einzelnen hat er zunächst den Nachweis zu erbringen, daß das geltend gemachte Recht überhaupt besteht und daß dieses Recht auch den Personenkreis schützt, dem er sich zurechnet. Sodann muß er plausibel darlegen, daß eine tatsächliche Verletzung seines eigenen subjektiven Rechts vorliegt.73 Dabei ist es allerdings ausreichend, daß der Kläger Tatsachen vorbringt, die auf eine solche Rechtsverletzung schließen lassen. 74 In der hier dargestellten Ausprägung hat sich die Möglichkeitstheorie zu Recht durchgesetzt, da sie Wortlaut ("geltend" machen) und Funktion (Ausschluß von Popular- und bloßen Interessenklagen) des § 42 Abs. 2 VwGO hinreichend gerecht wird. Ohne sich mit dem vorstehenden Meinungsstreit intensiv auseinanderzusetzen, hat sich in weitgehender sachlicher Übereinstimmung mit der vorstehenden Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Formel gebildet, wonach die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (nur) dann ausgeschlossen ist, "wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können. ,,75 Im Hinblick auf die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. Zu beachten ist hinsichtlich dieser Rechtssubjekte aber

72 Vgl. PietmerlRonellenfitsch, § 14 Rn. 10; Stern, VwPrR, Rn. 286; s. auch BVerwGE 60,154 (157). 73 Zu den Anforderungen im einzelnen Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (147 f1); zu den Besonderheiten im Rahmen der Feststellungsklage vgl. Ehlers, NVwZ 1990, 105 (111). 74 Nicht ausreichend ist es allerdings, daß der Kläger lediglich darauf verweist, Adressat der angegriffenen Maßnahme zu sein. Insoweit ist auch der sog. Adressatentheorie (vgl. dazu Erichsen, Jura 1989,220 [220]; PietmerlRonellenfitsch, § 14 Rn. 11; Schenke, Rn. 510) zu widersprechen. Unabhängig davon, daß diese in den problematischen Drittschutzfiillen nicht weiterhilft, begegnen ihr dogmatische Bedenken. Da § 42 Abs. 2 VwGO die Geltendrnachung einer Rechtsverletzung und nicht lediglich einer rechtswidrigen Handlung verlangt, kann die bloße Behauptung, Adressat einer belastenden Maßnahme zu sein, nicht ausreichen. Zur Kritik vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993),139 (146). Vorbehalte gegen die Adressatentheorie bestehen auch insoweit, als sich diese, gestützt auf Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht (so bspw. Schenke, Rn. 510), in jenen Fällen als untauglich erweist, in denen dem betreffenden Rechtssubjekt - mangels Grundrechtstahigkeit - kein grundrechtlicher Schutz zukommt. Vgl. insoweit mit anderer Herleitung der Adressatentheorie Hufen, § 14 Rn. 129. 75 Vgl. BVerwGE 18, 154 (157); E 36, 192 (199 0; E 44, 1 (3); E 68, 241 (242); E 75, 285 (291); E 81, 329 (330); E 92 (313 (315 f.).

I. Voraussetzwtgen der Klagebefugnis

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die aus der Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung folgende, differenzierte Behandlung der Klagen von Verbänden. 76 Grundsätzlich sind auch diese, unabhängig davon ob sie privat- oder öffentlichrechtlicher Natur sind,77 zur Klage befugt, wenn sie die Verletzung verbandseigener Rechte geltend machen. Verbandseigen sind jene Rechte, die dem Verband "als solchem" zustehen. 78 Verwehrt hingegen ist Verbänden die Geltendmachung von Rechten ihrer Mitglieder oder der Allgemeinheit. 79 Insoweit handelt es sich nämlich nicht um verbandseigene, sondern um fremde Rechte, deren gerichtliche Durchsetzung, vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelungen, mangels Klagebefugnis unzulässig ist. 80 Die Geltendmachung fremder Rechte widerspräche dem in der VwGO niedergelegten und in Art. 19 Abs. 4 GG begründeten System des Individualrechtsschutzes. 81 Eine dem Zvilprozeßrecht vergleichbare gewillkürte Prozeßstandschaft schließt § 42 Abs. 2 VwGO nach herrschender Meinung aus. 82 Mit dem Verbot der sog. egoistischen und altruistischen Verbandsklagen83 ist allerdings nur die Geltendmachung fremder Rechte apriori unzulässig. Dies bedeutet indessen nicht zugleich die Unzulässigkeit der Wahrnehmung fremder Interessen, soweit der Kläger Träger dieser Interessen ist und sich daraus ein für ihn eigenes subjektiv-öffentliches Recht ergibt. 84 76 Vg1. zur Verbandsklage Hufen, § 14 Rn. 122 ff., 127; PietznerlRonellenjitsch, § 14 Rn. 26 ff.; m. w. N. Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn.25 ff.; Schenke, Rn. 525; Schmitt Glaeser, Rn. 170. 77 Zu den öffentlich-rechtlichen Verbänden vgl. insb. Hufen, § 14 Rn. 127; Kopp, § 42 Rn. 93. 78 Vgl. Schmitt Glaeser, Rn. 170; nicht ausreichend ist insoweit der Rückgriff auf den "Vereinszweck", s. BVerwG NJW 1981,362 (362). 79 Vgl. Kopp, § 42 Rn. 93; Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 25; Schenke, Rn. 525; Schmitt Glaeser, Rn. 170; vgl. zur Klage einer Gemeinde im Hinblick auf die Rechte ihrer Bürger BVerwG DÖV 1986,208 (208). 80 Zum Zusammenhang von Möglichkeitstheorie und Verbandsklage vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993),139 (147 f.). 81 Vgl. Hufen, § 14 Rn. 122; Schmitt Glaeser, Rn. 170; zum Verhältnis von Verbandsklage und Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz1Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 269 ff. 82 Vgl. Kopp, Vorb. § 40 Rn. 25; PietznerlRonellenjitsch, § 14 Rn. 26; Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 27; Schenke, Rn. 525; Schmitt Glaeser, Rn. 170. Eine Prozeßstandschaft ist allerdings dann zulässig, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht, vgl. § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO; dazu m. w. N. Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 26. 83 Die Begriffe werden unterschiedlich verwendet, zur hier verwendeten Terminologie vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993),139 (147 f.); Hufen, § 14 Rn. 122. 84 Vgl. dazu unten § 7 IV. 2. b) bb); vgl. insoweit auch die eigenen Klagerechte anerkannter Naturschutzverbände, dazu Hufen, § 14 Rn. 123 ff.; Schenke, Rn. 527.

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§ 7 Klagebefugnis

4. Zusammenfassung Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein. Das Rechtsinstitut der Klagebefugnis findet nach zutreffender Ansicht auf alle Leistungs- und Feststellungsklagen entsprechende Anwendung. Auch das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO verlangt die Geltendmachung einer Rechtsverletzung. Zu den Rechten i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO gehören insbesondere alle staatsgerichteten subjektiv-öffentlichen Rechte. Träger dieser Rechte können alle natürlichen und juristischen Personen sein. Dies gilt auch zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts. Ob und inwieweit eine Rechtsnorm subjektive Berechtigungen enthält, richtet sich bei Regelungen des deutschen öffentlichen Rechts nach der sog. Schutznormtheorie. Danach hängt die subjektive Berechtigung des betreffenden Rechtssubjekts davon ab, ob dieses sich auf einen Rechtssatz berufen kann, der zumindest auch seinem Eigeninteresse zu dienen bestimmt ist. Inwieweit die Schutznormtheorie auf Normen fremder Rechtsordnungen (Völker-, europäisches Gemeinschafts- und ausländisches öffentliches Recht) anwendbar ist, hängt von den verschiedenen Rechtsquellen selbst ab. Insoweit können die Kriterien, nach denen sich der subjektive Gehalt einer Rechtsnorm bestimmt, differieren. Zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung reicht es aus, wenn der Kläger die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte substantiiert darlegt.

11. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen Die rechtlichen Beziehungen der Staaten untereinander werden im wesentlichen durch das Völkerrecht geregelt. Auf einer Ebene der Gleichordnung werden dort den souveränen Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekten eigene Rechte zuerkannt. Erscheinungsformen des Völkerrechts sind das Völkergewohnheitsrecht, das Völkervertragsrecht sowie die "von den Kulturvölkern allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze".! Zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten stehen besondere völkerrechtliche Wege zur Verfügung. Der Frage, ob sich aus dem Völkerrecht zugunsten fremder Staaten oder sonstiger ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts auch geschützte Rechtspositionen i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ergeben können, wurde bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Dies liegt zum einen daran, daß die

!

Art. 38 Abs. 1 lit. a - c IGH-Statut; vgl. auch Stern, I S. 488.

11. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen

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"klassischen" Völkerrechtskonflikte dem Zuständigkeitsbereich der nationalen Verwaltungsgerichtsbarkeit weitgehend entzogen sind,2 zum anderen ist zu berücksichtigen, daß der innerstaatliche Verwaltungsrechtsschutz als Individualrechtsschutz ausgeprägt ist und dementsprechend der einzelne im Mittelpunkt der Betrachtungen steht. 3 Dennoch können auch völkerrechtliche Regelungen im innerstaatlichen Recht Bedeutung erlangen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf den Grundsatz der Staatenimmunität oder die diplomatischen Vorrechte. 4 Auch Bereiche, wie der grenzüberschreitende Umweltschutz oder die innerstaatliche Einhaltung völkervertraglicher Verpflichtungen, führen zu der Frage, ob Regeln des Völkerrechts subjektiv-öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO begründen können.

1. Innerstaatliche Geltung und unmittelbare Anwendbarkeit Voraussetzung fiir die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte ist die innerstaatliche Geltung völkerrechtlicher Regeln. In welcher Weise das Völkerrecht in den innerstaatlichen Rechtskreis einbezogen wird, ist nach wie vor umstritten. Teilweise wird vertreten, daß dies durch Transfonnation der völkerrechtlichen Nonn in innerstaatliches Recht erfolge, teilweise wird ein innerstaatlicher Vollzugsbefehl fiir ausreichend erachtet. 5 Einigkeit besteht jedoch dahingehend, daß die völkerrechtliche Nonn in der Bundesrepublik nicht von sich aus innerstaatliche Geltung erlangt, sondern es in jedem Fall eines innerstaatlichen Rechtsaktes bedarf. 6 Von der innerstaatlichen Geltung einer Völkerrechtsnonn ist ihre unmittelbare Anwendbarkeit zu unterscheiden. Letztere ist gegeben, wenn die betreffende Regelung von den nationalen Gerichten oder sonstigen Rechtsanwendungsorganen ohne weiteres zur Sachentscheidung herangezogen werden kann. Die unmittelbare Anwendbarkeit setzt damit voraus, daß es zur Durchführung einer völkerrechtlichen Regelung keines innerstaatlichen Rechtssetzungsaktes mehr bedarf und die Vorschrift inhaltlich derart ausreichend klar und hinreichend bestimmt fonnuliert ist, daß sich aus ihr Rechtsfolgen fiir den Siehe dazu oben § 4 1.3. Zur "völkerrechtlichen" Berechtigung des einzelnen Bürgers vgl. Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 65 ff. 4 Zum Bereich des Rechts diplomatischer Missionen s. Ipsen, § 31 Rn. 42 ff.; SeidlHohenveldem, Rn. 958 ff. 5 Vgl. zwn Ganzen Geiger, GGuVöR, S. 159 (; insbesondere zwn Verhältnis von Völker- und Landesrecht (monistische oder dualistische Sichtweise) Ipsen, § 72 Rn. I ff. 6 Vgl. Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. I; Schweitzer, Rn. 307; Stern, I S.481. 2

3

10 Feldmüller

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§ 7 Klagehefugnis

Einzelfall ableiten lassen. 7 Sind diese Anforderungen nicht erfiillt, ist eine völkerrechtliche Regelung lediglich mittelbar anwendbar und richtet sich nur an die betreffenden staatlichen Rechtssetzungsorgane. 8 Ist eine völkerrechtliche Regelung unmittelbar anwendbar, folgt daraus noch keine subjektive Berechtigung einzelner Rechtssubjekte. 9 Ob und inwieweit sich aus einer Regelung des Völkerrechts öffentliche Rechte zur eigenen Wahrnehmung herleiten lassen oder ob diesen ausschließlich die Rolle objektiven Rechts zukommt. hängt vom Inhalt der betreffenden Norm ab. lo In diesem Kontext muß dann auch der hier interessierenden Frage nachgegangen werden, ob ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts völkerrechtliche Rechtspositionen als öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO zukommen können.

2. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Nach Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts.

a) Die Übernahme völkerrechtlicher Regeln nach Art. 25 GG Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jene Regeln, die "von der weitaus größten Zahl der Staaten nicht notwendig von der Bundesrepublik Deutschland - anerkannt werden. "lI

7 Vgl. Zuleeg, JA 1983, 1 (6); s. auch Bungert, DÖV 1994, 797 (798); Geiger, GGuVöR, S. 160 f.; lpsen, § 74 Rn. 21. 8 Das Verhältnis von innerstaatlicher Geltung und unmittelbarer Anwendbarkeit ist wnstritten. Entgegen der hier dargestellten Systematik wird vertreten, daß nur solche Regelungen innerstaatliche Geltung erlangen, die unmittelbar anwendbar sind. Die Diskussion hängt maßgeblich von der jeweiligen Übemahmevorschrift ab, vgl. daher ausftlhrlicher unten in Fußnote zu § 7 ll. 2. 1. Wie hier u. a. Geiger, GGuVöR, S. 161. 9 Teilweise wird die "subjektive" Berechtigung als Voraussetzung für die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Regel angesehen (vgl. insoweit lpsen, § 74 Rn. 21). hn Interesse der Trennung von subjektivem und objektivem Recht erscheint es jedoch vorzugswOrdig heide Merkmale gesondert zu behandeln. Unmittelbar anwendbare Normen können nämlich durchaus die Funktion objektiven Rechts wahrnehmen, ohne zugleich subjektive Berechtigungen zu gewähren. Vgl. Bungert, S. 472; Geiger, GGuVöR, S. 161; Steinberger, in: HbStR § 173 Rn. 45. 10 Geiger, GGuVöR, S. 161. 11 BVerfU E 16, 27 (33); zum Streit, ob die Bundesrepublik selbst die allgemeine Regel des Völkerrechts anerkennen muß, vgl. Geiger, GGuVöR, S. 164 f.

ll. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen

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In Rechtsprechung und Literatur besteht insoweit Einigkeit, als daß zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zunächst das universelle Völkergewohnheitsrecht gehört. 12 Darunter versteht man alle Regeln, die auf einer gefestigten Übung der Mehrheit der Staaten beruhen und in der Rechtsüberzeugung ausgeübt werden, daß dieses Verhalten rechtens ist. \3 Als von Art. 25 GG umfaßt, sieht die inzwischen wohl herrschende Meinung des weiteren auch diejenigen Regeln an, die den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Kulturnationen entstammen. 14 Inwieweit partikuläres Völkergewohnheitsrecht in den Anwendungsbereich des Art. 25 GG fallt, ist hingegen umstritten. 15 Nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehört das Völkervertragsrecht. Für dieses enthält Art. 59 GG eine Sonderregelung. 16 Ausnahmen bestehen nur insoweit, als vertragliche Regelungen allgemeine Regeln übernehmen. Diese gelten dann bereits kraft Art. 25 GG, der Vertrag hat in diesem Fall nur deklaratorische Bedeutung. 17 Ebenfalls vom Anwendungsbereich des Art. 25 GG ausgenommen ist das sog. soft law. 18 Als solches bezeichnet man Übereinkünfte und Beschlüsse (zumeist internationaler Organisationen), die keine völkerrechtliche Bindungskraft besitzen, aber als Empfehlungen dennoch beachtet werden sollen. 19 Soweit Art. 25 GG völkerrechtliche Regelungen erfaßt, werden diese "mit ihrem jeweiligen Inhalt und ihrer jeweiligen Tragweite,,20 Bestandteil des

12 BVerfGE 15,25 (34 ff.); E 16,27 (33); E 23, 288 (317); Stern, I S. 489; Ipsen, § 74 Rn. 10; Geiger, GGuVöR, S. 163; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. 4. 13 BVerfGE 66, 39 (64 f.); Jarass, in: Jarass/Pieroth Art. 25 Rn. 2; SchmidtBleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. I; m. w. N. Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 16; vgl. auch Art. 38 Statut des Internationalen Gerichtshofes, dazu Ipsen, § 16 Rn. 2 ff. 14BVerfGE 15, 25 (32 ff.); E 16, 27 (33); E 23, 288 (317); Rojahn, in: v. MOnchIKunig, Art. 25 Rn. 6, 13; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. 4; Hofmann, in: FS Zeidler, S. 1889; Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 9; a. A. Schweitzer, Rn. 354; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 25 Rn. 2. 15 Die wohl überwiegende Auffassung lehnt die Einbeziehung partikulären oder lokalen Völkergewohnheitsrechts ab, vgl. Ipsen, § 74 Rn. 12; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. 1; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 25 Rn. 2; Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 7; a. A. Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 29; Schweitzer, Rn. 360. 16 Vgl. Ipsen, § 74 Rn. 13; Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 10; zum Völkervertragsrecht s. unten § 7 ll. 3. 17 Stern, I S. 489; Völkervertragliche Regelungen werden nicht in Folge der Anwendung des Völkerrechtssatzes "pacta sunt servanda" über Art. 25 GG Bestandteil des innerstaatlichen Rechts; vgl. dazu, in der Begründung unterschiedlich Geiger, GGuVöR, S. 171; Ipsen, § 74 Rn. 16; Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 53. 18 Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 8. 19 Vgl. dazu Ipsen, § 19 Rn. 13 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 51. 20 BVerfGE 18,440 (448).

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§ 7 Klagebefugnis

Bundesrechts. 21 Ihr innerstaatlicher Geltungsumfang beschränkt sich somit (zunächst) auf ihren völkerrechtlichen Bestand. Inwieweit eine allgemeine Regel des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht unmittelbar anwendbar ist, hängt von ihrem jeweiligen Inhalt ab. 22 Ausschlaggebend ist insoweit, wie oben bereits erörtert, ob ihre Durchfiihrung ohne zusätzlichen Rechtssetzungsakt möglich und ihr Inhalt ausreichend bestimmt ist, um daraus Rechtsfolgen für den Einzelfall abzuleiten. 23 Ist eine 21 Die verfahrensrechtliche Absichenmg der Geltung allgemeiner Regeln des Völkerrechts erfolgt durch Art. 100 Abs. 2 GG. Danach hat das Bnndesverfassnngsgericht zu entscheiden, wenn in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bnndesrechts ist nnd ob sie nnmittelbare Rechte nnd Pflichten ft1r den einzelnen erzeugt (sog. Normveriftkation). Die Verfassnng trägt damit den Schwierigkeiten Rechnnng, die die Feststellnng völkerrechtlicher Regeln erzeugt (vgl. Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 3). Dem Tenor der Entscheidnng des Bnndesverfassnngsgerichts kommt Gesetzeskraft zu. Vgl. zu Art. 100 Abs. 2 GG: BVerfGE 23, 288 (318); Ehlers, in: Schoch/SchmidtAßmannlPietzner, Anh. § 40 Art. 100 Abs. 2 GG. 22 Noch nicht abschließend geklärt ist das Verhältnis von innerstaatlicher Geltung nnd nnmittelbarer Anwendnng allgemeiner Regeln des Völkerrechts, sowie den sich daraus ergebenden subjektiven Berechtignngen (s. auch oben). Die Diskussion wird dadurch erschwert, daß gleiche Formulierungen mit nnterschiedlichen Inhalten belegt werden. Im Kern geht es um die Frage, ob angesichts der Regelnng des Art. 25 S. 2 GG nur solche allgemeinen Regeln des Völkerrechts innerstaatliche Geltung (i. w. S.) erlangen, die ihrem Inhalt nnd Zweck nach dazu geeignet sind, Rechtswirkwtgen im hmenbereich der Bnndesrepublik zu erzeugen bzw. individuelle Rechte oder Pflichten zu begründen, oder ob Art. 25 GG sämtlichen allgemeinen Regeln des Völkerrechts innerstaatliche Geltnng verleiht nnd erst in einem zweiten Schritt über deren Anwendbarkeit (im Einzelfall) zu entscheiden ist. Letztere Ansicht scheint sich in Rechtsprechnng (BVerfGE 15,25 [33 f.], E 46,342 [362 f.]) und Literatur (vgl. Geiger, GG uVöR; S. 166 f.; Ipsen, § 74 Rn. 20; Rojahn, in: v. MünchIKunig Art. 25 Rn. 15, 17 ff.; Steinberger, in: HbStR § 173 Rn. 44 ff.; Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn 16; s. auch Stern, I S. 491 a. A. Schweitzer, Rn. 325 ff., 327) durchzusetzen. Ihr ist letztlich auch der Vorzug zu geben, da die innerstaatliche Geltung völkerrechtlicher Regeln von der Frage nach deren Anwendbarkeit nnberührt bleibt. Dem Wortlaut des Art. 25 S. I GG entsprechend sind alle allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bnndesrechts, d.h. sie besitzen ohne weiters innerstaatliche Geltung. Erst in einem zweiten Schritt sind diese Regeln auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen. Erfüllen sie die innerstaatlichen Anforderungen objektiven Gesetzesrechts, sind sie nnmittelbar anwendbar nnd es kann in einem dritten Schritt festgestellt werden, ob ihnen subjektive Berechtignngen zugnnsten einzelner Rechtssubjekte zu entnehmen sind. Art. 25 S. 2 GG kommt innerhalb dieser Systematik insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu, als er klarstellt, daß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts die gleiche innerstaatliche Rechtswirkwtg zukommt wie sonstigem innerstaatlichen Gesetzesrecht. Zur Frage des ,,Adressatenwechsels" aufgrund des Art. 25 S. 2 GG vgl. Geiger GGuVöR, S. 167; Stern, I S. 167; Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 16. 23 Geiger, GGuVöR, S. 160 f.; Ipsen, § 74 Rn. 21; vgl. auch Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 15.

II. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen

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allgemeine Regel des Völkerrechts unmittelbar anwendbar, kann sich jedes Rechtssubjekt, auch ein fremder Staat oder eine sonstige ausländische juristische Person des öffentlichen Rechts, auf diese Regel ebenso berufen wie auf sonstiges objektives Recht. 24

b) Allgemeine Regeln des V6lkerrechts als Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO Ebenso wie die unmittelbare Anwendbarkeit richtet sich auch die Frage, inwieweit fremde Staaten und sonstige Rechtssubjekte aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts eigene Rechte herleiten können, nach dem Inhalt der jeweiligen Regel. 25 Folgt aus diesem eine eigene Berechtigung, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob sich daraus zugleich ein subjektivöffentliches Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO herleiten läßt. Wenig Probleme bereitet zunächst die grundsätzliche Feststellung, daß souveränen Staaten eigene Berechtigungen zustehen. Die Regelungen des Völkergewohnheitsrechts richten sich in erster Linie an die Staaten selbst. 26 Sie sind die Destinatäre der Völkerrechtssätze. 27 Ihnen werden nicht nur Verpflichtungen, sondern insbesondere auch Berechtigungen, also eigene Rechtspositionen zugewiesen. Schwierigkeiten bestehen hingegen im Hinblick auf die Bestimmung, ob und inwieweit sich aus den Regeln des Völkerrechts in concreto subjektive Rechte ergeben. Die hier auftretenden Probleme sind mit der Diskussion um die subjektiv-öffentlichen Rechte im nationalen Recht vergleichbar. Auch hier stellt sich die Frage, ob sich subjektive Rechte unmittelbar aus dem einschlägigen Rechtssatz ergeben oder ob eine Gesamtschau völkerrechtlicher Regelungen notwendig ist. 28

24 Schmidt-BleibtreuiKlein,

Art. 25 Rn. 6. Geiger, GGuVöR, S. 161. 26 Stern, I S. 491. 27 Stern, I S. 486. 28 Wenig problematisch sind die Fälle, in denen der streitige Konflikt, wie gerade dargestellt, wunittelbar dem Verhältnis von fremdem Staat und nationalem Hoheitsträger entstammt (bipolares Rechtsverhältnis). Hier regelt das Völkerrecht direkt die Zuweisung von Berechtigung und Verpflichtung. Etwas anderes gilt aber im Bezug aufmehrpolige Rechtsverhältnisse, in Fällen also, in denen mehrere Rechtssubjekte beteiligt sind. Denkbar sind insoweit Sachverhalte, in denen Staat A vom Staat B ein Einschreiten gegen Aktivitäten des Staates C verlangt. Ein entsprechendes Beispiel fmdet sich bei Bleckmann, Staats- und Völkerrechtslehre, S. 633: Ein Schiff des Staates A wird bei der Durchfahrt des Küstenmeeres des Staates B von einem Schiff des Staates C behindert Fraglich ist, inwieweit Staat B berechtigt und verpflichtet ist, gegen Staat C einzuschreiten. Da es sich hierbei allerdings um eine Frage des materiellen Völkerrechts handelt, muß eine weitere Erörte25

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§ 7 Klagebefugnis

Entsprechend der Diskussion um die Schutznormtheorie nationaler Herkunft wird man zur Bestimmung subjektiver Rechte auch im Völkerrecht auf eine Kombination verschiedener Ansätze zurückgreifen müssen. Die Feststellung, inwieweit Regeln des Völkerrechts subjektive Berechtigungen enthalten, kann nur durch Auslegung des betreffenden Rechtssatzes unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller völkerrechtlichen Regelungen und Regelungsmechanismen erfolgen. 29 Insoweit wird insbesondere auch der Staatenpraxis und der Rechtsprechung des IGH besondere Bedeutung zukommen. 3o Eine so erfolgte Bestimmung des subjektiven Charakters völkerrechtlicher Regeln fiihrt zu der Frage, inwieweit sich aus völkerrechtlichen Berechtigungen Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ableiten lassen. Grundsätzliche Bedenken, daß sich auch aus den Normen des Völkerrechts Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ergeben können, bestehen insoweit nicht. 31 Der Wortlaut des § 42 Abs. 2 VwGO, der lediglich von "Rechten" spricht, läßt eine derartige Einbeziehung zu. Auch Sinn und Zweck stehen dem nicht entgegen. Die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO stellt zur Begründung der Klagebefugnis auf die mögliche Verletzung eigener Rechte des Klägers ab. Mit Einbeziehung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts in die innerstaatliche Rechtsordnung durch Art. 25 GG werden diese Regeln, wie oben gezeigt, in ihrem jeweiligen Bestand und in ihrer jeweiligen Tragweite Bestandteil des Bundesrechts, womit sie zugleich die Träger der öffentlichen Gewalt zu einem diesem Recht entsprechenden Verhalten verpflichten. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf ihre objektivrechtliche Wirkung, sondern auch in bezug auf ihre "subjektiven" Berechtigungen. Begründet so bspw. das völkerrechtliche Nachbarrecht die Pflicht, grenzüberschreitende Emissionen, die eine bestimmte Intensität aufweisen, zu unterlassen, richtet sich diese Verpflichtung unmittelbar an den betreffenden Staat und damit (innerstaatliche Verbindlichkeit vorausgesetzt) über Art. 25 GG unmittelbar an einen deutschen Hoheitsträger. Der nationale Hoheitsträger wird damit zum potentiellen Träger völkerrechtlich normierter Verhaltenspflichten. Mit anderen Worten, gewähren die allgemeinen Regeln des Völkerrechts eigene Rechte zugunsten einzelner Rechtssubjekte, werden

rung dahinstehen, zumal sie fiIr den Bereich des innerstaatlichen Prozeßrechts von nur sehr begrenzter Bedeutung ist. 29 Vgl. dazu ausführlich und sehr differenziert mit teilw. a. A. Bleckmann, Staatsund Völkerrechtslehre, S. 605 ff. 30 Zu beachten ist allerdings, daß die hier dargestellte Sichtweise dem nationalen "Schutznormdenken" entspringt und eine Übertragung nationaler Rechtstheorien angesichts der Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtssystemen nicht unproblematisch ist. 31 Vgl. Kopp, § 42 Rn. 43, 51; s. auch Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 133; WolfflBachofiStober, § 43 Rn. 42 ff.; zur Zuordnung des Völkerrechts zum öffentlichen Rechts s. oben § 4 I. 3.

II. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen

151

auch diese Rechte Teil des Bundesrechts. Dies gilt insoweit nicht nur für die (in Ausnahmefällen gewährten) Rechte von Individuen, sondern auch für die Rechtspositionen fremder Staaten. Das Völkerrecht dient gerade dazu, die rechtlichen Beziehungen der Staaten untereinander zu regeln und wehrfahige Rechtspositionen zu schaffen. Diese Rechtspositionen wiederum gelten nicht nur auf der Ebene des Völker-, sondern auch auf Ebene des innerstaatlichen Rechts und stellen insoweit subjektiv-öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGOdar. Die (potentielle) Eignung allgemeiner Regeln des Völkerrechts, öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO zu begründen, wird auch von der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung anerkannt. So entschied das Bundesverwaltungsgericht, daß einem von einem fremden Staat ernannten Wahlkonsul kein subjektives Recht auf Erteilung der Exequatur zukomme. 32 Ein entsprechender Anspruch sei nicht Teil des Völkergewohnheitsrechts und eine Verletzung des Rechts des Klägers nicht ersichtlich. Ähnlich urteilte das Bundesverwaltungsgericht im sog. Botschaftsparkplatz-Fal1. 33 Auch hier wurde geprüft, ob sich aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (in Verbindung mit nationalem Recht) ein Anspruch auf staatliches Handeln herleiten läßt, was im Ergebnis ebenfalls abschlägig beschieden wurde. Wenngleich in beiden Fällen natürliche Personen als Kläger auftraten, wird aufgrund ihrer Eigenschaft als Organe einer fremden Staatsgewale4 deutlich, daß sich auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts aus den völkerrechtlichen Regelungen,35 die primär zwischen den Staaten wirken, subjektiv-öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO herleiten lassen. Völkerrechtlich gewährte und von Art. 25 GG erfaßte Rechtspositionen, die ihrem Inhalt nach subjektive Rechte einräumen, stellen damit zugleich subjektiv-öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO dar. 36 Besteht die Möglichkeit, daß die deutsche Staatsgewalt in diese Rechte eingreift, ist die Klagebefugnis zu bejahen. 37 Dieses Ergebnis entBVerwG DVBl. 1963,728 fT. BVerwGE 37, 116 (121 ff.); vgl. in diesem Zusammenhang auch Bleckmann, ZaöRV 32 (l972), 71 (108ff.);OLGFrankfwtNJW 1969, 1917. 34 Zur Organstellung von Botschaftern und Konsulen vgl. Ipsen, § 31 Rn. 13 ( und § 43 Rn. 5. 35 Das BVerwG spricht in seiner Entscheidung vom 12. 10. 1962 insoweit von dem Konsul als Objekt des völkerrechtlichen Verhältnisses von Absende- und Empfangsstaat, BVerwG DVBl. 1963, 728 (728). 36 Vgl. Kopp, § 42 Rn. 51. Siehe auch Bleckmann, DÖV 1996, 137 (143), nach dessen Ansicht der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der Verfassung eine effektive Gerichtskontrolle zugunsten des Völkerrechts fordert. 37 Entsprechend den Eingangsbemerkungen ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Frage der öffentlichen Rechte fremder Staaten nur in Ausnahmefilllen relevant wird, da es sich in einer Vielzahl der denkbaren Fälle um völkerrechtliche Streitigkeiten handelt, die der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen sind. (Vgl. § 4 I. 32

33

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§ 7 Klagebefugnis

spricht letztlich nicht nur dem dogmatischen Verständnis des staatsgerichteten subjektiv-öffentlichen Rechts i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO, sondern dient auch der prozessualen Durchsetzung des Grundsatzes der Einheit von nationalem und Völkerrecht. Die Ausfiihrungen zu den öffentlichen Rechten fremder Staaten gelten fiir die Rechtsstellung sonstiger juristischer Personen des ausländischen Rechts entsprechend. Zu berücksichtigen ist insoweit allerdings, daß diesen regelmäßig keine umfassende Völkerrechtssubjektivität zukommt. Öffentliche Rechte aus völkerrechtlichen Regelungen können sie daher nur dann geltend machen, wenn sie ausnahmsweise unmittelbar berechtigt sind oder entsprechende Berechtigungen von den sie tragenden Staaten ableiten können. 38

3. Völkerrechtliche Verträge Ebenso wie im Hinblick auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts stellt sich auch in bezug auf die Regelungen völkerrechtlicher Verträge die Frage, ob und inwieweit sich aus diesen subjektiv-öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO herleiten lassen. Völkerrechtliche Verträge sind alle verbindlichen Absprachen zwischen zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten, wobei es nicht auf Form oder Re3.) Die Bedeutung der Regeln des Völkergewolmheitsrechts filr die Herleitung öffentlicher Rechte zugunsten fremder Staaten oder sonstiger juristischer Personen ausländischen öffentlichen Rechts ist zudem noch aus weiteren Gründen beschränkt. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind ihrem Wesen nach auf den zwischenstaatlichen Rechtskreis zugeschnitten. Thr Hauptanwendungsbereich liegt in der Regelung der Beziehungen souveräner Staaten. Auch wenn sich aus ihnen in einigen Fällen "subjektive" Rechte herleiten lassen, die den innerstaatlichen Rechtskreis betreffen, sind diese in der Regel inhaltlich derart weit gefaßt, daß sie in der Praxis regelmäßig hinter den innerstaatlichen Anforderungen zurückbleiben. Dies gilt insbesondere filr den zunehmend relevant werdenden Bereich des Umweltvölkerrecht, dem konkrete Grenzwerte oder Schutznormen fehlen. (Vgl. dazu Kimminich, in: HbUR, Sp. 2510 ff.) Zu beachten ist insoweit auch, daß die innerstaatlichen Normen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten in aller Regel besser gerecht werden. Sie sind darauf zugeschnitten. In der (innerstaatlichen) Praxis erlangten die allgemeinen Regeln des Völkerrechts daher bislang auch überwiegend nur in jenen Bereichen Bedeutung, in denen innerstaatliche Regeln weitgehend fehlten und die allgemeinen Regeln durch langjährige Praxis eine besondere Konkretisierung erlangt haben. (Eine Übersicht zur Rechtsprechung im Bezug auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts geben Jarass, in: IarasslPieroth, Art. 25 Rn. 3 f; Rojahn, in: v. MÜllch/Kunig, Art. 25 Rn. 22 ff.) hn Vordergrund standen neben Fragen des Enteignungs- und Fremdenrechts (vgl. dazu Hofmann, in: FS Zeidler, S. 1895 ff.; s. auch Schweitzer, Rn. 362) insbesondere Regelungen aus dem Bereich der Staatenimrnunität und der Rechtsstellung diplomatischer und konsularischer Missionen. 38 Vgl. dazu auch oben zur Staatenimmunität § 2 ll. 1. b).

11. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen

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gelungsgegenstand ankommt. 39 Ausgenommen sind jene Verträge, bei denen die Vertragsschließenden in ihrer Eigenschaft als Rechtssubjekte des Privatrechts handeln. 40 Insoweit gelten die Regeln des Internationalen Privatrechts. 41 Wie das Völkergewohnheitsrecht benötigen auch die Regelungen völkerrechtlicher Verträge einer nationalen Vorschrift, die ihnen eine innerstaatliche Geltung verschafft. Eine generelle Übernahmevorschrift wie die des Art. 25 GG besteht für völkervertragliche Nonnen nicht. 42 Gemäß Art. 59 Abs. 2 GG bedürfen völkerrechtliche Verträge, das heißt genauer alle Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, eines Zustimmungsgesetzes. 43 Dieses Zustimmungs- oder Vertragsgesetz dient zum einen der Ennächtigung des vertragsschließenden Organs und zum anderen verleiht es dem Inhalt des Vertrages daJiiber hinaus zugleich innerstaatliche Geltung. 44 Je nach Sichtweise dient das Vertragsgesetz damit als Transfonnationsakt oder Vollzugsbefehl. 45 Die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkervertraglichen Nonn entscheidet sich nach deren Inhalt. 46 Ebenso wie eine allgemeine Regel des Völkerrechts ist sie nur dann unmittelbar anwendbar, wenn es nach Sinn und Zweck der Regelung keines innerstaatlichen Umsetzungsaktes mehr bedarf und die

39 Bernhardt,

in: HbStR § 174 Rn. 2. Stern, I S. 500. 41 Ipsen, § 74 Rn. 31. 42 Geiger, GGuVöR, S. 171. 43 Zwn Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 2 S. 1 vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, Art 59 Rn. 6. 44 BVerfGE 1,396 (410 0; E 6, 290 (294); Bernhardt, in: HbStR, § 174 Rn. 28; Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 25 Rn. 5; Rojahn, in: v. MüochIKunig, Art. 59 Rn. 32. 45 Schweitzer, Rn. 334; vgl. zwn Streit: Geiger, GGuVöR, S. 172 tT. 46 Umstritten ist, ob die innerstaatliche Geltung einer völkervertraglichen Regelung von deren unmittelbarer Anwendbarkeit abhängt. Entsprechend der oben dargestellten Systematik spricht vieles daftlr innerstaatliche Geltung und unmittelbare Anwendbarkeit zu trennen (s. oben § 7 11. 1., sowie Fußnote zu § 7 11. 2. a); vgl. auch Geiger, GGuVöR, S. 175; Rojahn, in: v. MüochIKunig, Art. 25 Rn. 35; Stern, I S. 506.) Geiger weist zu Recht daraufhin, daß sich das Vertragsgesetz auf den völkerrechtlichen Vertrag in seiner Gesamtheit und nicht nur auf dessen unmittelbar anwendbaren Teil beziehe (Geiger, GGuVöR, S. 175). Diese Sichtweise ist nicht nur im Hinblick auf die Auslegung entsprechender Verträge vorzugsWÜfdig, sondern wird auch dem Geltungsanspruch vertraglicher Regelungen im Hinblick auf die innerstaatlichen Organe besser gerecht. Unabhängig von dem Streit wn das Verhältnis von innerstaatlicher Geltung und unmittelbarer Anwendbarkeit, kann sich aus einer völkervertraglichen Regel in jedem Fall nur dann ein ötTentliches Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ergeben, wenn beide Voraussetzungen erflillt sind. Vgl. auch Rojahn, in: v. MüochlKunig, Art. 59 Rn. 35; Zu leeg, AöR 35 (1975), 341 (344 tT.). 40

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§ 7 Klagebefugnis

Nonn inhaltlich hinreichend bestimmt ist. 47 Wie die unmittelbare Anwendbarkeit richtet sich auch die Frage, inwieweit eine völkelVertragliche Regelung "subjektive" Rechte gewährt, nach dem Inhalt der jeweiligen Vereinbarung. 48 Soweit keine ausdrückliche Bestimmung getroffen wurde, ist der Vertrag auszulegen. 49 Soweit eine völkelVertragliche Regelung letztlich innerstaatliche Geltung erlangt. unmittelbar anwendbar ist und "subjektive" Berechtigungen zugunsten bestimmter Rechtssubjekte enthält, kommt den betreffenden Rechtssubjekten auch ein subjektiv-öffentliches Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zu. 50 Dies gilt sowohl fiir fremde Staaten, als auch fiir sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Insoweit gelten die zum Völkergewohnheitsrecht gemachten Anmerkungen entsprechend. Zu berücksichtigen ist jedoch auch hier, daß völkelVertragliche Streitigkeiten der nationalen Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen sind.

4. Der Rang völkerrechtlicher Regeln im innerstaatlichen Recht Über die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte hinaus kommt dem Völkerrecht seine eigentliche innerstaatliche Bedeutung im Hinblick auf die Auslegung nationalen Rechts ZU. 51 Da insoweit der allgemeine Grundsatz gilt, wonach rechtliche Regeln nur zur Auslegung gleichrangigen oder untergeordneten Rechts herangezogen werden können, soll an dieser Stelle kurz auf den Rang eingegangen werden, der den Regelungen des Völkerrechts im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht zukommt. Bei der Beurteilung dieses Rangverhältnisses muß zwischen den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und dem VölkelVertragsrecht differenziert werden. Art. 25 S. 2, 1. Hs. GG bestimmt, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Gesetzen vorgehen. Daraus folgt nach allgemeiner Ansicht zunächst, daß sie im Rang über den einfachen Gesetzen stehen und ihnen die47 Vgl. Zuleeg, JA 1983, I (6); s. auch Geiger, GGuVöR, S. 175; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 25 Rn. 1 a. 48 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 25 Rn. 5. 49 Bungert, S. 480; Geiger, GGuVöR, S. 176; Rojahn, in: v. MünchIK1ll1ig, Art. 59 Rn. 35. 50 Vgl. auch Bungert, DÖV 1994,797 (802); WolfflBachofiStober, § 43 Rn. 48. 51 Vgl. BVerfGE 28, 288 (316); E 75, I (18 f.); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 25 Rn. 1 a; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. I; Zuleeg, JA 1983, 1 (6); vgl. auch Tomusehat, in: HbStR, § 172 Rn. 27 ff. hmerstaatliche Bedeutung kommt einer am Völkerrecht orientierten Auslegung insbesondere in Fällen zu, die einen Auslandsbezug aufweisen. So bspw. bei der Frage, ob sich aus völkerrechtlichen Verträgen eine Pflicht zur Gewährung grundrechtlichen Schutzes ableiten läßt (dazu unten § 7 III. 1. ce» oder ob die allgemeinen Regeln des Völkerrechts eine extraterritoriale Anwendung nationalen Verwaltungsrechts verbieten oder verlangen (vgl. § 7 IV. 1. F), g) ce».

n. Klagebefugnis aufgrund völkerrechtlicher Regelungen

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sen gegenüber Vorrang zukommt,52 Dieser Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts bewirkt, daß mit ihnen kollidierendes einfachgesetzliches innerstaatliches Recht verdrängt wird, soweit dieses nicht völkerrechtskonform ausgelegt werden kann. 53 Anders als das Verhältnis zum einfachen Recht ist das Verhältnis von Völker- und Verfassungsrecht dagegen umstritten. Diskutiert wird insoweit eine Rangstufe völkerrechtlicher Regelungen über, unter oder auf gleicher Ebene mit dem Verfassungsrecht. 54 Nach heute wohl herrschender Auffassung stehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zwischen dem einfachen Gesetzesrecht und dem (gesamten) Verfassungsrecht,55 Diese Ansicht scheint insbesondere im Hinblick auf den Regelungsgehalt des Art. 79 GG und den Sinn und Zweck des Art. 25 GG vorzugswürdig. So spricht gegen eine besondere (über-)verfassungsrechtliche Einordnung, daß Art. 25 GG nicht der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterflllt und damit auch das von ihm umfaßte Völkerrecht nicht der Rang unabänderbaren Verfassungsrechts besitzt. 56 Hinzukommt, daß es zweifelhaft ist, ob der Verfassungsgeber überhaupt Normen oberhalb des Verfassungsrechts, das heißt über seinem eigenen Rang als Normgeber, schaffen kann. 57 Bedenken unterliegt auch die Annahme, daß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Verfassungsrang zukommt. 58 Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG verlangt für eine Abänderung der Verfassung eine ausdrückliche Änderung des Gesetzeswortlauts. Da die allgemeinen Regeln des Völkerrechts aber weitgehend unkodifiziert sind und einem stetigen Wandel unterliegen, würde ihre Einbeziehung im Range innerstaatlichen Verfassungsrechts dieser Anforderung zuwiderlaufen. 59 Dem kann auch nicht dadurch begegnet werden, daß es sich trotz materieller Änderungen stets um Völkerrecht handele. 6O Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit61 52 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 168; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 25 Rn. 6; Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 37; Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 50. 53 Vgl. BVerfGE 28, 288 (316); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 25 Rn. 6; SchmidtBleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. 1; Stern, I S. 494; s, auch Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 40. 54 Vgl. zum Streitstand m. w. N. Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 37. 55 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 168 f.; Ipsen, § 74 Rn. 27; Rojahn, in: v. Münch! Kunig, Art. 25 Rn. 37; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. I; Stern, I S. 493; a. A. Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 61, der die allgemeinen Regeln des Völkerrechts als gleichrangig mit dem sonstigen Verfassungsrecht ansieht. Siehe abweichend auch Bleckmann, Döv 1996, 137 (141). 56 Rojahn, in: v. MÜIlchIKunig, Art. 25 Rn. 37; Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 59; Stern, I S. 494. 57 Vgl. Ipsen, § 74 Rn. 26; Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 25 Rn. 27. 58 Steinberger, in: HbStR, § 173 Rn. 61. 59 Stern, I S. 499. 60 Vgl. Rojahn, in: v. MÜIlchIKunig, Art. 25 Rn. 37.

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§ 7 Klagebefugnis

und zur Venneidung verfassungsrechtlicher Widersprüche kann den allgemeinen Regeln des Völkerrechts kein Verfassungsrang zukommen. Die Annahme eines Verfassungsrangs zugunsten der allgemeinen Regeln des Völkerrechts erscheint zudem auch nach Sinn und Zweck des Art. 25 GG nicht erforderlich. Die Einbeziehung völkerrechtlicher Regeln in die innerstaatliche Rechtsordnung soll lediglich völkerrechtswidrige Gesetze und sonstige Rechtsakte verhindern, nicht aber die Verfassung selbst in Frage stellen. 62 Eine Einordnung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts zwischen Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht wird den Anforderungen des Art. 25 GG ebenso ausreichend gerecht wie der grundsätzlich völkerrechtsfreundlichen Haltung des Grundgesetzes. 63 Im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts kommt den Nonnen völkerrechtlicher Verträge, unabhängig von dem Streit um ihre Einbeziehung (Transfonnation oder Vollzug), nach ganz überwiegender Auffassung stets der Rang des jeweiligen Vertragsgesetzes zu. 64 Aus dieser Rangordnungsfunktion65 des Vertragsgesetzes folgt, daß aufgrund der Zustimmung in Fonn eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG) auch die betreffende völkervertragliche Regelung den Rang eines (fonnellen) Bundesgesetzes einnimmt. Im Verhältnis zu konkurrierendem bzw. abweichendem Gesetzesrecht gleicher Stufe gilt die Lex-posterior-Regel, wonach das zeitlich spätere Gesetz dem zeitlich früheren vorgeht. 66 Ebenso wie die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind damit auch die Nonnen völkerrechtlicher Verträge primär für die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts maßgeblich. 67

Vgl. Pieroth, in: JarasslPieroth, Art. 79 Rn. 2. Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 169; lpsen, § 74 Rn. 27; s. auch Schmidt-Bleibtreul Klein, Art. 25 Rn. 4. 63 Vgl. dazu Tomuschat, in: HbStR, § 173 Rn. 5; s. dazu eingehender unten § 7 IV. 1. g) cc) (2). 64 Bernhardt, in: HbStR, § 174 Rn. 29; Geiger, GGu VöR, S. 177; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 25 Rn. 1 a; Rojahn, in: v. MÜIlchIKunig, Art. 59 Rn. 37; abweichend Bleckmann, DÖV 1996, 137 (142). 65 Vgl. Stern, I S. 506. 66 Rojahn, in: v. MÜIlchIKunig, Art. 59 Rn. 37; vgl. zu späteren Änderungsgesetzen lpsen, § 74 Rn. 47; Zu leeg, JA 1983, 1 (6); s. auch BVerfGE 74,358 (370). 67 Zu beachten sind insoweit allerdings zudem der verfassungsrechtliche Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit und die aus ihm folgenden (teilweise über die völkerrechtlichen Anforderungen hinausgehenden) Auslegungsgrundsätze. Siehe dazu im Hinblick auf die Bestinunung des räumlichen Anwendungsbereichs des deutschen Verwaltungsrechts § 7 IV. 1. g) cc) (2). Siehe auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das zur Auslegung der Grundrechte auf eine Norm der EMRK, also eines völkerrechtlichen Vertrages zurückgegriffen hat (BVerfGE 78, 358 [370)). Dazu Bernhardt, in: HbStR, § 174 Rn. 29. 61

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III. Grundrechtsschutz lUld sonstige VerfasslUlgsrechte

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III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte Die Grundrechte sind als verfassungrechtlich garantierte Abwehrrechte subjektiv-öffentliche Rechte par excellence.\ Dennoch scheint die Frage, ob auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts Grundrechtsschutz genießen, zunächst abwegig. Die Grundrechte gelten traditionell als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, womit die Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen, insbesondere solcher des ausländischen öffentlichen Rechts, von vornherein ausgeschlossen zu sein scheint. Ein Blick auf die denkbaren Fallkonstellationen macht es jedoch notwendig, sich mit der Frage nach den subjektiv-öffentlichen Rechten aus Grundrechten näher auseinanderzusetzen. So ist eine Klage eines in der Bundesrepublik tätigen ausländischen Staatshandelsuntemehmens aufgrund einer Verletzung von Art. 14 GG ebenso denkbar, wie eine solche einer ausländischen Gemeinde, die sich gegen grenzüberschreitende Umweltverschmutzungen und damit gegen die Beeinträchtigung ihres Eigentums wendet. 2 Praktisch

I Inwieweit sich aus den Grundrechten subjektiv-öffentliche Rechte i. S. des § 42 Abs.2 VwGO herleiten lassen, ist nach wie vor umstritten. (Vgl. Ramsauer, AöR III [1986],501 ff) Die ganz herrschende MeinlUlg geht von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Grundrechte aus. (Vgl. Hufen, § 14 Rn. 95; Kopp, § 42 Rn. 43; Schenke, Rn. 498 ff.; Schmitt Glaerser, Rn. 157; Stern, VwPrR, Rn. 289; s, auch Maurer, § 8 Rn. 10; Sachs, in: StelkensIBonklSachs, § 50 Rn. 17; a. A. Wahl, in: SchochlSchmidt-Aßmannl Pietzner, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 54). hn Verhältnis zum einfachen Recht wird insoweit allerdings überwiegend ein AnwendlUlgsvorrang des einfachen Rechts angenommen. (Vgl. Maurer, § 4 Rn. 42; Schmitt Glaerser, Rn. 162). Subjektiv-öffentliche Rechte sind danach lUlter Beacht\Ulg der grundrechtlichen Wertungen zunächst dem einfachen Recht zu entnehmen. Dieses konkretisiert lUld aktualisiert die einschlägigen Grundrechte. Erst wenn entsprechende einfachgesetzliche RegellUlgen fehlen, ist unmittelbar auf die Grundrechte zurückzugreifen. Dabei ist allerdings zu beachten; daß ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundrechte ausgeschlossen ist, wenn der Gesetzgeber bewußt lUld verfasslUlgskonfonn auf die Schaffung subjektiver Rechte verzichtet oder entsprechend andere RegellUlgen getroffen hat. Insofern liegt eine verfasslUlgsgemäße Einschränkung der betroffenen Grundrechte vor. Unmittelbar anzuwenden sind diese zum Schutz des grundrechtsflihigen Rechtssubjekts dagegen dann, wenn eine lUlbewußte RegellUlgslücke vorliegt oder die vorhandene RegellUlg den grundrechtlichen Anforder\Ulgen nicht hinreichend gerecht wird. (A. A. Wahl, in: SchochlSchmidt-AßmannlPietzner, § 42 Rn. 54, 98 ff.; ders., DVBl. 1995,641 ff.; ähnlich wie hier Ramsauer, AöR 111 [1986],501 [513 ff.]). hn Ergebnis kommt den Grundrechten damit eine Doppelfunktion zu. Zum einen sind sie Kontrollmaßstab des einfachen Rechts lUld zum anderen nehmen sie selbst die FlUlktion unmittelbar anwendbaren (einfachen) Rechts wahr. 2 Vgl. dazu bspw. die Klage der deutschen Gemeinde Borkum in den Niederlanden, teilweise wiedergegeben bei Jans, in: Pelzer, S. 77 ff

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§ 7 Klagebefugnis

relevant geworden ist die Frage nach der Grundrechtsfahigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts aufgrund der Verfassungsbeschwerde des österreichischen Bundeslandes Vorarlberg im Zusammenhang mit der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf 3 Von besonderem Interesse ist insoweit auch, ob und inwieweit sich ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts auf die fonnellen Grundrechte der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. I GG bzw. Art. 103 Abs. 1 GG berufen können.

1. Der personale Schutzbereich der materiellen Grundrechte Die Frage nach der materiellen Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen ist in der Literatur seit langem umstritten. Auch verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts brachten die Diskussion nicht zum Erliegen. Von der herrschenden Meinung in Literatur4 und RechtsprechungS wird die Gewährleistung grundrechtlichen Schutzes zugunsten ausländischer juristischer Personen aufgrund der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG abgelehnt. Dennoch gibt es immer wieder Ansätze, die den personalen Schutzbereich der Grundrechte auch auf ausländische juristische Personen ausdehnen. 6 Insbesondere im Hinblick auf das Europäische Gemeinschaftsrecht mehren sich die Stimmen, die zumindest juristischen Personen mit Sitz in EG-Mitgliedstaaten die Grundrechtsfähigkeit zusprechen. 7 Die Frage der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts wird dabei durch zwei Faktoren bestimmt. Zum einen handelt es sich bei diesen Rechtssubjekten um ausländische Rechtssubjekte Vgl. BVerfG EuGRZ 1988,242. Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; Isensee, in: HbStR, § 118 Rn. 45; Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 19 Rn. 15; Kriiger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 49; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Rn. 49 ff.; ders., Jura 1983,30; Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 36; Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 57; ders., AöR 89 (1969), 261 (275); Schmidt-B1eibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 14; ebenso Bethge, Grundrechtsberechtigung, S.44 fT.; ders., AöR 104 (1979), 83 ff.; Meessen, JZ 1970, 602; Schmidt, S. 168 ff. 5 BVertGE 21, 207; E 23, 229; BGHZ 76,375 (386); 76, 387 (395). 6 Mit unterschiedlicher Begründung u.a. Hendrichs, in: v. Münch, (3.Aufl.) Art. 19 Rn. 33; v. Mangoldt/ Klein, (1957) Art. 19 Anm. VI 2; Brinkmann, Art. 19 Anm. I 6 b a; HamannILenz, Art. 19 Anm. 8; Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 55; Hendrichs, in: v. Münch, (3. Aufl.) Art. 19 Rn. 33; Rupp-v. Briinneck, in: FS Amdt, S. 381 fT.; Ritter, NJW 1964,279; Niessen, NJW 1968, 1017; Degenhart, EuGRZ 1981, 161; Steinbriick, S. 70 fT.; OVG Münster NVwZ 1989, 1090; im Hinblick auf Art. 4 GG v. Manch, in: ders./Kunig, Art. 4 Rn. 17. 7 Vgl. Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 14; Ehlers, JZ 1996, 776 (781); dazu eingehend § 7 IIl. 1. a) dd). 3 4

ill. Gnmdrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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und zum anderen um solche des öffentlichen Rechts. Da sich beide Faktoren auf die Grundrechtsfahigkeit juristischer Personen auswirken können, sollen diese Merkmale nachfolgend getrennt erörtert werden. a) Die Bedeutung der Auslandseigenschaftjuristischer Personen für die Gewährung grundrechtlichen Schutzes

Die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen wird durch Art. 19 Abs. 3 GG geregelt. Dieser Vorschrift nach gelten die Grundrechte "auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind." Damit wird zunächst klargestellt, daß juristische Personen überhaupt Träger von Grundrechten sein können. 8 Unbeantwortet läßt der Wortlaut dagegen die Frage, wann eine juristische Person als "inländisch" anzusehen ist. 9 Eine verfassungsrechtliche Definition dieses Begriffes findet sich nicht. Nach der herrschenden Sitztheorie ist eine juristische Person als "inländisch" zu betrachten, sofern sie ihren (Haupt-) Verwaltungssitz im Inland hat. 1O Mit dieser Ansicht wird der sog. Kontrolltheorie entgegengetreten, wonach es zur Bestimmung der Inlandseigenschaft einer juristischen Person auf die Nationalität der natürlichen Person ankommt, die diese kontrolliert. Für die Bestimmung der Auslandseigenschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts hat dieser Streit keine Bedeutung. Fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts sind bereits per definitionem keine inländischen juristischen Personen. Diesen Rechtssubjekten ist die Bestimmung der In- oder Auslandseigenschaft vielmehr immanent. 11 8 Zu den einzelnen, auf juristische Personen generell (nicht-)anwendbaren Gnmdrechten vgl. m. w. N. Bethge, Gnmdrechtsberechtigung, S. 36 f1; Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 22 f.; Rajner, in: HbStR, § 116 Rn. 37 f1 9 Zur Bedeutung der Anerkennung ausländischer juristischer Personen vgl. unten §7 ill. 1. a) bb)(I). 10 Stern, illll S. 1138; s. weiter Bethge, Gnmdrechtsberechtigung, S.45; Bleckmann, Staatsrecht, S. 125; Kriiger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 49; m. w. N. Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 60 f1; vom Sitz der Gesellschaft ausgehend auch BVerfGE 21, 207 (208 f.); E 23, 229 (236). Umstritten ist, ob es auf den formalen oder effektiven Sitz, i. S. eines selbstgewählen Aktionszentrums (so die überwiegende Meinung) ankommt. Vgl. dazu v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 54; PierothiSchlink, Rn. 177; Stern, illll S. 1143. 11 In Anwendung der Sitztheorie folgt dies daraus, daß als maßgeblicher (Haupt-) Verwaltungssitz einer ausländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts immer der Staat angesehen werden muß, von dessen Trägerschaft sie abhängt. Der ,,Lebensmittelpunkt" aller juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist ihr Heimatstaat, dort werden die für diese Rechtssubjekte maßgeblichen ,,Entscheidungen" getroffen. (Vgl. zu diesem Kriterium Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 48.) Dun zu dienen und

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§ 7 Klagebefugnis

aa) Die Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf inländische juristische Personen (1) Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG

Aus dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG folgert die herrschende Meinung als argumentum e contrario, daß sich der Grundrechtsschutz ausnahmslos auf inländische juristische Personen beschränke. 12 Ausländische juristische Personen könnten sich nicht auf die Verletzung von Grundrechten berufen. Dieser Ansicht wird entgegengehalten, daß sich aus dem Wortlaut keineswegs ein Ausschluß ausländischer juristischer Personen vom Schutz der Grundrechte ergebe. Vielmehr sei von einer Regelungslücke auszugehen, die Raum für eine analoge Anwendung der Grundrechte lasse. 13 Inwieweit tatsächlich Raum fiir eine analoge Anwendung der Grundrechte besteht, ist zwar zweifelhaft, der dargestellten Sichtweise ist aber zuzugeben, daß der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG lediglich dann eindeutig wäre, sofern nach dem Verfassungstext die Grundrechte "nur" für inländische juristische Personen gälten. Wenngleich die Annahme einer Beschränkung auf inländische juristische Per-

seine Interessen zu fördern sind sie bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn sie im Ausland tätig werden. Der maßgebliche (Haupt-)Verwaltungssitz kann sich damit nicht verschieben. Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch nach der Kontrolltheorie. Hinter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts steht, wie gezeigt, immer der Staat, nach dessen Recht sie gegründet wurde. Dieser Staat kontrolliert die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts. Es ist insoweit nicht denkbar, daß eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts von einem fremden Staat oder eine ausländische juristische Person des öffentlichen Rechts von einem deutschen Hoheitsträger kontrolliert wird. Auch die Gründung einer ausländischen juristischen Person nach deutschem öffentlichem Recht ist denknotwendig ausgeschlossen. Etwas anderes gilt im Hinblick auf die Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des Privatrechts. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion um die verschiedenen Ansätze nicht lediglich theoretischer Natur. (Vgl. dazu ausführlich Stern, III/l S. 1137 ff.) Vielmehr filhrt die Wahl des jeweiligen Anknüpfungspunktes zu einer Verengung oder Erweiterung des Kreises der Grundrechtsberechtigten. So gelangt bspw. nach der Sitztheorie jede in der Bundesrepublik gegründete und hier ansässige Gesellschaft in den Genuß grundrechtlichen Schutzes, während dies nach der Kontrolltheorie unter den gleichen Voraussetzungen ausgeschlossen ist, wenn die Gesellschaft von Ausländern kontrolliert wird. 12 Vgl. Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; KrUger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 49; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 49; teilweise wird im Ausschluß ausländischer juristischer Personen sogar der einzige Regelungsinhalt des Art. 19 Abs. 3 GG gesehen, so Schmidt, S. 169, Oechsle, S. 153. 13 Ritter, NJW 1964,279.

ill. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

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sonen näher liegt, 14 läßt damit die Wortlautinterpretation sowohl die Annahme eines Umkehrschlusses als auch die einer Lücke in der Verfassung zu. IS (2) Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 3 GG Erste Anhaltspunkte für den Willen des Verfassunggebers, ausländische juristische Personen vom Schutzbereich der materiellen Grundrechte auszuschließen, lassen sich in der Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 3 GG finden. 16 Insoweit wird in der Lehre nicht nur auf die Vorläufer dieser Regelung l7 abgestellt, sondern regelmäßig auch auf die Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses verwiesen,18 worin es heißt, daß "kein Anlaß bestehen [dürfte], auch ausländischen juristischen Personen den Schutz der Grundrechte zu gewähren."19 Diese Stellungnahme sowie die Tatsache, daß der Begriff "inländisch" nachträglich in den Normtext aufgenommen wurde,20 sprechen dafür, daß der Verfassunggeber ausländische juristische Personen bewußt vom Schutz der Grundrechte ausnehmen wollte.

(3) Bestimmung des personalen Schutzbereichs der Grundrechte nach Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG Über den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte hinaus wird die von der herrschenden Meinung angenommene Begrenzung des Grundrechtsschutzes zugunsten inländischer juristischer Personen wesentlich aus dem Normverständnis des Art. 19 Abs. 3 GG hergeleitet. Nach überwiegender Ansicht sind Sinn und Zweck dieser Regelung die Wahrung eines fremdenrechtlichen Aktionsspielraums zur Durchsetzung nationaler Interessen. 21 Das Grundgesetz wolle der deutschen Hoheitsgewalt die Möglichkeit wahren, über Art und 14 Vgl. Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (162). 15

Bethge, GrundrechtsberechtigWlg, S. 47; Meessen, JZ 1970,602 (602).

16 Zur EntstehWlgsgeschichte ausfUhrIich Steinbrack, S. 18 fI.; vgl. auch Stern, IIIIl

S. 1135; dagegen filr Wlergiebig hält die EntstehWlgsgeschichte Ritter, NJW 1964, 279 (281). 17 Vgl. bspw. § 93 Abs. 1 der Bayerischen VerfasSWlg von 1919 (BayGVBI. 1919, 531); dazu Wld zu weiteren Beispielen Steinbrack, S. 18 ff. 18 Bethge, GrundrechtsberechtigWlg, S. 47; Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Rdnr. 50, Schmidt, S. 169. 19 Vgl. StellWlgnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses, Drucksache 370 v. 13. 12. 1948, Parlamentarischer Rat, Grundgesetz, Entwurf 1948/49, S. 85 (89). 20 Steinbrack, S. 21. 21 Vgl. m. w. N. Dreier, in: ders., Art. 19 Rn. 35; v. Mutius, Jura 1983, 30 (36); Stern, IIIII S. 1136.

11

Fehlmüller

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Umfang der ausländischen juristischen Personen einzuräumenden Rechtspositionen frei, das heißt "grundrechtsungebunden", entscheiden zu können. 22 Nur so könnten im Rahmen zwischenstaatlicher Verhandlungen notwendige Verbesserungen gesetzlicher Regelungen zugunsten deutscher juristischer Personen im Ausland erwirkt23 und im Zuge der Gegenseitigkeit handelspolitische Vergünstigungen durchgesetzt werden. Dieser fremdenrechtliche Handlungsspielraum wäre beseitigt, wenn man die Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen festschriebe. 24 Aus einer vorbehaltslosen Gewährung grundrechtlichen Schutzes folgte fiir das Gebiet der Bundesrepublik nämlich eine Gleichstellung in- und ausländischer juristischer Personen, in deren Folge jegliches Druckmittel zur völkervertraglichen Durchsetzung von Inländergleichbehandlungsklauseln verloren ginge. 25 Als rechtfertigender Grund fiir die SchlechtersteIlung ausländischer juristischer Personen wird darauf verwiesen, daß diese aufgrund ihrer Verbundenheit mit dem Sitzstaat nicht in gleichem Umfang der Kontrolle der deutschen Staatsrnacht unterlägen, wie dies bei inländischen juristischen Personen der Fall sei. 26 Ausländische juristische Personen würden zwar im Inland tätig und besäßen dort auch Vermögenswerte, ihr Lebenszentrum läge aber außerhalb des deutschen Zugriffsbereichs. 27 Anders als inländische juristische oder auch ausländische natürliche Personen seien sie der deutschen Staatsgewalt nicht existentiell unterworfen, sie griffen vielmehr "nur mit ihrem Arm in den Hoheitsbereich der Bundesrepublik"28 und unterlägen damit nur partiell der inländischen Kontrolle. Ihnen sei es letztlich leichter als inländischen juristischen Personen möglich, sich der innerstaatlichen Rechtsordnung zu entziehen. Im Hinblick auf diese beschränkte Gewaltunterworfenheit und den Umstand, daß ausländische juristische Personen von der Ordnungsgewalt eines fremden Staates geprägt seien, "könnte es ein Risiko bedeuten, den ausländischen juristischen Personen, die der Ordnungsgewalt in der Bundesrepublik in weitem Umfang entrückt sind, Rechte von Verfassungsrang zu gewähren.,,29 Dieser "relativen Beziehungslosigkeit" ausländischer juristischer Personen zur innerstaatlichen Rechtsordnung trage die Inländerklausel des Art. 19 Bethge, Grundrechtsberechtigung, s. 48. Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 38. 24 PierothiSchlink, Rn. 178. 25 Meessen, JZ 1970,602 (603); v. Mutius, in: BK, Art. 19 Rn. 30; Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 38. 26 V. Mutius, Jura 1983, 30 (36). 27 Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 38. 28 Schmidt, S. 170. 29 Schmidt, S. 171; ebenso v. Mutius, Jura 1983, 30 (36). Anzwnerken ist allerdings, 22

23

daß eine genauere Spezifizierung dieses ,,Risikos" innerhalb der Literatur nicht erfolgt.

ill. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Abs. 3 GG Rechnung. Aus der geringeren Gewaltunterworfenheit folge ein dementsprechendes geringeres Bedürfnis nach verfassungsrechtlich garantiertem Rechtsschutz. 30 Die Verweigerung des materiellen Grundrechtsschutzes zugunsten ausländischer juristischer Personen aufgrund des Art. 19 Abs. 3 GG wird damit letztlich durch zwei Merkmale bestimmt. Zum einen soll Art. 19 Abs. 3 GG dem einfachen Gesetzgeber einen fremdenrechtlichen Handlungsspielraum zur Durchsetzung von Gegenseitigkeit bewahren, und zum anderen ist die SchlechtersteIlung ausländischer juristischer Personen durch deren geringere Unterworfenheit unter die deutsche Hoheitsgewalt gerechtfertigt. (4) Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Ein solches Normverständnis wird durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Im Einklang mit der herrschenden Literatur lehnt auch das Bundesverfassungsgericht nach anfanglichem Zögern die Anwendung der Grundrechte zugunsten ausländischer juristischer Personen ab. Während es in E 12,6 noch hieß: "Wenn aus dieser Vorschrift [Art. 19 Abs. 3 GGJ überhaupt zu folgern sein sollte, daß ausländische juristische Personen nicht Träger von Grundrechten sein können [... )"31, entschied das Gericht in E 21, 207, daß sich die Erweiterung der Grundrechte kraft ausdrücklicher Verfassungsvorschrift nur auf inländische juristische Personen erstrecke. 32 Im Hinblick auf ihre Begründung sind die vorliegenden Entscheidungen wenig ergiebig. Das Gericht führt lediglich an: "Wortlaut und Sinn verbieten eine ausdehnende Auslegung auf ausländische juristische Personen.'.33 Diese Ansicht wird in E 23, 229 ohne weitere Stellungnahme bestätigt.34 (5) Exkurs: Die Einschränkung zugunsten der Verfahrens- und Prozeßrechte aus Art. 101 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG

Entgegen der im Hinblick auf die Grundrechte der Artt. 1 bis 17 GG vertretenen unterschiedlichen Meinungen zeigt sich innerhalb der Rechtspre-

30

Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 47.

31 BVerfGE 12, 6 (8).

32 BVerfGE 21, 207 (208 f.); die Entscheidung zu Art. 19 Abs. 3 GG offengelassen in BVerfGE 18,441 (447). 33 BVerfGE 21, 207 (208). 34 BVerfGE 23, 229 (230).

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§ 7 Klagebefugnis

chun~5 und Literatu~6 weitgehend Einigkeit dahingehend, daß die verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte (zumindest diejenigen des IX. Abschnitts des Grundgesetzes) zur Geltendmachung materieller Rechtspositionen auch ausländischen juristischen Personen zustehen. 37

Nur vereinzelt wird vertreten, daß sich der Ausschluß nach Art. 19 Abs. 3 GG auf sämtliche subjektive Verfassungsrechte einschließlich der Justizgrundrechte des IX. Abschnitts des Grundgesetzes beziehe. 38 Einem derartigen generellen Ausschluß ausländischer juristischer Personen vom Schutz der verfassungsrechtlichen Verfahrensrechte wird jedoch zu Recht entgegengehalten, daß man mit der Ausdehnung der "Inländerklausel" auch auf diese Gewährleistungen den Sinngehalt der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG ohne Not über das vom Verfassunggeber gewollte Maß hinaus erstrecke. Im gerichtlichen Verfahren und im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Prozeßrechte sei nie zwischen inländischen und ausländischen juristischen Personen unterschieden worden. Maßgeblicher Gesichtspunkt sei stets die Parteillihigkeit. 39 Zu berücksichtigen ist insoweit auch die tragende rechts staatliche Funktion, die den Verfahrensrechten zuerkannt wird. Das letztlich wenig streitige Ergebnis, wonach Art. 19 Abs. 3 GG nicht der Fähigkeit ausländischer juristischer Personen entgegensteht, Träger der grundgesetzlich garantierten Verfahrensrechte zu sein, wird jedoch in Rechtsprechung und Lehre verschieden begründet. Das Bundesverfassungsgericht stellt insoweit primär auf die objektivrechtliche Bedeutung der Verfahrensrechte als zentrales Element des Rechtsstaatsprinzips ab. 40 Seiner Ansicht nach sind die Vorschriften über die Prozeßrechte nicht von Art. 19 GG umfaße 1 ,,Diese Verfassungsbestimmungen [Art. 101, 10300] gehören fonnell nicht zu den Grundrechten im Sinne von Art. 19 00; sie gewährleisten auch nach ihrem Inhalt keine Individualrechte wie Art. 1 bis 17 00, sondern enthalten objektive VerfahBVerfGE 12,6 (8); E 18,441 (447); E 21,362 (373), vgl. auch E 64, 1 (11). Darig, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 30; lsensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 19 Rn. 15; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Rn. 51; Quaritsch, in: HbStR. § 120 Rn. 41 ff.; Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 58; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 14; m. w. N. Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (161). 37 Da die herrschende Auffassung zum Schutzbereich der Verfahrensrechte aus Art. 101 00 und Art. 103 00 von einem Teil der Literatur zum Anlaß genommen wird, den Schutz der materiellen Grundrechte auf ausländische juristische Personen zu erstrecken, soll schon an dieser Stelle auf die Verfahrensrechte des IX. Abschnitts eingegangen werden. Zu Art. 19 Abs. 4 00 vgl. unten § 7 m. 2. b). 38 Schmidt, S. 173. 39 Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 44. 40 BVerfGE 21,362; E 61,82 (104). 41 BVerfGE 12,6 (8); E 18,441 (447); E 21,362 (373); E 61,82 (104). 35

36

ill. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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rensgrundsätze, die fUr jedes gerichtliche Verfahren gelten und daher auch jedem zugute kommen müssen, der nach den Verfahrensnormen parteifiihig ist oder von dem Verfahren unmittelbar betroffen wird.,,42

Einer besonderen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung materieller Grundrechte und grundrechtsgleicher Rechte bedarf es nach dieser Auffassung nicht. Etwas anderes gilt nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht. Diese sieht in den Verfahrensrechten grundrechtsgleiche Rechte, die als subjektive Rechte von der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG nicht aufgrund ihrer Systematik, sondern aufgrund des Sinns und Zwecks dieser Vorschrift ausgenommen sind. 43 Der von Art. 19 Abs. 3 GG eingeräumte fremdenrechtliche Handlungsspielraum werde im Zusammenhang mit den Verfahrensrechten nicht benötigt.44 Zur Erreichung der angestrebten wirtschafts- und außenpolitischen Ziele sei ein auf die materiellen Rechtspositionen gerichteter Ausschluß vom Schutzbereich der Grundrechte ausreichend. Der Ausschluß von sonstigen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten sei nicht erforderlich. 45 Insoweit sei der Gehalt der Inländerklausel in Art. 19 Abs. 3 GG teleologisch zu reduzieren. 46 Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil ausländische juristische Personen im gerichtlichen Verfahren der deutschen Staatsgewalt inländergleich unterworfen seien. 47 Die verfahrensrechtlichen Garantien des Verfassungsrechts könnten keinem Verfahrensbeteiligten entzogen werden, da sie letztlich schon um der objektiven Rechtsstaatlichkeit willen geboten seien. 48 Einen dritten Weg geht Quaritsch. 49 Er leitet die Anwendbarkeit der Prozeßgrundrechte nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip ab, da dieses als aus der Gesamtheit der grundgesetzlichen Normen gewonnenes Prinzip nicht der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG zuwiderlaufen dürfe und damit nicht zu deren Modifikation fUhren könne. Die Anwendbarkeit der Verfahrensrechte erfolge vielmehr von Art. 19 Abs. 3 GG unabhängig, da die Verfahrensrechte aufgrund der grundgesetzlichen Systematik gar nicht erst in den Anwendungsbe-

42 BVerfUE 21,362 (373). 43 Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 Rn. 31; PierothiSchlink, Rn. 162; Rüfner, in: HbStR, § 116 Rn. 58. 44 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 51; ders., Jura 1983,30 (36); Rüfner, in: HbStR, § 116 Rn. 58; m. w. N. Bethge, Grundrechtsberechtigung, s. 50. 45 PierothiSchlink, Rn. 162. 46 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Rn. 31. 47 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 50. 48 lsensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; vgl. auch Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 49; RUfner, in: HbStR, § 116 Rn. 58; Stern, illll S. 1147. 49 Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 41 ff. (44).

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§ 7 Klagebefugnis

reich dieser Norm fielen. 50 Die Beschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG gelte grundsätzlich nur fiir die im Grundgesetz ausdrücklich als "Grundrechte" bezeichneten Rechtspositionen.

bb) Keine Ausdehnung des Grundrechtsschutzes für ausländische juristische Personen aufgrund innerstaatlichen Rechts Die Versuche der Literatur entgegen der herrschenden Meinung und im Einklang mit dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG den Grundrechtsschutz auch auf ausländische juristische Personen zu erstrecken, sind ebenso zahlreich wie argumentativ verschieden. 51

(1) Zur Bedeutung der "Anerkennung" ausländischer juristischer Personen

Ein Teil der Literatur versucht, den Grundrechtsschutz über die zivilrechtliehe Anerkennung zu begründen. Anerkannten ausländischen juristische Personen komme grundrechtlicher Schutz ebenso zu wie inländischen. 52 Erstere würden durch die Anerkennung zwar nicht zu "inländischen" juristischen Personen i. S. des Art. 19 Abs. 3 GG,53 mit der Anerkennung dehne die Bundesrepublik aber den Grundrechtsschutz auf diese aus. 54 Einer solchen Ausdehnung verfassungsrechtlichen Schutzes stehe Art. 19 Abs. 3 GG nicht entgegen. Voraussetzung sei allerdings, daß das betreffende Recht nicht ausschließlich Deutschen zugute kommen sollte. 55 Eine BessersteIlung ausländischer juristischer Personen im Verhältnis zu ausländischen natürlichen oder inländischen juristischen Personen dürfe sich nicht ergeben. 56

50 Vgl. ähnlich Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 25. 51 Vgl. Brinkmann, Art. 19 Anm. 16 b a; Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 55; Degenhart, EuGRZ 1981, 161; HamannILenz, Art. 19 Anm. 8; Hendrichs, in: v. Münch, (3. Aufl.) Art. 19 Rn. 33; v. Mangoldt/Klein, (1957) Art. 19 Anm. Vl2; Niessen, NJW 1968, 1017; Ritter, NJW 1964,279; Rupp-v. BrlInneck, in: FS Amdt, S. 381 fT.; Steinbrllck, S. 70 ff 52 Vgl. Brinkmann, Art. 19 Anm. 16 b a; Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 55; v.

Mangoldt/Klein, (1957) Art. 19 Anm.Vl2; Maser, S. 13. 53 V. Mangoldt/Klein, (1957) Art. 19 Anm. Vl 2: ,,Außer den inländischen [juristischen Personen] in diesem Sinne dürfen sich auch die im Inland anerkannten (zugelassenen) ausländischen juristischen Personen auf Abs. 3 berufen."; s. auch Hendrichs, in: v. Münch, (3. Aufl.) Art. 19 Rn. 32; so wohl falsch verstanden von Niessen, NJW 1968,1017 (1019), ebenso Meessen, JZ 1970,602. 54 Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 55. 55 Brinkmann, Art. 19 Anm. 16 b a; Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 55. 56 Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 55.

m. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Gegen diese Auffassung wird zu Recht vorgebracht, daß sie zu einer Ausdehnung des Grundrechtsschutzes führt, die den Vorbehalt des Art. 19 Abs. 3 GG praktisch aufhebt. 57 Die internationalprivatrechtliche Anerkennung ausländischer juristischer Personen erfolgt nach deutschem Recht ipso iure. 58 Dies würde in Anwendung der dargestellten Auffassung dazu fUhren, daß praktisch alle ausländischen juristischen Personen in den Genuß grundrechtlichen Schutzes kämen. Eine dermaßen weite Ausdehnung des Grundrechtsschutzes ist zwar nicht a priori ausgeschlossen, da es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, entsprechend weitgehende Regelungen zu treffen. Es ist aber zu bedenken, daß eine solche Erweiterung des Kreises der Grundrechtsberechtigten mit dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG nicht mehr vereinbar wäre. 59 Der dargestellten Ansicht folgend, bliebe kein nennenswerter fremdenrechtlicher Handlungsspielraum übrig, und auch dem Bedürfnis der gesonderten Behandlung von Rechtssubjekten, die sich staatlicher Kontrolle weitgehend entziehen können, wäre kaum mehr hinreichend Rechnung zu tragen. (2) Die Möglichkeit der analogen Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG

Wenig überzeugend ist auch der Lösungsvorschlag Ritters60• Ausgehend vom Wortlaut und unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips kommt er zu einer analogen Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG auf ausländische juristische Personen, mit der Folge, daß diese durch die Grundrechte geschützt seien, der Grundrechtsschutz jedoch unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt stehe. Zur Begründung führte er, ausgehend von der Gewaltunterworfenheit aller Rechtssubjekte, an, daß die Gewährleistung der Grundrechte das materielle Kernstück des Rechtsstaatsprinzips sei, welches sowohl für natürliche als auch juristische Personen gelte. Da die Form der juristischen Person der Verwirklichung der Grundrechte natürlicher Personen diene, sei eine analoge Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG im Hinblick auf die sogenannten "Jedermann"Grundrechte gerechtfertigt. Aus Gründen der Gefahrenabwehr und aufgrund des Prinzips der Gegenseitigkeit sei jedoch eine Beschränkung der Grundrechtsausübung notwendig, welche durch einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt zu erreichen sei. 57 Vgl. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 46; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 57; s. auch Steinbrack, S. 35 tf. 58 Heldrich, in: Palandt Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn. 18 f. 59 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 46. 60 Ritter, NJW 1964,279.

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§ 7 Klagebefugnis

Der Ansatz Ritters hat durchgehend Kritik erfahren. 61 Wenngleich dessen Sichtweise insoweit zuzustimmen ist, als daß juristische Personen im Einzelfall der deutschen öffentlichen Gewalt tatsächlich inländergleich unterworfen sein können, ist bereits die Annahme einer Analogie angesichts der geschichtlichen Entwicklung des Art. 19 Abs. 3 GG unvertretbar, da es (zumindest auf der Ebene des Verfassungsrechts) an einer Planwidrigkeit der (denkbaren) Regelungslücke fehlt. 62 Sofern man in Art. 19 Abs. 3 GG überhaupt eine Regelungslücke sieht, ist diese vom Verfassunggeber zumindest bewußt gewählt worden und in der Systematik dieser Regelung angelegt.

(3) Der Grundsatz der inländergleichen Gewaltunterworfenheit In der neueren Literatur wird die Anerkennung verfassungsrechtlichen Schutzes für ausländische juristische Personen im Bereich der Verfahrensrechte zum Anlaß genommen, der Frage nachzugehen, ob ein grundsätzlicher Ausschluß ausländischer juristischer Personen vom Schutz der materiellen Grundrechte mit dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG vereinbar ist oder ob die Inländerklausel unter bestimmten Voraussetzungen restriktiv ausgelegt werden soll. Unter Beachtung dieses Gesichtspunktes sieht Degenhart63 in Art. 14 GG ein Grundrecht, welches ausländischen juristischen Personen ebenso zustehen könne wie inländischen. Eine ausländische juristische Person unterliege als Eigentümer eines Grundstücks ebenso der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wie dies rur einen inländischen Eigentümer gelte. Die damit einhergehende gleiche Gewaltunterworfenheit rechtfertige die SchlechtersteIlung ausländischer juristischer Personen nicht mehr. Gleiches gelte fiir weite Bereiche des Rechtsverkehrs, in dem ausländische juristische Personen den gleichen Bestimmungen unterlägen wie inländische. 64

Bleckmann, Staatsrecht, S. 146; Meessen, JZ 1970,602 (603); Steinbrück, S. 42 f. Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; Steinbrück, S. 42 f.; vgl. auch Meessen, JZ 1970,602 (603); zur Regelungslücke auf der Ebene des einfachen Rechts s. unten § 7m. 4. d). 63 Degenhart, EuGRZ 1981, 161. 64 Degenhart verweist auf bau-, gewerbe- und irrunissionsrechtliche Bestinunungen, sowie Vorschriften des Arbeitsrechts, Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (163). Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Bungert, der die Grundrechtsfiihigkeit ausländischer juristischer Personen (des Privatrechts) aus der Gewaltunterworfenheit dieser Rechtssubjekte unter die inländische Staatsgewalt ableitet. Da Art. 1 Abs. 3 GG, als die wesentliche Grundrechtskollisionsnonn, zur Begründung grundrechtlichen Schutzes an die Subjektion jeglicher Rechtssubjekte anknüpfe, müsse diese Subjektionsanknüpfung auch filr Art. 19 Abs. 3 GG verwandt werden, womit "dem Begriff ,inlän61

62

ill. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Die vom Verfassunggeber vorausgesetzte Erwägung, daß sich ausländische juristische Personen der Kontrolle durch die deutsche Rechtsordnung entziehen könnten, spiele insoweit keine Rolle. Vielmehr werde deutlich, daß sich in bestimmten Fallkonstellationen eine gleiche Gewaltunterworfenheit zeige, die die vom Verfassunggeber vorausgesetzte "Normsituation" entfallen lasse. Diese Erkenntnis alleine spreche zwar noch nicht für die Unanwendbarkeit der "Inländerklausel". Aus dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, dem Gesichtspunkt gleichmäßigen Betroffenseins und damit aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen (in ihrer subjektiv-grundrechtlichen Ausprägung) folge aber die Anwendung einzelner Grundrechte auch zugunsten ausländischer juristischer Personen. 6S Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Steinbrück, der es aber für erforderlich hält, daß zu der inländergleichen Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer Personen eine wirtschaftliche Verknüpfung mit dem Inland hinzutreten müsse. 66 Diese zusätzliche Voraussetzung sei notwendig, um die Grenzen des Art. 19 Abs. 3 GG nicht normzweckwidrig zu sprengen. 67 Inländern komme grundrechtlicher Schutz nicht nur aufgrund ihrer Gewaltunterworfenheit, sondern insbesondere aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu. 68 Ein solches zusätzliches Merkmal müsse in vergleichbarer Art auch für ausländische juristische Personen gefordert werden, da sonst allen Gewaltunterworfenen ohne Beachtung des Normzusammenhangs der Schutz der Grundrechte zukomme. 69 Von einem erweiterten Grundrechtsschutz unter Berücksichtigung des Normzwecks von Art. 19 Abs. 3 GG geht auch das OVG Münster aus. 70 In der entsprechenden Entscheidung bezieht das Gericht eine ausländische Fluggedisch' in Art. 19 Abs.3 00 keine maßgebliche Bedeutung zu[kommt)." (Bungert, S. 288 f) Inwieweit man aus Art. 1 Abs. 3 00 eine derartige Subjektionsanknüpfung, die zur Aufhebung des Tatbestandsmerkmals "inländisch" in Art. 19 Abs. 3 00 ftUut, herleiten kann, erscheint fraglich. Art. 1 Abs. 3 GG bestimmt die Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte. Aus dieser Regelung lassen sich zwar Argumente für den räumlichen Anwendungsbereich der Grundrechte gewinnen, Art. lAbs. 3 GG setzt insoweit aber die Entscheidung über das Bestehen, den Inhalt und die personale Berechtigung voraus. Mit anderen Worten, wenn Art. 19 Abs. 3 GG die Geltung der Grundrechte zugunsten inländischer juristischer Personen beschränkt, ist diese Bestimmung auch für Art. 1 Abs. 3 00 maßgeblich. Zur weiteren Bedeutung der "Subjektion" oder "inländergleichen Gewaltunterworfenheit" für Art. 19 Abs. 3 00, s. unten § 7 m. 1. a) bb)(5). 65 Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (163 f). 66 Steinbrilck, S. 83. 67 Steinbrilck, S. 130. 68 Steinbrilck, S. 77. 69 Steinbrilck, S. 77. 70 OVG Münster NVwZ 1989, 1090.

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§ 7 Klagebefugnis

seilschaft aufgrund ihrer Zulassung nach den einschlägigen Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dieser Entscheidung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß rechtsstaatliche Erwägungen es geböten, daß sich ein Gewaltunterworfener auch aus Verfassungsrecht gegen rechtswidrige hoheitliche Belastungen wehren können müsse. 71 Im Hinblick auf den in Art. 19 Abs. 3 GG statuierten fremdenrechtlichen Handlungsspielraum stellt das OVG Münster in seiner Entscheidung auf die konkrete Situation des Einzelfalls ab. Es hält in dem zu entscheidenden Fall die weltweite Zulassungspraxis von Fluggesellschaften fiir derart umfassend, daß es der Offenhaltung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums nicht bedürfte. 72 Über diese Ansätze hinausgehend, weist Hendrichs73 unter Bezugnahme auf BVerfGE 12, 6 (8) darauf hin, daß es nach deutschem Verfassungsverständnis nicht angehen dürfte, "eine ausländische juristische Person im Inland auftreten und handeln zu lassen, ihr aber die Grundrechte vorzuenthalten, die inländischen Vereinigungen und auch ausländischen Einzelpersonen selbstverständlich zustehen."

Richtigerweise müsse daher angenommen werden, daß alle auf Ausländer anwendbaren Grundrechte ebenso auch fiir ausländische juristische Personen gälten. Wenngleich diese Ansicht sicherlich insofern zu weit fUhrt, als sie den Grundrechtsschutz allgemein auf ausländische juristische Personen ausdehnt und damit zu einer mit dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG nicht mehr zu vereinbarenden Lösung gelangt, wird dennoch auch hier die Erkenntnis deutlich, daß ausländischen juristischen Personen grundrechtlicher Schutz zukommen müsse, sofern sie der deutschen Hoheitsgewalt inländergleich unterworfen sind. 74

OVG MÜllsterNVwZ 1989, 1090 (1091). OVG MÜllsterNVwZ 1989,1090 (1091). 73 Hendrichs, in: v. MÜlleh, (3. Aufl.)Art. 19 Rn. 33. 74 Vgl. insoweit auch Rupp-v. Briinneck, in: FS Arndt, S. 382: ,,Angesichts der zunehmenden Verflechtung der wirtschaftlichen Interessen ohne Rücksicht auf die Staatsgrenzen dient die Zulassung der wirtschaftlichen Betätigung ausländischer juristischer Personen im Inland teils unmittelbar, teils mittelbar auch dazu, die wirtschaftliche Freiheit der inländischen natürlichen Person zu verwirklichen. Daher bedarf es zumindest der Erwägung, ob nicht in dem Umfang, in dem die inländische Rechtsordnung die wirtschaftliche Betätigung ausländischer juristischer Personen zuläßt, diesen auch der Grundrechtsschutz der Art. 2 Abs. 1 00, Art. 3 Abs. 1 00 (soweit es sich um die Gleichheit im wirtschaftlichen Bereich handelt) und Art. 14 00 zuteil werden sollte." 71

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ill. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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(4) Kritik an der Erweiterung grundrechtlichen Schutzes

Gegen die dargestellten Auffassungen wird vorgebracht, daß sie eine unzulässige Gleichbewertung formeller und materieller Grundrechte vornähmen. 75 Die Verfahrensrechte besäßen einen besonderen Status, der sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip herleite. Mit Gewährung der Verfahrensrechte käme man lediglich der rechtsstaatIichen Forderung nach "Waffengleichheit" nach. Eine Anbindung der materiellen Grundrechte an die Überlegungen zu den Verfahrensrechten verböte sich damit. Durchbräche man die Sperre 'des Art. 19 Abs. 3 GG, so würde letztlich die verfassungsrechtIiche Leitentscheidung, ausländischen juristischen Personen den Grundrechtsschutz zu versagen, desavouiert. 76 Man könne die Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf inländische juristische Personen zwar bedauern,77 aus der Verfassung "eskamotieren" könne man sie aber nicht. 78 VerfassungsrechtIich unverbindlich sei die SchlechtersteIlung ausländischer juristischer Personen nur dann, wenn sie gegen höherrangiges Verfassungs-, Völker- oder Gemeinschaftsrecht verstoße. 79

(5) Stellungnahme

Welcher Ansicht letztlich zuzustimmen ist, hängt zunächst grundlegend davon ab, ob und inwieweit eine inländergleiche Gewaltunterworfenheit als Merkmal geeignet ist, die erweiterte Anwendung der Grundrechte zugunsten ausländischer juristischer Personen ebenso zu rechtfertigen wie die Anwendung der Verfahrensrechte. Die Beantwortung dieser Frage wird durch das Verständnis der Verfahrensrechte seitens des Bundesverfassungsgerichts erheblich erschwert. Begreift man mit diesem die Verfahrensrechte allein als objektive Verfahrensgrundsätze, die unmittelbar an das Rechtsstaatsprinzip anknüpfen,80 so kommt ihnen tatsächlich eine Sonderstellung zu, die eine Übertragbarkeit der dort gefundenen Erkenntnisse auf die Grundrechte der Artt. 1 bis 17 GG nicht zuläßt. 81 Gelangt man andererseits zu der Überzeugung, daß sich die Anwendbarkeit der Verfahrensrechte aus einer teleologischen Reduktion des Art. 19 Abs. 3 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 50 t1 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 52. 77 Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 52. 78 DUrig, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 30. 79 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 52. 80 BVerfGE 21,362 (373) unter Hinweis aufE 12,6 (8) und E 18,441 (447). 81 Vgl. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 51; s. auch oben § 7 ill. 1. a) aa) (5). 75 76

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§ 7 Klagebefugnis

GG ergibt, muß man der Möglichkeit einer solchen Reduktion auch im Hinblick auf die materiellen Grundrechte nachgehen. Entscheidend ist damit, ob die Verfahrensrechte alleine einen objektiven Gehalt besitzen oder darüber hinaus auch den materiellen Grundrechten vergleichbare subjektivrechtliche Gewährleistungen enthalten. Daß den Verfahrensrechten ein objektiver Gehalt zukommt, ist unbestritten. Dies triffi: nach überwiegender Ansicht jedoch auch auf die materiellen Grundrechte zu, die neben ihrem subjektiven Charakter auch einen Teil der objektiven Wertordnung bilden. 82 Darüber hinaus kann aber nicht bezweifelt werden, daß die Verfahrensrechte zugleich Individualrechte sind, die dem Betroffenen als subjektive Rechte zustehen. 83 Dies wird alleine dadurch deutlich, daß sie geeignet sind, eine als subjektivrechtlichen Rechtsbehelf ausgebildete Verfassungsbeschwerde gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG i.Y.m. § 90 BVerfGG zu begründen. Soweit die Verfahrensrechte der Artt. 101 Abs. 1 und 103 Abs. I GG damit einen den materiellen Grundrechten vergleichbaren subjektivrechtlichen Gehalt besitzen, liegt auch die Rechtfertigung der Ausdehnung des Schutzbereichs der verfassungsrechtlichen Verfahrensrechte zugunsten ausländischer juristischer Personen nicht in dem besonderen objektivrechtlichen Charakter dieser Rechtssätze, sondern ist alleine Folge der gleichen Gewaltunterworfenheit aller der deutschen Hoheitsgewalt unterliegenden Rechtssubjekte. Das Merkmal der inländergleichen Gewaltunterworfenheit bekommt damit einen für die Begründung subjektiver Verfahrensrechte zugunsten ausländischer juristischer Personen konstitutiven Charakter und dient insoweit der Rechtfertigung der teleologischen Reduktion der Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG. 84 Diese Erkenntnis kann zunächst auch auf die materiellen Grundrechte übertragen werden. Sind ausländische juristische Personen der inländischen Gewalt inländergleich unterworfen, besteht keine derartige "relative Beziehungslosigkeit" dieser Rechtssubjekte zur innerstaatlichen Rechtsordnung, daß dieses Verhältnis zur deutschen Hoheitsgewalt alleine eine SchlechtersteIlung im Hinblick auf den zu gewährenden Rechtsschutz rechtfertigen würde. Soweit man damit alleine auf die inländergleiche Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer Personen abstellt, muß dieser Faktor nicht nur im Hinblick auf die Verfahrensrechte, sondern auch in bezug auf die materiellen Grund-

82 Vgl. BVertGE 7, 198 (204 f.); E 49,89 (l41 f.); E 50, 290 (337); PierothiSchlink, Rn. 75 f.; Stern, in: HbStR, § 109 Rn. 38. 83 Vgl. PierothiSchlink, Rn. 178; m. w. N. Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 43. 84 Vgl. dazu Bungert, S. 288 f., der die Relevanz der Gewaltunterworfenheit allerdings aus Art. lAbs. 3 GG herleitet. Dazu und zur Kritik an diesem Ansatz, s. oben Fußnote zu § 7 m. l. a) bb)(3).

III. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

173

rechte zugunsten einer teleologischen Reduktion des Art. 19 Abs. 3 GG streiten. Zu bedenken ist insoweit aber, daß die rechtliche Gleichstellung ausländischer juristischer Personen bezüglich der justiziellen Grundrechte nicht allein auf der gleichen Gewaltunterworfenheit dieser Rechtssubjekte basiert, sondern stets darauf hingewiesen wird, daß es im Hinblick auf die Verfahrensrechte der O1fenhaltung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraurns nicht mehr bedarf. 85 Die Erweiterung des Schutzes der verfassungsrechtlichen Verfahrensrechte zugunsten ausländischer juristischer Personen beruht damit nicht auf der Schlußfolgerung, daß der fremdenrechtliche Handlungsspielraum wegen der inländergleichen Gewaltunterworfenheit entflUlt, sondern auf der Feststellung, daß ausländische Rechtssubjekte der inländischen Hoheitsgewalt inländergleich unterworfen sind und zudem kein fremdenrechtlicher Aktionsspielraum erforderlich ist. 86 Nur eine solche Sichtweise entspricht auch dem Art. 19 Abs. 3 GG zugrundeliegenden Normverständnis. Eine am Normzweck des Art. 19 Abs. 3 GG orientierte Auslegung darf damit nicht allein bei der Feststellung der gleichen Gewaltunterworfenheit stehenbleiben. Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr der Frage zu, in welchem Umfang der von Art. 19 Abs. 3 GG bezweckte fremdenrechtliche Handlungsspielraum bewahrt werden muß. Der entstehungsgeschichtlich nachgewiesene Zweck legt die Annahme nahe, daß der Handlungsspielraum in möglichst weitem Umfang zu wahren ist. Je größer der Handlungsspielraum, desto besser die Ausgangsposition der Bundesrepublik zur Aushandlung von Gegenseitigkeit bei internationalen Verhandlungen. Inwieweit eine solche weite Auslegung ohne weiteres zutreffend ist, erscheint allerdings fraglich. Ihr wird zumindest im Hinblick auf die Verfahrensrechte, wie dargelegt, überwiegend nicht gefolgt. In diesem Bereich wird die Offenhaltung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums für nicht erforderlich gehalten. Die Beschränkung verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes wird ganz überwiegend nur auf die materiellen Grundrechte bezogen. Zudem wird hinsichtlich der materiellen Grundrechte darüber hinaus teilweise darauf hingewiesen, daß die Offenhaltung des verfassungsrechtlichen Spielraums in Art. 19 Abs. 3 GG nur insoweit erforderlich sei, als es um die Grundrechte gehe, die das Verhalten ausländischer juristischer Personen im Geschäfts- und Wirtschaftsleben absicherten. 87 8S Vgl. v. Mutius, Jura 1983, 30 (36); zur weiteren Literaturnachweisen s. oben § 7 III. 1. a) aa) (5). 86 Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 51; ders., Jura 1983, 30 (36). 87 Pieroth/Schlink, Rn. 162.

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§ 7 Klagebefugnis

Gegen eine besonders weite Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG spricht zudem, daß es sich bei Art. 19 Abs. 3 GG zum einen um eine Ausnahmeregelung handelt, 88 die schon aufgrund dieses Charakters nicht extensiv ausgelegt werden darf. Des weiteren ist zu bedenken, daß die Wahrung eines fremdenrechtlichen Aktionsspielraums der rechtsstaatlichen Forderung nach gleichem Schutz bei inländergleicher Gewaltunterworfenheit in einem Maße diametral entgegensteht, daß gerade im Hinblick auf die Wahrung dieses verfassungsrechtlichen Prinzips die Verweigerung subjektiver Rechte nur soweit reichen darf, als sie gerechtfertigt ist. Diese verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet sich andererseits aber gerade in der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Art. 19 Abs. 3 GG, einen fremdenrechtlichen Aktionsspielraum zugunsten des einfachen Gesetzgebers zu wahren. Auch wenn ausländische juristische Personen der deutschen Hoheitsgewalt inländergleich unterworfen sind, bleibt der Vorbehalt eines verfassungsrechtlich vorgesehenen politischen Handlungsspielraums. Diese Entscheidung des Verfassunggebers muß respektiert werden. 89 Mit anderen Worten, der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit findet seine Grenzen in der verfassungsrechtlichen Entscheidung, ausländischen juristischen Personen grundrechtlichen Schutz vorzuenthalten. Insoweit ist es unzulässig, die Grundentscheidung des Art. 19 Abs. 3 GG zugunsten der Wahrung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums alleine durch eine gleiche Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer Personen zu überspielen und dadurch das in Art. 19 Abs. 3 GG enthaltene Prinzip auszuhebein. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß es bei einer Gewährung grundrechtlichen Schutzes nicht zu der Aufgabe des in Art. 19 Abs. 3 GG enthaltenen Prinzips komme, da die Erweiterung des Grundrechtsschutzes nur partiell sei und nicht zu einer völligen Gleichstellung ausländischer juristischer Personen führe. Soweit dahingehend argumentiert wird, daß mit dem Erfordernis einer an dem Nonnzweck des Art. 19 Abs. 3 GG orientierten Gewährung grundrechtlichen Schutzes der fremdenrechtliche Handlungsspielraum erhalten bleibe, ohne daß dies entsprechend der herrschenden Auffassung die Konsequenz habe, daß es für die Bundesrepublik im Rahmen internationaler Verhandlungen zur Durchsetzung von Gegenseitigkeit dann nichts mehr auszuhandeln gebe,90 ist dieser Ansicht zwar zuzugeben, daß mit Abstellen auf die inländergleiche Gewaltunterworfenheit nicht jeglicher frem-

Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 44. Vgl. ähnlich Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 57, nach dessen Ansicht die Entscheidung des Verfassunggebers nicht durch Interpretation überspielt werden dürfe. 90 So auch Steinbrock, S. 109. 88 89

ill. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

175

denrechtlicher Handlungsspielraum beseitigt wäre. Zu fragen bleibt aber, ob eine solche Interpretation nicht die Grenzen der zulässigen Auslegung überschreitet. Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst, daß es einer besonderen Rechtfertigung bedarf, um eine verfassungsrechtlich getroffene Leitentscheidung zu korrigieren. Dies gilt selbst dann, wenn die vorausgesetzte Normsituation nur noch eingeschränkt besteht. 91 Insoweit ist von Mutius zuzustimmen, der dafür überwiegende Gründe des Verfassungs-, Völker- oder Gemeinschaftsrechts für notwendig hält. 92 Zumindest im Hinblick auf das Verfassungsrecht93 bestehen keine solchen überwiegenden Gründe, entgegen der Normentscheidung des Art. 19 Abs. 3 GG materiellen Grundrechtsschutz auch zugunsten ausländischer juristischer Personen zu gewährleisten. Insbesondere verstößt die Schlechterstellung ausländischer juristischer Personen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 94 Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz kann, ähnlich dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, nicht dazu dienen, eine an anderer Stelle der Verfassung vorgenommene Differenzierung auszuräumen und letztlich die verfassungsrechtlich gewollte Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Rechtssubjekten aufzuheben. 95 Über diese verfassungsrechtlichen Argumente hinaus ist es des weiteren auch zweifelhaft, ob es selbst im Falle der inländergleichen Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer Personen tatsächlich keines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums mehr bedarf bzw. ob dieser durch die rechtliche Integration dieser Rechtssubjekte in die innerstaatliche Rechtsordnung beseitigt wurde. Letzterer Auffassung scheint Degenhart zu sein, der darauf hinweist, daß der Grundrechtsschutz ausländischer juristischer Personen notwendige Folge der vom Gesetzgeber in Ausfüllung seines Aktionsspielraums vorgenommenen Eingliederung dieser Rechtssubjekte in die innerstaatliche Rechtsordnung sei. 96 Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Sie vernachlässigt die verfassungsrechtliche Intention des Art. 19 Abs. 3 GG, mittels der Offenhaltung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums eine Verbesserung der Situation inländischer juristischer Personen im Ausland zu erreichen. Es ist nicht ersichtlich, daß sich der nationale Gesetzgeber mit 91 Vgl. dazu Wld allg. zur AuslegWlg beim Wandel der Nonnsituation Larenzl Canaris, S. 170 ff. 92 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 52; s. auch Stern, illll S. 1146 f., der jede AbweichWlg nur dann für zulässig hält, wenn sie sich "als zwingende Folge höchstrangiger Rechtspositionen" ergibt. 93 Zum EG-Recht vgl. Wlten § 7 ill. I. a) dd). 94 Dazu ausführlich Schmidt, S. 174; s. auch Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 48 f. 95 Vgl. Stern, illll S. 1137. 96 Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (164).

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§ 7 Klagebefugnis

der Integration ausländischer juristischer Personen seines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums begeben wollte. Notwendig wäre vielmehr entweder eine gesetzgeberische Entscheidung, aus der deutlich hervorgeht, daß ausländischen juristischen Personen verfassungsrechtlicher Rechtsschutz ohne VerbÜTgung von Gegenseitigkeit zukommen soll, oder das Vorliegen einer (tatsächlichen) rechtlichen Situation, der zufolge es der Offenhaltung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums nicht mehr bedarf. Mit anderen Worten, aus der tatsächlichen und rechtlichen Integration ausländischer juristischer Personen lassen sich keine Rückschlüsse ziehen, die es erlaubten, von einem Wegfall des Art. 19 Abs. 3 GG immanenten Zwecks auszugehen. Auch das Abstellen auf die tatsächlichen Umstände alleine, wie es aus der Entscheidung des OVG Münster folgt,97 reicht insoweit nicht aus. Die Grenzen der zulässigen Auslegung wären überschritten, träfe jeder Rechtsanwender die Entscheidung über die Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums im Einzelfall. Festzuhalten bleibt damit, daß das Merkmal der inländergleichen Gewaltunterworfenheit zwar fiir eine Gleichbehandlung ausländischer juristischer Personen streitet, es alleine aber die fremdenrechtliche Sperre des Art. 19 Abs. 3 GG nicht zu beseitigen vermag. Dazu wäre es vielmehr notwendig, daß die Inländerklausel gegen tragende Grundsätze oder Normen des Verfassungs-, Völker- oder Gemeinschaftsrechts verstieße oder es (nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers) der Offenhaltung eines fremdenrechtlichen Aktionsspielraums nicht mehr bedürfte. Eine Ausdehnung des materiellen Grundrechtsschutzes zugunsten ausländischer juristischer Personen aufgrund des innerstaatlichen Rechts kommt damit nicht in Betracht.

cc) Keine Ausdehnung grundrechtlichen Schutzes aufgrund völkerrechtlicher Übereinkommen Soweit die Grundrechtsfahigkeit ausländischer juristischer Personen nach innerstaatlichem Recht ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, ob sich ein grundrechtlicher Schutzanspruch aus völkervertraglichen Regelungen ergeben kann. Anlaß, einer solchen Überlegung nachzugehen, sind bi- oder multilaterale Abkommen, in denen sich die Bundesrepublik verpflichtet, ausländische juristische Personen inländergleich zu behandeln. 98 Fraglich ist insoweit aber bereits, inwieweit solche Vereinbarungen überhaupt juristische Personen des öffentlichen Rechts erfassen. Eine nähere Untersuchung dieser Frage kann alOVG Münster NVwZ 1989, 1090 (1091), s. dazu oben § 7 m. I. a) aa) (3). Vgl. dazu m. w. N. Niessen, NJW 1968, 1017 (1019); Steinbrück, S. 32 Fußn. I; s. auch Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (165 ff.). 97

98

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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lerdings letztlich dahinstehen. Völkerrechtliche Verträge erlangen nämlich, wie oben bereits gezeigt,99 nur dann innerstaatliche'Verbindlichkeit, wenn sie in die innerstaatliche Rechtsordnung einbezogen werden. Notwendig ist insoweit ein Vertragsgesetz i. S. des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Unabhängig davon, ob man ein solches Gesetz als Transforrnationsakt oder, der Vollzugslehre folgend, als Rechtsanwendungsbefehl 100 versteht, I 01 kommt diesem in jedem Fall nur der Rang eines einfachen Bundesgesetzes ZU. 102 Ein Vertragsgesetz i. S. des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG steht damit unter der Verfassung. Aufgrund dieses unterverfassungsrechtlichen Ranges ist es von vornherein nicht in der Lage, über verfassungsrechtliche Gewährleistungen zu bestimmen. Im Hinblick auf die Grundrechtsfahigkeit ausländischer juristischer Personen bedeutet dies konkret, daß völkervertragliche Bestimmungen apriori nicht dazu geeignet sind, diesen Grundrechtspositionen i. S. von Art. 19 Abs. 3 GG einzuräumen. 103 Auch eine "vertragskonforme" Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG kommt aufgrund der Rangstufe eines Vertragsgesetzes nicht in Betracht. Eine entgegenstehende Auffassung würde letztlich zu der Annahme einer materiellen Verfassungsänderung durch den einfachen Gesetzgeber fUhren und damit die innerstaatliche Rangordnung staatlicher Rechtssätze mißachten. 104 Dem kann auch nicht dadurch begegnet werden, daß im Abschluß entsprechender völkerrechtlicher Abkommen die Ausfiillung des vom Verfassunggeber eingeräumten fremdenrechtlichen Handlungsspielraums gesehen wird. I 05 Die AusfUllung dieses Spielraums auf verfassungsrechtlicher Ebene muß einem mit entsprechenden Kompetenzen versehenen Gesetzgeber überlassen werden. 106 Selbst wenn sich die Bundesrepublik in bi- oder multilateralen Verträgen zu einer Gleichstellung ausländischer juristischer Personen auch auf Siehe dazu oben § 7 TI. 3. 46,342 (363). 101 Zur innerstaatlichen Geltung völkerrechtlicher Verträge vgl. Geiger, GGuVöR, S. 171 ff. 102 Siehe dazu oben § 7 TI. 4.; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 52; vgl. auch Schmidt-B1eibtreu/Klein, Art. 59 Rn. 13. 103 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 55; Bleckmann, Staatsrecht, S. 145; Krliger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 52; Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 59; a. A.: Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (167 f.); vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 15 unter Hinweis aufBGHZ 76, 387 (396). 104 Zur Rangordnung staatlicher Rechtssätze vgl. Ossenbahl, in: Erichsen, AllgVerwR, § 7 IV Rn. 8 f. 105 So aber Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (168); auch Steinbrlick, S. 141 ff. 106 Wenig überzeugend ist insoweit der Hinweis, daß die Ausfonnung des ,,Inlandsbegriffs" in Art. 19 Abs. 3 GG durch Rechtsprechung und Literatur erfolgt, womit die gleiche Kompetenz auch dem einfachen Gesetzgeber zustehen müsse (so Steinbrlick, S. 144). Eine solche Ansicht verkennt die Unterschiede zwischen Rechtsauslegung und Rechtssetzung. 99

100 BVerfGE

12 Feldmüller

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§ 7 Klagebefugnis

der Ebene des Verfassungsrechts verpflichten würde,I07 bedürfte es einer innerstaatlichen Umsetzung mit verfassungsändernder Kraft. Eine solche Regelung ist de lege lata jedoch nicht ersichtlich. Festzustellen bleibt damit, daß sich auch aus bi- und multilateralen völkerrechtlichen Vereinbarungen keine Grundrechtsberechtigung zugunsten ausländischer juristischer Personen ergibt.

dd) Europäisches Gemeinschaftsrecht In jüngerer Zeit wird zunehmend diskutiert, ob sich die Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen aus den Vorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts ergeben kann. I08 Art. 6 EGVI09 bestimmt, daß im Anwendungsbereich des EG-Vertrages jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Aufgrund dieser Regelung wird vertreten, daß sich auch ausländische juristische Personen, sofern diese ihren Sitz in einem EG-Mitgliedstaat haben, auf die Grundrechte berufen können. Das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV verdränge infolge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG oder zumindest dessen tatbestandliche Einschränkung zugunsten inländischer juristischer Personen. Dies habe zur Folge, daß sich der Grundrechtsschutz nicht nur auf inländische juristische Personen erstrecke, sondern die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen auch ausländischen juristischen Personen inländergleich zukämen. 11 0 Gegen eine solche Erweiterung des Grundrechtsschutzes wird eingewendet, daß das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV lediglich eine weitgehende rechtliche Gleichstellung auf einfachgesetzlicher Ebene gebiete, jedoch keine

Zu den Zweifeln im Hinblick auf eine solche Auslegung vgl. Drathen, S. 18, 21. Vgl. dazu u.a. Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (168); Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 14; Ehlers, JZ 1996,776 (781); Jarass, in: JarasslPieroth, 19 Rn. 15. 109 Früher Art. 7 EWGV, an dessen Stelle die Regelung des Art. 6 EGV ohne Änderung getreten ist; vgl. v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 Rn. I. Zu weiteren speziellen gemeinschaftrechtlichen Diskriminierungsverboten vgl. Art. 52 Abs. 2 und Art. 60 Abs.2 EGV, denen als spezielleren Regelungen Vorrang vor Art. 6 EGV zukommt; vgl. Geiger, EG-Vertrag, Art. 6 Rn. l. 110 Vgl. v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGV Rn. 51; Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (168); Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 14; Ehlers, JZ 1996, 776 (781); Giegerich, in: Grabenwarter, S. 124; Groß JZ 1994, 596 (603); Jarass, in: JararssIPieroth, Art. 19 Rn. 15; s. auch Borehart, in: Grabitz, S. 152; Großfeld, S. 317; Niessen, NJW 1968, 1017 (1020); Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 19 Rn. 14. 107 108

ill. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Gleichbehandlung von In- und Ausländern in jeder Hinsicht veriange. 111 Bethge geht insoweit davon aus, daß das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot das "weite Feld der wirtschaftlichen Betätigung natürlicher und juristischer Personen" meine und damit den engeren Bereich der staatsbürgerlichen Rechte ausspare. 112 Die EG-rechtliche Bestimmung bewege sich auf der Ebene des "alltäglichen Rechts", streite aber keinesfalls fiir eine verfassungsrechtliche Verankerung. 1I3 Im Ergebnis wird vo~ dieser Auffassung darauf abgestellt, daß eine Kollision zwischen Gemeinschafts- und nationalem Recht in diesem Falle nicht vorliegt. I 14

(1) Das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot

Fraglich ist damit, ob in der Nichtanwendung der Grundrechte zu Lasten ausländischer juristischer Personen eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung zu sehen ist. Eine Diskriminierung ist dabei jede unterschiedliche Behandlung gleicher oder vergleichbarer Tatbestände zum Nachteil eines Betroffenen. 1I5 Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn rur einen Betroffenen andere, ungünstigere Rechtsfolgen gelten als fiir einen vergleichbaren anderen. Untersucht man anhand dieser Definition die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG, so ist angesichts der Verweigerung des Grundrechtsschutzes zu Lasten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts eine solche Diskriminierung nicht zu leugnen. Ausländischen juristischen Personen kommt bei gleicher Sachlage nicht der gleiche (grundrechtliche) Schutz zu wie inländischen juristischen Personen. Eine solche Diskriminierung alleine verstößt jedoch noch nicht gegen

Art. 6 EGV. Es ist vielmehr notwendig, daß dessen personaler Schutzbereich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wnfaßt und sich das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot zudem auf die bundesdeutschen Grundrechte bezieht. Art. 6 EGV verbietet jede Diskriminierung aus Gründen "der Staatsangehörigkeit". Dieses Tatbestandsmerkmal beschränkt den personalen Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Regelung nicht nur auf natürliche Personen. Nach ganz überwiegendem Verständnis ist es viel111 KrlJger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 52; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 52; RUfner, in: HbStR, § 116 Rn. 59; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht, S. 145. 112 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 58. 113 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 58. 114 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 57; DUrig, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 30; Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 40. 115 V. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 Rn. 8.

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§ 7 Klagebefugnis

mehr im Sinne einer "Staatszugehörigkeit" zu verstehen und erfaßt neben den natürlichen auclt jene juristischen Personen, die den Anforderungen des Art. 58 EGV entsprechen. 116 Eine solche Sichtweise ergibt sich insbesondere aus dem Sinn und Zweck des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes, welches der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes i. S. der Art. 2 und Art. 3 EGV dienen soll und damit insbesondere auch die juristischen Personen als "Hauptakteure" des modemen Wirtschaftslebens schützen muß. 117 Ist danach die Einbeziehung juristischer Personen des Privatrechts in den Schutzbereich des Art. 6 EGV ohne weiteres ersichtlich, stellt sich im Hinblick auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts dagegen, ähnlich der Problematik um die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts im nationalen Recht, die Frage, inwieweit sich diese auf Art. 6 EGV berufen können. Entscheidend ist insoweit wiederum die Regelung des Art. 58 EGV. Dieser erfaßt in Abs. 2 ausdrücklich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit diese einen Erwerbszweck verfolgen. Die Voraussetzungen, unter denen das Vorliegen eines Erwerbszwecks angenommen wird, sind allerdings umstritten. 118 Abgestellt wird insoweit teilweise auf die Entgeltlichkeit einer erbrachten Leistung, 119 teilweise wird eine objektive wirtschaftliche Betätigung als ausreichend angesehen. 120 Unabhängig von den verschiedenen Ansichten ist ein Erwerbszweck immer dann anzunehmen, wenn die betroffene juristische Person selbst Waren erzeugt oder Dienstleistungen erbringt. Letzteres gilt bspw. fiir staatliche Fernseh- und Rundfunkanstalten, die grenzüberschreitend tätig werden. 121 Demgegenüber auszuschließen ist ein Erwerbszweck, selbst wenn das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht nach ganz überwiegender Ansicht nicht erforderlich ist,122 dagegen dann, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts ledig-

116 Vgl. v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 Rn. 32; Dreier, in: ders., Art. 19 Abs.3 Rn. 14; OLG MÜI1ch,en EuZW 1993, 199 (200); ohne Rückgriff auf Art. 58 EGV wohl Steinbrack, S. 163; a. A. OLG DüsseldorfEuZW 1993,326 (327). 117 Vgl. v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 Rn. 32. 118 Zu den verschiedenen Auffassungen vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1613 ff.; ders., WiVerw 1987, 119 (127). 119 RandelzhoJer, in: GrabitzlHilf, Art. 58 Rn. 7. 120 Vgl. Geiger, EG-Vertrag, Art. 58 Rn. 3; Hailbronner, in: HailbronnerlKleinl MagieraIMüller-Graff, Art. 58 Rn. 3; Troberg, in: GroebenfThiesinglEhlennann, Art. 58 Rn. 4; vgl. auch Bleckmann, WiVerw 1987, 119 (127). 121 Bleckmann, Europarecht, Rn. 119 (s. auch ders., Europarecht, 5. Aufl. Rn. 454); zur Dienstleis-tungsfreiheit vgl. auch Art. 66 EGV. 122 Geiger, EG-Vertrag, Art. 58 Rn. 3; Hailbronner, in: HailbronnerlKleinlMagiera/ Müller-Graff, Art. 58 Rn. 3; RandelzhoJer, in: GrabitzlHilf, Art. 58 Rn. 7; s. auch Bleckmann, WiVerw 1987,119 (127).

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lich öffentliche Interessen verfolgen. 123 Eine genaue Abgrenzung bleibt letztlich dem Einzelfall vorbehalten. Festzustellen ist aber, daß auch ausländische juristische Personen von Art. 58 EGV erfaßt werden und sich infolge dessen auch auf Art. 6 EGV berufen können. Dies gilt insoweit nicht nur fiir staatliche Unternehmen oder ähnliche öffentlich-rechtliche Körperschaften. Geschützt werden unter den Voraussetzungen des Abs. 2 auch die Staaten selbst sowie die ihnen zugehörigen Länder und Gemeinden. 124 Die Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Diskrirninierungsverbotes (sowie der gemeinschaftsvertraglichen Grundfreiheiten allgemein) auch zugunsten juristischer Personen des öffentlichen Rechts läßt sich insbesondere aus dem Interesse der Staaten herleiten, eigenstaatliche Unternehmungen nicht von den vertraglichen Gewährleistungen auszunehmen l25 und eine maximale Handels- und Wettbewerbsfreiheit innerhalb der Union zu erreichen. Soweit sich juristische Personen (auch des öffentlichen Rechts) damit auf das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot berufen können, muß weiter der Frage nachgegangen werden, ob diese Vorschrift die Gleichstellung juristischer Personen aus EG-Mitgliedstaaten auch im Hinblick auf die Gewährung des grundrechtlichen Schutzes der deutschen Verfassung verlangt. Zu berücksichtigen ist zunächst, daß der Wortlaut des Art. 6 EGV ,jede" Diskriminierung verbietet. Es wird keine Beschränkung zugunsten oder zu Lasten bestimmter Rechtsquellen vorgenommen. Das Diskriminierungsverbot gilt nach seinem Wortlaut umfassend. 126 Dies entspricht auch der herausragenden Bedeutung dieses Grundsatzes fiir das gesamte Vertragswerk. Art. 6 EGV wird als "Leitmotiv" des Gemeinschaftsrechts verstanden 127 und als ein tragendes Prinzip des Gemeinsamen Marktes dargestellt. Insbesondere letzterer kann nur entstehen, wenn gegenseitige Hindernisse ausgeräumt werden und eine gleiche Behandlung aller Rechtssubjekte erreicht wird.

123 Bleckmann,

Europarecht, Rn. 1615. Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1611. 125 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1612; vgl. auch Troberg, in: Groebenl Thiesing/ Ehlermann, Art. 58Rn. 3. 126 Umstritten ist, ob es sich bei Art. 6 EGV um ein absolutes oder relatives Diskriminierungsverbot handelt (vgl. dazu Drathen, S. 152 ff.). Von einer entsprechenden Entscheidung hängt es ab, ob Ungleichbehandlungen einer Rechtfertigung fähig sind. Diesbezüglich wird man zumindest bei unmittelbaren Diskriminierungen, d.h. solchen, die zur Differenzierung alleine auf die Staatszugehörigkeit abstellen, eher von einem absoluten Verbot ausgehen müssen. Vgl. v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGV Rn. 22 ff. 127 Vgl. Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 (1079); v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGV Rn. 1; s. auch Schwejtzer/ Hummer, Rn. 1053. 124

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§ 7 Klagebefugnis

Diesem Ziel entsprechend bezieht sich das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV im Grundsatz zunächst auf sämtliche staatlichen Rechtsnormen, auch jene des Verfassungsrechts. 128 Wenn dem entgegengehalten wird, daß Art. 6 EGV "keine Gleichbehandlung in jeder Hinsicht,,129 verlange und sich somit nur auf die Vorschriften des einfachen Rechts, nicht aber auf die Grundrechte beziehe,I3O kann dies nicht überzeugen. Den Grundrechten kommt innerhalb der deutschen Rechtsordnung eine erhebliche Abwehraufgabe gegen staatliche Übergriffe zu. Sie bilden die Basis öffentlich-rechtlicher Gewährleistungen und erlangen insbesondere im Enteignungs- und Baurecht auch in der verwaltungsrechtlichen Praxis unmittelbare Bedeutung. Dieser Bedeutung entsprechend ist nicht ersichtlich, warum das Diskriminierungsverbot gerade die verfassungsrechtlich manifestierten Gewährleistungen nicht umfassen SOll.131 Dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot ist insbesondere kein Vorbehalt zugunsten mitgliedstaatlicher Grundrechtsordnungen zueigen, der den Grundsatz der Gleichbehandlung auf dieser Ebene staatlichen Rechts ausschlösse. 132 Selbst wenn man (wohl zutreffend) davon ausgeht, daß die Umsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes Sache der einzelnen Staaten ist,133 kommt man nicht umhin, den gänzlichen Ausschluß EGmitgliedstaatlicher juristischer Personen vom Schutz der Grundrechte als Verstoß gegen Art. 6 EGV zu qualifizieren, da diesen kein anderweitiger adäquater, inländergleicher Rechtsschutz zukommt. Ein Hinweis auf die Gewährung einfachgesetzlichen Rechtsschutzes ist insoweit nicht ausreichend. Art. 6 EGV verlangt eine Gleichstellung in- und ausländischer Rechtssubjekte in der Weise, daß sich die Rechtspositionen in ihrer Qualität nicht unterscheiden. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn auch den EG-mitgliedstaatlichen juristischen Personen der Schutz der Grundrechte zukommt. Letztlich kann es damit sogar dahinstehen, ob Art. 6 EGV eine Gleichstellung "in jeder Hinsicht" fordert, zumindest nämlich verlangt das Diskriminierungsverbot die Gewährung überhaupt eines grundrechtlichen Schutzes zugunsten EG-mitgliedstaatlicher juristischer Personen.

128 V. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGV Rn. 51; vgl. auch Dreier, in: ders Art. 19 Rn. 14; Ehlers, JZ 1996,776 (781); Giegerich, in: Grabenwarter, S. 123. 129 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 52; RUfner, in: HbStR, § 116 Rn. 59. 130 Bethge, Gnmdrechtsberechtigung, S. 57 f. 131 A. A. Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 40, nach dessen Ansicht "die Frage der Gnmdrechtssubjektivität juristischer Personen [... ] filr die Realisierung der Europäischen Wirtschafts-Union belanglos [ist], da die EWG-Freiheiten der Unternehmen nicht von der bundesrepublikanischen Gnmdrechtsfiihigkeit abhängen." 132 Vgl. Giegerich, in: Grabenwarter, S. 124. 133 Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 (1081).

ill. Gnmdrechtsschutz Wld sonstige Verfassungsrechte

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Einschränkend zu berücksichtigen ist allerdings, daß dies nur insoweit gilt, als daß das fragliche Verhalten bzw. der angegriffene Hoheitsakt134 in den Schutzbereich des betroffenen Grundrechts\3S und zugleich in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 6 EGV 001t. 136 Nur soweit dies der Fall ist, verstößt eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatszugehörigkeit gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot und nur insoweit verlangt Art. 6 EGV eine Erstreckung des Grundrechtsschutzes zugunsten ausländischer juristischer Personen. Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 6 EGV ist dabei allerdings nach überwiegender Auffassung weit auszulegen. 137 Er ist bereits betroffen, wenn der fragliche Bereich gemeinschaftsrechtlich geregelt ist oder die fragliche Vorschrift im Zusammenhang mit dem EGVertrag steht. 138

(2) Grundrechtsfdhigkeit juristischer Personen aus EG-Mitgliedstaaten Nachdem damit festgestellt wurde, daß die grundsätzliche Verweigerung grundrechtlichen Schutzes zu Lasten EG-mitgliedstaatlicher juristischer Personen gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV verstößt, stellt sich die Frage, wie dieser Widerspruch zwischen Gemeinschafts- und nationalem Verfassungsrecht aufzulösen ist. \39 Alleine mit der Feststellung, daß Art. 6 EGV in den Mitgliedstaaten unmittelbare Anwendung findet,140 ist die bestehende Kollision noch nicht gelöst. Fraglich ist vielmehr, ob ein allgemeines StufenverhäItnis von EG- und Verfassungsrecht besteht. Diese Frage ist in der Literatur umstritten. 141 Weder das Gemeinschaftsnoch das nationale Recht enthalten eine ausdrückliche Regelung. Nach mittlerweile wohl verfestigter Auffassung kommt dem EG-Recht Vorrang vor dem nationalen Recht jeder Stufe ZU. 142 Dies folgt zum einen daraus, daß eine solGiegerich, in: Grabenwarter, S. 123. Vgl. auch v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGV Rn. 51. 136 Vgl. Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 14. 137 Vgl. Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 (1079); v. Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Art. 6 EGVRn. 36 f. 138 Vgl. EuGH Sig. 1994,1-467 (478 f.); EuGH Sig. 1989, 195 (219); EuGH Sig. 1974, 1405 (1419 f.); SchweitzerlHummer, Rn. 1055. Infolge dieser Auslegung gehen die erfaßten Sachverhalte über das rein wirtschaftliche Gebiet hinaus. Vgl. Bauer/ Kahl, JZ 1995, 1077 (1079); Drathen, S. 154 ff. 139 Zu den verschiedenen Ansätzen (wenngleich mit Vorbehalten) Drathen, S. 202 ff. 140 Vgl. v. Bogdandy, in: GrabitzlHiIf, Art. 6 EGV Rn. 2. 141 Dazu ffi. w. N. SchweitzerlHummer, Rn. 849 ff. 142 Vgl. Ehlers, JZ 1990, 1089 (1090); ders., JZ 1996, 776 (781); Geiger, GGuVöR, S. 252; Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 23 Rn. 18; Schmidt-Aßmann, in: Schoch! 134 135

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§ 7 Klagebefugnis

che Vorrangstellung des Gemeinschaftsrechts notwendige Voraussetzung fiir die Einheitlichkeit und Wirksamkeit des EG-Rechts als eigener Rechtsordnung iSt. 143 Zum anderen öffnet das deutsche Grundgesetz mit der Regelung des Art. 23 Abs. 1 GG (Art. 24 GG a.F.) das nationale Recht fiir eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen. 144 Soweit nach dieser Regelung Hoheitsrechte übertragen werden können, bezieht sich dies nicht nur auf die vollziehende oder rechtsprechende, sondern auch auf die gesetzgebende Gewalt,145 was zu einem Vorrang des EG-Rechts fiihrt. Dieser Vorrang ist im Sinne eines Anwendungsvorrangs zu verstehen, der zur Folge hat, daß das nationale Recht im Falle einer Kollision mit gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht anwendbar iSt. 146 Diese dogmatische Grundlage bestimmt auch das (Kollisions-) Verhältnis von Art. 6 EGV und Art. 19 Abs. 3 GG. Denkbar sind insoweit insbesondere zwei Lösungsmöglichkeiten. Zum einen kann angenommen werden, daß Art. 6 EGV die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG verdrängt, und zum anderen kann versucht werden, Art. 19 Abs. 3 GG in der Weise gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, daß er mit Art. 6 EGV nicht kollidiert. Erstere Lösung wird von Degenhart vertreten. Er sieht die innerstaatlich verbindliche Lösung der bestehenden Konfliktlage zwischen Gemeinschaftsund Verfassungsrecht in Art. 24 GG (a.F.), jener Norm, die die Eingliederung der supranationalen Rechtsordnung der EG in die innerstaatliche Ordnung bestimmt[ej.147 Diese Übertragungsklausel umfasse auch den fremdenrechtlichen Aktionsspielraum der innerstaatlichen Hoheitsgewalt und damit zugleich die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG. Durch die Übertragungsklausel werde letztere zur Disposition der supranationalen Rechtsordnung gestellt und komme damit aufgrund der Regelung des Art. 7 EWGV (Art. 6 EGV) im Kollisionsfall nicht mehr zur Anwendung. Konsequenz dieser Auffassung wäre, daß sich ausländische juristische Personen aus EG-Mitgliedstaaten aufgrund des Wegfalls der Inländerklausel gem.

Schmidt-AßmannlPietzner, Einleitung Rn. 110; Zuleeg, in: GroebenfThiesingl Ehlermann, Art. I Rn. 38 ff.; zum Verhältnis von Gemeinschafts- und nationalem Recht: Jarass, DVBI. 1995,954 ff. 143 Vgl. Bauer/Kahl, JZ 1995,1077 (1078); Giegerich, in: Grabenwarter, S. 116; s. auch Geiger, GGuVöR, S. 252. 144 Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 23 Rn. 2 ff.; Tomuschat, in: BK, Art. 24 Rn. 75 ff. Art. 23 Abs. 1 GG übernimmt insoweit die Bedeutung des Art. 24 GG a.F., so daß die ältere Rechtsprechung und Literatur entsprechend übertragen werden kann. 145 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 4. 146 BVerfGE 73,339 (375); E 85, 191 (204); Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 31; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 23 Rn. 18; SchweitzerlHummer, Rn. 849 ff. 147 Degenhart, EuGRZ 1981, 161 (168); vgl. auchSteinbrack, S. 173 ff, 179.

ill. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

185

Art. 19 Abs. 3 GG inländergleich auf den Schutz der Grundrechte berufen könnten. Inhaltlich liefe eine derartige Nichtanwendung der Inländerklausel im Ergebnis auf die Annahme einer materiellen Verfassungsänderung durch die Bestimmungen des EGV hinaus: 48 Eine solche Änderung verfassungsrechtlicher Vorschriften fände ihre Rechtfertigung in der Übertragungsregel des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG, wonach Änderungen grundrechtlicher Bestimmungen unter Beachtung des Art. 79 Abs. 2, 3 GG zulässig sind.

In der Literatur ist die Auffassung Degenharts auf Kritik gestoßen. Ihr wird entgegengehalten, daß sie dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht hinreichend Rechnung trage. Zwar wäre keine ausdrückliche Regelung zugunsten ausländischer juristischer Personen erforderlich, eine bloße Nichtanwendung der Inländerklausel allein genüge den Anforderungen der Rechtssicherheit jedoch nicht. 149 Einer solchen Kritik kann im Ergebnis allerdings nicht zugestimmt werden. Grund der Nichtanwendung der Inländerklausel ist die Regelung des Art. 6 EGV, der eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Rechtssubjekte verlangt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Anforderung gehören somit in dem Bereich des EG-Rechts. Lediglich die "Rechtsfolge" betrifft das nationale Verfassungsrecht. Sofern damit eine Rechtsunsicherheit darüber besteht, welche Rechtssubjekte von Art. 6 EGV umfaßt und welche Sachverhalte betroffen sind, liegt diese nicht im Verfassungs-, sondern im Gemeinschaftsrecht begründet. Personaler und sachlicher Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes sind durch das EG-Recht zu bestimmen. Insoweit widerspricht eine mögliche "Rechtsunsicherheit" auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts nicht der oben dargestellten Ansicht. 150 Anders als die zuvor diskutierte Auffassung liegt ein weiterer Ansatz zur Bewältigung der bestehenden Konfliktlage in einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG. Denkbar ist insoweit eine an Art. 6 EGV orientierte teleologische Reduktion des Art. 19 Abs. 3 GG mit der Folge, daß das Tatbestandsmerkmal "inländisch" zugunsten EG-mitgliedstaatlicher juristischer Personen nicht zur Anwendung gelangt151 und sich damit auch Vgl. dazu Dreier, in: ders., Art. 19 Rn. 14; s. auch Geiger, GOuVöR, S. 183. Drathen, S. 211. 150 Eine eventuelle ,,RechtsWlsicherheit" kann zudem auch nicht durch eine VerfassWlgsändefWlg in der von Drathen vorgeschlagenen Weise (vgl. Drathen, S. 216) beseitigt werden, da insoweit als Tatbestandsmerkmal noch immer auf Art. 6 EGV verwiesen würde. 151 Ebenfalls denkbar wäre mit gleicher Argumentation eine ErweitefWlg des Begriffs "inländisch" zugWlsten EG-mitgliedschaftlicher juristischer Personen (vgl. Bleckmann, WiVerw 1987, 119 [133 f.], jedoch anders ders., Staatsrecht, S. 145; s. auch Drahten S. 208 f.), wenngleich allerdings eine teleologische Reduktion im Hinblick auf den Wortlaut vorzugswürdig erscheint. Vgl. zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GO auch Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 14; Großfeld, S. 317. 148

149

186

§ 7 Klagebefugnis

EG-mitgliedstaatliche juristische Personen auf den Schutz der nationalen Grundrechte berufen können. Eine solche Lösung erscheint gegenüber der zuvor dargestellten Ansicht vorzugswiirdig. Für sie spricht, daß eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung eine Konvergenz von Gemeinschafts- und nationalem Verfassungsrecht herstellt, ohne eine mittelbare Verfassungsänderung unterstellen zu müssen152 oder das nationale Recht mit dem Verdikt der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zu belegen. 153 Seine europarechtlichen Wurzeln findet die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung in Art. 5 EGV. 154 Das vom EuGH entwickelte Institut155 gilt als Ausprägung des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts. 156 Danach sind nationale Regelungen, auch solche des Verfassungsrechts,157 so auszulegen, daß sie den Anforderungen des EG-Rechts entsprechen. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 GG bedeutet dies, daß diese Vorschrift so zu interpretieren ist, daß sie dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot nicht zuwiderläuft und dementsprechend auch juristische Personen aus EG-Mitgliedstaaten ihrem Anwendungsbereich unterfallen. Neben der europarechtlichen Herieitung findet eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung ihre innerstaatliche Rechtfertigung ähnlich der oben dargestellten Auffassung in Art. 23 GG. 158 Soweit diese Regelung eine Grundentscheidung des Verfassunggebers ftir die Integration der Bundesrepublik in die Europäische Gemeinschaft trifft, 159 kommt in ihr der Wille zum Ausdruck, nationales Recht, auch Verfassungsrecht, mit dem Recht der Gemeinschaft in Übereinstimmung zu bringen. Bestimmt Art. 6 EGV insoweit die Gleichbehandlung ausländischer und inländischer juristischer Personen, muß dem im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 GG Rechnung getragen werden.

So i. E. aber wohl Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 14. Vgl. zum Vorrang der gemeinschaftsrechtskonfonnen Auslegung auch Zuleeg, in: GroebenfThiesing/ Ehlermann, Art. I Rn. 40. 154 Vgl. EuGH Sig. 1984, 1891 (1909); Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 (1078); Jarass, DVBl. 1995, 954 (958); Langen/eid, DÖV 1992, 955 (964); Nettesheim, AöR 119 (1994), 261 (268); Scherzberg, Jura 1993, 225 (231); eingehend zu den Grundlagen der EG-rechtskonfonnen Auslegung Jarass, EuR 1991, 211 (215 ff.). 155 Wenngleich die EG-rechtskonfonne Auslegung ZWlächst im Hinblick auf die Durchsetzung von Richtlinien entwickelt wurde, fmdet dieses Institut mittlerweile auch für Verordnungen ,und das primäre Recht Anwendung. Vgl. Jarass, EuR 1991, 211 (223). \ 156 Bauer/Kahl, JZ 19,95, 1077 (1078); vgl. dazu mit a. A. Nettesheim, AöR 119 (1994),261 (267 f.). 157 Burgi, VwPruE, S. 19. 158 Vgl. ähnlich Langen/eid, DÖV 1992,955 (964); unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer derartigen Herleitung Jarass, EuR 1991,211 (216 f.). 159 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 3. 152

153

m. Gnmdrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Zulässigkeit und Grenzen der EG-rechtskonfonnen Auslegung bestimmt jedoch nicht das Gemeinschafts-, sondern das nationale Recht. Die gemeinschaftsrechtskonfonne Auslegung ist in ihren Möglichkeiten auf die innerstaatlichen Auslegungsregeln beschränkt. l60 Sie setzt zunächst voraus, daß die betroffene nationale Regelung dem Gesetzesanwender überhaupt einen Auslegungsspielraum beläßt. Insbesondere darf mittels Auslegung nicht der Sinn und Zweck einer Vorschrift überspielt und diese entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut in ihr Gegenteil verkehrt werden. 161 Diese Grenzen zulässiger Rechtsauslegung sind im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 GG nicht überschritten. Zum einen läßt der Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG eine entsprechende Auslegung zu, da er die Grundrechtsberechtigung nicht zwingend auf inländische juristische Personen beschränkt. 162 Zum anderen entspricht die vorgenommene gemeinschaftsrechtskonfonne Auslegung dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Wie oben gezeigt, dient die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG primär der Offenhaltung eines "fremdenrechtlichen Handlungsspielraums" zur Durchsetzung von Gegenseitigkeit. Mit Geltung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes, welches auch zugunsten inländischer juristischer Personen im Ausland wirkt, ist dieses Normziel erreicht. Innerhalb der Europäischen Union werden juristische Personen, die dem Anwendungsbereich des Art. 6 EGV unterfallen, gleich behandelt. Der Offenhaltung eines fremdenrechtlichen Handlungsspielraums und damit einer unterschiedlichen Behandlung in- und ausländischer juristischer Personen im innerstaatlichen Verfassungsrecht bedarf es nicht mehr. 163 Das EG-rechtliche Diskriminierungsverbot schafil: damit eine tatsächliche rechtliche Situation, die dazu geeignet ist, mittels Auslegung die fremdenrechtliche Sperre des Art. 19 Abs. 3 GG zu beseitigen. Dem widerspricht auch nicht, daß einige EG-Mitgliedstaaten ausländische juristische Personen gegenüber inländischen benachteiligen. l64 Auch in diesen Staaten gilt das gemeinschaftliche Diskriminierungsverbot, daß mit gleicher Argumentation auch dort für eine Inländergleichbehandlung ausländischer juristischer Personen streitet. 165 Zu bedenken steht letztlich auch, daß der in 160 Vgl. EuGH Slg. 1984, 1891 (1909); Burgi, VwPruE, S. 19; Jarass, EuR 1991, 211 (217); ders., DVBl. 1995, 954 (957). 161 Vgl. Bauer/Kahl, JZ 1995, 1077 (1078 f.); Jarass, DVBl. 1995,954 (958); Langen/eid, DÖV 1992, 955 (965). 162 Vgl. dazu oben § 7 m. 1. a) aa) (1). 163 Ähnlich Giegerich, in: Grabenwarter, S. 124. 164 Zur rechtlichen Situation in den EG-Mitgliedstaaten vgl. Drathen, S. 56 tI 165lnwieweit der verfassungsrechtliche Rechtsschutz in den EG-Mitgliedstaaten demjenigen in der Bundesrepublik qualitativ entspricht, muß für die Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG ohne Bedeutung bleiben. Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG kann es nur sein, daß deutsche juristische Personen im Ausland inländergleich behan-

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§ 7 Klagebefugnis

Art. 19 Abs. 3 GG nonnierte Inländervorbehalt weder einen Verfassungsgrundsatz i. S. des Art. 79 Abs. 3 GG noch ein Merkmal der nationalen Identität i. S. von Art. F Abs. 1 EUV darstellt. Dem Tatbestandsmerkmal "inländisch" kommt damit keine derartige Bedeutung zu, die dazu führen könnte, daß eine an Art. 6 EGV orientierte Auslegung aus verfassungs- oder gemeinschaftsrechtlichen GIiinden unzulässig wäre. 166 Art. 19 Abs. 3 GG ist somit gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, daß sich aufgrund des Diskriminierungsverbotes des Art. 6 EGV auch EG-mitgliedstaatliche juristische Personen inländergleich auf den Schutz der nationalen Grundrechte berufen können und das Tatbestandsmerkmal "inländisch" insoweit keine Anwendung findet. 167 Dies gilt jedoch nur im Rahmen des Anwendungsbereichs des EGV mit den sich aus Artt. 6, 58 EGV ergebenden Beschränkungen.

ee) Teilergebnis Als Teilergebnis kann festgestellt werden, daß Art. 19 Abs. 3 GG den Grundrechtsschutz auf inländische juristische Personen beschränkt. Ausländische juristische Personen sind in der Regel vom Schutz der Grundrechte aus den Artt. 1 bis 17 GG ausgeschlossen. Während der Wortlaut keine eindeutigen Schlüsse zuläßt, folgt der Ausschluß ausländischer juristischer Personen aus dem entstehungsgeschichtlich belegten Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG. Mit der "Inländerklausel" wollte der Verfassunggeber einen "fremdenrechtlichen Handlungsspielraum" wahren, der die Durchsetzung von Gegenseitigkeit zugunsten deutscher juristischer Personen im Ausland ermöglichen soll. Diese verfassungsrechtliche Leitentscheidung kann nicht unter Hinweis auf die inländergleiche Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer Personen in der Bundesrepublik überspielt werden. Eine Erweiterung des Grundrechtsschutzes kann nur erfolgen, wenn zwingende GIiinde des Verfassungs-, Völker- oder Gemeinschaftsrechts dies erfordern. Ein solch zwingender Grund liegt in der Regelung des Art. 6 EGV. Das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot zwingt dazu, Art. 19 Abs. 3 GG gemeinschaftsrechtskonform

delt werden. Verlangte man eine qualitative Gleichwertigkeit, hieße dies, daß man sich über die strukturellen Unterschiede verschiedener souveräner Rechtsordnungen hinwegsetzte. 166 Vgl. Giegerich, in: Grabenwarter, S. 123 f.; zu Art. F EUV vgl. Jarass, DVBI.

1995, 954 (958).

167 Inwieweit eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des jeweiligen Grundrechts notwendig und möglich ist, kann hier nicht geklärt werden. Vgl. bspw. zu Art. 12 GG Breuer, in: HbStR, § 147 Rn. 21; Ehlers, JZ 1996,776 (781); Bauer/Kahl, JZ 1995,1077(1081 ff).

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

189

dahingehend auszulegen, daß sich auch juristische Personen aus EGMitgliedstaaten im Anwendungsbereich des EG-Vertrages auf die materiellen Grundrechte berufen können. b) Die Gewtihrleistung der Grundrechte zugunsten juristischer Personen des offentlichen Rechts

Wie die vorangegangene Untersuchung gezeigt hat, können sich ausländische juristische Personen bereits aufgrund ihrer Auslandseigenschaft in der Regel nicht auf die materiellen Grundrechte berufen. Ausnahmen bestehen allenfalls insoweit, als sie einem EG-Mitgliedstaat angehören und das betreffende Verhalten in den Anwendungsbereich des EGV fiUlt. Da Art. 6 EGV ein entsprechendes Diskriminierungsverbot enthält, ist ihnen in diesem Fall der Schutz der Grundrechte durch die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG nicht verwehrt. Soweit damit die Gewährung grundrechtlichen Schutzes zugunsten ausländischer juristischer Personen (auch des öffentlichen Rechts) nach Maßgabe des europäischen Gemeinschaftsrechts inländergleich möglich ist, muß der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich juristische Personen des öffentlichen Rechts überhaupt auf den Schutz der Grundrechte berufen können. Entscheidend ist insoweit, ob dem Schutz der Grundrechte der besondere Charakter ausländischer juristischer Personen als Rechtspersonen des öffentlichen Rechts entgegenstehen. Die nachfolgende Untersuchung soll dabei nicht nur im Lichte des Art. 6 EGV geführt werden. Angesichts der noch folgenden Diskussion um Art. 19 Abs. 4 GG und der Auffassung vom "mittelbaren Grundrechtsschutz" erscheint es vielmehr notwendig, allgemein der Frage nachzugehen, ob der Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts alleine die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG entgegensteht oder ob es sonstige Gründe gibt, die eine solche Berechtigung ausschließen. aa) Zur Grundrechtsfähigkeit inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts Die Frage der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist fiir den innerstaatlichen Bereich seit langem Gegenstand einer anhaltenden Kontroverse. 168 168 Die Diskussion dieser Problematik kann hier nur insofern dargestellt werden, als sie auch die Grundrechtsfllhigkeit ausländischer juristischer Personen des ötTentlichen Rechts betrim. Zu den sonstigen Fragen, insbesondere welche Grundrechte überhaupt auf juristische Personen anwendbar sind, vgl. Stern, III/l S. 1077 tT., 1149 fI

190

§ 7 Klagebefugnis

Maßgeblich an der Diskussion ist das Bundesverfassungsgericht beteiligt. Dieses ist in ständiger Rechtsprechung der Ansicht, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts in der Regel nicht grundrechtsfähig seien. 169 Die Gewährung grundrechtlichen Schutzes zugunsten juristischer Personen des öffentlichen Rechts komme nur in Ausnahmefällen in Betracht. 170 Nach Auffassung des Gerichts steht der einzelne Mensch, das heißt die natürliche Person, im Mittelpunkt des Schutzes der Grundrechte. 171 Das gesamte grundrechtliche Wertsystem gehe von der Würde und Freiheit des einzelnen Menschen aus. 172 Die Grundrechte sollten in erster Linie die Freiheitssphäre des einzelnen gegen Übergriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihm insoweit die Voraussetzungen rur eine freie und aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern. 173 Folge dieser Ansicht ist, daß die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen nur dann anwendbar sind, wenn diese ein personales Substrat erkennen lassen. 174 ,,Nur wenn [... ] die Bindung und Betätigung einer juristischen Person Ausdruck der freien Entfaltung der privaten, natürlichen Person sind, wenn insbesondere der Durchblick auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt, ist es gerechtfertigt, juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie kraft dessen auch in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen.,,175 Diese Voraussetzungen sieht das Bundesverfassungsgericht bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts regelmäßig nicht erfiillt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts handelten bei der Erfiillung öffentlicher Aufgaben nicht in Wahrnehmung von Freiheiten, sondern aufgrund von staatlich verliehenen Kompetenzen. 176 Die Regelung solcher Kompetenzen und die Entscheidung daraus entspringender Konflikte sei aber nicht Gegenstand der Grundrechte, weil der unmittelbare Bezug zum Menschen fehle. l77 Die Ausdehnung der Grundrechtsfähigkeit auf juristische Personen des öffentlichen Rechts sei des weiteren mit dem primären Sinn der Grundrechte, den Schutz des einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu gewährleisten, nicht

169 Vgl. BVerfGE 15,256 (262); E 21,362 (368 tI); E 61, 82 (100 tI). 170 BVerfGE 59, 231 (254 f.). 171 BVerfGE 21, 362 (369); E 75, 192 (195). 172 BVerfGE 21,362 (369). 173 BVerfGE 21,362 (369); BVerfGE 61, 82 (101). 174 Zum Erfordernis eines personalen Substrats Dürig, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 6. 175 BVerfGE 61, 82 (101); vgl. unter Verwendung des Begriffs ,,Durchgriff' auch BVerfGE 21, 362 (369); E 68, 193 (206). 176 BVerfGE 75,192 (196). 177 BVerfGE 61,82 (101).

III. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

191

mehr vereinbar. 178 Zum einen könne der Staat nicht zugleich Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein l79 (sog. Konfusionsargument). Zum anderen bestehe mit Gewährung der Grundrechte zugunsten juristischer Personen des öffentlichen Rechts die Gefahr, daß die Grundrechte in ihr Gegenteil verkehrt werden könnten, wenn der Grundrechtsschutz zugunsten der öffentlichen Hand zum Schutz gegen den Bürger zu werden drohe. 180 Hinzu komme, daß eine juristische Person des öffentlichen Rechts dem Staat nicht in der gleichen grundrechtstypischen Gefährdungslage gegenüberstehe, wie der einzelne Bürger,181 sondern ihr vielmehr staatsinterne Wege zur Geltendmachung ihrer Rechte zustünden. Dies gelte auch insoweit, als der betreffende Hoheitsträger privatrechtlich tätig werde. Auch im Rahmen eines solchen Wirkens sei eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht in gleicher Weise wie eine Privatperson gefährdet und sei insoweit auch nicht "grundrechtsschutzbedürftig".182 Ausnahmen von dem dargestellten Grundsatz macht das Bundesverfassungsgericht in zwei Bereichen. Zum einen billigt das Gericht allen vor deutschen Gerichten parteifähigen Rechtssubjekten die Gewährleistung der sog. Justizgrundrechte ZU. 183 Dies gilt ausdrücklich auch fiir juristische Personen des öffentlichen Rechts. 184 Zum anderen werden in verschiedenen Entscheidungen auch die Kirchen, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Universitäten als grundrechtsfähig angesehen. 185 Auch wenn die Grundrechte auf juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht anwendbar seien, müsse etwas anderes gelten, wenn ausnahmsweise die betreffenden Rechtsträger einem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen seienl86 oder einem solchen kraft ihrer Eigenart von vornherein zugehörten. 187 Argumentativ wird dabei

178 BVerfGE 59, 231 (255). 179 BVerfGE 15,256 (262); E 21,362 (369 f.). 180 BVerfGE 59, 231 (255). 181 BVerfGE 61, 82 (102). 182 BVerfGE 61,82 (105). 183 BVerfGE 12,6 (8); E 18,441 (447); E 75,192 (200). 184 BVerfGE 21, 362 (373); E 61, 82 (104); E 75, 192 (200); vgl. dazu auch oben § 71II. 1. a) aa) (5) sowie nachfolgend § 71II. 2. 18S Vgl. zur Grundrechtsfllhigkeit der Kirchen BVerfGE 42,312 (321 fT.); E 53, 266 (286 fT.); E 70,138 (160 f.); vgl. dazu auch Ehlers, in: Sachs, Art. 140; zu Universitäten BVerfGE 15, 256 (262); zu RWldfunkanstalten BVerfGE 31, 314 (322); E 59, 231 (254, s. aber auch S. 255). 186 BVerfGE 21,362 (373); E 59, 231 (254). 187 BVerfGE 68, 193 (207); E 75, 192 (196).

192

§ 7 Klagebefugnis

darauf abgestellt, daß diese Körperschaften in ihrer "Art vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen" I 88 seien und den "Bürgern [... ] (auch) zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte,,189 dienten. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist in der Literatur auf Zustimmung wie Ablehnung gestoßen. 190 Gegen den grundsätzlichen Ausschluß juristischer Personen des öffentlichen Rechts vom Schutzbereich der Grundrechte wird zunächst auf den Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG verwiesen. Dieser enthalte keine Beschränkung zu Lasten öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte. 191 Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 3 GG gebe keine Hinweise auf einen Ausschluß juristischer Personen des öffentlichen Rechts. l92 Ebenso überzeuge das Argument, daß der Staat nicht zugleich Grundrechtsverpflichteter und Grundrechtsberechtigter sein könne, nicht. 193 Daß diese Konstellation sehr wohl möglich sei, zeige das Beispiel der Rundfunkanstalten und Universitäten, die sowohl grundrechtsgebunden als auch grundrechtsberechtigt seien. Anders als das Bundesverfassungsgericht stellt ein Teil der Literatur zur Begründung der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen nicht auf ein irgendwie geartetes personales Substrat dieser Rechtssubjekte ab, sondern sieht die Grundrechtsfähigkeit als unabhängig von den dahinterstehenden natürlichen Personen begründet an. 194 Die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG gehe gerade über den Schutz natürlicher Personen hinaus und gewähre juristischen

BVerfGE 61, 82 (103); vgl. auch BVerfGE 15,256 (262); E 59, 231 (254). BVerfGE 68,193 (207); E 75,192 (197); vgl. auch BVerfGE 31, 314 (322). 190 Zustimmend: Bethge, Grundrechtsberechtigung, S.64 ff.; Darig, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs.3 Rn. 1 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 16; Krebs, in: v. MünchIKunig, Art. 19 Rn. 37 ff.; Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 64 ff.; Rupp-v. Branneck, in: FS Amdt, S. 349 ff. (362); im Hinblick auf die Grundrechtsflthigkeit der Gemeinden Ronellenfitsch, JuS 1983, 594 (594 ff.). Kritisch: Bettermann, NJW 1969,1321 ff.; Erichsen, Staatsrecht, S. 167 ff.; Kimminich, in: BK, Art. 14 Rn. 112 ff.; KriJger, JuS 1981,26 ff.; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 107 ff, 115 ff.; PierothiSchlink, Rn. 175 ff.; Zimmermann, S. 128 ff.; sehr weitgehend Ladeur, in: AltK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 39 f1, 60; wohl auch Stern, llJll S. 1158 ff.; zum Meinungsstand vgl. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 61 fT.; Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 19 ff. 191 V. Mutius, Jura 1983, 30 (38). 192 PierothiSchlink, Rn. 175; s. auch v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 90. 193 Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 41; KriJger, JuS 1981,26 (28); Stern, llJll S. 1113; a. A: Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 70 f. 194 Dreier, in: ders., Art. 19 Abs.3 Rn. 21; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs.3 Rn. 114 f.; vgl. auch Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 31. 188

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m. Gnmdrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Personen eine eigene Grundrechtsfähigkeit. 195 Die Grundrechte seien eine "Antwort auf bestimmte Gefährdungen" .196 ,,Ihr Zweck besteht darin, subjektiv zugeordnete Rechtssphären auf unterschiedliche Art und Weise zu gewährleisten und vor staatlichen Ein- und Übergriffen zu schützen mit dem Ziel, die Staatsgewalt nicht im staatsintern-kompetenziellen Bereich, sondern in ihren Außenrechtsbeziehungen (d.h. gegenüber rechtlich selbständigen Rechtssubjekten) zu disziplinieren.,,197

Für die Beurteilung der Grundrechtsfähigkeit kommt es nach dieser Ansicht damit auf das Vorliegen einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" des betroffenen Rechtssubjekts gegenüber einem Hoheitsträger an. l98 Eine solche grundrechtstypische Gefährdungslage könne auch im Verhältnis von Staat und juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehen. l99 Voraussetzung dafiir sei, daß sich die betreffende öffentlich-rechtliche Organisation hinsichtlich des Tätigkeitsbereiches, für den sie Grundrechtsschutz beansprucht, gegenüber dem grundrechtsgefährdenden Staat und seinen Untergliederungen in demselben Außenrechtsverhältnis befindet wie ein Staatsbürger?OO Wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts insoweit dem Staat in ihrem Verhalten als rechtlich selbständige Rechtssubjekte201 gegenüberstünden und nicht über eine Weisungsabhängigkeit voll in die Staatsorganisation eingebunden seien, könnten auch sie sich auf die grundrechtlichen Gewährleistungen berufen. 202 Zu berücksichtigen sei allerdings, daß die juristischen Personen in ihrem Bestand vom Staat abhängig seien und sich die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung daher nur auf die der betroffenen juristischen Person zugewiesenen Funktions- und Aufgabenbereiche beziehen könne. 203

195 Dreier, in: ders., Art. 19 Abs.3 Rn. 21; vgl. auch Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 32 (i. E. aber a. A). 196 V. Mutius, Jura 1983, 30 (40). 197 V. Mutius, Jura 1983, 30 (40). 198 Vgl. Bettermann, NJW 1969, 1321 (1326 f.); Hendrichs, in: v. Münch, (3. Aufl.) Art. 19 Rn. 39; Kimminich, in: BK, Art. 14 Rn. 114; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 114; ährJIich Pieroth/Schlink, Rn. 176; vgl. auch Dreier, in: FS Scupin, S. 89 ff.; Kröger, JuS 1981, 26 (29); ablehnend insbesondere Darig, in: MaunzJDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 46. 199 V. Mutius, Jura 1983,30 (40); vgl. auch Bethge, Gnmdrechtsberechtigung, S. 67. 200 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 115. 201 Zur Rechtssubjektivität juristischer Personen des öffentlichen Rechts v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 108 ff. 202 Pieroth/Schlink, Rn. 177; vgl. auch Erichsen, Staatsrecht, S. 176 f. 203 Pieroth/Schlink, Rn. 176; vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S.83.

13 Feldmüller

194

§ 7 Klagebefugnis

bb) Übertragbarkeit der Argumente auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts Soweit juristischen Personen die Grundrechtsfähigkeit aufgrund ihrer Eigenschaft als Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts verwehrt wird, ist der Frage nachzugehen, inwieweit diese Argumentation auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts übertragbar ist. Zu bedenken steht zunächst, daß ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht in den Staatsaufbau der Bundesrepublik eingegliedert sind. Sie sind nicht Verpflichtete des Grundgesetzes, sondern stehen der deutschen Staatsgewalt in gleichem Maße unverbunden gegenüber wie sonstige juristische Personen. Insofern unterscheidet sich ihre Stellung bereits grundlegend von der inländischer öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte. Hat das Bundesverfassungsgericht daher im Hinblick auf die Grundrechtsfähigkeit inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts wesentlich darauf abgestellt, daß diese schon aufgrund ihrer hoheitlichen Vorrechte der inländischen öffentlichen Gewalt nicht privatrechtsgleich unterworfen seien204 und diesen juristischen Personen mannigfaltige "staatsinterne Wege" zur Einflußnahme auf Entscheidungen zustünden, kann eine solche Argumentation nicht gegen die Annahme der Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts sprechen. Diesen kommen keine verfassungsrechtlichen Sonderrechte zu, die ihre Rechtsstellung über die des einzelnen Bürgers hinaus erhöben. Ebenfalls unanwendbar ist das sog. Konfusionsargument, das eine gleichzeitige Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung ausschließt. Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts werden, wie zuvor festgestellt, nicht durch die Grundrechte gebunden, eine "Konfusion" von Berechtigung und Verpflichtung ist damit apriori ausgeschlossen. Sie erscheinen insbesondere auch aus Sicht des grundrechtsberechtigten Bürgers nicht als Teil einer einheitlichen (inländischen) Staatsgewalt. 205 Feststellen läßt sich somit. daß sämtliche Argumentationen, die unmittelbar an die staatsbezogenen Hoheitseigenschaftenjuristischer Personen des inländischen öffentlichen Rechts anknüpfen, im Hinblick auf die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen ausländischen öffentlichen Rechts nicht tragfähig sind. Die Frage der Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts beschränkt sich damit zunächst auf den Kern der Diskussion um die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen 204 205

BVerfGE 61,82 (106). Vgl. dazu BVerfGE 21,362 (370 f.); Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 66.

III. Gnmdrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

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Rechts, namentlich nach welchen Kriterien die wesensgemäße Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen überhaupt zu beurteilen ist. Unter Beachtung der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts steht der Grundrechtsflihigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts dasselbe Argument gegenüber, das maßgeblich zur Versagung grundrechtlichen Schutzes zugunsten inländischer juristischer Personen fUhrt. Begreift man mit dem Bundesverfassungsgericht die Grundrechte in erster Linie als Rechte, die natürlichen Personen zur Wahrnehmung von Freiheiten zustehen und verlangt man demzufolge grundsätzlich ein personales Substrat, so muß dies zur Ablehnung grundrechtlichen Schutzes zugunsten jeglicher juristischer Personen des öffentliche Rechts führen, unabhängig davon, ob diese in- oder ausländisch sind. Ausnahmen bestünden nur insoweit, als der Durchgriff auf die hinter einer juristischen Person stehenden Menschen die Gewährung grundrechtlichen Schutzes als sinnvoll und erforderlich erscheinen ließe. Ein solch prinzipieller Ausschluß ausländischer juristischer Personen von dem Schutz der Grundrechte erscheint dagegen nicht geboten, soweit man mit einem Teil der Lehre auf das Erfordernis einer "grundrechtstypischen Gefiihrdungslage" abstellt. Festzustellen ist zunächst, daß ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts der inländischen Staatsgewalt als selbständige und weisungsunabhängige Rechtssubjekte gegenüberstehen?06 Streitigkeiten zwischen diesen Rechtspersonen betreffen demnach stets Außenrechtsbeziehungen. Ein solcher Außenrechtskonflikt kann aber nur dann zu einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" fiihren, wenn das betreffende Rechtssubjekt sich in demselben Rechtsverhältnis zur staatlichen Hoheitsgewalt befindet wie ein einzelner Bürger. 207

cc) Das Wesen der Grundrechte und die Grundrechtsfahigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts Daß die Beurteilung der Grundrechtsfiihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts maßgeblich von der Entscheidung abhängt, inwieweit das "Wesen" der Grundrechte einer Erweiterung des personalen Schutzbereichs über den Schutz natürlicher Personen hinaus zugänglich ist, ist unstreitig. 208 Ebenso unstreitig ist, daß die Grundrechte ihrem Sinn und Zweck nach dem 206 Zu den Erfordernissen einer eigenen Rechtssubjektivität vgl. auch v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 108 ff. 207 Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 115; zur "gTWldrechtstypischen GefiihrdWlgslage" s. auch BVerfGE 45,63 (79); E 61,82 (105). 208 Zum Wesen der Gnmdrechte als "Schlüsse! zum richtigen Verständnis" des Art 19 Abs. 3 GG s. Stern, IIIIl S. 1110 ff.

196

§ 7 Klagebefugnis

einzelnen Rechtsträger subjektive Rechtspositionen zuordnen sollen und damit dazu dienen, staatliche Übergriffe abzuwehren. 209 Zur Bestimmung des Wesens der Grundrechte spricht insoweit vieles dafiir, in diesen zunächst allgemein eine "Antwort auf bestimmte Gefährdungen"210 zu sehen. 2II Eine dermaßen offene Konzeption besitzt den Vorteil, daß sie fur jedes Rechtssubjekt der Frage nachgehen kann, ob dieses vom Schutzgehalt der Grundrechte erfaßt wird und sich in einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befindet. Die wesensgemäße Anwendung der Grundrechte ist damit fur jedes Rechtssubjekt gesondert zu überprüfen. 212 Soweit das Bundesverfassungsgericht darauf verweist, daß das Wesen der Grundrechte im Schutz der personalen Würde und Freiheit des Individuums liege,213 soll dem mit dieser Konstruktion nicht widersprochen werden. Fraglich ist insoweit aber, ob dieser Gesichtspunkt das Wesen der Grundrechte tatsächlich in einer Weise abschließend beschreibt, daß damit die Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen des öffentlichen Rechts notwendig ausgeschlossen ist, ob mit anderen Worten also aus dem primären Zweck der grundrechtlichen Gewährleistungen zwingend eine derartige Ausschließlichkeit ihres Schutzes folgen muß, wie sie sich aus dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Merkmal des personalen Substrats ergibt. 214 Zweifel an einem dermaßen engen Verständnis der Wesensformel bestehen bereits insoweit, als Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechtsfahigkeit nicht auf den Schutz des einzelnen beschrän-

209 In dieser Allgemeinheit wohl unbestritten, vgl. DUrig, in: MaunzJDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 36; Erichsen, Staatsrecht, S. 173. 210 V. Mutius, Jura 1983, 30 (40). 211 Kritisch insoweit Bethge. Es stelle eine "Sinnverkürzung dar, einfach zu proklamieren, daß Grundrechte Antworten auf bestimmte Gefährdungen seien; denn dabei wird nicht differenziert zwischen der grundrechtsspezifischen Gefahrdung des Individuums und der i1un gleichstehenden Personenvereinigung einerseits und der eben nicht grundrechtsspezifischen Gefahrdung jedes gewaltunterworfenen Rechtssubjekts bis hin zum Staat selbst." (Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 72). Dieser Einwand Bethges ist jedoch insoweit nicht tragend, als eine notwendige Differenzierung in einem zweiten Schritt, nämlich der Feststellung der "grundrechtstypischen Gefährdung" erfolgt. 212 Ähnlich Stern, III/l S. 1159. 213 BVerfGE 21, 362 (369); dazu mit scharfer Kritik Benermann, NJW 1969, 1321 (1325); weitergehend dagegen Rupp-v. BrUnneck, in: FS Arndt, S. 359: ,,Diese Rechtsfigur [juristische Person, Anm. d. Verf] ist [... ] ein unschätzbares Hilfsmittel filr den Menschen, die i1un besonders auf wirtschaftlichem Gebiet eine Betätigung gestattet, zu der er in der heutigen Welt sonst nicht fähig wäre. Hieraus und hieraus allein rechtfertigt sich eine beschränkte Einbeziehung dieser von der Rechtsordnung geschaffenen juristischen Zuordnungspunkte in den Grundrechtsschutz; sie ist nur Teil des Grundrechtsschutzes des Menschen selbst." 214 Skeptisch insoweit auch Stern, III/l S. 1102 f.

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

197

ken. 2J5 Hinzukommt, daß sich auch aus sonstigen Regelungen der Verfassung kein Argument gewinnen läßt, demzufolge die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen zwingend von einem "Durchgriff' auf die hinter dieser stehenden natürlichen Personen abhinge. 216 Soweit diesbezüglich darauf hingewiesen wird, daß die Nichtanwendbarkeit der Grundrechte aus der Wesensverschiedenheit von Wahrnehmung menschlicher Freiheit durch natürliche Personen und Ausübung staatlicher Kompetenz durch juristische Personen des öffentlichen Rechts folge,217 erscheint dieses Argument zumindest im Hinblick auf die Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts zu kurz gegriffen. Mit der Unterscheidung von Wahrnehmung von Freiheit und Handeln aufgrund staatlich verliehener Kompetenz trennt das Bundesverfassungsgericht den grundrechtlich geschützten Lebensbereich vom Recht der Staatsorganisation - Freiheit gegen Kompetenz. 218 Es stellt fest, daß die Regelung von Kompetenzkonflikten nicht Gegenstand der Grundrechte sei. 219 Dieser Feststellung mag im Ergebnis zuzustimmen sein, sie ennöglicht jedoch keine Rückschlüsse auf die Anwendung der Grundrechte zugunsten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Diesen kommt bei der Einteilung juristischer Personen eine Sonderstellung zu. Einerseits handeln sie als öffentlichrechtliche Rechtssubjekte zwar nicht in Wahrnehmung einer aus der Menschenwürde abgeleiteten Freiheit, andererseits aber sind ihre Kompetenzen nicht durch die innerstaatliche Rechtsordnung definiert. Ihre Rechte leiten sich vielmehr von der sie tragenden Staatsgewalt ab. Sie besitzen demnach gegenüber der innerstaatlichen Gewalt eine Freiheit eigener Art. Diese Wahrnehmung eigener Freiheit hebt sie deutlich von den inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die in Wahrnehmung innerstaatlicher Kompetenz handeln, ab, und macht ihr Handeln im Verhältnis zur inländischen Hoheitsgewalt in seiner Qualität dem Handeln des einzelnen Menschen in Wahrnehmung von Freiheit vergleichbar. 220 Soweit sich ausländische juristi215 Zu Wortlaut und Entstehungsgeschichte Krebs, in: v. MünchlKunig, Art. 19 Rn. 35 f; v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 89 ff.; Stern, IIIIl S. 1089 ff.; zwn Wortlaut insbesondere Kräger, JuS 1981,26 (28). 216 Vgl. dazu ausführlich v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 91 ff.; s. auch Stern, IIIIl S. 1088; Werner, S. 100; ebenso jüngst Zimmermann, S. 37 ff., 72 ff. 217 Krebs, in: v. MünchlKunig, Art. 19 Rn. 41; s. auch BVerfGE 61, 82 (101); E 68,

193 (206); E 75,192 (196). 218 BVerfGE 21,362 (370). 219 BVerfGE 61,82 (101). 220 Ähnlich wohl auch das Bundesverfassungsgericht in E 53, 366 (387) zur Grundrechtsfähigkeit kirchlicher Untergliederungen als Teilen von Körperschaften des öffentlichen Rechts: "Ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform sind die Kirchen dem Staat nicht inkorporiert. Thre wesentlichen Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten sind originäre, nicht etwa vom Staat abgeleitete. Sie stehen unbeschadet

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§ 7 Klagebefugnis

sche Personen des öffentlichen Rechts auf die Grundrechte berufen, geht es somit nicht um die Abgrenzung von Kompetenzen, sondern um die Bewahrung eigener (originärer) Rechte. Insoweit vermag das Erfordernis des personalen Substrats zwar für den innerstaatlichen Bereich den Wesensgehalt der Grundrechte in Abgrenzung zum Bereich des Staatsorganisationsrechts auszufiillen. Für die Frage der Grundrechtsfiihigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts unterliegt sie aber aufgrund ihres strengen Staatsbezuges erheblichen Zweifeln. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts durch das nationale Staatsorganisationsrecht erfaßt und geschützt sind (vgl. bspw. Art. 28 GG), ein entsprechender Schutz zugunsten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts aber nicht in Betracht kommt. Zu bedenken ist zudem, daß das vom Bundesverfassungsgericht befiirwortete individualisierte Grundrechtsverständnis zum Schutz der Rechte des einzelnen einen Ausschluß ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht zwingend notwendig macht. 221 Die Anwendung der Grundrechte zugunsten solcher juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die der Staatsgewalt vollständig unverbunden gegenüberstehen, bedeutet nämlich keine Gefahr für den Schutz des Individuums vor staatlichen Übergriffen. Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts nehmen keine durch innerstaatliches Recht zugewiesenen und geregelten öffentlichen Aufgaben wahr. Ihre Funktion222 bringt sie daher nicht in Kollision mit den Rechten einzelner. Ihre Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts steht damit einer wesensgemäßen Anwendung der Grundrechte zunächst nicht entgegen. Etwas anderes könnte jedoch gelten, soweit man die Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts im deutschen Recht näher betrachtet. Die Grundrechte gewähren in erster Linie Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. Sie gehen damit von der Prämisse einer Gewaltunterworfenheit des einzelnen unter die öffentliche Gewalt aus. Der Zusammenhang von Staatsgewalt und Gewaltunterworfenheit besitzt einen fiir das Wesen der Grundrechte elementaren Charakter. Fehlt eine solche Verbindung, bedarf es keines grundrechtlichen Schutzes mehr. Voraussetzung fiir die Gewährung grundrechtlichen Schutzes ist damit das in der Lehre entwickelte Merkmal der

ihrer besonderen Qualität wie jedennann dem Staat gegenüber und können eigene Rechte gegen den Staat geltend machen. Aus diesem Blickwinkel sind sie auch grundrechtsfähig. " 221 So aber wohl BVerfGE 59, 231 (255); vgl. dagegen Ladeur, in: AltK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 47, 60. 222 Auf die Funktion einer juristischen Person abstellend auch BVerfGE 75, 192 (197,200); BVerfG NJW 1996,584 (584); vgl. auch Badura, S. 86.

m. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

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grundrechtstypischen Gefährdung. Nur soweit die Lage juristischer Personen der Lage natürlicher Personen, die gegen den freiheitsgefährdenden Staat den Schutz der Grundrechte genießen, vergleichbar ist, kommt eine Anwendung der Grundrechte in Betracht. 223 Diese Erkenntnis wirkt sich auch auf die potentielle Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts aus. Nur soweit diese der öffentlichen Gewalt inländergleich unterworfen sind, können sie sich dem Wesen der Grundrechte entsprechend auf deren verfassungsrechtliche Gewährleistungen berufen. Voraussetzung einer inländergleichen Gewaltunterworfenheit ist zunächst die tatsächliche Eingliederung dieser Rechtssubjekte in die innerstaatliche Rechtsordnung. Dies ist bei ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts jedoch nur bedingt der Fall. Sie sind der deutschen Hoheitsgewalt in Teilbereichen ihrer Tätigkeit nicht in der gleichen Weise unterworfen wie der einzelne Staatsbürger. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Recht ausländischer Staaten, sich hinsichtlich ihrer hoheitlichen Aktivitäten auf den Grundsatz der Staatenimmunität zu berufen. 224 Soweit ausländischen Rechtssubjekten bei acta iure imperii das Recht zusteht, sich der deutschen Staatsgewalt zu entziehen, kann nicht vom Bestehen einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" ausgegangen werden. Etwas anderes gilt hingegen in den Bereichen fremdstaatlichen Handeins, in denen ausländische juristische Personen der deutschen Staatsgewalt ohne einen besonderen Schutzanspruch unterworfen sind. Wird bspw. eine Gesellschaft ausländischen öffentlichen Rechts im Inland privatwirtschaftlich tätig, so gelten fiir ihr Rechtsverhältnis zum Staat dieselben Regeln wie fiir ein entsprechendes innerstaatliches Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und einem einzelnen. Eine inländergleiche Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts kommt also in jenen Fällen in Betracht, in denen sich diese nicht auf (völkerrechtliche) Sonderrechte berufen können. 225

Vgl. v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 114; Pieroth/Schlink, Rn. 167. Vgl. zur Staatenimmunität oben.§ 2 11. 225 Vgl. auch Ritter, NJW 1964, 279 (282 Fußn. 27), der davon ausgeht, daß ausländische Staaten und deren selbständige VerwaltWlgseinheiten durch das Völkerrecht geschützt werden Wld daher keines Grundrechtsschutzes bedürften; s. auch Dagtoglou, in: BK, Art. 17 Rn. 58. Die BegrenzWlg der (potentiellen) Grundrechtsflihigkeit ausländischer juristischer Personen auf jene Tätigkeitsbereiche, in denen diesen keine völkerrechtlichen Sonderrechte zustehen, widerspricht nicht der FeststellWlg im Hinblick auf das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit. Soweit die Grundrechtsflihigkeit auf besagte Teilbereiche beschränkt wird, folgt dies aus dem innerstaatlichen System des GrWldgesetzes, es werden dabei aber nicht völkerrechtlich gewährte Abwehrrechte in ihr Gegenteil verkehrt. 223

224

200

§ 7 Klagebefugnis

Fraglich ist allerdings, inwieweit eine solche inländergleiche Gewaltunterworfenheit ausreichend ist, um eine grundrechtstypische Gefahrdungslage anzunehmen. Eine rechtliche Eingliederung dieser Rechtssubjekte bedeutet nämlich noch keine existentielle Gewaltunterworfenheit in der Weise, daß die betroffene juristische Person in ihrem Bestand oder ihrer Person von der inländischen Staatsgewalt abhängig wäre, wie dies bei inländischen Rechtssubjekten der Fall ist. Ausländischen juristischen Personen fehlt als Teil einer fremden Staatsgewalt vielmehr eine derartige innere Verbindung zur innerstaatlichen Rechtsordnung. Sie sind dieser nicht existentiell unterworfen. Es besteht insoweit keine "mutual relation between protection and obedience,,226. Eine derartige unauflösliche Verbundenheit erscheint nach dem Wesen der Grundrechte aber auch nicht erforderlich. So werden bspw. ausländische natürliche Personen auch dann vom Schutz der Grundrechte erfaßt, wenn sie der inländischen Gewalt nicht in persona unterworfen sind, sondern sich alleine ihr Eigentum im Geltungsbereich des Grundgesetzes befindet227 . Erforderlich und ausreichend zugleich ist damit eine Gewaltunterworfenheit in der Weise, daß das ausländische Rechtssubjekt im Hinblick auf seine inländische Aktivität vollständig der deutschen Rechtsordnung untergeordnet ist. Dem Wesen der Grundrechte entsprechend können sich daher auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG, auf die Grundrechte berufen, wenn eine entsprechende Gewaltunterworfenheit besteht. Die Bestimmung dieser Gewaltunterworfenheit kann insoweit im Rahmen des Erfordernisses einer "grundrechtstypischen Gefahrdungslage" erfolgen. Das Bestehen einer solchen "grundrechtstypischen Gefahrdungslage" ist, wie oben gezeigt, von dem betroffenen Tätigkeitsbereich abhängig. Sie ist nur dann anzunehmen, wenn die rechtliche Position der betroffenen juristischen Person des öffentlichen Rechts ohne Veränderung der materiellen Rechtslage von einer zivilen Rechtsperson eingenommen werden kann. 228 Insoweit erweist sich das dargestellte Verständnis vom Wesen der Grundrechte auch im Hinblick auf die Systematik von Völkerrecht und nationalem Verfassungsrecht als schlüssig. Grundsätzlich regelt das Völkerrecht die Beziehungen zwischen den Staaten, während das Grundrechtssystem auf das Verhältnis von Staat zu Bürger ausgerichtet ist. Diese strikte Trennung der Rechtsordnungsaufgaben wird jedoch verwischt, wenn juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts innerstaatlich in einer Weise tätig werden, die das Völkerrecht Vgl. Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 38. Staatsrecht, S. 70; Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 79; zur streitigen Problematik grenzüberschreitenden Grundrechtsschutzes vgl. Stern, IIIIl S. 1232 ff; s. auch Bungert, S. 220 ff.; ausfiihrlich zum grenzüberschreitenden Verwaltungsrechtsschutz und zum Territorialitätsgrundsatz unten § 7 IV. I. 228 Vgl. dazu v. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 115. 226

227 Bleckmann,

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

201

nicht erfaßt. Sie bewegen sich in solchen Fällen auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts, ohne daß ihnen völkerrechtlicher Schutz zukäme. Diese "Schutzlücke" kann durch die Anwendung der Grundrechte geschlossen werden. Ein entsprechender Schutz beginnt insoweit mit dem Vorliegen einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" und endet an der Grenze zum Völkerrecht. Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, daß es an einer grundrechtstypischen Gefährdung fehlt, sofern eine ausländische juristische Person in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger betroffen ist. Die möglichen Streitigkeiten muß das Völkerrecht regeln. 229 Befindet sich eine ausländische juristische Person (auch des öffentlichen Rechts) dagegen in einer dem einzelnen Staatsbürger vergleichbaren Gefährdungslage, stehen ihr insoweit also keine völkerrechtlichen Sonderrechte zu, so gewähren die Grundrechte (potentiellen) Schutz gegen staatliche Übergriffe. Soweit sich ausländische juristische Personen damit in einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befinden, steht der Annahme ihrer Grundrechtsfähigkeit nur ihre Auslandseigenschaft, nicht jedoch das "Wesen" der Grundrechte entgegen. 230

dd) Die Bedeutung des Art. 6 EGV Soweit damit festgestellt wurde, daß die Grundrechte ihrem "Wesen" nach auch zugunsten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts Anwendung finden können, ist nachfolgend der Frage nachzugehen, inwieweit diesen, soweit sie in den Anwendungsbereich des Art. 6 EGV fallen,231 tatsächlich grundrechtlicher Schutz zukommt.

229 Zu beachten ist insoweit Art. 25 00, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind. 230 I. E. ähnlich Wemer, S. 100; vgl. dazu auch Simma/Vedder, in: GrabitzlHilf, Art. 211 Rn. 17 zur Grundrechtsfähigkeit der EG als juristischer Person: ,,Als a-nationale Rechtsperson ist die EG nicht etwa eine ausländische juristische Person, etwa des belgisehen Rechts, sondern ist in den Mitgliedstaaten wie eine juristische Person des nationalen Rechts zu behandeln [... ], sie hat daher auch als inländische juristische Person i. S. von Art. 19 Abs. 3 00 zu gelten. [... ] Das Erfordernis der Wesensgemäßheit in Art. 19 Abs. 3 00 filhrt allerdings dazu, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts als organisatorische[n] Gliederungen des Staates grundsätzlich kein Grundrechtsschutz zukommt. Die EG steht aber trotz der tiefen Verschränkung mit dem deutschen Recht außerhalb der deutschen Staatsgewalt und wird daher durch den generellen Ausschluß des Grundrechtsschutzes ftlr deutsche juristische Personen nicht betroffen, [... ] Die EG ist daher in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben grundsätzlich grundrechtsfähig [.. .]"; kritisch dazu Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 39. 231 Vgl. dazu oben § 7 III. 1. a) dd).

202

§ 7 Klagebefugnis

Sinn und Zweck des gemeinschaftlichen Diskriminierungsverbotes ist es, Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatszugehörigkeit zu verhindern und eine inländergleiche Behandlung ausländischer Rechtssubjekte zu gewährleisten. 232 Wie oben festgestellt wurde, findet infolge des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG zugunsten solcher juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die ihren Sitz in einem EG-Mitgliedstaat haben und einen Erwerbszweck verfolgen, keine Anwendung. Vielmehr kommt ihnen der Schutz der Grundrechte inländergleich zu. Zu klären ist damit, auf welches Merkmal sich die Inländergleichheit bezieht. Mit anderen Worten, welche Vergleichsgruppe ist heranzuziehen, nach deren Grundrechtsfahigkeit sich die Stellung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts bestimmt. Keinesfalls soll durch die Anwendung des Art. 6 EGV eine BessersteIlung ausländischer Rechtssubjekte gegenüber vergleichbaren inländischen erreicht werden. Denkbar ist zunächst eine "fonnale" Betrachtungsweise, die den öffentlichrechtlichen Charakter der ausländischen juristischen Person in den Vordergrund stellt. Danach käme diesen Rechtssubjekten nur dann grundrechtlicher Schutz zu, wenn dies auch zugunsten inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts gälte. Von entscheidender Bedeutung wäre demnach die Frage, inwieweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf eine vergleichbare inländische juristische Person des öffentlichen Rechts im konkreten Einzelfall anwendbar wären. Ein anderer Ansatz könnte in einer "funktionalen" Betrachtung liegen. Danach wäre die Tätigkeit ausländischer juristischer Personen als Vergleichskriterium heranzuziehen und diesen die Grundrechtsfahigkeit inländergleich zuzusprechen, wenn sie privatrechtsgleich handeln. 233 Beide Ansätze alleine können jedoch kaum überzeugen. Jeder bezieht sich nur auf ein Merkmal, das den rechtlichen Charakter ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts ausmacht, ohne den Besonderheiten dieser Rechtssubjekte insgesamt gerecht zu werden. Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts entsprechen, wie oben gezeigt, keiner inländischen juristischen Person. Sie sind im Gegensatz zu juristischen Personen des Privatrechts staatsgebunden, im Gegensatz zu juristischen Personen des inländischen öffentlichen Rechts aber nicht Teil der deutschen Staatsgewalt. Gemeinsamkeiten bestehen nur insoweit, als alle diese Rechtssubjekte juristische Personen sind. Dieses gemeinsame Merkmal der ,juristischen Person" muß

SchweitzerlHummer, Rn. 1053. Zu diesem Ansatz im Hinblick auf die Grundrechtsfiihigkeit inländischer juristischer Personen vgl. Bettermann, NJW 1968, 1321 (1327); zur Kritik Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 47 ff.; Stern, IllIl S. 1160 f.; BVerfGE 75, 192 (197 ff.). 232

233

m. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

203

folglich als kleinster gemeinsamer Nenner auch im Mittelpunkt einer systemgerechten Lösung stehen. Unter Beachtung der gemeinsamen Eigenschaft als juristische Personen ist daher die inländergleiche Behandlung, die das Gemeinschaftsrecht fordert, alleine durch eine unterschiedslose Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG zu verwirklichen. Das bedeutet, daß ausländische juristische Personen, die in den Anwendungsbereich des Art. 6 EGV (oder sonstiger gemeinschaftsrechtlicher Diskriminierungsverbote) fallen, ohne Ansehen der Staatszugehörigkeit Grundrechtsschutz genießen, wenn die Grundrechte ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. Inländergleiche Behandlung heißt danach unterschiedslose Behandlung als juristische Person. Erst in einem zweiten Schritt ist die wesensgemäße Anwendung der Grundrechte unter BeJiicksichtigung aller bestehenden Besonderheiten festzustellen. Ein solcher Ansatz wird der Verschiedenheit aller juristischer Personen ebenso gerecht, wie der Zielsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes. Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts werden ohne Rücksicht auf ihre Staatszugehörigkeit behandelt und innerhalb der nationalen Rechtsordnung inländischen juristischen Personen gleichgestellt. Diese Integration wiederum fUgt sich insoweit systemgerecht in die Grundrechtsordnung ein, als sie das Wesen der Grundrechte in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Dieser Lösung kann auch nicht entgegengehalten werden, daß dadurch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts eher in den Genuß grundrechtlichen Schutzes gelangten als inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Eine derartige Kritik würde nämlich verkennen, daß inländische und ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts gerade nicht vergleichbar sind. Soweit das Gemeinschaftsrecht damit eine inländergleiche Behandlung ausländischer juristischer Personen verlangt, kommt ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts inländergleicher Schutz zu, soweit die Grundrechte ihrem Wesen234 nach auf sie anwendbar sind.

ee) Teilergebnis Als Teilergebnis läßt sich festhalten, daß das Wesen der Grundrechte einer Berechtigung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht entgegensteht. Voraussetzung ist insoweit das Vorliegen einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage". Eine solche ist ausgeschlossen, soweit ausländi-

234 Zur wesensmäßigen AnwendWlg der GrWldrechte auf ausländische juristische Personen s. oben § 7 m. 1. b) cc).

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§ 7 Klagebefugnis

schen juristischen Personen des öffentlichen Rechts völkerrechtliche Sonderrechte zukommen und sie somit der deutschen Staatsgewalt nicht in der gleichen Weise unterworfen sind wie zivile Rechtspersonen. In derartigen Fällen ist das Völkerrecht zur Konfliktbewältigung berufen. Im Anwendungsbereich des Art. 6 EGV können sich ausländische juristische Personen trotz ihrer Auslandseigenschaft auf den Schutz der Grundrechte berufen, soweit diese auf sie anwendbar sind.

2. Der Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte Nachdem festgestellt wurde, daß ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur in wenigen Ausnahmefällen materieller Grundrechtsschutz zukommt, ist der Frage nachzugehen, ob dies auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte gilt.

a) Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Art. 103 Abs. 1 GG Wie oben bereits erörtert, gelten die Verfahrensrechte der Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG zugunsten aller Rechtssubjekte, die von einem Verfahren in der Bundesrepublik betroffen sind. Dabei ist es nach allgemeiner Ansicht unerheblich, ob es sich um natürliche oder juristische, in- oder ausländische Personen handelt. 235 Auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich demnach auf diese verfassungsrechtlichen Verfahrensrechte berufen. Dies gilt bspw. in den Fällen, in denen es ein Gericht entgegen Art. 100 Abs. 2 GG unterlassen hat, in einem entscheidungserheblichen Zweifelsfall über das Bestehen oder Nichtbestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. 236

235 BVerfGE 12,6 (8); E 18,441 (447); E 21,362 (373); E 61,82 (104); E 75, 192 (200); vgl. mit lUlterschiedlichen Begründungen: Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 25; Dürig, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs.3 Rn. 54; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 15; Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 44; Stern, IIIIl S. 1147; s. auch Borchardt, in: Grabitz, S. 152. 236 Zwn Rechtsschutz nach Art. 101 Abs. 1 S.2 00 in Fällen der Nichtvorlage völkerrechtlicher Zweifelsfragen durch ein Gericht nach Art. 100 Abs. 2 00 vgl. Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Anh. § 40 Art. 100 Abs. 2 00 Rn. 17; s. zu Art. 100 Abs. 2 00 auch oben Fußnote zu § 7 II 2 a). Vgl. dazu auch die auf Artt. 103 Abs. 1 00 und 101 Abs. 1 S. 2 00 i. V. m. Artt. 100 Abs. 2 00, 2500 gestützte VerfasslUlgsbeschwerde der National Iranian Oil Company, BVerfGE 64, I.

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

205

b)Art. 19Abs. 4 GG Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob sich ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts auch auf den Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG237 berufen können. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung darüber bislang offen gelassen. 238 Dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG entsprechend steht der Rechtsweg offen, wenn jemand durch die öffentliche Gewale39 in seinen Rechten verletzt ist. Die Definition des Begriffs ,jemand" ist innerhalb der Literatur uneinheitlich. Während teilweise darauf abgestellt wird, daß Träger des Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG nur sein kann, wer Inhaber eines Grundrechts ist,240 ist es einem anderen Teil der Lehre zufolge ausreichend, daß dem betroffenen Rechtssubjekt überhaupt ein Recht i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG zustehen kann, wobei es sich dabei aber nicht notwendig um ein Grundrecht handeln muß. 241 Kernfrage des personalen Schutzbereichs von Art. 19 Abs. 4 GG wird damit, ob dieses Recht zwingend an die Grundrechtsfähigkeit gekoppelt ist. Wäre dies der Fall, könnten sich ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts regelmäßii42 nicht auf den Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG berufen.

aa) Wortlaut und systematischer Zusammenhang Der gesetzlichen Formulierung läßt sich keine Beschränkung des personalen Schutzbereiches zugunsten von Grundrechtsträgern entnehmen. "Jemand" ist ein inhaltlich offener Begriff, der nur aus dem Normzusammenhang heraus bestimmt werden kann.

237 Genau genommen müßte man von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sprechen. Es ist jedoch allgemein üblich geworden, sich auf Art. 19 Abs. 4 GG zu beschränken, was deshalb auch nachfolgend der Fall sein wird. 238 Vgl. BVerfG EuGRZ 1988,424 (425) zur Verfassungsbeschwerde des österreichisehen Bundeslandes Vorar1berg. 239 Zur öffentlichen Gewalt i. S. von Art. 19 Abs. 3 GG zählt nur die inländische öffentliche Gewalt. Nicht erfaßt werden die Akte fremder Staaten oder zwischenstaatlicher Einrichtungen. Vgl. BVerfGE 58, 1 (26 tI.); E 59, 83 (85 ff.); Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 19 Rn. 28; KrUger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 116; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 19 Abs. 4 Rn. 38; Wassennann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 43. 240 Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 19 Rn. 29; KrUger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 113. 241 Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 38; Wassennann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 22. 242 Zu den Ausnahmen s. oben § 7 III 1. a) dd).

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§ 7 Klagebefugnis

Gleiches gilt im Hinblick auf die Formulierung "Rechte". Auch hier beschränkt sich der Gesetzeswortlaut nicht auf die vorstehenden Grundrechte, sondern beinhaltet abermals einen inhaltlich weiten Begriff. Dieser wird von der ganz überwiegenden Auffassung dahingehend verstanden, daß Art. 19 Abs. 4 GG seine Schutzgarantie nicht nur auf die Grundrechte begrenzt, sondern auch auf einfachgesetzliche Rechte ausdehnt. 243 Auch die Systematik des Art. 19 GG läßt keinen eindeutigen Schluß auf den personalen Schutzbereich zu. Einerseits steht die Regelung des Art. 19 Abs. 4 GG im I. Abschnitt des Grundgesetzes und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit den materiellen Grundrechten, deren personaler Schutzbereich von Art. 19 Abs. 3 GG bestimmt wird, und was demnach die Annalune zuläßt, daß die Rechtsschutzgarantie nur Grundrechtsträgem zukommen soll.244 Andererseits folgt Art. 19 Abs. 4 GG gerade der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG nach, woraus sich kein unmittelbarer inhaltlicher Bezug der beiden Absätze ergibt. Vielmehr kann dies gerade zu dem Schluß fUhren, daß die Bestimmung über die Grundrechtsfähigkeit die Berechtigung aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht berühren soll.245 Eine Klärung der Trägerschaft des Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG kann sich damit nur aus einer Zusammenschau aller relevanten Normen und des Sinns und Zwecks dieser Regelung ergeben.

bb) Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsfähigkeit Ein Teil der Literatur versteht Art. 19 Abs. 4 GG ausschließlich zur Absicherung der Freiheitsrechte des Bürgers. 246 Die Regelung wird als "Komplementämorm zum Hauptfreiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG" begriffen, das "ersichtlich auf den Bürgerschutz und den Schutz der dem Bürger typischerweise gleichgestellten Subjekte zugeschnitten ist.,,247 Art. 19 Abs. 4 GG wird so zum formellen Hauptgrundrecht, dessen Trägerschaft sich mit der der materiellen Grundrechte deckt.

243 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 21; KrlIger, in: Rn. 127; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 19 Rn. 23; Schulze-Fielitz, in: Abs.4 Rn. 43; Stern, III71 S. 1440; s. auch BVerfGE 15, 275 (281 (194 (). 244 Vgl. Krebs, in: v. MÜDChIKwtig, Art. 19 Rn. 51. 245 Vgl. Manssen, Rn. 147. 246 Vgl. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 128; Krebs, in: v. Art. 19 Rn. 49; Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 32. 247 Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 128.

Sachs, Art. 19 Dreier Art. 19 f.); E 83, 182

MünchIKwtig,

III. Gnmdrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

207

Dieser Grundhaltung entsprechend wird der Regelungsgehalt dieser Vorschrift auf das Verhältnis von Bürger und Staat reduziert und folgerichtig auch die Berechtigung inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG unter Hinweis auf die fehlende Grundrechtsfähigkeit abgelehnt. 248 Ergänzend wird zudem darauf hingewiesen, daß die nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG eröffnete Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde notwendig voraussetze, daß es sich bei Art. 19 Abs. 4 um ein Grundrecht handele, dessen Trägerschaft sich wiederum nach Art. 19 Abs. 3 GG richte. 249 Soweit nicht unmittelbar auf die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG abgestellt wird, findet sich in der Literatur die Auffassung, daß in der materiellrechtliehen Behandlung juristischer Personen (des öffentlichen Rechts) eine "Wertungsschwelle" deutlich werde, die auch für Art. 19 Abs. 4 GG gelte und zu einer restriktiven Auslegung der Gerichtsschutzgarantie zwinge. 250 Auch das Bundesverfassungsgericht scheint die Berechtigung aus Art. 19 Abs. 4 GG von der Fähigkeit, Grundrechtsträger sein zu können, abhängig zu machen. Wenngleich es sich bislang einer dezidierten Stellungnahme enthielt,251 hat es im Falle einer Allgemeinen Ortskrankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG unter Hinweis auf die fehlende Grundrechtsfähigkeit abgelehnt. 252 Die Bindung der Berechtigung aus Art. 19 Abs. 4 GG an die materielle Grundrechtsfähigkeit hat jedoch nicht nur Zustimmung erfahren. Ein großer Teil der Lehre ist vielmehr der Ansicht, daß sich der Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG auf "alle" erstrecke, die durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt seien. 253 Dazu gehörten neben den natürlichen auch die juristischen Personen, und zwar unabhängig davon, ob diese dem in- oder ausländischen,

248 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 29; Krebs, in: v. MünchIKunig, Art. 19 Rn. 51; Krüger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 115; Papier, in: HbStR, § 154 Rn. 21; Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 32. 249 Bethge, GnmdrechtsberechtigWlg, S. 128; dazu auch Krebs, in: v. MünchIKunig, Art. 19 Rn. 51; Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 32. 250 Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 42. 251 OfIengelassen in BVerfGE 61, 82 (109); mit Tendenz zur BindWlg an Art. 19 Abs.3 GG in BVerfG EuGRZ 1988, 424 (425); Bethge; GnmdrechtsberechtigWlg, S. 127 Fußn. 701; a. A: Manssen, Rn. 147 f. 252 Vgl. BVerfGE 39, 302 (315). 253 Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 23; Wassermann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 22; in der älteren Literatur als ,,herrschend" bezeichnete Ansicht: Klein VVDStLR 8, S. 102; v. Mangoldt/Klein, (1957) Art 19 Abs.4 Anm. vn 2; so noch immer Bleckmann, Staatsrecht, S. 991; vgl. auch, welUlgleich mit a. A Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 31.

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§ 7 Klagebefugnis

dem Privat- oder öffentlichen Recht zuzuordnen seien. 254 Der Gegensatz von Art. 19 Abs. 4 GG zu Art. 19 Abs. 3 GG erkläre sich daraus, daß sich die Rechtsschutzgarantie nicht lediglich auf die Grundrechte beziehe,255 sondern sich gegen jedweden RechtseingrifI richte. Angeführt wird zudem, daß die allgemeine Beschränkung der Grundrechte auf inländische juristische Personen des Privatrechts bei den Verfahrensrechten, einschließlich des Art. 19 Abs. 4 GG, aus Gründen der beiderseitigen WafIengleichheit nicht greife. 256 Im Gegensatz zu der zuvor dargestellten Auffassung rückt dieser Teil der Lehre ein Subordinationsverhältnis i. w. S.257 an die Stelle des Verhältnisses von Staat und Bürger. Danach kann sich jeder Gewaltunterworfene auf die Gewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 GG berufen. 258 Auf die Grundrechtsfähigkeit kommt es insoweit nicht an. 259

cc) Zur Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des Privatrechts Trotz der Diskussion um die Grundrechtsfähigkeit als Voraussetzung für die Berechtigung aus Art. 19 Abs. 4 GG wird von der ganz überwiegenden Auffassung angenommen, daß sich ausländische juristische Personen des .Privatrechts auf die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie berufen können, auch wenn ihnen aufgrund der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG kein materieller Grundrechtsschutz zukommt. 260 Ebenso wie im Hinblick auf die Verfahrensrechte des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG wird dies damit begründet, daß die zum Ausschluß der materiellen Grundrechtsberechtigung führenden Gründe im Zusammenhang mit Art. 19 Abs. 4 GG

254 Vgl. ausdrücklich zu ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts Wassennann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 22; s. auch Borchardt, in: Grabitz, S. 152 (S. 151); Manssen, Rn. 147; i. E. ebenso Bleckmann, Staatsrecht, S. 991; SchmidtBleibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 23; vgl. auch Stern, llIll S. 1147. m Wassennann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 22. 256 Bleckmann, Staatsrecht, S.991; zur a. A. Bethge, Grundrechtsberechtigung, S.127. 257 Zwn Subordinationsverhältnis bzgl. des Merkmals der öffentlichen Gewalt vgl. Bleckmann, Staatsrecht, S. 991; Schmidt-Aßmann, in: MaWlZlDilrig, Art. 19 Abs.4 Rn. 45. 258 Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 23; Wassennann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 22. 259 Vgl. dazu auch Schmidt-Aßmann, in: MaWlZlDilrig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 39; Schulze-Fielitz, in: Dreier Art. 19 Abs. 4 Rn. 63. 260 Vgl. Isensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; Jarass, in: JarassIPieroth, Art. 19 Rn. 15; Krflger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 114; v. Mutius, Jura 1983,30 (36); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 40; Stern, llIll S. 1147; i. E. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier Art. 19 Abs. 4; a. A. Krebs, in: v. MilnchIKunig, Art. 19 Rn. 51.

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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nicht zum Tragen kämen. 261 Ein "fremdenrechtlicher Handlungsspielraum", wie ihn Art. 19 Abs. 3 GG eröffne, werde nur benötigt, soweit es um die Einräumung materieller Rechtspositionen gehe, nicht jedoch hinsichtlich der Verfahrens- und Prozeßgrundrechte. 262 Dieser Argumentation wird vereinzelt entgegengehalten, daß sich der Normzweck des Art. 19 Abs. 3 GG auch auf die Regelung des Abs. 4 erstrekke. Zum Schutz deutscher Auslandsgesellschaften sei auch in bezug auf die Rechtsweggarantie ein fremdenrechtlicher Handlungsspielraum zur Erreichung von Gegenseitigkeit erforderlich. 263 Das Argument der Gegenseitigkeit kann im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch nicht überzeugen. Richtig ist zwar, daß die Gewährung staatlichen Rechtsschutzes auch zugunsten deutscher juristischer Personen im Ausland erreicht werden muß, dies rechtfertigt jedoch noch keine Verweigerung der Rechtsschutzgarantie zugunsten ausländischer juristischer Personen im Inland. Die Verweigerung von Rechten zur Durchsetzung von Gegenseitigkeit ist eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der deutschen Rechtsordnung und als solche restriktiv zu handhaben. Dort, wo ausländische Rechtssubjekte der deutschen öffentlichen Gewalt inländergleich unterworfen sind, müssen ihnen auch inländergleiche Verteidigungsrechte zustehen. Dies gilt insbesondere fiir Art. 19 Abs. 4 GG. Da diese Norm vom Bestand der materiellen Rechte abhängig ist, ist es zudem ausreichend, den fremdenrechtlichen Handlungsspielraum des Gesetzgebers auf die materiellen Rechte zu beschränken. 264 Zu bedenken ist auch, daß die Feststellung von Gegenseitigkeit schon im Hinblick auf die Geltung materieller Rechtspositionen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese steigern sich um so mehr als Verfahrensrechte betroffen sind. Zu fragen wäre insofern nämlich, ob dem Erfordernis der Gegenseitigkeit bereits dann genüge getan ist, wenn inländischen juristischen Personen im Ausland überhaupt Rechtsschutz zukommt oder ob es erforderlich ist, daß dieser eine bestimmte Qualität erreicht, wobei die Festlegung eines solchen Maßstabs kaum möglich wäre. 265 Der Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG ist damit weder im Hinblick auf die fehlende inländergleiche Gewaltunterworfenheit ausländischer juristischer 261 V. Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 51; Pieroth/Schlink, Rn. 162; Rüfner, in: HbStR, § 116 Rn. 58. 262 Vgl. Bethge; Grundrechtsberechtigung, S. 50; Meessen, JZ 1970, 602 (605); v. Mutius, Jura 1983, 30 (36). 263 Wemer, S. 79. 264 Papier weist zudem darauf hin, daß Art. 19 Abs. 4 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthalte, womit es nicht zulässig sei, das Klagerecht eines Ausländers von der VerbÜJ'gung von Gegenseitigkeit abhängig zu machen, Papier, in: HbStR, § 154 Rn. 19. 265 Siehe dazu auch unten zum einfachen Recht § 7 IV. l. g) cc) (3) (b). 14 Feldmüller

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§ 7 Klagebefugnis

Personen noch im Hinblick auf die Erhaltung eines fremdenrechtlichen Aktionsspielraums zur Durchsetzung von Gegenseitigkeit auf Art. 19 Abs. 4 GG zu übertragen. Die Auslandseigenschaft juristischer Personen steht einer Berechtigung aus Art. 19 Abs. 4 GG demnach nicht entgegen.

dd) Kein Ausschluß ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts Dies gilt nicht nur für ausländische juristische Personen des Privat-, sondern auch für solche des öffentlichen Rechts. Bei letzteren steht jedoch zu bedenken, daß diesen die materielle Grundrechtsfähigkeit nicht nur aufgrund ihrer Auslandseigenschaft verweigert wird, sondern diese dem Wesen der Grundrechte nach zumindest auch dann ausgeschlossen ist, wenn keine "grundrechtstypische" Gefährdung vorliegt. Inwieweit gleiches im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt, ist allerdings zweifelhaft. Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts sind innerstaatlichen Rechtseingriffen zumindest faktisch ebenso unbeschränkt unterworfen wie alle sonstigen Rechtssubjekte. Auch wenn ihnen wie mit dem Grundsatz der Staatenimmunität besondere Rechte zustehen, die sie der deutschen Jurisdiktion entziehen und die von sich aus Geltung erlangen, benötigen auch sie ein rechtliches Instrumentarium, welches ihnen bei der tatsächlichen Durchsetzung bestehender Rechte hilft. 266 Dies gilt auch in bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG. Die Regelung des Art. 19 Abs. 4 GG manifestiert den gerichtlichen Rechtsschutz als verfassungsrechtliches Grundprinzip, das jedem zusteht, der Träger "subjektiver" Rechte sein kann. Insoweit ist Art. 19 Abs. 4 GG dahingehend zu verstehen, daß diese Norm als prozessuales Recht der verfahrensrechtlichen Absicherung der Rechte aller Gewaltunterworfenen dient, ohne daß es auf die Fähigkeit, Grundrechtsträger zu sein, ankäme. Einer solchen Sichtweise kann nicht entgegengehalten werden, daß sie die innere Verbindung von Art. 19 Abs. 4 GG und den sonstigen Grundrechten vernachlässige. 267 Daß die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG eine Sonderstellung einnehmen, soll nicht bestritten werden. Die Grundrechtsfähigkeit ist aber kein Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift. Die Funktion der Rechtsweggarantie geht über die reine Grundrechtssicherung hinaus und beschreibt das grundsätzliche Verhältnis von Staat und Gewaltunterworfenem. Jedem gewaltunterworfenem Rechtssubjekt steht das Recht zur Abwehr rechtswidriger Eingriffe der öffent266

Vgl. insoweit auch zum Gewaltmonopol des Staates und Art. 19 Abs.4 GG

Schulze-Fielitz, in: Dreier Art. 19 Rn. 26. 267 So Krebs, in: v. MünchIKunig, Art. 19 Rn. 51.

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lichen Gewalt ZU. 268 Eine Beschränkung ähnlich der des Art. 19 Abs. 3 GG besteht insoweit nicht. Dies gilt auch für ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Sofern eine tatsächliche Gewaltunterworfenheit unter die inländische öffentliche Gewalt besteht, rechtfertigt diese eine vollständige verfahrensrechtliche Gleichbehandlung. Gleiches ist dann anzunehmen, wenn dem betroffenen Rechtssubjekt gegebenenfalls völkerrechtliche Sonderrechte oder Rechtswege zur Verfügung stehen. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ist davon nicht betroffen. Eine solche Auslegung steht zudem im Einklang mit der ganz überwiegenden Auffassung zum personalen Schutzbereich der Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG. Hier wie dort wird die tatsächliche Gewaltunterworfenheit zum (prozeß-) rechtskonstituierenden Merkmal. 269 Soweit damit die Einbeziehung jeglicher gewaltunterworfener Rechtspersonen in den Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Verfahrensrechte aus rechtsstaatlichen Gründen gefordert wird, gilt dies gleichermaßen auch für Art. 19 Abs. 4 GG. 270 Der Berechtigung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG kann weiterhin nicht entgegengehalten werden, daß es aufgrund der engen Verzahnung von materiellem und prozessualem Recht wenig sinnvoll sei, bei fehlendem Grundrechtsschutz die Rechte des Art. 19 Abs. 4 GG einzuräumen?7) Wenn nämlich Art. 19 Abs. 4 GG seinen sachlichen Schutzbereich auf alle "subjektiven" Rechte ausdehnt, besteht insoweit die Möglichkeit, das Bestehen dieser Rechte feststellen zu lassen und rechtswidrige Eingriffe abzuwehren. Es ist diesbezüglich nicht begründbar, warum die Trägerschaft dieses Rechts zwingend mit der Grundrechtsfähigkeit verbunden sein soll. Soweit die Eingriffsmöglichkeit der öffentlichen Gewalt reicht, soweit müssen auch die entsprechenden Abwehrrechte gehen. Jedem, dem wehrfähige Rechte gegen die öffentliche Gewalt zustehen, steht der Rechtsweg offen. Eine Reduktion der personalen Berechtigung auf Grundrechtsträger widerspräche diesem Gedanken. Dies gilt um so mehr, als auch Rechtssubjekte, die keinen materiellen Grundrechtsschutz genießen, an allgemeinen verfassungsrechtlichen Garantien teilhaben können. 272 Insoweit ist auch der Hinweis auf die Rechtsschutznormen des einfachen Rechts verfehlt. Es ist zwar zutreffend, daß diese Nor268 Vgl. Schmidt-BleibtreuiKLein, Art. 19 Rn. 23. Siehe auch MaunziZippelinus, § 13 ill7. 269 Vgl. Schmidt-BLeibtreuiKLein, Art. 19 Rn. 23. 270 Vgl. Borchardt, in: Grabitz, S. 152 (S. 140); s. insoweit auch Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 25; Isensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; Stern, IIIIl S. 1147. 271 So im Hinblick auf die Berechtigwtg inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 33. 272 Vgl. BLeckmann, Staatsrecht, S. 146; Stern, IIIIl S. 1147.

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§ 7 Klagebefugnis

men allen Rechtssubjekten unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit oder Grundrechtsfähigkeit zustehen und im Regelfall ausreichenden Schutz bieten, dies macht die Verankerung der Rechtsschutzgarantie im Grundgesetz jedoch nicht überflüssig. Nur durch sie läßt sich eine Grundsicherung bestehender Rechte erreichen. Ein Ausschluß ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts läßt sich letztlich auch nicht unter Hinweis auf die Rechtsstellung inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts rechtfertigen. Wie an anderer Stelle bereits dargestellt, stehen ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts im Gegensatz zu vergleichbaren inländischen Rechtssubjekten in einer bürgergleichen Distanz zur öffentlichen Gewalt. Sie stehen dieser rechtlich unverbunden gegenüber, es fehlt eine Einheit von Grundrechtsverpflichtung und Grundrechtsberechtigung. 273 Festzustellen ist damit, daß ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht vom personalen Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG ausgenommen sind. ee) Rechte i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG Soweit man mit der vorangegangenen Argumentation die Berechtigung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts bejaht, muß der Frage nachgegangen werden, inwieweit diesen Rechte i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG zustehen können. Nach allgemeiner Auffassung kommt Art. 19 Abs. 4 GG nur zum Tragen, wo dem Betroffenen "subjektive" Rechte zustehen. 274 Als "subjektives" Recht wird mit unterschiedlichen Formulierungen jede Rechtsposition angesehen, die dem Betroffenen zur eigenen Wahrnehmung zugeordnet ist. Zur näheren Bestimmung der individuellen Berechtigung wird überwiegend auf die sog.

273 Es kann daher offengelassen werden, ob die Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG auch inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zustehen. Bei diesen dürfte jedoch stets zu bedenken sein, ob diese der öffentlichen Gewalt tatsächlich unterworfen oder lediglich untergeordneter Teil dieser sind. (Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 23.) Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ebenso wie das einzelne materielle Grundrecht nur vor dem Staat, nicht aber den Staat schützt. (Vgl. dazu Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 32.) Diese Feststellung berührt die Berechtigung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts jedenfalls nicht. 274 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pierotb, Art. 19 Rn. 21; Kriiger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 126; Papier, in: HbStR, § 154 Rn. 39; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 19 Rn. 23; Schulze-Fielitz, in: Dreier Art. 19 Rn. 43; Stern, III/l S. 1440.

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"Schutznonntheorie" abgestellt,275 wonach dem Betroffenen ein "subjektives" Recht zusteht, wenn die einschlägige Norm dessen Schutz zu dienen bestimmt ist. 276 "Subjektive" Rechte können sich danach außer aus den Grundrechten insbesondere aus einfachgesetzlichen Normen des öffentlichen Rechts277 sowie verwaltungsrechtlichen Sonderbeziehungen ergeben. 278 Die Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen einfachgesetzlichen Normen subjektive Berechtigungen zu entnehmen sind, obliegt dabei dem Gesetzgeber. 279 Auch allgemeine Regeln des Völkerrechts müssen aufgrund ihrer Geltung im Inland als Rechte i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG angesehen werden, soweit sie individuelle Berechtigungen enthalten. 280 Insoweit bestehen im. Hinblick auf die Rechte ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts keine Besonderheiten. Über diese Anforderungen hinaus und in Abgrenzung zu den öffentlichen Rechten i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO wird teilweise darauf hingewiesen, daß ein Recht i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG ein "spezifisch personales Element" beinhalten müsse. 281 Ein solches Element fehle dort, wo Rechte verselbständigter staatlicher Verwaltungsträger einschließlich der Selbstverwaltungskörperschaften betroffen seien. Deren Rechte fielen nicht in den Schutzbereich der Rechtsweggarantie. Hergeleitet wird dieses "personale Element" aus der Funktion des Art. 19 Abs. 4 GG als "Bastion des Bürgerschutzes".282 SchrnidtAßmann versteht die im "subjektiven" Recht angelegte Personalität "als Ausprägung des grundgesetzlichen Menschenbildes, daß den einzelnen im status negativus, positivus und activus als freies, eigenverantwortliches Wesen ansieht.,,283 Personalität stehe gegen die Vereinnahmung des einzelnen für staatliche Zwecke. 284 Eine solche Sichtweise ist Ausprägung der grundsätzlichen Trennung von Bürger und Staat im Gesellschaftssystem. Das "subjektive" 275 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 21; Krüger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 128; Schulze-Fielitz, in: Dreier Art. 19 Abs. 4 Rn. 44; zur näheren Diskussion wn die "Schutznonntheorie" vgl. oben § 7 I. 276 Darüber hinausgehend Wassermann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 27: ,,Der Begriff der ,Rechte' ist im Interesse der Gewährleistung lückenlosen Rechtsschutzes weit zu fassen und nicht etwa auf Gnmdrechte oder subjektive Rechte zu beschränken. Es genügt deshalb, daß eine rechtliche Position des Klägers beeinträchtigt wird." 277 Zu zivilrechtlichen Rechtspositionen vgl. Papier, in: HbStR, § 154 Rn. 1; Pieroth/Schlink, Rn. lIDO; Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 19 Rn. 23. 278 Vgl. Krüger, in: Sachs, Art. 19 Rn. 127. 279 BVerfGE 78, 214 (226); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 21; SchulzeFielitz, in: Dreier Art. 19 Abs. 4 Rn. 45. 280 Zwn Völkerrecht vgl. oben § 7 II. 2. 281 Schmidt-Aßmann, in: MaunzfDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 147. 282 Schmidt-Aßmann, in: MaunzfDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 147. 283 Schmidt-Aßmann, in: MaunzfDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 117. 284 Schmidt-Aßmann, in: MaunzfDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 117.

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§ 7 Klagebefugnis

Recht soll diese Trennung tragen, indem es die Rechtsschutzgarantie dem Bürger als Mittel zur Wahrung der Distanz zum Staat vorbehält. Eine derartige Konzentration der ..subjektiven" Rechte auf das Verhältnis von Bürger und Staat müßte zwingend dazu fiihren, daß die Rechte ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht in den Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG fielen. Es ist jedoch zu bedenken, daß diese Rechtssubjekte dem Staat in gleicher Weise als freies und eigenverantwortliches Rechtssubjekt gegenüberstehen wie der einzelne Bürger. Auch sie müssen ihre Rechte gegen staatliche Übergriffe verteidigen. Ihnen kommt eine insoweit bürgerähnliche ..Personaliät" zu. Soweit das Element der ..Personalität" bei rein binnenstaatlich orientierter Betrachtungsweise der Abgrenzung von Rechten des einzelnen und Rechten des Staates dient, mag es als Differenzierungsmerkmal vertretbar sein. Es fiihrt aber nicht zum Ausschluß des Schutzes der Rechte ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Verwehrte man ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts den Schutz ihrer Rechte aufgrund des Erfordernisses einer restriktiv verstandenen Personalität, würde man den Elementen der bürgergleichen (faktischen) Gewaltunterworfenheit und rechtlichen Distanz zur öffentlichen Gewalt nicht hinreichend Rechnung tragen. Eine solche Auslegung wäre mit dem Anspruch des Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Soweit Art. 19 Abs. 4 GG, wie gezeigt, dem Schutz aller Gewaltunterworfenen dient, muß diese Zielsetzung auch bei der Bestimmung der geschützten Rechte Beachtung finden. Das Erfordernis eines .. personalen Elements", verstanden als Beschränkung auf den Schutz der Rechte des einzelnen Bürgers, käme einer Reduktion auf die Berechtigung zugunsten von Grundrechtsträgern gleich, die mit dem Sinn und Zweck von Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar ist. Rechte i. S. von Art. 19 Abs. 4 GG sind demnach alle Rechtspositionen, die dem Adressaten eine individuelle Berechtigung zuweisen. Dies gilt auch zugunsten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Soweit diesen ..eigene" Rechte" zustehen, sind jene Rechtspositionen von Art. 19 Abs. 4 GG umfaßt. 285

3. Art. 28 Abs. 2 GG Als ein weiteres verfassungsrechtliches Recht, aus dem sich Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO herleiten lassen, kommt das in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden in Betracht. 286 Dieses in der Pra-

285 Vgl. zum ausländischen öffentlichen Recht und Art. 19 Abs. 4 GG auch unten § 7 VI. 5. a) aa). 286 Vgl. Hufen, § 14 Rn. 133 ff.; Kopp, § 42 Rn. 95; Schenke, Rn. 498 a; s. auch Schmidt-Aßmann, in: ders., BesVerwR, l. Abschn. Rn. 24; zum Streit um Art. 28

m. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

215

xis wichtigste287 Körperschaftsrecht gewährleistet den Gemeinden die eigenverantwortliche Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Sinn und Zweck der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie sind die dezentrale Regelung örtlich begrenzter Angelegenheiten und die eigenverantwortliche Erfüllung staatlicher Aufgaben. Als konkrete Ausprägung dieses Grundsatzes und als zu beachtende Rechtsposition kommt insbesondere der kommunalen Planungshoheit besondere Bedeutung ZU. 288 Ausländische Gemeinden können sich nicht auf das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG berufen. Art. 28 GG ist eine Norm deutschen Staatsaufbaus, 289 die den Gemeinden innerstaatliche Kompetenzen zuweist. Aus dieser Kompetenz zur Selbstverwaltung können zwar "subjektive" Rechte erwachsen, diese setzen jedoch die Integration der Gemeinden in die Organisation des Staates voraus. 29O Man könnte auch formulieren, daß sich der Schutzbereich dieser Rechtsnorm auf den personalen Bereich der innerstaatlichen Gebietskörperschaften beschränkt. Eine Erweiterung dieses Schutzes zugunsten ausländischer Gemeinden kommt nicht in Betracht.

4. Probleme und Konsequenzen fehlender materieller Grundrechtsfähigkeit im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO Soweit zuvor die Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts erörtert wurde, stellt sich nun die Frage, welche Probleme und Konsequenzen sich aus dem weitgehenden Fehlen des materiellen Grundrechtsschutzes zugunsten dieser Rechtssubjekte ergeben. a) Auswirkungen auf den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz

Nach ganz überwiegender Auffassung hat die weitgehend fehlende Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen keine unmittelbaren Auswirkungen auf die formelle und materielle Rechtslage nach einfachem Recht. 291 Wie oben bereits angesprochen, ist die Grundrechtsfahigkeit weder Abs. 2 GG und die darin enthaltene Gewährung eines subjektiven Rechts s. Maurer, § 23 Rn. 6; s. dazu auch Roters, in: v. MtlnchIKunig, Art. 28 Rn. 33. 287 Hufen, § 14 Rn. 133. 288 Vgl. Hufen, § 14 Rn. 137; Schenke, Rn.498 a; Wahl/Schütz, in: Schoch! Schmidt-AßmannlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 270 ff. 289 Schmidt-Aßmann, in: ders., BesVerwR, 1. Abschn. Rn. 24. 290 Vgl. Pieroth, in: JarassIPieroth, Art. 28 Rn. 5. 291 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht, S. 147; lsensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; Meessen, JZ 1970,602 (603); Rüfoer, in: HbStR, § 116 Rn. 59; ders., AöR 89 (1964), 261 (277).

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§ 7 Klagebefugnis

Voraussetzung, um Träger subjektiv-öffentlicher Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 GG sein zu können,292 noch hat der (einfache) Gesetzgeber im materiellen Verwaltungsrecht (wie auch weitgehend in allen anderen Rechtsgebieten) von der ihm verfassungsrechtlich eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen gesondert zu regeln. Vielmehr sind diese inländischen Rechtssubjekten weitestgehend gleichgestellt. Diese Feststellungen alleine dürfen jedoch nicht zu dem Schluß führen, daß sich aus der fehlenden Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen keinerlei Konsequenzen im Hinblick auf ihre materiellrechtliche Stellung im Verwaltungsprozeß ergeben können. Fraglich ist vielmehr, inwieweit sich diese Rechtspersonen auf Gewährleistungen berufen können, deren Herleitung unmittelbar aus der Verfassung folgt. Als Beispiele sollen nachfolgend drei Konstellationen untersucht werden. Erstens: Können sich ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts auf die allgemeinen rechtsstaatlichen Garantien, wie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Rechtsgebundenheit der Verwaltung oder das Bestimmtheitsgebot berufen? Zweitens: Stehen ihnen Ansprüche aus Rechtsinstituten wie dem Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) oder dem Enteignungsrecht zu, soweit deren Grundlage verfassungsrechtlich begründet wird? Drittens: Wie stellt sich die Rechtslage ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts in Fällen dar, in denen in der innerstaatlichen Praxis, wie bspw. im öffentlichen Baunachbarrecht, unmittelbar auf den Schutz der Grundrechte zurückgegriffen wird?

b) Die rechtsstaatlichen Garantien und der sog. "mittelbare" Grundrechtsschutz

Die Frage, inwieweit sich auch nicht grundrechtsfähige ausländische juristische Personen auf die rechtsstaatlichen Garantien berufen können, ist wenig umstritten. In der Lehre wird insoweit regelmäßig darauf hingewiesen, daß die grundlegenden Gehalte der Rechtsstaatlichkeit auch diesen Rechtssubjekten gegenüber nicht mißachtet werden dürften. 293 So könnten sich auch ausländische juristische Personen auf den generellen Gesetzesvorbehalt berufen, wonach belastende Eingriffe der öffentlichen Gewalt stets einer rechtmäßigen rechtlichen Grundlage bedürfen. 294 Dieser Grundsatz folge aus dem allgemeiVgl. auch Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 43. Vgl. Dreier, in: ders., Art. 19 Abs. 3 Rn. 35; lsensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; Meessen, JZ 1970,602 (603); Rüfner, in: HbStR, § 116 Rn. 59; Schmidt, S. 172; Steinbrack, S. 44 f.; Stern, Illll S. 1147. 294 Vgl. Bleckmann, Staatsrecht, S. 146; lsensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; Meessen, JZ 1970, 602 (603); Schmidt, S. 172; Steinbrack, S. 44. 292

293

III. Gnmdrechtsschutz wtd sonstige Verfasswtgsrechte

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nen Rechtsstaatsprinzip, und daher sei bei allen "Eingriffen in Recht und Freiheit - nicht notwendig in einzelne Grundrechte - [00'] ein Gesetz erforderlich.,,295 Ebenso gälten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,296 das Prinzip der Rechtsgebundenheit der Verwaltung oder das Bestimmtheitsgebot zugunsten aller Rechtssubjekte. 297 Diese Gewährleistung der rechtsstaatlichen Grundsätze wird teilweise als "mittelbarer" Grundrechtsschutz zugunsten ausländischer juristischer Personen bezeichnet. Auch diese Rechtssubjekte stünden unter dem Schutz der grundrechtlich gebundenen Rechtsordnung und hätten dadurch Anteil an den grundrechtlichen Gewährleistungen. 298 Infolgedessen sei es auch möglich, daß ausländische juristische Personen im Verwaltungsprozeß die Nichtigkeit einer auf sie anwendbaren gesetzlichen Regelung aufgrund eines Grundrechtsverstoßes lÜgen könnten, ohne selbst Inhaber dieses Rechts zu sein. 299 Verstieße ein Gesetz nämlich tatsächlich gegen ein Grundrecht, so sei es, unabhängig von der Frage, ob es gerade dem Kläger zustehe, nach Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht als nichtig anzusehen. Dadurch wiederum fehle dem angegriffenen Hoheitsakt die rechtliche Grundlage und es liege ein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes vor. Insgesamt seien ausländische juristische Personen "ganz so zu stellen, als ob sie sich auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen könnten.,,3oo Insbesondere die letzte Schlußfolgerung hat insoweit Kritik erfahren, als das Abstellen auf Art. 2 Abs. 1 GG als eine materielle Grundrechtsberechtigung verstanden wurde. So stellt Isensee fest, daß die Funktion des Art. 2 Abs. 1 GG lediglich darin bestehe "die Lücken im System der subjektiven Rechte zu rollen, nicht aber darin, auch die Grenzen des grundrechtlichen Geltungsbereichs aufzuheben und materiale Entscheidungen des Verfassunggebers zu korrigieren."301 Jedoch räumt auch er ein, daß ausländische juristische Personen nicht rechtlos seien, sondern vielmehr den Schutz des Rechtsstaats genössen. Die Beurteilung, inwieweit ausländischen juristischen Personen "mittelbarer" Grundrechtsschutz zukommt, kann nur zutreffend erfolgen, wenn man die beiden grundlegenden Elemente verwaltungsgerichtlichen Schutzes konse295 Bleckmann,

Staatsrecht, S. 146. Stern, III/l S. 1147. 297 Bleckmann, Staatsrecht, S. 146; Schmidt, S. 178 f.; s. auch Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 38. 298 Vgl. RUfner, in: HbStR, § 116 Rn. 59; weitergehend ders., AöR 89 (1964), 261 (277); zu Fragen des Enteignwtgsrechts BGHZ 76,375 (383 fT.). 299 Vgl. RUfner AöR 89 (1964), 262 (277); zustimmend Steinbrack, S. 46. 300 Bleckmann, Staatsrecht, S. 146; diese FonnuliefWlg aufgreifend Stern, III/l S. 1147. 301 Isensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47. 296

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§ 7 Klagebefugnis

quent auseinanderhält. Eine verwaltungsgerichtliche Klage kann nur dann Erfolg haben, wenn zum einen der angegriffene Hoheitsakt rechtswidrig und zum anderen der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der oben dargestellte Ansatz zum "mittelbaren" Grundrechtsschutz kann sich zunächst nur auf die Rechtswidrigkeit staatlichen Handeins beziehen. In diesem Zusammenhang ist ihm insoweit zuzustimmen, als die rechtsstaatlichen Grundsätze für jedes staatliche Handeln gelten und nicht nur Grundrechtsträgem gegenüber Anwendung finden. Sie wirken vielmehr zugunsten aller von der deutschen Hoheitsgewalt Betroffenen und damit auch zugunsten ausländischer juristischer Personen. Dies betriffi: sowohl juristische Personen des Privat- wie des öffentlichen Rechts und ist letztlich nur die konsequente Folge der Einbindung dieser ausländischen Rechtssubjekte in die innerstaatliche Rechtsordnung. Verstößt demnach ein inländischer Hoheitsträger gegen elementare Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, folgt daraus, ohne Ansehen der betroffenen Person, zwingend die Rechtswidrigkeit seines Handeins. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß diese Feststellung zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Handlung noch keine Rückschlüsse auf eine etwaige Rechtsverletzung zuläßt. Eine solche setzt vielmehr das Bestehen eines Rechts i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO voraus. Soweit entsprechende subjektive (Verfassungs-) Rechte fehlen, erscheint es überaus fraglich, inwieweit sich ausländische juristische Personen auf den "mittelbaren" Schutz der Grundrechte berufen können. Der Hinweis auf die Grundsätze des Rechtsstaats kann insoweit nicht zu der Begründung öffentlicher Rechte zugunsten ausländischer juristischer Personen führen. Zum einen gewähren diese nur im Rahmen sonstiger Regelungen (wie Art. 2 Abs. 1 GG) selbständig klagbare Rechte,302 zum anderen sind sie ihrem Inhalt nach nicht geeignet, materielle Rechtspositionen zu gewährleisten. Die Feststellung, daß ausländische juristische Personen so zu stellen seien, als ob sie sich auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen könnten, kann demnach nicht zur Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO dienen. Festzustellen bleibt damit, daß sich auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts ebenso wie jedes sonstige Rechtssubjekt auf die grundlegenden rechtsstaatlichen Garantien berufen können. Subjektivöffentliche Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO folgen daraus aber nicht. c) Venvaltungs- und verfassungsrechtliche Rechtsinstitute

Soweit sich ausländische juristische Personen, auch des öffentlichen Rechts, in der Bundesrepublik betätigen, stellt sich die Frage, inwieweit ihnen An302

Vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 20 Rn. 21.

III. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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sprüche auf Ersatzleistungen zustehen, wenn sie durch das Handeln eines deutschen Hoheitsträgers Nachteile erleiden. Zu klären ist bspw., ob ausländischen juristischen Personen ein Anspruch auf Folgenbeseitigung zusteht oder ihnen aufgrund der enteignungsrechtlichen Haftungsinstitute Schadensersatz zu leisten ist. Daß auch ausländischen juristischen Personen die Ansprüche aus den Haftungsinstituten des deutschen Rechts zukommen, wird, soweit ersichtlich, nicht bestritten. Probleme bestehen aber insoweit, als diese Rechtsinstitute aus den Grundrechten hergeleitet werden. 303 Ist eine ausländische juristische Person nämlich nicht grundrechtsfähig, so muß geklärt werden, ob und gegebenenfalls mit welcher Begründung ihr dennoch Ansprüche aufgrund der grundrechtlich begründeten Rechtsinstitute zustehen können. Um eine tragfähige Begründung der Anwendung des Haftungsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs zugunsten einer ausländischen juristischen Person (des Privatrechts) hat sich im Jahr 1980 der BGH bemüht. 304 Grundlage der Entscheidung des Gerichts war die Erkenntnis, daß der in der Rechtsprechung entwickelte Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs, trotz seiner Herleitung aus Art. 14 GG,305 nicht alleine der Verfassungsebene zuzuordnen sei, sondern seine Ausgestaltung nach Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen auf der Ebene des einfachen Rechts liege. 306 Der BGH trennt damit die verfassungsrechtliche Grundlage des anspruchsbegründenden Rechtsinstituts von seiner Anwendung und ordnet letztere dem einfachen Recht zu mit der Folge, daß die Grundrechtsfähigkeit des AnspruchssteIlers insoweit unbeachtlich ist. Diese Auffassung des BGH hat in der Lehre zu Recht Zustimmung gefunden. 307 Dabei geht es allerdings nicht um die Herleitung des Haftungsinstituts, sondern um die Trennung von Entstehung und Anwendung. Soweit Rechtsinstitute, wie der enteignungsgleiche Eingriff, maßgeblich auf der Ebene des einfachen Rechts angewendet werden, sind sie als solche von ihrer Grundlage in einer Weise abstrahiert, daß die durch sie begründeten Gewährleistungen auch nicht grundrechtsfähigen Rechtssubjekten zustehen können. Auf der Ebene des einfachen Rechts spielt die Grundrechtsfähigkeit insoweit keine Rolle mehr. Dies gilt auch und in besonderem Maße fiir den Folgenbeseitigungsanspruch. Dieser muß längst als selbständiges Institut des Verwaltungsrechts angesehen werden, dessen Ge303 Vgl. zur Herleitung des FBA aus den Freiheitsgrundrechten Schoch Jura 1993, 478 (481); allg. dazu auch WolfflBachofiStober, § 52 Rn. 15 f.; zur Herleitung der enteigmmgsrechtlichen Institute ffi. w. N. Ehlers, VVDStLR 51 (1992),211 (243); Maurer, § 26 Rn. 87; s. auch PierothiSchlink, Rn. 1020. 304 BGHZ 76, 375. 305 Die Entscheidung des BGH erging vor der sog. Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 14 GG, s. BVerfGE 58, 300. 306 BGHZ 76, 375 (384). 307 Vgl. Groß/eid, S. 317 f.; Papier, in: MaunzlDürig, Art. 14 Rn. 216.

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§ 7 Klagebefugnis

währleistungen auch den nicht grundrechtsberechtigten juristischen Personen des ausländischen Rechts zukommen. 308 d) Zum unmittelbaren Rilckgriff auf die Grundrechte im Verwaltungsprozeß

Die letzte Fallkonstellation betrifft die Frage nach der Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts in Fällen, in denen eine zur Klage befugende Rechtsbeeinträchtigung zugunsten inländischer Rechtssubjekte unmittelbar aus einer Grundrechtsposition hergeleitet wird. 309 Als Beispiel hierfür soll nachfolgend das öffentliche Baunachbarrecht dienen. Wenngleich zwar aufgrund der Regelungsdichte im öffentlichen Baurecht grundsätzlich zweüelhaft erscheint, ob insoweit tatsächlich genügend Raum bleibt, um zur Begründung nachbarschützender Rechtspositionen auf Art. 14 GG zurückzugreüen, wird dennoch in der Praxis vielfach die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für zutreffend erachtet, wonach es einem Nachbarn beim Fehlen einfachgesetzlicher Schutznonnen möglich ist, sich unmittelbar auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie zu berufen, soweit eine schwere und unerträgliche Beeinträchtigung vorliegt.3lO Geht man mit dieser Ansicht davon aus, daß Art. 14 GG im öffentlichen Baunachbarrecht dazu geeignet ist, ein subjektiv-öffentliches Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zu begründen, so ist festzustellen, daß dieser Schutz nur zugunsten natürlicher und inländischer juristischer Personen (des Privatrechts) gilt. Ausländische juristische Personen dagegen sind aufgrund der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG nicht grundrechtsfähig und können sich daher auch als Nachbarn nicht unmittelbar auf Art. 14 GG berufen. Infolge der fehlenden Grundrechtsfähigkeit entsteht eine Regelungslücke zu Lasten ausländischer juristischer Personen. Der Grund für diese Regelungslücke liegt in einer fehlenden umfassenden Gewährleistung öffentlicher Rechte auf einfachgesetzlicher Ebene. Der Gesetzgeber behandelt ausländische juristische Personen auf dieser Ebene des Rechts weitgehend inländergleich, ohne bestehende Rechtspositionen entsprechend umfassend zu sichern. So ist es gerade im Baurecht unzweüelhaft, daß ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts als Eigentümer eines Grundstücks den Vorschriften des Baugesetzbuches unterliegen und an die 308 Zur Frage der Anwendung des FBA zugunsten inländischer juristischer Personen s. Schoch Jura 1993,478 (481). 309 Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Grundrechte s. oben Fußnote zu § 7 III. 310 Vgl. dazu BVerwGE 32, 173 (178 f.); E 52, 122 (124 (); Kopp, § 42 Rn. 64; Maurer, § 8 Rn. 10 ff.; Schenke, Rn. 517; Schmitt Glaerser, Rn. 163; kritisch ZU Recht Ehlers, VVStRL 51 (1992), 211 (214); ebenso kritisch auch FinkelnburgiOrtloff, S. 202 f

ill. Grundrechtsschutz und sonstige Verfassungsrechte

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Pflichten eines Eigentümers gebunden sind,311 es findet sich aber keine Nonn des einfachen Rechts, die dieses als selbstverständlich vorausgesetzte Eigentum gewährleistet. Anders verhält sich die Situation bspw. im Zivilrecht. Der zivilrechtliche Eigentumserwerb richtet sich nach den Nonnen des BGB. Diese wiederum wenden sich an alle rechtsfähigen Rechtssubjekte. Zu diesen gehören auch die juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts. Anders als das öffentliche Recht nonniert das Zivilrecht damit seine rechtliche Basis selbst und bezieht ausländische juristische Personen umfassend in die Rechtsordnung ein. Es kommt insoweit ohne Rückgriff auf das Verfassungsrecht aus. 3\2 Eben diese vollständige rechtliche Integration ohne Rückgriff auf das Verfassungsrecht fehlt im Bereich des öffentlichen Rechts. Dieses greift auch in seiner Eigenschaft als einfaches Recht auf die Nonnen des Verfassungsrechts zUJÜck, womit sich die verfassungsrechtliche Entscheidung zugunsten der Wahrung eines "fremdenrechtlichen Handlungsspielraumes" im einfachen Recht als "fremdenrechtliche Regelungslücke" auswirkt. Mit anderen Worten, der öffentlich-rechtliche Gesetzgeber hat die ausländischen juristischen Personen in die innerstaatliche Rechtsordnung integriert, ohne den ihm eröffneten Handlungsspielraum hinreichend auszufüllen. Gemildert wird dieser Umstand dadurch, daß die Regelungsdichte des einfachen öffentlichen Rechts derart hoch ist, daß es nur in Ausnahmefällen des Rückgriffs auf die Nonnen des Verfassungsrechts bedarf. Viele Vorschriften des einfachen Rechts gewährleisten von sich aus öffentliche Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO, die den ausländischen juristischen Personen tatsächlich eine inländergleiche Rechtsstellung einräumen. Soweit dies nicht der Fall ist, wird zur Schließung der bestehenden Lücke vielfach auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sowie die Regelungen bi- oder multilateraler Abkommen hingewiesen.3\3 Erwähnung findet insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention. 314 Nach Art. 1 Abs. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK315 hat jede natürliche und juristische Person das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Diese Regelung hat in der Bundesrepublik den Rang eines einfachen Gesetzes. Ein solcher Rückgriff auf internationale Abkommen findet sich auch in der Rechtsprechung. So hat der Siehe dazu oben § 2 II. l. a) aa). 312 Zur Grundlage der zivilen Rechtsordnung für die Gewährleistungen des Art. 14 3\1

GG vgl. Ehlers, VVDStLR 51 (1992),211 (214 f.). 3\3 Vgl. so schon Weber, in: NeumannlNipperdey/Scheuner, S. 361 f.; ffi. W. N. zu den relevanten Abkommen Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 215; vgl. auch Kimminieh, in: BK, Art. 14 Rn. 111. 314 BGBL 1952 II S. 685. 315 BGBL 1956 II S. 879.

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§ 7 Klagebefugnis

BGH im Rahmen der oben bereits erörterten Entscheidung bezüglich einer enteignungsrechtlichen Streitigkeit einer US-amerikanischen juristischen Person (des Privatrechts) einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zugesprochen, obwohl dieser kein Eigentumsrecht aus Art. 14 GG zusteht. 316 Das Gericht hat insoweit u.a. auf ein bilaterales Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den USA abgestellt, wonach ausländischen juristischen Personen des Privatrechts das Eigentum gewährleistet wird. Infolge dieses Abkommens sah das Gericht dieses Recht als ausreichend an, um der ausländischen juristischen Person einen Entschädigungsanspruch zu gewähren. Ein solcher Rückgriff auf internationale Abkommen ist zwar durchaus möglich, hilft aber im Hinblick auf die RechtssteIlung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts kaum weiter, da diese von den vertraglichen Gewährleistungen regelmäßig nicht erfaßt werden. 317 Eine Lösung der bestehenden Problemlage muß demnach auf der Ebene des einfachen Rechts gefunden werden. In der Lehre finden sich zwei Ansätze, mittels derer die bestehende Regelungslücke geschlossen werden könnte. Als erstes ist die Auffassung Dürigs im Hinblick auf die Rechtsstellung inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts zu nennen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur unmittelbaren Anwendung des Art. 14 GG im Baunachbarrecht stellt er fest, daß kein Grund bestehe, den grundrechtsunfähigen Staat bei der Anwendung des einfachen Gesetzes schlechter zu stellen als den Bürger, also bspw. die Nachbarklage gegen eine rechtswidrige Baugenehmigung dem Nachbarn Staat zu versagen, wenn keine nachbarschützende Norm vorliege, obwohl durch die Genehmigung die Grundstückssituation schwer und unerträglich beeinträchtigt werde. Diese Ansicht kann nur so verstanden werden, daß sich auch der nicht grundrechtsberechtigte Staat auf der Ebene des einfachen Rechts auf die Gewährleistungen des Art. 14 GG berufen kann. Dürig fiihrt insoweit aus: ,,Es geht ja hier auch gar nicht danun, daß [sich] der Staat gegenüber Gesetzen oder Richtersprüchen wunittelbar auf Grundrechte beruft, sondern es steht die Anwendung einfachen Gesetzesrechts in Frage, das [... ] unter dem Grundgesetz immer grundrechtsgeprägt ist. Soweit es wirklich allgemein ist, gilt es in gleicher Weise für Staat und Bürger.,,318

Einen anderen Ansatz, Schutzlücken auf der Ebene des einfachen Rechts zu schließen, verfolgt Wahl. 319 Nach seiner Ansicht ist ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte i. S. des § 42 Abs. 2

316 BGHZ 76, 387. 311 Zum personalen Geltungsbereich der EMRK vgl. FroweinIPeukert, Art. I Rn. 3; Schmidt, S. 177 ff. 318 Dürig, in: MaunzfDürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 56. 319 Vgl. Wahl, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 42 Rn. 80 ff.

ill. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

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VwGO grundsätzlich ausgeschlossen. 32o Bestehende Schutzlücken ("subjektivrechtliche Gesetzeslücken"321) seien im Zweifel durch eine entsprechende Entwicklung des Richterrechts zu schließen. Der Auftrag zur Rechtsfortbildung bzw. zur Rechtsschöpfung folge insoweit allerdings unmittelbar aus den Grundrechten. Zwar richte sich der Subjektivierungsauftrag primär an den einfachen Gesetzgeber, wenn und soweit dieser seiner Verpflichtung aber nicht nachkomme, habe die Rechtsprechung die Anforderungen der Grundrechte umzusetzen. 322 Wenngleich beide Ansätze das vorliegende Problem nicht unmittelbar betreffen. so können sie dennoch verschiedene Lösungswege vorzeichnen. Beiden Ansätzen ist, trotz ihrer erheblichen dogmatischen Differenzen, gemein, daß sie zwischen dem Verfassungs- und dem einfachen öffentlichen Recht unterscheiden und versuchen, Lösungen auf der Ebene des einfachen Rechts zu finden. Daß eine solche Unterscheidung dem Grunde nach zutreffend ist, konnte bereits oben im Hinblick auf die Anwendung verfassungsrechtlich begründeter Rechtsinstitute gezeigt werden. Fraglich ist allerdings, welcher der dargestellten Ansätze geeignet ist, die Regelungslücke zu Lasten ausländischer juristischer Personen zu schließen. Für eine entsprechende, aber auf die Ebene des einfachen Rechts begrenzte Anwendung der Grundrechte spricht, daß sich eine derartige Lösung ohne weiteres in das System des einfachen Rechts integrieren läßt und der unbewußten Regelungslücke durch den einfachen Gesetzgeber insoweit Rechnung trägt, als diese entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Heranziehung der Grundrechte geschlossen werden kann. Fraglich erscheint allerdings, inwieweit eine solche Lösung mit der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG vereinbar ist. Auch wenn die Grundrechte auf der Ebene des einfachen Rechts zur Beseitigung einfachgesetzlicher Regelungslücken herangezogen werden, so stellt sich dennoch weiterhin die Frage, inwieweit ihnen in derartigen Fällen nicht noch immer der Status des übergeordneten Verfassungsrechts zukommt. Alleine wenn die Grundrechte in ihrer "einfachgesetzlichen" Anwendung in einem derartigen Maße von ihrer verfassungsrechtlichen Grundlage abstrahiert wären, wie dies bspw. bei den oben dargestellten Rechtsinstituten der Fall ist, könnten ihre Gewährleistungen auch solchen Rechtssubjekten zustehen, die nicht grundrechtsfahig sind. Eine solche Abstraktion ist jedoch nicht ersichtlich. Trotz der Anwendung der Grundrechte auf der Ebene des einfachen Rechts wahren sie ihren beson-

320 Wahl, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 42 Rn. 54; s. dazu bereits oben Fußnote zu § 7 ill. 321 Wahl, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 42 Rn. 81. 322 Wahl, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, Vorb. § 42 Rn. 83.

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deren verfassungsrechtlichen Status. Ihre Anwendung auf der Ebene des einfachen Rechts erklärt sich gerade aus ihrem besonderen Rang. Die Schaffung subjektiv-öffentlicher Rechtspositionen obliegt primär dem einfachen Gesetzgeber. Erst wenn es an einer einfachgesetzlichen Verankerung subjektivöffentlicher Rechte fehlt, darf und muß aufgrund der Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung auf den hinter und über dem einfachen Gesetz stehenden Verfassungsrechtskreis zurückgegriffen werden. Erst in einem solchen Fall ist zu prüfen, ob die verfassungsrechtliche Wertentscheidung die Verankerung eines solchen Rechts verlangt.323 Die unmittelbare Anwendung der Grundrechte folgt also gerade aus deren Rang als Verfassungsrecht. Zu berücksichtigen ist insoweit dann auch die Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG, die sowohl eine unmittelbare als auch eine analoge Anwendung der Grundrechte ausschließt. 324 Wenngleich sich die Rechtfertigung dieser Regelung primär in der besonderen Situation des Verfassungsrechts findet und durch sie insbesondere dem einfachen Gesetzgeber ein fremdenrechtlicher Handlungsspielraum eröffnet werden soll, von dem dieser bislang kaum Gebrauch gemacht hat, ist diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung auch bei der unmittelbaren Anwendung der Grundrechte auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts zu beachten. Ist nämlich die Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen ausgeschlossen, so fehlt gleichzeitig die Grundlage für einen Rückgriff auf die Grundrechte. Würde man einen solchen Rückgriff dennoch zulassen, so wäre dies zumindest inkonsequent. Soweit eine entsprechende Anwendung der Grundrechte damit aufgrund der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG auch auf der Ebene des einfachen Rechts nicht in Betracht konunt, stellt sich letztlich die Frage, inwieweit eine Lösung der bestehenden Problemlage durch eine Adaption des von Wahl vorgeschlagenen Rückgriffs auf das Richterrecht möglich ist. Denkbar wäre es insoweit, daß eine einfachgesetzliche Regelungslücke zu Lasten ausländischer juristischer Personen von dem zuständigen Richter im Wege der Rechtsfortbildung bzw. Rechtsschöpfung geschlossen wird. 325 Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß der Auftrag zu einer entsprechenden Rechtsfortbildung nicht unmittelbar aus den Anforderungen der Grundrechte abgeleitet werden kann. Sind ausländische juristische Personen nämlich nicht grundrechtsfähig, können die Grundrechte, wie zuvor gezeigt, auch in diesem Zusammenhang nicht

Schmitt Glaeser, Rn. 163. Siehe dazu oben § 7 III. 1 a) bb). 325 Zur Zulässigkeit der richterlichen Rechtsfortbildung vgl. LarenziCanaris, S. 187 t1 323

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llI. Grundrechtsschutz Wld sonstige VerfassWlgsrechte

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zu ihren Gunsten wirken. Der Auftrag an den Richter folgt vielmehr aus der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers, auch ausländische juristische Personen auf der Ebene des einfachen Rechts inländergleich zu behandeln. Soweit infolge dieser Entscheidung, beim gleichzeitigen Fehlen besonderer Regelungen, unbewußte Regelungslücken entstehen, sind diese im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen. Inhaltliche Grundlage der richterlichen Entscheidung sind dabei die grundrechtlichen Gewährleistungen, wie sie inländischen Rechtssubjekten in vergleichbaren Fällen zukommen. Die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG steht einer solchen Rechtsfortbildung, anders als der entsprechenden Anwendung der Grundrechte auf der Ebene des einfachen Rechts, nicht entgegen. Da sie alleine dazu dient, auf verfassungsrechtlicher Ebene einen fremdenrechtlichen Handlungsspielraum zugunsten des einfachen Gesetzgebers zu wahren, besagt sie insoweit zugleich nichts über die Gewährung subjektiver Rechtspositionen auf der Ebene des einfachen Rechts. Greift die Rechtsprechung daher auf die Gewährleistungen der Grundrechte auf der Ebene des einfachen Rechts zurück, spielt die grundsätzliche Beschränkung zugunsten inländischer juristischer Personen keine Rolle mehr. Eine Gleichstellung ausländischer juristischer Personen ist insoweit nämlich Folge der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers, diese Rechtssubjekte inländergleich zu behandeln. Die inhaltliche Grundlage einer Rechtsfortbildung zugunsten ausländischer juristischer Personen bilden, wie bereits angesprochen, die grundrechtlichen Gewährleistungen, wie sie von der Rechtsprechung zur Ergänzung des einfachen Rechts herangezogen werden. Sie allerdings findet ihre Grenze in den grundrechtsimmanenten Beschränkungen. Ist bspw. der personale Schutzbereich eines Grundrechts, wie der des Art. 12 GG, alleine zugunsten deutscher Rechtssubjekte ausgestaltet, so kann diese Beschränkung auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung zugunsten ausländischer juristischer Personen umgangen werden. Entsprechendes gilt, soweit ein Grundrecht seinem Wesen nach nicht auf juristische Personen anwendbar ist. Abschließend ist festzustellen, daß durch den unmittelbaren Rückgriff auf die Grundrechte beim Fehlen ausreichender einfachgesetzlicher Vorschriften auf der Ebene des einfachen Rechts eine Regelungslücke zu Lasten nicht grundrechtsflihiger ausländischer juristischer Personen entsteht. Diese Regelungslücke kann aufgrund der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG nicht durch eine entsprechende Anwendung der Grundrechte geschlossen werden. In Betracht kommt insoweit alleine eine richterrechtliche Rechtsfortbildung, die ihre Rechtfertigung in der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers findet, ausländische juristische Personen im Inland inländergleich zu behandeln. Inhaltliche Grundlage sind die grundrechtlichen Gewährleistungen, wie sie ausländischen juristischen Personen ohne die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GGzukämen. 15 Feldmüller

226

§ 7 Klagebefugnis

IV. Einfachgesetzliche Schutznormen deutschen Rechts Neben den Grundrechten gewähren insbesondere einfachgesetzliche Normen mit individualschützendem Charakter subjektiv-öffentliche Rechte. Diese Rechtsnormen sind nicht nur in der Praxis von größerer Bedeutung als die Grundrechte, ihnen kommt nach zutreffender Ansicht auch ein Anwendungsvorrang diesen gegenüber zu. 1 Die nachfolgende Untersuchung wird sich sowohl mit dem räumlichen als auch dem personalen Aspekt einfachgesetzlicher Schutznormen deutschen öffentlichen Rechts beschäftigen. Im Vordergrund wird zunächst die Frage stehen, ob das deutsche öffentliche Recht auch grenzüberschreitenden Rechtsschutz gewährt, das heißt insbesondere, ob öffentlich-rechtliche Normen auch extraterritoriale subjektiv-öffentliche Rechte begründen können. Im Anschluß daran soll geklärt werden, ob und in welchem Umfang fremden Staaten und sonstigen juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts subjektiv-öffentliche Rechte aus einfachgesetzlichen Normen deutschen Verwaltungsrechts zustehen können, insbesondere welche Interessen insoweit rechtlich geschützt sind.

1. Der räumliche Aspekt verwaltungsrechtlicher Schutznormen Der räumliche Aspekt einfachgesetzlicher öffentlich-rechtlicher (verwaltungsrechtlicher) Schutznormen wird im wesentlichen durch zwei Elemente determiniert: Anwendungsbereich2 und Schutzbereich.

a) Das Verhdltnis von räumlichem Anwendungsbereich und räumlichem Schutzbereich

Voraussetzung für die Gewährung (jeglicher) subjektiv-öffentlicher Rechte ist zunächst die Anwendbarkeit deutschen (Verwaltungs-)Rechts auf den zugrundeliegenden Sachverhalt. Nur soweit die fragliche Rechtsnorm den in Rede stehenden Tatbestand erfaßt, kann sich aus ihr eine subjektive Berechtigung

I Vgl. Maurer, § 4 Rn. 42; Schmitt Glaeser, Rn. 162; i. E. ebenso Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 57; s. dazu auch oben Fußnote zu § 7 III.; abweichend wohl Hufen, § 14 Rn. 109. 2 Zum Begriff des Anwendungsbereichs s. oben § 1 ll. 3.

IV. Einfachgesetzliche Schutznormen deutschen Rechts

227

ergeben. Der räumliche Anwendungsbereich einer Rechtsnorm wird so zu einem konstitutiven Merkmal des subjektiv-öffentlichen Rechts. 3 Dieses Merkmal alleine trifft jedoch noch keine Bestimmung dartiber, ob eine Norm im Einzelfall eine subjektive Berechtigung zugunsten bestimmter Rechtssubjekte gewährleistet. Dies hängt vielmehr davon ab, ob die fragliche Norm (zumindest auch) dem Schutz des Interesses dieses Rechtssubjekts zu dienen bestimmt ist. 4 Neben einem personalen und sachlichen Bezug muß der Schutzbereich einer Rechtsvorschrift auch eine räumliche Verbindung zum geschützten Interesse aufweisen. Subjektiv-öffentliche Rechte können nur insoweit bestehen, als das geltend gemachte Interesse in den räumlichen Schutzbereich der betreffenden Rechtsnorm fällt. Die Bedeutung des räumlichen Schutzbereichs zeigt sich bspw. in jenen Fällen des Bau- oder Umweltrechts, in denen sich ein Betroffener gegen den Bau oder Betrieb einer emittierenden Industrieanlage wendet. Nur wenn die geltend gemachte Rechtsnorm den Betroffenen auch in räumlicher Hinsicht in ihren Schutzbereich einbezieht, kann diesem ein subjektiv-öffentliches Recht zukommen. Das Verhältnis von räumlichem Anwendungs- und räumlichem Schutzbereich wird durch eine logische Priorität bestimmt. Nur soweit eine Rechtsnorm überhaupt anwendbar ist, kann sich aus ihr ein räumlich geschützter Bereich ergeben. Der räumliche Anwendungsbereich ist damit Voraussetzung des räumlichen Schutzbereiches. Der räumliche Schutzbereich seinerseits bildet die subjektive Teilmenge des räumlichen Anwendungsbereichs. 5 Diese grund-

3 Angesichts des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes - der Klagebefugnis fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts - soll der Anwendungsbereich deutschen Rechts im wesentlichen im Hinblick auf die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte problematisiert werden. Ausgenommen bleiben damit Fragen des deutschen Karte1lrechts und ähnlicher Teilbereiche des öffentlichen (Wirtschafts-)Rechts. Zur Problematik der extraterritorialen Jurisdiktion im Wirtschaftsrecht vgl. Meng, S. I ff. 4 Zur Schutznormtheorie s. oben § 7 I. 2. S Das Problem der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte wird vielfach auf die Frage reduziert, ob die einschlägigen Normen des deutschen Verwaltungsrechts auch dem Interesse ausländischer Grenznachbarn dienen und sich der räumliche Schutzbereich insoweit über die Staatsgrenzen hinaus erstreckt. (Vgl. bspw. Bothe, UPR 1983, 1 [2]; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 42 Abs.2 Rn. 22.) Eine derartige Fragestellung ist allerdings zwnindest als ungenau zu bezeichnen. Sie übersieht, daß die Bestimmung des räumlichen Schutzbereichs einer nationalen Rechtsnorm wesentlich von deren räumlichem Anwendungsbereich abhängt. Im Hinblick auf die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte muß daher gefragt werden, ob eine verwaltungsrechtliche Norm (1.) extraterritorial anwendbar ist und (2.) ihren räumlichen Schutzbereich in diesem Rahmen über die Staatsgrenzen hinaus erstreckt.

228

§ 7 Klagebefugnis

sätzliche Trennung schließt allerdings nicht aus, daß sich die einschlägigen Argumentationen in vielen Fällen überschneiden. Die Frage nach dem Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts stellt sich regelmäßig nur in den Fällen, in denen eine Auslandsbetroffenheit des Klägers gegeben ist. Soweit innerstaatliche Sachverhalte betroffen sind, kann unproblematisch von der räumlichen Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen werden. b) Zur Bedeutung extraterritorialer subjektiv-6jJentlicher Rechte

Die Diskussion um die Gewährung grenzüberschreitender subjektivöffentlicher Rechte betrifft insbesondere den Bereich des Umweltrechts. 6 Aus der Erkenntnis, daß Umweltverschmutzungen an Staatsgrenzen nicht haltmachen, 7 folgt die Frage nach der rechtlichen Beurteilung und Bewältigung grenzüberschreitender Störungen. Dabei steht im Zusammenhang mit den einfachgesetzlichen Normen deutschen Rechts die Frage nach dem Rechtsschutz ausländischer natürlicher Personen im Vordergrund. Die Rechtsstellung ausländischer Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts wird nur am Rande behandelt. Dies ist im wesentlichen auf zwei Faktoren zuriickzufiihren. Zum einen ist die Diskussion um die Rechte ausländischer natürlicher Personen durch einige Entscheidungen deutscher Gerichte in besonderem Maße in den Vordergrund gerückt. Zum anderen liegt eine Diskussion um die Rechtsstellung dieser Rechtssubjekte näher als eine solche um die Rechtsstellung fremder Staaten oder sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts. Während nämlich der einzelne zum Schutz seiner Güter auf die Erlangung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes angewiesen ist, stehen zumindest den fremden Staaten als Völkerrechtssubjekten völkerrechtliche Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfiigung.8 6 Vgl. dazu BVerwGE 75, 285; OVG Saarlouis NVwZ 1985,97; Bothe, UPR 1983, I; Brandt, DVBl. 1995, 779; Hufen, § 14 Rn. 120; Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 94; Wahl/Schatz, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 221. 7 Zu dieser gängigen Formulierung Bothe, UPR 1983, I (1); Brandt, DVBl. 1995, 779 (779); allg. zum Problem grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. I ff.; ders., DVBl. 1984,245 (245); Oppennann, in: HdUR, Sp. 906 ff. 8 Denkbar sind insoweit zum einen zwischenstaatliche Konsultationen und Verhandlungen, zum anderen aber auch die Anrufung des IGH sowie die Ausnutzung der sonstigen völkerrechtlich zulässigen Mittel zur Streitbeilegung. Vgl. dazu SeidlHohenveldem, Rn. 1775 tf; zur friedlichen Streitbeilegung Ipsen, § 60 Rn. I tf

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

229

Wie jedoch eingangs bereits erörtert,9 zeigt bspw. die Klage des österreichischen Bundeslandes Vorarlberg, daß zumindest auf der Ebene der dem Gesamtstaat untergeordneten öffentlich-rechtlichen Rechtsträger ein Bedürfnis nach grenzüberschreitendem Rechtsschutz besteht. lo Insoweit stellt sich insbesondere im Hinblick auf die sonstigen juristischen Personen ausländischen öffentlichen Rechts, wie Gemeinden, Bundesländern, Provinzen u. s. w., die Frage, inwieweit das deutsche Verwaltungsrecht (mit seinen inhaltlich konkreten Anforderungen) grenzüberschreitenden Rechtsschutz gewährt. Dogmatisch handelt es sich beim Problem des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes im wesentlichen um den Bereich des öffentlich-rechtlichen Drittschutzes. 11 Im Vordergrund stehen Klagen gegen Genehmigungen umweltbeeinträchtigender Anlagen oder sonstiger Vorhaben. Denkbar sind aber auch Leistungsklagen auf behördliches Einschreiten gegen grenzüberschreitende Störungen bzw. Störer. 12 Nachfolgend soll zunächst ein Überblick über die relevante Rechtsprechung und Literatur gegeben werden. Im Anschluß daran erfolgt dann eine Untersuchung der Argumente im einzelnen. c) Übersicht aber die relevante Rechtsprechung

In bezug auf die Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes hat in der Rechtsprechung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Hamers besondere Bedeutung erlangt.13 Argumentation und Ergebnis rechtfertigen eine eingehendere Behandlung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der die Entscheidung tragenden Gründe. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag die Klage eines niederländischen Staatsangehörigen gegen die atomrechtliche Genehmigung für das Kernkraftwerk Emsland zugrunde. Der Kläger wohnte in einer Entfernung von 25 km zum Standort des KKW auf dem Gebiet der Niederlande. Er rügte

Siehe § 1 I. Vgl. BayVGH BayVBl. 1988, 661; zur anschließenden Verfassungsbeschwerde s. BVerfG EuGRZ 1988, 424; s. des weiteren auch die Klagen niederländischer und deutscher juristischer Personen des öffentlichen Rechts vor dem Verwaltungsgericht Straßburg (Frankreich), teilw. abgedruckt in ZaöRV 44 (1984), 342 ff. und in EuGRZ 1986, 575 f.; vgl. dazu unten § 7 IV. 1. g) (3) (b); s. auch Oppermann, in: HdUR, Sp. 922 ff.; vgl. zudem zu den wenig konkreten Vorgaben des Völkerrechts zum Schutz der Umwelt Beyerlin, in: FS Bernhardt, S. 940 fI 11 Lappe, NuR 1993,213 (214). 12 Zu den statthaften Klagearten vgl. oben § 6. 13 BVerwGE 75, 285. 9

10

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die Verletzung fonneller und materieller Nonnen des deutschen Atomgesetzes (AtG). Das in erster Instanz zuständige VG 0ldenburg 14 wies die Klage mit der Begründung, daß das deutsche AtG jenseits der Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland weder objektive Rechtswirkung entfalte, noch subjektive Rechtspositionen definiere, als unzulässig zurück. Eine "Rechtsverletzung" i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO sei, so die Auffassung des Gerichts, damit ausgeschlossen. ,,Dies folgt aus dem fundamentalen völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip, wonach nationales öffentliches Recht Geltungskraft nur innerhalb der Staatsgrenzen beansprucht. Die Souveränität der Nachbarstaaten läßt eine einseitige Ausdehnung des nationalen Rechts über die Grenzen hinweg nicht zu [... ]"1S

Weiterhin weist das Gericht darauf hin, daß die Einbettung des inländischen Umweltrechts in eine Verfahrensordnung, die nur auf inländische Sachverhalte zugeschnitten sei, ebenso gegen die Ausdehnung des Schutzbereichs auch auf grenzüberschreitende Sachverhalte spreche, wie die Tatsache, daß kein Wille des Gesetzgebers erkennbar sei, subjektiv-öffentliche Rechte auch außerhalb der eigenen Staatsgrenzen zu begründen. Die Einbeziehung ausländischer Grenznachbarn sei im übrigen Sache der zuständigen politischen Organe. Die Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes ohne ausdrückliche Bestimmung greife in die Kompetenz der fiir die auswärtigen Beziehungen zuständigen staatlichen Organe ein. Letztlich spreche auch die fiir das Gemeinwohl notwendige Wahrung völkerrechtlicher Handlungsfreiheit gegen die Gewährung grenzüberschreitender subjektiver Rechte. Eine entsprechende Interpretation zugunsten der einseitigen Gewährung solcher Rechte fUhre zu einer Benachteiligung inländischer Grenznachbarn, solange keine Gegenseitigkeit verbürgt sei. Das Bundesverwaltungsgericht hob die Entscheidung des VG Oldenburg auf. 16 Es konnte sich nicht der Auffassung anschließen, daß deutsche Nonnen des öffentlichen Rechts in ihrer Anwendung grundsätzlich auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt seien. Das Gericht bestätigte zwar, daß eine nach deutschem Recht erteilte Genehmigung nur insoweit Wirkung entfalte, als daß ein Verhalten danach alleine fiir das Territorium der Bundesrepublik als genehmigt anzusehen sei und keine darüber hinausgehende Genehmigungswirkung beinhalte. Dies bedeute jedoch noch nicht, daß in einer Genehmigung keine Verletzung eines im Ausland belegenen Rechtsgutes liegen könne. Letzteres hänge vielmehr davon ab, ob beim Erlaß einer Genehmigung Rechtsvorschriften beachtet werden müßten, die (auch) im Interesse des ausländischen Klägers ergangen seien. VG Oldenburg DVBl. 1985,802. VG Oldenburg DVB1. 1985,802 (803). 16 BVerwGE 75, 285.

14 lS

N. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

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,,Bejaht man dies, kann ein solcher Kläger verlangen, daß die in ihrer Wirklmg auf das Inland beschränkte Genehmigung unterbleibt, wenn die daftlr vom Gesetz vorgesehenen, auch dem Schutz seiner Rechtsgüter dienenden Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen. [... ] Hingegen verpflichtet eine derartige Genehmigung den ausländischen Kläger nicht zur Duldung in dem Sinne, daß er nunmehr die mit der genehmigten Anlage verbundenen Gefahren und Immissionen hinnehmen müsse. Eine atomrechtliche Genehmigung legt dem Drittbetroffenen, mag er nun im Inland oder Ausland wohnen, keinerlei spezifische Pflichten auf."17

Das Bundesverwaltungsgericht macht damit deutlich, daß in der grenzüberschreitenden Gewährung subjektiver Rechte keine Verletzung des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips liegt, da damit keine über das Staatsgebiet hinausgehende Pflichten begründet würden. Gleiches gelte auch hinsichtlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften, da diese nur Ansprüche nach deutschem Recht beträfen. Eine völkerrechtswidrige Erstreckung auf fremdstaatliches Recht bestehe insoweit nicht. Völkerrechtlich relevant sei lediglich, ob ein ausreichender inländischer Anknüpfungspunkt für eine gesetzliche Regelung gegeben sei, welche im Ausland lebenden Ausländern subjektivöffentliche Rechte im Zusammenhang mit der Erteilung einer nur im Inland wirksamen Genehmigung gewähre. Ein solcher ausreichender Anknüpfungspunkt liegt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die Genehmigungsregelungen des Atomgesetzes vor. Unter Hinweis auf die Staatsgrenzen überschreitende Gefährdung atomrechtlicher Anlagen und in Anknüpfung an die völkerrechtliche Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen stellt das Gericht fest, daß daraus zwar einerseits noch keine Pflicht des Genehmigungsstaates zur Verleihung subjektiv-öffentlicher Rechte folge, daß aber andererseits eine Erstreckung von Schutznormen auf Ausländer dann nicht völkerrechtswidrig sei, wenn auf diese Weise einem potentiell grenzüberschreitenden gefährlichen Tun begegnet werden solle. Im Anschluß an diese Ausfiihrungen gelangt das Gericht zu der Ansicht, daß das Atomgesetz "eine in diesem Sinne völkerrechtsfreundliche Auslegung" fordere. Dies ergebe sich aus dem unmittelbaren Hineinwirken völkerrechtlicher Bindungen in die Regelungen des Atomgesetzes sowie der spezifischen Gefährlichkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie, welche nur im Verbund mit den europäischen Nachbarstaaten möglich sei. Ergebnis der "völkerrechtsfreundlichen" Auslegung ist die Erkenntnis, daß das Atomgesetz auch ausländischen Bürgern grenzüberschreitenden Drittschutz gewährt. Unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 2 AtG weist das Bundesverwaltungsgericht die Argumentation des VG Oldenburg, wonach die Gewährung von Rechten an Gebietsfremde den außenpolitischen Handlungsspielraurn der Bundesrepu-

17 BVerwGE 75, 285 (286 f.).

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blik einschränke und der Durchsetzung des Gegenseitigkeitsprinzips abträglich sei, als nicht tragfähig zurück. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß Nachbarstaaten, wie die Niederlande, Frankreich oder die Schweiz, im Rahmen ihrer Verfahrensordnungen deutschen Staatsbürgern inländergleichen Rechtsschutz gewährten. Letztlich, so das Gericht, vermöge es nicht zu erkennen, daß die Beteiligung von Ausländern im Genehmigungsverfahren auf unüberwindbare rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten stoßen könne. Zusammenfassend ist festzustellen, daß das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung im wesentlichen auf völkerrechtliche Gesichtspunkte eingeht. Es macht deutlich, daß die Gewährung grenzüberschreitender subjektiver Rechte nicht gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip verstößt und gelangt unter Berufung auf eine "völkerrechtsfreundliche Auslegung" zu der Ansicht, daß die Gewährung subjektiver Rechte unter Beachtung der konkreten gesetzlichen Normierung und der bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen sogar geboten sein kann. Zu beachten ist insoweit jedoch auch, daß das Bundesverwaltungsgericht nur bedingt allgemeine Aussagen über die Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte macht. Die konkrete Entscheidung zugunsten der Gewährung extraterritorialer subjektivöffentlicher Rechte begründet das Gericht im wesentlichen unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten des Atomgesetzes. Im Anschluß an das Bundesverwaltungsgericht hat das OVG Saarlouis entschieden, daß auch das anlagenbezogene Immissionsschutzrecht grenzüberschreitenden Rechtsschutz gewähre. 18 Die Rechtsprechung zum Atomrecht lasse sich insoweit auf das Immissionsschutzrecht übertragen. 19 Auch hier seien tatsächliche und rechtliche Anknüpfungspunkte für einen grenzüberschreitenden Rechtsschutz gegeben. Zum einen beinhalteten immissionsrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen ein tatsächliches Gefährdungspotential, das auch an den Staatsgrenzen nicht haltmache, und zum anderen enthielten § 7 Abs. 3 BImSchG sowie § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V.m. den Regelungen der TA-Luft einen konkreten rechtlichen Anhaltspunkt für die Gewährung grenzüberschreitenden Schutzes. 2o In der Literatur zur Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte wird teilweise auch auf eine Entscheidung des österreichischen VGH

OVG Saarlouis NVwZ 1995, 97. OVG Saarlouis NVwZ 1995,97 (98). 20 Soweit sonstigen Entscheidungen das Problem der extraterritorialen Anwendung öffentlichen Rechts zugrunde lag, war zumeist die Geltung des Territorialitätsprinzips Mittelpunkt der Erörterungen; zur Rechtsprechung im Hinblick auf das Prinzip der Territorialität im deutschen öffentlichen Rechts vgl. unten § 7 IV. 1. g) bb). 18 19

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233

verwiesen. 21 Das Gericht entschied im Hinblick auf eine Klage der deutschen Gemeinde Freilassing gegen die Genehmigung des Flughafens Salzburg, daß ausländischen Gemeinden nach österreichischem Recht keine ParteisteIlung zukomme. Dies folge aus dem territorial auf das Staatsgebiet begrenzten Anwendungsbereich österreichischen öffentlichen Rechts. 22 d) Literaturauffassungen

In der Literatur gehen die AuffassliIlgen über den räumlichen Anwendungsbereich verwaltungsrechtlicher Normen und damit auch über die Gewährung extraterritorialer Rechte weit auseinander,23 weshalb nachfolgend die wesentlichen Ansätze kurz dargestellt werden sollen. Als erster hat sich Klaus Vogel 1965 ausfiihrlich mit dem räumlichen Anwendungsbereich deutscher Verwaltungsrechtsnormen auseinandergesetzt. Diese Erörterungen werden noch heute durchgehend als grundlegend angesehen. Vogel geht davon aus, daß die Bestimmung des Anwendungsbereichs zunächst anhand "externer Begrenzungen" durch höherrangiges Recht vorzunehmen sei. Sofern keine diesbezüglichen Regelungen erkennbar seien, komme es auf eine "Selbstbegrenzung" an, welche durch ausdrückliche Regelung seitens des Gesetzgebers erfolgen könne oder durch Auslegung der einschlägigen Normen bzw. Normgruppe vorzunehmen sei. 24 Als "externe" Begrenzungen eignen sich nach seiner Auffassung alle völker- und verfassungsrechtlichen Regelungen. Diesen seien letztlich jedoch keine Bestimmungen über den Anwendungsbereich verwaltungsrechtlicher Normen zu entnehmen. Insbesondere die völkerrechtlichen Grundsätze der Achtung fremdstaatlicher Souveränität und Territorialität verhinderten nicht die Möglichkeit der extraterritorialen Anwendung deutschen Verwaltungsrechts. 25 21 Ein entsprechender Verweis [mdet sich bspw. bei Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 19. 22 Österreichischer VGH, Beschluß v. 30.5.1969, VGH Erk. Nr. 7582 (A), 264; s. auch ÖJZ 1970,305; dazu mit wesentlichem Inhalt und weiteren kritischen Anmerkungen Schreuer, ÖJZ 1971, 542 f1 23 Aus der neueren Literatur, nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. zugunsten einer extraterritorialen Anwendung: Brandt, DVBI. 1995, 779 (786); DahmlDelbrückIWolfrum, S.328 f.; Erichsen, Jura 1989, 220 (221); Hufen, § 14 Rn. 120; lAppe, NuR 1993, 231 (215); Wahl/Schatz, in: Schoch/SchmidtAßmannlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 222 f1; zugunsten einer im Zweifel binnenorientierten Auslegung Kopp, § 42 Rn. 52; gegen die Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte: Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 94; Redekerlv. Oertzen, § 42 Rn. 19; sehr kritisch Rauschning, A VR 25 (1987), 312 (314 ff.).

24 25

Vogel, S. 34l. Vogel, S. 341 ff.

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Entsprechende Verbote ließen sich auch dem deutschen Grundgesetz nicht entnehmen, da dieses keine expliziten Aussagen über den Anwendungsbereich verwaltungsrechtlicher Nonnen mache. 26 Selbstbegrenzungen des Anwendungsbereichs könnten sich zwar unmittelbar aus dem einfachen Recht selbst ergeben, solche Regelungen seien jedoch nur beschränkt vorhanden. 27 Entscheidend für die Feststellung, ob deutsches Recht auch ausländische Sachverhalte betreffe, sei die Auslegung des einfachen Rechts. Diese Auslegung müsse sich an den vorhandenen Auslegungskriterien, wie Wortlaut, Entstehungsgeschichte oder Gesetzessystematik, orientieren. 28 Besondere Bedeutung komme dabei der Entscheidung des deutschen Verfassungsgebers in den Artt. 24 bis 26 GG zugunsten einer sog. "offenen" Staatlichkeit zu. Diesem Grundsatz folgend sei "in ZweifelsflUlen bei der Auslegung eines Gesetzes derjenigen Gesetzesauslegung der Vorzug zu geben, die dem Verfassungsprinzip der ,offenen' Staatlichkeit, mit anderen Worten: dem Bekenntnis des Grundgesetzes zur internationalen Zusammenarbeit und zum internationalen Austausch am besten entspricht. ,,29

Unter Berücksichtigung dieses Auslegungstopos kommt Vogel zu der Auffassung, daß zumindest solchen Nonnen des deutschen Verwaltungsrechts auch extraterritoriale Wirkung zukomme, die der Erhaltung eines schon unabhängig von diesen Nonnen vorhandenen Bestandes rechtlicher Güter und der Abwehr von Störungen und Gefährdungen dieser Rechtsgüter dienen. 3o In einer anderen viel beachteten Studie gelangt RudoW 1, insoweit abweichend von Vogel, zu der Auffassung, daß sich der deutschen Rechtsordnung keine generelle Auslegungsregel entnehmen lasse, die für oder gegen eine extraterritoriale Anwendung nationaler Rechtsnonnen spreche. Für das Verwaltungsrecht bestehe weder eine Auslegungsregel, die die Anwendung nationalen Rechts auf innerstaatliche Sachverhalte begrenze, wie es bspw. der französische Code Civil vorsehe, noch eine solche, die eine unbegrenzte Anwendung entsprechender Rechtsnonnen annehme. 32 Ebenso wie Vogel ist allerdings auch Rudolf der Ansicht, daß sich weder aufgrund der Bestimmungen des Grundgesetzes noch aufgrund der Regelungen des Völkerrechts eine Vogel, S. 354 ff. Vogel, S. 357 f. 28 Grundsätzlich bestünde, so Vogel, S.41O, die Möglichkeit, Verwaltungsrechtsnormen ,,nationalistisch", "isolationistisch" auszulegen, was zu einer rein territorialen Anwendung führe, oder einer "internationalistischen" Auslegung den Vorzug zu geben, wonach deutsches Verwaltungsrecht auch extraterritoriale Anwendung fmden kann. 29 Vogel, S. 415. 30 Vogel, S. 418. 31 Rudoif, BerDGVR 11 (1973),7 ff. 32 Rudoif, BerDGVR 11 (1973), 15. 26

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grundsätzliche Beschränkung des räumlichen Anwendungsbereichs deutscher Rechtsnonnen ergebe. Der räumliche Anwendungsbereich deutscher Verwaltungsrechtsnonnen müsse nicht mit dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland übereinstimmen. Insbesondere könne Art. 23 GG (Anm. d. Verf.: alte Fassung) keine solche territoriale Beschränkung entnommen werden. 33 Eine völkerrechtliche Regel, wonach die Anwendung staatlicher Rechtsnormen territorial auf das jeweilige Staatsgebiet begrenzt sei, bestehe ebenfalls nicht. Rudolf verweist insoweit auf die sog. Lotus-Entscheidung des StIGH,34 in der zum Ausdruck komme, daß das Völkerrecht weit davon entfernt sei, Staaten die Ausdehnung ihrer Gesetze auf Personen, Güter und Handlungen außerhalb ihres Gebietes zu verbieten. 3s Eine völkerrechtliche Beschränkung bestehe nur insoweit, als der betreffende Sachverhalt eine rechtlich relevante Inlandsbeziehung aufweisen müsse. 36 Eine verstärkte Diskussion um den räumlichen Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts erfolgte mit Beginn der 80-er Jahre. Im Rahmen einer Untersuchung zu den Rechtsproblemen bei grenzüberschreitenden Umweltbelastungen sprachen sich Fröhler/Zehetner zugunsten einer extraterritorialen Anwendung deutscher Verwaltungsrechtsnonnen aus. Wie Vogel sehen auch sie den räumlichen Anwendungsbereich im Grundsatz nicht durch Völker- oder Verfassungsrecht begrenzt und gelangen zu der Überzeugung, daß eine isolationistisch-nationalistisch ausgerichtete Auslegung dem Verfassungsgrundsatz der offenen Staatlichkeit nicht gerecht werde. 37 Vielmehr sei in Fragen der Auslegung von einer intendierten Begünstigung der internationalen Zusammenarbeit auszugehen. 38 Fröhler/Zehetner berücksichtigen bei ihren Erörterungen auch das Problem der Reziprozitätsklauseln, wonach die Ausübung oder Gewährung von Rechten von der Gewährung der Gegenseitigkeit abhängig ist. Ein solcher Reziprozitätsvorbehalt sei der deutschen Rechtsordnung weder ausdrücklich, noch konkludent zu entnehmen,39 womit als Ergebnis festzustellen sei, daß "als Regel der intendierte Schutz auch ausländischer Rechtsgüter anzunelunen [ist). Ausnalunen sind zu belegen. Hinweise auf die Reziprozität in einzelnen materiellen Verwaltungsbestimmungen sind demnach als Ausnalune zur Regel zu bewerten, die

33 Rudolf,

BerDGVR II (1973), 12. Vgl. zu dieser Entscheidung bereits oben § I ll. I. 35 Rudolf, BerDGVR II (1973), 18. 36 Rudolf, BerDGVR 11 (1973),22. 37 Fröhler/Zehetner, S. 77. 38 Fröhler/Zehetner, S. 78 .. 39 Fröhler/Zehetner, S. 80. 34

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ansonsten eine Ausdelmung des räumlichen Anwendungsbereichs vorgesehen hätte."4O

Ebenfalls zugunsten der extraterritorialen Anwendung deutschen Verwaltungsrechts sprechen sich Weber, Wolfrum und Bothe41 aus. Weber42 gelangt unter Hinweis auf Vogel zu der Ansicht, daß sich aus dem Völkerrecht keine grundsätzliche "externe" räumliche Begrenzung des Anwendungsbereichs ergebe. Eine Begrenzung bestehe nur insoweit, als die Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet verboten sei. Im Hinblick auf nationale Rechtsnormen könne sich eine Begrenzung des Anwendungsbereichs aus der Verfassung oder der Verwaltungsrechtsnorm selbst ergeben. Diesbezüglich sei der von Vogel aus der Verfassungsentscheidung für eine "offene Staatlichkeit" entwickelten "räumlichen Feldtheorie" zu folgen, wonach derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben sei, die dem Bekenntnis der Verfassung zur internationalen Zusammenarbeit am besten entspreche. 43 Mit dieser ,Feldtheorie' sei ein Durchbruch von einer ,binnenorientierten' zu einer ,grenzüberschreitenden' Betrachtungsweise des Anwendungsbereichs öffentlich-rechtlicher Rechtsnormen gelungen. Ähnlich argumentiert Wolfrum44, für den der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ein für die extraterritoriale Anwendung deutschen Rechts entscheidendes Auslegungsmerkmal darstellt. ,,Dieser Grundsatz verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland, die innerstaatliche Rechtsordnung so zu gestalten, daß das Völkerrecht innerstaatlich an Effektivität gewinnt. Außerdem verlangt er, daß bei nationalen Entscheidungen auch den Belangen anderer Staaten Reclmung getragen wird.,,45

Zudem seien bei der Auslegung einfachen Rechts bestehende Regeln des Völkerrechts zu beachten, die über Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts geworden seien. Ein Verbot der extraterritorialen Anwendung deutschen öffentlichen Rechts kraft des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips sei nicht gegeben. Anders als die bisher dargestellten Auffassungen kommen OppermannlKilian zu der Ansicht, daß die Normen des materiellen Verwaltungsrechts grundsätzlich auf die strikte Anwendung im Inland ausgerichtet seien. 46 Eine grenzüberschreitende Anwendung komme insoweit nicht in Betracht, als Friihler/Zehetner, S. 81. Bothe, UPR 1983, I (4 ff.). 42 Weber, DVBI. 1980,330 (331 ff.). 43 Weber, DVBI. 1980, 330 (331). 44 Wolfrum, DVBI. 1984,493. 45 Wolfrum, DVBI. 1984,493 (499). 46 OppermanniKilian, S. 111 ff. 40

41

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sich daraus ein subjektiv-öffentliches Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ergebe. Entsprechenden Rechtspositionen nach deutschem Recht stünde deren formale Territorialität entgegen. 47 Soweit OppermannlKilian in diesem Zusammenhang den Begriff des "Territorialitätsprinzips" verwenden, beziehen sie sich auf einen Grundsatz nationalen Rechts, es geht insofern um ein "innerstaatliches Territorialitätsprinzip".48 Unter Darlegung einschlägiger Rechtsprechungs- und Literatumachweise gelangen sie zu der Ansicht, daß das Territorialitätsprinzip für die deutsche Rechtsordnung grundlegend sei. Dieses Prinzip verbiete Ausländern zwar nicht den Zugang zum deutschen Verwaltungsrechtsschutz, die deutsche Rechtsordnung sei jedoch grundsätzlich binnenorientiert, was gegen die Annahme einer grenzüberschreitenden Anwendung deutscher Rechtsnormen spreche. OppermannlKilian sehen in der von Vogel entwickelten Feldtheorie die Gefahr, daß diese "als Art Blankovollmacht" für jede wünschbare Auslegung des Schutzzwecks deutscher Normen über die Staatsgrenzen hinaus angewendet werde. 49 Die Ermittlung des räumlichen Anwendungsbereichs anband sehr allgemeiner Verfassungsgrundsätze gefllhrde sowohl Rechtssicherheit als auch Rechtsgleichheit. In diesem Zusammenhang sei auch zu bedenken, daß es sich bei der Beantwortung der Frage nach dem räumlichen Anwendungsbereich staatlicher Rechtsnormen um eine derart grundsätzliche Entscheidung handele, daß diese primär vom Gesetzgeber zu treffen sei. 50 Insofern widerspreche eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf der Ebene der dezentralen Verwaltung der innerstaatlichen Kompetenzordnung. Von besonderer Bedeutung sei auch die Gewährung von Gegenseitigkeit. Durch die Einräumung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes zugunsten ausländischer Nachbarn seien angesichts dieser Selbstbindung analoge Rechtsschutzmöglichkeiten für die eigene Grenzbevölkerung nur noch schwer zu erreichen. Auch Kloepfer51 geht davon aus, daß deutsche (Umwelt-)Gesetze aufgrund des Territorialitätsprinzips keine grenzüberschreitende Wirkung haben können. 52 Er stellt dabei zur Begründung insbesondere auf den Willen des Gesetzgebers ab: ,,Entscheidend kommt es also darauf an, ob der Gesetzgeber die Interessen dieser Ausländer gegenüber im Inland verursachter Umweltbelastungen schützen will."s3

OppermanniKilian, S. 135. OppermanniKilian, S. 135. 49 OppermanniKilian, S. 112. so OppermanniKilian, S. 112. SI Kloepfer, DVBl. 1984, 245; ders., VerwArch 1985, 371; s. auch ders., Umweltrecht, § 6 Rn. 94. S2 Kloepfer, VerwArch 1985, 371 (385). S3 Kloepfer, DVBl. 1984, 245 (248). 47

48

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§ 7 Klagebefugnis

Ein solcher Wille könne dem Gesetzgeber jedoch grundsätzlich nicht unterstellt werden, da dieser nur die Handlungsmöglichkeiten der deutschen öffentlichen Gewalt regeln wolle, welche ihrerseits wiederum alleine innerhalb des Anwendungsbereichs des Grundgesetzes ausgeübt werden dürfe. 54 Die territoriale Begrenztheit deutscher Verwaltungsrechtsnormen schließe es jedoch nicht aus, daß deutsche Behörden ausländische Belange von sich aus betiicksichtigten. Es sei lediglich kein gesetzgeberischer Wille erkennbar, daß deutsche Gesetze ausländischen Interessen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland zu dienen bestimmt sein sollten. Im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO weist Kloepfer darauf hin, daß allein nach deutschem Recht begtiindete (oder anerkannte) subjektiv-öffentliche Rechte eine Klagebefugnis begtiinden könnten. "Weil nWl aber die nach deutschem Recht begründeten subjektiven öffentlichen Rechte allein die deutsche Staatsgewalt binden können, diese Staatsgewalt grwtdsätzlich aber in die deutschen Staatsgrenzen eingebWlden ist, endet der Bereich der nach deutschem Verwaltungsprozeßrecht anerkennenswerter subjektiv-öffentlicher Rechte auch dort. ,,55 Neben diesen dogmatischen Gründen fiihrt Kloepfer auch ein rechtspolitisches Argument gegen die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte an. Mit der Gewährung eines solchen Rechtsschutzes bestünde die Möglichkeit des Rechtsmißbrauchs in der Weise, daß fremde Staaten aus eigenen Interessen ihre Bürger vorschickten, um ein Vorhaben zu blockieren. 56 Dieser Möglichkeit könne nur durch Verbürgung von Gegenseitigkeit entgegengetreten werden. Gegen die Gewährung grenzüberschreitenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes sprechen sich auch LukeslDehmerIWendlint7 aus. Aus völkerrechtlicher Sicht bestünden zwar weder Ge- noch Verbote der Gewährung verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes zugunsten ausländischer Nachbarn, insbesondere liege in einer solchen kein Verstoß gegen fremdstaatliche Souveränität. Das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip verbiete jedoch die Ausübung deutscher Hoheitsgewalt außerhalb des deutschen Staatsgebietes, woraus sich unabdingbar ergebe, daß deutsche verwaltungsrechtliche Genehmigungen in ihrer rechtlichen Wirkung territorial begrenzt seien. Damit sei zwar nicht zwingend ausgeschlossen, daß das deutsche Verwaltungsrecht auch subjektiv-öffentliche Rechtspositionen außerhalb des eigenen Staatsgebietes gewähre, dennoch sprächen diese Ausprägungen des Territorialitätsprinzips eher

Kloepfer, DVBl. 1984,245 (248). Kloepfer, DVBl. 1984,245 (248 f). 56 Kloepfer, DVBl. 1984,245 (250). 57 LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, I. 54

55

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gegen die Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes. 58 In der Gesamtargumentation stellen LukeslDehmerlWendling wesentlich auf den mutmaßlichen Willen des Verfassungs- bzw. einfachen Gesetzgebers ab. Ausgangspunkt der Überlegungen müßten die beiden grundsätzlich in Frage kommenden Regelungsmöglichkeiten grenzüberschreitender Probleme sein. Zum einen könne die deutsche Rechtsordnung einseitig grenzüberschreitenden Rechtsschutz gewähren, und zum anderen bestünde die Möglichkeit, subjektive Rechte im Wege völkerrechtlicher Abkommen auf Basis der Gegenseitigkeit vorzusehen. 59 Da die zweite Möglichkeit im Gegensatz zur ersten keine "einseitige Vorleistung" vorsehe und nur die Durchsetzung der Gegenseitigkeit zu einem hinreichenden Rechtsschutz inländischer Bürger führe, entspreche nur diese inländerfreundliche Lösung dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers. Die Orientierung an den Interessen der eigenen Staatsbürger sei der deutschen Rechtsordnung keineswegs fremd, sondern zeige sich auch bei der Systematik der Grundrechte. Auch hier würde eine Abstufung zwischen Menschenrechten und Bürgerrechten vorgenommen. ,,Entsprechend kann beim räumlichen Geltungsbereich [Anm. d. Verf.: gemeint ist der Anwendungsbereich ] von Grundrechten und grundrechtsschützenden verwaltungsrechtlichen Nonnen davon ausgegangen werden, daß im Zweifel die den Interessen der Inländer am nächsten kommende Lösung dem Willen des nationalen Gesetzgebers entspricht. Denmach sind ein subjektiv-rechtlicher Schutz und eine Klagebefugnis fiJ.r im Ausland wohnende Ausländer - vorbehaltlich einer abweichenden völkerrechtlichen Vereinbarung - zu verneinen."6O

Mit dieser verfassungsrechtlich begründeten Auslegungsregel schaffen LukeslDehmerlWendling den argumentativen Gegenpol zur Auslegungsregel Vogels. Ergänzend weisen sie darauf hin, daß diese Auslegung der innerstaatlichen Kompetenzordnung entspreche, wonach Fragen, die üblicherweise in völkerrechtlichen Abkommen geregelt würden, in den Kompetenzbereich der außenpolitischen Organe fielen. e) Systematischer Ansatz

Die dargestellten verschiedenen Auffassungen machen deutlich, daß eine eingehende Diskussion der Argumente und Argumentationen notwendig ist. Sie zeigen jedoch zugleich, daß eine grundsätzliche Übereinstimmung hin-

58 LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, I (5), in diesem Zusammenhang noch einschränkend, am Ende der Erörterungen (S. 7) dagegen: "Gegen die Einräumung einer Klagebefugnis [... ] im verwaltungsgerichtlichen Verfahren spricht denmach nicht nur das oben erwähnte Territorialitätsprinzip. [.. .]" 59 LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, I (6). 60 LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, I (6).

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sichtlich des systematischen Ansatzes zur Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs des deutschen Verwaltungsrechts besteht. Grundlegend fiir die nachfolgende Untersuchung und die oben dargestellten Auffassungen ist die von Vogel entwickelte Einteilung der Normen oder Normteile, die dazu geeignet sind, den räumlichen Anwendungsbereich von Rechtsnormen zu bestimmen. Nach der Systematik Vogels können verwaltungsrechtliche Rechtsvorschriften einerseits von "außen her" durch höherrangiges Recht begrenzt werden und andererseits eine normimmanente "Selbstbegrenzung" beinhalten. Die "externe" Begrenzung kann durch Bestimmungen des Völkerrechts oder Grundgesetzes erfolgen, da diesen Rechtsquellen nach deutschem Recht Vorrang vor den einfachgesetzlichen Normen zukommt. 61 Innerhalb dieses vergleichsweise weiten "metarechtlichen Rahmens",62 findet eine "Selbstbegrenzung" der verwaltungsrechtlichen Normen statt. Dabei ist zwar von dem Tatbestand der zu untersuchenden Norm auszugehen, wobei der Anwendungsbereich mangels ausdtiicklicher Regelungen regelmäßig durch Auslegung zu ermitteln sein wird. Insoweit ist die Trennung von "externer" und "interner" Begrenzung allerdings nur bedingt durchzuhalten, da sich die Auslegung von Normen grundsätzlich auch an den Bestimmungen des Völker- und Verfassungsrechts zu orientieren hat. Aus diesem Grunde kann es sich bei den "externen" Begrenzungen, insbesondere im Bereich des Verfassungsrechts nur wn ausdtiickliche Regelungen handeln. Zu bedenken ist auch, daß der Begriff "Begrenzung" das zu behandelnde Problem nur unzureichend beschreibt. Die Frage nach dem räumlichen Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts bzw. der extraterritorialen Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte kann nicht von der gesicherten Erkenntnis eines möglichen Anwendungsbereichs ausgehen, den es zu "begrenzen" gilt. Vielmehr ist der extraterritoriale Anwendungsbereich als solcher erst zu definieren, so daß die nachfolgende Untersuchung von den Begriffen der "externen" und "normimmanenten Bestimmung des Anwendungsbereichs" ausgehen wird.

j) "Externe" Bestimmung des Anwendungsbereichs aa) Völkerrechtliche Regelungen Zur Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs deutschen Verwaltungsrechts sind zunächst die Regelungen des Völkerrechts zu beachten. 63 Un61 Vgl. EyermannIFröhler, Anh. § 42 Rn. 68; Fröhler/Zehetner, S. 75. 62 63

Vogel, S. 416. Vgl. Bothe, UPR 1983, 1 (2); Grof, NuR 1987,262 (262).

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abhängig vom Streit um die Einordnung des Völkerrechts in die nationale Normhierarchie bestimmt Art. 25 GG, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind und ihnen damit zumindest Vorrang vor dem einfachen Recht zukommt. 64 Bestünden also völkerrechtliche Prinzipien, die die extraterritoriale Anwendung deutschen Verwaltungsrechts verböten oder gäbe es entsprechende Regelungen, die eine Anwendung zum Schutz extraterritorialer Rechtsgüter forderten, wären diese vorrangig zu beachten.

(1) Territorialitätsprinzip

Mittelpunkt der Diskussion um den räumlichen Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts ist regelmäßig der Grundsatz der territorialen Begrenztheit staatlicher Rechtssetzung. Zu unterscheiden sind dabei allerdings zwei grundlegend unterschiedliche Ansätze. Zum einen wird an das sog. Territorialitätsprinzip65 als völkerrechtliche Regel angeknüpft, wonach die Völkerrechtsordnung die Ausübung staatlicher Gewalt räumlich begrenzt. Zum anderen wird das Territorialitätsprinzip als nationaler Grundsatz des deutschen Rechts verstanden, der den räumlichen Anwendungsbereich aufgrund nationaler Rechtssystematik auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt. 66 In der völkerrechtlichen Literatur besteht insoweit Einigkeit, als dem Territorialitätsprinzip heute keine absolute Geltung mehr in der Weise zukommt, daß die staatliche Zuständigkeit zur Rechtssetzung ausschließlich auf innerstaatliche Sachverhalte begrenzt wäre. 67 Vielmehr hat sich, wie oben gezeigt,68 die Erkenntnis durchgesetzt, daß :für die Beurteilung der territorialen Souverä-

64

Vgl. dazu oben § 6 ll. 4.

Zwn Begriff des Territorialitätsprinzips s. DahmIDelbrückIWolfrum, S.318; Dormann Bessenich, S. 65; Meng, S. 34 f.; OppermanniKilian, S. 17 f. 66 Zwn Grundsatz der Territorialität als Prinzip des nationalen Rechts s. unten § 7 65

IV. 1. g) (bb). 67 Vgl. DahmIDelbrückIWolfrum, S. 319; Geiger, GGuVöR, S. 319 f.; Ipsen, § 23 Rn. 95; OppermanniKilian, S. 17; Rudolf, BerDGVR II (1973), 18; s. auch Beyerlin, EuGRZ 1987, 119 (120); Vgl. dazu auch Vogel, S. 142, der unter Beachtung der geschichtlichen Entwicklung zu der Erkenntnis gelangt, daß "das ,Territorialitätsprinzip' in seiner ursprünglichen, ,institutionellen' Bedeutung, also als rechtsapriorisches, unmittelbar aus dem Wesen der Staaten abgeleitetes Rechtsprinzip, heute der Geschichte angehört und nicht wieder zum Leben erweckt werden kann." 68 Vgl. dazu oben § 1 ll. 1.; vgl. hier nur VerdrosslSimma, § 1019; Grof, NuR 1987, 262 (263); Wemer, S. 21. 16 Feldmüller

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nität eines Staates zwischen dessen Zuständigkeit zum Nonnvollzug (jurisdiction to enforce) einerseits und zur Nonnsetzung (jurisdiction to prescribe) andererseits zu unterscheiden ist. Infolge der sog. Lotus-Entscheidung des StIGH geht die ganz herrschende Auffassung davon aus, daß das Völkerrecht den Staaten eine Ausdehnung ihrer Gesetze auf Personen und Sachverhalte außerhalb ihres Staatsgebietes nicht verbietet. 69 Der StIGH stellte zwar fest, daß die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt räumlich auf das Staatsgebiet begrenzt sei,70 das Völkerrecht jedoch die Regelungsbefugnis eines Staates nicht auf dessen Territorium beschränke. "It does not, however, follow that internationallaw prohibits aState from exercising jurisdiction in its own territory, in respect of any case which relates to acts which have taken place abroad, and in which it cannot rely on some permissive rules of internationallaw. ,,71

Ein allgemeines Regelungsverbot extraterritorialer Sachverhalte ist nach Ansicht des StIGH nie Gegenstand geltenden Völkerrechts geworden. 72 Trotz dieses grundsätzlichen Konsenses gehen die Auffassungen hinsichtlich der Bedeutung des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips fiir den Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts erheblich auseinander. Das VG Oldenburg versteht das Territorialitätsprinzip als fundamentalen völkerrechtlichen Grundsatz, "wonach nationales öffentliches Recht Geltungskraft nur innerhalb der Staatsgrenzen beansprucht. Die Souveränität der Nachbarstaaten läßt eine einseitige Ausdehnung des nationalen Rechts über die Grenzen hinweg nicht zu, sondern setzt eine völkerrechtliche Geltungsgrundlage voraus [... ).,,73

Dies ist insoweit zutreffend, als deutschen Hoheitsakten keine rechtsgestaltende Wirkung auf fremdstaatlichem Gebiet zukommt. Ein deutscher Verwaltungsakt kann keine extraterritorialen Rechtsverhältnisse gestalten, eine deutsche Rechtsnonn nicht ausländische Sachverhalte mit Wirkung fiir das fremde

69 Vgl. Bothe, UPR 1983, I (2); DahmIDelbrackIWolfrom, S.320; Geiger, GGuVöR, S. 320; Ipsen, § 23 Rn. 96; Oppermann/Kilian, S. 17 f.; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 18; Wolfrum, DVBI. 1984,493 (499). 70 PCll Serie A No. 10 (1927), 18 f.: "[. .. ] it [Arun. d. Verf.: der Staat] may not exercise its power in any form in the territory of another State. In this sense jurisdiction is certainly territorial." 71 PCll Serie A No. 10 (1927), 18 f.; vgl. dazu auch Ipsen, § 23 Rn. 95. 72 Vgl. aus der Lehre auch Oppermann/Kilian, S. 17; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 18. 73 VG Oldenburg DVBI. 1988, 802 (803); das Gericht verweist insoweit auf OppermannlKilian, welche jedoch in dem völkerrechtlichen Terriorialitätsprinzip kein Hindernis ftlr die Gewährung extraterritorialer Rechte sehen (vgl. Oppermann/Kilian, S. 152). Siehe aber auch SchmidM\.1üller, JuS 1986,619 (624).

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Staatsgebiet wirksam regeln. Einer entsprechenden Ausdehnung staatlicher Hoheitsgewalt steht unbestritten die Souveränität des fremden Staates entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in diesem Zusammenhang daher zutreffend fest, daß eine deutsche Genehmigung nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland gelte, also keine darüber hinausgehende Wirkung in dem Sinne entfalte, daß sie in einem anderen Staat "verbindlich" mit der Folge sei, daß auch dort das Vorhaben als genehmigt anzusehen sei. 74 Aus einer solchen Grenzziehung, so das Gericht weiter, lasse sich jedoch nichts für Frage herleiten, ob einem Ausländer hinsichtlich seiner im Ausland belegenen Rechtsgüter ein Klagerecht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zukomme. 7s Dies hänge vielmehr davon ab, ob bei der Erteilung der Genehmigung eine Rechtsvorschrift verletzt worden sein könnte, die (auch) im Interesse des ausländischen Klägers ergangen sei. Entscheidend ist damit, daß die der deutschen Rechtsordnung entstammenden subjektiv-öffentlichen Rechte nur innerhalb der deutschen Rechtsordnung Geltung entfalten. Sie reichen als staatlich gewährte Abwehrrechte nicht weiter als die betroffene hoheitliche Entscheidung. Soweit die deutsche Rechtsordnung subjektiv-öffentliche Rechte gewährt, endet deren Bedeutung an der Staatsgrenze. Sie sind insoweit nur für die deutsche Hoheitsgewalt maßgeblich. Eine Ausdehnung staatlicher Hoheitsgewalt über die Staatsgrenzen hinaus findet nicht statt. 76 Mit der Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte ist daher auch keine über die Staatsgrenzen hinausgehende Verpflichtung verbunden, diese Rechte wahrzunehmen. Vielmehr können die nach deutschem Recht geschaffenen Rechtspositionen als "Angebot" betrachtet werden, welches angenommen werden kann, jedoch nicht angenommen werden muß. 77 Demgemäß weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, daß eine deutsche Genehmigung in ihrem gestattenden, also rechtsgestaltendem Teil allein den Adressaten beträfe und der Dritte lediglich insoweit berührt sei, als die Genehmigung feststelle, daß eine Verletzung drittschützender Normen des deutschen Rechts nicht vorliege. Die rechtliche Geltung extraterritorialer subjekBVerwGE 75, 285 (286); s. dazu auch Bothe, UPR 1987, 170 (170). Anders LukeslDehmerlWendling, GewAreh 1986, 1 (4), die zunächst davon ausgehen, daß ein im Ausland ansässiger Ausländer aufgrund der grundsätzlich auf das Inland beschränkten rechtlichen Wirkung verwaltungsrechtlicher Genehmigungen durch die deutsche Hoheitsgewalt nur mittelbar getroffen sein könne. Diese "territorial begrenzte Wirkung der verwaltungsrechtlichen Genehmigung spricht - wenn auch nicht zwingend - eher für einen ebenso territorial beschränkten Schutzbereich in subjektiver Hinsicht." 76 Vgl. Grof, NuR 1987,262 (263); Werner, S. 22; s. auch BSGE 33, 280 (284 ff.). 77 In diesem Sinne für die Frage der Beteiligung ausländischer Grenznachbarn im deutschen Verwaltungsverfahrensrecht auch Oppermann/Kilian, S. 19. 74 7S

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tiv-öffentlicher Rechte beschränkt sich damit alleine auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und kann nicht als unzulässige Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt auf fremdem Territorium angesehen werden. 78 Dies ändert sich auch nicht dadurch, daß der Feststellung der Verletzung entsprechender Rechte eine extraterritoriale Anknüpfung zugrunde liegt. Wie oben bereits dargestellt, ist seit der sog. Lotus-Entscheidung anerkannt, daß es den Staaten freisteht, innerhalb ihres Staatsgebietes Sachverhalte zu beurteilen, die außerhalb des eigenen Territoriums geschehen sind. Soweit es den Staaten damit erlaubt ist, Sachverhalte zu beurteilen, deren Ursache auf fremdem Staatsgebiet gesetzt worden ist, soweit muß es ihnen erst recht gestattet sein, Sachverhalte zu regeln, die an eine innerstaatliche Verursachung anknüpfen. In der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte liegt demnach kein Verstoß gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip.79 Zu berücksichtigen ist allerdings grundsätzlich, daß der Bereich staatlicher Regelungen nicht unbegrenzt ist. Wie oben gezeigt, muß vielmehr der von der Regelung betroffene Sachverhalt eine rechtlich relevante Inlandsbeziehung ("genuine link") aufweisen. 80 Ein Staat darf danach auslandsbezogene Sachverhalte nur dann regeln, wenn sie zu seiner Ordnung in irgendeiner nicht zu fern liegenden Beziehung stehen. 81 Zulässige Anknüpfungskriterien folgen insoweit insbesondere aus der Gebiets- und Personalhoheit eines Staates. 82 Ob eine aus völkerrechtlicher Sicht hinreichende Inlandsbeziehung vorliegt, ist allerdings eine Frage des Einzelfalls. 83 Im Hinblick auf die Nonnen des deutschen Verwaltungsrechts kann eine solche hinreichende Inlandsbeziehung bspw. immer dann angenommen werden, wenn im Ausland belegene Rechtsgüter vor im Inland verursachten grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen geschützt werden sollen. In diesen Fällen ist stets eine ausreichend enge räumliche und sachliche Beziehung zum Staatsgebiet bzw. zur Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegeben. 84 78

Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit von Präklusionsvorschriften vgl. unten § 7 IV.

1. g) cc)(3)(d).

19 Vgl. ebenso Brandt, DVBI. 1995, 779 (781); DahmiDelbrllckIWolfrum, S. 329; Grof, NuR 1987, 262 (263); Preu, JZ 1987, 354 (355); Wahl/SchUtz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann!Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 222; s. auch Fröhler/Zehetner, S. 75; Kloepfer, Umwe1trecht, § 6 Rn. 89. 80 Vgl. oben § I 11. I.; s. hier zudem Bothe, UPR 1983, 1 (2); DahmIDelbrllcki Wolfrum, S. 326; Ipsen, § 23 Rn. 97; Oppennann/Kilian, S. 18; Verdross/Simma, § 1183; Wemer, S. 22. 81 DahmIDelbrllckIWolfrum, S. 324. 82 Vgl. Geiger, GGuVöR, S. 320. 83 Vgl. Ipsen, § 23 Rn. 97. 84 Vgl. aus dem Bereich des Umweltrechts Wolfrum, DVBI. 1984,493 (499), der im grenzüberschreitenden Umwe1trecht eine wirksame Anknüpfung aufgrund der Nähe des Emissionsstaates zum schädigenden Ereignis stets filr gegeben hält. Siehe auch

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Von der Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit extraterritorialer Rechte ist das Problem der prozessualen Durchfiihrung entsprechender verwaltungsgerichtlicher Verfahren zu trennen. Soweit für diese Durchfiihrung die Vornahme von Handlungen auf fremdem Staatsgebiet erforderlich ist (bspw. Zustellung gerichtlicher Schriftstücke, Beweiserhebung), können zwar Konflikte mit dem Territorialitätsprinzip entstehen, diese sind jedoch rein prozessualer Natur und müssen dementsprechend auf verfahrensrechtlicher Ebene gelöst werden. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte wird dadurch nicht berührt. 8S Letztlich ist noch zu bedenken, daß durch die Gewährung extraterritorialer Rechte die Rechtsstellung des betroffenen Staates verbessert wird. Ihm stehen zur Durchsetzung seiner Interessen bzw. der Abwehr drohender Gefahren nicht nur die Mittel des Völkerrechts, sondern auch die Rechtsschutzmöglichkeiten der deutschen Rechtsordnung zur Verfügung. Diese Verbesserung der Rechtsposition durch die Gewährung zusätzlicher Rechte kann kaum als Verletzung fremdstaatlicher Souveränität verstanden werden. 86 Das gilt selbst dann, wenn die Bewilligung solcher Rechte nicht im (politischen) Interesse des betroffenen Staates liegt.87 Festzustellen ist damit, daß, vorbehaltlich des Grundsatzes der hinreichenden Inlandsbeziehung staatlicher Regelungen, kein völkerrechtliches Verbot der extraterritorialen Anwendung nationalen Rechts sowie der Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte besteht. (2) Principle 0/ non-discrimination Nachdem festgestellt wurde, daß kein völkerrechtliches Verbot der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte besteht, ist nun der Frage

OppermanniKilian, S. 19; zur Notwendigkeit einer "völkerrechtlich anerkennenswerten BeziehWlg" schon Jellinek, VerwaltWlgsrecht, S. 146. 85 Wemer, S. 23; vgL dagegen LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, I (4 f.), die wohl auch aus den prozessualen Problemen ein Indiz gegen die Gewährung extraterritorialer Rechte herleiten. 86 Insoweit zum Bereich des Umweltrechts auch Bothe, UPR 1983, I (2): ,,Daß das Völkerrecht nicht entgegenstehen kann, wenn Wld soweit der Staat Leben Wld GesWldheit ausländischer Grenznachbam durch sein Immissionsschutzgesetz vor Gefahren schützt, die von seinem Staatsgebiet ausgehen, kann [... ] vernünftigerweise nicht bezweifelt werden." A. A. ResslMaller, in: Ress, S. 100. 87 In diesem Zusammenhang wird von Grof, NuR 1987, 262 (263) auf die Möglichkeit hingewiesen, daß der fremde Staat den ihm zugehörigen Rechtssubjekten die WahrnehmWlg der Klagebefugnis Wltersagen kann.

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nachzugehen, ob dem Völkerrecht eine diesbezügliche Verpflichtung zu entnehmen ist. Als :für die Zukunft aussichtsreichster Grundsatz kann das sog. principle of non-discrimination angesehen werden. Dieser im internationalen Umweltrecht entwickelte Grundsatz verpflichtet die Staaten zur gleichen Anwendung von Normen auf Auswirkungen genehmigter Vorhaben sowohl innerhalb als auch außerhalb des eigenen Gebietes. 88 Im Rahmen der innerstaatlichen Entscheidungsprozesse ist diesem Prinzip entsprechend den Interessen der Nachbarstaaten ebenso Rechnung zu tragen wie den eigenen. Eng mit dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz verbunden ist das Recht auf gleiche Verfahrensbeteiligung, wonach ausländische Rechtssubjekte inländergleich an Einwendungs- bzw. Rechtsschutzverfahren zu beteiligen sind. 89 Beiden Grundsätzen liegt das sog. Konformitätsprinzip zugrunde. Danach ist die Schutzwirkung des innerstaatlichen Rechtsschutzsystems auch auf das nachbarstaatliche Territorium zu erstrecken. 90 Hinsichtlich der vorliegenden Untersuchung stellen sich damit zwei Fragen: Zum einen, ob aus den genannten Grundsätzen eine Verpflichtung zur Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte folgt, und zum anderen, ob diese Prinzipien Wirkung auch zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts entfalten können oder ob ihre Anwendung auf natürliche Personen beschränkt ist. Inwieweit aus den genannten Grundsätzen die Verpflichtung zur Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte folgt, richtet sich zunächst nach dem Sinn und Zweck dieser Prinzipien und der völkerrechtlichen Verbindlichkeit dieser Grundsätze. Grundgedanke des principle of non-discrimination ist, wie oben dargestellt, die Verpflichtung der Staaten, im Rahmen ihrer Entscheidungen über potentiell grenzüberschreitende Sachverhalte nicht nur die eigenen Belange zu berücksichtigen, sondern auch den Interessen der betroffenen Nachbarstaaten Rechnung zu tragen. 91 Dadurch soll erreicht werden, daß potentiell grenzüberschreitende Gefährdungen nicht nur an völkerrechtlichen Maßstäben zu messen sind, sondern nach den nationalen Regelungen beurteilt werden müssen. 92

VgI. DahmIDelbriickIWolfrum, S. 450; Jans, S. 4; Wemer, S. 12. VgI. Wemer, S. 12; s. auch DahmIDelbrackIWolfrum, S. 450. 90 Jans, S. 6. 91 Siehe auch Bothe, UPR 1983, I (5). 92 Die Anwendung nationalen Rechts ist bei der Beurteilung des fraglichen Sachverhalts unabhängig von den im Nachbarstaat selbst geltenden Regelungen. Inwieweit das nachbarstaatlich gewährte Schutzniveau oberhalb oder unterhalb des Niveaus des deutschen Rechts liegt, ist unbeachtlich. VgI. Jans, S. 6. 88

89

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Dies würde in Fällen mangelnder völkerrechtlicher Regelungen, wie bspw. im Umweltrecht, zu einer Anhebung des jeweiligen Schutzniveaus fiihren. 93 Ziel des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes ist damit die weitgehende Gleichbehandlung in- und ausländischer Belange und Interessen. Wie diese "Gleichbehandlung" zu erreichen ist, kann dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz jedoch nicht entnommen werden. Die Beachtung· ausländischer Belange kann sowohl durch gleichmäßige Anwendung objektiver Rechtsnormen als auch durch die Gewährung subjektiver Rechte erreicht werden. Beide Wege würden dazu fUhren, daß die Belange der Nachbarstaaten in den innerstaatlichen Entscheidungsprozessen berücksichtigt würden. Den Anforderungen des principle of non-discrimination wäre in beiden Fällen genüge getan. Dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz als solchem kann somit keine unmittelbare Verpflichtung zur Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte entnommen werden. Zudem ist zu berücksichtigen, daß es umstritten ist, inwieweit der Nichtdiskriminierungsgrundsatz bereits als geltendes Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist. Angesichts der uneinheitlichen Staatenpraxis und der verschiedenen Auffassungen innerhalb der Rechtslehre kann nicht davon ausgegangen werden, daß es sich beim principle of non-discrimination bereits um geltendes Völkergewohnheitsrecht handelt. 94 Trotz der tatsächlich noch geringen Bedeutung des Nichtdiskriminierungsgrundsatzes und des Gebotes der gleichen Verfahrensbeteiligung soll aufgrund der zunehmenden Diskussion um diese Grundsätze kurz der Frage nachgegangen werden, ob auch die einzelnen Staaten und deren öffentlich-rechtliche Körperschaften von diesen Grundsätzen profitieren können. Ein besonderer Stellenwert im Hinblick auf die Entwicklung und Ausgestaltung dieser völkerrechtlichen Prinzipien kommt den Empfehlungen der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zu. 9S In der dritten von insgesamt vier Empfehlungen zum grenzüberschreitenden Umweltrecht in den Jahren von

Vgl. dazu Wemer, S. 13. Vgl. Werner, S. 19 ff.; s. auch Bothe, UPR 1983, 1 (5). Insgesamt ähnlich stellt sich die Situation hinsichtlich des Grundsatzes der gleichen Verfahrensbeteiligung dar. Dieser fordert lediglich eine prozessuale Gleichbehandlung, triill jedoch keine Regelung über die Gewährung materieller Rechte. Auch ihm kann damit keine Verpflichtung zur Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte entnommen werden. 9S ZU berücksichtigen ist insoweit allerdings, daß die Empfehlungen der OECD als sog. "soft-Iaw" ohne weitere Umsetzung in innerstaatliches Recht keine unmittelbaren Rechte und Pflichten erzeugen. (Vgl. LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, I [4).) Sie sind fi1r die Staaten unverbindlich, insbesondere begründen sie kein Völkergewohnheitsrecht. Näher zur OECD Schmidt-Bleck, in: HdUR, Sp. 1575 fT. 93 94

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1974 bis 197896 hat sich die OECD hinsichtlich der Rechtsstellung ausländischer Grenzbürger fiir eine weitgehende Gleichstellung in- und ausländischer Betroffener ausgesprochen. 97 Im Hinblick auf die Rechtsstellung ausländischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften äußert sich die Empfehlung wie folgt: "When the law of a Country of origin pennits a public authority to participate in administrative or judicial proceedings in order to safeguard general envirorunental interests, the Country of origin should consider, if its legal system allows it, providing, by means of international agreement if it deerns it necessary, competent public authorities of exposed Countries with access to such proceedings. ,,98

Obwohl dieser Passage deutlich die Vorsicht im Umgang mit der Einräumung einer verfahrensrechtlichen Beteiligung zugunsten ausländischer Behörden zu entnehmen ist,99 zeigt sie zugleich, daß nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen des öffentlichen Rechts von dem Grundsatz der gleichen Verfahrensbeteiligung profitieren können. Dies muß auch und insbesondere fiir den Grundsatz der Nichtdiskriminierung gelten. Dieser bezweckt mit der Forderung der gleichen Rechtsanwendung, daß der betreffende Staat in seiner Entscheidung innerstaatliche wie extraterritoriale Wirkungen seines HandeIns beliicksichtigt. Das principle of non-discrimination dient insoweit dem Schutz der Interessen der ausländischen Bürger wie dem des benachbarten Staates als solchem gleichermaßen. loo Fremde Staaten und sonstige ausländische öffentlich-rechtliche Körperschaften können damit grundsätzlich von dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz in gleicher Weise wie natürliche Personen profitieren.

(3) Sonstige völkerrechtliche Verpflichtungen Sonstige völkerrechtliche Pflichten zur Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte bestehen nicht. I 01 Insbesondere bestehen fiir die Bundesrepublik keine völkervertraglichen Verpflichtungen, nach denen ausländischen Staaten oder sonstigen ausländi-

Vgl. zu diesen Empfehlungen Jans, S. 88 1T.; OppermanniKilian, S. 116 1T. Vgl. dazu Jans, S. 88 f. 98 Empfehlung C (77) 28 (Final), abgedruckt in ILM XVI (1977),977 (981). 99 Vgl. zu den möglichen Gründen Jans, S. 90. 100 Vgl. Jans, S. 14. 101 Vgl. Brandt, DVBl. 1995, 779 (780); Grof, NuR 1987, 262 (263); Kloepfer, Umwe1trecht, § 6 Rn. 88; Schack, BerDGVR 32 (1992), 321; zum UmweItvölkerrecht s. Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (120). 96

97

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

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schen Körperschaften des öffentlichen Rechts subjektive Rechte einzuräumen wären. I02 Gleiches gilt im Hinblick auf die Regelungen des Völkergewohnheitsrechts, die grundsätzlich dazu geeignet sind, von den Staaten die Vornahme oder das Unterlassen bestimmter Handlungen zu verlangen. Diesen Rechtssätzen läßt sich jedoch keine unmittelbare Verpflichtung der Bundesrepublik zur Gewährung extraterritorialer Rechte entnehmen.

(4) Zusammenfassung Aus dem Völkerrecht ergeben sich weder unmittelbare Ver- noch Gebote zur Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte. Insbesondere steht das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip der Einräumung solcher Rechtspositionen nicht entgegen. Soweit die Bundesrepublik ausländische Rechtssubjekte in den Schutzbereich öffentlich-rechtlicher Normen einbezieht, entfaltet dies rechtliche Bedeutung nur fiir den innerstaatlichen Bereich. Hierin liegt keine unzulässige Erstreckung hoheitlicher Gewalt über die Staatsgrenzen hinaus. Für die Bundesrepublik Deutschland bestehen ebenfalls keine völkervertraglichen oder völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen zur Gewährung extraterritorialer Rechte. Ansätze zur völkerrechtlichen Verpflichtung hinsichtlich der Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes enthält das principle of non-discrimination. Dieses Prinzip vermag im Grundsatz Wirkung auch zugunsten der Staaten als solcher und den entsprechenden Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entfalten. Eine dahingehende völkerrechtliche Entwicklung ist jedoch nur eingeschränkt zu beobachten. Festzustellen ist, daß der Nichtdiskriminierungsgrundsatz als solcher nicht die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte fordert und daß dieser Grundsatz noch nicht als geltendes Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist.

102 Vgl. LukeslDehmerlWendling, GewAreh 1986, 1 (4). Siehe demgegenüber die Regelungen der Nordischen Umweltschutzkonvention. Nach den Regelungen dieses Übereinkommens haben die beteiligten Staaten (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden) die Belange der Nachbarstaaten in potentiell grenzüberschreitenden Umweltschutzbelangen zunächst in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die eigenstaatlichen. Darüber hinaus werden den (einzurichtenden) nachbarstaatlichen Umweltüberwachungsbehörden die gleichen Antrags-, Anhörungs- und Klagerechte eingeräumt wie den eigenen innerstaatlichen Behörden. Vgl. zu den Regelungen der Nordischen Umweltschutzkonvention Lappe, NuR 1993,213 (213 f.); Oppennann/Kilian, S. 33.

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§ 7J(lagebefugnis

bb) Regelungen des Grundgesetzes Neben den Regelungen des Völkerrechts ist insbesondere das Grundgesetz geeignet, den Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts und damit die Reichweite der Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte zu bestimmen. Eine ausdrückliche Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs deutschen Verwaltungsrechts läßt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Diskutiert wurde jedoch, ob aus der Regelung des Art. 23 GG a. F, jetzt Satz 2 der Präambel, ein Verbot der Gewährung der grenzüberschreitenden Anwendung subjektiver Rechte abgeleitet werden könne. Die mittlerweile ganz überwiegende Auffassung geht dahin, daß dieser verfassungsrechtlichen Regelung keine räumliche Begrenzung der Anwendung deutschen Verwaltungsrechts entnommen werden kann. 103 Die auf dem Grundgesetz beruhende Gesetzgebung ist nicht vom Anwendungsbereich des Grundgesetzes selbst abhängig. 104

103 Vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, Präambel Rn. 9; s. auch BSGE 36, 209 (216); EyermannIFriJhler, Anh. § 42 Rn. 68. Im Ansatz anders, im Ergebnis aber gleich geht Vogel davon aus, daß das Grundgesetz auch für die Bestimmung des Anwendungsbereichs einfachen Rechts maßgeblich sei. Sofern das Grundgesetz in seiner Geltung selber räumlich begrenzt sei, besitze der Bundesgesetzgeber mangels verfassungsrechtlicher Ermächtigung keine Befugnis, Normen mit "transitiver" Wirkung (extraterritorialer Anwendbarkeit) zu erlassen (S. 146 ff.). Eine entsprechend "transitiv-negative Begrenzung der staatlichen Gesetzgebung" könne dem Grundgesetz jedoch nicht entnommen werden. Da das Grundgesetz die verfassungsrechtliche Grundlage der gesamten Staatsgewalt sei, müsse es auch im Ausland "gelten", da ansonsten die im Ausland tätigen Staatsorgane nicht an das Grundgesetz gebunden seien (S. 147). Nach richtiger Ansicht bestimme Art. 23 GG (a. F.) lediglich das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Eine territoriale Beschränkung seiner "Geltung" auf das Bundesgebiet sei dieser Norm nicht zu entnehmen, womit aus dem Grundgesetz auch keine territoriale Beschränkung der Gesetzgebung des Bundes herzuleiten sei. Tendenziell a. A. BGHZ 52, 123 (140). 104 Vgl. DahmlDelbrilckIWolfrum, S. 328; Rudolf, BerDGVR 8 (1968), 13. Der räumliche Anwendungsbereich des Grundgesetzes selbst ist ebenfalls umstritten. Insbesondere die Auffassungen hinsichtlich der Gewährung grundrechtlichen Schutzes über die Grenzen der Bundesrepublik hinweg gehen weit auseinander. Die bislang vorherrschende Meinung in der Literatur verneint eine Gewährleistung der Grundrechte zugunsten Nichtdeutscher außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes. (Vgl. dazu v. Mangold/Klein, Art. lAbs. 3 Rn. 137; m. w. N. Stern, IIJIl S. 1233; s. auch OppermanniKilian, S. 100 f.) ,,Die Grundrechte gelten im Bundesgebiet. Außerhalb des Bundesgebietes gelten sie, soweit deutsche Staatsgewalt alleinverantwortlich ausgeübt wird. Eine Ausdehnung der Grundrechte auf Nachbarn hinter der Grenze der Bundesrepublik fmdet nicht statt. [... ] Grenzüberschreitende Grundrechtsprobleme müssen auf supranationaler Ebene (= EG-Recht) oder mit Mitteln völkerrechtlicher Verträge gelöst werden." (V. Mangold/Klein, Art. 1 Abs. 3 Rn. 137). Demgegenüber fmden sich in der neueren Literatur zunehmend Stimmen, die eine begrenzte Anwendung der Grundrechte auch außerhalb des Geltungsbereich des

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g) Normimmanente Bestimmung des Anwendungsbereichs

Nachdem festgestellt wurde, daß dem Völker- und Verfassungsrecht keine "externen" Bestimmungen hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs bzw. der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte zu entnehmen sind, ist nachfolgend zu erörtern, inwieweit das Verwaltungsrecht selbst seinen Anwendungsbereich regelt. Dabei soll insbesondere untersucht werden, ob den verwaltungsrechtlichen Normen eine Systematik zugrunde liegt, wonach der räumliche Anwendungsbereich territorial auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt ist. Soweit keine solche Gesetzessystematik erkennbar ist, soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit der räumliche Anwendungsbereich durch Auslegung ermittelt werden kann.

aa) Ausdrückliche Regelungen des Anwendungsbereichs Die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs hat sich zunächst an ausdrücklichen gesetzlichen Normierungen zu orientieren. 105 Soweit Vorschriften den räumlichen Anwendungsbereich ausdrücklich bestimmen, sind diese Regelungen maßgeblich. Für eine Auslegung bleibt kein Raum mehr. Eine allgemeine Rechtsnorm, die den Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts explizit regelt, ist jedoch nicht ersichtlich. 106 Der Gesetzgeber hat anders als im Strafrecheo7 keine ausdrücklichen Regelungen getroffen, wonach deutsches Verwaltungsrecht grundsätzlich nur territorial oder auch extraterritorial anwendbar ist. Insbesondere bestehen auch keine Normierungen, die die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte auf das Inland beschränken. Dies gilt auch für die Regelungen des Besonderen Verwaltungsrechts. Dort finden sich zwar einige Vorschriften, die an grenzüberschreitende Sachver-

Grundgesetzes annehmen. Vgl. Beyerlin, NuR 1985, 173 (177); Bleckmann, DÖV 1979,309 (317); Bothe, UPR 1983, 1 (4); Kunig, in: v. MÜßchIKunig, Art. 1 Rn. 55; Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 74 ff.; Sachs, in: Sachs, Vor Art. 1 Rn. 11; Wemer, S.40; s. auch BVerfGE 31, 58 (77); dazu Stern, llIll S. 1234; in Ansätzen Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (121); Weber, DVBl. 1980,330 (335). lOS Vgl. Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 14; Vogel, S. 357. 106 Vgl. Murswiek, JuS 1987,997 (997); OppermanniKilian S. 102. Siehe auch Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 15, der zu Recht darauf hinweist, daß das deutsche Recht keine dem französischen Code Civil entsprechende geschriebene Interpretationsregel enthält, wonach der Anwendungsbereich nationalen Rechts auf innerstaatliche Sachverhalte begrenzt ist. 107 Vgl. §§ 3 bis 7 StGB; s. auch § 5 OWiG; dazu auch DahmIDelbrackIWolfrum, S.329.

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§ 7 Klagebefugnis

halte anknüpfen,108 ausdrückliche Regelungen über den räumlichen Anwendungsbereich finden sich insoweit aber nicht. 109

bb) Das Territorialitätsprinzip als Systementscheidung des Verwaltungsrechts? Soweit den verwaltungsrechtlichen Vorschriften keine ausdrücklichen Regelungen des räumlichen Anwendungsbereichs zu entnehmen sind, stellt sich die Frage, ob dem Verwaltungsrecht eine Systematik zugrunde liegt, der zufolge sich der räumliche Anwendungsbereich bestimmt. Als tragendes Strukturelement des öffentlichen Rechts wird immer wieder auf das Territorialitätsprinzip im deutschen Recht hingewiesen. So bezeichnet Oppermann den Territorialitätsgrundsatz als "eine Grundnonn hinsichtlich der Geltungskraft und des Geltungsbereiches nationalen öffentlichen Rechts". 11 0 Diesem Grundsatz folgend, wird vertreten, daß die Anwendung deutschen öffentlichen Rechts grundsätzlich auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt und die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte damit ausgeschlossen sei. 111 Das Territorialitätsprinzip wird insoweit allerdings nicht als völkerrechtliche Regel begriffen, sondern auch als Grundsatz des nationalen Rechts verstanden. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einer "national-rechtlichen Variante des Territorialitätsgrundsatzes" sprechen. 112 Fraglich ist jedoch, ob ein derartiger Grundsatz im deutschen Recht besteht. Vielfach wird der Grundsatz der Territorialität als selbstverständliche Grundlage des deutschen öffentlichen Rechts dargestellt. 113 So weist bspw. Rest darauf hin, daß aus historischen Gründen "mit nie in Zweifel gezogener Selbstverständlichkeit" vom Territorialitätsprinzip auszugehen sei,114 und stellt K10epfer fest, daß bei der Ermittlung der Klagebefugnis "grundsätzlich die Territorialgebundenheit verwaltungsrechtlicher Nonnen beachtet werden

108 Vgl. bspw. die Regelungen über die Beteiligungen in umweltrechtlichen Verfahren: § 8 UVPG, § 11 a 9. BImSchV; weitere (teilweise überholte) Nachweise bei Oppermann/Kilian, S. 87 f. I09Vgl. Beyerlin, NuR 1985, 173 (177); Brandt, DVBl. 1995,779 (783); Lukesl DehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (2); Oppermann/Kilian, S. 102; Weitbrecht, NJW

1987,2132 (2133). 110 Oppermann, in: BotheJPrieurlRess, S. 126. 111 Vgl. Oppermann/Kilian, S. 114. 112 Jans, S. 168. 113 Vgl. Forsthoff, S. 156; Kloepfer, Umwe1trecht § 6 Rn. 94; ders., VerwAreh 1985,371 (385); ResslMaller, in: Ress, S. 97 tT., vgl. auch Kopp, § 42 Rn. 52. 114 Rest, ÖZöRV 1981, 59 (63).

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müsse. 115 OppennannlKilian kommen nach einer Analyse der Literatur zum allgemeinen Verwaltungsrecht zu dem Schluß, daß allgemein von der selbstverständlichen Geltung des Territorialitätsgrundsatzes ausgegangen wird. 116 Diese "selbstverständliche" Geltung wird jedoch selten begründet und regelmäßig als Prämisse unterstellt,1I1 was insoweit auf Bedenken stößt, als die Annahme einer grundsätzlichen Territorialität staatlichen Rechts nicht so offensichtlich ist, daß sie keiner Begründung bedürfte. Seinen Ursprung findet das "nationale" Territorialitätsprinzip in dem Souveränitätsdenken der einzelnen Staaten. Als für den Beginn dieses Jahrhunderts typisch bezeichnet, 118 wird die Feststellung Zitelmanns, wonach ein Staat zwar den Geltungsbereich seiner Gesetze ausdrücklich benennen könne, "aber wenn das heißen sollte, daß das Gesetz nicht filr einen anderen Machtkreis als den des eigenen Staates und nicht über diesen Machtkreis hinaus gelten wolle, so wäre das überflüssig, es versteht sich von selbst. Denn es wäre sinnlos, wollte der Staat befehlen, wo er nach seiner eigenen Anschauung nicht zu befehlen hätte. Es ist auch noch niemals irgendeinem Gesetzgeber eingefallen, seinen Gesetzen einen Geltungsbereich zu geben, der über die Grenzen des Machtbereichs seines Staates hinaus gelegen hätte. Daraus folgt aber: wenn der gesetzgebende Staat es unterläßt, den Geltungsbereich seines Gesetzes ausdrücklich zu erwähnen, so ist doch stillschweigend als selbstverständlich mitgedacht, daß der Geltungsbereich des Gesetzes gleich dem staatsrechtlich-völkerrechtlichen Machtbereich sein soll [... ] Der Anwendungsrechtssatz steht mit dem Geltungsrechtssatz in unmittelbarstem Zusammenhang, denn einen Fall entscheiden heißt, diejenige Wirkung bestimmen, die der Tatbestand gehabt hat [... ] Das bei der Entscheidung anzuwendende Gesetz ist also dasjenige, das filr diesen Fall geltend war: nur wenn und soweit es geltend war, kann es auch angewendet werden; die Anwendbarkeit ist eine Folge des Gegoltenhabens und darum ein Zeichen und Erkenntnisgrund dafilr.,,119 Diese Ausfiihrungen Zitelmanns sind zwar so heute nicht mehr haltbar, da das Völkerrecht, wie oben gezeigt, nach allgemeiner Auffassung die Anwendung staatlichen Rechts über die Staatsgrenzen hinaus nicht verbietet und die Territorialität lediglich auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt beschränkt. Sie zeigen aber den Versuch, die Anwendbarkeit der eigenen Gesetze auf den Bereich ihrer Durchsetzbarkeit zu beschränken. Ähnliches unternimmt heute Kloepfer. Seiner Auffassung nach hat sich die Bestimmung des räumlichen Bereichs der durch die deutsche Rechtsordnung gewährten subjektiv-öffentlichen Rechte an dem Geltungsbereich der zugrundeliegenden Gesetze zu orientieren. Er spricht insoweit von einer "an sich

Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 94. Oppermann/Kilian, S. 109 f. 117 So auch Jans, S. 169. 118 So Oppermann/Kilian, S. 109. 119 Zitelmann, in: Festgabe Bergbohm, S. 228 ff. 115

116

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§ 7 Klagebefugnis

selbstverständlichen Erheblichkeit des räumlichen Geltungsbereichs eines Gesetzes für die Bestimmung des räumlichen Bereichs der durch dieses Gesetz geschützten Interessen". 120 Als grundlegend weist K10epfer darauf hin, daß der deutsche öffentlich-rechtliche Gesetzgeber die Handlungsmöglichkeiten der deutschen öffentlichen Gewalt regele bzw. begrenze, wobei letztere nur innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes ausgeübt werden dürfe. Damit werde im Prinzip festgelegt, daß deutsche öffentlich-rechtliche Gesetze keine unmittelbar grenzüberschreitende Wirkung hätten. Mit einer solchen Argumentation wird das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip, wonach Rechtssätze nur innerhalb des eigenen Staatsgebietes durchgesetzt werden dürfen, so mittelbar zur Begründung der territorial begrenzten Anwendbarkeit inländischen öffentlichen Rechts herangezogen. 121 Inwieweit eine solche, dieser Ansicht zugrundeliegende Gleichsetzung von Anwendungsbereich und Geltungsbereich einer Rechtsnonn tatsächlich erfolgen kann, erscheint jedoch fraglich. Der Geltungsbereich einer Nonn, soweit er als Bereich der staatlichen Durchsetzung hoheitlicher Gewalt verstanden wird, muß sich, aus dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip folgend, zwingend auf das Staatsgebiet beschränken. Entgegenstehende Regelungen wären insoweit überflüssig, als sie aufgrund des Verstoßes gegen das Völkerrecht keine Wirkung entfalten könnten. Beim Anwendungsbereich stellt sich die Lage anders dar. Der räumliche Anwendungsbereich einer Rechtsnonn kann unter Beachtung der völkerrechtlichen Beschränkungen auch grenzüberschreitend ausgestaltet werden. Dem Gesetzgeber steht damit die Entscheidung frei, ob eine entsprechende Regelung nur territorial begrenzt oder auch grenzüberschreitend anwendbar sein soll. Während also die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des Geltungsbereichs aufgrund Völkergewohnheitsrechts beschränkt ist, steht die Regelung des Anwendungsbereichs weitgehend zur freien Disposition des Gesetzgebers. Insoweit sind Anwendungs- und Geltungsbereich einer Nonn bereits im Hinblick auf die ihnen zugrundeliegenden Regelungskompetenzen und damit ihre potentielle räumliche Ausdehnung derart verschieden, daß eine apriorische Gleichstellung beider Bereiche nicht begründet werden kann. Eine andere, darüber hinausgehende Frage ist, ob es sinnvoll erscheint, Regelungen zu treffen, die grenzüberschreitend anwendbar, jedoch nur im Inland durchsetzbar sind. Diese Frage ist jedoch zum einen keine rechtssystematische, sondern eine rechtspolitische und von dem jeweiligen Regelungsgegenstand abhängig. Zum anderen sind der deutschen Rechtsordnung durchaus

Vgl. Kloepfer, DVBI. 1984,245 (248). Vgl. so auch Oppermann, in: BothelPrieurlRess, S. 126; ähnlich auch LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (5). 120 121

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Regelungen zu entnehmen, in denen Anwendungs- und Geltungsbereich auseinanderfallen. Dies gilt beispielhaft für Regelungen des Strafrechts, nach denen auch solche Taten strafbar sind, die außerhalb des deutschen Territoriums und damit außerhalb der deutschen Rechtsdurchsetzungsmacht begangen worden sind. 122 Aber auch im VeIWaltungsrecht bestehen Regelungen, die extraterritoriale Gegebenheiten ausdrücklich zum Anknüpfungspunkt inländischer Regelungen machen. Beispielsweise hängen nach § 19 b und § 19 c WHG Erteilung und Bestand einer Rohrleitungsanlage von extraterritorialen Verschmutzungen ab, fordert § 4 a AtG das Vorliegen einer Deckungsvorsorge bei der grenzüberschreitenden Beförderung von Kernbrennstoffen oder sehen § 8 UVPG und § 11 a 9. BImSchVeine grenzüberschreitende Behördenbeteiligung vor. Wie sich anband dieser Normen zeigt, ist die Ausdehnung des Anwendungsbereichs einer Norm über ihren Geltungsbereich hinaus immer dann sinnvoll, wenn der extraterritoriale Bezug wirksamer Anknüpfungspunkt für einen innerstaatlichen Hoheitsakt sein kann. Festzustellen ist damit in jedem Fall, daß die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs einer Rechtsnorm aufgrund des systematischen Unterschieds zum Geltungsbereich von diesem unabhängig ist. Die Anwendung einer Vorschrift über ihren Durchsetzungsbereich hinaus erscheint zudem vielfach nicht nur sinnvoll, sondern ist in der deutschen Rechtsordnung teilweise auch ausdrücklich vorgesehen. Angesichts der genannten Regelungen, die sich ausdrücklich auf extraterritoriale Sachverhalte beziehen, stellt sich die Frage, ob dem deutschen Verwaltungsrecht insoweit ein Regel-/Ausnahmeverhältnis zu entnehmen ist, als die Vorschriften des deutschen VeIWaltungsrechts, soweit nichts anderes bestimmt ist, grundsätzlich nur territorial begrenzt anwendbar sind. Ein solcher Schluß wird, soweit ersichtlich, innerhalb der Lehre allerdings nicht gezogen. Nach allgemeiner und vom vertretenen Ergebnis unabhängiger Auffassung folgt aus dem Fehlen einschlägiger Regelungen, trotz bestehender Ausnahmetatbestände, weder die uneingeschränkte Geltung des Territorialitätsprinzips noch eine grundsätzlich unbeschränkte Anwendung deutschen öffentlichen Rechts. 123

Vgl. dazu Wesseis, Rn. 62 ff. Vgl. DahmIDelbrackIWolfrum, S. 329; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 14 f.; Oppermann/Kilian, S. 102; weitergehend EyermannIFriJhler, Anh. § 42 Rn. 68, die der Auffassung sind, daß den Regelungen des Verwaltungsrechts grundsätzlich kein derartiges Rege1-/Ausnahmeverhältnis entnommen werden könne. "Venneintliche Regel-/ Ausnahme-Verhältnisse in einzelnen Verwaltungsgesetzen, die den Schutz ausländischer Rechtsgüter entweder ausdrücklich vorsehen, ausdrücklich ausschließen oder ausdrücklich vom Vorliegen der Reziprozität abhängig machen, sind nicht in der Lage, 122

123

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§ 7 KJagebefugnis

Vielfach wird dem "Schweigen" der einschlägigen Rechtsgrundlage jedoch eine Vermutung zugunsten einer binnenorientierten Ausrichtung entnommen. 124 Diese Betrachtungsweise kann allerdings insofern nicht überzeugen, als sie nicht ohne Prämisse auskommt. Nur soweit man vom Grundsatz der territorialen Begrenztheit deutschen Verwaltungsrechts ausgeht, kann man eine solche Vermutung für den Zweifelsfall zugrunde legen. Der Bestimmung eines Grundsatzes dient eine solche Argumentation nicht. Gleiches gilt für solche Auffassungen, die darauf hinweisen, daß die grenzüberschreitende Anwendung deutschen öffentlichen Rechts eine ausdrückliche Regelung seitens des nationalen Gesetzgebers voraussetze. 125 Auch hier wird von einer grundsätzlichen Geltung des Gebietsgrundsatzes ausgegangen, die nur aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen zu beseitigen ist. Dies träfe zu, wenn das Territorialitätsprinzip dem deutschen Recht immanent wäre. Eine solche Systematik wäre jedoch erst zu beweisen. Die Rechtsprechung hat sich in einigen Entscheidungenl26, denen Sachverhalte mit extraterritorialen Bezügen zugrunde lagen, mit dem Territorialitätsprinzip beschäftigt, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß die nationalen Gerichte regelmäßig nicht zwischen völkerrechtlichem und "nationalem" Ansatz unterscheiden. Die Interpretation der Rechtsprechung im Hinblick auf die Feststellung der Geltung des Gebietsgrundsatzes im deutschen öffentlichen Recht ist umstritten. Während OppermannlKilian davon ausgehen, daß der Rechtsprechung eine grundsätzliche Geltung des Territorialitätsprinzips, welches nur in Ausnahmefällen durchbrochen werde, zu entnehmen sei,127 weist Bothe in einer ausführlichen Entgegnung dieser These die Annahme eines solchen Regel-/Ausnahmeverhältnisses als unzutreffend zuruck. 128

die erfragte Regel zu bestätigen oder zu verwerfen; denn allzu häufig beruhen vermeintliche Regeln auf legislativen Zufälligkeiten." Zu beachten ist zudem, daß sich aus den Regelungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitengesetzes keine Rückschlüsse auf ein Regel-/Ausnahmeverhältnis ziehen lassen. Die Regelungen des "Geltungsbereichs" dieser Gesetze dienen in erster Linie dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Zu bedenken ist insoweit auch, daß § 4 OWiG die Geltung des OWiG ausdrücklich auf das Inland begrenzt. 124 Vgl. Kloepfer, DVBI. 1984, 245 (247); Oppermann, in: Bothe!PrieurlRess, S. 126; ders./Kilian, S. 102. 125 Ressllvfal/er, in: Ress, S. 99. 126 Vgl. zur Rechtsprechung bis 1981 ausftlhrlich, wenngleich letztlich mit anderem Ergebnis Oppermann/Kilian, S. 103 fI 127 Oppermann/Kilian, S. 107 f1 128 Bothe, UPR 1983, 1 (3 f.), der sich mit der von Oppermann/Kilian dargestellten Rechtsprechung, sowie den daraus gezogenen Schlußfolgerungen ausftlhrlich auseinandersetzt.

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Tatsächlich läßt sich der zitierten Rechtsprechung keine grundsätzliche Geltung des Territorialitätsprinzips entnehmen. Insbesondere aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht keine derartige Regel hervor. 129 Soweit sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Territorialitätsprinzip beschäftigt hat, stellt das Gericht klar, daß der Bundesgesetzgeber eine Nonn zwar dem Territorialitätsprinzip unterstellen könne, darin jedoch eine Erweiterung bestehender Regeln liege. 130 Auf gleicher Linie liegt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verweigerung der Rentenzahlung an im Ausland lebende Ausländer. Es erklärte die fragliche Regelung wegen eines darin liegenden Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig. 131 Dabei sah das Gericht zwar eine Differenzierung auch unter Beachtung des Territorialitätsprinzips als möglich an, es machte jedoch zugleich deutlich, daß die extraterritoriale Gewährung staatlicher Leistungen nach deutschem Recht grundsätzlich zulässig (u. U. sogar geboten) ist. \32 Besonders zu beachten ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dies ist ausdrücklich der Auffassung, daß die Anwendung des Territorialitätsprinzips nicht der Zulässigkeit der Gewährung von Leistungen im Ausland entgegen stehe. 133 Auch die Anknüpfung deutscher Nonnen an im Ausland verwirklichte Sachverhalte wird für unbedenklich gehalten. 134 Die dargestellten Ausführungen stehen zwar im Zusammenhang mit dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip, sie haben jedoch für das nationale Recht insoweit Bedeutung, als das Bundessozialgericht die grenzüberschreitende Gewährung von Leistungen und Beurteilung extraterritorialer Sachverhalte auch für das deutsche Recht als zulässig erachtet. 135

129 A.

A. OppermanniKilian, S. 104. BVerfGE 51, 356 (367): "Gewiß ist richtig, daß die vorgelegte Regelung das Rechtsinstitut der freiwilligen Weiterversicherung dem Territorialitätsprinzip unterwirft. Indessen ist das Bestreben, diesem Prinzip über den bisherigen Bereich hinaus [!] Geltung zu verschaffen, kein Gesichtspunkt, der so schwer wiegt, daß er es rechtfertige, Rechtspositionen, fiIr die schon in der Vergangenheit erhebliche Leistungen erbracht sind, fiIr die Zukunft ohne Ausgleich zu entwerten." 131 BVerfGE 51, I. 132 BVerfGE 51, I (26 ff.); vgl. zur Zulässigkeit extraterritorialer Schadensregulierungen BVerfGE 14,221 (237). 133 BSGE 27, 129 (132); E 31, 288 (290). 134 BSGE 26, 1 (3);E 36, 209 (215). 135 So wohl auch Bothe, UPR 1983, 1 (2 f), der die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Hinblick auf die Geltung des Territorialitätsprinzips im deutschen Recht erörtert. Zum Territorialitätsprinzip im Sozialrecht vgl. Ruland, in: SclunidtAßmann, BesVerwR, 7. Abschn. Rn. 10, der darauf hinweist, daß das deutsche Sozialrecht vom Territorialitätsprinzip beherrscht werde. Dabei wird das Territorialitätsprinzip jedoch im Hinblick auf die Bestimmung desjenigen Bereiches verstanden, innerhalb dessen Anspruche auf Sozialleistungen entstehen können. Insoweit handelt es sich 130

17 Feldmüller

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§ 7 Klagebefugnis

Auch der Rechtsprechung des BGH, der sich in bezug auf die innerstaatliche Wirkung fremdstaatlicher Enteignungen136 oder Verfiigungsbeschränkungen137 mit der Geltung des Territorialitätsprinzips befaßt hat, läßt sich im Ergebnis nichts anderes entnehmen. Das Gericht weist zwar darauf hin, daß ausländische Hoheitsakte im Inland und damit wohl gleichsam spiegelverkehrt auch inländische Hoheitsakte im Ausland per se keine Wirkung entfalten. 138 Wie Bothe jedoch zu Recht bemerkt, gehen die Entscheidungen des BGH nicht über den völkerrechtlichen Gehalt des Territorialitätsprinzips hinaus. Der BGH stellt lediglich fest, daß die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt im Ausland ohne entsprechende Einwilligung unzulässig ist. Daraus lassen sich jedoch keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Geltung eines "nationalen" Territorialitätsprinzips gewinnen. Soweit man diesem nämlich alleine die Bedeutung beilegt, daß Staatsakte (Gesetze, Verwaltungsakte u. s. w.) aus dem Bereich des öffentlichen Rechts nur innerhalb des eigenen Territoriums wirken, das heißt, ihnen keine Geltung i. S. einer rechtlichen Verbindlichkeit im oder für das Ausland zukommt,139 kann man zwar von einem Prinzip "nationaler" Territorialität sprechen. Dies betriffi: aber nur den ohnehin durch das Völkerrecht räumlich begrenzten Geltungsbereich eines Rechtssatzes. Über den Anwendungsbereich staatlichen Rechts sagt ein so verstandenes "nationales" Territorialitätsprinzip nichts aus. Anders als die bisher dargestellte Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Fall Hamers ausdrücklich mit der Frage der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte beschäftigt.l40 Dabei kam das Gericht zu dem Ergebnis, daß verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz auch im Ausland wohnenden ausländischen Klägern zukommen kann. Dabei beschäftigt sich die Entscheidung zwar nicht explizit mit der innerstaatlichen Geltung des "nationalen" Territorialitätsgrundsatzes, der Begründung läßt sich jedoch entnehmen, daß das Gericht nicht von einer grundsätzlichen Geltung dieses Prinzips ausgeht, sondern zur Ermittlung des räumlichen Anwendungsbereichs vielmehr die Auslegung der entscheidungserheblichen Norm in den Vordergrund stellt. 141

wn den besonderen Fall der tatbestandlichen Voraussetzungen der Leistungsverwaltung. 136 BGHZ 62,340 (343 fI.); vgl. auch BGHZ 56, 66 (69 fI.). 137 BGHZ 31, 367 (371 fI.); vgl. auch BGHZ 12, 134. 138 BGHZ 64, 183 (189); 31, 367 (371). 139 Vgl. so (unter besonderer Berücksichtigung des Enteignungsrechts) Kege/lSeidlHohenveldem, in: FS Ferid, S. 136,277. 140 BVerwGE 75, 285; s. dazu oben § 7 IV. 1. c). 141 Ebenso OVG Saarlouis NVwZ 1995, 97 (97 f).

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Zusammenfassend läßt sich damit feststellen, daß dem deutschen Verwaltungsrecht keine Systematik zugrunde liegt, wonach dessen räumlicher Anwendungsbereich territorial auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist. Diese Auffassung wird durch die Rechtsprechung der oberen deutschen Gerichte bestätigt.

cc) Ennittlung des Anwendungsbereichs durch Auslegung Nachdem festgestellt wurde, daß dem deutschen Verwaltungsrecht keine Systematik zugrunde liegt. die dessen räumliche Anwendung grundsätzlich auf das Territorium der Bundesrepublik beschränkt, stellt sich die Frage, inwieweit der Anwendungsbereich durch Auslegung zu ennitteln ist und ob dem deutschen Recht diesbezügliche Auslegungsgrundsätze zu entnehmen sind.

(1) Grundlagen der Auslegung des Anwendungsbereichs

Daß der räumliche Anwendungsbereich verwaltungsrechtlicher Nonnen im Regelfall durch Auslegung zu ennitteln ist, wird mittlerweile von der ganz überwiegenden Meinung anerkannt. 142 Die Ennittlung des räumlichen Anwendungsbereichs hat sich dabei an den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Umständen des jeweiligen Rechtsgebietes zu orientieren. 143 Nur soweit die tatsächlichen und rechtlichen Umstände extraterritoriale Bezüge aufweisen, stellt sich die Frage nach der Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs über die Staatsgrenzen hinaus. Es liegt insoweit auf der Hand, daß bspw. im Hinblick auf die Bestimmung des Anwendungsbereichs umweltrechtlicher Regelungen andere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, als in bezug auf die Regelungen der Gemeindeordnungen (GO) oder des Parteiengesetzes (parteienG). Während das Umweltrecht (auch) grenzüberschreitende Konfliktpotentiale betriffi:, sind GO oder ParteienG bereits aufgrund der tatsächlichen Umstände rein binnenorientiert. Die Frage der extraterritorialen Anwendung stellt sich insoweit nicht. Zur Ennittlung des Anwendungsbereiches ist auf alle bekannten Auslegungsmethoden zurückzugreifen. Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst der

142 Vgl. BVerwGE 75, 285 (288); OVG Saarlouis NVwZ 1995, 97 (97 f); DahmIDelbrackIWolf11lm, S. 329; Kloepfer, DVBI. 1984, 245 (247); Kopp, § 42 Rn. 52; Lappe, NuR 1993,213 (214 f); LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (6); Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 15; Vogel, S. 416; Weber, DVBI. 1980, 330 (331); s. auch BSGE 36,209 (216); Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 74. 143 Vgl. OVG Saarlouis NVwZ 1995,97 (97 f); Vogel, S. 417 f

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Sinn und Zweck einer Regelung. Diesem allein kann jedoch nicht immer eine Aussage über den Anwendungsbereich entnommen werden. Bezweckt bspw. eine Norm wie § 5 Abs. I Nr. 1 BImSchG den Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaftl44 vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, kann daraus nicht abgeleitet werden, ob sich Anwendungs- bzw. Schutzbereich dieser Vorschrift auf das Inland beschränken oder auch über die Staatsgrenzen hinaus erstrecken. I 45 In diesen Fällen, in denen der Anwendungsbereich grundsätzlich offen ist, sind im wesentlichen zwei verschiedene Auslegungsregeln denkbar. Zum einen kann angenommen werden, daß sich deutsche Verwaltungsrechtsnormen, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur auf nationale Sachverhalte beziehen oder zum anderen kann davon ausgegangen werden, daß auch ausländische Rechtsgüter dem Regelungsbereich und damit letztlich dem Schutzbereich deutscher Vorschriften unterfallen. 146 Einigkeit besteht dahingehend, daß bei der Auslegung einfachen Rechts dem Willen des Verfassunggebers besondere Bedeutung zukommt. I 47 Inwieweit das deutsche Recht Auslegungsgrundsätze zugunsten einer extraterritorialen oder binnenorientierten Anwendung kennt, soll nachfolgend unter besonderer Berücksichtigung des Umweltrechts untersucht werden. I 48 (2) Auslegungsgrundsätze zugunsten einer extraterritorialen Anwendung

Zugunsten einer extraterritorialen Anwendung deutschen Verwaltungsrechts haben sich im wesentlichen zwei Regelungsansätze herausgebildet. Zum einen gilt der Grundsatz der "völkerrechtsfreundlichen Auslegung" na-

zum Nachbarschaftsbegriff Sellner, in: HdUR, Sp. 2308 f. Zu diesem Beispiel vgl. Wolfrom, DVBI. 1984,493 (499). 146 Siehe dazu Vogel, S. 411: ,,Die Untersuchung ist damit vor die Frage gestellt, ob sich [... ] insbesondere aus dem geltenden deutschen Staats- und Verwaltungsrecht eine derartige Grundentscheidung entweder ftlr eine ,nationalistische' oder umgekehrt ftlr eine ,kosmopolitische' Gesetzesauslegung im Bereich des Verwaltungsrechts ableiten läßt." Und weiter: "So ist im Ergebnis also bei allen feldtheoretischen Auslegungsfragen [... ] zwischen einer ,nationalistisch' oder ,isolationalistisch' bestimmten Gesetzesauslegung und einer entgegengesetzten ,internationalistischen' oder ,kosmopolitischen' Auslegungsvariante zu wählen." 147 Vgl. hier nur LukeslDehmerlWendling, GewAreh 1986, (6). 148 Das Umweltrecht eignet sich ftlr eine solche Untersuchung insbesondere aus zwei Gründen. Zum einen betreffen seine Regelungen, wie dargestellt, auch grenzüberschreitende Konflikte und zum anderen ist dieser Bereich aufgrund der tatsächlichen extraterritorialen Bezüge auch ftlr fremde Staaten, bzw. insbesondere ftlr die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wie die grenznahen Gemeinden, Provinzen oder Bundesländern besonders relevant. Dazu schon oben § 7 N I. b). 144 Allg. 145

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tionalen Rechts, wonach eine innerstaatliche Nonn so zu interpretieren ist, daß sie den Staat nicht an der Erfüllung seiner völkerrechtlichen Pflichten hindert, sondern vielmehr die Befolgung völkerrechtlicher Pflichten im innerstaatlichen Rechtsraum erleichtert und fördert. 149 Zum anderen wird in der Lehre auf das verfassungsrechtliche Prinzip der "offenen Staatlichkeit" hingewiesen. An diesen Grundsatz angelehnt sei eine innerstaatliche Nonn so auszulegen, daß sie dem Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit möglichst weitgehend Rechnung trage. 150 Wenngleich beide Grundsätze eng miteinander verbunden sind und in Rechtsprechung und Lehre teilweise synonym verwendet werden, I51 sind sie dennoch voneinander zu trennen. IS2 Während das Prinzip der "Völkerrechtsfreundlichkeit" an den völkerrechtlichen Pflichtenkreis des Staates anknüpft, ist die Auslegung nach dem Grundsatz der "offenen Staatlichkeit" alleine Folge einer verfassungsrechtlichen Direktive. Grundlage beider Auslegungsmethoden ist die Verfassungsentscheidung für eine sog. "offene" Staatlichkeit. Dieser von Vogel 153 geprägte Begriff umschreibt die staatsrechtliche Entscheidung, nach der der Bundesrepublik kein geschlossenes Staatsbild zugrunde liegt, sondern in der die Einordnung der Bundesrepublik in die internationale Staatengemeinschaft und für eine internationale Zusammenarbeit zum Ausdruck kommt. 154 Das Bekenntnis des Verfassunggebers zur "internationalen OfIenheit,,15S wird überwiegend aus der Präambel des Grundgesetzes und den Artt. 23 bis 26 GG hergeleitet. Die in Art. 24 GG eröffnete Möglichkeit, staatliche Hoheitsrechte zu übertragen, die in Art. 25 GG normierte Einbeziehung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts in den innerstaatlichen Rechtskreis und das in Art. 26 GG geregelte Verbot das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, zeigten, daß sich der Verfassunggeber ausdrücklich zu dem Grundsatz der internationalen Zusammenarbeit bekannt habe l56 und daß das Grundgesetz die Völkerrechtsordnung als Maßstab der Gerechtigkeit akzeptiere.

149 Vgl. Rojahn, in: v. MtinchIKunig, Art. 24 Rn. 4; Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 27. 150 Beyerlin, NuR 1985,173 (177). 151 Vgl. Bleckmann, DÖV 1979,309 (317). 152 Vgl. Beyerlin, NuR 1985, 173 (177); Robbers, in: Bunneister, S. 186; s. auch HoppelBeckmann, DVBI. 1986, 1 (5); Wahl/SchUtz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 223; Wemer, S. 41 153 Vogel, Verfassungsentscheidung, S. 35 ff.; ders., S. 415 154 Vgl. Rojahn, in: v. MÜßchIKunig, Art. 24 Rn. 1. 155 Zu diesem Begriff s. Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 1. 156 Vgl. Vogel, S. 413; s. auch Streinz, in: Sachs, Art. 24 Rn. 6.

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Dei" Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit wird heute nahezu unbestritten als eine Grundentscheidung des Grundgesetzes anerkannt. 157 Die Bedeutung dieses Prinzips im einzelnen, insbesondere fiir die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs der Normen des Verwaltungsrechts, ist jedoch umstritten. I 58

(a) Völkerrechtsfreundliche Auslegung Nach dem Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ist, sofern eine Rechtsnorm mehrere Deutungen zuläßt, derjenigen Interpretation der Vorzug zu geben, die den Anforderungen des Völkerrechts am besten gerecht wird. I 59 Zu unterscheiden sind insoweit jedoch zwei unterschiedliche Konstellationen. Zum einen besteht die Möglichkeit, daß eine völkerrechtliche Regel eine staatliche Verhaltenspflicht normiert, welche ihrerseits bereits Gegenstand einer innerstaatlichen Regelung ist. l60 Soweit in einem solchen Fall die staatliche Vorschrift mit der Regelung des Völkerrechts unmittelbar kollidiert, regelt Art. 25 GG, daß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Vorrang vor den einschlägigen Norm des einfachen Gesetzesrechts zukommt und diese insoweit verdrängt.161 Zur Vermeidung dieser Folge ist die fragliche innerstaatliche Regelung, soweit es ihr Wortlaut zuläßt, entsprechend der Regel des Völkerrechts auszulegen. 162 Das Bundesverfassungsgericht stellt dazu fest: ,,Mit der durch Art. 25 GG vollzogenen Eingliederung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts in das Bundesrecht mit Vorrang vor den Gesetzen erzwingt die Verfassung eine d~ allgemeinen Völkerrecht entsprechende Gestaltung des Bundesrechts. Der Sinn der unmittelbaren Geltung der allgemeinen Regeln des Völker-

157 Vgl. Beyerlin, NuR 1985, 173 (177); m. w. N. Bleckmann, DÖV 1979, 309 (309); Bothe, UPR 1983, I (5); EyermannIFr6hler, Anh. § 42 Rn. 69; Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 24 Rn. I; Robbers, in: Burmeister, S. 186; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 23 Rn. 2; Wahl/Schatz, in: SchochiSchmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. Abs. 2 Rn. 223; kritisch zum Prinzip der "Offenheit" als Verfassungsentscheidung Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 7. 158 Siehe dazu nachfolgend § 7 IV. 1. g) cc) (2) (b). 159 Vgl. Rojahn, in: v. MÜDchIKunig, Art. 24 Rn. 4; Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 27; S. auch Bothe, UPR 1983,1 (5); Geiger, GGuVöR, S. 190. 160 Vgl. Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 35. 161 Vgl. dazu oben § 7 II. 4.; s. hier nur BVerfGE 23, 288 (316); Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 25 Rn. 6. 162 Vgl. dazu oben § 7 II. 4.; s. hier nur Schmidt-BleibtreuiKlein, Art. 25 Rn. I; Stern, I S. 494.

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rechts liegt darin, kollidierendes innerstaatliches Recht zu verdrängen und seine völkerrechtskonfonne Anwendung zu bewirken.,.I63

Eine solche völkerrechtskonforme Auslegung käme im Hinblick auf den räumlichen Anwendungsbereich nationalen Verwaltungsrechts in Betracht, wenn dem Völkerrecht entsprechende Ge- oder Verbotsregeln zu entnehmen wären. Da dies aber, wie oben ausführlich erörtert, nicht der Fall ist, spielt der Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung insoweit keine Rolle. 164 Über den Fall der unmittelbaren NormenkolIision hinaus wird der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung verwendet, um die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen als Auslegungskriterium für das nationale Recht heranzuziehen. Eine solche Auslegung orientiert sich insoweit nicht mehr an einer den Sachverhalt unmittelbar betreffenden Völkerrechtsnorm, sondern bezieht sich auf sonstige völkerrechtliche Verpflichtungen des Staates, deren Einhaltung durch eine entsprechende Auslegung nationalen Rechts gefördert werden soll. Die Frage, welche Bedeutung einer so verstandenen völkerrechtsfreundlichen Auslegung im Hinblick auf die extraterritoriale Anwendung deutschen Verwaltungsrechts und die Gewährung grenzüberschreitender subjektivöffentlicher Rechte zukommt, ist umstritten. Teilweise wird unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes vertreten, daß die Normen des deutschen Umweltrechts aufgrund des völkerrechtlichen Gebotes der Vermeidung übermäßiger grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen und wegen der daraus folgenden Berücksichtigungspflicht fremdstaatlicher Belange nicht nur territorial begrenzt, sondern auch extraterritorial anwendbar sein müßten. 165 Einer solchen Auffassung ist im Hinblick auf die Normen des deutschen Umweltrechts weitgehend zuzustimmen. Verpflichtet das Völkerrecht den Staat, übermäßige grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen zu unterlassen, folgt daraus zugleich, daß die einschlägigen Normen des deutschen Rechts nicht ausschließlich binnenorientiert verstanden werden können, sondern auch extraterritoriale Sachverhalte zu berücksichtigen haben. Wie dieses Beispiel zeigt, ist eine derartige völkerrechtsfreundliche Auslegung immer dann möglich, wenn das Völkerrecht seine Rahmenbedingung hinreichend deutlich formuliert. Verpflichtet es den Staat zu einem bestimmten Verhalten, sind die nationalen Rechtsnormen ent-

163 BVertUE 28, 288 (316); vgl. auch E 75,1 (18 f.). 164 Vgl. dazu auch Bothe, UPR 1983, 1 (5). 165 Vgl. Bothe, UPR 1983, 1 (5); Weber, DVBI. 1980,330 (331); Wolfrom, DVBl. 1984, 1 (2); ebenso auch LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (2); s. zudem Jans, S. 169; allg. zu den Regelungen des Umweltvölkerrechts vgl. Kimminich, in: HdUR, Sp. 2510 tI.; Kloepfer, Umweltrecht § 6 Rn. 53 ff.; Oppermann, in: HdUR, Sp. 911 ff.; Seidl-Hohenveldem, Rn. 1519 tI; Wemer, S. 5 ff.

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sprechend auszulegen. Ob dies der Fall ist, ist aber stets für den Einzelfall zu überprüfen. Fraglich ist insoweit, ob eine völkerrechtsfreundliche Auslegung, in dem gerade dargestellten Sinn geeignet ist, nicht nur den räumlichen Anwendungsbereich nationalen Rechts über die Staatsgrenzen hinaus zu erstrekken, sondern ebenso den Schutzwirkungen staatlicher Rechtssätze eine extraterritoriale Reichweite beizulegen. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang zwei Aspekte. Betrachtet man zum einen alleine die Forderungen des Völkerrechts, so kann diesen weder unmittelbar, noch unter Beachtung der sonstigen Rahmenbedingungen, wie bspw. dem Gebot zur Vermeidung übermäßiger grenzüberschreitender Emissionen, mittelbar eine Pflicht zur Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte entnommen werden. Das Völkerrecht formuliert alleine materielle Pflichten. Wie der Staat diese umsetzt, bleibt ihm selbst überlassen. 166 Insoweit wären die Grenzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung überschritten, wollte man alleine daraus die Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes folgern. 167 Eine andere Überlegung hingegen knüpft an den Anwendungsbereich nationalen Rechts an. Wenn dieser aufgrund der Vorgaben des Völkerrechts sich über die Staatsgrenzen hinaus erstreckt, stellt sich die Frage, ob insoweit nicht auch der (potentielle) Schutzbereich einer Norm in gleicher Weise grenzüberschreitend ist. Inwieweit eine solche Folgerung zutreffend ist, wird später untersucht werden. Im Hinblick auf den Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ist zunächst festzustellen, daß sich die Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte allenfalls als mittelbare Folge einer solchen Auslegung darstellt. Festzuhalten bleibt damit, daß deutsches Verwaltungsrecht aufgrund des Grundsatzes der völkerrechtsfreundlichen Auslegung im Einzelfall extraterritorial anwendbar sein kann. Einen Auslegungsgrundsatz, wonach nationales Recht im Zweifel auch grenzüberschreitend anzuwenden ist, begründet diese Auslegungsmethode hingegen nicht. Insbesondere läßt sie auch keine unmittelbaren Schlußfolgerungen auf die Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte zu.

(b) Auslegung nach dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit

Anders als die dargestellte völkerrechtsfreundliche Auslegung, geht die von Vogel entwickelte Auslegungsmethode nicht von völkerrechtlichen Vorgaben Vgl. Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 36. Vgl. insoweit zu Recht Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 36; s. auch Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (120); Bothe, UPR 1983, 1 (5); Werner, S. 42; insgesamt sehr kritisch, insoweit aber zutreffend Rauschning, A VR 25 (1987), 312 (326 f.). 166

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aus, sondern begrtindet aus einer verfassungsrechtlichen Direktive heraus eine Verpflichtung, in allen zweifelhaften Auslegungsfragen detjenigen Interpretation den Vorzug zu geben, die dem Gedanken einer Begünstigung der internationalen Zusammenarbeit und des internationalen Verkehrs am besten gerecht wird. 168 Die "verfassungsrechtliche Direktive" der offenen Staatlichkeit richte sich zwar in erster Linie an die politischen Organe des Staates, sie sei jedoch auch fiir die Rechtsprechung von Bedeutung. Die rechtsprechende Gewalt habe zwar keine Gestaltungsaufgaben, sie sei jedoch verpflichtet "etwaige zweifelhafte Auslegungsfragen nicht in selbständiger und damit willkürlicher Wertung, sondern aus der allgemeinen Wertung unserer Gesamtrechtsordnung heraus, insbesondere also auch des geltenden Verfassungsrechts zu entscheiden. [... ]

Aus der Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes fiir einen "offenen" Staat ergibt sich also fiir die Rechtsanwendung ein verfassungsrechtlicher Auslegungsgrundsatz des Inhalts, daß in allen ZweifelsfaIlen bei der Auslegung eines Gesetzes detjenigen Gesetzesauslegung der Vorzug zu geben ist, die dem Verfassungsprinzip der "offenen" Staatlichkeit, mit anderen Worten: Dem Bekenntnis des Grundgesetzes zur internationalen Zusammenarbeit und zum internationalen Austausch am besten entspricht."169 Anknüpfungspunkt einer am Grundsatz der "offenen Staatlichkeit" orientierten Auslegung ist damit nicht das Völkerrecht, sondern sind in erster Linie die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts. Dabei ist zu beachten, daß auch innerhalb dieses Auslegungsgrundsatzes den völkerrechtlichen Grundsätzen insoweit besondere Bedeutung zukommt, als diese die Grundlagen der internationalen Kooperation und Koexistenz bilden. Eine an dem Prinzip der "offenen" Staatlichkeit orientierte Auslegung geht jedoch über die völkerrechtlichen Anforderungen hinaus. Ihr folgend ist in Zweifelsfällen einer "internationalistischen" Auslegung auch dann der Vorzug zu geben, wenn keine völkerrechtlichen Gebote bestehen. Ein Beispiel einer solchen Auslegung ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 1964. Das Gericht bezog sich hinsichtlich der Frage, ob die Auslieferung eines Straftäters trotz drohender Todesstrafe angesichts der Regelung des Art. 102 GG zulässig sei, auf die "völkerrechtsfreundliche Grundhaltung des Grundgesetzes, die vor allem Achtung vor fremden Rechtsordnungen und Rechtsauffassungen fordert.,,17o Wie Tomuschat171 zu Recht bemerkt, geht das Bundesverfassungsgericht in seinen Erwägungsgrunden über den geltenden Vogel, S. 416 f Vogel, S. 414 f 170 BVerfGE 18, 112 (121); vgl. auch E 31,58 (75 f). 171 Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 8.

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völkerrechtlichen Norrnbestand weit hinaus und bezieht sich auf völkerrechtlich nicht verfestigte Rechtsgrundsätze. Einen Grenzfall zwischen "völkerrechtsfreundlicher Auslegung" und Auslegung nach dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit bildet das schon mehrfach zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Hamers. Das Gericht legt seiner Entscheidung zwar ausdrücklich eine "völkerrechtsfreundliche Auslegung" zugrunde l72 und begründet die extraterritoriale Anwendung des deutschen Atomgesetzes mit dem "unmittelbaren Hineinwirken völkerrechtlicher Bindungen in die innerstaatliche Rechtsordnung". Es weist jedoch weiter insbesondere auf die grenzüberschreitenden Gefahren der Kernenergie und die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Atomgemeinschaft hin. Diese Erwägungen orientieren sich bei genauerer Betrachtung weniger an völkerrechtlichen Geboten oder Verpflichtungen, sondern stellen vielmehr den Gedanken der internationalen Zusammenarbeit in den Vordergrund. Soweit orientiert sich die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung nicht nur an den Grundsätzen der "Völkerrechtsfreundlichkeit" , sondern auch an denen der "offenen" Staatlichkeit. 173 Es zeigt sich damit, daß beide Auslegungsprinzipien eng miteinander verknüpft sind. Die Grenze zwischen der Annahme einer völkerrechtlichen Verpflichtung, die es zu fördern gilt, und dem Postulat der Begünstigung der internationalen Zusammenarbeit ist fließend. Welche Bedeutung der Auslegung nach dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit für die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs nationalen Verwaltungsrechts und die Gewährung grenzüberschreitender subjektivöffentlicher Rechte zukommt, wird unterschiedlich beurteilt. In der neueren Lehre wird der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit zunehmend zugunsten

172 BVerwGE 75, 285 (288): "Wenn ein Staat völkerrechtlich verpflichtet ist, ,grenzüberschreitende Umweltbelastlmgen soweit zu verhüten, abzubauen und zu kontrollieren, daß ein ernster Schaden im Gebiet eines anderen Staates nicht auftreten kann', dann folgt daraus zwar noch keine Pflicht des Genehmigungsstaates zur Verleihung subjektiv-öffentlicher Rechts an Auslandsbewohner, wohl aber ergibt sich daraus, daß eine Erstreckung von nationalen Schutznormen auf Ausländer jedenfalls dann nicht völkerrechtswidrig ist, wenn auf diese Weise einem potentiell grenzüberschreitenden geflihrlichen Tun begegnet werden soll. Darin liegt nicht nur ein ausreichender völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt; vielmehr kann so gleichzeitig die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtlmgen des Genehmigungsstaates effektiver gesichert werden. Das Atomgesetz fordert eine in diesem Sinne völkerrechtsfreundliche Auslegung." 173 Vgl. Geiger, GGuVöR, S.346. Im Ergebnis ähnlich Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 36, der darauf hinweist, daß der Grundsatz der" Völkerrechtsfreundlichkeit" die vorgenommene Auslegung mangels hinreichender völkerrechtlicher Regeln nicht trage.

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einer extraterritorialen Anwendung angeführt. 174 Das Bekenntnis des Grundgesetzes zur internationalen Zusammenarbeit wird zu Recht so verstanden, daß in seiner Folge die Bundesrepublik in Rechtsfragen mit Auslandsbezug nicht nur ihre eigenen Werte und Interessen vertreten darf, sondern auch den Interessen der Völkergemeinschaft und einzelner fremder Staaten Rechnung zu tragen hat. 175 Dies bedeutet konkret, daß der Anwendungsbereich deutschen Rechts in Fällen mit extraterritorialen Auswirkungen nicht an der Staatsgrenze haltmacht, sondern auch grenzüberschreitende Wirkungen entfaltet. Es entspricht der Entscheidung des Verfassunggebers zugunsten einer offenen Staatlichkeit, daß gesetzliche Regelungen auch unter Berücksichtigung extraterritorialer Belange erfolgen. Dies beschränkt sich aber nicht alleine auf den objektiven Regelungsgehalt deutschen Rechts, sondern führt in einem zweiten Schritt dazu, auch den räumlichen Schutzbereich über die Staatsgrenzen hinaus zu erstrecken. Hat sich nämlich der Gesetzgeber entschieden, ein bestimmtes Rechtsgut vor Beeinträchtigungen zu schützen, ist nicht einzusehen, warum dieser Schutz automatisch an der Staatsgrenze enden soll. Hinzukommt, daß sich die Verwirklichung umweltschützender Regelungen im deutschen Recht auch über den Schutz von Individualinteressen vollzieht, soweit diese in den Schutzbereich einer Norm aufgenommen worden sind. Ist die Bundesrepublik daher völkerrechtlich verpflichtet, grenzüberschreitende Belange zu berücksichtigen, folgt daraus mittelbar, daß der Schutzbereich einer Norm entsprechend ihrem Anwendungsbereich nicht territorial begrenzt, sondern grenzüberschreitend ist. 176 Eine solche Bestimmung des räumlichen Schutzbereiches ist damit zwar, wie oben gezeigt, nicht Konsequenz einer völkerrechtsfreundlichen Interpretation, ergibt sich aber als Folge einer konsequenten Umsetzung des Grundsatzes der "offenen" Staatlichkeit im Wege einer an diesem Verfassungsgebot orientierten Auslegung. Im Ergebnis gleich weisen EyermannlFröhler darauf hin, daß die Verfassungsentscheidung des GG zur "offenen" Staatlichkeit auf völkerrechtlicher Ebene vom Strukturwandel des Völkerrechts von einem Recht der Koexistenz zu einem Recht der Koordination und Kooperation gestützt werde. l77 Eine grundsätzlich national orientierte Auslegung des räumlichen Anwendungsbereichs wäre aufgrund dieser Entwicklung bereits abzulehnen. Auch in den Fällen, in denen sich die betroffenen anderen Staaten nicht ausdrücklich für 174 Vgl. Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (120); EyermannIFröhler, Anh. § 42 Rn. 69 f.; Fröhler/Zehetner, S.78 f.; Robbers, in: Bunneister, S. 186; Wahl/SchUtz, in: SchochlSchmidt-AßmarutlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 233; Weber, DVBI. 330 (331 f.). 175 Vgl. Bleclanann, DÖV 1979, 309 (315); s. auch Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 24 Rn. 4; Wolfrum, DVBI. 1984,493 (499). 176 Vgl. ähnlich Wolfrum, DVBI. 1984,483 (500). 177 EyermannIFröhler, Anh. § 42 Rn. 69.

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oder gegen die Prinzipien der Kooperation und Koordination ausgesprochen hätten, sei im Zweifelsfalle bei Auslegung materiellen (Umwelt-)Rechts von einer "intendierten Begünstigung der internationalen Zusammenarbeit" auszugehen. ,,Als Regel ist daher bei der Auslegung des materiellen Umweltrechts von der Vermutung auszugehen, daß auch ausländische Rechts.fter geschützt werden sollten; Ausnahmen sind im Einzelfall jeweils zu belegen. "I Entgegen der hier vertretenen Ansicht wird in der Lehre teilweise angeführt, daß der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit aufgrund seiner Unbestimmtheit nicht zur Auslegung verwaltungsrechtlicher Normen geeignet sei. 179 Insbesondere OppermannlKilian weisen darauf hin, daß es fraglich sei, ob ein solch allgemeiner Grundsatz in der Einzelinterpretation jeweils ausreichend sei, um das "Feld" jeder noch so detaillierten Spezialnorm in Richtung auf seine Anwendbarkeit:fiir Auslandssachverhalte exakt einzugrenzen. 180 Eine derartige Kritik geht jedoch insoweit fehl, als der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit nicht in der Weise zu verstehen ist, daß er exklusive Geltung besitzt. Vogel weist zu Recht darauf hin, daß dieser Auslegungsgrundsatz nur als ein Auslegungskriterium dient. 181 Er ist kein absoluter Auslegungstopos, hinter dem alle sonstigen Aspekte zurückzutreten hätten. 182 Richtig verstanden dient der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit lediglich dazu, in Zweifelsfällen bei einem Spielraum mehrerer möglicher Deutungen einer Rechtsnorm derjenigen Auslegung den Vorzug zu geben, die der verfassungsrechtlichen Anforderung nach internationaler Kooperation am besten gerecht wird. Soweit angemerkt wird, daß aus dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit keine Pflicht zur Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte folge,183 ist dies (nur) insoweit zutreffend, als dieses Prinzip keine neuen subjektiven Rechte schafft. Der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit dient lediglich dazu, den Anwendungsbereich bestehender Rechte im Sinne einer internationalen Zusammenarbeit auszulegen. 178 EyermannIFr6hler, Anh. § 42 Rn. 70; zu der darüber hinausgehenden Auffassung, wonach eine Klagebefugnis zudem aus ausländischen subjektiv-öffentlichen Rechte hergeleitet werden kann s. unten § 7 VI. 5. a) aa). 179 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 94; OppermanniKilian, S. 111; Ress, in: Bothe/PrieurlRess, S. 89; ders.lMaller, in: Ress, S. 98. 180 Vgl. OppermanniKilian, S. 111; ebenso ResslMaller, in: Ress, S. 98. 181 Vgl. Vogel, S. 376; s. auch Wahl/Schatz, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 223. Vgl., in: diesem Zusammenhang auch Bothe, UPR 1983, I (5), der zu Recht darauf hinweist, daß das Prinzip der "offenen" Staatlichkeit selbst dann zu berücksichtigen wäre, wenn man als Regelfall von der territorial begrenzten Anwendbarkeit deutschen öffentlichen Rechts ausginge. 182 Vgl. auch Tomuschat, in: HbStR, § 172 Rn. 36. 183 OppermanniKilian, S. 98; RessIMaller, in: Ress, S. 98 f.

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Festzustellen ist damit, daß die Frage, ob bestehende Verwaltungsrechtsnonnen und sich aus diesen ergebende subjektiv-öffentliche Rechte auch extraterritorial anwendbar sind, aufgrund einer an dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit orientierten Auslegung im Interesse der internationalen Kooperation und unter Berücksichtigung ausländischer Belange zu bejahen ist, soweit nicht die betreffende Nonn eine solche Interpretation aufgrund der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände ausschließt. (3) AuslegungsgriJnde zugunsten einer territorial begrenzten Anwendung

Entgegen den dargestellten Auslegungsgrundsätzen zugunsten einer extraterritorialen Anwendung deutschen Verwaltungsrechts wird von einem Teil der Lehre vertreten, daß der räumliche Anwendungsbereich einer öffentlichrechtlichen Nonn im Zweifel territorial begrenzt sei. 184 Inwieweit sich die einzelnen Begründungsansätze als tragfähig erweisen, soll nachfolgend untersucht werden. Von vornherein ausgeschlossen werden können an dieser Stelle allerdings bereits jene Überlegungen, die an den Grundsatz der Territorialität anknüpfen. 18s Wie oben eingehend erörtert, liegt dem deutschen Verwaltungsrecht keine Systematik zugrunde, nach der der räumliche Anwendungsbereich entsprechender Rechtssätze grundsätzlich oder im Zweifel auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik begrenzt wäre. Wenngleich sich die Territorialität inländischer Rechtsnonnen in einer Zahl von Fällen aus den Besonderheiten des einschlägigen Rechtsgebietes, also als Folge des materiellen Rechts ergeben kann, ist mit dem Fehlen eines allgemeinen innerstaatlichen Territorialitätsprinzips einer im Zweifel binnenorientierten Auslegung die Basis entzogen.

(a) Verfassungsrechtlicher Vorrang des Inländerinteresses Als argumentativer Gegenpol zur Auslegung nach dem Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit wird von einem Teil der Lehre dem Grundgesetz gerade kein "internationalistischer", sondern vielmehr ein an nationalen Interessen orientierter Auslegungsgrundsatz entnommen.

184 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 94; Kopp, § 42 Rn. 52; LukesIDehmerl Wendling, GewAreh 1986, 1 (6); Ress, in: BothelPrieurlRess, S. 89; ders./Maller, in: Ress, S. 99. 185 Vgl. dazu Kloepfer, Umwe1trecht, § 6 Rn. 94; Kopp, § 42 Rn. 52; Ress, in: Bothe/PrieurlRess, S. 89.

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Insoweit wird teilweise die Auffassung vertreten, daß es aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten sei, in Zweifelsfällen deljenigen Auslegung den Vorzug zu geben, die den Interessen der Inländer am besten gerecht werde. 186 Diese Ansicht beruht auf der These, daß sich der Wille des Verfassunggebers am mutmaßlichen Inländerinteresse orientiere. Entsprechend sei auch beim räumlichen Anwendungsbereich inländischer Verwaltungsrechtsnormen davon auszugehen, daß im Zweifel die den Interessen der Inländer am nächsten kommende Lösung dem Willen des nationalen Gesetzgebers entspreche. Im Hinblick auf die Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes bedeute dies, daß solcher nur unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit gewährt werde, da nur eine VerbÜfgung von Gegenseitigkeit187 inländischen Rechtssubjekten eine Durchsetzung ihrer Rechte im Ausland ermögliche und einseitige Vorleistungen verhindere. Inwieweit der Verfassung mit dieser Argumentation tatsächlich eine im Zweifel binnenorientierte Auslegung zu entnehmen ist, erscheint allerdings fraglich. Bereits die Prämisse der Gleichsetzung von vermeintlichen Inländerinteressen und mutmaßlichem Willen des Verfassunggebers erweist sich als nicht überzeugend. So unterliegt schon die Feststellung eines Inländerinteresses einer gewissen Willkür. Es ist in vielen Fällen nämlich gar nicht ohne weiteres ersichtlich, welche Auslegung dem Inländerinteresse am besten entspricht. Wieso soll bspw. der Rückzug auf einen rein binnenstaatlich orientierten Rechtsschutz dem Interesses des "Inländers" eher entsprechen, als die Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte, wenn dadurch ein besserer Schutz der gesamten Umwelt vor umweltschädlichen Immissionen erreicht werden kann. Die Beurteilung eines vermeintlichen Inländerinteresses hängt damit jeweils nur von dem gewählten Argumentationsansatz ab und eignet sich nicht als verfassungsrechtliches Auslegungskriterium. Zu berücksichtigen ist zudem, daß der dargestellte Ansatz eine unmittelbare Verbindung von Individualinteressen und mutmaßlichem Willen des Verfassunggebers vornimmt, die so keine Stütze in der Verfassung findet. Soweit nämlich dem Verständnis des Verfassunggebers ein bestimmtes Staatsbild (bspw. die Entscheidung zugunsten einer "offenen" Staatlichkeit) bzw. Staatsziel (bspw. zum Schutz der Umwelt, Art. 20 a GG) zugrundeliegt, muß dieses nicht in unmittelbarer Verbindung mit Individualinteressen stehen. Vielmehr kann die Umsetzung staatspolitischer Ziele in Teilbereichen auch eine Benachteiligung inländischer Individualinteressen mit sich bringen. 188 Dem LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (6). Zum Prinzip der Gegenseitigkeit vgl. nachfolgend § 7 IV. g) cc) (3) (b). 188 In diesem Zusammenhang sind auch jene Nonnen des Grundgesetzes zu berücksichtigen, die das Individualinteresse hinter das Interesse der Allgemeinheit zurück186

187

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

271

Grundgesetz kann damit kein am Inländerinteresse orientierter Auslegungsgrundsatz entnommen werden. Dies gilt auch unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG. Teilweise wird mit Hinweis auf den Gleichheitssatz angefiihrt, daß die einseitige Gewährung nationalen Rechtsschutzes zu einer "Inländerdiskriminierung"189 fUhre, die es bei der Auslegung einfachen Rechts zu bedenken und zu venneiden gelte. Diese Argumentation kann jedoch insofern nicht überzeugen, als die Grundrechte die deutsche Staatsgewalt nur hinsichtlich ihres eigenen Handeins binden. l90 Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die Ungleichbehandlung wesentlich Gleichens durch die deutsche Hoheitsgewalt. Das bedeutet, daß die deutsche Staatsgewalt bestehende Rechte auf vergleichbare Rechtssubjekte in gleicher Weise anwenden muß und daß Ungleichbehandlungen einer gesonderten Rechtfertigung bedürfen .. Dieser Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch durch die mangelnde Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes durch fremde Staaten nicht betroffen. Die maßgebliche Ungleichbehandlung erfolgt nicht durch die deutsche Hoheitsgewalt, sondern ergibt sich als Folge des Handeins verschiedenstaatlicher Hoheitsträger. Ein Schutz gegen derartige Ungleichbehandlungen durch Träger verschiedener Gewalten gewährt Art. 3 Abs. 1 GG nicht. 191 Insbesondere kann dieser Vorschrift auch nicht entnommen werden, daß die deutsche Staatsgewalt "fremdstaatliche Ungleichbehandlungen" zu kompensieren habe. Art. 3 Abs. 1 GG enthält weder einen Auftrag, noch eine Legitimation, derartige Ungleichbehandlungen abzubauen,l92 womit sich dieser Vorschrift auch insoweit kein Argument zugunsten einer grundsätzlich binnenorientierten Auslegung entnehmen läßt. 193

treten lassen. Vgl. insoweit bspw. die Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 1400) oder die Verpflichtung des einzelnen zum Wehrdienst (Art. 12 a 00). 189 OppermanniKilian, S. 100. 190 Zur Bindungswirkung der Grundrechte vgl. Jarass, in: JarasslPieroth, Präambel

Rn. 9.

191 Vgl. zur Notwendigkeit der Ungleichbehandlung durch ein und denselben Träger öffentlicher Gewalt Jarass, in: JarasslPieroth, Art. 3 Rn. 7. 192 Vgl. im Hinblick auf den Abbau tatsächlicher Ungleichheiten Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 3 Rn. I. 193 Gleiches gilt auch filr den Hinweis auf die Systematik der Grundrechte. (Vgl. zu dieser Argumentation LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, I [6]). Auch diese fuhrt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Unterscheidung zwischen Jedermann- und Bürgerrechten spricht nicht gegen, sondern eher filr eine "internationalistische" Auslegung. Der Verfassunggeber hat als Regel den grundrechtlichen Schutz auch auf ausländische Personen erstreckt und diesen nur in AusnahmeflHlen auf inländische Rechtssubjekte beschränkt. (Vgl. dazu auch oben § 7 ID. zur Grundrechtsflihigkeit ausländischer juristischer Personen.)

272

§ 7 Klagebefugnis

Der Verfassung läßt sich damit keine Aussage zugunsten einer binnenorientierten Auslegung nationalen Rechts entnehmen. Insbesondere finden sich keine Anhaltspunkte, die die Grundentscheidung des Verfassunggebers zugunsten einer ..offenen Staatlichkeit" in Frage stellen würden.

(b) Gegenseitigkeit

Die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte wird häufig mit dem Argument fehlender Gegenseitigkeit abgelehnt. 194 Zur Begründung wird angefiihrt, daß nur die grundsätzliche Berücksichtigung der Reziprozität dazu fiihren könne, daß fremde Staaten deutschen Rechtssubjekten entsprechenden Rechtsschutz einräumten. Nur wenn die Gewährung nationalen Rechtsschutzes unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit stehe, hätte die Bundesrepublik im internationalen Verkehr ein ausreichendes Druckmittel zur Verfiigung, grenzüberschreitenden Rechtsschutz auch zugunsten inländischer Rechtssubjekte durchzusetzen. Im internationalen Verkehr besitzt der Grundsatz der Gegenseitigkeit eine besondere Bedeutung und wird teilweise als Säule des Völkerrechts verstanden. 195 Nur soweit eigene Vorteile erlangt werden, sind Staaten vielfach bereit, selbst Begünstigungen einzuräumen. Zur Durchsetzung eigener Interessen ist der Gegenseitigkeitsvorbehalt ein völkerrechtlich legitimes Mittel. Fraglich ist jedoch, ob die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte aufgrund deutschen öffentlichen Rechts grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Reziprozität steht. Zu unterscheiden sind zunächst zwei Arten von Gegenseitigkeit. Zum einem kann diese in einem formellen und zum anderen in einem materiellen Sinn verstanden werden. 196 Formelle Gegenseitigkeit bedeutet, daß einem ausländischen Kläger die gleiche Rechtsstellung eingeräumt wird wie einem entsprechenden inländischen Verfahrensbeteiligten. Dieser formellen Reziprozität wäre genüge getan, wenn ein fremder Staat einem deutschen Rechtssubjekt die gleiche formelle 197 und materielle Rechtsposition gewährte, die er seinem Rechtssystem entspre194 VG Oldenbw-g DVBI. 1985, 802 (803); Oppennann, in: Bothe/Piew-lRess, S.217; s. auch LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (6); Oppennann/Kilian, S.100. 195 Vgl. VerdrosslSimma, § 64; s. auch Ipsen § 3 Rn. 11; Seidl-Hohenveldem, Rn. 34, 175. 196 Vgl. Jans, S. 17 ff.; s. auch ErbguthiSchink, Eint. Rn. 117, die die fonnelle Komponente als ..Gegenseitigkeit", die materielle dagegen als ..Gleichwertigkeit" bezeichnen. 197 Bothe unterscheidet insoweit nochmals Gleichheit des Zugangs zum Verwaltungsgericht und Gleichwertigkeit der Verfahren, UPR 1983, I (6).

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

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chend auch seinen eigenen Rechtssubjekten zukommen läßt. Bei der formellen Gegenseitigkeit geht es somit um die Frage der gleichen Anwendung nationalen Rechts unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Bei der materiellen Gegenseitigkeit wird darüber hinaus das Schutzniveau der verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen beliicksichtigt. Gegenseitigkeit ist nur dann gegeben, wenn die inhaltlichen Gewährleistungen fremdstaatlicher Rechtsvorschriften denen des deutschen Rechts entsprechen. Es wäre damit nicht nur zu pliifen, ob deutschen Rechtssubjekten vor ausländischen Gerichten "inländergleicher" Rechtsschutz zukommt, sondern zugleich, ob das fremdstaatliche materielle Recht dem deutschen zumindest gleichwertig ist. Bereits das Abstellen auf eine formelle Gegenseitigkeit bereitet praktische Schwierigkeiten und führt im Hinblick auf die rechtliche Situation in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik zu erheblichen Zweifeln an der Notwendigkeit eines Reziprozitätsvorbehaltes. So kann die Beurteilung formeller Gegenseitigkeit nur anband der Prüfung ausländischen öffentlichen Rechts erfolgen. Bereits diese Feststellung aber, inwieweit das ausländische Recht deutschen Rechtssubjekten inländergleiche Rechtspositionen zukommen läßt, bereitet angesichts der darüber bestehenden verschiedenen Auffassungen in der Praxis teilweise erhebliche Schwierigkeiten und ist nur anband rechtsvergleichender Untersuchungen zu bewältigen. 198 Soweit solche Untersuchungen vorliegen, läßt sich hinsichtlich der Nachbarstaaten der Bundesrepublik ein uneinheitliches Bild der Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes erkennen. So hat bspw. Österreich die Gewährung extraterritorialen Rechtsschutzes zugunsten deutscher Rechtssubjekte unter Hinweis auf die strikte Territorialität österreichischen öffentlichen Rechts abgelehnt. 199 Dagegen haben die Niederlande2°O und Frankreich20\

198 Vgl. zu entsprechenden Untersuchungen bspw. OppermanniKilian, S. 52 ff. und Bothe, UPR 1983, I (6 f.), die letztlich zu völlig verschiedenen Erkenntnissen gelan-

gen.

199 Österreichischer VGH, Beschluß v. 30.5.1969, VGH Erk. Nr. 7582 (A), 264; s. auch ÖJZ 1970, 305; dazu mit wesentlichem Inhalt und weiteren kritischen AmnerkungenSchreuer, ÖJZ 1971,542 (542 ff.) 200 Zur Klage der deutschen Gemeinde Borkum gegen eine in den Niederlanden erteilte Genehmigung zur Einleitung von (die Nordsee verunreinigenden) Abwässern und zur Rechtslage in den Niederlanden Jans, in: Pelzer, S. 77 f[; zur neueren Entwicklung in den Niederlanden infolge derer die dort zuvor einschlägige Klage zur Krone, also zur Regierung, im umweltrechtlichen Bereich durch eine Klage zu einem unabhängigen Richter ersetzt worden ist s. Jans, S. 179. 201 Vgl. dazu die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Straßburg im Hinblick auf die Klage der niederländischen Provinz Nord-Holland und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften der Niederlande gegen umweltgefiihrdender Ableitungen der e1sässischen Kaliwerke in den Rhein. (Das Urteil ist abgedruckt in ZaöRV 44

18 Feldmüller

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§ 7 Klagebefugnis

Klagen ausländischer Rechtssubjekte zugelassen und diesen inländergleiche Rechtspositionen eingeräumt. 202 Wie in der Rechtsprechung und Lehre zu Recht bemerkt wird, ist gerade diesen Ländern gegenüber eine Verweigerung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unter Hinweis auf einen Reziprozitätsvorbehalt äußerst fragwürdig. 203 Die Bedenken gegen die grundsätzliche Anwendung eines Gegenseitigkeitsvorbehaltes verstärken sich, soweit eine materielle Gleichwertigkeit ausländischen und deutschen Rechts gefordert wird. Die europäischen Staaten sind von einer Hannonisierung ihrer Rechtsvorschriften (im öffentlichen Recht) noch weit entfernt. Es bestehen unterschiedliche Rechtssysteme und Rechtsvorschriften, was insbesondere angesichts des komplexen Zusammenhangs von materiellem und formellem Recht die Feststellung materieller Gleichwertigkeit fast unmöglich macht. So kann bspw. angesichts der unterschiedlichen Rechtssysteme kaum festgestellt werden, inwieweit das ausländische Recht in seiner Effektivität dem innerstaatlichen Rechtsschutzsystem entspricht oder ob die inhaltlichen Anforderungen ausländischen Rechts mit denen der deutschen Rechtsordnung weitgehend übereinstimmen. Es gibt zwar Regelungsbereiche, insbesondere das Umweltrecht, in denen Qua1itätsanforderungen sichtbar werden, es ist jedoch im Vergleich zu anderen Staaten nicht so, als ob der Bundesrepublik immer eine Vorreiterrolle zukäme. 204 Angesichts der beschriebenen praktischen Schwierigkeiten würde das Abstellen auf die Gewährleistung von Gegenseitigkeit im materiellen Sinn im Ergebnis zu einer kaum tragbaren Rechtsunsicherheit führen. 205

[1984],342 ff. Siehe dazu Beyerlin, ZaöRV 44 [1984], 336 ff.; Oppermann, in: HdUR, Sp. 922 f.) Siehe zudem die Entscheidung des gleichen Gerichts im Hinblick auf eine Klage u. a. des Saarlandes sowie einiger deutscher Gemeinden, wiedergegeben in EuGRZ 1986,575 f.; dazu auch Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (119). 202 Vgl. auch den Entscheid des Schweizerischen Bundesrates vom 22.8.1979 zum Kernkraftwerk Leibstadt, teilw. abgedruckt in UPR 1983, 19. 203 Vgl. BVerwGE 75, 285 (290), ebenso Beyerlin, ZaöRV 44 (1984), 236 (340); zudem Bothe, UPR 1983, I (7), der nachfolgend darauf hinweist, daß an der Gleichwertigkeit der Verfahren in der Bundesrepublik und den (westlichen) Nachbarstaaten kein Zweifel bestehe, ähnlich Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 89; dazu kritisch Blickle, in: Siebtes Deutsches Atornrechts-Symposium, S. 241; a. A. Rauschning, AvR 1987,314 (324). Siehe zum Verhältnis zu den Niederlanden Jans, S. 177 f. 204 Vgl. Bothe, UPR 1983, I (7). 20S Vgl. Jans, S. 178 f.; ebenso im Hinblick auf die Gegenseitigkeit im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren Blickle, in: Siebtes Deutsches Atornrechts-Symposium, S.241.

IV. Einfachgesetzliche Schutznormen deutschen Rechts

275

Unabhängig von den dargestellten tatsächlichen Umständen ist zudem zu bedenken, daß weder das Grundgesetz noch das deutsche Verwaltungsrecht eine explizite Regelung kennen, der zufolge die Gewährung extraterritorialer Rechte grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit stünde. 206 Dies gilt für das materielle Recht ebenso wie für die Vorschriften des Verfahrensrechts. 207 Soweit im deutschen Recht die Gewährung von Rechten unter einem Reziprozitätserfordernis steht, wird dies durch gesonderte Normen ausdrücklich angeordnet. 208 Dem deutschen Recht läßt sich somit kein ausdrücklicher Grundsatz entnehmen, wonach die Gewährung extraterritorialer Rechte nur unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit erfolgen darf. Auch die Rechtsprechung geht offensichtlich nicht von einer grundsätzlichen Geltung des Reziprozitätsgrundsatzes aus. So sieht das Bundesverfassungsgericht die Normierung eines entsprechenden Vorbehaltes zwar als grundsätzlich zulässig an, erklärt aber in dem zugrundeliegenden Fall zugleich, daß das Gegenseitigkeitsprinzip im Sozialrecht nur bedingt Anwendung finden könne. 209 In dieser Entscheidung wird nicht nur die Vorsicht im Umgang mit dem Reziprozitätsgrundsatz deutlich, sondern zugleich auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts erkennbar, wonach der Vorbehalt der Gegenseitigkeit offensichtlich kein ipso iure geltendes Prinzip darstellt, sondern seine Grundlage in der jeweiligen gesetzgeberischen Entscheidung finden muß. Ähnlich argumentiert das Bundesverwaltungsgericht im Fall Hamers. Das Gericht geht davon aus, daß sich das Argument, wonach die Gewährung extraterritorialer Rechte der Durchsetzung des Gegenseitigkeitsprinzips abträglich sei, angesichts der "positivrechtlichen Regelung" des Atomgesetzes als nicht tragfähig erweise. 210 Erst nachfolgend wird darauf verwiesen, daß "im übrigen" das Argument fehlender Gegenseitigkeit aufgrund der rechtlichen Situation in den Nachbarstaaten der Bundesrepublik von nur geringem Gewicht sei. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit kann schließlich auch nicht damit begründet werden, daß die einseitige Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte zu einem rechtsmißbräuchlichen Verhalten führen könne. 211 Die Möglichkeit So selbst OppennanniKilian, S. 100. Zum Verfahrensrecht vgl. oben § 4 m. 208 Vgl. dazu aus dem Bereich des Umweltrechts § 8 Abs. 2 UVPG, § 11 a Abs. 2 9. BhnSchV. 209 BVerfGE 51, I (23 fI). 210 BVerwGE 75, 285 (289). 211 So aber Kloepfer, DVBI. 1984,245 (250). 206

207

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§ 7 Klagebefugnis

eines solchen Verhaltens alleine kann nicht zur Verweigerung subjektiver Rechte führen. Sollte sich ein Kläger rechtsmißbräuchlich verhalten, so muß dem auf andere Weise, bspw. im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses, begegnet werden. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit steht der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte somit nicht entgegen. 212

(c) Innerstaatliche Kompetenzverteilung Im Zusammenhang mit der Frage der Gegenseitigkeit wird zugunsten einer "binnenorientierten" Auslegung teilweise darauf hingewiesen, daß die innerstaatliche Kompetenzverteilung gegen die Annahme extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte spreche. 213 Mit der "Ausdehnung"214 verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes zugunsten ausländischer Rechtssubjekte werde unzulässig in die innerstaatliche Kompetenzverteilung eingegriffen. Fragen, die üblicherweise auf internationaler Ebene gelöst würden, fielen in den Kompetenzbereich der außenpolitischen Organe und seien nicht Gegenstand richterlicher Gesetzesauslegung. 2IS Diese Argumentation kann jedoch im Ergebnis nicht überzeugen. Sie geht von der unzutreffenden Prämisse einer "Erweiterung" oder "Ausdehnung" verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes aus. Soweit dies tatsächlich der Fall wäre und die Rechtsprechung also Rechtsfolgen anordnete, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt wären, läge tatsächlich eine KompeteßZÜberschreitung vor. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Auslegung einfachen Rechts zugunsten einer extraterritorialen Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte entspringt einer Grundsatzentscheidung des Verfassunggebers. Es findet demnach keine "Ausdehnung", sondern eine verfassungsgemäße Bestimmung des Anwendungsbereichs einfachgesetzlichen öffentlichen Rechts statt. Soweit die zuständigen politischen Organe sich gegen die Gewährung greßZÜberschreiten-

212 hn Ergebnis ebenso EyermannIFröhler, Anh. § 42 Rn. 70; Fröhler/Zehetner, S. 80 f.; Preu, JZ 1987, 354 (355); Wah/lSchütz, in: SchochlSchInidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs.2 Rn. 226; Wolfrum, DVBl. 1984, 493 (500); aus Sicht des Völkerrechts DahmIDelbrückIWolfrum, S. 451; zum Zusammenhang von Gegenseitigkeit Wld gfWldrechtlichem GleichheitsgfWldsatz Quaritsch, in: HbStR, § 120 Rn. 88 f. 213 Vgl. VG Oldenburg DVBl. 1985, 802 (803); LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (6); S. auch Oppermann, in: Bothe/PrieurlRess, S. 126; ders./Kilian, S. 112. 214 So bzgl. des GrWldrechtsschutzes Oppermann/Kilian, S. 98; von "erweiternder Interpretation" sprechend VG 01denburg DVBl. 1985,803 (804). 215 Vgl. LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (6).

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

277

den Rechtsschutzes aussprechen, ist dies möglich, bedarf jedoch einer gesonderten gesetzlichen Anordnung.

(d) Präklusion Im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte wird immer wieder die Zulässigkeit der Anwendung VOn Präklusionsvorschriften zu Lasten extraterritorialer Rechtssubjekte diskutiert. 216 Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß die Anwendung deutscher Präklusionsvorschriften zu Lasten ausländischer Rechtssubjekte jenseits der Grenze gegen geltendes Völkerrecht verstoße. 217 Dies wird damit begründet, daß die zur Präklusion notwendigen Verfahrenshandlungen aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips nicht mit Wirkung im und fiir das ausländische Staatsgebiet vorgenommen werden dürften. 218 Mit anderen Worten, in der "grenzüberschreitenden" Anwendung VOn Präklusionsvorschriften liege eine Ausübung hoheitlicher Gewalt, die ohne Einwilligung des betreffenden Staates völkerrechtswidrig sei. Soweit die Präklusionsvorschriften gegenüber ausländischen Rechtssubjekten damit unanwendbar seien, käme diesen zudem im Falle der Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte eine günstigere Rechtsstellung zu als vergleichbaren inländischen Rechtssubjekten. 219 Eine solche "Inländerdiskriminierung" sei jedoch bei der Auslegung nationalen Rechts zu venneiden. Nach dieser Auffassung spricht damit die Unanwendbarkeit VOn Präklusionsvorschriften gegen die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte. Fraglich ist zunächst, ob die "grenzüberschreitende" Anwendung von Präklusionsvorschriften tatsächlich gegen das völkerrechtliche Territoriali-

216 Vgl. dazu im Hinblick auf § 7 Abs. 6 AtG i. V. m. § 14 BImSchG BVerwGE 75, 285 (287); Beyerlin, EuGRZ 1987, 119 (121); zu § 14 BImSchG Bothe, UPR 1983, I (5); allg. zur Wirkung präkludierender Vorschriften im Verwaltungsprozeß Stern, VwPrR, Rn. 299. 217 VG Oldenburg DVBl. 1985,804 (804). 218 Kilian, DVBl. 1985,804 (804). 219 Vgl. Kilian, DVBl. 1985, 804 (804); s. auch Rauschning, A VR 25 (1987), 312 (315), der davon ausgeht, daß die Rechtsstellung eines ausländischen Rechtssubjekts grundsätzlich günstiger ist als die eines inländischen, da diesem im Gegensatz zu letzterem auch ausländische Ansprüche zustünden, die zumindest im Ausland durchsetzbar sein könnten. Zum Rechtsschutz im betroffenen Ausland vgl. Kloepfer, Umwe1trecht, § 6 Rn. 85 ff.

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§ 7 Klagebefugnis

tätsprinzip verstößt. Das wäre nur dann der Fall, wenn darin eine unzulässige Ausübung deutscher Hoheitsgewalt auf fremdstaatlichem Gebiet läge. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend feststellt, beschränkt sich die Wirkung nationaler Präklusionsvorschriften auf Ansprüche, die nach innerstaatlichem Recht gewährt werden. 220 Sie erstreckt sich nicht auf Ansprüche, die nach ausländischem Recht zu beurteilen sind. Wie die Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte betrifft die Anwendung von Präklusionsvorschriften lediglich den Bereich des deutschen Rechts. In ihr liegt somit keine unzulässige Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt auf fremdstaatlichem Territorium und damit kein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht. 221 Sofern nach deutschem Recht extraterritoriale subjektive Rechte zugunsten ausländischer Rechtssubjekte begründet werden können, muß es der nationalen Rechtsordnung im gleichen Umfang gestattet sein, rechtsvernichtende Tatbestände zu normieren. Wenn also ein ausländischer Kläger den Schutz der nationalen Rechtsordnung in Anspruch nimmt, dann ist die innerstaatliche Rechtsordnung in vollem Umfang, das heißt einschließlich der rechtsvernichtenden Tatbestände, anwendbar. 222 Soweit damit alleine der deutsche Rechtskreis betroffen ist, liegt keine Inländerdiskriminierung vor. 223 (4) Zusammenfassung

Festzustellen bleibt, daß dem deutschen Recht kein allgemeiner Auslegungsgrundsatz zu entnehmen ist, der geeignet wäre, den Anwendungsbereich öffentlichen Rechts abschließend zu bestimmen.

BVerwGE 75, 285 (287). Vgl. Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (121); Bothe, UPR 1983 I (6); ders., UPR 1987, 170 (171); Wemer, S. 23. 222 Vgl. ebenso Bothe, UPR 1983, 1 (6); Wolfrnm, DYBl. 1984, 493 (501); zwn Verhältnis von inländischer Genehmigung und dem Zivilprozeß s. Bomheim, S. 245 ff. 223 Soweit auch auf den ausländischen Rechtskreis, d.h. auf Ansprüche fremdstaatlicher Provenienz, die einem ausländischen Rechtssubjekt im Ausland zukommen, abgestellt wird, ist zwn einen zu bedenken, daß ausländischen Gerichten die Beurteilung deutschen hoheitlichen Handelns (bspw. der Erteilung einer Genehmigung filr eine inländische Anlage nach dem AtG) wegen des Grundsatzes der Staatenimmunität regelmäßig nicht zusteht (vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 6 Rn. 86; Schock, BerDGVR 32 [1992], 321) bzw. entsprechende Urteile ausländischer Gerichte auf Grundlage des Zivilrechts im Inland regelmäßig nicht durchsetzbar sind (vgl. Beyerlin, EuGRZ 1987, 119 (121]; Bothe, UPR 1987, 170 (171)), und zwn anderen, daß etwaige dennoch entstehende Anspruchskonkurrenzen typische und hinzunehmende Folgen grenzüberschreitender Sachverhalte sind. 220 221

N. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

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Als wesentlicher Auslegungstopos kommt jedoch der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit in Betracht. Soweit das Grundgesetz in der Präambel und insbesondere in den Artt. 23 bis 26 GG eine Grundentscheidung zugunsten einer internationalen Zusammenarbeit und Kooperation getroffen hat, muß diese auch bei der Auslegung des Anwendungsbereichs einfachen Rechts Beachtung finden. Dabei steht dieses Auslegungsprinzip in kaum trennbarem Zusammenhang mit den Grundsätzen der völkerrechtskonfonnen und völkerrechtsfreundlichen Auslegung. Der Übergang der einzelnen Ansätze ist fließend. Die Frage des Anwendungsbereichs deutschen Rechts und insbesondere der Gewährung extraterritorialer Rechte läßt sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher Auslegungstopoi ermitteln. Soweit sich jedoch aus den sonstigen Auslegungskriterien nichts anderes ergibt, ist im Zweifel davon auszugehen, daß deutsche Verwaltungsrechtsnonnen auch extraterritoriale subjektiv-öffentliche Rechte gewähren, soweit die tatsächlichen und rechtlichen Umstände dies zulassen. Gegen die extraterritoriale Anwendbarkeit deutschen öffentlichen Rechts und der daraus folgenden Möglichkeit der Gewährung grenzüberschreitender subjektiv-öffentlicher Rechte lassen sich weder aus der Verfassung, noch aus dem einfachen Recht tragfähige Argumente herleiten. Insbesondere die Verbürgung von Gegenseitigkeit ist nach deutschem Recht keine allgemeine Voraussetzung für die Gewährung grenzüberschreitenden Rechtsschutzes. Eine Auslegung zugunsten der extraterritorialen Anwendbarkeit deutschen Verwaltungsrechts verstößt auch nicht gegen die innerstaatliche Kompetenzverteilung, da bestehende Rechte nicht erweitert, sondern nur entsprechend ihrem Bestand hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs bestimmt werden. Soweit das deutsche Recht extraterritoriale Rechte gewährt und ein ausländisches Rechtssubjekt innerstaatlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, sind sämtliche Vorschriften des fonnellen und materiellen Rechts, einschließlich etwaiger Präklusionsvorschriften anwendbar.

2. Der personale Aspekt verwaltungsrechtlicher Schutznonnen Soweit zuvor der räumliche Bereich verwaltungsrechtlichen Schutzes bestimmt wurde, muß nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit das deutsche Verwaltungsrecht in personaler Hinsicht subjektiv-öffentliche Rechte zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen ausländischen öffentlichen Rechts gewährt. Der personale Aspekt verwaltungsrechtlicher Schutznonnen wird dabei ebenso wie der räumliche Aspekt durch die Merkmale Anwendungs- und Schutzbereich bestimmt. Es ist also zu fragen, ob die einschlägige Rechtsnonn den betroffenen Personenkreis erfaßt und die geltend gemachten Interessen in ihren Schutzbereich aufnimmt.

280

§ 7 Klagebefugnis

a) Grundsatz der unbeschränkten personalen Anwendbarkeit Vom Grundsatz kennt das deutsche Verwaltungsrecht keine Begrenzung seines Anwendungsbereichs auf bestimmte Rechtssubjekte. Eine Regelung, wie die des Art. 19 Abs. 3 GG im Hinblick auf die Gewährung grundrechtlichen Schutzes, ist ihm fremd. Verwaltungsrechtliche Normen wenden sich an jeden, den ihr Inhalt angeht. Der personale Anwendungsbereich verwaltungsrechtlicher Vorschriften kann sich somit auf alle Rechtssubjekte, unabhängig von Rechtsform oder Staatszugehörigkeit, beziehen. Umfaßt werden damit auch fremde Staaten und sonstige juristische Personen ausländischen öffentlichen Rechts. 224 Fraglich erscheint, ob eine solche Sichtweise auch aus völkerrechtlicher Perspektive tragfähig ist oder ob ein völkerrechtlicher Grundsatz besteht, wonach sich die inländische Rechtssetzung nur auf bestimmte Rechtssubjekte beziehen darf. Wie oben festgestellt, übt der Staat auf seinem Gebiet die alleinige Hoheitsgewalt aus. Diese Gebietshoheit erstreckt sich grundsätzlich auf alle Personen und Sachen, die sich auf seinem Territorium befinden. 225 Aus ihr folgt einerseits die Befugnis, alle rechtlich relevanten Beziehungen unter den sich in seinem Staatsgebiet aufhaltenden Rechtssubjekten zu regeln (Norrnsetzung oder jurisdiction to prescribe), und andererseits das Recht, diese Regelungen gegebenenfalls auch durchzusetzen (Normvollzug oder jurisdiction to enforce).226 Innerhalb seines Territoriums ist der Staat aufgrund der ihm zustehenden Gebietshoheit damit grundsätzlich frei, den personalen Anwendungsbereich seiner Rechtsnormen zu bestimmen. 227 Einschränkungen können nur durch gesonderte Völkerrechtssätze erfolgen. Solche sind im Hinblick auf den personalen Anwendungsbereich jedoch nicht ersichtlich. 228 Insbesondere können die Ausfiihrungen zur Staatenimmunität nicht entsprechend herangezogen werden, da dieser völkerrechtliche Grundsatz nur den Geltungsbereich, also den Rechtsdurchsetzungsbereich staatlicher Rechtsvorschriften betrifft. 229

224 Daß die Trägerschaft einfachgesetzlicher Schutznonnen nicht von der Grundrechtsfllhigkeit abhängt, wurde oben bereits erörtert. Vgl. § 7 m. 4 a); dazu auch § 71. 2. f); s. hier nur Heberlein, Korrun. Außenpolitik, S. 219 f.; Rafner, in: HbStR, § 116 Rn. 59; lsensee, in: HbStR, § 118 Rn. 47; s. zur umfassenden personalen Anwendbarkeit des deutschen Verwaltungsrechts auch bereits ForsthojJ, S. 156; Stober, in: Schweickhardt, Rn. 214; WoljJlBachoJlStober, § 27 Rn. 14. m Vgl. lpsen, § 24 Rn. l. 226 Vgl. dazu oben § 1 n. 227 Vgl. insoweit auch Ossenbahl, in: Erichsen, AlIgVerwR, § 9 Rn. 9; Stober, in: Schweickhardt, Rn. 215; WoljJlBachoJlStober, § 27 Rn. 14. 228 Zum Verhältnis von Gebietshoheit und fremder Personalhoheit vgl. lpsen, § 24 Rn. 2. 229 Vgl. dazu oben § 2 n. 1. a) aa).

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

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Im Hinblick auf Sachverhalte, die einen extraterritorialen Bezug aufweisen, läßt sich die Frage des personalen Anwendungsbereichs unter Bezug auf die Ausführungen zum räumlichen Anwendungsbereich beantworten. Mit der Bestimmung über den personalen Anwendungsbereich kommt der Staat seinem Recht zur Normsetzung nach. Wenn der StlGH im Hinblick auf die Regelungsbefugnis der Staaten insoweit feststellt, daß es diesen nicht verwehrt ist, Sachverhalte mit Auslandsbezug zu regeln,230 so muß daraus in logischer Konsequenz auch folgen, daß es den Staaten freisteht festzulegen, auf welche Rechtssubjekte sich diese Rechtsvorschriften beziehen. Der personale Anwendungsbereich bildet ein Element der staatlichen Befugnis zur Normsetzung. Der Staat ist diesbezüglich damit genauso frei, wie im Hinblick auf die Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs einer Rechtsvorschrift. Insoweit wird man allerdings auch für die Regelung des personalen Anwendungsbereichs fordern müssen, daß diese völkerrechtlich nur dann zulässig sind, wenn der Regelungsgegenstand eine hinreichende Verbindung zum Staatsgebiet (genuine link) aufweist. Festzustellen ist somit, daß die Bestimmung des personalen Anwendungsbereichs einer Rechtsnorm alleine dem nationalen Gesetzgeber obliegt. Völkerrechtliche Einschränkungen bestehen insoweit nicht. Der personale Anwendungsbereich deutscher Verwaltungsrechtsnormen ist grundsätzlich unbeschränkt und richtet sich nach dem Inhalt der betreffenden Rechtsnorm. 231

b) Der rechtliche Schutzfremdstaatlicher Interessen

Soweit damit auch fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts grundsätzlich vom Anwendungsbereich deutschen Verwaltungsrechts erfaßt sind, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Interessen dieser Rechtssubjekte durch die Normen des Verwaltungsrechts geschützt sind.

aa) Die innerstaatliche BefÜcksichtigungsfahigkeit fremdstaatlicher Interessen Voraussetzung fiir die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts ist zunächst, daß fremdstaatliche Interessen im innerstaatlichen

230 231

Zur sog. Lotus-EntscheidWlg vgl. oben § 1 ll. 1.; § 7 IV. 1. f) aa) (1). Vgl. auch DahmIDelbrückIWolfrom, S. 320.

282

§ 7 Klagebefugnis

Rechtssystem überhaupt berücksichtigungsfähig sind. Nur soweit dies der Fall ist, können sie auch rechtlich geschützt sein. Daß fremdstaatliche Interessen dem Grunde nach berücksichtigungsfähig sind, wurde oben bereits gezeigt. Insbesondere der Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit erfordert eine solche Sichtweise. 232 Soweit sich das Grundgesetz, wie besonders in der Präambel und den Artt. 23 bis 26 GG deutlich wird, zugunsten einer internationalen Zusammenarbeit und Integration in die Völkerrechtsgemeinschaft ausgesprochen hat, folgt daraus, daß nationale Hoheitsträger nicht nur eigenstaatliche, sondern auch völkergemeinschaftliche und fremdstaatliche Interessen zu respektieren haben. 233 Nur soweit das nationale Handeln auch fremdstaatliche Interessen berücksichtigt, kann das Ziel einer internationalen Zusammenarbeit und Integration erreicht werden. Damit ist zwar nicht gemeint, daß die Bundesrepublik die Interessen fremder Staaten grundsätzlich zu fördern oder gar durchzusetzen hätte. 234 Eine derartige Pflicht kann dem Grundgesetz nicht entnommen werden. Aus dem Postulat der "offenen" Staatlichkeit folgt aber, daß die Verfassung die Beachtung entsprechender Interessen zuläßt bzw. als wünschenswert erachtet. Dieser grundgesetzlichen Absicherung der Berücksichtigungsfähigkeit fremdstaatlicher Interessen kommt nicht nur im Hinblick auf die unmittelbaren Rechte fremdstaatlicher Rechtspersonen Bedeutung zu, sie wirkt sich vielmehr auch auf die Rechte innerstaatlicher Rechtssubjekte aus. Zu überlegen ist nämlich, daß in vielen Fällen verwaltungsrechtliche Sachverhalte nicht nur ein Zwei-, sondern ein Mehrpersonenverhältnis betreffen. Die Einräumung subjektiver Rechtspositionen zugunsten eines bestimmten. Rechtssubjekts bedeutet insoweit vielfach zugleich die Einschränkung der Rechte eines anderen. 235 Soweit bspw. einem ,,Dritten" im Rahmen einer umweltrechtlichen Streitigkeit aufgrund einfachgesetzlicher Normen mit drittschützender Wirkung die Möglichkeit gegeben wird, gegen die Genehmigung eines inländischen Vorhabens vorzugehen, bedeutet dies zugleich eine Beeinträchtigung der Interessen bzw. Rechte des Betreibers. Eine solche Beeinträchtigung ist im Regelfall durch die Berücksichtigung der Interessen des Dritten geboten, eine Rechtseinschränkung gegebenenfalls aufgrund der Rechte des Dritten gerechtfertigt.

Vgl. zum Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit oben § 7 IV. 1. g) ce) (2). DÖV 1979, 309 (315); vgl. zum innerstaatlichen Respekt vor fremden Rechtsordnungen auch BVertGE 31, 58 (75 ff.) sowie E 18, 112 (116 ff.); vgl. auch Bothe, UPR 1983, 1 (5); Wolfrum, DVBI. 1984,493 (499). 234 Vgl. dazu zu Recht auch Bayer, DÖV 1968, 709 (713 iT.) zum Polizeirecht bei Staatsbesuchen. 235 Vgl. dazu Preu, S. 136 ff. 232

233 Bleckmann,

N. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

283

Soweit nun die Rechtsstellung fremder Staaten oder sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts als "Dritter" betroffen ist, stellt sich die Frage, ob die Beeinträchtigung der Rechte eines innerstaatlichen Rechtssubjekts durch ein Gesetz erfolgen darf, welches (zumindest auch) die Interessen dieser Rechtssubjekte schützt. Wären nämlich die Interessen ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts bereits dem Grunde nach nicht berücksichtigungsfähig, so wären entsprechende Beschränkungen der Rechte innerstaatlicher Rechtssubjekte nicht gerechtfertigt. Eben diese notwendige Rechtfertigung wird aber durch den Verfassungsgrundsatz der "offenen" Staatlichkeit und der daraus folgenden Berücksichtigungspflicht auch fremdstaatlicher Interessen gewährleistet. Soweit fremdstaatliche Interessen berührt werden, sind diese in innerstaatliche Entscheidungsfindungsprozesse mit einzubeziehen und können aus diesem Grunde im Einzelfall, ähnlich wie sonstige öffentliche Interessen, auch zu einer (Grund-)Rechtsbeeinträchtigung innerstaatlicher Rechtssubjekte fUhren. 236

bb) Rechtlich geschützte Interessen i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO Soweit fremdstaatliche Interessen dem Grunde nach berücksichtigungsfahig sind, stellt sich die Frage, welche dieser Interessen durch das deutsche Verwaltungsrecht auch subjektivrechtlich geschützt werden. Die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit fremdstaatlicher, insbesondere extraterritorialer fremdstaatlicher Interessen enthält nämlich noch keinen Aussagegehalt darüber, inwieweit das deutsche Verwaltungsrecht zum Schutz dieser Interessen auch subjektiv-öffentliche Rechte gewährt.

Kann bspw. (l.) ein fremder Staat als Eigentümer eines im Inland belegenen Grundstücks von dem zuständigen nationalen Hoheitsträger ein Einschreiten gegen einen störenden Nachbarn verlangen? Kann (2.) ein ausländischer Bundesstaat sich gegen grenzüberschreitende Emissionen wenden, die sein angrenzendes Waldgebiet beeinträchtigen? Kann er darüber hinaus (3.) auch den Schutz seiner Umwelt als öffentliches Interesse rügen? Und kann (4.) schließlich eine grenznahe ausländische Gemeinde vor deutschen Gerichten geltend machen, daß eine innerstaatlich stark emittierende Anlage die Gesundheit ihrer Einwohner gefährde?

236 Vgl. Bleckmann, DÖV 1979,309 (316), der die Berücksichtigung fremdstaatlicher Allgemeininteressen infolge der verfassungsrechtlichen Leitentscheidung zugunsten des Prinzips der Völkerrechtsfreundlichkeit als Teil des inländischen öffentlichen Interesses versteht, zu dessen Verwirklichung auch Grundrechtseinschränkungen vorgenommen werden können.

284

§ 7 Klagebefugnis

Der Schutz aller dieser Interessen hängt von dem Inhalt der jeweils einschlägigen Verwaltungsrechtsnorm ab. Wie oben dargestellt, wird ein subjektiv-öffentliches Recht nur begrtindet, wenn einem Rechtssubjekt ein bestimmtes Interesse zur eigenen Wahrnehmung normativ zugewiesen ist. Entscheidend ist, daß die fragliche Rechtsvorschrift das tatsächlich bestehende Interesse rechtlich schützt und die Wahrnehmung dieses Interesses einem bestimmten Rechtssubjekt zuweist. Anders als nach herkömmlicher Auffassung kann somit nicht pauschal zwischen öffentlichem und Privatinteresse differenziert werden, sondern es ist die normintendierte Interessenträgerschaft im Einzelfall festzustellen. Die Frage, ob die von fremden Staaten und sonstigen juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts geltend gemachten Interessen rechtlich geschützt und deren Trägerschaft diesen normativ zugeordnet sind, ist also grundsätzlich normabhängig. Unter Beachtung dieser Erkenntnis kann eine Betrachtung der rechtlich geschützten Interessen dieser Rechtssubjekte nur von den tatsächlichen Interessen ausgehen und diese im Hinblick auf ihre Schutzflihigkeit und regelmäßige Trägerschaft untersuchen. Wenig problematisch ist insoweit der rechtliche Schutz solcher Interessen, die der "privatrechtlichen" oder besser "individualrechtlichen" Sphäre eines Rechtssubjektes entstammen. Gemeint sind insoweit alle Interessen, die sich aus rechtlichen Positionen herleiten, deren Zuordnungssubjekt (auch) jede zivile Rechtsperson sein kann. So werden die Interessen eines Eigentümers unabhängig davon geschützt, ob dieser eine natürliche oder juristische Person inoder ausländischer Staatszugehörigkeit ist. 237 Wird bspw. das Grundeigentum durch eine öffentlich-rechtliche Maßnahme, wie die Genehmigungserteilung für eine stark emittierende Anlage, beeinträchtigt, so kann sich der Eigentümer zur Abwehr der Beeinträchtigung auf den Schutz solcher Normen des deutschen Verwaltungsrechts berufen, die zumindest auch dem Schutz des Interesses des Eigentümers zu dienen bestimmt sind. Geschütztes Interesse und Trägerschaft dieses Interesses beziehen sich alleine auf die Rechtsposition "Eigentümer". Ein fremder Staat oder eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts können sich somit innerhalb des räumlichen Anwendungsbereiches einer deutschen Verwaltungsrechtsnorm ebenso wie jedes sonstige Rechtssubjekt auf den Schutz solcher Rechtsvorschriften berufen, die einem von der Allgemeinheit normativ unterschiedenem zivilen Rechtssubjekt die Wahrnehmung des normgeschützten Interesses zuweisen. 238 Im Hinblick auf die oben zuerst genannten Beispiele (1. und 2.) kann damit festgestellt werden, daß sowohl der fremde Staat als "Inlandsbetroffener" als auch der ausländische Bundesstaat als extraterritorial Betroffener ihre berührten Interessen vor deutschen Verwaltungsgerichten als subjektiv-öffentliche 237 238

Vgl. Hufen, § 14 Rn. 120, 130. Vgl. auch Werner, S. 98; s. zudem Kappers, DVBI. 1978,686 (689).

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

285

Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen können, soweit diese im Einzelfall vom sachlichen und räumlichen Schutzbereich einer Verwaltungsrechtsnorm erfaßt sind. Anders stellt sich die Lage im Hinblick auf solche Interessen dar, die tatsächlich vorwiegend das Wohl der Allgemeinheit betreffen. 239 Diese herkömmlich als "öffentliche" Interessen240 bezeichneten Belange werden im deutschen Recht zunächst von den zuständigen Trägem der öffentlichen Gewalt wahrgenommen. 241 Der staatlichen Verwaltung obliegt die Aufgabe, das soziale Zusammenleben zu ordnen. Sie hat sich mit den Angelegenheiten des Gemeinwesens zu befassen. Die Verwaltung (i. w. S.) ist Träger der Wahrnehmung des öffentlichen Interesses. Dies gilt grundsätzlich für alle Belange des Allgemeinwohls. Auch die fremdstaatlichen Gemeinwohlinteressen, bspw. an der Erhaltung einer intakten Umwelt, sind in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Fraglich ist nun, inwieweit eine solche Norm, die auch das fremdstaatliche öffentliche Interesse erfaßt, die Trägerschaft dieses Interesses nicht nur dem zuständigen deutschen Hoheitsträger, sondern darüber hinaus auch der betroffenen juristischen Person des ausländischen öffentlichen Rechts zuweist, inwieweit dieser also ein Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO zusteht. Als Beispiel für eine solche Problematik soll hier zunächst § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG dienen. Danach darf eine atomrechtliche Genehmigung nur dann erteilt werden, wenn dem keine überwiegenden öffentlichen Interessen, insbesondere im Hinblick auf Umweltbeeinträchtigungen, entgegenstehen. Entsprechend dem oben dargestellten Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit spricht vieles dafür, daß § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG auch extraterritoriale Anwendung findet und somit auch extraterritoriale Interessen zu berücksichtigen sind. Zu klären ist nun, ob die Trägerschaft dieses Interesses ausschließlich einem nationalen Hoheitsträger zuzuordnen ist oder ob auch eine ausländische juristische Person des öffentlichen Rechts Träger dieses Interesses sein kann. Letzteres ist im Ergebnis zu verneinen. Träger öffentlicher Interessen ist, vorbehaltlich Hoheitsrechte übertragender Regelungen, grundsätzlich nur und ausschließlich ein nationaler Hoheitsträger. 242 Dies folgt zunächst aus der

239 Zum Begriff des Gemeinwohls und dessen Bedeutung für den Staat ausfilhrlich lsensee, in: HbStR, § 57 Rn. 1 ff. 240 Zu den Schwierigkeiten einer DefInition des öffentlichen Interesses vgl. u. a. BuJl § 2 Rn. 67; s. auch Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 1 Rn. 26; lsensee, in: HbStR, § 57 Rn. 18; allgemein zum öffentlichen Interesse: Maurer, § 1 Rn. 10; Mayer/Kopp, § 30 S. 307 f.; Mußmann, in: Schweickhardt, Rn. 8; Huber, S. 12. 241 Vgl. Maurer, § 1 Rn. 10. 242 Inwieweit öffentliche Interessen von Beliehenen wahrgenommen werden können, soll hier nicht behandelt werden.

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§ 7 Klagebefugnis

grundlegenden innerstaatlichen Funktionszuweisung, wonach allein staatlichen Organen infolge rechtsstaatlicher, vom Volk verliehener Kompetenz die rechtlich verbindliche Wahrnehmung der Gemeinwohlinteressen obliegt. 243 Verwaltungsträger (i. w. S.) werden so zum "Sachwalter des Gemeinwesens".244 Sie sind eigens zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen eingerichtet worden. 245 Darüber hinaus steht das öffentliche Interesse aber nicht nur in untrennbarem Zusammenhang mit dem Gebot der Gemeinwohlrelevanz staatlichen Handeins, 246 sondern auch mit dem verfassungsrechtlichen Demokratieprinzip. Das Demokratieprinzip verlangt, daß die Ausübung staatlicher Gewalt einer demokratischen Legitimation bedarf. 247 Damit ist zugleich festgelegt, daß auch die Bestimmung und Wahrnehmung dessen, was öffentliches Interesse ist, letztlich auf den Willen des Volkes zurückzufiihren sein muß. 248 Dies ist letztlich nur dann gewährleistet, wenn nationalen staatlichen Organen die Trägerschaft der öffentlichen Interessen obliegt. Soweit eine Norm wie § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG damit die Berücksichtigung öffentlicher Interessen normiert, sind gegebenenfalls zwar auch fremdstaatliche Interessen gemeint, die Trägerschaft dieser Interessen obliegt aber alleine dem zuständigen inländischen Hoheitsträger. Die Zuweisung der Trägerschaft öffentlicher Interessen an die Träger inländischer öffentlicher Gewalt bedeutet allerdings nicht, daß es dem inländischen Gesetzgeber grundsätzlich verwehrt wäre, die Trägerschaft ausländischer öffentlicher Interessen im Inland fremden Staaten oder sonstigen juristischen Personen des ausländischen öffentlichen Rechts besonders zuzuweisen. Wenngleich eine solche Zuweisung de lege lata nicht existiert, es sich im deutschen Recht also keine Norm findet, die einem fremdstaatlichen Hoheitsträger das subjektive Recht einräumen würde, ausländische öffentliche Interessen im Inland durchzusetzen,249 ist eine derartige Zuweisung der Inter243 Natürlich können auch private Rechtssubjekte den futeressen des Gemeinwohls dienen (so bspw. private Krankenhäuser oder gemeinnützige Organisationen). Diese futeressenwahrnehmung erfolgt jedoch aufgrund autonomer Entscheidung im Bereich des Privatrechts und ist nicht Folge einer öffentlich-rechtlichen Zuweisung. Vgl. dazu Eh/ers, in: Erichsen, AllgVerwR, § I Rn. 29; ausfilhrlich Peters, in: FS Nipperdey, S. 877 ff. (insb. S. 879 f). 244 WolfflBachoflStober, § 2 Rn. 19. 245 Huber, S. 12. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um weisungsgebundene oder um Selbstverwaltungsaufgaben handelt. 246 Vgl. dazu Mayer/Kopp, § 30 S.307; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § I Rn. 25. 247 Vgl. Pieroth, in: JarasslPieroth, Art. 20 Rn. 4 ff. 248 Vgl. dazu Mayer/Kopp, § 30 S.307; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § I Rn. 25; s. auch Isensee, in: HbStR, § 57 Rn. 88 fI 249 Gegen eine Versubjektivierung des Schutzes ausländischer öffentlicher Allgemeinwohlinteressen zugunsten ausländischer Hoheitsträger spricht auch das futeresse

IV. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

287

essenträgerschaft dennoch dogmatisch denkbar. 250 Zu berücksichtigen wäre allerdings, daß die Zuweisung der Wahrnehmung ausländischer öffentlicher Interessen an einen fremden Staat oder eine sonstige juristische Person des ausländischen öffentlichen Rechts insoweit von der Wahrnehmung des öffentlichen Interesses durch nationale Hoheitsträger zu unterscheiden wäre. Geht es bei letzteren um die Wahrnehmung des Interesses der Allgemeinheit als Folge staatlicher Kompetenzzuweisung, wäre das fremdstaatliche öffentliche Interesse ein "Eigeninteresse" des betroffenen Rechtssubjekts infolge der Versubjektivierung einer nationalen Verwaltungsrechtsnorm. Das ausländische Gemeinwohlinteresse stellt aus Sicht des deutschen öffentlichen Interesses nur eine Teilmenge des insgesamt zu beachtenden Gemeinwohls dar. Es reduziert sich in diesem Ve.mältnis zu einem Teil- oder Partikularinteresse des deutschen öffentlichen Rechts. 251 Fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts sind somit grundsätzlich nicht Träger des normintendierten "öffentlichen" Interesses im Sinne des deutschen Verwaltungsrechts.

des nationalen Gesetzgebers an der Wahrung der souveränen nationalen Entscheidungsfreiheit. Diese würde letztlich beschnitten, wenn die Wahrnehmung ausländischer öffentlicher Interessen im Rahmen nationaler Verwaltungsrechtsnonnen einem fremdstaatlichen Hoheitsträger zugewiesen würde. 250 In der Literatur fmdet sich vereinzelt die Einschätzung, daß sich der Schutz ausländischer öffentlicher Interessen letztlich als unzulässige Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts darstelle. (Vgl. älmlich KUppers, DVBI. 1978, 686 [689].) Eine solche Sichtweise verkennt, daß Schutz fremdstaatlicher Interessen und Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts nicht gleichgestellt werden können. Geht es bei der Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts um das Problem, ob darin eine unzulässige Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt liegt (s. dazu oben § 2 rn. 1.), ob also die territoriale Souveränität des von der Durchsetzung betroffenen Staates verletzt ist, so zielt die Frage nach dem Schutz fremdstaatlicher Interessen durch die nationale Rechtsordnung darauf ab, ob der nationale Gesetzgeber entsprechende Regelungen erlassen darf, er seinerseits also die Befugnis besitzt, den Schutz fremdstaatlicher Interessen anzuordnen. Schutz fremdstaatlicher Interessen und Durchsetzung ausländischen öffentlichen Rechts weisen damit grundverschiedene Zielrichtungen auf Dabei ist der Schutz ausländischer öffentlicher Interessen durch Gewährung subjektiver Rechte nicht von vornherein ausgeschlossen. Soweit die deutsche Rechtsordnung zum Schutz dieser Interessen subjektive Rechte einräumt, liegt die Entscheidung zugunsten dieser Rechte alleine beim nationalen Gesetzgeber. Das deutsche Recht gibt gleichsam den rechtlich verbindlichen Rahmen vor, in dem ausländische Interessen zu berücksichtigen sind. Soweit also einer Nonn des deutschen Verwaltungsrechts ein entsprechender Schutzbereich zu entnehmen ist, liegt in der Versubjektivierung fremdstaatlicher Interessen alleine die Ausübung eigenstaatlicher Hoheitsgewalt. Der subjektiv-rechtliche Schutz ausländischer öffentlicher Interessen ist damit eine ausschließliche Folge deutschen öffentlichen Rechts und stellt sich nicht als Auswirkung einer fremden Rechtsordnung dar. 251 Vgl. dazu Isensee, in: HbStR, § 57 Rn. 21; s. dazu auch BJeckmann, DÖV 1979, 309 (316).

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Im Hinblick auf den dritten oben genannten Beispielsfall bedeutet dies, daß es dem ausländischen Bundesstaat mangels eigenem subjektiv-öffentlichen Rechts verwehrt ist, die Beeinträchtigung seiner Umwelt zu rügen. In diesem Zusammenhang ist auf die letzte Gruppe fremdstaatlicher Interessen hinzuweisen. Sie betrifft die Wahrnehmung der Interessen ausländischer Bürger. Im Hinblick auf den Schutz dieser Interessen gilt derselbe Grundsatz wie für alle sonstigen juristischen Personen. Rechtlich geschützte Interessen können grundsätzlich nur "Eigeninteressen", nicht aber Interessen von Mitgliedern sein. Die Trägerschaft der Individualinteressen seiner Mitglieder ist einer Körperschaft regelmäßig nicht zugewiesen. 252 Ebenso wie eine deutsche Gemeinde kann daher auch eine ausländische Gebietskörperschaft nur eigene Interessen, nicht aber die ihrer Bürger wahrnehmen. 253 Aus diesem Grunde wäre auch die Gemeinde in Fall 4 nicht klagebefugt. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich der subjektivrechtliche Schutz der Interessen fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts im wesentlichen auf jene Interessen beschränkt, die der "privatrechtlichen" oder "individualrechtlichen" Sphäre dieser Rechtssubjekte entstammen. Fremde Staaten und sonstige juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts können sich insoweit ebenso wie jede sonstige natürliche oder juristische Person auf die einfachgesetzlichen Schutznormen des deutschen öffentlichen Rechts berufen, die einem von der Allgemeinheit normativ unterschiedenem einzelnen die Trägerschaft des norrnintendierten Interesses zuweisen. Anders verhält sich die Lage im Hinblick auf den Schutz fremdstaatlicher Allgemeininteressen. Diese sind als Partikularinteressen vom innerstaatlichen

2S2 Die Frage, ob eine Körperschaft Träger der Interessen ihrer Mitglieder sein kann, steht in engem Zusammenhang mit dem Problem der sog. Verbandsklage. Eine solche liegt vor, wenn ein Verband (öffentlicher oder privatrechtlicher Natur) im eigenen Namen die Rechte seiner Mitglieder oder der Allgemeinheit als verletzt geltend macht (vgl. Schmitt Glaeser, Rn. 170). Anders als die vorstehenden Ausfilluungen handelt es sich insoweit allerdings nicht um die Frage, inwieweit fremde Interessen gleichzeitig eigene Interessen sein können, im Ergebnis also zur eigenen Wahrnehmung zugeordnet sind, sondern um das Problem, inwieweit fremde Rechte, also Interessen, deren Trägerschaft anderen Rechtssubjekten zusteht, verwaltungsgerichtlich geltend gemacht werden können. Die Geltendmachung (ausschließlich) fremder Interessen ist nach allgemeiner Auffassung de lege lata nicht zulässig. Dies folgt aus dem in § 42 Abs. 2 VwGO niedergelegten und der VwGO insgesamt zugrundeliegenden System der Verletztenklage, das die Klagen sämtlicher Verbände zur Geltendmachung der Rechte ihrer Mitglieder oder der Interessen der Allgemeinheit ausschließt. Dies gilt nicht nur filr Verbände des Privatrechts, sondern auch filr Körperschaften des öffentlichen Rechts. Vgl. dazu oben m. w. N. § 7 1.3. 2S3 Vgl. zur Rechtsstellung inländischer Körperschaften des öffentlichen Rechts Hufen, § 14 Rn. 127; s. auch BVerwG DOv 1986,208 (208).

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öffentlichen Interesse umfaßt, dessen Trägerschaft stets innerstaatlichen Hoheitsträgern obliegt. Ein subjektivrechtlicher Schutz fremdstaatlicher Gemeinwohlinteressen ist dadurch dogmatisch allerdings nicht ausgeschlossen. Eine Versubjektivierung dieser Interessen zugunsten fremder Staaten oder sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts ist sowohl unter Berücksichtigung des innerstaatlichen als auch des Völkerrechts denkbar, de lege lata jedoch nicht existent. Ebenso wie inländische Körperschaften sind auch die ausländischen Körperschaften nicht Träger der Interessen ihrer Mitglieder.

c) Exkurs: Die Rechtsstellung ausländischer Behörden Die wenigen Regelungen des deutschen Rechts, die sich ausdrücklich auf die Rechtsstellung ausländischer öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte beziehen, haben zum Teil die Beteiligung ausländischer Behörden an innerstaatlichen. zumeist umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren zum Gegenstand. 254 So bestimmt bspw. § 8 UVPG, daß im Falle erheblicher grenzüberschreitender Auswirkungen inländischer Vorhaben ausländische Behörden in gleichem Umfang zu unterrichten sind wie nationale Behörden. 255 Entsprechende Regelungen beinhalten bspw. § 11 a 9.BImSchV, § 7 a AtVfG und § 57 a Abs.6 BBergG. 256 Soweit den ausländischen Behörden eine BeteiligtensteIlung zuzuerkennen ist, stellt sich die Frage, ob ihnen aus dieser Position die Befugnis erwachsen kann, die abschließende materielle Sachentscheidung anzugreifen. Grundsätzlich dient die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO dem Zweck, einer Verletzung materieller Rechtspositionen zu begegnen. Verfahrensvorschriften, zu denen auch die Regelungen über die Beteiligung von Behörden an Verwaltungsverfahren zählen, begründen regelmäßig kein Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO. 257 Ihre gerichtliche Geltendmachung setzt nach überwiegender Zu den völkerrechtlichen Vorgaben s. oben § 7 IV. I. f) aa) (2). Ausftlhrlich zu § 8 UVPG Erbguth/Schink, § 8; Peters, § 8; Wagner, in: Hoppe, § 8; s. auch Kollmer, NVwZ 1994, 1057. 256 Vgl. dazu Peters, § 8 Rn. 11f.; Wagner, in: Hoppe, § 8 Rn. 10; zur neueren Entwicklung im Raumordnungs- und Bauplanungsrecht Runkel, DVBI. 1996, 698 (703); Wagner, DVBI. 1996, 704 (711); s. weiter auch § 40 des Entwurfs zu einern Umweltschutzgesetz, KloepferlRehbinderISchmidt-Aßmann. Vgl. auch die Regelung des § 10 Abs. 5 BhnSchG, wobei umstritten ist, ob aus dieser Nonn ein Recht zur Beteiligung folgt oder diese lediglich als obligatorisches Angebot zu verstehen ist. Zu dieser Diskussion Wemer, S. 95; Beyerlin, NuR 1985, 173 (178). 257 Vgl. BVerwGE 41, 58 (65); E 61, 256 (275); E 75, 285 (291); Kopp, § 42 Rn. 57; Schmitt Glaeser, Rn. 158; Wahl/Schütz, in: SchochlSchmidt-Aßmann/Pietzner, 254

255

19 Feldmüller

290

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Auffassung regelmäßig die gleichzeitige Möglichkeit der Verletzung eines materiellen Rechts voraus. 258 In der neueren Rechtsprechung werden jedoch sog. "absolute Verfahrensrechte" anerkannt, die unabhängig vom materiellen Recht selbständig durchsetzbar sind. Zu den vom Bundesverwaltungsgericht anerkannten Fallgruppen gehören neben enteignungsrechtlichen Verfahrensvorschriften, das Recht der Gemeinden zur Beteiligung an luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren und das Beteiligungsrecht anerkannter Umweltschutzverbände in bestimmten Planungsverfahren nach dem BImSchG. 259 Zur Bestimmung solcher "absoluten Verfahrensrechte" stellt das Bundesverwaltungsgericht auf den Sinn und Zweck der fraglichen Vorschrift ab,260 wobei entsprechende Rechtspositionen nur sehr begrenzt anerkannt werden. 261 Eine Erweiterung der bislang anerkannten Fallkonstellationen wird bislang in steter Rechtsprechung abgelehnt. Auch die Beteiligungsrechte ausländischer Behörden können nicht als "absolute Verfahrensrechte" anerkannt werden. Sinn und Zweck entsprechender Beteiligungsregeln ist es regelmäßig, sich die Sachkunde ausländischer Behörden nutzbar zu machen und der völkerrechtlichen Informations- und Konsultationspflicht nachzukommen. 262 Sie dienen darüber hinaus in erster Linie dazu, zwischenstaatliche Konsultationen, die eine einvernehmliche Lösung grenzüberschreitender Konflikte zum Ziel haben, einzuleiten (vgl. § 8 Abs. 3 UVPG). Insoweit handelt es sich bei den Regeln über die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung um Verfahrensbestimmungen, die als Instrumente der Entscheidungsfindung dienen und denen keine Rechtsposition entnommen

§ 42 Abs. 2 Rn. 72; weitergehend Herbert, NuR 1994, 218 (218 f1); s. auch Hufen, § 14 Rn. 119; Schenke, Rn. 502. 258 Vgl. BVerfUE 53, 30 (65 f.); BVerfG EuGRZ 1988, 424 (425); Kopp, § 42 Rn. 57; Schmitt Glaeser, Rn. 158; s. auch EyermannIFriJhler, § 42 Rn. 162; ErbguthiSchink, Eint. Rn. 118. 259 Näher dazu Wahl/SchUtz, in: Schoch/Sclunidt AßmannJPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 73 ff.; zum Beteiligungsrecht der Gemeinden BVerwGE 81, 95 (106); zum Recht der Naturschutzverbände BVerwGE 87, 62 (69); OVG Schleswig NVwZ 1994, 590 (591). 260 Begründet wird die Gewährung dieser Rechte im Fall der Beteiligung von Gemeinden mit dem Schutz der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) und der daraus folgenden Planungshoheit. Im Hinblick auf die RechtssteIlung der Naturschutzverbände wird auf eine "Versubjektivierung" des öffentlichen Interesses am Umweltschutz zugunsten dieser Vereine hingewiesen. 261 Vgl. m. w. N. Wahl/SchUtz, in: Schoch/Sclunidt AßmannJPietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 73 f. 262 Vgl. zur Verbesserung der Informationsquellen und zur Konsultationspflicht Wagner, in: Hoppe, § 8 Rn.4 ff.; zur völkerrechtlichen Informationspflicht ErbguthiSchink, § 8 Rn. I.

N. Einfachgesetzliche Schutznonnen deutschen Rechts

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werden kann, die dazu geeignet wäre, ein vom materiellen Recht unabhängiges subjektives Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO zu begründen. 263 Anders, als bspw. in den skandinavischen Ländern, die fremdstaatlichen Behörden aufgrund eines zwischenstaatlichen Abkommens grenzüberschreitende Klagerechte gewähren,264 können ausländische Behörden in der Bundesrepublik keine Rechte geltend machen, die ihnen eine, die abschließende Sachentscheidung betreffende, Klagebefugnis i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO einräumen. Eine andere Frage ist, ob den betroffenen fremdstaatlichen Behörden die Befugnis zukommt, eine gesetzlich vorgesehene Unterrichtungspflicht seitens eines deutschen Hoheitsträgers gerichtlich durchzusetzen. 265 Als Beispiel soll hier wiederum § 8 Abs. 1 UVPG dienen. Danach "werden" bei zu erwartenden erheblichen Umweltauswirkungen die von dem betroffenen Mitgliedstaat (der EU) benannten Behörden "unterrichtet". Der Wortlaut dieser Regelung läßt offen, ob insoweit ein durchsetzbares Unterrichtungsrecht geschaffen werden sollte. Für die Annahme eines solchen Rechts spricht die dem UVPG zugrundeliegende europäische Richtlinie266 (UVP-RL). Gemäß Art. 7 UVP-RL kann ein betroffener Mitgliedstaat einen Antrag auf Unterrichtung stellen. Diese Antragsmöglichkeit kann wohl nur so verstanden werden, daß ihm dadurch auch ein Recht auf Unterrichtung zukommen soll.267 Aus diesem Grunde ist § 8 UVPG europarechtskonform dahingehend zu verstehen, daß der betroffenen Behörde ein eigenes Recht auf Unterrichtung zukommt. Dieses Recht ist gegebenenfalls auch im Klagewege durchsetzbar. Insoweit dient § 8 UVPG zwar noch immer der Entscheidungsvorbereitung der inländischen Behörde, begründet aber daneben ein subjektives Recht auf Unterrichtung. Dieses ist allerdings seinerseits nicht dazu geeignet, bei Nichtbeachtung die abschließende Sachentscheidung anzugreifen.

263 Vgl. im Hinblick auf § 8 UVPG ebenso ErbguthiSchink, Ein!. Rn. 117; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs.2 Rn. 214; WeberlHel/mann, NJW 1990, 1625 (1632); s. im Ergebnis auch Wemer, S. 97. 264 Art. 4 der Nordischen Umweltschutzkonvention regelt die Errichtung von staatlichen Behörden, denen die Aufgabe zukommt, grel1ZÜberschreitende Umwelteinwirkungen zu überwachen. Diesen Behörden wird u. a. ein Klagerecht vor den Verwaltungsgerichten des Störerstaates eingeräumt. Näher dazu m. w. N. Lappe, NuR 1993, 213 fI 265 Zur gerichtlichen Durchsetzung von Beteiligungsrechten vgl. BVerwGE 44,235 (239); E 56, 110 (137); ErbguthiSchink, Ein!. Rn. 118; Schenke, Rn. 502. 266 Richtlinie des Rates über die UmweltverträglichkeitspTÜfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben vom 27. Juni 1985 (85/337 EWG); abgedruckt bei Hoppe, Anhang S. 552 tT. 267 Vgl. auch Wagner, in: Hoppe, § 8 Fußn. 19, wo von einer ,,Pflicht" zur Unterrichtung gesprochen wird. Siehe auch ErbguthiSchink, § 8 Rn. I; Peters, § 8 Rn. 5.

§ 7 Klagebefugnis

292

V. Klagebefugnis aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts Wenn das europäische Gemeinschaftsrecht nachfolgend erst im Anschluß an die Regeln des Völkerrechts und die Bestimmungen des deutschen Rechts (Verfassungs- und Verwaltungsrecht) auf seine subjektivrechtlichen Gewährleistungen untersucht wird, soll dies nicht die Bedeutung dieser Rechtsordnung widerspiegeln, sondern ist allein Folge der Beschränkung der vorliegenden Untersuchung auf die RechtssteIlung fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts, da insoweit keine grundlegenden Besonderheiten entstehen.

1. Die Einbeziehung des Gemeinschaftsrechts in den innerstaatlichen Rechtskreis Das EG-Recht wird in primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht unterteilt. I Zu dem Primärrecht gehören als wichtigste Bestandteile die Gründungsverträge (EGKS, EAGV und EGV) einschließlich aller Änderungen, Ergänzungen, Protokolle, Abkommen, Anlagen und späterer Beitrittsverträge. 2 Daneben zählen dazu die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts sowie das die Verträge ergänzende Gewohnheitsrecht. 3 Das sekundäre Gemeinschaftsrecht beinhaltet das von den Organen der Gemeinschaft auf Grundlage der Verträge erlassene Recht. Dieses umfaßt insbesondere die Verordnungen (Art. 189 Abs. 2 EGV), Richtlinien (Art. 189 Abs. 3 EGV) und Entscheidungen (Art. 189 Abs. 4 EGV). Dem Gemeinschaftsrecht jeder Rangstufe kommt im inländischen Recht unmittelbare Geltung zu, ohne daß es eines besonderen Transformationsaktes bedürfte. Dies folgt aus Art. 23 Abs. 1 GG (Art. 24 Abs. 1 GG a. F.) in Verbindung mit den Zustimmungsverträgen zum EG-Vertrag. 4 Von der unmittelbaren Geltung ist die unmittelbare Anwendbarkeit (bzw. die unmittelbare Wirksamkeits) zu unterscheiden. Unmittelbar anwendbar sind diejenigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die auf einzelne Rechtsverhältnisse in einem Mitgliedstaat angewendet werden können, ohne daß es

I

Ausftlhrlich Ehlers, in: Erichsen, AlIgVerwR, § 3 Rn. 12 ff.; SchweitzerlHummer,

Rn. 9 ff.

2 Burgi,

VwPruE, S. 9; SchweitzerlHummer, Rn. 13. in: Erichsen, AlIgVerwR, § 3 Rn. 12. 4 Geiger, GGuVöR, S. 248. 5 Zur Tenninologie vgl. Jarass, DVBI. 1995, 934 (935). 3 Ehlers,

V. Klagebefugnis aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts

293

einer näheren Umsetzung bedürfte. 6 Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGH der Fall, wenn die fragliche Rechtsnorm unbedingt formuliert, in sich vollständig und rechtlich vollkommen ist und es deshalb keiner weiteren Handlung der Gemeinschaft oder des Mitgliedstaates bedarf. 7 Die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit werden dabei vom EuGH großzügig gehandhabt. 8 Aus dem Bereich des Primärrechts sind insbesondere die Bestimmungen über die Grundfreiheiten des Gemeinsamen Marktes sowie eine ganze Reihe weiterer Vorschriften, egal ob sie an den Bürger adressiert sind oder alleine eine Staatenverpflichtung begründen, unmittelbar anwendbar. 9 Ausgenommen sind lediglich Normen des EG-Vertrages, die sich in Regelungsaufträgen oder -ermächtigungen erschöpfen. JO Unmittelbar anwendbar sind nach Art. 189 Abs. 2 EGV auch die Verordnungen. Sie sind von den Gerichten wie nationales Recht zu beachten. Für Entscheidungen nach Art. 189 Abs. 4 EGV, die an Bürger oder innerstaatliche Stellen gerichtet sind, gilt dies entsprechend. I I Im Grundsatz anerkannt, im einzelnen aber nach wie vor umstritten, ist die ausnahmsweise mögliche unmittelbare Wirkung von Richtiinien. 12 Richtlinien sind nach Art. 189 Abs. 3 EGV an den Mitgliedstaat gerichtete Rechtsnormen, die hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich sind, die den innerstaatlichen Stellen aber die Umsetzung überlassen, wobei diese in der Wahl der Form und des Mittels weitgehend frei sind. Aufgrund des Umsetzungserfordemisses sind Richtlinien regelmäßig nicht unmittelbar wirksam. Etwas anderes gilt nach Auffassung des EuGH aber, wenn der betreffende Mitgliedstaat seiner Umsetzungspflicht nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nachgekommen ist, wenn die Richtlinie zudem inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist, die Anwendung der Richtlinie keines weiteren Umsetzungsaktes mehr bedarf und zugunsten des Bürgers, aber zu Lasten des Mitgliedstaates wirkt. 13 In diesen Fällen sind Richtlinien unmittelbar wirksam mit der Folge, daß sie im Inland Rechte und Pflichten begründen können.

Vgl. Burgi, VwPruE, S. 14; Geiger, GGuVöR, S. 249. Vgl. EuGH Slg. 1968, 216 (230 ff.); Burgi, DVBI. 1995, 772 (773); Streinz, Rn. 349. 8 Vgl. Jarass, DVBI. 1995,954 (955). 9 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 15; Geiger, GGuVöR, S. 249. 10 Jarass, DVBI. 1995, 954 (955). 11 Vgl. Jarass, DVBI. 1995, 954 (955). 12 Allgemein zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien Langenfeld, DÖV 1992, 955 ff.; Papier, DVBI. 1993, 809 tr.; Scherzberg, Jura 1993,225 tr. 13 Vgl. EuGH Slg. 1986, 723 (748); Slg. 1987, 3969 (3985); Slg. 1989, 1839 (1870); dazu m. w. N. Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 20; Jarass, DVBI. 1995, 954 (956 f.). 6

7

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§ 7 Klagebefugnis

Wie oben bereits gezeigt,14 kommt dem EG-Rechtjeder Stufe Vorrang vor dem nationalen Recht, einschließlich des Verfassungsrechts, zu. Dieser Vorrang ist mit der herrschenden Meinung als Anwendungsvorrang zu verstehen, was bedeutet, daß nationales Recht im Falle der Kollision mit Gemeinschaftsrecht nicht nichtig wird, sondern gültig bleibt, insoweit aber unanwendbar iSt. 15

2. Subjektiv-öffentlicbe Recbte aus unmittelbar anwendbarem Gemeinscbaftsrecbt Von der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Rechtsnorm zu differenzieren ist, inwieweit ein Rechtssatz subjektiv-öffentliche Rechte begIÜDdet und damit gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zur Klage vor den inländischen Verwaltungsgerichten befugt.16 Die Frage der Klagebefugnis aus unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht ist zur Zeit Gegenstand einer kontroversen Auseinandersetzung. Dabei unterliegt die prinzipielle Anwendung der Sachurteilsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO nach allgemeiner Auffassung auch in Fällen mit Bezug zum Gemeinschaftsrecht keinen Beanstandungen. l ? Soweit der Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Regelungen den nationalen Behörden obliegt, ist die Kontrolle der Verwaltung Aufgabe der inländischen Gerichte und bestimmt sich daher nach dem nationalen Prozeßrecht. 18 Zum Teil erhebliche Probleme bereitet dagegen die Frage, ob ein unmittelbar anwendbarer Rechtssatz im konkreten Einzelfall eine Rechtsposition begIiindet, die zur gerichtlichen Geltendmachung befugt. Weitgehend ungeklärt ist insoweit nämlich, anband welcher Kriterien der subjektive Charakter einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift zu bestimmen ist oder ob es insoweit aufgrund der Regelung des § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO möglicherweise gar nicht auf das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts ankommt. Im Hinblick auf die Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts kann diese Problematik bspw. in jenen Fällen eine Rolle spielen, in denen eine unmittelbar wirksame Richtlinie ein grenzüberschreitendes Beteili14 Vgl. dazu oben § 7 m. a) dd) (2). IS Vgl. Burgi, VwPruE, S. 21 f.; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 31; Jarass, DVBl. 1995, 954 (958 f.); Schmidt-Aßmann, in: SchochlSclunidt-Aßmannl Pietzner Einleitung Rn. 110; Streinz, Rn. 200. 16 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 52; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 30; Geiger, GGuVöR, S. 249; Hufen, § 14 Rn. 108 a. 17 Vgl. RengelingIMiddekelGellermann, Rn. 1079. 18 Vgl. EuGH Slg. 1991,1-3757 (3790 f.); Classen, NJW 1995,2457 (2458); Langenfeld, DÖV 1992, 955 (962); Schenke, Rn. 531 a; zu den Besonderheiten des vorläufigen Rechtsschutzes, s. RengelingIMiddekeiGellermann, Rn. 1141 ff.

V. Klagebefugnis aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts

295

gungsrecht zugunsten dieser Rechtssubjekte oder eine entsprechende Infonnationspflicht zu Lasten inländischer Verwaltungsträger vorsieht. 19 a) Spezifisch gemeinschaftsrechtliche Kriterien

Ein wachsender Teil der Lehre geht davon aus, daß sich die Qualifikation unmittelbar anwendbarer Nonnen des Gemeinschaftsrechts als Grundlage subjektiv-öffentlicher Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO ausschließlich nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien richtet. 20 Dies wird damit begründet, daß der Begriff des subjektiven Rechts auf der Ebene des materiellen Rechts fixiert sei und damit auch nur nach diesem Recht beurteilt werden könne. 21 Bei der Frage nach subjektiven Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht gehe es um die materiellrechtlichen Gehalte einer autonomen Rechtsordnung, die im deutschen Recht. unbeschadet verfassungsrechtlicher Grenzen, ohne weiteres anzuerkennen seien. 22 Zudem wird geltend gemacht, daß alleine wegen der Einheitlichkeit der Rechtsgewährung innerhalb der Gemeinschaft insoweit schon gemeinschaftsrechtliche Maßstäbe anzulegen seien. 23 Während über den Ausgangspunkt Einigkeit besteht, wird die Frage, anband welcher gemeinschaftsrechtlicher Kriterien der subjektivrechtliche Charakter einer Nonn zu ermitteln ist, noch immer unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird insoweit auf eine gemeinschaftsrechtliche Schutznonntheorie zurückgegriffen,24 teilweise auf prozeßrechtliche Grundsätze abgestellt. 25 Im Vordringen befindet sich anscheinend, wenngleich mit abweichenden Fonnulierungen, die Auffassung, wonach ein subjektives Recht vorliegt. wenn ein Rechtssatz tatsächlich den Interessen eines einzelnen Rechtssubjekts dient und dieses in seinen eigenen Interessen tatsächlich betroffen ist. 26 19 Vgl. bspw. Art. 7 der UVP-Richtlinie vom 27. Juni 1985 (85/337/EWG) und die entsprechende Umsetzung durch Art. 8 UVPG. Siehe dazu oben § 7 IV. 2. c). 20 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 52; Langen/eId, DÖV 1992, 955 (962); Papier, DVBI. 1993, 809 (811); RengelinglMiddekeiGellennann, Rn. 1083; Winter, NuR 1991, 543 (455); s. auch Schenke, Rn. 531 b. 21 Vgl. Papier, DVBI. 1993,809 (811). 22 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 53. 23 Vgl. Langen/eId, DÖV 1992, 955 (962). 24 Vgl. Triantafyllou, DÖV 1997, 192 (195 f1); s. auch ders., DÖV 1992, 564 (569). 2S Vgl. v. Danwitz, DÖV 1996,481 (489). 26 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 54 f.; C/assen, NJW 1995, 2457 (2458); RengeIinglMiddekeiGeliennann, Rn. 1092; Winter, NuR 1991,453 (455); s. auch Schenke, § 14 Rn. 108 a.

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§ 7 Klagebefugnis

b) Anwendung der deutschen Schutznormtheorie Eine andere Auffassung zieht zur Bestimmung des subjektiv-öffentlichen Rechts i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO die im innerstaatlichen Rechtskreis herrschende Schutznonntheorie27 heran. 28 Nach dieser Ansicht bestimmt das Gemeinschaftsrecht zwar die Eckpunkte, inwieweit eine Regelung dazu berechtigen soll, vom Staat auch im Klagewege eine Verhaltenspflicht einzufordern. Die sich aus ihr ergebenden Vorgaben sowohl bezüglich des "Ob" als auch im Hinblick auf den berechtigten Personenkreis gelte es aber in die Kriterien einzufiigen, die das nationale Prozeßrecht für die Beurteilung der Klageberechtigung aufstelle. Das nationale Prozeßrecht bilde den Rahmen, der in seiner Handhabung auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auszurichten sei. Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe ist nach dieser Auffassung auch die deutsche Schutznonntheorie anwendbar. Daß diese in ihrer Handhabung in starkem Maße europarechtlichen Vorgaben unterliege, folge, "vom deutschen Rechtsschutzsystem her gedacht," daraus, daß für die Beurteilung der Klagebefugnis an die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts angeknüpft werde. Ein solches liege im materiellen Recht begründet, und die Klage fungiere nur als Mittel für seine Durchsetzung. Es sei daher nur konsequent, daß sich das Vorliegen und die personale Reichweite eines subjektiv-öffentlichen Rechts letztlich nach den inhaltlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts richte. Dies ändere aber nichts daran, daß der Ausgangspunkt für die Bestimmung der Klageberechtigung, die Prüfung einer möglichen Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts, nationalrechtlich bestimmt bleibe.

c) Die Ausnahmeregelung des § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO

Eine in jüngster Zeit vertretene Ansicht versucht das Problem der Geltendmachung unmittelbar anwendbaren EG-Rechts unter Hinweis auf § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO zu lösen. 29 Danach ist eine Klage nicht nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein, sondern auch dann, wenn gesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Unter Beachtung dieser Vorschrift wird darauf abgestellt, daß im Hinblick auf die Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts zwischen reinen Initiativrechten und subjektivVgl. dazu oben § 7 I. 2. b). Vgl. Frenz, DVBl. 1995,408 (411 f.); s. auch WoljJlBachoJlStober, Rn. 44 f.; kritisch RengelingIMiddekeiGellermann, Rn. 1081 f. 29 Vgl. Schmitt Glaeser, Rn. 170 b; Wahl, in: SchochiSchmidt-AßmannlPietzner Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 127 f.; Wahl/Schütz, in: SchochiSchmidt-AßmannlPietzner § 42 Abs. 2 Rn. 216. 27

28

V. Klagebefugnis aufgnmd europäischen Gemeinschaftsrechts

297

öffentlichen Rechten zu unterscheiden sei. 30 Das subjektive öffentliche Recht betreffe die materielle Position des einzelnen (Rechtssubjekts) gegenüber der staatlichen Gewalt. Nur wo es um dieses Verhältnis gehe, sei es angezeigt, dem Betroffenen die gesamte Wirkungsbreite des subjektiven öffentlichen Rechts (einstweiliger Rechtsschutz, Folgenbeseitigungsanspruch, etc.) zu verschaffen. Gehe es hingegen darum, den einzelnen im Interesse der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts fiir eine weitreichende Verwaltungskontrolle zu instrumentalisieren, dann erscheine es ausreichend, dem Kläger ein bloßes Initiativrecht einzuräumen. Dieses ,,Recht" erschöpfe sich allein in der Möglichkeit, die mutmaßliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns vor Gericht zu bringen, eine materielle Rechtsposition brauche dem Kläger nicht eingeräumt zu werden. Insoweit könne die Initiativberechtigung des einzelnen Rechtssubjekts im Rahmen der Systemausnahme des § 42 Abs. 2, I. Hs. VwGO verarbeitet werden.

d) Eigene Wardigung

Keinem der vorstehend genannten Ansätzen ist es bislang gelungen, die Frage der gerichtlichen Geltendmachung unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts zweifelsfrei und umfassend zu lösen. Dies liegt im wesentlichen daran, daß die Bestimmungen des EG-Rechts als Normen einer autonomen Rechtsordnun~1 in das Individualrechtsschutzsystem des deutschen Verwaltungsprozeßrechts integriert werden müssen, ohne daß beide Systeme in vollem Umfang kompatibel wären. 32

aa) Maßstab und Grundlage des subjektiv-öffentlichen Rechts i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO Kern des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes ist, wie oben gezeigt, das Erfordernis eines subjektiv-öffentlichen Rechts. Das subjektiv-öffentliche Recht bildet insoweit nicht nur eine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern ist auch elementarer Bestandteil der Begründetheitsprüfung. Damit eine Klage Erfolg hat, muß der Kläger in einem Recht verletzt sein, das gerade ihm zur eigenen Wahrnehmung zugewiesen worden ist. Anders stellt sich die Lage im europäischen Verwaitungsprozeß dar. Dort

kann eine natürliche oder juristische Person gegen eine Maßnahme klagen, Vgl. Wahl, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 128. Vgl. Herdegen, Rn. 80. 32 Zu den strukturellen Unterschieden: Classen, NJW 1995,2457 (2460 ff.). 30

31

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§ 7 Klagebefugnis

wenn sie tatsächlich betroffen ist (Art. 173 Abs. 4 EGV).33 Die Begründetheit einer solchen Klage verlangt keine Verletzung eigener Rechte, sondern alleine die Rechtswidrigkeit einer Handlung. Infolge dieser Systementscheidung ist dem Gemeinschaftsrecht der Begriff des "subjektiv-öffentlichen Rechts" im Sinne des deutschen Verwaltungsprozeßrechts unbekannt. 34 Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, daß das Gemeinschaftsrecht keine Individualrechte gewährleistet. 3S Diesen kommt jedoch nicht die gleiche Rechtsschutz tragende Funktion wie im deutschen Rechtsschutzsystem zu. Anders als dort werden subjektive Rechte im EG-Recht nicht primär um den Schutz der begünstigten Rechtssubjekte selbst eingeräumt, sondern als Instrument fiir die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten verstanden. 36 Da die Gestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes beim Vollzug europäischen Gemeinschaftsrechts durch inländische Behörden bei dem nationalen Gesetzgeber verbleibt,37 stellt sich im Hinblick auf die gerichtliche Geltendmachung unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts die Frage, ob sich aus diesen Rechtssätzen subjektiv-öffentliche Rechte herleiten lassen. Nur wenn sich nämlich gemeinschaftsrechtliche Rechtspositionen als subjektivöffentliche Rechte im Sinne des deutschen Prozeßrechts begreifen lassen, können sie ohne weiteres in das nationale Individualrechtsschutzsystem eingegliedert werden. Eine reine Betrachtung des Gemeinschaftsrechts reicht insoweit jedoch nicht aus. Zu unterscheiden sind vielmehr Maßstab und Grundlage eines subjektiv-öffentlichen Rechts (i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO). Maßstab fiir das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts ist die inländische Definition, wonach ein solches Recht besteht, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen echts einem Träger der öffentlichen Gewalt eine Verhaltenspflicht auferlegt, 'eser Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung der (Individual-)Interesen des Betroffenen dient und so diesem die Rechtsrnacht zukommt, die normgeschützten Interessen gegenüber dem Verpflichteten durchzusetzen. 38 Grundlage fiir die Qualifikation eines subjektiv-öffentlichen Rechts ist darüber hinaus aber das Gemeinschaftsrecht. Dieses bestimmt, wann eine Rechtsposition von einem einzelnen Rechtssubjekt in einem Mitgliedstaat durchgesetzt werden soll. Nach der hier vertretenen Auffassung ist daher mit anderen Worten zu fragen, ob (1.) die betreffende Gemeinschaftsrechtsnorm nach Vorgabe des EG-Rechts von einem bestimmten Rechtssubjekt durchsetzbar sein

~

Zur Klagebefugnis im EG-Recht vgl. Ehlers, VerwArch 84 (1993),139 (151 fI). Vgl. Triantafyllou, Döv 1997, 192 (193). 35 Zur VerwendWlg des Begriffs "subjektives Recht" vgl. EuGH Slg. 1978, 629 (642). 36 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 52; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (934); v. Danwitz, DöV 1996, 481 (486 f.); ZuJeeg, BB 1991,581 (582). 37 Vgl. Winter, NuR 1991,453 (455). 38 Vgl. dazu oben m. w. N. § 7 1.2. b). 33

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V. Klagebefugnis aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts

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soll und ob (2.) die so begründete Rechtsposition ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des deutschen Rechts darstellt. 39

bb) Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Zu klären ist damit zunächst, welche Vorgaben das Gemeinschaftsrecht an die Durchsetzbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Regelungen im nationalen Prozeß stellt. Die wichtigste und umfassendste Vorgabe ist die vom EuGH mehrfach verdeutlichte Forderung nach der wirksamen Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten. 4o Nach Ansicht des Gerichts sind die Mitgliedstaaten, deren Behörden und Gerichte verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. 41 Dieses aus dem völkerrechtlichen Grundsatz des "effet utile" hervorgegangene und vom EuGH aus der Verpflichtung zur Gemeinschaftstreue (Art. 5 EGV) hergeleitete Effektivitätsgebot42 zielt zusammen mit dem Anwendungsvorrang des EG-Rechts43 auf die optimale Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts und wird so zu einem der "Schlüsselinstitute"44 des Europarechts. Grund fiir diese Vorgabe ist die finale Ausrichtung des EG-Rechts auf die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft45 (Errichtung des Gemeinsamen Marktes, Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie der sonst in Art. 2, 3 EGV genannten Ziele). Ausgehend von diesen Vorgaben stellt sich die Frage, in welchem Umfang das Gemeinschaftsrecht die Durchsetzbarkeit unmittelbar anwendbaren EGRechts in den Mitgliedstaaten durch einzelne Rechtssubjekte fordert. Teilweise wird im Schrifttum angenommen, daß sich aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ein allgemeiner Normvollziehungsanspruch ergebe, der auf dem prozessualen Institut der Einklagbarkeit ("invocabilite") objektiven Gemeinschaftsrechts beruhe und zusammen mit dem Vereitelungsund Diskriminierungsverbot zu einer materiellen Rechtsposition erstarke, die dem subjektiv-öffentlichen Recht des deutschen Verwaltungsrechts gleichzu39 Vgl. zur einer solchen Differenzierung im Ansatz auch Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,925 (934). 40 Vgl. EuGH Sig. 1978,629 (641 f1); s. auch Jarass, DVBI. 1995,954 (954 (). 41 Vgl. EuGH Sig. 1989,2965 (2984); Sig. 1990,1-2911 (2935); Sig. 1994,1-3385 (3407 (). 42 Vgl. Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (931). 43 Dazu oben § 7 V. 1. 44 Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (930 f.). 45 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 8; Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (931).

300

§ 7 Klagebefugnis

stellen sei. 46 Grundlage hierfür sei die Rechtsprechung des EuGH, der keine speziellen Voraussetzungen für die individuelle Durchsetzbarkeit objektiver Normen des Europarechts entnommen werden könne. Inwieweit einer solchen Auffassung gefolgt werden kann, ist zweifelhaft. Sie verkennt nicht nur den Unterschied zwischen unmittelbarer Anwendbarkeit einer Rechtsnorm und Ansprüchen einzelner aus dieser Rechtsnorm, ihr kann zudem auch insoweit nicht gefolgt werden, als sich in den Entscheidungen des EuGH zur Rechtsstellung einzelner regelmäßig eine Formulierung findet, wonach sich jeder auf unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht berufen kann, der von der Regelung "betroffen" ist. 47 Aus dem Merkmal der "Betroffenheit" folgt, daß sich nicht notwendig jeder infolge eines allgemeinen Vollziehungsanspruchs auf unmittelbar anwendbare Regelungen des EG-Rechts berufen kann, sondern daß es ein bestimmter Personenkreis ist, dem die gerichtliche Geltendmachung normbedingter Vorteile nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts eröffnet sein muß. 48 Inwieweit darüber hinaus sonstige Klagerechte durch mitgliedstaatliche Rechtsordnungen gewährt werden, ist eine andere Frage. Das EG-Recht aber verlangt, wie vielfach festgestellt, keine Popularklagebefugnis,49 sondern beschränkt selbst den Kreis der prozessual bzw. materiell Berechtigten auf die Rechtssubjekte, die ein unmittelbares Interesse an der Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen haben. 50 Der Kreis der Berechtigten kann sich insoweit bereits aus dem Wortlaut oder dem personalen Bezug der Norm ergeben5) oder wird durch das Element der "tatsächlichen Betroffenheit" bestimmt. Welche Voraussetzungen an die "Betroffenheit" eines Rechtssubjektes zu richten sind, ist noch nicht geklärt und hängt wesentlich von der weiteren

46

Vgl. v. Danwitz, DÖV 1996,481 (489).

47 Vgl. dazu EuGH Slg. 1974, 1337 (1348); Slg. 1986, 723 (748); Slg. 1987,3969

(3985); Slg. 1991,1-2567 (2601); Slg. 1991,1-4983 (5023). Zu berücksichtigen ist insoweit allerdings, daß der RechtsprechWlg des EuGH im Hinblick auf das Merkmal der ,,Betroffenheit" keine einheitliche Dogmatik zugrunde liegt. Vgl. RengelingIMiddekel GeIlermann, Rn. 1086. 48 Vgl. RengelingIMiddekelGellermann, Rn. 1090; s. auch EuGH 1987, 4097 (4117); sowie dazu Jarass, DVBl. 1995, 954 (954 f.). Zu beachten ist, daß dem Merkmal der ,,Betroffenheit" eine doppelte Funktion zukonunt. Zum einen dient es der Eingrenzung des aus einer Nonn berechtigten Personenkreises Wld zum anderen ist es prozessuale Voraussetzung im gemeinschaftsrechtlichen Individualrechtsschutzssystem (Art. 173 Abs. 4 EGV). Nur in seiner erstgenannten Funktion hat es materiellrechtliche Wld damit fil.r die Frage des Bestehens subjektiver Rechte relevante Bedeutung. 49 Vgl. Burgi, VwPruE, S. 54. 50 Vgl. EuGH Slg. 1991,1-3757 (3790 f.); s. auch RengelingIMiddekelGellermann, Rn. 1090. SI Vgl. Burgi, VwPruE, S. 54 f.

V. Klagebefugnis aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts

301

Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH ab. S2 Unter Berücksichtigung der Auffassung des EuGH wird eine Betroffenheit aber angenommen, wenn die Anwendung (bzw. Nichtanwendung) eines Gemeinschaftsrechtssatzes die (normativerfaßten) Interessen des Klägers tatsächlich berührt. S3 Über das Merkmal der "Betroffenheit" hinaus wird teilweise vertreten, daß der EuGH im Gemeinschaftsrecht bei bestimmten Vorschriften eine gemeinschaftsrechtliche Schutznormtheorie.anwende, um eine Individualberechtigung anzunehmen. S4 Danach komme es auch im Gemeinschaftsrecht auf die Schutzrichtung der betreffenden Norm an, eine bloße faktische Betroffenheit reiche nicht aus. S5 Wenngleich eine solche Entwicklung aus Sicht des deutschen Individualrechtsschutzsystems zu begrüßen wäre, erscheint es zweifelhaft, ob es angesichts des objektiv ausgerichteten Gemeinschaftsrechtssystems tatsächlich die Tendenz zu einer gemeinschaftsrechtlichen Schutznormtheorie gibt. Bislang ist mit der Ansicht des EuGH davon auszugehen, daß unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedstaaten durchsetzbar sein muß, wenn das einzelne Rechtssubjekt durch die (Nicht-)Anwendung einer Norm tatsächlich betroffen ist. Das Gemeinschaftsrecht beinhaltet damit konkrete Vorgaben hinsichtlich des Umfangs, in dem EG-Recht im Inland durch einzelne Rechtssubjekte durchsetzbar sein muß. Das "wie" dieser Durchsetzung überläßt es allerdings in weitem Maße dem Recht der Mitgliedstaaten. S6

cc) Das EG-Recht als subjektiv-öffentliches Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO Aus diesem Grunde muß auch in einem weiteren Schritt überprüft werden, ob sich aus den dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Individualrechtspositionen subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne des deutschen Rechts ergeben. Eine zutreffende Beurteilung gemeinschaftsrechtlicher Rechtspositionen ergibt sich nach Maßgabe des inländischen subjektiv-öffentlichen Rechts, wenn man entsprechend den allgemeinen Grundsätzen darauf abstellt, daß die fragliche Regelung das geltend gemachte Interesse erfaßt und der Kläger Träger 52 Zur Bedeutung der Rechtsprechung filr die Begründung subjektiver Rechte vgl. v. Danwitz, DOv 1996,481 (482). 53 Vgl. EuGH Slg. 1991,1-2567 (2601); Slg. 1991,1-4983 (5023); s. auch Burgi, S. 55; RengelingIMiddekelGellermann, Rn. 1092; Langen/eid, DÖV 1992, 955 (962). 54 Vgl. Trianta.fyllou, DÖV 1997, 192 (197). 55 Vgl. Trianta.fyl/ou, DÖV 1997, 192 (196); s. auch ders., DÖV 1992, 564 (569). 56 Verboten ist allein eine Benachteiligung gemeinschaftsrechtlicher Rechtspositi0nen gegenüber solchen des nationalen Rechts. Vgl. Classen, NJW 1995, 2457 (2458 f); s. auch Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (934); eingehend zur subjektivrechtlichen Umsetzung von EG-Richtlinien: Remmert, DV 26 (1996), 465 ff.

302

§ 7 Klagebefugnis

dieses nonnativ erfaßten Interesses sein muß. Letztere Voraussetzung ist dabei unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu beurteilen. Da das subjektiv-öffentliche Recht nämlich auf dem materiellen Recht basiert, müssen dessen Besonderheiten aufgegriffen werden. 57 Die Trägerschaft des normativerfaßten Interesses bestimmt sich, soweit diese nicht bereits dem Wortlaut oder dem personalen Bezug der gemeinschaftsrechtlichen Norm zu entnehmen ist. nach der tatsächlichen Betroffenheit des einzelnen Rechtssubjekts. 58 Anders als bei Normen des inländischen öffentlichen Rechts richtet sich die Trägerschaft des erfaßten Interesses damit nicht primär nach den Vorgaben der Norm, sondern nach den tatsächlichen Umständen. Die Anknüpfung bleibt aber vergleichbar. Auch für die Feststellung der gemeinschaftsrechtlichen Betroffenheit kommt es auf das normintendierte Interesse an, das einem bestimmten Rechtssubjekt zur eigenen Wahrnehmung zugewiesen wird. Es spricht demnach nichts dagegen, entsprechende Rechtspositionen des Gemeinschaftsrechts als subjektiv-öffentliche Rechte zu qualifizieren. Das System des Individualrechtsschutzes wird dadurch nicht beeinträchtigt. Anders als die oben dargestellte Ansicht, wonach zwischen subjektiv-öffentlichen Rechten und Initiativrechten zu unterscheiden ist, wahrt die hier vertretene Ansicht die Abhängigkeit des innerstaatlichen Rechtsschutzes vom Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts. Inwieweit die Frage nach subjektiv-öffentlichen Rechten aus unmittelbar anwendbarem EG-Recht darüber hinaus der Anwendung der nationalen Schutznormtheorie zugänglich ist, erscheint problematisch. Einer solchen Anwendung ist entgegenzuhalten, daß den Normen des Gemeinschaftsrechts der notwendige Schutzzweck fehlen würde. Nach zutreffender Ansicht kommt den Regelungen des Gemeinschaftsrechts nämlich kein Schutzzweck, sondern allenfalls eine tatsächliche Schutzwirkung ZU. 59 "Europäisiert" man die Schutznormtheorie, wie teilweise vorgeschlagen,60 in der Weise, daß eine Norm jeden "Betroffenen" schützt, steht ihrer Anwendung zwar nichts im Wege, zur Vermeidung von Mißverständnissen sollte aber auf die Terminologie "Schutznormtheorie" ganz verzichtet werden. Etwas anderes gilt allerdings, wenn gemeinschaftsrechtliche Regelungen in nationales Recht umge-

Vgl. im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO auch Classen, NJW 1995,2457 (2463). Da sich die Anknüpfung an die tatsächliche Betroffenheit insoweit als Folge der notwendigen Integration des Gemeinschaftsrechts darstellt, hat die hier vertretene Auffassung nichts mit der Ansicht zu tun, die im innerstaatlichen Recht eine tatsächliche Betroffenheit zur Begründung eines subjektiv-ötTentlichen Rechts ausreichen läßt. Vgl. dazu Kopp, § 42 Rn. 48; Schenke, Rn. 497. 59 Vgl. Hufen, § 14 Rn. 108 a; s. auch Winter, NuR 1991, 453 (455); Rengeling/Middeke/Gellermann, Rn. 1082. 60 Vgl. Frenz, DVBI. 1995,408 (412); dazu oben § 7 V. 2. b). 57 58

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

303

setzt worden sind. In diesen Fällen findet die Schutznonntheorie im herkömmlichen Umfang Anwendung. 61 Zusammenfassend läßt sich damit feststellen, daß eine Nonn des unmittelbar anwendbaren EG-Rechts unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und nach Maßgabe des deutschen öffentlichen Rechts ein subjektivöffentliches Recht (i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO) enthält, wenn sie das vom Kläger geltend gemachte Interesse nonnativ erfaßt und der Kläger, zumindest aufgrund tatsächlicher Betroffenheit, Träger des normimmanenten Interesses ist. Im Hinblick auf die Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts ergeben sich, wie oben bereits erwähnt, insoweit keine Besonderheiten. Auch sie können sich unter den genannten Voraussetzungen auf unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht berufen. 62

VI. Die Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts und ihre Bedeutung für die Klagebefugnis Besonders problematisch ist die Frage, ob ein ausländischer Kläger vor deutschen Verwaltungsgerichten auch Rechte geltend machen kann, die dem ausländischen öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Die Diskussion um die innerstaatliche Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts hat mit den Ausführungen Isays1 und Neumeyers2 bereits in den 20er Jahren begonnen und ist in der verwaltungsrechtlichen Literatur bis heute immer wieder aufgegriffen worden, 3 ohne daß die damit verbundenen Fragen abschließend geklärt worden wären. In jüngerer Zeit wurde im wesentlichen erörtert, ob sich ein ausländischer Kläger in Verfahren des grenzüberschreitenden Umweltrechts auch auf die Verletzung solcher Rechtspositionen berufen kann, die ihm das ausländische

61 Vgl. Ruthig, BayVBI. 1997, 289 (293); Schenke, Rn. 531 b; s. auch ErichsenIFrenz, Jura 1995, 422 (426); zur - hier nicht zu erörternden - Frage der Grundrechtsverletzung bei Verstoß gegen objektives EG-Recht, s. Ruthig, BayVBI. 1997,289 (295 fI). 62 Vgl. dazu Jarass, NJW 1993,881 (883). I Isay, Internationales Verwaltungsrecht, in: Stier-SomlolElster, S. 344 ff. 2 Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht Bd. 4 Allgemeiner Teil (1936). 3 Vgl. Schlochauer, in: DV Bd. 2 Va H 49 (1955); Steindorff, in: Schlochauer WdV Bd. 3 (1962) S. 581 tT.; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsnormen (1965); Hoffmann, in: v. MÜllch, BesVerwR, S. 851 ff. (ausführlicher noch, in: v. MÜllch, BesVerwR [6. Aufl.], S. 989 fI); Grof, Grundsatzfragen, S. 303 ff.

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§ 7 Klagebefugnis

öffentliche Recht gewährt. 4 Gleichfalls in der Diskussion ist die Frage, ob in Fällen der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit öffentlich-rechtliche Verträge auch unter Herrschaft des ausländischen Rechts geschlossen werden dürfen. 5 Die verschiedenen Auffassungen zur Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts sind kontrovers und sollen nachfolgend im wesentlichen im Hinblick auf die Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß erörtert werden. 6 Dabei steht die Suche nach Normen oder Rechtsgrundsätzen, die geeignet sind, ausländisches öffentliches Recht zur Anwendung zu bringen, im Vordergrund. Zu berücksichtigen sein wird abschließend auch der schon oben erörterte Zusammenhang von Rechtsanwendungsbefehl und internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte.

1. Voraussetzung eines Anwendungsbefebls Voraussetzung fiir die Anwendung jedweden Rechts durch staatliche Organe ist, wie oben dargelegt,' das Vorliegen einer Rechtsnorm, die die Anwendung dieses Rechts befiehlt. 8 Ein solcher Rechtsanwendungsbefehl kann sowohl im geschriebenen wie ungeschriebenen Recht des betreffenden Staates enthalten sein. 9 Soweit es sich um Normen der eigenen Rechtsordnung handelt, bedarf es keiner ausdrücklichen Regelung. Innerstaatliche Rechtsnormen tragen den Anwendungsbefehl in sich selbst. I 0 Anders verhält es sich in den Fällen, in denen die Anwendung fremden Rechts in Rede steht. Fremdes Recht vermag es nicht, von sich aus innerstaatliche Behörden oder Gerichte zur Rechtsanwendung zu verpflichten. Es kann nur angewendet werden, wenn innerstaatli4 Siehe dazu EyermannIFr6hler, Anh. § 42 Rn. 75 f1; Fr6hler/Zehetner, S. 84 f1; LukesIDehmerlWendling, GewAreh 1986, 1 (3); OppennanniKilian, S. 135 f1; Wemer, S. 51 ff. S Vgl. dazu Beyerlin, S. 397 ff.; Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 178 ff.; ders., DÖV 1996, 100 ff.; Oehm, S. 88 ff; Schl6gel, S. 118 ff.; vgl. zum Problem der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit unten § 7 VI. 6. 6 Wie schon im Hinblick auf die einfachgesetzlichen Schutznonnen des deutschen Rechts können auch hier die besonderen Probleme des Kartell- oder Enteignungsrechts aufgrund der thematischen Beschränkung der vorliegenden Arbeit keine Beachtung fmden; zum Kartell- und sonstigem öffentlichen WirtschaftsrechtMeng, S. 11 ff. 7 Siehe § 7 II. 4. e). 8 Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 37; ebenso LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 (I). 9 HojJmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 863. 10 Rudolf, BerDGVR 11 (1973),37; vgL auch Beyerlin, S. 416 f.; HojJmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 863.

VI. Klagebefugnis aufgnmd ausländischen öffentlichen Rechts

305

ches Recht einen entsprechenden Anwendungsbefehl enthält. 11 Unter fremdem Recht sind dabei alle Rechtsnormen zu verstehen, die nicht von einem Rechtssetzungsorgan desjenigen Staates erlassen wurden, dem auch das rechtsanwendende Organ zugehört. 12 Fremdes Recht stellt damit neben den Regelungen des Völker- und europäischen Gemeinschaftsrechts insbesondere auch das nachfolgend zu behandelnde Recht fremder Staaten dar. Soweit die Anwendung ausländischen (öffentlichen) Rechts in Rede steht, stellt sich die Frage, ob die innerstaatliche Anwendung dieses fremden Rechts völkerrechtlich überhaupt zulässig ist und ob das deutsche Recht entsprechend notwendige Rechtsanwendungsbefehle kennt. 13

2. Völkerrechtliche Zulässigkeit Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Anwendung ausländischen Rechts bestimmt sich anband des Völkergewohnheitsrechts und den allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsgrundsätzen. Spezielle völkerrechtliche Ge- oder Verbotsnormen sind nicht nachweisbar. 14 Grundsätzlich ist, wie oben mehrfach gezeigt,15 davon auszugehen, daß souveräne Staaten in der Regelung innerstaatlicher Sachverhalte frei sind. 16 Dies gilt auch im Hinblick auf extraterritoriale Sachverhalte, soweit die bestehenden völkerrechtlichen Grenzen beachtet werden, das heißt insbesondere eine hinreichende Inlandsbeziehung besteht. 17 Einschränkungen der staatlichen

11 Vgl. Beyerlin, EuGRZ 1987, 116 (120 f.); Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 37; s. auch Kopp, § 42 Rn. 51. 12 Hoffmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 856. Um innerstaatliches und nicht länger um fremdes Recht handelt es sich, wenn die entsprechenden Rechtsnormen in nationales Recht transformiert wurden. (Vgl. Meng, S. 203 f.) Sie sind dann Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung und tragen damit den Anwendungsbefehl in sich selbst. \3 Teilweise wird in der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts ein begrenzter SouveränitätsveIZicht desjenigen Staates gesehen, dessen Organe das fremde Recht anwenden. (Vgl. Blickle, in: Siebtes Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 244; LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, 1 [I).) Wenngleich die Annahme eines solchen SouveränitätsveIZichts insoweit fraglich erscheint, als die staatlichen Organe aus der eigenstaatlichen Souveränität heraus über die Anwendung fremden Rechts entscheiden, soll eine Diskussion dieser Ansicht hier aufgnmd letztlich gleicher Ergebnisse dahinstehen. Ein innerstaatlicher Rechtsanwendungsbefehl würde nämlich den angenommen SouveränitätsveIZicht decken. 14 Grof, Grundsatzfragen, S. 308. IS Vgl. oben § 1 II. I. 16 Vgl. Ipsen, § 23 Rn. 3; Rudolf, BerDGVR 11 (1973),37. 17 Vgl. dazu oben § 7 IV. I. f) aa). 20 Fe1dmüner

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§ 7 Klagebefugnis

Regelungsbefugnis bestehen damit nur insoweit, als die Souveränität eines sonstigen Völkerrechtssubjekts betroffen ist. 18 Aus diesem Grundsatz, daß jeder Staat innerhalb dieses durch die Regeln des Völkerrechts vorgegebenen Rahmens den Inhalt des anzuwendenden Rechts selbst bestimmen kann, folgt zugleich, daß es jedem Staat gleichermaßen freigestellt ist, die Anwendung jedes beliebigen Rechts zu befehlen. Dies gilt auch im Hinblick auf solche Regelungen, die dem ausländischen öffentlichen Recht angehören. 19 In der Anwendung ausländischen Rechts liegt kein Eingriff in die fremdstaatliche Souveränität20• Es wird nicht in einen Bereich eingegriffen, der der ausschließlichen Kompetenz eines fremden Staates zugewiesen wäre. Zu bedenken steht insoweit allerdings, ob eine Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts zu unterbleiben hat. wenn der betreffende Staat dieser Anwendung ausdrücklich widerspricht. Rudolf weist darauf hin, daß der fremde Staat Herr über die extraterritoriale Geltungserstreckung seines Rechts sei und ausländisches öffentliches Recht damit im Falle eines Widerspruchs nicht angewendet werden dürfte. 21 Dieser Einwand kann jedoch insoweit nicht überzeugen, als in der Anwendung ausländischen Rechts keine Geltungserstrekkung i. S. einer Erweiterung des Machtbereiches des fremden Staates liegt, sondern lediglich die Regelungen des fremden Rechts fiir den Bereich der innerstaatlichen Rechtsordnung fiir anwendbar erklärt werden. Als völkerrechtlich relevante Schranke ist jedoch zu beachten, daß die Anwendung fremden Rechts nur soweit erfolgen darf, als ein ausreichender Anknüpfungspunkt von Sachverhalt und fremder Rechtsordnung gegeben ist. 22 Diese anerkannte völkerrechtlich notwendige Verknüpfung von staatlicher Regelung und zugrundeliegendem Sachverhalt ist auch im Hinblick auf die Zulässigkeit innerstaatlicher Rechtsanwendungsbefehle zu beachten. Festzuhalten bleibt, daß das Völkerrecht der innerstaatlichen Anwendung ausländischen (öffentlichen) Rechts nur vage Grenzen zieht und die Anwendung dieses fremden Rechts grundsätzlich nicht gegen das Völkerrecht verstößt.

Zur Staatenimmunität vgl. oben § 2 ll. Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 37. 20 Heute wohl allg. AufTassWlg, vgl. Meng, S. 202; Vogel, S. 202; a. A. Neumeyer, S. 115 f. 21 Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 38. 22 Vgl. dazu oben § 1 ll. 1.; s. hier auch Grof, Grundsatzfragen, S. 308. 18

19

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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3. Internationales Venvaltungsrecht Die Frage der Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts muß damit auf der Ebene des staatlichen Rechts getroffen werden. Die Bestimmung darüber, welches Recht - eigenes oder fremdstaatliches - anzuwenden ist, wird als Problem des sog. "internationalen Verwaltungsrechts" (IVerwR) angesehen. Soweit sich die Literatur heute mit diesem Rechtsgebiet auseinandersetzt, wird das IVerwR als Rechtsanwendungsrecht verstanden, dem es obliegt, durch Kollisionsnormen zu bestimmen, welche Rechtsordnung im konkreten Fall zur Anwendung zu bringen ist. Dahinter steht der Gedanke, daß aufgrund der zunehmenden Internationalisierung des Rechtsverkehrs und einer steigenden Zahl auslandsbezogener Sachverhalte auch das Verwaltungsrecht nicht mehr ohne Verweisungen auf das ausländische Recht auskomme3 und damit auch in diesem Bereich der Frage nachzugehen ist, ob im konkreten Fall nationales oder fremdstaatliches Recht Anwendung finden soll. Dabei handelt es sich beim IVerwR jedoch nicht um ein kodifiziertes und in der Art des IPR abstrahiertes Kollisionsrecht. Vielmehr ist die Ausgestaltung eines IVerwR noch immer Gegenstand einer anhaltenden Kontroverse. Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht die Frage, ob es sich beim IVerwR um ein "einseitig" oder "zweiseitig" konzipiertes Kollisionsrecht handelt. a) Internationales Verwaltungsrecht und Einseitigkeit des Offentliehen Rechts

Nach bislang wohl überwiegender Ansicht handelt es sich beim internationalen Verwaltungsrecht nicht um ein "zweiseitiges" Kollisionsrecht, sondern um ein einseitig konzipiertes Rechtsanwendungsrecht, 24 dessen Aufgabe nicht darin bestehe festzustellen, ob inländisches oder ausländisches Recht anzuwenden sei, sondern lediglich den Anwendungsbereich des eigenen öffentlichen Rechts zu bestimmen. Hinter dieser Auffassung von der "Einseitigkeit des IVerwR" steht der Gedanke, daß ein Staat grundsätzlich nur eigenes öffentliches Recht zur Anwendung bringt. Sollte ein Sachverhalt nicht dem inländischen öffentlichen Recht

Vgl. Grof, Grundsatzfragen, S. 313; Kopp, DVBl. 1967,469 (469). Vgl. lsay, in: Stier-SomlolElster, S. 346; Neumeyer, S. 115 ff.; Schlochauer, in: DV S.3; vgl. auch Firsching/v. HofJmann, § I Rn. BI; s. zudem Sandrock, ZVglRWiss 69 (1968), 1 (31 0, der sich um eine Vermittlung zwischen den verschiedenen Auffassungen bemüht. 23

24

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§ 7 Klagebefugnis

unterfallen, müsse sich der Staat einer rechtlichen Beurteilung vollständig enthalten. 25 In dem Grundsatz der Einseitigkeit des öffentlichen Rechts manifestiert sich damit das althergebrachte Souveränitätsdenken, wonach das öffentliche Recht quasi das Hausrecht des Hoheitsträgers ist, mit dem dieser seine Interessen verfolgt, daß aber demzufolge auf das staatliche Territorium begrenzt bleiben muß. Diese Ansicht wurde wesentlich von Neumeyer geprägt. Er ist der Auffassung, daß öffentlich-rechtliche Rechtssätze in besonderem Maße mit einem bestimmten Staat verbunden seien. Jeder Staat könne daher nur seine eigenen Angelegenheiten regeln. In diejenigen Angelegenheiten eines anderen Staates bestimmend einzugreifen, wäre ebenso undurchführbar, wie es gegen elementare Regeln des Völkerrechts verstieße. 26 Da das nationale Recht damit nur über die eigene Anwendung bestimmen könne, könnten die entsprechenden Grenznormen nur einseitig sein. 27 Diesbezüglich ist jedoch in der neueren Lehre anerkannt, daß die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts nicht gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip verstößt. 28 Um ein tragfähiges dogmatisches Fundament hat sich Vogel bemüht. Er sucht nach einer staatstheoretischen Begründung des Grundsatzes der "Einseitigkeit des IVerwR". Ausgehend von dem Staatsverständnis von Savignys29 gelangt Vogel zu der Auffassung, daß sich die Normen des öffentlichen und privaten Rechts grundlegend unterscheiden. Während die Regelungen des Privatrechts dem Staat vorgegeben seien (Vorstaatlichkeit des Privatrechts), vergegenständliche sich in den Normen des öffentlichen Rechts erst die Staatsgewalt selbst. Mit der Anwendung öffentlichen Rechts durch einen anderen Staat müsse der rechtliche Gehalt einer Norm notwendig ein anderer werden, da es nun eine andere Staatsgewalt sei, die sich im Rahmen dieser Norm verwirkliche. 30 Aus diesem engen Verhältnis von Staatsgewalt und öffentlichem Recht und in Unterscheidung zu dem Verhältnis von Staat und Privatrecht schließt Vogel, daß der Staat dem öffentlichen Recht nicht in gleicher Weise distanziert gegenüberstehen könne wie dem Privatrecht. Im Gegensatz zu letzterem Rechtsgebiet, auf dem es dem Staat gleichgültig sei, welche Rechtsordnung er zur Anwendung bringe, wende er in Fragen des öffentlichen Rechts grund25 VgJ. Neumeyer, S. 120; Schlochauer, in: DV S. 3; Vogel, AöR 84 (1959), 54 (62 f.); ders., in: LdR 4/520. 26 Neumeyer, S. 115. 27 Neumeyer, S. 116. 28 VgJ. oben § 7 VI. 1. f) aa) (I); vgJ. auchMeng, S. 202; Vogel, S. 202. 29 Zur Lehre v. Savignys Vogel, S. 215 ff, 237 unter Bezug auf: F.C. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts Band 1 - 8, Berlin 1840 - 1949. 30 Vogel, S. 237.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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sätzlich nur eigenes und nur ausnahmsweise fremdes öffentliches Recht an. 3 ! Anders als das IPR, das eine Art Metarechtsordnuni 2 des Privatrechts darstelle, handele es sich beim Internationalen Verwaltungsrecht damit um ein einseitig konzipiertes Anwendungsreche 3 und nicht um ein "zweiseitiges" Kollisionsrecht, wobei Vogel sämtliche Verweisungen als materielle und nicht kollisionsrechtliche Verweisungen versteht. Trotz des Grundsatzes der Einseitigkeit des IVerwR ist auch nach dieser Auffassung die Beachtung fremdstaatlichen Rechts im Ralunen innerstaatlichen öffentlichen Rechts nicht schlechthin unmöglich. Vielmehr enthalte das deutsche öffentliche Recht Sachnonnen, die innerhalb ihres Tatbestandes auf ausländisches öffentliches Recht verwiesen. 34 Bei diesen "kollisionsrechtlichen" Verweisungen handele es sich um Nonnen des materiellen Rechts. Sofern im Tatbestand dieser Vorschriften auf ausländisches öffentliches Recht verwiesen wird, bedeutet dies, der Auffassung Isays nach, im Ergebnis jedoch keine unmittelbare Anwendung ausländischen, sondern nach wie vor eigenen öffentlichen Rechts. 35

b) Internationales Verwaltungsrecht als zweiseitiges Kollisionsrecht

In der neueren Literatur wird zunehmend vertreten, daß es sich beim IVerwR ebenso wie beim IPR um ein System echter zweiseitiger Kollisionsnonnen handele. 36 Im öffentlichen Recht könne die Frage des anzuwendenden Rechts ebenso wie im Privatrecht grundsätzlich durch zweiseitige "echte" Kollisionsregelungen, also Nonnen, die ausschließlich die Frage des anzuwendenden Rechts regelten, entschieden werden. 37 Im innerstaatlich deutschen Zur Kritik an Vogels "staatstheoretischer" Begründung s. § 7 VI. 5 a) ee) (2). Zur Metarechtsordnung und der Theorie der "sematischen Stufen" Vogel, S. 241 ff., 253 ff. (insb. S. 260 f). 33 Infolge dessen sieht Vogel das IVerwR auch nicht als eigenständiges Rechtsgebiet, sondern als Teil des Besonderen oder Allgemeinen Verwaltungsrechts an, Vogel, S. 314; ders., in: LdR 4/520. Gegen die mögliche Entwicklung eines IVerwR auch Matscher, in: FS Beitzke, S. 649. 34 Neumeyer (S. 178 ff.) spricht insoweit von der Überwirkung fremden Rechts; s. auch Isay, in: Stier-SomlolElster, S. 352; Vogel, S. 238,299. 35 Isay, in: Stier-SomlolElster, S. 352; s. zu dieser Ansicht auch § 7 VI. 5. a) ce). 36 Vgl. Grof, Grundsatzfragen, S. 312 ff.; ders., JB!. 108 (1986), 209 (213); Hoffmann, in: v. Mönch, BesVerwR, S. 863 ff.; Schurig, S. 146 ff.; vg!. auch Zweigert, S. 137 ff.; zweiseitige Kollisionsnormen als Ausnahmeerscheinung Steindoiff, in: WdR Bd. 3 (1962), 581 (581); zweiseitiges Kollisionsrecht zumindest de lege ferenda Beyerlin, S. 398, 424 fI 37 Zum Nachweis, daß zwischen IVerwR und !PR kein struktureller Unterschied besteht, Schurig, S. 146 ff. 31

32

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§ 7 Klagebefugnis

Recht bestünden keine Regelungen, die eine Verweisung auf fremdstaatliches Recht verböten. Vielmehr liege das "Ob" solcher kollisionsrechtlichen Regelungen in der Hand des einfachen Gesetzgebers. 38 Dabei kann nach dieser Auffassung die Ausgestaltung entsprechender Regelungen durchaus verschieden sein. Es seien sowohl "echte" wie "unechte" Kollisionsnonnen denkbar. Als "unechte" Kollisionsnonnen werden solche verwaltungsrechtlichen Regelungen bezeichnet, die in ihrem Tatbestand auf ausländisches öffentliches Recht verweisen. 39 Im Gegensatz zu echten Kollisionsnonnen handelt es sich bei diesen unechten Kollisionsnonnen nicht um reines Kollisionsrecht, sondern um Nonnen des Sachrechts, die zur Regelung innerstaatlicher Sachverhalte auf ausländisches Recht zurückgreifen. Sachnonnen sind solche Vorschriften, die in der Sache selbst entscheiden, also die betroffenen Interessen unmittelbar und abschließend beurteilen, wohingegen (reine) Kollisionsnonnen lediglich bestimmen, welcher Rechtsordnung die zur Entscheidung notwendigen Sachnonnen zu entnehmen sind. 40 Soweit man mit dieser Auffassung das IVerwR als Recht der zweiseitigen öffentlich-rechtlichen Kollisionsnonnen versteht, stellt sich die Frage, ob das deutsche öffentliche Recht entsprechende kollisionsrechtliche Regelungen enthält. Innerhalb dieser Auffassung haben sich verschiedene Ansätze zur Bewältigung kollisionsrechtlicher Problemflille herausgebildet. So geht Hoffmann aufgrund der Bindung der rechtsanwendenden Organe an die innerstaatliche Ordnung im Bereich des öffentlichen Rechts zwar von einer Vennutung zugunsten der Anwendung eigenen öffentlichen Rechts aus. 41 Diese Vennutung sei jedoch stets zu überprüfen. Ausländisches öffentliches Recht könne im Einzelfall zur Anwendung befohlen sein, wenn dies zu sachgerechteren Ergebnissen fiihre als die Anwendung deutschen Verwaltungsrechts. 42 Einen anderen Lösungsweg schlägt Grof vor. Ausgehend von der Prämisse, daß das IVerwR auch durch zweiseitige Kollisionsnonnen geregelt werden könne, gelangt er zu der Auffassung, daß es schon aus diesem Grunde nicht abwegig, sondern sogar geboten erscheine, die im IPR entwickelten Grundsätze auch auf das IVerwR zu übertragen. 43 Eine entsprechende Übertragung der 38

39

Grof, Grundsatzfragen, S. 314. Grof, Grundsatzfragen, S. 314.

40 Schurig, S. 58; zur Unterscheidung von Verweisungs- und Sachrecht Kegel, S. 53; Siehr, RabelsZ 46 (1982),357 (360 tf.). 41 Hoffmann, in: v. MÜDch, BesVerwR, S. 863; so auch Achterbet:g, § 1 Rn. 103. 42 Ho.fJmann, in: v. MÜDCh, BesVerwR, S. 864. 43 Grof, Grundsatzfragen, S. 315.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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Grundsätze des IPR kommt nach dieser Auffassung in Betracht, soweit ein Näheverhältnis des Verwaltungsrechts zum Zivilrecht besteht. In Fällen, die ihrer Natur nach nicht zwingend subordinationsrechtlich geregelt werden müßten, bestehe die Möglichkeit, daß die beteiligten Parteien die anzuwendende Rechtsordnung konsensual bestimmten. 44 Inwieweit diese Ansätze überzeugen, soll später erörtert werden. Festzustellen bleibt zunächst, daß die Suche nach entsprechenden Rechtsanwendungsbefehlen, diesen Auffassungen folgend, letztlich dem Einzelfall vorbehalten bleibt, da ein vollständiges System des internationalen Verwaltungsrechts vergleichbar mit dem Internationalen Privatrecht (IPR) nicht besteht. 45

c) Eigene Würdigung

Zu klären bleibt damit, ob sich das IVerwR entsprechend den oben dargestellten Auffassungen als ein- oder zweiseitiges "Kollisionsrecht" darstellt und welche Bedeutung dieser Entscheidung fiir die Frage der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts zukommt. Die Konsequenz der Lehre von der "Einseitigkeit des öffentlichen Rechts" wird häufig mit der Kurzformel der "Nichtanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts" umschrieben. 46 Eine grundsätzliche Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts i. S. einer "a-priori-Ignorierung"47 kann heute aber nicht mehr vertreten werden. Es ist anerkannt, daß ausländisches öffentliches Recht zumindest als Vorfrage sowohl in Zivil-48 als auch in Verwaltungsprozessen eine Rolle spielen kann. 49 Des weiteren bestehen zahlreiche öffentlich-rechtliche Regelungen, die mittelbaren oder unmittelbaren Auslandsbezug aufweisen und die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts notwendig machen. 50 Auch Vogel versteht den von ihm entwickelten Ansatz, daß sich in den Normen des öffentlichen Rechts die Staatsgewalt selbst verwirkliche, nicht als Grof, Grundsatzfragen, S. 321; vgl. zurRechtswahl unten § 7 VI. 5. a) ee). Grof, Grundsatzfragen, S. 312. 46 Grof, Grundsatzfragen, S. 313. 47 Schurig, S. 144. 48 Zur Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts im Privatrecht m. w. N. Heldrich, in: Palandt, EGBGB Art. 3 Rn. 4; vgl. auch Bomheim, S. 231 ff. (zu ausländischen Genelunigungen); KegeIlSeidl-Hohenveldem, in: FS Ferid, S.240 (insb. zu ausländischen Enteignungen). 49 Vgl. Grof, JBl. 108 (1986), 209 (212); m. w. N. Schurig, S. 144. so Vgl. dazuMeng, S. 204 ff. 44

4S

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§ 7 Klagebefugnis

Dogma einer grundsätzlichen Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts. ,,Der Satz von der ,Einseitigkeit' soll in diesem Zusammenhang also nicht bedeuten, daß eine Verweisung auf fremdes Recht im Bereich des öffentlichen Rechts rechtslogisch nicht möglich sei, sondern er soll richtig verstanden, nur soviel zum Ausdruck bringen, daß jede derartige Verweisung doch immer noch etwas anderes sei, als das, was die herrschende Lehre unter einer Verweisung auf fremdes Privatrecht versteht. ,,51

Ein allgemeiner Grundsatz der Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts läßt sich damit im Ergebnis nicht begründen, 52 und wird auch, soweit ersichtlich, nicht mehr vertreten. Soweit damit erkannt wird, daß ausländisches öffentliches Recht grundsätzlich anwendbar ist, erweist sich die Frage der "Ein- oder Zweiseitigkeit" des IVerwR von nur sekundärer Bedeutung. Dabei soll sekundär nicht im Sinne von "untergeordnet", sondern von "nachfolgend" verstanden werden. Mit anderen Worten, soweit die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts im Grundsatz nicht zu leugnen ist, muß :für den Einzelfall entschieden werden, welche Rechtsordnung zur Anwendung gelangen soll. 53 Entscheidend ist also die Frage, ob das nationale Recht Vorschriften oder Grundsätze enthält, die die Anwendung eigenen oder fremden Rechts regeln. Diesbezüglich kann bereits vorweg festgestellt werden, daß sich die deutsche Rechtsordnung zur Verweisung auf ausländisches öffentliches Recht de lege lata überwiegend "unechter" Kollisionsnormen bedient. 54 Die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts aufgrund einer allseitigen Kollisionsnorm ist deshalb aber nicht denknotwendig ausgeschlossen. 55 Ein Verbot der Verwendung echten zweiseitigen Kollisionsrechts ist nicht nachweisbar. 56 Die Frage der Ausgestaltung kollisionsrechtlicher Regelungen liegt alleine in der Hand des einfachen Gesetzgebers. Die verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten kollisionsrechtlicher Regelungen basieren dabei nicht auf unüberwindbaren dogmatischen Gegensätzen, und die Entscheidung darüber wird teilweise lediglich als Frage der Zweckmäßigkeit oder rechtspolitischen Opportunität bezeichnet. 57 Die Divergenz zwischen "echten" und "unechten" KollisionsVogel, S. 237 (vgl. auch S. 204). Dazu ausfilhrlich Schurig, S. 143; vgl. auch Meessen, AöR 110 (1985), 398 (411 f.); Meng, S. 210; Sonnenberger, in: MtlKo, Ein!. IPR Rn. 264; vgl. auch Mann, RabelsZ 21 (1956), I (3 f.). 53 Vgl. ebenso Schurig, S. 151. 54 Grof, Grundsatzfragen, S. 314. 55 Siehr, RabelsZ 46 (1982), 357 (360). 56 Vgl. Meng, S. 203; Beyerlin, S. 409 ff.; Schurig, S. 148, 157 ff.; Grof, Grundsatzfragen, S. 314; ders., JZ 1982, 385 (387); Vogel, S. 238. 57 Grof, Grundsatzfragen, S. 314; vgl. auch Schurig, S. 158. 51

52

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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nonnen kann nach Auffassung Grofs unschwer dadurch überwunden werden, daß man die Grundsätze des in unechten Kollisionsnonnen geregelten IVerwR abstrahiert und in echte Kollisionsnonnen umwandelt. 58 . Die Untersuchung der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts muß also von der Frage ausgehen, ob und wie der Gesetzgeber die Anwendung ausländischen Rechts gewollt hat. Daran anschließend ist dann gegebenenfalls ein Kollisionsrecht zu entwickeln. Keinesfalls kann die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts grundsätzlich ausgeschlossen werden, weil nur ein bestimmtes Rechtsanwendungssystem besteht. So kommt auch Vogel zu der Erkenntnis: ,,Die Interpretation aller Verweisungen des öffentlichen Rechts als ,materiellrechtliche Verweisungen' - im Gegensatz zu den ,kollisionsrechtlichen Verweisungen' des Internationalen Privatrechts ist nur eine mögliche und sachlich angemessene Weise, den Unterschied zwischen den Verweisungen des öffentlichen und privaten Rechts dogmatisch zum Ausdruck zu bringen. Rein logisch wäre es selbstverständlich genau so gut möglich, auch filr das Sachgebiet des öffentlichen Rechts ,zweiseitige' Kollisionsnormen, gleich denen des Internationalen Privatrechts, zu konstruieren [... ],,59

Wenngleich Vogel eine solche Konstruktion aufgrund "ganz bestimmter geschichtlicher Voraussetzungen" fiir "sachwidrig" hält, wird deutlich, daß die systematische Konstruktion nicht die wesentliche Frage des IVerwR sein kann. 60 Dem Problem der "Ein-" oder "Zweiseitigkeit" kommt damit Bedeutung nur

fiir die Beschreibung der gegenwärtigen (kodifizierten) Rechtslage oder der Entwicklung eines zukünftigen Kollisionsrechtssystems zu. Die Frage der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts hingegen ist durch Herausarbeitung entsprechender Grundsätze zu klären und im Einzelfall zu fragen, ob und gegebenenfalls welche kollisionsrechtlichen Regelungen bestehen. 61 Insoweit kann man zunächst feststellen, daß ausländisches öffentliches Recht in der Bundesrepublik nicht grundsätzlich unanwendbar ist, daß seine Anwendung aber stets einen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl voraus58 Grof, Grundsatzfragen, S. 314 f, der nachfolgend zutreffend nachweist, daß sich auch bei der Frage der "QualifIkation" keine wesentlichen dogmatischen Unterschiede ergeben. 59 Vogel, S. 238. Soweit man das IVerwR als Kollisionsrecht verstehe, so Vogel (in: LdR 41520), sei dessen einziger Inhalt, "daß ein Staat auf ,Hauptfragen' aus dem Bereich des Verwaltungsrechts jeweils nur sein eigenes Verwaltungsrecht anzuwenden habe." 60 Vgl. insoweit in gleicher Weise Beyerlin, der auch unter Berücksichtigung der Auffassung Vogels ,,zweiseitige Kollisionsnormen" zulassen will; Beyerlin, S. 409 f, vgl. auch S. 406. 61 So schon Schlochauer, in: DV S. 6.

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§ 7 Klagebefugnis

setzt. 62 Dieser kann dabei sowohl rein kollisionsrechtlicher Art sein, oder es kann sich um eine Sachnorm ("unechte" Kollisionsnorm) handeln, die in ihrem Tatbestand auf ausländisches Recht verweist.

4. Grundsatz der Anwendung eigenen ötTentlichen Rechts Soweit damit nach heutigem Verständnis und bestehender Gesetzeslage das Dogma der Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts nicht aufrechterhalten werden kann und der Entscheidung über die Einordnung des IVerwR keine abschließende Bedeutung zukommt, stellt sich, wie gezeigt, die Frage, welches Recht im Einzelfall anzuwenden ist. Als Grundsatz ist allgemein anerkannt, daß die deutsche Verwaltung deutsches öffentliches Recht anzuwenden hat. 63 Die Begründungen dafür sind allerdings uneinheitlich. Im Regelfall wird die grundsätzliche Anwendbarkeit nationalen öffentlichen Rechts als axiomatisches Dogma dargestellt. Eine nähere Begründung dieses scheinbar selbstverständlichen Grundsatzes wird nicht gegeben. 64 Dies mag unter anderem daran liegen, daß sich die ältere Literatur im wesentlichen mit Sachverhalten beschäftigt hat, die durch Subordinationsverhältnisse geprägt sind65 und in denen damit die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts, wie nachfolgend noch erörtert wird, weitgehend ausgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang spielen auch die Ausführungen Vogels zur "Einseitigkeit" des IVerwR eine Rolle. Mit der staatstheoretischen Begründung der ,,Einseitigkeit" manifestiert er zugleich den Grundsatz der Anwendung eigenen nationalen öffentlichen Rechts, ohne eine materiellrechtliche Begründung geben zu müssen. Soweit Vogel von der Möglichkeit ausgeht, daß der Grundsatz der "Einseitigkeit" nicht gelte, ist er der Auffassung, daß de lege lata eine "empirische Regel" bestehe, nach der "der Staat normalerweise von einer Verweisung auf fremdes Verwaltungsrecht absieht.,,66 In der neueren Literatur wird von einer grundsätzlichen "Vermutung" zugunsten der Anwendung eigenen öffentlichen Rechts durch deutsche Hoheits-

62 Dieser Rechtsanwendungsbefehl kann insoweit auch Folge innerstaatlich anwendbaren europäischen Gemeinschaftsrechts sein. 63 Vgl. Beyerlin, S. 422; Blickle, in: Siebtes Deutsches Atomrechts-Symposiwn, S. 244; Hoffmann, in: v. MÜIlCh, BesVerwR, S. 863; Isay, in: Stier-SomlolElster, S. 345; LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, I (1); Vogel, in: LdR 4/520. 64 So Vogel, in: LdR 4/520, 1. 65 Vgl. bspw. Isay, in: Stier-SomlolElster, S. 345 f.; Neumeyer, S. 120; Schochauer, in: DV S. 7; s. auch Kappers, ZPR 1976,260 (263). 66 Vogel, S. 313.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

315

träger gesprochen. 67 Da der Gesetzgeber im Verwaltungsrecht aber keine ausdrücklichen Rechtsanwendungsbefehle erteilt habe und eine Verweisung auf ausländisches öffentliches Recht durchaus seinem Interesse entsprechen könne, dürften Verwaltungsbehörden (wie Gerichte) nicht ohne weiteres von der Anwendung nationalen öffentlichen Rechts ausgehen, sondern müßten stets prüfen, ob eine Abweichung von der grundsätzlichen Vennutung geboten

sei. 68

Im Ergebnis ähnlich konstatiert Meng zutreffend, daß der Satz, ein Staat wende nur eigenes öffentliches Recht an, nur als Aussage einer nach statistischer Häufigkeit und allgemeiner Interessenlage zu beurteilenden Regel entspreche, aber keine Aussage über eine Pflicht oder erzwungene Enthaltsamkeit der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts beinhalte. 69 Dabei stellt er grundlegend auf das Interesse eines Staates an der Anwendung fremden öffentlichen Rechts ab. Ebenso wie im Privatrecht stehe es dem Staat grundsätzlich frei, welches Recht er anwenden wolle. Diese Anwendung stehe im öffentlichen Recht jedoch unter einer besonderen Motivationslage. So sei die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts im Gegensatz zu der des Privatrechts im wesentlichen eigennützig motiviert oder erfolge aufgrund entsprechender völkervertraglicher Verpflichtungen. 70 In diesem von Meng erörterten Verhältnis von Rechtsanwendungsbefehl bzw. staatlichem Rechtsanwendungsinteresse und zu regelnder Materie liegt die tatsächliche Begründung des Grundsatzes der Anwendung nationalen öffentlichen Rechts. Jede Rechtsanwendung muß befohlen werden. Zuständig für diesen Rechtsanwendungsbefehl ist der nationale Gesetzgeber. 71 Die Entscheidung darüber, welches Recht anzuwenden ist, triffi dieser aus der ihm verliehenen Rechtssetzungsbefugnis heraus, ohne daß es darauf ankäme, welchem Bereich (IPR,

67 Vgl. Beyerlin, S. 417; Hoffmann, in: v. Münch, BesVerwR, S.863; vgl. auch Meng, S. 212. 68 Hoffmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 863 f. 69 Meng, S. 203. hn Verlauf der weiteren Untersuchung erörtert Meng die mögliche Entwicklung eines ,,Internationalen öffentlichen Rechts" (S. 648 ff.; 690 fI). Darunter versteht er den ,,Komplex von Nonnen, welcher nicht das sachliche Regelungsinteresse betrifft, sondern die Relativierung des Norm-Anwendungswillens im Einzelfall aufgrund dieses Interesses beim Konflikt mit [einem] ausländischen Interesse" (S. 739), d. h. im wesentlichen Rechts(grund)sätze, die die ,,zurücknahme eigener Regelungen" zur Vermeidung zwischenstaatlicher lurisdiktionskonflikte zum Gegenstand haben. 70 Eine fremdnützige Anwendung bestehe nur in Fällen der Rechtshilfe, Meng, S.204. 71 Rudolf, BerDGVR II (1973), 37; s. auch Ho.IJmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 859,863.

316

§ 7 Klagebefugnis

IStR oder IVerwR) die betreffende Materie zuzuordnen ist. Die Anwendung des Rechts folgt damit stets dem Willen des Gesetzgebers. 72 Die Bestimmung dieses Willens kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des zu regelnden Sachgebietes erfolgen. 73 Entscheiden bspw. die zweiseitigen Kollisionsnonnen des IPR über die Anwendung ausländischen oder inländischen Rechts, so basiert diese Entscheidung wesentlich auf der Tatsache, daß das sachlich angemessene Recht zur Regelung privatrechtlicher Streitigkeiten berufen werden soll, wobei es dem betreffenden Staat insoweit gleichgültig ist, welche Rechtsordnung er zur Anwendung bringt.74 Es besteht eine Distanz zwischen Staat und anzuwendender Rechtsordnung, wobei das IPR von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit verschiedener Privatrechtsordnungen auf Grundlage der Privatautonomie ausgeht. 75 Im Bereich des öffentlichen Rechts ist eine solche Distanz zur anwendbaren Rechtsordnung im Regelfall nicht gegeben. 76 Mit der Anwendung öffentlichen Rechts verfolgt der Staat in weiten Bereichen eigene Interessen. 77 Die Regelungen des öffentlichen Rechts zielen im wesentlichen auf die Schaffung einer innerstaatlichen Ordnung,78 wohingegen das Privatrecht in weiten Teilen lediglich der Verwirklichung der Privatautonomie dient. Dieser unterschiedlichen Interessenlage des Staates an der Durchsetzung seiner Rechtsordnung muß auch bei der Frage nach dem anzuwendenden Recht Rechnung getragen werden. Insbesondere in Fällen, denen subordinationsrechtliche Verhältnisse zugrunde liegen, wird man von einer grundsätzlichen Anwendung deutschen öffentlichen Rechts ausgehen müssen. 79 Geht es nämlich bspw. um Fragen des Polizei- und Ordnungsrechts, also der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

72 Vgl. Kreuzer, S. 78; so schon Neumeyer, S. 174: ,,Niemals freilich kann das Recht eines fremden Staates von sich aus Geltung innerhalb der inländischen Ordnung gewinnen, der Wille des Inlandes verschafft ihm rechtliche Bedeutung." 73 Vgl. Schurig, S. 155 ff. 74 Meng, S. 200; zum Streit um die Behandlung der sog. ,,Eingriffsnormen" im IPR vgl. Kreuzer, S. 55 ff. 75 Vgl. Heldrich, in: Palandt, Einl. v. EGBGB Art. 3 Rn. 18; Meng, S. 199; diese Ansicht ist in der Literatur zum IPR nicht unbestritten, vgl. Sonnenberger, in: MüKo, Einl. IPR Rn. II ff. 76 Zur Ausnahme in Fällen der rechtlichen Gleichordnung vgl. § 7 VI. 5. a) ee) (2). 77 Meng, S. 203. 78 Vgl. HoppeIBeckmann, DVBI. 1986, 1 (8); zur AufgabensteIlung der staatlichen Verwaltung vgl. Eh/ers, in: Erichsen, AlIgVerwR, § I Rn. 31 ff. 79 Vgl. Blickle, in: Siebtes Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 244; Grof, Grundsatzfragen, S. 320 f; Meng, S. 212.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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(i. w. S.), steht das staatliche Interesse an der Durchsetzung eigener Ordnungsvorstellungen im Vordergrund. Eine inhaltliche Anwendung ausländischen Rechts im Rahmen des öffentlichen Rechts ist zwar nicht apriori ausgeschlossen, sie muß aber stets an dem Interesse des Staates an der Anwendung eigenen Rechts gemessen werden. so Das staatliche Interesse an der Anwendung eigenen oder ausländischen öffentlichen Rechts wird damit zum Kern des IVerwR. S1

Die Erkenntnis, daß grundsätzlich das eigene öffentliche Recht zur Anwendung zu bringen ist, findet ihre Stütze noch in einer weiteren Überlegung. Soweit das IPR ausländisches Recht zur Anwendung bringt, ist dies vielfach Folge der Privatautonomie. Die Parteien eines Vertrages können sich entscheiden, welcher Rechtsordnung sie ihre Vereinbarung unterstellen wollen. Eine solche Autonomie steht den rechtsanwendenden Organen eines Staates nicht zu. S2 Sie haben das Recht anzuwenden, welches ihnen zur Anwendung befohlen ist. Mit anderen Worten, die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts müßte zu ihrer "Aufgabe"s3 gehören, was regelmäßig nicht der Fall ist. s4 Diese nur in wenigen Fällen gegebene Kompetenz zur Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts spricht als Indiz fiir den Grundsatz der Anwendung nationalen öffentlichen Rechts. Insoweit wird man tatsächlich von einer ("sekundären") Einseitigkeit des IVerwR sprechen müssen. Diese Einseitigkeit ist zwar nicht im Sinne eines Dogmas der Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts zu verstehen, dennoch ist im Bereich des öffentlichen Rechts grundsätzlich von der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften auszugehen, Ausnahmen von diesem Grundsatz sind zwar zulässig, jedoch stets zu beweisen.

Ähnlich Sonnenherger, in: MüKo, Einl. IPR Rn. 277. Untersucht man daraufhin die Literatur zwn IVerwR, wird man dieses Interessenargument in verschiedener Form wiederfmden: Vgl. Grof, Grundsatzfragen, S. 320 ff.; HojJmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 863 f.; Isay, in: Stier-SomlolElster, S. 351 f.; Kopp, DYBl. 1967,469 (472); Meng, S. 198 f.; Neumeyer, S. 175; Vogel S. 238; insbesondere auch Meessen, AöR 110 (1985), 398 (411); Schurig, S. 156 f.; zwn ,,Rechtsanwendungsinteresse" im IPR, Schurig, S.282 ff.; vgl. zur "Theorie der Sonderanknüpfung ftIr ordnungsrelevantes Recht (Eingriffsnonnen)" Sonnenberger, in: MüKo, Einl. lPR Rn. 30 ff., insb. Rn. 53; zugunsten einer "Sonderanknüpfung" im öffentlichen Recht, Zweigert, S. 132. 82 Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 1 Rn. 25, § 2 Rn. 77; ders., JZ 1983, 422 (424). 83 Blickle, in: Siebtes Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 244; vgl. auch Steindorff, in: WdR Bd. 3 (1962), 581 (582). 84 Vgl. dazu Problem der Rechtswahl § 7 VI. 5. a) ee). 80 S\

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§ 7 Klagebefugnis

5. Ausländisches öffentliches Recht im Verwaltungsprozeß Reduziert auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand, stellt sich die Frage, ob der deutschen Rechtsordnung Vorschriften oder sonstige Grundsätze zu entnehmen sind, wonach sich aus ausländischem öffentlichen Recht subjektive Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO ergeben können. a) Rechtsanwendungsbefehle

Unabhängig von der Grundkonstruktion eines IVerwR und dem Streit um die "Einseitigkeit" des nationalen öffentlichen Rechts kann nach allen Auffassungen ausländisches öffentliches Recht zur Anwendung gelangen, wenn nationales Recht dies (ausdrücklich) befiehlt. 85 Dabei ist Anwendungs- bzw. Geltungsgrundlage nach allen Ansichten das nationale Recht. Während sich dies, dem Grundsatz der ,,Einseitigkeit" des IVerwR folgend, aus der Einordnungjeglicher Verweisungsnormen als Sachnormen von selbst ergibt, folgt die Verknüpfung ausländischen und inländischen Rechts, soweit man vom IVerwR als (zweiseitigem) Kollisionsrecht ausgeht, aus der Rechtsanwendungsanordnung des deutschen Rechts. 86 Daraus folgt zugleich, daß selbst in Fällen, in denen man die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts aufgrund (ausdrücklicher) gesetzlicher Anordnungen bejaht, die ausgeübte Hoheitsgewalt ihrer Natur nach immer eine inländische Hoheitsgewalt bleibt. 87 Mit anderen Worten, auch wenn ausländisches öffentliches Recht zur Anwendung befohlen wird, wird der berufene Hoheitsträger immer in Ausübung der deutschen Hoheitsgewalt tätig. 88

aa) Art. 19 Abs. 4 GG Einen Befehl zur Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts sehen Fröhler/Zehetner89 in der Regelung des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach der Rechtsweg offen steht, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen 85 Unerheblich ist insoweit, ob man von einer unmittelbaren oder lediglich mittelbaren Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts ausgeht. 86 Vgl. HofJmann, in: v. Münch, BesVerwR (6. Aufl.), S. 1001; Heber/ein, Komm. Außenpolitik, S. 169 f.;Meessen, AöR 110 (1985),398 (411). 87 Vgl. KUppers, ZPR 1976,260 (263). 88 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Eh/ers, in: SchochiSchmidt-Aßmannl Pietzner Vorb. § 40 Rn. 69. 89 FrtJhlerlZehetner, S. 84 ff.; mit gleicher Argumentation EyermannIFrtJhler, Anh. § 42 Rn. 71 ff.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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Rechten verletzt worden ist. Der Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG sei nicht nur auf solche Rechte beschränkt, die von der deutschen Rechtsordnung eingeräumt worden seien, sondern erstrecke sich gleichermaßen auf Rechtspositionen, die von irgendeinem Völkerrechtsträger anerkannt und geschützt würden. 90 Dies folge daraus, daß die deutsche öffentliche Gewalt in Rechte eingreifen könne, die im Ausland belegen seien, und daß dieser Eingriff damit logisch eine vom fremden Staat eingeräumte Rechtsposition zur Voraussetzung habe. Eine solche Rechtsauffassung wäre insbesondere im Hinblick auf die Rechtsstellung ausländischer grenznaher Gebietskörperschaften interessant. 91 Diese wären danach in der Lage, grenzüberschreitend Rechte geltend zu machen, die ihnen nach ausländischem öffentlichen Recht zustehen. Die Auffassung Fröhler/Zehetners hat in der Literatur jedoch zu Recht kaum Zustimmung gefunden. Auch wenn die grammatikalische Interpretation eine solche Deutung zuläßt, bestehen gegen diese Auslegung erhebliche Bedenken. Zweifelhaft ist bereits die zugrundeliegende Argumentation, inwieweit die deutsche öffentliche Gewalt tatsächlich in der Lage ist, Rechtseingriffe in im Ausland belegene, von einem fremden Staat eingeräumte Rechtspositionen zu bewirken. Unbestreitbar ist, daß nationales Handeln (gerade im Bereich grenzüberschreitender Umweltbelastungen) im Ausland belegene Rechtsgüter faktisch zu beeinträchtigen vermag. Inwieweit daraus jedoch ein rechtlich relevanter Eingriff folgen kann, ist erst nachzuweisen. Zu diesem Zweck verbinden Fröhler/Zehetner den völkerrechtlichen Grundsatz der beschränkten territorialen Souveränität mit den im Ausland belegenen Rechtspositionen zu der Feststellung, daß die völkerrechtliche Umweltnutzungsregelung die hoheitliche Einwirkung in den ausländischen Hoheitsbereich dadurch bestätige, daß sie zulässige Art und zulässiges Ausmaß dieser Einwirkung normiere. 92 Mit dieser Verbindung kann jedoch nicht überzeugend nachgewiesen werden, daß hoheitliches Handeln in jene von der Rechtsordnung des fremden Staates geschaffenen Rechtspositionen rechtlich eingreift. Das Völkerrecht regelt primär das Verhältnis der Staaten untereinander. Soweit grenzüberschreitende Beeinträchtigungen die staatliche Souveränität beeinflussen, ist damit eine völkerrechtlich gewährte Rechtsposition betroffen, es wird jedoch keine Verbindung zu innerstaatlichen Rechten hergestellt. Ein "Durchgrifi"93

90

FrählerlZehetner, S. 89.

91 Zur Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG zugunsten ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts vgl. oben § 7 III. 2. b). 92

FrählerlZehetner, S. 89.

93 Vgl. dazu mit ähnlicher Argumentation Wemer, S. 53.

320

§ 7 Klagebefugnis

durch das Völkerrecht auf das ausländische Recht und ein daraus resultierender Eingriff in im Ausland belegene Rechtspositionen läßt sich nicht begründen. Auch der von Fröhler/Zehetner angefiihrte Nachweis eines extraterritorialen Rechtseingriffs im Enteignungsrecht läßt sich nur bedingt erbringen. Sie sind der Ansicht, daß eine nach deutschem Recht vorgenommene Enteignung eines im Ausland belegenen Grundstücks einen Eingriff in eine im Ausland belegene Rechtsposition darstelle. 94 Diese Enteignung bedürfte zur Umsetzung zwar der Anerkennung und des Vollzuges durch den fremden Staat, dennoch liege aufgrund der innerstaatlichen Wirkungen ein extraterritorialer Rechtseingriff vor. Gerade die Notwendigkeit der Anerkennung des deutschen Hoheitsaktes wirft jedoch die Frage auf, ob tatsächlich ein "extraterritorialer" Rechtseingriff vorliegt. Soweit der fremde Staat nämlich untätig bleibt, entfaltet der deutsche Hoheitsakt lediglich innerstaatliche Wirkung. 95 Den Eingriff in die von der fremden Rechtsordnung gewährte Rechtsposition muß letztlich der Staat, in dem die Sache belegen ist, selbst vollziehen. Daraus folgt, daß die deutsche Rechtsordnung zwar Hoheitsakte vornehmen kann, die extraterritoriale Rechtsgüter betreffen, diese Eingriffe aber nur für den Bereich des innerstaatlichen Rechts unmittelbare Geltung erlangen. 96 Soweit eine Enteignung einer im Ausland belegenen Sache nach deutschem Recht vorgenommen wird, ist insbesondere zu berücksichtigen, daß diese Enteignung nicht daraus folgt, daß der ausländische Staat eine Rechtsposition "Eigentum" geschaffen hat, sondern das die von dem ausländischen Staat geschaffene Rechtsposition als Eigentum i. S. der deutschen Rechtsordnung anerkannt wird. Entscheidend für einen Rechtseingriff durch die deutsche Hoheitsgewalt bleibt damit das Vorliegen einer nach deutschem Recht eingeräumten Rechtsposition. Nur in solche Rechtspositionen, die das deutsche Recht kennt, das heißt die durch die nationale Rechtsordnung geschaffen oder von dieser anerkannt sind, kann die deutsche öffentliche Gewalt eingreifen. Der umgekehrte Schluß, daß die deutsche Hoheitsgewalt in ausländische Rechtspositionen unmittelbar rechtlich relevant eingreifen kann und damit auch diese Rechte als Rechtspositionen i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG anzuerkennen sind, ist dogmatisch nicht zu belegen. Ein Rechtsanwendungsbefehl kann Art. 19 Abs. 4 GG aber auch aus einem anderen Grund nicht entnommen werden. Art. 19 Abs. 4 GG kommt von seiFröhler/Zehetner, S. 88 f. Zur begrenzten Wirkung nationaler VelWaltungsakte vgl. lpsen, § 23 Rn. 95; WolfflBachoßStober, § 48 Rn. 53. 96 Vgl. zur Gewährung extraterritorialer öffentlicher Rechte § 7 IV. I. t) aa) (I). 94

95

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

321

nem Schutzbereich nur dann in Betracht, wenn eine andere Rechtsnorm ein subjektives Recht begründet. 97 Mit anderen Worten, Art. 19 Abs. 4 GG setzt das Bestehen subjektiver Rechte (i. w. S.) voraus, schafft aber selbst keine solchen Rechtspositionen. 98 Soweit subjektive Rechte durch Rechtsnormen begründet werden, müssen diese Rechtsnormen zunächst anwendbar sein, das heißt sie bedürfen eines Anwendungsbefehls der deutschen Rechtsordnung. Setzten die subjektiven Rechte damit Rechtsnormen voraus, die zunächst zur Anwendung befohlen werden müssen, dann kann Art. 19 Abs. 4 GG, der wiederum das Bestehen subjektiver Rechte voraussetzt, keinen derartigen Anwendungsbefehl enthalten. Entgegenstehende Annahmen unterliegen einem Zirkelschluß. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 4 GG. Diese als "Krönung des Rechtsstaats" bezeichnete Vorschrift dient der verfahrensrechtlichen Absicherung bestehender Rechte. 99 Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt einen möglichst lückenlosen Rechtsschutz,I00 nicht jedoch lückenlose Rechte. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich damit kein Befehl zur Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts.

bb) § 42 Abs. 2 VwGO Die Ausfiihrungen zu Art. 19 Abs. 4 GG gelten für § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend. Auch diese Vorschrift setzt das Bestehen subjektiver Rechte voraus. Ein Kläger kann eine Rechtsverletzung nur insoweit geltend machen, als dieses Recht von der deutschen Rechtsordnung gewährt oder anerkannt wird. lol In jedem Fall muß also der deutsche Gesetzgeber die Entscheidung darüber getroffen haben, ob die fragliche Rechtsposition als Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO anzusehen ist. Diese Entscheidung muß auf der Ebene des materiellen Rechts getroffen werden. Bereits die im Verwaltungsverfahren zuständige Behörde muß wissen, welche Rechtspositionen sie im Rahmen ihrer Entscheidung (bspw. der Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung) zu berücksichtigen hat. 102 Würde der Befehl zur Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts erst im Rahmen Vgl. BVerfGE 15,275 (281); 83, 184 (194 f.). Vgl. Grof, NuR 1987, 262 (264); Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 21; Kopp, § 42 Rn. 49; Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 119. 99 Vgl. PierothiSchlink, Rn. 1079, 1100. 100 Vgl. BVerfGE 8, 274 (326); Wassermann, in: AltK, Art. 19 Abs. 4 Rn. 16. 101 Vgl. Kopp, § 42 Rn. 43; s. auch Grof, NuR 1987, 262 (264); a. A. Frählerl Zehetner, S. 90. 102 Zur Frage der Rechtswahl vgl. unten § 7 VI. 5. a) ee). 97 98

21 Feldmüller

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§ 7 Klagebefugnis

des Prozeßrechts erfolgen, hieße dies im Umkehrschluß, daß die betreffenden Rechtspositionen im Verwaltungsverfahren mangels Anwendbarkeit nicht zu berücksichtigen wären. Dies würde zu einer Diskrepanz von anwendbarem Recht und zu beachtenden Rechtspositionen führen. Die prozessuale Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO kann damit nicht als Rechtsanwendungsbefehl angesehen werden.

cc) Verweisungen innerhalb des deutschen öffentlichen Rechts Die Suche nach einem ausdrücklichen Rechtsanwendungsbefehl kann entfallen, soweit eine verwaltungsrechtliche Norm innerhalb ihres Tatbestandes ausdrücklich auf Vorschriften des ausländischen öffentlichen Rechts Bezug nimmt l03 oder Rechtsbegriffe enthält, die bei Beteiligung eines ausländischen Rechtssubjekts nur unter Rückgriff auf das ausländische öffentliche Recht ausgefiillt werden können. 104 In diesen Zusammenhang gehören auch die sog. transnationalen Verwaltungsakte, also fremdstaatliche Hoheitsakte (wie Hochschuldiplome oder die Zulassung von Kreditinstituten), die infolge einer Umsetzung EG-rechtlicher Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber, auch in der Bundesrepublik als verbindlich anzusehen sind. los Die Zulässigkeit solcher "unechter" Kollisionsnormen ist allgemein unbestritten und wirft keine besonderen kollisionsrechtlichen Probleme auf, da es sich bei diesen Vorschriften, wie oben bereits dargestellt, nicht um reines Kollisionsrecht, sondern um Sachrecht handelt. Aufgrund dieser dogmatischen Zugehörigkeit zum materiellen Verwaltungsrecht bedürfen diese Normen keines ausdrücklichen Rechtsanwendungsbefehls. Dieser ist ihnen als Teil der deutschen Rechtsordnung vielmehr immanent und bezieht sich auf den gesamten Tatbestand, das heißt gleichzeitig auch auf das durch die Verweisung anzuwendende ausländische öffentliche Recht. In diesem Zusammenhang findet sich in der Literatur allerdings die Auffassung, daß es sich bei solchen Verweisungen gar nicht um die Anwendung Glusländischen öffentlichen Rechts handele. I 06 Dadurch, daß das ausländische Recht in den Tatbestand einer innerstaatlichen Vorschrift integriert worden sei, bilde es einen Teil des inländischen Rechts, womit solche Normen nicht zu einer Anwendung ausländischen, sondern wie gewohnt inländischen Rechts fiihrten. Ziel dieser Konstruktion ist es, den Grundsatz der "Unanwendbarkeit"

103

Beispiele insbesondere aus dem LebensmitteIrecht bei Meng, S. 204 ff.

Grof, Grundsatzfragen, S. 314. 105 Vgl. dazu oben § 2 n. 6. 106 lsay, in: Stier-SornlolElster, S. 352.

104

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

323

ausländischen öffentlichen Rechts zu erhalten. Wenngleich die Klärung dieser Frage angesichts der hier interessierenden Klagebefugnis dahinstehen kann, sei angemerkt, daß es kaum vertretbar erscheint, in den Verweisungen des deutschen Rechts eine Inkorporation ausländischen öffentlichen Rechts zu sehen. Mit Hilfe dieser (materiellen) Verweisungen will der Gesetzgeber nämlich nicht ausländisches Recht zu eigenem machen, sondern dieses lediglich im Einzelfall zur Anwendung bringen. Eine Norm, die innerhalb ihres Tatbestandes auf ausländisches Recht verweist, hat zumindest insoweit auch den Charakter eines Rechtsanwendungsbefehls.

dd) Sachgerechtigkeitserwägungen als Anwendungsbefehl Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß ausländisches öffentliches Recht anzuwenden sei, wenn Sachgerechtigkeitserwägungen dies geböten. 107 Diese Sachgerechtigkeit sei nach den eintretenden Rechtsfolgen im Einzelfall zu bestimmen. Führe die Anwendung ausländischen Rechts zu einer sachgerechteren Entscheidung als die Anwendung deutschen Rechts, so sei davon auszugehen, daß der Rechtsanwendungsbefehl, entgegen der grundsätzlichen Vermutung zugunsten der Anwendung des nationalen öffentlichen Rechts, auf das ausländische Recht verweise. Eine solche Ansicht stößt jedoch auf erhebliche Bedenken. Die Entscheidung über die Anwendung jedweden Rechts obliegt dem Gesetzgeber. Es hängt von seinem Willen ab, welches Recht zur Anwendung gelangen, welche Tatbestände rechtlich erfaßt und welche Rechtsfolgen an diese geknüpft werden sollen. Diese weitreichende GestaItungsfreiheit geriete in Gefahr, wenn man ausländisches öffentliches Recht aus Sachgerechtigkeitserwägungen zur Anwendung brächte. Dies läßt sich am Beispiel des grenzüberschreitenden Umweltschutzes verdeutlichen. Sieht das deutsche Recht bestimmte Immissionsgrenzwerte vor oder beschränkt es den Rechtsschutz auf bestimmte Rechtsgüter oder Rechtssubjekte, dann kann diese gesetzgeberische Entscheidung nicht durch Sachgerechtigkeitserwägungen umgestoßen und ausländisches Recht mit anderen Grenzwerten oder Schutzgütern zur Anwendung gebracht werden. Welches Recht zur Anwendung zu bringen ist, bedarf der Entscheidung seitens des Gesetzgebers. Sachgerechtigkeitserwägungen sind nur bedingt dazu geeignet, diesen Willen zu ermitteln. Dabei bergen solche Überlegungen die Gefahr in sich, daß der Rechtsanwender seine Entscheidung an die Stelle der Entscheidung des Gesetzgebers setzt. In jedem Fall müssen daher Anhaltspunkte vor107 Vgl. Hoffmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 864; ähnlich Achterberg, § I Rn. 10 I; darauf Bezug nehmend LukeslDehmerlWendling, GewArch 1986, I (I f.).

324

§ 7 Klagebefugnis

handen sein, die eine Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts entgegen des Grundsatzes der Anwendbarkeit innerstaatlichen Rechts rechtfertigen. Pauschale Sachgerechtigkeitserwägungen reichen nicht aus, ausländisches Recht zur Anwendung zu befehlen.

ee) Rechtswahl Die Anwendung ausländischen Rechts ist nach den Grundsätzen des IPR (Art. 27 EGBGB) auch dann möglich, wenn die Parteien eines Vertrages kraft Privatautonomie diesen unter die Herrschaft einer bestimmten Rechtsordnung gestellt haben. Fraglich ist, ob eine solche Möglichkeit zur Rechtswahl auch im Bereich des öffentlichen Rechts besteht. 108 Zu denken ist in diesem Zusammenhang zunächst an Fälle, in denen bspw. die Beurteilung grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen in Rede steht. Muß eine deutsche Behörde derartige Sachverhalte nach deutschem öffentlichen Recht beurteilen, oder steht ihr die Wahl ausländischer Rechtsvorschriften (bspw. Immissionsgrenzwerte) als Maßstab eigenen Handeins ZU. 109 Von besonderer Bedeutung ist die Rechtswahl ferner im Hinblick auf den Abschluß und die Beurteilung grenzüberschreitender öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen verschiedenstaatlicher Rechtsträger. 110 Zu klären ist die Frage, ob solche Vereinbarungen auch unter der Herrschaft ausländischen öffentlichen Rechts getroffen werden können.

(1) Grundsatz der fehlenden RechtswahlmtJglichkeit bei subordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen

Eine Rechtswahl kommt im öffentlichen Recht, vorbehaltlich anderer ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen, zumindest insoweit nicht in Betracht, als es sich um subordinationsrechtliche Rechtsverhältnisse handelt. 111 Soweit Staat und Bürger (oder sonstige Rechtssubjekte) in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis stehen, entfällt die Basis einer konsensualen Rechtsbestimmung. Auch die im öffentlichen Recht vorgegebene Anwendung nationalen Verwaltungsrechts zur Durchsetzung der innerstaatlichen OrdnungsgeVgl. dazu schon Schlochauer, in: DV S. 10. Vgl. zu dieser Fragestellung Blickle, in: Siebtes Deutsches AtomrechtsSymposium, S. 244; Grof, NuR 1987,262 (264); LukesIDehmerlWendling, GewArch 1986, I (I). 110 Vgl. zur grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit § 7 VI. 6. 111 Zum Grundsatz der Anwendung eigenen öffentlichen Rechts vgl. oben § 7 VI. 4. 108 109

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walt verbietet eine solche Entscheidung zwischen verschiedenen Rechtsordnungen geradezu. 112 Soweit Rechtsverhältnisse subordinationsrechtlich geregelt sind, ist von dem zwingenden staatlichen Interesse an der Umsetzung eigener Ordnungsvorstellungen auszugehen. I 13 Dies gilt, um das oben angeführte Beispiel aufzugreifen, insbesondere auch im Hinblick auf die nationalen Umweltschutzbestinunungen. Der zuständige Hoheitsträger hat die durch den inländischen Gesetzgeber festgelegten Maßstäbe zu verfolgen. Eine Rechtswahlmöglichkeit konunt ihm auch in grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen nicht ZU. 114 Im übrigen ist eine solche Rechtswahl auch aus einem anderen Grund mit Schwierigkeiten verbunden. Während die Parteien im Privatrecht ihre Rechtswahl auf den Grundsatz der Privatautonomie stützen können, steht den Organen der staatlichen Gewalt eine solche Autonomie nicht zu. Staatliche Organe handeln aufgrund der ihnen durch Gesetz verliehenen Kompetenzen und nicht in Ausübung ihnen eigener Freiheit. 115 Soweit es ihnen erlaubt sein soll, eigene Handlungen einer ausländischen Rechtsordnung zu unterwerfen, bedürften diese Organe einer ausdrücklichen oder konkludenten gesetzlichen Ermächtigung. Dies gilt insbesondere auch in den Fällen, in denen Rechte Dritter betroffen sind. Mit der Wahl eines anderen Rechts, könnten diese Rechte eine Einschränkung erfahren, die nur durch eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung zu rechtfertigen wäre. I 16

(2) Die Zulässigkeit der Rechtswahl in koordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen

Anders als im Hinblick auf rein subordinationsrechtliche Rechtsverhältnisse wird in der Literatur darauf hingewiesen, daß das Rechtsinstitut der Rechtswahl in jenen Teilen des Verwaltungsrechts in Betracht konune, in denen die zugrundeliegenden Sachverhalte nicht zwingend subordinationsrechtlich geregelt werden müßten. Als Beispiel nennt Grof den Komplex des "Verwal-

112

KUppers, ZPR 1976,260 (263).

Gleiches gilt nach Ansicht eines Teils der Literatur fiIr ,,Eingriffsnonnen" im IPR, vgl. "Theorie der Sonderanknüpfung" bei Sonnenberger, in: MüKo, Einl. IPR Rn. 50. 114 Vgl. dazu auch den Grundsatz der Anwendbarkeit eigenen öffentlichen Rechts oben § 7 VI. 4.; s. auch Blickle, in: Siebtes Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 244; Grof, NuR 1987,262 (264). IU Eh/ers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 2 Rn. 11. 116 Zum Gesetzesvorbehalt Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 29; s. auch BeyerIin, S. 427; zur vergleichbaren Problematik im IPR Sonnenberger, in: MüKo, Einl. IPR 1I3

Rn. 113.

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§ 7 Klagebefugnis

tungsprivatrechts" .117 In diesem Bereich bestehe ein solches Näheverhältnis zum Privatrecht, daß es gerechtfertigt erscheine, in derartigen Rechtsbeziehungen den Parteien (Staat und ausländischem Rechtssubjekt) eine konsensuale Bestimmung des anzuwendenden Rechts zu überlassen. Die rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Hindernisse, die der Rechtswahl im Rahmen subordinationsrechtlicher Verhältnisse entgegenstünden, stellten insoweit kein Hindernis dar. 118 Letztlich sei es von der Sache her geboten, in allen Fällen, in denen ein der Identität nahe kommendes Näheverhältnis von öffentlichem Recht und Privatrecht bestehe, das heißt insbesondere öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Handlungsformen austauschbar seien, eine Rechtswahl zu institutionalisieren. 119 Ob und inwieweit den Ausführungen Grofs gefolgt werden kann, muß nachfolgend untersucht werden. Wenngleich es zwar zutreffend ist, daß eine Rechtswahl in den Fällen am ehestens in Betracht kommt, die den Rechtsverhältnissen des Privatrechts entsprechen, bleibt zu bedenken, daß auch in diesem Bereich des öffentlichen Rechts keine "Privatautonomie" staatlicher Organe besteht. 120 Eine freie Wahl des anwendbaren Rechts durch einen staatlichen Hoheitsträger kommt daher auch in koordinationsrechtlich geprägten Rechtsverhältnissen nicht in Betracht. Vielmehr wird auch hier deutlich, daß sich die rechtliche Beurteilung privater und öffentlicher Rechtsverhältnisse in einem wesentlichen Punkt unterscheidet. Die im Privatrecht vorausgesetzte Privatautonomie muß im Bereich des öffentlichen Rechts durch eine gesetzlich nachgewiesene Kompetenz ersetzt werden. Eine kongruente Übertragbarkeit der Regeln des IPR ist daher auch bei gleichgeordneten Rechtsverhältnissen nicht ohne weiteres möglich. Im öffentlichen Kollisionsrecht sind vielmehr drei Grundfragen zu unterscheiden. Die erste Frage, ob ausländisches öffentliches Recht überhaupt zur Anwendung gelangen kann, betriffi das grundsätzliche staatstheoretische Problem der Anerkennung fremder Rechtsordnungen als solcher und muß sowohl für den Bereich des IPR als auch den des IVerwR geklärt werden. Sie wurde 117 Grof, Grundsatzfragen, S.321, wobei allerdings der Begriff des "Verwaltungsprivatrechts" Wlscharf bleibt; zwn Verwaltungsprivatrecht vgl. Ehlers, in: Erichsen, AlIgVerwR, § 2 Rn. 75 ff. 118 Grof, Grundsatzfragen, S. 321. 119 Grof, Grundsatzfragen, S. 321 f., a. A. groodsätzlich ablehnend Isay, in: StierSomlolElster, S. 351. 120 Zweifel an der AuffassWlg Grofs bestehen dabei in besonderem Maße, sofern eine RechtswahJ im Rahmen der allgemeinen LeistWlgsverwaltung behauptet wird. Innerhalb der komplexen Systeme staatlicher Leistungsverwaltung (wie bspw. dem von GroJangefilhrten SozialversicherWlgsrecht) können die zuständigen Behörden nicht als ermächtigt angesehen werden, ein VersichefWlgsverhältnis fremdstaatlichem Recht zu Wlterwerfen.

VI. Klagebefugnis aufgnmd ausländischen öffentlichen Rechts

327

im Grundsatz bereits positiv beantwortet. 121 Eine grundsätzliche Unanwendbarkeit ausländischen, auch öffentlichen Rechts ist nicht nachweisbar. Weiterhin muß aber zweitens die Kompetenz der Verwaltungsträger zum Abschluß vertraglicher Vereinbarungen unter der Herrschaft fremden Rechts nachgewiesen und drittens die Frage beantwortet werden, welches Recht im konkreten Fall zur Anwendung zu bringen ist. Allein die letzte Frage betrifft das IVerwR als ein dem IPR vergleichbares Rechtsgebiet. Das Problem der Kompetenz der staatlichen Hoheitsträger zur Wahl des anwendbaren Rechts hingegen unterscheidet sich, wie gezeigt, vom Bereich des IPR. dem der Grundsatz der Privatautonornie, also der autonomen Entscheidung der Rechtsträger, immanent ist. Die Frage der staatlichen Ermächtigung zur Rechtswahl ist daher kein kollisionsrechtliches Problem im herkömmlichen Sinn, sondern betrifft vielmehr das Gefiige der innerstaatlichen Kompetenzverteilung. Es ist insoweit zu untersuchen, ob dem handelnden Rechtssubjekt die Kompetenz zur Wahl des anzuwendenden Rechts zusteht. 122 Dies richtet sich wesentlich nach dem zugrundeliegenden Sachzusammenhang. Soweit bspw. der Bund einen Vertrag unter Herrschaft ausländischen Rechts schlösse, wäre eine solche "Rechtswahlkompetenz" aufgrund der verfassungsrechUichen Regelungen des Art. 32 Abs. 1 GG ohne Zweifel zu bejahen. Im Bereich des einfachen Verwaltungsrechts, insbesondere des grenzüberschreitenden Kommunalrechts, ist die Frage der Kompetenz hingegen eingehend zu diskutieren. 123 Als Ermächtigungsgrundlage kommen, abhängig vom betroffenen Rechtsträger, Vorschriften des Verfassungs-, Bundes- oder Landesrechts sowie in innerstaatliches Recht transformierte völkerrechtliche Vereinbarungen in Betracht. Ist dem handelnden Hoheitsträger die staatliche Befugnis zur Rechtswahl verliehen worden, stellt sich die (dritte) Frage nach dem im konkreten Einzelfall anzuwendenden Recht. Dabei besteht, wie schon mehrfach erwähnt, kein dem IPR vergleichbares, kodifiziertes IVerwR. Denkbar ist zunächst, in der fraglichen Kompetenznonn (wie Artt. 32 Abs. 1 oder 28 Abs. 2 GG) gleichzeitig eine kollisionsrechtliche Regelung zu sehen. Die gesetzliche Grundlage hoheitlichen HandeIns würde damit zugleich den Befehl zur Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts darstellen. Eine solche Lösung wird jedoch der notwendigen Trennung von Kompetenznonn und Rechtsanwendungsbefehl (i. e. S.) nicht gerecht. Um die zugrundeliegenVgl. oben § 7 VI. 3. c). Vgl. dazu Beyer/in, S. 397 f. 123 Daftlr Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 180 f.; Oehm, S. tol; dagegen Beyer/in, S. 418 ff.; vgl. dazu unten § 7 VI. 6. c). 121

122

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§ 7 Klagebefugnis

de kollisionsrechtliche Frage zu beantworten, ist es vielmehr erforderlich, die Kompetenznorm als Äquivalent zur "Privatautonomie" zu sehen und von der Frage der konkreten Rechtsanwendung zu trennen. Zu unterscheiden sind rechtliches Dürfen der beteiligten Parteien und im Einzelfall anzuwendendes Recht. Soweit Kompetenznorm und kollisionsrechtlicher Rechtsanwendungsbefehl nicht voneinander getrennt werden, kann keine dem IPR vergleichbare Struktur entwickelt werden. Dabei soll nicht verkannt werden, daß beide Fragen eng miteinander verbunden sind und auch unter dem gemeinsamen Begriff des IVerwR behandelt werden können. Soweit nämlich den betroffenen staatlichen Organen die notwendige Ermächtigung zur Rechtswahl fehlt, entfällt die Basis einer privatrechtsähnlichen Rechtsbestimmung. Eine systemgerechte Lösung der zugrundeliegenden kollisionsrechtlichen Frage liegt in der entsprechenden Anwendung der Regeln des IPR I24 bzw. in der Anwendung der diese Regeln tragenden Rechtsgedanken. 12s Als analog oder dem Rechtsgedanken nach anwendbare Rechtsnormen kommen insbesondere die Artt. 27 und 28 EGBGB in Betracht. Nach Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Soweit das auf den Vertrag anwendbare Recht nicht vereinbart wurde, gilt nach der Regelung des Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB das Recht desjenigen Staates, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Eine analoge Anwendung kommt nach allgemeiner Auffassung allerdings nur dann in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke bei gleicher Interessenlage besteht. Da das öffentliche Recht keine Kollisionsregeln fiir den Fall grenzüberschreitender öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen kennt und der Gesetzgeber infolge der erst jüngeren Entwicklung dieser Problematik auch nicht bewußt auf eine entsprechende Regelung verzichtet hat, ist vom Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Fraglich ist insoweit aber, ob die die Regelungen des EGBGB tragende Interessenlage auch auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse übertragbar ist. 124 Vgl. Oehm, S. 101; s. auch Kopp, DVBl. 1967, 469 (472); dagegen Beyerlin, S. 418, der jedoch eine analoge Anwendung des IPR im wesentlichen deshalb ablehnt, weil sich daraus keine Kompetenzen zugunsten der betroffenen Hoheitsträger ergäben. m Grof, Grundsatzfragen, S. 315, 320 ff.; wohl ähnlich HoppelBeckmann, DVBl. 1986, I (8). Daß eine entsprechende Anwendung privatrechtlicher Rechtsvorschriften dem deutschen öffentlichen Recht nicht fremd ist (vgl. dazu auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S.45 f), zeigen die Vorschriften der VwVfG zum öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. §§ 54 ff. VwVfG). Zur Regelung dieser vertraglichen (insbesondere koordinationsrechtlichen) Rechtsverhältnisse verweist der Gesetzgeber in § 62 S. 2 VwVfG weitgehend auf die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. Zu bedenken steht allerdings, daß dieser Verweis wiederum nur soweit reicht, als daß die Besonderheiten des öffentlichen Rechts der ergänzenden Anwendung der Normen des BGB nicht entgegenstehen (Bonk, in: StelkensIBonk/Sachs, § 62 Rn. 12).

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

329

Grundlegende Voraussetzung für die Annahme einer, die Analogie zum IPR tragenden gleichen Interessenlage ist zunächst, daß zwischen den Parteien ein dem Zivilrecht entsprechendes Gleichordnungsverhältnis besteht. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß das IPR als dogmatische Grundlage von der Gleichwertigkeit und Austauschbarkeit der zugrundeliegenden (privat-) Rechtsordnungen ausgeht. 126 Nur soweit dies auch im Hinblick auf die anzuwendenden Nonnen des öffentlichen Rechts gewährleistet ist, das heißt im wesentlichen, wenn sich die Parteien auch unter der Herrschaft des zugrundeliegenden Rechts gleichgeordnet gegenüberstehen, kommt es zu einer Anwendung der Vorschriften des IPR. Eine solche analoge Anwendung der IPR-Regeln erscheint insbesondere im Hinblick auf das Interesse des Gesetzgebers als adäquates Lösungsmodell. Soweit sich die Parteien unter der Herrschaft des anzuwendenden Rechts gleichberechtigt gegenüberstehen, ist kein grundsätzlich unüberwindbares Interesse des Staates an der Durchsetzung eigenen Rechts festzustellen. Vielmehr entspricht die rechtliche Situation der des Privatrechts. Dem steht auch nicht entgegen, daß ein Hoheitsträger Partei ist. Eine vergleichbare Situation kann sich im Zivilrecht gleichermaßen ergeben, ohne daß die staatliche Distanz zur streitigen Rechtssache in Zweifel stünde. Das vielfach angeführte Argument, daß der Staat an privatrechtlichen im Gegensatz zu verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten stets "uninteressiert" sei 127 und sich daraus der Unterschied von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Kollisionsregeln ergebe, kann damit zumindest im Hinblick auf Gleichordnungsverhältnisse kaum überzeugen. Die Zulässigkeit einer entsprechenden Anwendung der Nonnen des EGBGB erscheint alleine fraglich, soweit man dem Dogma der "Einseitigkeit des IVerwR" in dem von Vogel dargestellten Sinne folgt.128 Dessen staatstheoretische Betrachtung begründet eine Staatsbezogenheit verwaltungsrechtlicher Vorschriften, die diese nicht im gleichen Umfang austauschbar erscheinen läßt wie die Nonnen des Privatrechts. 129 Fehlte eine solche Austauschbarkeit grundsätzlich, wäre eine analoge Anwendung der Regeln des IPR ausgeschlossen. Die von Vogel entwickelte Konzeption ist im neueren Schrifttum allerdings auf Kritik gestoßen. I3O Begründet wird diese damit, daß die von Vogel be126 Vgl. Heldrich, in: Palandt, Einl. v. EGBGB Art. 3 Rn. 18; zur Gegenansicht vgl. Sonnenber,ger, in:~O}(o,Rn. 12. 127 Vogel, AöR 84 (1959), 54 (62). 128 Zur Auffassung Vogels s. oben § 7 VI. 3. a). 129 Vogel, S. 237 f. 130 Vgl. Graf, Grundsatzfragen, S. 313 ff.; Meessen, AöR 110 (1985), 398 (410 f.); Oehm, S. 94 ff.; Schurig, S. 149; so schon früh Zweigert, S. 140.

§ 7 Klagebefugnis

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hauptete "Reinheit"131 des öffentlichen Rechts als Recht des Staates in Abgrenzung zum Privatrecht als Recht privater Rechtssubjekte tatsächlich nur begrenzt bestehe. Vielmehr fänden sich auch im deutschen Privatrecht Regelungen, die in erster Linie vom öffentlichen Interesse geprägt seien und mit dem Gedanken der "Vorstaatlichkeit des Privatrechts" kaum vereinbart werden könnten. Als Beispiele dafür werden insbesondere Bestimmung des Mietrechts oder der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen genannt. I32 Diese "Wirklichkeit einer modemen Gesetzgebung" zeige, daß es keinen wesensmäßigen Unterschied zwischen den Normen des öffentlichen und jenen des privaten Rechts gebe. 133 Insbesondere sei es nicht einzusehen, daß sich der Staat von der eigenen Rechtssetzung des Privatrechts distanzieren könne, ihm dies aber im öffentlichen Recht grundsätzlich verwehrt sein solle. 134 Ähnlich argumentiert Schurig, 135 der darauf hinweist, daß das öffentliche Recht nicht mehr nur das "Hausrecht" des Hoheitsträgers sei. \36 Vielmehr zeigten die zahlreichen "Querwirkungen" des öffentlichen Rechts unter Privaten, daß sich unter dieses Rechtsgebiet auch private Interessen mischten und es sich damit beim öffentlichen Recht nicht länger nur um das interne Organisationsrecht eines Staates handele. Beispiel rur diese sog. "Querwirkungen" öffentlichrechtlicher Regelungen sollen u. a. die Schutzgesetze i. S. des § 823 Abs. 2 BGB und der baurechtliche Nachbarschutz sein. Obgleich zwar zumindest bei letzterem zu bedenken ist, daß diese Normen nur mittelbar auf den Schutz privater Interessen ausgerichtet sind, läßt sich anband der dargestellten Beispiele dennoch erkennen, daß der diametrale Gegensatz von Staatsbezogenheit des öffentlichen Rechts und "Vorstaatlichkeit" des Privatrechts nur bedingt, wie etwa im Hinblick auf das Staatsorganisationsrecht, besteht. \37

131

So bezeiclmet von Schurig, S. 149.

132 Vgl. Oehm, S. 94.

\33 Vgl. Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 169; Oehm, S. 94; vgl. auch Bullinger, S. 104 fI 134 Oehm, S. 95.

Schurig, S. 149 f. ist zudem der Auffassung, daß das heutige IPR kein "vorstaatliches Privatrecht" i. S. Savignys voraussetze (S. 271 ff, 276), womit nach dieser Ansicht bereits der Ansatz Vogels entfiillt. 137 Tatsächlich räumt auch Vogel (S. 240) ein, daß sich eine echte Zweiseitigkeit des Verwaltungsrechts in den Fällen ergeben könne, in denen "der Staat gewisse Verwaltungsaufgaben aus sich entläßt und sie durch ,gesellschaftliche' Organismen selbständig wahrnehmen läßt, sich insoweit zwn Verwaltungsrecht älmlich wie zwn Privatrecht in eine echte ,Distanz' setzt." Der Grundsatz der Einseitigkeit im von Vogel 135

136 Schurig

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

331

Damit soll die grundsätzliche Trennung von öffentlichem und privatem Recht nicht geleugnet werden. 138 Die Zweiteilung von öffentlichem Recht und Privatrecht ist vielmehr fester Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Es zeigt sich aber, daß beide Rechtsgebiete nicht ohne Bezug nebeneinander stehen und vielfach aufeinander einwirken. 139 Gerade diese letzte Überlegung verdeutlicht, daß die Frage der Austauschbarkeit verschiedenstaatlicher Rechtsordnungen nicht entscheidend von der Entstehung der einzelnen Rechtsnonnen - vorgegebenes Privatrecht oder gesetzgeberische Gestaltung des öffentlichen Rechts - abhängen kann140 und eine rein staatstheoretisch orientierte Betrachtungsweise der Rechtswirklichkeit kaum mehr gerecht zu werden vennag. Vielmehr muß wesentlich auf den materiellrechtlichen Gehalt der verschiedenen Rechtssätze abgestellt werden. Dienen diese exklusiv der Durchsetzung staatlicher Interessen, fehlt es an einer privatrechtsgleichen Austauschbarkeit. Geht die betroffene Rechtsordnung aber von einem GleichordnungsverhiUtnis zwischen den beteiligten Rechtssubjekten aus, besteht eine materielle Austauschbarkeit, die letztlich eine analoge Anwendung der Regeln des IPR zuläßt. Soweit damit dem koordinationsrechtlichen Charakter des zugrundeliegenden RechtsverhiUtnisses tragende Bedeutung zukommt, vennag die Prüfung der Analogievoraussetzungen ein im Einzelfall notwendiges Korrektiv darzustellen. Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine konsensuaie Bestimmung des anzuwendenden Rechts auch im Bereich des öffentlichen Rechts möglich ist, soweit dem fraglichen RechtsverhiUtnis ein GleichordnungsverhiUtnis zugrunde liegt. Dabei kann eine Rechtswahl allerdings nur erfolgen, soweit eine entsprechende innerstaatliche Ennächtigungsgrundlage besteht. Eine solche ist fiir den Einzelfall gesondert zu suchen. Der notwendige Rechtsanwendungsbefehl kann durch eine analoge Anwendung der Regelungen des IPR (Artt. 27 und 28 EGBGB) begründet werden.

b) VerjassungsrechtJiche Bedenken und Ordre-public-Vorbehalt Fraglich ist, ob die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. verstandenen Sinn stellt damit nach Auffassung Beyerlins (S. 410) kein unüberwindbares Dogma dar. 138 AusftlhrlichEhlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 42 ff.; m. w. N. ders., in: Erichsen, AllgVerwR, § 2 Rn. 61 fI 139 Vgl. Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 2 Rn. 11; a. A. Bullinger, S. 75 ff. 140 Vgl. Meessen, AöR 110 (1985), 398 (411).

332

§ 7 Klagebefugnis

Als elementarer Grundsatz der deutschen Verfassung legt Art. 20 Abs.2 S. I GG fest, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Dies bedeutet, daß jeder Akt der öffentlichen Gewalt einer demokratischen Legitimierung bedarf. 141 Soweit ausländisches öffentliches Recht anzuwenden ist, könnte eine entsprechende Legitimation fehlen, da das rechtssetzende Organ nicht durch das deutsche Volk demokratisch bestimmt wurde oder seine Legitimation von einem entsprechenden anderen Organ ableiten kann. Zu beachten ist jedoch, daß Anwendungsgrundlage dieses Rechts ein innerstaatlicher Rechsanwendungsbefehl ist. Dieser begründet die innerstaatliche Verbindlichkeit des ausländischen Rechts. Insoweit genügt dieser Rechtsanwendungsbefehl als Grundlage den Anforderungen der Verfassung. Der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts stehen damit keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. 142 Sofern nach den obigen Ausfiihrungen eine Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts überhaupt in Betracht kommt, unterliegt diese nach allgemeiner Auffassung dem Vorbehalt des ordre public. Entsprechend der Regelung des Art. 6 EGBGB (Art. 30 EGBGB a. F.)143 ist die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts ausgeschlossen, wenn diese zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. 144 Entscheidend ist dabei der materiellrechtliche Gehalt einer Nonn. 145 Inwieweit deutsche Behörden oder Gerichte den Inhalt betreffender Vorschriften bei Unvereinbarkeit mit der deutschen Rechtsordnung abändern dürfen oder die fragliche Nonn unanwendbar bleiben muß, hängt vom Willen des Gesetzgebers ab. 146 Die einzelnen zum Teil streitigen Voraussetzungen der Gültigkeit ausländischer Rechtsnonnen und die sonstigen Probleme des Ordrepublic-Vorbehaltes ki)nnen vorliegend aufgrund der thematischen Begrenzung

Vgl. Degenhart, § 1 Rn. 2; Schnapp, in: v. MünchIKunig, Art. 20 Rn. 30. HojJmann, in: v. Münch, BesVerwR (6. Aufl.), S. 1011; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 44; zum Problem der Zulässigkeit dynamischer Verweisungen auf ausländisches Recht s. Beyerlin, S. 426 f.; a. A. Papier/Olschewski, DVBI. 1976, 475 (477). 143 Art. 30 EGBGB a.F.: ,,Die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ist ausgeschlossen, weIUl die Anwendung gegen die guten Sitten oder den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde." Vgl. dazu Meng, S. 658. 144 Vgl. HojJmann, in: v. Münch, BesVerwR, S. 865; Rudolf, BerDGVR 11 (1973), 41; s. auch Sonnenberger, in: MüKo, Ein!. IPR Rn. 283, der den Ordre-public-Vorbehalt i. S. eines Rechtsanwendungsausschlusses versteht. 145 Rudolf, BerDGVR 11 (1973),41. 146 HojJmann, in: v. Münch, BesVerwR (6. Aufl.), S. 1008. 141

142

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

333

der Arbeit auf die verwaltungsprozessualen Probleme nicht näher erörtert werden. 147 c) Ausltindisches äffentliches Recht und subjektives Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO

Soweit ausländisches öffentliches Recht anwendbar ist, stellt sich im Anschluß die Frage, ob sich aus den betreffenden Regelungen Rechte i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO ergeben. Zu diskutieren ist damit, unter welchen Voraussetzungen den einschlägigen Vorschriften subjektivrechtliche Rechtspositionen zu entnehmen sind. Wie oben gezeigt, wird zur Beantwortung dieser Frage im Hinblick auf Vorschriften des deutschen öffentlichen Rechts ganz überwiegend auf die sog. Schutznormtheorie abgestellt. Erforderlich ist danach ein Rechtssatz, der zumindest auch dem Schutz der Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist. Anknüpfungspunkt der Schutznormtheorie ist dabei die gesamte Bandbreite der anerkannten Auslegungsmethoden unter besonderer Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm und des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. 148 Fraglich erscheint nun, ob die in bezug auf das innerstaatliche Recht entwickelten Grundsätze ohne weiteres auf jene Fälle übertragbar sind, in denen Rechte aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts in Rede stehen. Soweit in der Literatur eine unmittelbare Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts fiir möglich gehalten wird, findet sich die Auffassung, daß sowohl Tatbestand als auch Rechtsfolge nach diesem Recht zu beurteilen seien. 149 Dieser Ansicht ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, sie ist aber im Hinblick auf die Frage der Klagebefugnis nur von mittelbarer Bedeutung. Im Zusammenhang mit § 42 Abs. 2 VwGO geht es nicht um die unmittelbaren materiellen Rechtsfolgen einer Norm, sondern um die Frage, ob dieser ein "eigenes" Recht des Klägers als prozessuale Voraussetzung einer verwaltungsgerichtlichen Klage zu entnehmen ist. Wie ein Blick auf die Verwaltungsrechtssysteme anderer Staaten zeigt, ist diesen eine dem § 42 Abs. 2 VwGO vergleichbare Regelung vielfach fremd. lso

Vgl. dazu Beyerlin, S. 428 ff.; Grof, Gnmdsatzfragen, S. 317 ff. Siehe dazu oben § 7 I. 2. b); vgl. hier nur Schmidt-Aßmann, in MaunzlDürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118; Schmitt GJaeser, Rn. 164 f. 149 Vgl. Sonnenberger, in: MilKo, Ein!. IPR Rn. 263 150 Vgl. zwn französischen und europäischen Verwaltungsprozeßrecht Classen, NJW 1995, 2457 (2458); zwn europäischen und amerikanischen Recht, EhJers, VerwArch 1993, 139 ff. 147

148

334

§ 7 Klagebefugnis

So wird eine Klage im französischen Recht bspw. bereits zugelassen, wenn der Kläger faktisch betroffen iSt. 151 Die Geltendmachung eines "eigenen" Rechts ist nicht erforderlich. Dieser unterschiedlichen Struktur muß im Hinblick auf die Voraussetzungen des deutschen Verwaltungsprozeßrechts Rechnung getragen werden. Soweit nämlich der ausländischen (öffentlich-rechtlichen) Rechtsordnung "subjektiv-öffentliche" Rechte fremd sind, kann zur Ermittlung des subjektiven Gehaltes einer Nonn nicht (ausschließlich) auf den Willen des ausländischen Gesetzgebers zurückgegriffen werden. In erster Linie ist vielmehr auf den Sinn und Zweck der einschlägigen Kollisionsnonn abzustellen. Sie ist dafür verantwortlich, daß ausländisches Recht überhaupt zur Anwendung gelangt. Anders als bspw. im EG-Recht, welches selbst die Anforderungen an seine Durchsetzbarkeit stellt,152 muß daher auch der hinter dem Anwendungsbefehl stehende Wille des nationalen Gesetzgebers für die Bestimmung des subjektiven Gehaltes entscheidend sein. So nämlich dem Gesetzgeber die Entscheidung zusteht, ob er ausländisches öffentliches Recht überhaupt zur Anwendung bringt, so steht es ihm erst recht zu, zu entscheiden, inwieweit die anzuwendende Nonn ein Recht i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO enthält. Will der zuständige Gesetzgeber die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts lediglich aus objektivrechtlichen Gründen, so ergibt sich aus der fraglichen Nonn keine subjektive Berechtigung. Ordnet der Gesetzgeber die Anwendung dagegen zum Schutz der Interessen ausländischer (oder auch inländischer) Rechtssubjekte an, ist unter Beachtung der sonstigen Auslegungskriterien vom Vorliegen eines subjektiven Rechts auszugehen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Inhalt des ausländischen Rechts unmaßgeblich wäre. Die Bestimmung des "Schutzcharakters" der anzuwendenden Nonn hat vielmehr aufgrund einer Zusammenschau von ausländischer Rechtsvorschrift und innerstaatlichem Rechtsanwendungsbefehl zu erfolgen. Dies zeigt sich bspw. in Bereichen, in denen staatliche Behörden ennächtigt werden, öffentlich-rechtliche Verträge unter der Herrschaft ausländischen Rechts abzuschließen. Sofern ausländisches öffentliches Recht anwendbar ist, erlleben sich die fraglichen subjektiven Rechte aus dem anwendbaren ausländischen öffentlichen Recht. Dieses bestimmt auch, welche Rechtsposition einklagbar ist. Im Fall der "Rechtswahl" hat der Gesetzgeber nämlich gerade die Schaffung und Durchsetzung einklagbarer Rechte aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts gewollt und die Frage der "Subjektivierung" der ausländischen Rechtsordnung überlassen.

151

152

C/assen, NJW 1994, 2457 (2459). Vgl. dazu oben § 7 V.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

335

Im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO sind solche Rechte unproblematisch, die sich aus Sachnonnen ergeben, die in ihrem Tatbestand auf ausländisches öffentliches Recht verweisen. In diesen Fällen ergibt sich die subjektive Berechtigung aus einer Nonn des deutschen Rechts, die sich zur Definition ihres Tatbestandes lediglich ausländischen Rechts bedient. d) Anhang: Rechtsanwendungsbefehl und internationale ZusUindigkeit

Nachdem zuvor die verschiedenen denkbaren Rechtsanwendungsbefehle des innerstaatlichen Rechts zugunsten ausländischer öffentlich-rechtlicher Regelungen untersucht worden sind, ist an dieser Stelle noch einmal kurz auf den Zusammenhang von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte zurückzukommen. Wie oben festgestellt, I53 hängt die internationale Zuständigkeit in Fällen öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten maßgeblich von der Anwendbarkeit des zugrundeliegenden Rechts ab. Insbesondere in Fällen, in denen ein Kläger einen Anspruch aus ausländischem öffentlichen Recht geltend macht, sind deutsche Gerichte international nur zuständig, wenn auch ein entsprechender materieller Rechtsanwendungsbefehl besteht. Ein solcher die internationale Zuständigkeit indizierender Rechtsanwendungsbefehl kann sich, entsprechend den vorstehenden Ausführungen, vorbehaltlich materieller Regelungen, die in ihrem Tatbestand auf ausländisches Recht verweisen, de lege lata in solchen Fällen ergeben, in denen die beteiligten Parteien (bspw. verschiedenstaatliche öffentlich-rechtliche Körperschaften) einen koordinationsrechtlich geprägten öffentlich-rechtlichen Vertrag unter der Herrschaft ausländischen öffentlichen Rechts geschlossen haben. Soweit in einem derartigen Fall die ausländische Vertragspartei einen Anspruch aus diesem Vertrag geltend macht, kann das angerufene deutsche Gericht diese Klage nicht unter Hinweis auf eine fehlende internationale Zuständigkeit zurückweisen. Etwas anderes gilt dagegen nach wie vor für die Geltendmachung sonstiger ausländischer hoheitlicher Ansprüche durch fremde Staaten und sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Soweit einseitige hoheitliche Forderungen, wie ausländische Steuer- oder Rückgewähransprüche für staatliche Leistungen, geltend gemacht werden, fehlt es, wie oben bereits dargelegt,154 an einem innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl und damit

153 Siehe § 7 II. 6. 154

Vgl. § 7 II. 4. e).

336

§ 7 Klagebefugnis

infolgedessen auch an der internationalen Zuständigkeit inländischer Gerichte. lss

6. Sonderproblem: Grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit Das Problem der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts im deutschen Verwaltungsprozeß spielt eine besondere Rolle im Rahmen der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit. Gerade in diesem Bereich wird die Frage des einschlägigen Rechts und der sich daraus ergebenden prozessualen Folgen eingehend diskutiert. Aufgrund des spezifischen Zusammenhangs mit der vorliegenden Untersuchung zur RechtssteIlung ausländischer öffentlich-rechtlicher Körperschaften soll diese Thematik nachfolgend noch einmal gesondert erörtert werden.

a) Grundlagen der grenzaberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit

Unter interkommunaler Zusammenarbeit versteht man die Kooperation verschiedener Behörden, Gemeinden oder sonstiger untergeordneter öffentlichrechtlicher Körperschaften. Diese im Bereich des innerstaatlichen Rechts übliche Zusammenarbeit findet zunehmende Beachtung auch für die Bewältigung grenzüberschreitender Problemfälle. 156 Die Erkenntnis, daß Sachprobleme vor Staatsgrenzen nicht haltmachen und aufgrund des Auseinanderfallens von Sachverhalt und Regelungskompetenz grenzüberschreitende Lösungen anzustreben sind,ls7 fUhrt zu einer verstärkten Bedeutung interkommunaler Zusammenarbeit. Diese wächst um so mehr, als die Probleme grenznaher Regionen hüben wie drüben ähnlich sind und die Teilung einheitlicher kultureller Gebiete vielfach nur auf historischen Zufälligkeiten beruht. 158 Die Aufgabenbereiche der interkommunalen Zusammenarbeit sind unterschiedlichster Natur und korrespondieren im wesentlichen mit den Aufgaben der beteiligten Körperschaften. Denkbar sind bspw. Kooperationen auf dem Gebiet des Katastrophenschutzes ebenso wie die Zusammenarbeit im Hinblick auf die Bereitstellung gemeindlicher Leistungen wie der Wasser- und StromZu einer de lege ferenda denkbaren Rechtsgrundlage Roloff, S. 182. Heberlein, Döv 1996, 100 (100). 157 Vgl. Bothe, AöR 102 (1977), 68 (69); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsfonn, S. 346; s. auch Kimminich, in: HdUR, Sp. 2520; Oppermann, in: HdUR, Sp. 907 f. 158 HoppelBeckmann, DVBl. 1986, I (2). 155

156

VI. Klagebefugnis aufgnmd ausländischen öffentlichen Rechts

337

versorgung oder der Beseitigung von Abfällen und Abwässer. 159 Besondere Geltung erlangt die interkommunale Zusammenarbeit auch auf dem Gebiet des Bauplanungsrechts. 160 Die prinzipielle Zulässigkeit grenzüberschreitender interkommunaler Zusammenarbeit ist heute unbestritten, so daß nachfolgend nur auf die wesentlichen Grundlagen eingegangen werden soll. Dem Völkerrecht kommt in diesem Zusammenhang eine nur mittelbare Bedeutung zu. Gemeinden und sonstige betroffene öffentlich-rechtliche Körperschaften sind keine Völkerrechtssubjekte. 161 Völkervertragliche Vereinbarungen auf staatlicher Ebene über eine grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit erlangen für sie erst nach Transformation dieser Verträge in nationales Recht Geltung. 162 Bestehende völkervertragliche Regelungen beschränken sich zumeist auf die Vorgabe allgemeiner Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, in denen eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit stattfinden SOIl.163 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften,l64 welches in seinem Anhang unterschiedliche Mustervereinbarungen enthält. 165 Sofern entsprechende völkerrechtliche Verträge transformiert worden sind, sind diese Vereinbarungen nicht nur dazu geeignet, neue Arbeitsbereiche der interkommunalen Zusammenarbeit zu schaffen, sondern können im Einzelfall auch als innerstaatliche Ermächtigungsgrundlage für kommunales grenzüberschreitendes Handeln dienen. 166 dazu m. w. N. Oehm, S. 9 f1 (s. auch dort S. 41). Vgl. Beyerlin, NuR 1985, 173 (178 f); HoppeIBeckmann, DVBI. 1986, I (6); die wachsende Bedeutung grenzüberschreitender Zusammenarbeit zeigt sich auch in der neueren Entwicklung zur Novellierung des Baurechts. Der vorliegende Referentenentwurf sieht eine grenzüberschreitende Unterrichtungspflicht ausländischer Gemeinden ähnlich der Regelung des UVPG vor; Wagner, DVBI. 1996, 704 (71 I); Runkel, DVBI. 1996,698 (703). 161 BVerfGE 2, 347 (374 f.); m. w. N. HoppeIBeckmann, DVBI. 1986, I (2); Rojahn, in: v. MÜDChIKunig, Art. 32 Rn. 66. 162 HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (9). Inwieweit Gemeinden und sonstige Verbände völkerrechtliche Verträge gegebenenfalls aufgnmd abgeleiteter Völkerrechtssubjelctivität abschließen können, soll hier nicht erörtert werden, s. dazu Oehm, S. 70 ff; Beyerlin, S. 173 ff., 225 f. 163 Zur vertraglichen Praxis bis 1988 Beyerlin, S. 43 ff.; zur neueren Entwicklung ders., ZaöRV 54 (1994), 587 ff. 164 BGBI. 1981 11 S. 966 ff. 165 Näher dazu Oehm, S. 18 ff.; zur weiteren Entwicklung Heberlein, DÖV 1996, 100 (108). 166 HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (3); insoweit keine Ermächtigungsgnmdlage bietet das Europäische Rahmenübereinkommen, vgl. Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), 587 (587); Heberlein, DÖV 1996, 100 (108). 159 Ausftlhrlich

160

22 Feldmüller

338

§ 7 Klagebefugnis

Den allgemeinen Regeln des Völkerrechts lassen sich keine besonderen Bestimmungen über die grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit entnehmen. Insbesondere verstößt diese nicht gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip.167 Auch aus den Regelungen des innerstaatlichen Rechts ergeben sich keine grundlegenden Bedenken gegen eine grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit. Einer solchen steht insbesondere Art. 32 Abs. 1 GG, wonach die Pflege auswärtiger Beziehungen Sache des Bundes ist, nicht entgegen. l68 Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage der einschlägigen Kompetenznorm bzw. Ermächtigungsgrundlage zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Als Ermächtigungsgrundlage kommen insoweit grundsätzlich die verfassungsrechtlichen, bundes- oder landesrechtlichen Regelungen sowie die in innerstaatliches Recht transformierten völkerrechtlichen Vereinbarungen über eine interkommunale Zusammenarbeit in Betracht. 169 Weitgehende Einigkeit besteht insoweit, als keine einfachgesetzlichen Normen des Bundesund Landesrechts bestehen, die eine ausdrückliche Ermächtigung zur grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit enthalten. Insbesondere die Landesgesetze, wie das GkG NW, die eine interkommunale Zusammenarbeit vorsehen, treffen keine Regelungen über eine Staatsgrenzen überschreitende Kooperation. 170 Soweit nicht ausnahmsweise staatsvertragliche Vereinbarungen über die grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit bestehen, kann sich eine entsprechende Ermächtigung der inländischen Gemeinden alleine aus Art. 28 Abs. 2 GG ergeben. Inwieweit dies der Fall ist, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie gelangt Beyerlin in seiner ausfiihrlichen Untersuchung zu der Auffassung, daß die grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit im deutschen Verfassungsrecht kompentiell nicht abgesichert seL I7I Genauso wie den Regelungen des einfachen Rechts lasse sich der Verfassung keine entsprechende Kompetenznorm entnehmen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit werde vom Staat nur toleriert. l72

Heberlein, KODUn. Außenpolitik, S. 101 ff. H. M.: Hoppe/Beckmann, DVBl. 1986, I (5); Rojahn, in: v. MünchIKunig, Art. 32 Rn. 65 f; Streinz, in: Sachs, Art. 32 Rn. 24; zur a. A. Oehm, S. 84 f 169 Vgl. dazu Heberlein, DÖV 1996, 100 (101 tr.). 170 Hoppe/Beckmann, DVBl. 1986, 1 (6); teilweise anders KommZG Bayern, dazu Schliigel, S. 126 tr. 171 Beyerlin, S. 216; vgl. allerdings zum Zusanunenhang mit Art. 28 Abs. 2 GG, ders., NuR 1985, 173 (179). 172 Beyerlin, S. 226,457. 167

168

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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Inwieweit eine solche Sichtweise zutreffend ist, erscheint allerdings fraglich. Zu Recht wird von einem Teil der Literatur vertreten, daß sich die Kompetenz der Gemeinden entgegen der Ansicht Beyerlins aus Art. 28 Abs. 2 GG ergebe. l73 Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wie auch die sonstige interkommunale Zusammenarbeit findet ihre rechtliche Grundlage unmittelbar in der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht "alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." Das entscheidende Merkmal der "Örtlichkeit" umschreibt dabei nicht den geographischen Bereich, innerhalb dessen kommunales Handeln zu erfolgen hat, sondern bestimmt vielmehr den Rahmen der (Sach-)Angelegenheiten, zu deren Regelung die Gemeinde berufen iSt. 174 Sachgebiete wie die Abfallent- und die Wasserversorgung oder Fragen der Stadt- und Wirtschaftsentwicklung sind primär Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung, deren Wahrnehmung den Gemeinden zugewiesen sind. Wie die Gemeinden diese kommunalen Fragen bewältigen, bleibt ihnen zunächst selbst überlassen. Im Rahmen der Gesetze haben sie die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln. Nicht normiert ist insoweit, wie die Gebietskörperschaften diesen Aufgaben nachzukommen haben. Im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie steht es ihnen vielmehr frei, Problemlösungen auch (und möglicherweise gerade) im Verbund mit anderen Gebietskörperschaften zu finden. Eine solche interkommunale Zusammenarbeit ändert dabei an dem Charakter einer "Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" nichts. 175 Dies gilt auch, soweit eine grenzüberschreitende Kooperation erfolgt. Auch in diesem Fall ist das Handeln der Gemeinde von Art. 28 Abs. 2 GG umfaßt. Eine solche Sichtweise ist aber nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern erscheint zudem unter dem Blickwinkel von Sinn und Zweck der kommunalen Selbstverwaltung im Zusammenhang mit der fortschreitenden europäischen Integration, die die Bedeutung der Staatsgrenzen zunehmend reduziert, als sachlich gerechtfertigt. Zu bedenken ist jedoch stets, daß Gemeinden und sonstige untergeordnete Körperschaften als Teil der Staatsorganisation in jedem Fall der innerstaatlichen Kompetenzordnung unterworfen sind und insbesondere dem Gebot der Bundestreue unterliegen. 176 173 Vgl. Heber/ein, DÖV 1996, 100 (102); ders., Komm. Außenpolitik, S. 104 ff., 131; Robbers, in: Bunneister, S. 197; älmlich wohl Rojahn, in: v. MÜfichIKunig, Art. 32 Rn. 67; offengelassen HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (5). 174 Ebenso Heber/ein, DÖV 1996, 100 (102). 175 Vgl. Robbers, in: Bunneister, S. 197. 176 HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (6); Robbers, in: Bunneister, S. 197; Streinz, in: Sachs, Art. 32 Rn. 24.

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§ 7 Klagebefugnis

b) Rechtsform und Rechtsschutz

Soweit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit keine Bedenken entgegenstehen, stellt sich die Frage nach der Rechtsform einer solchen Kooperation. Dabei bestimmt die gewählte rechtliche Form der Zusammenarbeit auch den Rechtsschutz. Zunächst besteht für die beteiligten Gemeinden die Möglichkeit, privatrechtliche Vereinbarungen zu treffen. I77 Eventuelle Streitigkeiten werden in diesen Fällen den Regeln des IZPR und IPR folgend vor nationalen Zivilgerichten oder eigens berufenen Schiedsgerichten verhandelt. 178 Denkbar ist jedoch auch eine Zusammenarbeit aufgrund öffentlichrechtlicher Rechtsnormen. 179 Die strikteste Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist die Schaffung eines neuen Rechtsträgers, bspw. in Form eines Zweck- oder Planungsverbandes. 180 Innerhalb dieser Kooperationsform ist auch die Übertragung von Hoheitsrechten zulässig. 181 Diese bedarf jedoch nach ganz überwiegender Auffassung einer ausdrücklichen innerstaatlichen Ermächtigungsgrundlage. 182 Als "lockerste" Form der Zusammenarbeit kommt die Schaffung von Arbeitsgemeinschaften in Betracht. Innerhalb dieser Kooperationsform bleibt die Selbständigkeit der beteiligten Mitglieder erhalten. Sie dient im wesentlichen der Beratung und Abstimmung grenzrelevanten Verhaltens sowie der Erarbeitung gemeinsamer Problemlösungen. Grundlage einer solchen Zusammenarbeit ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. 183 Letztlich besteht noch die Möglichkeit des Abschlusses einer öffentlichrechtlichen Vereinbarung, die insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Gemeinden eine gemeinsame Erfiillung ihrer Aufgaben anstreben, jedoch kei177 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 347 t1; Heberlein, DÖV 1996, 100 (103); Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 175 tT.; Oehm, S. 77 tT. 178 Vgl. dazu Oehm, S. 78 f, 117. 179 Vgl. Beyerlin, S. 40 tT., 389 tT.; Bothe, AöR 102 (1977), 68 (75); Heberlein, DÖV 1996, 100 (103); HoppelBeckmann, DVBl. 1986, I (7); teilw. a. A. Schl6gel, S. 122 f, vgl. aber auch S. 129 f; zur Abgrenzung von privater und ötTentlich-rechtlicher Vereinbarung Beyerlin, S. 391 tT.; Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 171 tT. 180 Die nachfolgende Darstellung beruht auf dem deutschen Recht; vgl. bspw. das GkGNW. 181 Vgl. HoppelBeckmann, DVBl. 1986, 1 (7); Oehm, S. 100; zu Art. 24 Abs. I a GG vgl. Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), 587 tT.; Heber/ein, DVBl. 1996, 100 (103 f). 182 Vgl. Beyerlin, S. 266; HoppelBeckmann, DVBl. 1986, 1 (8); Robbers, in: Burmeister, S. 198. 183 Vgl. Oehm, S. 98. Dabei unterfallen Vereinbarungen über eine interkommunale Zusammenarbeit nicht unmittelbar den Regelungen der §§ 54 tT. Vwvro, Bonk, in: Ste1kens/Bonk/Sachs, § 54 Rn. 33 a.

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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nen Zweckverband mit neuer Rechtspersönlichkeit gründen wollen. 184 Auch im Rahmen derartiger Vereinbarungen ist eine Übertragung von Hoheitsrechten denkbar. Aus der Möglichkeit, rechtlich bindende öffentlich-rechtliche Vereinbarungen über eine grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit schließen zu können, folgt die Frage, vor welchen Gerichten eventuelle Streitigkeiten der beteiligten Parteien auszutragen sind. Ebenso wie im Privatrecht besteht auch im öffentlichen Recht die Möglichkeit der Einsetzung besonderer Schiedsgerichte. 18s Dieser Lösungsansatz dürfte aufgrund der damit verbundenen Objektivität in der Praxis die bevorzugte Variante darstellen. Soweit jedoch entsprechende Schiedsabkommen fehlen, besteht die Möglichkeit des Streitentscheids durch staatliche Gerichte. 186 Zur Entscheidung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten sind in Deutschland die Verwaltungsgerichte berufen. Die Zulässigkeit eines entsprechenden Rechtsschutzantrags richtet sich dabei nach den entsprechenden Sachurteilsvoraussetzungen des nationalen Rechts. Notwendig ist insbesondere das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die deutsche Gerichtsbarkeit entfallt, soweit sich der beteiligte ausländische Hoheitsträger auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen kann. Dies gilt allerdings nur, soweit er in einem Verfahren Beklagter ist und nicht auf seine Immunität verzichtet hat. In Fällen, in denen eine ausländische juristische Person des öffentlichen Rechts dagegen als Kläger auftritt, ist die deutsche Gerichtsbarkeit aufgrund des in der Klage konkludent enthaltenen Immunitätsverzichts stets gegeben. 187 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hängt in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten maßgeblich von dem anwendbaren Recht ab. Ist das streitentscheidende Recht innerstaatlich anwendbar, sind die deutschen Gerichte international zuständig. Dies gilt im Regelfall dann, wenn ein deutscher Hoheitsträger Beklagter ist. 188 Oehm, S. 98 f. Heber/ein, DÖV 1996, 100 (106); vgl. zur Zulässigkeit von Schiedsgerichten oben § 4 ll. 186 Hoppe/Beckmann, DVBI. 1986, 1 (9); Oehm, S. 118. 187 Zum hnmunitätsverzicht und zur Zuständigkeit im Hinblick auf die Abgabe der Verzichtserklärung s. oben § 2 II. 1. b) bb). Entsprechend den dort gewonnenen Erkenntnissen kommt auch unterstaatlichen ausländischen Gebietskörperschaften (abgeleitete) hnmunität zu, soweit sie hoheitlich handeln. Ebenso sind sie aber auch für den ihnen übertragenen Aufgabenbereich befugt, auf den hnmunitätsschutz zu verzichten. Ein solche hnmunitätsverzicht kann auch konkludent erklärt werden, erfolgt aber nicht automatisch mit Abschluß eines grenzüberschreitenden Vertrages. Vgl. dagegen mit grundlegend a. A. Heber/ein, Komm. Außenpolitik, S. 213 f. 188 Vgl. dazu oben § 3 II. 6. 184 185

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§ 7 Klagebefugnis

c) Anwendbares Recht und Klagebejugnis

Die grundsätzliche Möglichkeit der Streitentscheidung durch nationale Venvaltungsgerichte wirft die für die vorliegende Untersuchung maßgebliche Frage auf, inwieweit einer ausländischen Gemeinde im Zusammenhang mit einer Streitigkeit im Rahmen einer grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit ein Recht i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO zustehen kann, weiches diese zu einer Klage vor einem deutschen Venvaltungsgericht befugt. Die Beantwortung dieser Frage hängt zunächst davon ab, welches Recht anzuwenden iSt. 189 Wurde die zugrundeliegende Vereinbarung unter der Herrschaft deutschen öffentlichen Rechts getroffen, so folgen aus dieser Rechtsbeziehung ohne Zweifel Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VWGO. I90 Wesentliche Probleme hingegen bereitet die Frage, ob auch ausländisches öffentliches Recht zur Anwendung gelangen und sich aus diesem somit Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO ergeben können. Diese Problematik besteht nicht nur für die in Zukunft abzuschließenden Verträge, sondern gilt in besonderem Maße auch für bereits geschlossene Vereinbarungen, welchen vielfach eine Bestimmung des anzuwendenden Rechts fehlt. 191 Auch in diesen Fällen, in denen keine ausdrückliche Rechtswahl erfolgte, stellt sich die Frage, welches Recht zur Anwendung zu bringen ist. Kern der in diesem Zusammenhang kontrovers geführten Diskussion ist das bereits eingehend erörterte Problem, ob deutsche Hoheitsträger nur eigenes öffentliches Recht anwenden dürfen oder ob sie sich freiwillig den öffentlich-rechtlichen Nonnen eines fremden Staates untenverfen können. Ausgehend von der oben gewonnenen Erkenntnis, daß deutsche Hoheitsträger grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos deutsches öffentliches Recht anzuwenden haben, steht hinsichtlich der Rechtsverhältnisse im Rahmen der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit zu bedenken, daß diese durch die Gleichordnung der beteiligten Parteien geprägt sind. 192 In Fällen derartiger Gleichordnung, die auf freiwilliger Partnerschaft beruht, besteht kein unüberwindbares staatliches Interesse an der Anwendung eigenen öffentlichen Rechts zur Durchsetzung eigener Ordnungsvorstellungen. Vielmehr entsprechen die fraglichen Rechtsverhältnisse solchen des Privat-

189 Nachfolgend wird nur auf die nationalen Rechtsordnungen als Vertragsstatut abgestellt. Zwn Völkerrecht oder Recht sui generis vgl. Beyerlin, S. 373 ff, 379 ff.. Diese Rechtsordnungen werden von der herrschenden Meinung als Vertrags statut zwischen untergeordneten Körperschaften ablehnt. 190 Vgl. dazu oben § 7 I. 2. 191 Vgl. Beyerlin, S. 144; Bothe, AöR 102 (1977), 68 (76). 192 Vgl. Beyerlin, S. 410.

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rechts. Die auf solche Rechtsverhältnisse anzuwendenden Normen haben keinen derart "staatsbezogenen" Charakter, daß die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts ausgeschlossen wäre,193 zumal die beteiligten Parteien nicht Teil ein und derselben Staatsgewalt sind. In Abgrenzung zu den subordinationsrechtlichen Rechtsverhältnissen als "Normalfall" des IVerwR konstatiert Beyerlin, daß sich die Situation bei lokalen grenzüberschreitenden koordinationsrechtlichen Vereinbarungen besonders darstelle. Innerhalb dieser ,transnationalen' Vertragsbeziehungen sei keine der hinter den lokalen Parteien stehende Staatsgewalt fiir sich allein in der Lage, in ihrem eigenen Namen das öffentliche Recht zu verwirklichen. Vielmehr bedürfe jede Seite der konstitutiven Mitwirkung der jeweils anderen, um sich überhaupt grenzüberschreitend entfalten zu können. 194 Insgesamt spricht diese dem Privatrecht vergleichbare Rechtslage dafiir, daß interkommunale Kooperationsverhältnisse auf Basis der Gleichordnung der beteiligten Parteien auch unter der Herrschaft fremden öffentlichen Rechts begründet werden können. 195 Zu bedenken bleibt jedoch, daß deutsche Hoheitsträger, vorliegend insbesondere die beteiligten Gemeinden, nicht in Wahrnehmung von Freiheit (Privatautonomie) tätig werden, sondern innerhalb des Staatsaufbaus an die ihnen verliehenen Kompetenzen gebunden sind. Fraglich ist damit im Einzelfall, ob die betroffene Körperschaft ermächtigt ist, sich fremdem Recht zu unterwerfen. Diese Frage kann, wie oben gezeigt, nicht anband einer analogen Anwendung der Regeln des IPR beantwortet werden. 196 Das IPR setzt gerade die Autonomie der beteiligten Parteien voraus, es begründet eine solche jedoch nicht. Notwendig ist vielmehr eine staatliche Regelung, die es den Gemeinden erlaubt, sich fremdem Recht zu unterwerfen. 197 Als Ermächtigungsgrundlage kommen insoweit grundsätzlich die verfassungsrechtlichen, bundes- oder landesrechtlichen Regelungen sowie die in innerstaatliches Recht transformierten völkerrechtlichen Vereinbarungen l98 über eine interkommunale Zusammenarbeit in Betracht, soweit sich aus diesen nicht nur eine Befugnis zur grenzüberVgl. HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (8). Beyerlin, S. 411. 195 Vgl. Beyerlin, S. 413; HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (8); Oehm, S. 95 f.; vgl. auch Bothe, AöR 102 (1977), 68 (75), der der Auffassung ist, daß einem Vertrag "gemäß dem Recht des einen oder anderen Staates" grundsätzlich ,,nichts im Wege" stehe. Vgl. auch Art. 24 Abs. la GG, dazu Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), 587 (604 f.). 196 So aber Oehm, S. 101. 197 Beyerlin, S. 397; s. oben § 7 VI 5. a) ee) (2). 198 Zu dachvertraglichen Rechtsanwendungsbefehlen Beyerlin, S. 431 ff.; vgl. auch Oehm, S. 102 ff. 193

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§ 7 Klagebefugnis

schreitenden Zusammenarbeit, sondern zugleich eine Ermächtigung zur Wahl des anzuwendenden Rechts ergibt. Dabei gehen die Auffassungen aufgrund der unterschiedlichen Einschätzung der Ermächtigungsgrundlage rur die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erheblich auseinander. Soweit man mit Beyerlin der Auffassung ist, daß das Recht der Bundesrepublik Deutschland (von wenigen Ausnahmen abgesehenl~ keine Ermächtigungsgrundlage zur grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit kennt, wird man nachfolgend auch keine Kompetenznormen finden, die es den Gemeinden ermöglichen, bei grenzüberschreitenden Vereinbarungen das anwendbare Recht frei zu wählen. "Sowenig es nämlich gelingen kOIUlte, etwa der Kompetenzgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG mittels der Entscheidung des Grundgesetzes zur internationalen Zusammenarbeit eine staatsgrellZÜberschreitende Dimension abzugewinnen, sowenig kann eine noch so extensive Auslegung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu dem Schluß filhren, diese Norm enthalte das stillschweigende Zugeständnis an die lokalen Gebietskörperschaften, bei der Wahl des proper law einer grenzüberschreitenden Vereinbarung dann dem Recht des Partners den Vorzug geben zu dürfen, WeIU1 zwischen dem zu regelnden Sachverhalt und der fremden Rechtsordnung die engeren Anknüpfungspunkte bestehen. ,,200

Gleiches gelte auch im Hinblick auf ungeschriebene Rechtsanwendungsregeln. Es fehlten jegliche Indizien, die darauf schließen ließen, daß eine allgemeine Rechtsüberzeugung bestehe, wonach lokale Verwaltungsträger befugt wären, das anwendbare Recht zu wählen. 201 Anders als Beyerlin gelangt Heberlein demgegenüber zu der Ansicht, daß sich die Kompetenz der Gemeinden zur Wahl des anwendbaren Rechts aus dem "Rechtsgedanken der comitas" ergebe: ,,Das Interesse an der Funktionsfiihigkeit der unmittelbaren kommunalen Zusammenarbeit [... ] begründe[t] nach dem Grundsatz der freundlichen Zulassung die Befugnis zur Zulassung des jeweiligen Verwaltungsrechts."202

199 Beyerlin (S. 419) neIUlt insoweit den Staatsvertrag zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und dem Lande Rheinland-Pfalz über die gemeinsame Erfüllung wasserwirtschaftlicher Aufgaben durch Gemeinden und andere Körperschaften vom 17. Oktober 1974, GVBI. (Rheinland-Pfalz) 1975 S. 55 ff. 200 Beyerlin, S. 4 I 8. 201 Beyerlin, S. 421. Dabei bezieht sich Beyerlin allerdings nur auf die Lage de lage lata. Soweit die zukünftige Entwicklung betroffen ist, ist er der Auffassung, daß verfassungspolitische Aspekte dafilr sprächen, daß der Staat, der es seinen lokalen (Gebiets-)Körperschaften gestatte, grenznachbarliche Vereinbarungen in öffentlichrechtlichen Regelungsbereichen zu treffen, diesen auch die Möglichkeit einräumen müsse, Vereinbarungen zu treffen, auf die fremdes öffentliches Recht zur Anwendung kommen soll. Vgl. Beyerlin, S. 424, 435. 202 Heber/ein, Komm. Außenpolitik, S. 180 f. Dieser hält allerdings eine besondere zwischenstaatliche Regelung dann fiIr erforderlich, weIUl Zweifelsfragen zu klären sei-

VI. Klagebefugnis aufgrund ausländischen öffentlichen Rechts

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Der Grundsatz der "freundlichen Zulassung" ausländischen Rechts ist im internationalen Wirtschaftsrecht entwickelt worden und basiert im wesentlichen auf der Gemeinsamkeit in- und ausländischen Rechts sowie insbesondere dem innerstaatlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des internationalen Wirtschaftsverkehrs. 203 In neuerer Zeit wird das Prinzip der "freundlichen Zulassung" auch auf weitere öffentlich-rechtliche Gebiete ausgedehnt,204 wobei dieser Grundsatz jedoch stets der Konkretisierung bedarf. Inwieweit die "freundliche Zulassung" dogmatisch begründbar ist, kann hier nicht näher erörtert werden. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel, inwieweit dieses Prinzip dazu geeignet ist, die Befugnis kommunaler Gebietskörperschaften zur konsensualen Bestimmung des anwendbaren Rechts herzuleiten. Die Befugnis zur Rechtswahl ist, wie oben gezeigt, alleine Folge einer staatlichen Kompetenzzuweisung~ Voraussetzung der Rechtswahl ist also stets eine entsprechende gesetzliche Regelung, die nicht durch den Gedanken der "freundlichen Zulassung" ersetzt werden kann. 20s Eine gesetzliche Regelung aufgrund derer die Gemeinden zur Wahl des anwendbaren Rechts befugt sind, ergibt sich, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung Art. 28 Abs. 2 GG als Ermächtigungsgrundlage fiir eine umfassende grenzüberschreitende Zusammenarbeit versteht206 und daraus zugleich die gemeindliche Kompetenz zur Wahl des anzuwendenden Rechts ableitet. 207 Entsprechend der Entscheidung des Verfassungsgebers folgt aus der umfassenden Selbstverwaltungskompetenz der Gemeinden nicht nur die Befugnis zur grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit, sondern zur Verwirklichung dieser Befugnis zugleich aufgrund des Sachzusammenhangs auch die Kompetenz zur Wahl des anwendbaren Rechts. 208 Dabei kann Art. 28 Abs. 2 GG allerdings nur zugunsten solcher Vereinbarungen wirken, die der Selbstverwaltungsgarantie unterfallen. Soweit darüber hinausgehende Ziele verfolgt, insbesondere Hoheitsrechte auf Dritte übertragen werden sollten, bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung.209 en oder die Durchftlhrung des Vertrages mit besonderen Risiken oder Haftungen verbunden sei. 203 Meessen, AöR 110 (1985), 398 (408). 204 Meessen, AöR 110 (1985), 398 (413 ff.). 205 Darüber hinaus zur "comitas" als Rechtsanwendungsbefehl kritisch Sonnenberger, in: MüKo, Ein!. IPR Rn. 277. 206 Vgl. zuvor § 7 VI. 6. a). 207 Die Kompetenz zur Wahl des anzuwendenden Rechts ist nur im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Vereinbarungen umstritten, im Privatrecht wird diese allgemein vorausgesetzt; vgl. Beyerlin, S. 131, 398; Heberlein, Komm. Außenpolitik, S. 176. 208 Vgl. auch Bothe, AöR 102 (1977), 68 (75, insb. Fußn. 12), der eine besondere Ermächtigung wohl für entbehrlich hält. 209 Oehm, S. 96; HoppelBeckmann, DVBI. 1986, I (9).

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§ 7 Klagebefugnis

Soweit damit aus Art. 28 Abs. 2 GG die Kompetenz folgt, grenzüberschreitende Vereinbarungen auch unter der Herrschaft fremden öffentlichen Rechts abzuschließen, stellt sich die Frage nach dem im Streitfalle anzuwendenden Recht. Insbesondere in den Fällen, in denen keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen wurde, muß eine kollisionsrechtliche Regelung gefunden werden. In Betracht kommt in Fällen der Gleichordnung der beteiligten Parteien insoweit eine analoge Anwendung der Regelungen des IPR. 210 Daß gegen eine solche Rechtsanalogie keine spezifischen Bedenken bestehen, wurde bereits oben erörtert. 211 Im Hinblick auf die grenzüberschreitende interkommunale Zusammenarbeit bedeutet dies, daß Vereinbarungen auf der Ebene der Gleichordnung dem Recht unterliegen, welches die Parteien vereinbart haben (Art. 27 Abs. 1 EGBGB analog). Fehlt eine solche Vereinbarung, findet entsprechend Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB auf den Vertrag dasjenige Recht Anwendung, das die engsten Verbindungen zu dem Vertrag aufweist. Mit einer solchen analogen Anwendung der Regeln des IPR ist gerade auch für den Bereich der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit eine adäquate Lösung der Rechtsanwendungsprobleme gefunden. In der Praxis hat sich demgegenüber allerdings noch eine andere Problemlösung entwickelt. Infolge vertraglicher Vereinbarung soll das Recht desjenigen Staates Anwendung finden, auf dessen Gebiet die streitige Leistung zu erbringen ist. 212 Diese Konstruktion erscheint durchaus praktikabel, wobei sie allerdings nicht die Gewähr dafür leistet, daß ein Verwaltungsrichter nur eigenes öffentliches Recht anzuwenden hat. Die Anwendung ausländischen Rechts wäre nämlich dann denkbar, wenn der Ort der zu erbringenden Leistung und Gerichtsstand auseinanderfielen. Insoweit erscheint die hier erarbeitete Lösung letztlich vorzugsWÜfdig.

7. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO in AusnahmefaIlen auch aus Normen ausländischen öffentlichen Rechts ergeben können.

hn Ergebnis ebenso Oehm, S. 100 f. Vgl. oben § 7 VI. 5. a) ee) (2). 212 Vgl. Art. 6 und Art 11 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Niedersachsen, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und anderen öffentlichen Stellen, BGBI. 1993 11 S. 842 ff. 210 211

VI. Klagebefugnis aufgnmd ausländischen öffentlichen Rechts

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Voraussetzung ist, daß dieses Recht zur Anwendung befohlen wird. Der notwendige Anwendungsbefehl ist der inländischen Rechtsordnung zu entnelunen. Gegen die innerstaatliche Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts bestehen keine völkerrechtlichen Bedenken. Auch aus dem deutschen Recht ist kein diesbezügliches Verbot abzuleiten. Der notwendige Rechtsanwendungsbefehl ist im Einzelfall gesondert zu ermitteln. Der die Diskussion um das Internationale Verwaltungsrecht beherrschende Streit um die Ein- oder Zweiseitigkeit kollisionsrechtlicher Vorschriften ist nur von begrenzter Bedeutung. Nach allgemeiner Auffassung ist im Grundsatz von der Anwendung deutschen öffentlichen Rechts auszugehen. Ausländisches öffentliches Recht kann zur Anwendung gelangen, wenn die Vorschriften des deutschen Rechts darauf ausdrücklich verweisen. Die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts ist zudem in Fällen gleichgeordneter Rechtsverhältnisse möglich. Soweit eine entsprechende nationale Kompetenz der beteiligten nationalen Hoheitsträger zur Unterwerfung unter fremdes öffentliches Recht besteht, kann in entsprechender Anwendung der Regeln des IPR auch dieses Recht zur Anwendung gelangen. Eine solche Konstellation ist insbesondere in den Fällen der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit denkbar. Keinen Befehl zur Anwendung enthalten Art. 19 Abs. 4 GG und § 42 Abs 2 VwGO. Auch aus Sachgerechtigkeitserwägungen kann ausländisches Recht nicht zur Anwendung gelangen. Soweit ausländisches öffentliches Recht zur Anwendung befohlen wurde, folgt die subjektive Berechtigung i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO insbesondere aus dem Sinn und Zweck des zugrundeliegenden Anwendungsbefehls.

§ 8 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen und Verwaltungsakte in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten Nachdem zuvor festgestellt wurde, daß fremde Staaten bzw. sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre öffentlichrechtlichen Ansprüche vor deutschen Gerichten in aller Regel nicht klageweise durchsetzen können, soll abschließend ergänzend der Frage nachgegangen werden, welche sonstigen Möglichkeiten diesen Rechtssubjekten zur Verfügung stehen, ihre Ansprüche im Inland zu verwirklichen. Denkbar erscheinen zwei Wege. Zum einen kann ein ausländischer Hoheitsträger innerhalb seines Hoheitsgebietes einen Verwaltungsakt erlassen und sich anschließend um einen Vollzug desselben in der Bundesrepublik bemühen. Zum anderen kann er aber auch in seinem eigenen Staat ein gerichtliches Urteil erwirken und danach versuchen, dessen Vollstreckung in Deutschland zu betreiben. Während die erstgenannte Möglichkeit im wesentlichen eine Frage der internationalen Rechtshilfe ist, betrifft die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile primär das Verwaltungsprozeßrecht.

I. Grundlagen Ausländische Verwaltungsakte und gerichtliche Entscheidungen wirken als Akte hoheitlicher Gewalt nicht über die Grenzen des fremden Staates hinaus. 1 Sie können im Inland nur dann eine rechtliche Wirkung entfalten und vollzogen werden, wenn sie anerkannt bzw. für vollstreckbar erklärt werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Staat dies tut, ist seine souveräne Entscheidung. Eine grundsätzliche völkerrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Hoheitsakte besteht nach allgemeiner Auffassung nicht. 2 Gleiches gilt im Hinblick auf ein entsprechendes völker-

Schack, Rn. 775. Vgl. DahmIDelbrilckIWolfrum, S. 484; Firsching/v. HofJmann, Rn. 149; Geimer, Rn. 2757; s. auch Beyerlin, S. 449; Schlochauer, Extraterritoriale Wirkung von HoI

2

heitsakten, S. 55 1T.

TI. Ausländische gerichtliche Entscheidungen

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rechtliches Verbot. 3 Ebenso wie die Geltendmachung ausländischer hoheitlicher Ansprüche vor deutschen Gerichten ist auch die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen unbedenklich. 4 Grundlage für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte und gerichtlicher Entscheidungen können völkerrechtliche Verträge, das europäische Gemeinschaftsrecht sowie das autonome Recht des Staates sein.

11. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten durch deutsche Gerichte 1. Völkerrechtliche Übereinkommen Die Anerkennungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit ausländischer gerichtlicher Entscheidungen wird maßgeblich durch völkerrechtliche Übereinkommen bestimmt. Die wichtigsten multilateralen Abkommen sind das EuGVÜI und das sog. Luganer Übereinkommen. 2 Beide Übereinkommen beziehen sich allerdings alleine auf Zivil- und Handelssachen. Ausdrücklich nicht erfaßt sind insbesondere Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Für das EuGVÜ hat der EuGH darüberhinaus klargestellt, daß von dem Anwendungsbereich alle Streitigkeiten ausgenommen sind, die im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse stehen. 3 Darunter fallen insbesondere alle Tätigkeiten der Eingrlffs- und weite Teile der Leistungsverwaltung. Gleiches dürfte für das Luganer Übereinkommen entsprechend gelten. 3 Die Annahme eines solchen Verbotes kommt allenfalls in Betracht, wenn ein fremdstaatliches Urteil unter Mißachtung des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität zustandegekommen ist. Vgl. Geimer. in: Zöller, § 328 Rn. 6. 4 Ebenso wie hier DahmIDelbrackIWoLJfUm. S. 484; Dormann Bessenich. S. 191; Schack. Rn. 775; a. A. Mann. in: FS Kegel, S. 382. Zur entsprechenden Diskussion wn die völkerrechtliche Zulässigkeit fremdstaatlicher Klagen oben § 2 lll. I Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.3. 1968, BGBl. 1972 TI S. 773, in der dritten Neufassung BGBl. 1994 TI S. 3707; s. dazu auch schon oben § 3 TI. 1. 2 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geschlossen in Lugano am 16. September 1988, BGBl. 1994 TI S. 2658; ftlr die Bundesrepublik in Kraft getreten am 1. 3. 1995, BGBl. 1995 TI S. 221. 3 EuGH Slg. 1976, 1541 (1551); s. dazu oben § 3 TI. 1.

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§ 8 Anerkennung und Vollstreckung

Im Hinblick auf die Anerkennungsfahigkeit und die Vollziehbarkeit ausländischer Gerichtsurteile und sonstiger Entscheide, denen hoheitliche Ansprüche fremder Rechtsträger zugrunde liegen, bedeutet dies, daß diese aus dem Bereich der anerkennungsfähigen und vollziehbaren Entscheidungen herausfallen. 4 Entsprechendes gilt auch für die sonstigen multi- oder bilateralen Abkommen, an denen die Bundesrepublik beteiligt ist. s Urteile ausländischer Gerichte in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten werden nicht erfaßt. Eine entsprechende Anwendung der völkervertraglichen Bestimmungen kommt nicht in Betracht.

2. Europäisches Gemeinschaftsrecht Das europäische Gemeinschaftsrecht enthält, soweit ersichtlich, keine Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten.

3. Normen des deutschen Rechts Ausdrückliche Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile finden sich im deutschen Recht in den §§ 328 und 722 f. ZPO. Danach werden ausländische Gerichtsentscheidungen automatisch anerkannt, soweit § 328 ZPO die Anerkennung nicht ausdrücklich ausschließt. Die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile hängt gemäß § 722 Abs. 1 ZPO von einem inländischen gerichtlichen Vollstreckungsurteil ab. Wenngleich Anerkennung und Vollstreckung im deutschen Zivilprozeßrecht getrennt sind, laufen beide Verfahren weitgehend parallel. 6 Insbesondere ist ein Vollstreckungsurteil unzulässig für Entscheidungen, deren Anerkennung nach § 328 ZPO ausgeschlossen ist (§ 723 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Anerkennungsregelung des § 328 ZPO betriffi: in seiner unmittelbaren Anwendbarkeit nur Urteile, durch die über zivilrechtliche Ansprüche (i. w. S.) entschieden worden ist. 7 Erfaßt werden insoweit alle bürgerlich-rechtlichen 4 Vgl. Schack, Rn. 817; s. auchD01mann Bessenich, S. 191 (; ThomaslPutzo, Art. 1 EuGVURn.2. 5 Einen Überblick über die wichtigsten Abkommen bietet Schack, Rn. 799 ff.; s. zu bilateralen Staatsverträgen auch Gottwald, in: MüKo (ZPO), § 328 Rn. 25 tT.; ThomaslPutzo, § 328 Rn. 37 ff. 6 Schack, Rn. 932; zu den Unterschieden s. Geimer, Rn. 3106 ( 7 Geimer, Rn. 2867; ders., in: Zöller, § 328 Rn. 77; Gottwald, in: MüKo (ZPO), § 328 Rn. 37; Koch, in: AltK (ZPO), § 328 Rn. 22.

ll. Ausländische gerichtliche Entscheid\Ulgen

351

Streitigkeiten i. S. des § 13 GVG. Ausgenommen sind nach allgemeiner Ansicht alle Urteile in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten. 8 Die Qualifikation der zugrundeliegenden Streitigkeit als privat- oder öffentlich-rechtlich obliegt dabei dem deutschen Recht als lex fori. 9 In der VwGO finden sich keine ausdrücklichen Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile. Eine allgemeine Regelung über die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen enthält § 168 VwGO. Nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sind insbesondere rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen vollstreckbar. Ob damit auch ausländische Entscheidungen umfaßt sind, läßt der Wortlaut offen. Dies wird in der Lehre aber abgelehnt. lo Dabei wäre eine entsprechende Anwendung der Regelungen der ZPO über § 167 VwGO zumindest denkbar. I I § 167 VwGO verweist zur Ergänzung der Vollstreckungsregelungen auf das Achte Buch der ZPO. Umfaßt davon sind damit zunächst auch die §§ 722 f. ZPO. Es stellt sich insoweit die Frage, ob die §§ 722 f. ZPO im Verwaltungsprozeßrecht bezüglich ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten entsprechend anwendbar sind. Eine entsprechende Anwendung der §§ 722 f. ZPO ist im Grundsatz abzulehnen. Wie oben dargestellt, kommt sowohl die Anwendung fremden öffentlichen Rechts als auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nur in Betracht, wenn das Interesse des Inlandes an der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts bzw. an der Bereitstellung der eigenen Gerichte nachgewiesen werden kann. Gleiches gilt in logischer Folge für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten. Nur wenn das Inland ein Interesse an der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile hat, wird es entsprechende Regelungen treffen. Ein solches Interesse an der Verwirklichung ausländischer Urteile kann aber im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten de lege lata nicht nachgewiesen werden. Anders als im Zivilprozeß, in dem die Anerkennung und Vollstrekkung ausländischer Urteile insbesondere der Förderung des Handelsverkehrs 8 Vgl. Firschinglv. Hoffmann, Rn. 149; Schatze, S. 138. Der Ausschluß öffentlichrechtlicher Streitgegenstände gilt auch dann, wenn die Sache den Zivilgerichten zur Entscheidung im Erkenntnisverfahren zugewiesen ist, vgl. Geimer, in: Zöller, § 328 Rn. 77. 9 Vgl. Geimer, Rn. 2867; s. dazu auch oben § 3 ll. 4. f). 10 Vgl. Kopp, § 168 Rn. Rn. 3; wohl auch EyennannIFröhler, § 168 Rn. 4. 11 Dies gilt auch, wenn man die Regel\Ulg des § 168 VwGO zu Recht für abschließend hält. Vgl. EyennannIFröhler, § 168 Rn. 1; Pietzner, in: Schoch/SchmidtAßmannlPietzner, § 167 Rn. 15. AnknüpfungspWlkt einer entsprechenden Anwend\Ulg wäre nämlich die Vorschrift des § 168 VwGO selbst. Die dortige enumerative \Uld abschließende AuflistWIg der Vollstreckungstite1 würde durch die Anwend\Ulg der §§ 722 f. nicht berührt.

352

§ 8 AnerkennWlg Wld VollstreckWlg

und damit auch den eigenstaatlichen (Wirtschafts-)Interessen dient, besteht eine solche auch eigennützig motivierte Interessenlage im öffentlichen Recht nicht. Das öffentliche Recht dient im wesentlichen der Umsetzung der Ordnungsvorstellungen eines bestinunten Staates. Ein anderer Staat ist an der Verwirklichung dieser Vorstellungen und damit auch an der Durchsetzung dieses Rechts regelmäßig nicht interessiert. 12 Insoweit besteht auch im Verwaltungsprozeß nicht die gleiche Interessenlage wie im Zivilprozeß, womit zugleich auch einer analogen Anwendung der zivilprozessualen Regelungen über die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen im Verwaltungsprozeß die Grundlage entzogen ist. Eine Ausnahme könnte allenfalls in jenen Fällen angenonunen werden, in denen zwar eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, diese aber darüber hinaus koordinationsrechtlich geprägt ist. Handelte es sich bei dem zu vollziehenden Urteil bspw. um eine ausländische verwaltungsgerichtliche Entscheidung in einem Streitverfahren im Zusanunenhang mit einer grenzüberschreitenden interkonununalen Zusanunenarbeit, so wäre das zugrundeliegende Rechtsverhältnis von einer dem Privatrecht entsprechenden koordinationsrechtlichen Natur. 13 Das fragliche Urteil beträfe dann zwar noch inuner eine öffentlich-rechtliche, aber keine subordinationsrechtlich geprägte und damit keine typisch hoheitliche Streitigkeit. In einem solchen Fall sprächen keine grundlegenden Bedenken gegen die entsprechende Anwendung der Regeln der ZPO. Zu berücksichtigen wäre insoweit aber, daß die Vollstreckbarkeit ebenso wie die Anerkennung ausländischer Entscheidungen unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit steht. Eine solche wird aber in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in aller Regel nicht gegeben sein.

4. Rechts- und Amtshilfe durch deutsche Gerichte Soweit eine Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weder aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen, noch nach den Vollstreckungsvorschriften des deutschen Prozeßrechts in Betracht konunt, stellt sich die Frage, ob eine Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Wege der Rechts- oder Amtshilfe durch deutsche Gerichte möglich ist. 14 Als Rechtsgrundlage der Rechts- oder Amtshilfe durch deutsche Gerichte konunen alleine völkerrechtliche Vereinbarungen und Regelungen des euro12 Vgl. dazu auch oben § 7 VI. 4.; allg. zum mteresse bei der AnerkennWlg ausländischer Hoheitsakte Meng, S. 90 f1 13 Vgl. dazu oben § 7 VI. 6. c). 14 Zu den Begriffen Rechts- Wld Amtshilfe in der VwGO vgl. Kopp, § 14 Rn. l.

III. Ausländische VerwaltlUlgsentscheidlUlgen

353

päischen Gemeinschaftsrechts in Betracht. 15 § 14 VwGO findet als einfachgesetzliche Ausprägung des Art. 35 GG nur auf die inländische Rechtshilfe Anwendung. 16 Ausdrücklich geregelt wird die Rechtshilfe in dem Europäischen Übereinkommen über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland. 17 Entsprechende Anwendung fiir die zwischenstaatliche Rechtshilfe auf dem Gebiet der Verwaltungsgerichtsbarkeit finden nach herrschender Meinung die Haager Zivilprozeßübereinkommen. 18 Grundlagen fiir die Vollstreckung ausländischer Urteile enthalten diese Abkommen aber nicht. Gleiches gilt fiir die Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Festzustellen ist damit, daß fiir fremde Staaten und sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts de lege lata keine Möglichkeit besteht, gerichtliche Entscheidungen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in der Bundesrepublik vollstrecken zu lassen.

III. Anerkennung und Vollziehung ausländischer VerwaItungsakte bzw. entsprechender Entscheidungen durch deutsche VerwaItungsbehörden Die Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte durch deutsche Verwaltungsträger würde fiir einen ausländischen Hoheitsträger den einfachsten und zugleich aussichtsreichsten Weg zur Durchsetzung hoheitlicher Ansprüche im Inland darstellen. Mittel zur Durchsetzung fremder Hoheitsakte im Inland könnte dabei die internationale Rechtshilfe sein. Fraglich ist insoweit aber, ob fiir eine entsprechende Rechtshilfe durch deutsche Verwaltungsträger eine gesetzliche Grundlage besteht und inwieweit eine solche gegebenenfalls rechtlich unbedenklich ist. Da diese Problemstellung nicht mehr zum eigentlichen Inhalt der vorliegenden Arbeit gehört, sollen die nachfolgenden Ausführungen nur die wesentlichen Grundlagen und Schwierigkeiten skizzieren.

15 Vgl. Kopp, § 14 Rn. 5; zur Rechts- oder Amtshilfe aufgrlllld völkerrechtlicher Höflichkeit s. Stelkens, in: Schoch/Schmidt-AßmannlPietzner, § 14 Rn. 12. 16 Vgl. Stelkens. in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 14 Rn. 12. 17 BGBI. 1981 11 S. 550; vgl. dazu Schatze, S. 235 fI. 18 Vgl. als wichtigstes Übereinkommen das Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1. 3. 1954 (BGBI. 195811 S. 576); s. dazu auch EyermannIFrlJhler, § 14 Rn. 5; Kopp, § 14 Rn. 6; Stelkens, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 14 Rn. 12; allg. zur internationalen Rechtshilfe auf staatsvertraglicher GrlUldlage Schatze, S. 227.

23 Feldmüller

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§ 8 Anerkennung und Vollstreckung

1. Staatsverträge Staatsverträge, die eine Anerkennung und Vollziehung ausländischer Verwaltungsakte regeln, sind selten. Für die Bundesrepublik besteht die Verpflichtung zur Anerkennung und zum Vollzug fremdstaatlicher Bescheide, soweit ersichtlich, zunächst nur auf dem Gebiet des Steuer- und Zollrechts. Entsprechende bilaterale Abkommen, in denen sich die Vertragsstaaten verpflichten, ausländische Verwaltungsakte anzuerkennen und zu vollziehen, bestehen bspw. mit Österreich), Belgien2 , Dänemark3, Frankreich4 sowie jüngst mit Schweden5 . Multilaterale Verträge über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte bestehen, soweit ersichtlich, nicht. 6

2. Europäiscbes Gemeinscbaftsrecht Eine andere Grundlage für die Anerkennung ausländischer Verwaltungsakte folgt aus den Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Wie oben bereits erläutert, 7 enthält das EG-Recht in neuerer Zeit zahlreiche Regelungen, wonach Hoheitsakte eines Mitgliedstaates zugleich auch in allen anderen Mitgliedstaaten als verbindlich anzusehen sind. In diesen Fällen bedarf es keiner ausdrücklichen Anerkennung durch das Inland mehr, die Anerkennung ergibt sich vielmehr aus den Regelungen des Gemeinschaftsrechts selbst. Die Verwaltung der Mitgliedstaaten hat die Entscheidung der fremden Behörde so anzuerkennen, als hätte sie den Verwaltungsakt selbst erlassen. 8 Die Vollziehung dieser fremdstaatlichen transnationalen Verwaltungsakte erfolgt im Wege der Amtshilfe. 9 Rechtsgrundlage einer solchen sog. "hori-

) BGBI. 1971 II S. 1001 (Rechtshilfeabkommen in Zoll-, Verbrauchssteuer- und Monopolangelegenheiten). 2 BGBI. 1969 II S. 17 (Doppe1besteuerungsabkommen). 3 BGBI. 1963 II S. 1311 (Doppelbesteuerungsabkommen). 4 BGBI. 1961 II S. 398 mit Zusatzabkommen BGBl. 1990 II S. 770 (Doppelbesteuerungsabkommen). 5 BGBI. 1994 II S. 686 (Doppelbesteuerungsabkommen). 6 Zu weiteren bilateralen Abkommen mit Vollstreckungsabrede auf dem Gebiet des Steuer- und Zollrechts Szymczek, in: Koch/Scholtz, § 250 Rn. 5. 7 Vgl. oben § 2 II. 6. 8 Neßler, NVwZ 1995,863 (864); s. auchSchmidt-Aßmann, DVBI. 1993,924 (935); mit Beispielen aus dem Zoll- und Agrarrecht auch Sack, in: Dauses, ClIRn. 87. 9 Vgl. Groß, JZ 1994,596 (604); Meier, EuR 1989,237 (238 fI).

m. Ausländische Verwaltungsentscheidungen

355

zontalen" Amtshilfe lO ist wiederum das Gemeinschaftsrecht. Dabei ist allerdings festzustellen, daß das Gemeinschaftsrecht keine allgemeine Grundlage fiir den Vollzug transnationaler Verwaltungsakte enthält. I I Die Verpflichtung zur Amtshilfe muß sich vielmehr aus einer speziellen Norm des Gemeinschaftsrechts ergeben. 12

3. Amtshilfe nach deutschem Recht Das deutsche Recht regelt die Amtshilfe durch inländische (Verwaltungs-) Behörden in § 4 VwVfG. 13 Danach leistet jede Behörde anderen Behörden auf Ersuchen ergänzende Hilfe. 14 § 4 VwVfG gilt nach allgemeiner Auffassung nicht fiir die Amtshilfe gegenüber ausländischen Behörden. 15 Ihre Durchfiihrung richtet sich nach den jeweils getroffenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen. 16 Die Regelungen der §§ 4 ff. VwVfG können insoweit allerdings ergänzend herangezogen werden. 17

10 Zu diesem Ausdruck und allg. zur Amtshilfe in der EG Meier, EuR 1989, 237 (237 f1). 11 Vgl. Stettner, in: Dauses, B m Rn. 77. 12 Vgl. Groß, JZ 1994, 596 (604); keine entsprechende Verpflichtung enthält bspw. das EG-Amtshilfe-Gesetz, BGBl. 1985 I S. 2441. 13 Für Bundesbehörden gilt insoweit das Vwvro des Bundes, filr die Länderverwaltungen das jeweilige LandesVwVro. Zu den Begriffen Rechts- und Amtshilfe im Verwaltungsverfahren s. Clausen, in: Knack, § 4 Rn. 2.2; zum Streit hinsichtlich der verwendeten Terminologie in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Vwvro vgl. nur Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 2 Rn. 57 und Kopp, Vwvro, § 2 Rn. 24. 14 Zum Begriff der "ergänzenden Hilfe" und zur Vollstreckungs- (bzw. Vollzugs-) Hilfe Bonk, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 4 Rn. 20; Clausen, in: Knack, Rn. 2.1 f. IS Vgl. Bonk, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 4 Rn. 16; Kopp, Vwvro, § 4 Rn. 14; Obennayer, § 4 Rn. 6. Bereits nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Vwvro ist die Rechtshilfe filr das Ausland in Straf- und Zivilsachen ausgenommen. Vgl. dazu Kopp, Vwvro, § 2 Rn. 24 ff.; Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 2 Rn. 56 ff. 16 Vgl. Bonk, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 4 Rn. 16; Obennayer, § 4 Rn. 6. 17 Bonk, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 4 Rn. 16; Clausen, in: Knack, vor § 4 Rn. 2.1. Für Steuersachen nach der AO gelten die Regelungen des Vwvro nicht (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. I Vwvro). Die Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen ist in § 117 AO, die Amtshilfe bei der Vollstreckung in § 250 AO geregelt. Eine Vollstreckungshilfe filr ausländische Behörden kommt auch in Steuersachen nur aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen, ggf. auch aufgrund des EG-Beitreibungsgesetzes, in Betracht. Vgl. dazu Beennann, in: HübschmannlHepp/Spitaler, § 250 Rn. 66; Klein/Orlopp, § 250 Rn. I; darüberhinausgehend zur Rechtshilfe aufgrund Kulanz nach § 117 Abs. 3 AO Szymczek, in: Koch/Scholtz, § 250 Rn. 5; dazu i. E. ablehnend Tipke/Kruse, § 250 Rn. 16.

356

§ 8 Anerkennung und Vollstreckung

4. Rechtsschutzprobleme Soweit völkerrechtliche Abkommen und Vorschriften des EG-Rechts die Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte durch deutsche Verwaltungsorgane vorsehen, stellt sich die Frage nach dem Rechtsschutz derjenigen Dritten, die von dem Vollzug betroffen sind. Leistet bspw. die deutsche Polizei im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Aufsicht ausländischer Banken Amtshilfe für eine ausländische Behörde, indem sie eine inländische Filiale durchsucht, so ist zu klären, vor welchen Gerichten die betroffene Bank gegen diese Maßnahme Rechtsschutz erlangen kann, wenn sie der Auffassung ist, daß der zugrundeliegende Verwaltungsakt oder die deutsche Vollzugsmaßnahme rechtswidrig ist. 18 Gleiche Beispiele sind ebenso auch im Hinblick auf die Beitreibung ausländischer Steuerforderungen oder den Vollzug sonstiger fremdstaatlicher Verwaltungsakte denkbar. Unstreitig ist zunächst, daß das betroffene Rechtssubjekt gegen den ausländischen Verwaltungsakt nach Maßgabe des fremdslaatlichen Rechts vor den zuständigen ausländischen Gerichten und gegen die Mißachtung nationaler Vollstreckungsvorschriften vor den zuständigen inländischen Gerichten Rechtsschutz erlangen kann. 19 Ebenso unproblematisch ist auch die Beurteilung von Klagen gegen einen ausländischen Hoheitsträger vor deutschen Gerichten. Soweit kein ausdrücklicher Verzicht vorliegt, sind entsprechende Klagen vor deutschen Gerichten wegen des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität unzulässig. 20 Schwierigkeiten bereitet dagegen die Frage, inwieweit deutsche Gerichte die Rechtmäßigkeit ausländischer Verwaltungsakte zu überprüfen haben, wenn der betroffene Kläger rügt, daß der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. 21 Dieses Problem des Rechtsschutzes der Betroffenen hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem deutsch-österreichischen Rechtshilfevertrai 2 für Verfahren der völkervertraglich vereinbarten internationalen Rechtshilfe grundsätzlich geklärt. 23 Das Gericht hat dabei zunächst zutreffend festgestellt, daß Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Hoheitsakte in der Bundesrepublik den Vgl. zu diesem Beispiel Groß, JZ 1994, 596 (604). Vgl. dazu BVerfGE 63, 343 (375 ff.); zwn transnationalen Verwaltungshandeln Burgi, VwPruE, S. 56; Groß, JZ 1994,596 (601 ff.). 20 Siehe dazu zur Staatenimmunität oben § 2 TI., insb. zwn transnationalen Verwaltungshandeln § 2 TI. 6. 21 Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Überprüfung fremdstaatlicher Hoheitsakte s. bereits oben § 2 TI. 1 a) aa); vgl. hier nur DahmIDelbrlickIWolfrum, S. 484 ff. 22 BGBL 1971 TI S. 1001; s. dazu oben § 8 m. 1. 23 BVerfGE 63, 343. 18

19

ill. Ausländische Vetwaltungsentscheidungen

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Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG betreffen können. Die Anerkennungsentscheidung bzw. der Vollstreckungseingriff durch eine deutsche Verwaltungsbehörde stellen insoweit einen Eingriff der deutschen öffentlichen Gewalt dar, fiir den der Rechtsweg offen steht. 24 Grundlage fiir einen solchen Eingriff ist das Zustimmungsgesetz zu dem zugrundeliegenden (Rechtshilfe-)Vertrag.Die positiven tatbestandlichen Voraussetzungen fiir die Anerkennung und Vollstreckung ergeben sich aus diesem Gesetz. Im Falle des deutschösterreichischen Rechtshilfevertrages ist Voraussetzung das Vorliegen eines formell ordnungsgemäßen österreichischen Exekutionstitels (Art. 11 des Rechtshilfevertrages). Dieser darf allerdings nicht die deutsche öffentliche Ordnung oder andere wesentliche deutsche Interessen beeinträchtigen (Art. 4 des Rechtshilfevertrages). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind in vollem Umfang Gegenstand der richterlichen Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, daß insoweit den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG Genüge getan sei, da die deutschen Gerichte das Vorliegen der nach deutschem Recht erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen fiir die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte beurteilen dürften und zu beurteilen hätten. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen des ausländischen Hoheitsaktes hätten die deutschen Gerichte nicht zu überprüfen, da diese nicht von Gesetz wegen tatbestandliche Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung nach den deutschen Vorschriften seien. 2s Im Anschluß daran stellt das Bundesverfassungsgericht allerdings fest, daß es dem Gesetzgeber im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG nicht in beliebigem Umfang gestattet sei, durch eine entsprechende Fassung des Tatbestandes der gesetzlichen EingrifIsgrundlage die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von in der Bundesrepublik zu vollstreckenden ausländischen Titeln auf wenige, unter Umständen nur formelle Punkte zu beschränken und damit den wirklichen Gehalt der Entscheidung, soweit diese Rechte i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG verletzen kann, richterlicher Überprüfung vorzuenthalten. Während dem Art. 19 Abs. 4 GG in bezug auf die rein formale Überprüfung inländischer Titel durch deutsche Gerichte insoweit Rechnung getragen werde, als gerichtlicher Rechtsschutz im Rahmen der Entstehung des Vollstreckungstitels möglich war, berge das Fehlen der Überprüfbarkeit bezüglich der materiellen Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden ausländischen Titels ein gewisses Rechtsschutzdefizit im Vergleich zu den Rechtsschutzmöglichkeiten in sich, die in bezug auf die sachliche Richtigkeit inländischer Vollstreckungstitel gegeben sei.

24 Vgl. BVerfGE 343 (375); s. auch Schmidt-Aßmann, in: MaunzlDürig, Art. 19 Abs. Rn. 49. 2S BVerfGE 63, 343 (376).

358

§ 8 AnerkennWlg Wld Vollstreckwtg

Als Folge dieses Defizits, aber unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Interesses der Bundesrepublik an der internationalen Zusammenarbeit, folgert das Bundesverfassungsgericht, daß durch Rechtshilfeverträge oder sonstige Rechtsakte die Vollstreckbarkeit ausländischer Titel grundsätzlich jedenfalls dann eröffnet werden darf, "wenn in bezug auf die im Hoheitsbereich der BWldesrepublik Deutschland zu vollstreckenden Titel ein Maß an Rechtsschutz im Ausland tatsächlich eröffnet war, das gewissen MindestanfordefWlgen an Rechtsstaatlichkeit genügt. Zu diesem Mindestmaß gehört die Möglichkeit des Rechtswegs vor Wlabhängige Wld Wlparteiische Gerichte, ein Mindestmaß an gehörigem Verfahren, insbesondere die Gewährleistwtg des rechtlichen Gehörs Wld rechtskwtdigen Beistandes sowie eine hinreichende, dem Rechtsschutzbegehren angemessene Prüfungs- Wld EntscheidWlgsmacht der Gerichte über das Rechtsschutzbegehren. Wo dies generell nicht gewährleistet erscheint, wird es regelmäßig eines Vorbehaltes der deutschen öffentlichen OrdnWlg bedürfen, um den Anforderwtgen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu genügen. ,,26 Eine diesen Voraussetzungen entsprechende Gleichwertigkeit des gerichtlichen Verfahrens sah das Gericht im Hinblick auf den Rechtsschutz in Österreich als gegeben an. Für den Rechtsschutz Betroffener bedeutet die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts konkret, daß diese vor deutschen Gerichten alleine die Rechtmäßigkeit des Vollstreckungsaktes (insbesondere seiner tatbestandlichen Voraussetzungen) rügen können. Eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden fremdstaatlichen Verwaltungsaktes kommt nicht in Betracht. Ein Vollstreckungseingriff durch einen deutschen Hoheitsträger ist allerdings nur dann verfassungsgemäß, wenn in dem jeweiligen Staat selbst hinsichtlich des zu vollstreckenden Hoheitsaktes ein dem deutschen Recht entsprechender Rechtsschutz gewährt wird. Ist dies nicht gewährleistet, ist die innerstaatliche Grundlage für den Vollzug des ausländischen öffentlichen Rechts verfassungswidrig und die Vollstreckungsmaßnahme rechtswidrig. 27 In der neueren Lehre wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur internationalen Rechtshilfe entsprechend auch auf den Rechtsschutz BVerfGE 63, 343 (378). In der Literatur wurde vor der EntscheidWlg des BWldesverfasSWlgsgerichts versucht, die VerfassWlgsmäßigkeit inländischer Vertragsgesetze zu internationalen Rechtshilfeabkommen Wlter Hinweis auf das grwtdgesetzliche Demokratieprinzip Wld den Vorbehaltsgrwtdsatz nachzuweisen. (Vgl Papier/Olschewski, DVBI. 1976, 475 (477).) Diesem Ansatz ist das BWldesverfassWlgsgericht aber zu Recht entgegengetreten (BVerfGE 63, 343 [369 ff.]). Soweit der inländische Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen nonniert, Wlter denen er ausländisches Recht anerkennt oder vollstreckt, liegt kein Verstoß gegen die in Art. 20 GG niedergelegten Grwtdsätze vor. Vgl. dazu auch WaitzvonEschen. BayVBI. 1991,321 (325 f.)sowieoben § 7 VI. 5. b). 26 27

ill. Ausländische Verwaltungsentscheidungen

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gegen die innerstaatliche Durchsetzung ausländischer transnationaler Verwaltungsakte bezogen. 28 Ebenso wie dort sei es auch bei der Durchsetzung ausländischer transnationaler Verwaltungsakte ausreichend, wenn im Ausland effektiver Rechtsschutz zu erlangen sei. Vor deutschen Gerichten könne nur die Rechtmäßigkeit des deutschen Vollzugsaktes überprüft werden. Die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit des fremdstaatlichen transnationalen Verwaltungsaktes sei den deutschen Gerichten entzogen. Wenngleich eine solche Sichtweise unter Berücksichtigung des insgesamt gleichwertigen Rechtsschutzes innerhalb der Staaten der Europäischen Gemeinschaft auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG als tragfähig erscheint,29 wird dagegen zu Recht angemahnt, daß die zunehmende Verflechtung nationalen und transnationalen Verwaltungshandelns die Entwicklung eines europäischen Rechtsschutzsystems erforderlich macht,30 damit insbesondere die Effektivität des Rechtsschutzes des einzelnen gewährleistet bleibt. De lege lata gilt jedoch auch beim innerstaatlichen Vollzug ausländischer transnationaler Verwaltungsakte, daß alleine die Vollzugsmaßnahme vor inländischen Gerichten angegriffen werden kann. Für die Beseitigung des Grundverwaltungsaktes hingegen ist um Rechtsschutz vor den Gerichten des Erlaßstaates nachzusuchen. 31

28 Vgl. Groß, JZ 1994, 596 (604); allg. im Hinblick auf die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 GG Rauser, S. 305 ff. 29 Zwn Verwaltungsrechtsschutz im Ausland Ule, § 72. 30 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhardt, S. 1303. 31 Vgl. ebenso Neßler, NVwZ 1995, 863 (865).

§ 9 Schlußzusammenfassung Das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit (§ 2) ist die Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden in Deutschland gestellten Rechtsschutzantrages. Dies gilt auch für den Verwaltungsprozeß. Die Ausübung staatlicher Gerichtsbarkeit ist auf das Territorium der Bundesrepublik begrenzt. Innerhalb des Staatsgebietes gilt sie umfassend. Ausnahmen bestehen nur soweit besondere Befreiungstatbestände vorliegen. Zu den wichtigsten Befreiungstatbeständen gehört der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität. Danach unterliegen fremde Staaten nur im Hinblick auf ihr privatrechtliches Handeln (acta iure gestionis) der staatlichen Gerichtsbarkeit. Im Falle hoheitlichen Handeins (acta iure imperii) sind sie dagegen von der Ausübung staatlicher Hoheitsausübung befreit. Gleiches gilt für alle staatlichen Untergliederungen und fremde Staatsunternehmen, soweit sie hoheitlich tätig werden. Über die Immunität im Erkenntnisverfahren hinaus genießen fremde Staaten Immunität auch im Vollstreckungsverfahren. Eine Vollstreckung ist danach ausgeschlossen, soweit der Vollstreckungsgegenstand einem hoheitlichen Verwendungszweck unterliegt. Die Grundsätze der Staatenimmunität gelten im Verwaltungsverfahren entsprechend. Auf den Immunitätsanspruch kann verzichtet werden. Zum Verzicht sind neben dem fremden Staat auch die durch die Immunität geschützten juristischen Personen berechtigt. Der Grundsatz der Staatenimmunität bestimmt auch den Rechtsschutz gegen transnationales Handeln auf Grundlage des europäischen Gemeinschaftsrechts. Klagen gegen fremde Hoheitsträger sind vor deutschen Gerichten nicht zulässig. Klagen fremder Staaten in der Bundesrepublik sind völkerrechtlich unbedenklich. Dies gilt unabhängig davon, ob der verfolgte Anspruch auf ausländischem oder deutschem öffentlichen Recht beruht. Ein Urteil, das trotz Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit ergeht, ist wirkungslos. Von der deutschen Gerichtsbarkeit zu unterscheiden ist die internationale Zuständigkeit (§ 3). Die internationale Zuständigkeit bestimmt, ob in einem konkreten Fall inländische Gerichte zur Sachentscheidung berufen sind oder ob sie sich aufgrund des Auslandsbezuges einer Sachentscheidung zu enthalten haben. Als rechtswegunabhängige Sachurteilsvoraussetzung gilt die internationale Zuständigkeit auch für das Verwaltungsprozeßrecht. Völkerrechtliche Übereinkommen und ausdrückliche innerstaatliche Regelungen, die die Zuständigkeit deutscher Gerichte in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten re-

§ 9 Schlußzusammenfassung

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geln, sind nicht ersichtlich. In zivilrechtlichen Streitigkeiten wird ganz herrschend angenonunen, daß sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit richtet. In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gilt dieser Grundsatz nicht. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hängt insoweit vielmehr von der innerstaatlichen Anwendbarkeit des anspruchsbegründenden Rechts ab. Nur wenn das geltend gemachte Recht in der Bundesrepublik anwendbar ist, kann von einem Interesse des Staates ausgegangen werden, seine Gerichte zur Streitentscheidung und zur Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs zur Verfiigung zu stellen. Die deutschen Gerichte sind in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten daher international zuständig, wenn deutsches öffentliches Recht anwendbar ist oder darüber hinaus fremdes Recht jedweder Provenienz (,also auch ausländisches öffentliches Recht) zur Anwendung befohlen wird. Die Qualifikation, ob ein Anspruch privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, obliegt dem deutschen Recht als lex fori. Über die dargestellten Grundsätze hinaus ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zudem ausgeschlossen, soweit der EuGH ausschließlich zuständig ist oder sich die Bundesrepublik der Gerichtsbarkeit des IGH verbindlich unterworfen hat. Der Verwaltungsrechtsweg (§ 4) ist aufgrund der Generalklausei des § 40 Abs. I VwGO eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt. Im Hinblick auf die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts gelten insoweit keine Besonderheiten. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten i. S. des § 40 Abs. 1 VwGO können sich sowohl aus dem deutschen öffentlichen Recht, als auch aus dem Völkerrecht, dem europäischen Gemeinschaftsrecht sowie dem ausländischen öffentlichen Recht ergeben. Zu berücksichtigen ist insoweit allerdings, daß die verschiedenen Rechtsquellen spezifischen Einschränkungen unterliegen. So ist der Verwaltungsrechtsweg bspw. nicht eröffnet, soweit eine Streitigkeit völkerrechtlicher Art vorliegt. Schiedsgerichtsvereinbarungen sind auch im öffentlichen Recht zulässig. Die Gewährleistung von Gegenseitigkeit ist grundsätzlich keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme inländischen Rechtsschutzes. Die Beteiligten- und Prozeßfahigkeit (§ 5) ausländischer juristischer Personen bestinunt sich nach den allgemeinen Vorschriften. Die Beteiligtenfahigkeit hängt dabei regelmäßig von der Rechtsfahigkeit ab. Die Rechtsflihigkeit ausländischer Rechtssubjekte bestinunt sich nach ihrem Heimatrecht. Ausländische Behörden sind grundsätzlich nicht beteiligtenfahig. Ausnahmen bestehen nur insoweit, als ihnen im Einzelfall materielle Rechte zustehen.

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§ 9 Schlußzusammenfassung

Keine Besonderheiten weist die Rechtsstellung fremder Staaten und sonstiger ausländischer juristischer Personen im Hinblick auf die statthaften Klagearten (§ 6) auf. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend, macht in seinen Rechten verletzt zu sein. Das Rechtsinstitut der Klagebefugnis (§ 7) findet nach zutreffender Ansicht auf alle Leistungs- und Feststellungsklagen entsprechende Anwendung. Auch das Nonnenkontrollverfahren nach § 47 VwGO verlangt die Geltendmachung einer Rechtsverletzung. Zu den Rechten i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO gehören insbesondere alle staatsgerichteten subjektiv-öffentlichen Rechte. Träger dieser Rechte können alle natürlichen und juristischen Personen sein. Dies gilt auch zugunsten fremder Staaten und sonstiger juristischer Personen des ausländischen öffentlichen Rechts. Ob und inwieweit eine Rechtsnonn subjektive Berechtigungen enthält, richtet sich bei Regelungen des deutschen öffentlichen Rechts nach der sog. Schutznonntheorie. Danach hängt die subjektive Berechtigung des betreffenden Rechtssubjekts davon ab, ob dieses sich auf einen Rechtssatz berufen kann, der zumindest auch seinem Eigeninteresse zu dienen bestimmt ist. Inwieweit die Schutznonntheorie auf Nonnen fremder Rechtsordnungen (Völker-, europäisches Gemeinschafts- und ausländisches öffentliches Recht) anwendbar ist, hängt von den verschiedenen Rechtsquellen selbst ab. Insoweit können die Kriterien, nach denen sich der subjektive Gehalt einer Rechtsnonn bestimmt, differieren. Zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung reicht es aus, wenn der Kläger die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte substantiiert darlegt. Subjektiv-öffentliche Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO können sich aus den Regelungen des Völkerrechts (§ 7 11.) ergeben. Voraussetzung dafür ist, daß die betreffende Regelung innerstaatliche Geltung besitzt, unmittelbar anwendbar ist und sich aus ihr eine subjektive Berechtigung zugunsten eines einzelnen Rechtssubjekts ableiten läßt. Dies gilt sowohl fiir die allgemeinen Regeln des Völkerrechts als auch rur das VölkelVertragsrecht. Subjektiv berechtigte Rechtssubjekte können auch fremde Staaten und sonstige ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts sein. Der Schutz der materiellen Grundrechte (§ 7 III.) steht ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts regelmäßig nicht zu. Ausländische juristische Personen sind aufgrund der Regelung des Art. 19 Abs. 3 GG von diesen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ausgenommen. Etwas anderes gilt nur, soweit das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV (gegebenenfalls auch besondere Diskriminierungsverbote) eine inländergleiche Behandlung EG-mitgliedstaatlicher juristischer Personen verlangt. In diesen Fällen können sich auch ausländische juristische Personen auf die materiellen Grundrechte berufen, soweit diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. Die wesensgemäße Anwendung der Grundrechte zugunsten

§ 9 Schlußzusammenfassung

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juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist im innerstaatlichen Recht seit langem umstritten. Für ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt, daß auf sie die Grundrechte ihrem Wesen nach anwendbar sind, soweit sie sich in einer "grundrechtstypischen Gefährdungslage" befinden. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie der inländischen Staatsgewalt unterworfen sind, ohne sich auf völkerrechtliche Sonderrechte berufen zu können. Unabhängig von Art. 19 Abs. 3 GG sind die formellen Grundrechte der Artt. 19 Abs. 4 GG, 101 Abs. 1 GG und 103 Abs. 1 GG auch auf ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt anwendbar. Der Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG ist dagegen auf inländische Körperschaften beschränkt. Die Auswirkungen der fehlenden materiellen Grundrechtsfähigkeit auf die Rechtsstellung ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Verwaltungsprozeß ist insgesamt gering. Auch ausländische juristische Personen genießen den Schutz der rechtsstaatlichen Garantien und können sich inländergleich auch auf die verfassungsrechtlich begründeten Rechtsinstitute, wie bspw. den FBA, berufen. Greift die Rechtsprechung darüber hinaus unmittelbar auf die Grundrechte zurück, entsteht eine Regelungslücke zu Lasten ausländischer juristischer Personen auf der Ebene des einfachen Rechts. Da der einfache Gesetzgeber keine Ungleichbehandlung auf dieser Ebene gewollt hat, muß eine bestehende Regelungslücke im Einzelfall im Wege der richterrechtlichen Rechtsfortbildung unter Beachtung der inhaltlichen Gewährleistungen der Grundrechte geschlossen werden. Eine analoge Anwendung der Grundrechte kommt allerdings nicht in Betracht. Der räumliche Anwendungsbereich einfachgesetzlicher Schutznormen des deutschen öffentlichen Rechts (§ 7 IV.) ist nicht grundsätzlich auf das Territorium der Bundesrepublik begrenzt. Eine Gewährung extraterritorialer subjektiv-öffentlicher Rechte ist daher möglich. Einer solchen Sichtweise steht weder das Völker- noch das deutsche Verfassungsrecht entgegen. Auch dem Verwaltungsrecht ist keine strikte Territorialität der innerstaatlichen Rechtsanwendung immanent. Der räumliche Anwendungsbereich einer einfachgesetzlichen Schutznorm ist vielmehr im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insoweit in besonderem Maße die tatsächlichen und rechtsgebietsbezogenen Umstände sowie der verfassungsrechtliche Grundsatz der "offenen" Staatlichkeit, der zugunsten einer internationalen Zusammenarbeit und Kooperation streitet. Der personale Schutzbereich verwaltungsrechtlicher Normen umfaßt ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts in gleichem Umfang wie inländische Rechtspersonen. Auch sie können sich auf den Schutz des einfachen Rechts berufen, soweit sie Träger des normintendierten Interesses sind.

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§ 9 Schlußzusanunenfassung

Aus den unmittelbar anwendbaren Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts (§ 7 V.) können sich unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und nach Maßgabe des deutschen öffentlichen Rechts subjektiv-öffentliche Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO ergeben, wenn sie das vom Kläger geltend gemachte Interesse normativ erfassen und der Kläger, zumindest aufgrund tatsächlicher Betroffenheit, Träger des normimmanenten Interesses ist. Besonders umstritten ist die Frage, inwieweit sich subjektiv-öffentliche Rechte aus Normen des ausländischen öffentlichen Rechts (§ 7 VI.) ergeben können. Festzustellen ist zunächst, daß die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts, wie die jeden sonstigen Rechts, eines innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls bedarf. Ein solcher Rechtsanwendungsbefehl kann entgegen der überkommenen Meinung sowohl kollisionsrechtlicher Art sein, als auch in einer Sachnorm des deutschen Rechts bestehen, die in ihrem Tatbestand auf das ausländische öffentliche Recht verweist. Völkerrechtliche Bedenken gegen die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts bestehen nicht. Ebenso findet sich im deutschen Recht kein Grundsatz, wonach ausländisches öffentliches Recht im Inland nicht angewendet werden dürfte. Grundsätzlich gilt allerdings, daß als Regelfall von der Anwendung inländischen öffentlichen Rechts auszugehen ist. Die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Eine solche Anwendung ist bspw. dann möglich, wenn zwei verschiedenstaatliche Körperschaften des öffentlichen Rechts eine grenzüberschreitende Vereinbarung unter die Herrschaft ausländischen öffentlichen Rechts stellen. Derartige Fallkonstellationen können insbesondere im Bereich der grenzüberschreitenden interkommunalen Zusammenarbeit eine Rolle spielen. Voraussetzung fiir Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts ist allerdings die Kompetenz der inländischen Hoheitsträger zur Rechtswahl und ein dem Privatrecht entsprechendes koordinationsrechtliches Rechtsverhältnis, das eine analoge Anwendung der Regeln des IPR zuläßt. Eine Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Verwaltungsakte und gerichtlicher Entscheidungen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten (§ 8) ist in der Bundesrepublik nur sehr begrenzt möglich. Ausländische Verwaltungsakte können nur im Wege der Amtshilfe vollzogen werden, soweit entsprechende völkerrechtliche Übereinkommen bestehen oder das europäische Gemeinschaftsrecht die Durchsetzung transnationaler Verwaltungsakte vorsieht. Für eine Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen fehlt bislang eine entsprechende Rechtsgrundlage. Ausgeschlossen ist insoweit auch eine Rechts- oder Amtshilfe durch deutsche Gerichte.

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Stichwortverzeichnis Amtshilfe 353 f., 355

Deutsche Gerichtsbarkeit

Anwendungsbereich

- Allgemeines 33 ff.

- Allgemeines 31 f.

- Ansprüche aus ausländischem öffentlichen Recht 61 fT.

- deutsches Recht 226 f., 240 fT., 251 fT., 259 ff. - EurOpäisches Gemeinschaftsrecht 292 f. - Völkerrecht 145 fT. Atomrechtliche Genehmigungen 285 f. Ausländische Behörden 122 ff., 289 ff. Ausländische gerichtliche Entscheidungen 348 ff.

- Ansprüche aus deutschem öffentlichen Recht 66 ff. - Prozeßrecht 69 ff. - und Internationale Zuständigkeit 33, 75 - und Staatenimmunität 36 ff. Einseitigkeit des deutschen öffentlichen Rechts 307 ff.

Ausländische Verwaltungsakte 348 f., 353 fT.

Europäisches Gemeinschaftsrecht

Ausländisches öffentliches Recht

- ,,Betroffenheit" 300 f.

- Anwendbarkeit 91 ff., 303 f.

- Diskriminierungsverbot 179 ff., 201 fT., 299

- Internationale Zuständigkeit 82 ff., 335 f.

- Klagebefugnis 297 ff., 301 fT.

- Klagebefugnis 333 ff.

- Normvollziehungsanspruch 299 f.

- QualifIkation 97 ff.

- und Grundrechtsschutz 178 ff., 201 ff.

- Rechtsanwendungsbefehle 318 ff. - und Internationales Verwaltungsrecht 307 ff. - Verwaltungsrechtsweg 112 ff.

- und Internationales Zuständigkeit 102 ff., 105 - Verwaltungsrechtsweg 110 f. Extraterritoriale subjektiv-öffentliche Rechte 228 f.

Beteiligtenfähigkeit - Allgemeines 117 ff.

Fremdstaatliche Interessen 281 ff.

- ausländische Behörden 122 ff. - ausländische juristische Personen 117 ff.

Gebietshoheit 33 Gegenseitigkeit 116,272 ff.

Stichwortverzeichnis

383

Geltwlgsbereich

- Wld Rechtsschutzgarantie 205 ff.

- Allgemeines 31 ff.

- Wld verwaltwlgsgerichtlicher Rechtsschutz 215 ff, 220 ff.

- Europäisches Gemeinschaftsrecht 292 - Völkerrecht 145 Gemeinwohlinteressen 285 ff. Grenzüberschreitende interkommWlale Zusammenarbeit - anwendbares Recht 342 ff.

- Wld Völkerrecht 176 ff - VerfassWlgsrechtliche Verfahrensrechte 163 ff., 204 ff - Wesen der GrWldrechte 195 ff. GrWldsatz der AnwendWlg eigenen öffentlichen Rechts 314 ff.

- GrWldlagen 336 ff. - Klagebefugnis 342 ff. - Rechtsfonn 340 f. - Rechtsschutz 340 ff. - Rechtswahl 342 ff - Selbstverwaltwlgskompetenz der Gemeinden 338 f GrWldgesetz Wld AnwendWlgsbereich deutschen Rechts 250 GrWldrechte/GrWldrechtsschutz

Inländerinteresse 269 ff. hmerstaatliche KompetenzverteilWlg 276 f Internationale Zuständigkeit - Begriff74 - Fehlen eines Justizanspruchs 88 ff. - Fehlen kollisionsrechtlicher RegelWlgen 90 f - prozessuale Waffengleichheit 86 ff.

- Art. 19 Abs. 3 GG 160 ff.

- QualifIkation der geltend gemachten Ansprüche 97 ff.

- ausländische juristische Personen 159 ff.

- RechtsdurchsetzWlgsinteresse 84 ff

- ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts 189 ff. - grWldrechtstypische GefilhrdWlgslage 192 f, 196 ff. - inländergleiche Gewaltwlterworfenheit 168 ff. - juristische Personen aus EGMitgliedstaaten 183 ff

- Wld ausländisches öffentliches Recht 82 ff., 335 f. - Wld deutsche Gerichtsbarkeit 33 75 ' - Wld deutsches öffentliches Recht 99 f - Wld EuGH 102 ff. - Wld IGH 105 ff.

- juristische Personen des öffentlichen Rechts 189 ff.

- Wld Maßgeblichkeit des anwendbaren Rechts 91 ff.

- Klagebefugnis 157

- Wld örtli~he Zuständigkeit in privatrechthchen Streitigkeiten 81 f

- ,,mittelbarer" GrWldrechtsschutz 216 ff. - personaler Schutzbereich 158 ff. - Wld Europäisches Gemeinschaftsrecht 178 ff.

- Wld Prozeßrecht 107 ff. - Wld RechtsanwendWlgsbefehl 91 ff., 335 f. - Wld Rechtsweg 75

384

Stichwortverzeichnis

- und VetWaltungsprozeß 75 f., 78 f1

Offene Staatlichkeit 260 ff., 264 ff.

- Völkerrechtliche Grenzen 77 f.

Ordre-public-Vorbehalt 331 ff.

- Völkerrechtliche Übereinkommen 79 f1 Internationales Verwaltungsrecht 307 f1 IPR 326 ff., 343 ff. Jurisdiction to enforce 30 Jurisdiction to prescribe 29 Klagearten 126 Klagebefugnis - Allgemeines 127 ff. - Lehre vom Rechtsverhältnis 135 f. - Möglichkeitstheorie 141 ff. - Rechte i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO 129 ff. - Schlüssigkeitstheorie 141 ff. - Schutznormtheorie 132 ff.

Personaler Anwendungsbereich deutschen Rechts 276 f. Präklusion 277 f. Principle of non-discrimination 245 ff. Prozeßfähigkeit 124 ff. Räumlicher Anwendungsbereich deutschen Rechts 226 ff. Räumlicher Schutzbereich deutschen Rechts 226 ff. Recht auf Nichteinmischung 66 ff. Rechtsdurchsetzungskompetenz 30 Rechtsgedanke der comitas 344 f. Rechtshilfe 352 f. Rechtswahl - und koordinationsrechtliche Rechtsverhältnisse 325 ff.

- subjektiv-öffentliches Recht 129 ff.

- und subordinationsrechtliche Rechtsverhältnisse 324 f.

- Trägerschaft subjektiver Rechte 138 ff.

Rechtsweggarantie

- und ausländisches öffentliches Recht 303 ff., 333 ff. - und Drittschutz 138 - und einfachgesetzliche Schutznormen deutschen Rechts 226 ff. - und Europäisches Gemeinschaftsrecht 292 ff. - und Grundrechte 157 ff.

- und ausländische juristische Personen des Privatrechts 208 ff. - und ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts 210 ff. - Rechte i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG 212 ff. - verfassungsrechtliche Garantie 205 ff. Regelungskompetenz 29 f.

- und Völkerrecht 144 ff. Kollisionsrecht 309 ff.

Schiedsgerichtsbarkeit 114 ff. Schutznormtheorie

Lotus-Fall 29, 242 OECD247f.

- Allgemeines 132 ff. - und Europäisches Gemeinschaftsrecht 296

StichwoItverzeichnis - Wld verwaltWlgsgerichtlicher Drittschutz 138 SeibstverwaltWlgsrecht der Gemeinden 214 f., 338 f. Staateninununität - Drittbezug 56 - EÜStI 43 f., 55

385

UnterrichtWlgspflichten 291 VerfassWlgsrechtliche Verfahrensrechte 163 ff., 204 ff. VerwaltWlgsrechtsweg - ausländisches öffentliches Recht 112ff.

- GrWldlagen 36 ff.

- deutsches öffentliches Recht 109 ff.

- im Erkenntnisverfahren 36 ff.

- Europäisches Gemeinschaftsrecht 1l0f.

- im VerwaltWlgsverfahren 56 f. - im VollstreckWlgsverfahren 52 ff. - Immunität diplomatischer Missionen 49 ff. - Immunität fremder Staaten 36 ff. - Immunität fremder StaatsWlternehmen 47 ff. - Immunität konsularischer Missionen 52

- Völkerrecht III f. Völkerrecht - Allgemeine Regeln des Völkerrechts 146 ff. - AnwendWlg ausländischen öffentlichen Rechts 305 ff. - Deutsche Gerichtsbarkeit 34 ff. - GeltWlg Wld Anwendbarkeit 145 f.

- Immunität staatlicher UntergliedefWlgen 44 ff.

- Internationale Zuständigkeit 61 ff.

- Immunitätsverzicht 57 ff.

- Rang im deutschen Recht 154 ff.

- QualifIkation staatlichen Handelns 44 ff. Staatliche Jurisdiktion 29 Territorialitätsprinzip 241 ff., 252 ff. Transnationales VerwaltWlgshandeln 59 f., 358 f.

- Klagebefugnis 144 ff. - Staatenimmunität 36 ff. - VerwaltWlgsrechtsweg III f. - Völkerrechtliche Verträge 152 ff. VölkerrechtsfreWldliche Auslegoog deutschen Rechts 262 ff.