Die Religionsfreiheit im Blickwinkel des Völkerrechts, des islamischen und ägyptischen Rechts [1 ed.] 9783428524150, 9783428124152

In vielen islamischen Staaten nimmt das islamische Recht eine besondere Rolle im Staatsrecht ein und fungiert fast immer

158 37 1019KB

German Pages 221 Year 2007

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Religionsfreiheit im Blickwinkel des Völkerrechts, des islamischen und ägyptischen Rechts [1 ed.]
 9783428524150, 9783428124152

Citation preview

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel

Band 167

Die Religionsfreiheit im Blickwinkel des Völkerrechts, des islamischen und ägyptischen Rechts Von Holger Scheel

Duncker & Humblot · Berlin

HOLGER SCHEEL

Die Religionsfreiheit im Blickwinkel des Völkerrechts, des islamischen und ägyptischen Rechts

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J o s t D e l b r ü c k, T h o m a s G i e g e r i c h und A n d r e a s Z i m m e r m a n n Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht 167

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Rudolf Bernhardt Heidelberg

Eibe H. Riedel Universität Mannheim

Christine Chinkin London School of Economics

Allan Rosas Court of Justice of the European Communities, Luxemburg

James Crawford University of Cambridge

Bruno Simma International Court of Justice, The Hague

Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Die Religionsfreiheit im Blickwinkel des Völkerrechts, des islamischen und ägyptischen Rechts Von

Holger Scheel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-12415-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 5

Vorwort Die Arbeit widme ich meinen Eltern, Ingrid und Dr. Jürgen Scheel. Sie haben mir das Studium finanziert und mich in meinem Vorhaben zu promovieren stets unterstützt. Ohne ihre Unterstützung wäre mir das Schreiben der Arbeit nicht möglich gewesen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Zimmermann, L.L.M. (Harvard) für die Betreuung und die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe des Walther-Schücking-Instituts. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Dr. Hofmann (Universität Frankfurt a.M.), der den Anstoß zum Thema meiner Arbeit gab und das Zweitgutachten erstellte. Schließlich möchte ich mich noch bei Frau Prof. Dr. Pistor-Hatam, Professorin für Islamwissenschaften an der Universität Kiel, für die Teilnahme am von ihr organisierten Doktoranden-Kolloquium bedanken, welches für mich eine unverzichtbare Hilfestellung darstellte. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. Abou el-Wafa, Universität Kairo, der mich vor Ort in Kairo umfangreich unterstützt hat. Mein Dank gilt natürlich auch den vielen Mitmenschen, die meine Arbeit immer wieder gelesen und korrigiert haben. Dabei denke ich insbesondere an meine Schwester, Dipl.-Päd. Ulrike Stephanie Schulze, Frau Heike Friedrich, M.A., Frau Dr. Christiane Wandscher und Frau Dr. Souad Saghbini, M.A., die mir insbesondere beim islamischen Recht sehr geholfen hat. Schließlich möchte ich mich bei allen Freunden und Bekannten bedanken, die mich während der Arbeit unterstützt haben. Hierbei denke ich natürlich an die Institutler, die für eine unglaublich nette Arbeitsatmosphäre gesorgt haben, insbesondere das „Doppelherz“ des Instituts, Dr. Ursula Heinz und Carmen Thies. Nicht zu vergessen sind aber auch all die anderen, die mich in dieser Zeit begleitet haben, insbesondere Dr. Monika Heymann und Dr. Joachim Schwind. Mein besonderer Dank gilt ferner dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der mir mit der Gewährung eines Stipendiums einen Forschungsaufenthalt in Kairo ermöglicht hat, sowie dem Auswärtigen Amt, welches die Veröffentlichung der Arbeit mit einem Druckkostenzuschuss gefördert hat.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

6

S. 6

Vorwort

Zuletzt möchte ich mich bei der für mich wichtigsten Person, meiner Lebensgefährtin Dr. Caroline Fiesser, bedanken. Sie hat nicht nur (leider umfangreich) korrigiert, sondern mich auch sonst immer ertragen, was fast immer ganz einfach war. Flensburg, im Sommer 2007

Holger Scheel

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einführung und Problemstellung

15

2. Kapitel Die Religionsfreiheit im Völkerrecht A. Völkerrechtliche Verträge ................................................................................. I. Die Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Verträgen vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg .......................................................................... II. Die Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Dokumenten im 20. Jahrhundert ......................................................................................... III. Die Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Dokumenten nach dem Zweiten Weltkrieg .................................................................................... 1. Menschenrechte in der Charta der Vereinten Nationen ...................... 2. Der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) ............................................................................................. a) Die Religionsfreiheit nach Art. 18 IPbürgR .................................. aa) Überblick ................................................................................ bb) Recht auf Wechsel der Religion .............................................. cc) Schranken der Religionsfreiheit gemäß Art. 18 Abs. 3 IPbürgR .................................................................................. b) Der indirekte Schutz der Religionsfreiheit nach Art. 27 IPbürgR .... aa) Der Schutzbereich des Art. 27 IPbürgR .................................. bb) Verhältnis des Art. 27 IPbürgR zu Art. 18 IPbürgR ............... cc) Schutzpflichten ........................................................................ dd) Einschränkungsmöglichkeiten ................................................ c) Die Religionsfreiheit nach Art. 20 IPbürgR .................................. d) Verbot der Diskriminierung nach Art. 2 Abs. 1 IPbürgR ............. e) Ergebnis zum IPbürgR .................................................................. 3. UNESCO-Abkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen 4. Die Völkermord-Konvention .............................................................. 5. Die Kinderrechtskonvention (KRK) ................................................... 6. Konvention zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung (ICERD) ....................................................................

20 21 22 25 28 29 30 31 31 32 35 36 37 40 41 42 42 42 43 43 44 46 50

B. Regionale Menschenrechtsverträge ................................................................... 52 I. Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ........................................................................ 52

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

8

S. 8

Inhaltsverzeichnis

II. Afrikanische Charta der Menschenrechte/Banjul-Charta (AfrChMR) ... 1. Entstehungsgeschichte .......................................................................... 2. Die Religionsfreiheit in der Banjul-Charta ......................................... III. Die Arabische Charta der Menschenrechte (ArabChMR) ...................... 1. Die Arabische Liga (AL) ..................................................................... 2. Die Menschenrechtserklärung der Arabischen Liga (ALChMR) ....... C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten .................................. I. Die Religionsfreiheit in Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen .................................................................................. 1. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte .................................. a) Die Religionsfreiheit in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung ....................................................................................... b) Die Entstehungsgeschichte des Art. 18 AEMR ............................. c) Die Rolle islamischer Staaten bei der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ................................ d) Der Inhalt des Art. 18 AEMR ...................................................... aa) Überblick ................................................................................ bb) Das Recht auf Missionierung ................................................. cc) Weitere Bestandteile des Schutzbereiches ............................... dd) Einschränkungen des Schutzbereiches .................................... ee) Ergebnis .................................................................................. 2. Resolution zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung basierend auf Religion oder Glauben (AntiDiskrRes) .................................................................................... a) Bedeutung der Resolution für das Völkerrecht ............................. b) Ansichten der islamischen Staaten zu der Erklärung .................... II. Gewährleistung der Religionsfreiheit durch Bestimmungen des Minderheitenschutzes .............................................................................. III. KSZE-Folgetreffen in Wien vom 15. Januar 1989 ................................... D. Islamische Menschenrechtserklärungen ............................................................ I. Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung .................................... II. Menschenrechtserklärung der Organisation der Islamischen Konferenz ................................................................................................ 1. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) ........................... 2. Cairo Declaration on Human Rights in Islam (CairoDecl) ................

53 53 54 56 56 56 58 59 60 61 61 63 67 67 67 68 68 69

69 72 74 75 76 76 77 79 79 80

3. Kapitel Die Religionsfreiheit im islamischen Recht A. Einleitung ......................................................................................................... I. Einführung in das islamische Recht ......................................................... 1. Rechtsquellen ...................................................................................... a) Der Koran .....................................................................................

83 83 84 84 85

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Inhaltsverzeichnis

S. 9

9

b) Die sunna ........................................................................................ 87 c) IÊmÁÝ und qiyÁs .............................................................................. 88 d) Abschließende Erläuterungen zu den Rechtsquellen ..................... 89 2. Die Rechtsschulen (al-maÆÁhib) ........................................................... 90 a) Die hanafitische Rechtsschule ....................................................... 90 b) Die malikitische Rechtsschule ........................................................ 91 c) Die schafiitische Rechtsschule ....................................................... 91 d) Die hanbalitische Rechtsschule ...................................................... 92 II. Trennung von Staat und Religion nach islamischem Recht ..................... 93 B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam ........................................................... 94 I. Einführung ............................................................................................... 95 II. Religionsfreiheit im islamischen Recht ..................................................... 96 1. Die Religionsfreiheit Angehöriger anderer Religionen ........................ 97 a) Ausdrückliche Freiheiten und Einschränkungen der Religionsfreiheit ............................................................................. 98 aa) Die Leute des Buches (aÎl al-kitÁb) .......................................... 98 bb) Andere Angehörige nicht-islamischer Religionen ................... 102 b) Einschränkung von anderen Rechten als der Religionsfreiheit aufgrund des islamischen Rechts ................................................... 102 aa) Bewegungsfreiheit ................................................................... 103 bb) Das Recht der Eheschließung .................................................. 104 cc) Der Zugang zum öffentlichen Amt ......................................... 106 dd) Anzuwendendes Recht ............................................................ 106 c) Der Dschihad ................................................................................. 107 aa) Erläuterung des Terminus ....................................................... 107 bb) Die militärische Dimension des Dschihad ............................... 107 2. Religionsfreiheit muslimischer Personen ............................................. 110 a) Apostasie (irtidÁd Ýan al-islÁm; ridda) .............................................. 110 b) Warum wird die Religionsfreiheit mittels der Sanktionierung der Apostasie eingeschränkt? ............................................................... 113 c) Der Tatbestand der Apostasie nach Koran und sunna .................. 114 aa) Die Apostasie im Koran .......................................................... 114 bb) Der Tatbestand der Apostasie in Überlieferungen .................. 117 cc) Strafrechtliche Bewertung der Apostasie in den verschiedenen Rechtsschulen .................................................. 119 dd) Die Konsequenzen der rechtlichen Bewertung der Apostasie . 121 ee) Zivilrechtliche Konsequenzen ................................................. 122 ff) Kriegsrecht .............................................................................. 123 gg) Die Möglichkeit der Reue ....................................................... 124 hh) Das prozessuale Recht im Hinblick auf die Apostasie ............ 126 Exkurs: Die Religionsfreiheit nach schiitisch-islamischem Recht ............ 127

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

10

S. 10

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

A. Einleitung ......................................................................................................... I. Das politische System .............................................................................. II. Die Rolle der Menschenrechte in der öffentlichen Wahrnehmung ......... III. Die Bevölkerungsstruktur ........................................................................ B. Die bisherigen ägyptischen Verfassungen des 20. Jahrhunderts ........................ C. Die ägyptische Verfassung aus dem Jahre 1971 ................................................ D. Exkurs: Die ägyptische Gerichtsbarkeit ........................................................... E. Ägypten und das Völkerrecht ........................................................................... I. Die Verpflichtungen Ägyptens auf dem Gebiet des internationalen Menschenrechtsschutzes .......................................................................... II. Die Stellung des Völkerrechts in der ägyptischen Rechtsordnung ........... 1. Die Verfassung .................................................................................... 2. Die Rechtsprechung ............................................................................ 3. Zwischenergebnis ................................................................................ III. Die Anwendung islamischen Rechts im Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Ägyptens ........................................... F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht ....................................................... I. Überblick über die ägyptische Rechtsordnung ........................................ II. Die Debatte um die Rolle des Islams in der ägyptischen Rechtsordnung .. III. Der Islam als Staatsreligion: Islam und ägyptische Verfassung .............. 1. Die Rechtsprechung ............................................................................ 2. Zwischenergebnis ................................................................................ IV. Der Islam als Bestandteil einfachen ägyptischen Rechts .......................... 1. Personeller Anwendungsbereich des islamischen Rechts .................... 2. Der Begriff des ordre public (al-niÛÁm al-ÝÁmm) ................................... 3. Zivilrecht ............................................................................................. a) Familienrecht ................................................................................ b) Erbrecht ........................................................................................ c) Islamisches Recht im ägyptischen Zivilprozessrecht: Das Rechtsinstitut der Îisba .......................................................... aa) Der Begriff der Îisba ............................................................... bb) Die Rolle der Îisba im ägyptischen Recht .............................. 4. Öffentliches Recht ............................................................................... a) Die Verfassung .............................................................................. b) Staatsangehörigkeit ....................................................................... c) Zugang zu öffentlichen Ämtern .................................................... 5. Strafrecht ............................................................................................. V. Zwischenergebnis ..................................................................................... G. Die Religionsfreiheit in Ägypten ....................................................................... I. Problematiken der Religionsfreiheit für Muslime ....................................

128 128 128 129 130 130 132 134 137 137 140 140 140 143 143 143 143 144 145 146 148 148 149 150 152 152 154 154 155 155 157 157 157 157 158 159 159 159

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Inhaltsverzeichnis

S. 11

11

1. Apostasie ............................................................................................. 159 a) Überblick: Die Apostasie nach ägyptischem Recht ....................... 159 b) Der Fall NaÒr ÍÁmid AbÙ Zayd ...................................................... 161 2. Die staatliche Bekämpfung des Islamismus ......................................... 162 a) Maßnahmen der Legislative .......................................................... 163 b) Gerichtsverfahren gegen Islamisten ............................................... 164 aa) Überblick ................................................................................ 164 bb) Das Tragen des Gesichtsschleiers (niqÁb) durch Schülerinnen 164 II. Die Situation einzelner religiöser Minderheiten ....................................... 166 1. Die Kopten .......................................................................................... 167 a) Allgemeine Situation ...................................................................... 167 b) Baurecht für Kirchen ..................................................................... 167 c) Schutzpflichten bei christlich-muslimischen Zusammenstößen ..... 169 2. Die Baha’i ............................................................................................ 170 a) Theologischer Hintergrund ............................................................ 170 b) Aktuelle Situation .......................................................................... 171 3. Zeugen Jehovas .................................................................................... 174 H. Abschließende Bemerkungen ............................................................................. 175

5. Kapitel Schlussbetrachtung

177

A. Erklärungen und Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen ................................ 179 I. Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen .................................................. 179 II. Der Vorbehalt der Scharia ........................................................................ 180 B. Universelle Geltung der Menschenrechte .......................................................... 183 C. Regionales Völkergewohnheitsrecht .................................................................. 186 D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar? .................................... 188 I. Möglichkeit einer zeitgenössischen Auslegung islamischen Rechts? ........ 193 II. Systematische Auslegung des islamischen Rechts im Kontext der Menschenrechte ........................................................................................ 195 III. Notwendigkeit der Trennung von Staat und Religion? ............................ 196 IV. Die Festlegung einer Religion als Staatsreligion ...................................... 197 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 201 I. Arabischsprachige Literatur ..................................................................... 201 II. Weitere Literatur ...................................................................................... 202 Sachwortregister ..................................................................................................... 219

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 12

Abkürzungsverzeichnis Abs. AEMR AfrChMR ägVerf AIM AL AntiDiskrRes A/RES Art. Bd. BGBl. BVerfGE CairoDecl CEDAW

CERD ECOSOC EMRK f., ff. GA ICERD

ICJ IGH-Statut ILM IPbürgR IPwskR KRK lit. LNTS No., Nr.

Absatz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Afrikanische Charta der Menschenrechte Ägyptische Verfassung (von 1971) Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung Arabische Liga Resolution zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung basierend auf Religion oder Glauben Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen Artikel Band Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Cairo Declaration of Human Rights (Kairoer Erklärung der Menschenrechte) Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women (Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau) Committee on the Elimination of Racial Discrimination Economic and Social Council Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten folgende General Assembly (Generalversammlung der Vereinten Nationen) International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (Konvention zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung) International Court of Justice (Internationaler Gerichtshof) Statut des Internationalen Gerichtshofes International Legal Materials Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Konvention über die Rechte von Kindern litera League of Nations Treaty Series Nummer

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Abkürzungsverzeichnis OIC para. PCIJ Res. S. SdN Supp. UNC UNCIO UN Doc. UNESCO UNO UNTS vol. w. WVK

S. 13

13

Organization of the Islamic Conference (Organisation der Islamischen Konferenz) paragraph Permanant Court of International Justice (Ständiger Internationaler Gerichtshof) Resolution Seite Societé des Nations (Völkerbund) Supplément Charta der Vereinten Nationen UN Conference on International Organization (Gründungskonferenz der UNO) Dokument der Vereinten Nationen United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Vereinte Nationen United Nations Treaty Series Volume wörtlich Wiener Vertragsrechtskonvention

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 14

Begriffe und Schreibweise Wenn im Folgenden von islamischen Staaten die Rede ist, so sind damit solche Staaten gemeint, deren Bevölkerungsmehrheit dem Islam angehört. Arabische Begriffe wurden nach den Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft transkribiert. Ausgenommen sind hiervon Termini, die inzwischen als Bestandteil der deutschen Sprache gelten. Für diese wurde die allgemein verwendete Schreibweise übernommen (beispielsweise Scharia, Dschihad). Namen arabischer Autoren, die in einer nicht-arabischen Sprache veröffentlicht haben, wurden in der von ihnen gewählten Schreibweise zitiert. Übersetzungen von Versen des Korans orientierten sich, soweit in der Arbeit nicht anders vermerkt, an der Koranübersetzung von Rudi Paret (siehe Literaturverzeichnis).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 15

1. Kapitel

Einführung und Problemstellung Im islamischen Raum hat sich bisher, mit Ausnahme der Türkei, in keinem Staat eine echte demokratische Staatsform ansiedeln können. Rechtsstaatliche Grundsätze sind, wenn überhaupt, nur in wenigen Staaten ansatzweise etabliert. Es ist noch nicht absehbar, wie sich die aktuellen Entwicklungen in der Zukunft auswirken werden. Zu denken ist hierbei beispielsweise an den Irak, doch ist aus heutiger Perspektive sehr zweifelhaft, ob es dauerhaft gelingt, eine gefestigte demokratische Staatsform zu etablieren. In Saudi-Arabien wurden im Jahre erstmalig 2005 Kommunalwahlen durchgeführt, allerdings enthielten diese weitreichende Beschränkungen (Frauen durften beispielsweise nicht wählen), so dass die Wahlen weit davon entfernt waren, als frei bezeichnet werden zu können. Im Libanon stand die Führung des Staates viele Jahre quasi unter der Aufsicht Syriens, und seit dem Rückzug des syrischen Militärs ist eine Entwicklung hin zu einer Demokratisierung noch nicht absehbar. Auch in Ägypten sind Ansätze zu einer Demokratisierung hin erkennbar. So sind bei den in Ägypten am 7. September 2005 anstehenden Präsidentenwahlen erstmals die Kandidaturen von Gegenkandidaten zugelassen. Dass sich im islamischen Raum autoritäre Herrschaftsformen etablierten, wird nicht selten auf den Islam zurückgeführt. Die Rolle, die das islamische Recht in den Verfassungen einzelner Staaten spielt, ist sehr unterschiedlich. In vielen Staaten, beispielsweise in Ägypten und Saudi-Arabien, ist der Islam in der Verfassung als Staatsreligion festgelegt. Weiterhin ist das islamische Recht in einer Reihe von Staaten die Hauptquelle der Gesetzgebung, und zu erlassende Gesetze dürfen nicht im Widerspruch zu dieser stehen. Schließlich wird der Zugang zum Amt des Staatsoberhaupts und in manchen Ländern der Zugang zu öffentlichen Ämtern überhaupt von der Zugehörigkeit zum Islam abhängig gemacht. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die Scharia nur wenige Vorschriften hinsichtlich der Staatsorganisation enthält, sondern zu einem großen Teil aus Vorschriften besteht, die dem Zivilrecht zuzuordnen sind. Deshalb erscheint es auch zweifelhaft, wenn islamische Staaten von einem vom Islam vorgegebenen Staatsmodell sprechen.1 _____________ 1 Amor, Verfassung und Religion in den muslimischen Staaten (Teil II), Gewissen und Freiheit, Nr. 50 (1998), S. 117 (124). Es gibt eine Reihe von Entwürfen von

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

16

S. 16

1. Kap.: Einführung und Problemstellung

Das islamische Recht ist kein einheitliches Rechtssystem, dem sich alle Muslime unterwerfen. Zwischen den verschiedenen islamischen Strömungen (Sunna, Schia) und auch innerhalb dieser einzelnen Strömungen herrschen unterschiedliche Vorstellungen vom Inhalt des islamischen Rechts. Diese verschiedenen Rechtstheorien finden Eingang in die Anwendung des Rechts in den islamischen Staaten, je nach der in diesen Staaten herrschenden religiösen Ausrichtung. Es gibt eine Reihe von Staaten, in denen das islamische Recht eine tragende Rolle spielt, aber aktuell ist kein Staat von der Allgemeinheit der Muslime als ein Staat anerkannt, der insgesamt den Vorgaben des islamischen Rechts entspricht. Allein schon aufgrund der diversifizierenden Entwicklung, die der Islam mit seinen verschiedenen Richtungen und das zugehörige Recht genommen haben, wird es einen solchen Staat nicht mehr geben. Lediglich die erste Phase in der frühen Geschichte des Islams, die Zeit der ersten vier, der so genannten Rechtgeleiteten Kalifen (632–661 n.Chr.), wird von der Allgemeinheit der Muslime als ein dem islamischen Recht entsprechendes Staatsmodell betrachtet. Dabei ist nicht abzusehen, wie sich der Einfluss des islamischen Rechts in islamischen Staaten in der Zukunft entwickeln wird. Eine Reihe von Autoren ging in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts davon aus, dass das islamische Recht immer weitere Verbreitung finden werde.2 Allerdings kann man eine solche Entwicklung in jüngerer Zeit nicht mehr ausschließlich beobachten. Während man in arabischen Staaten eine Islamisierung des Rechts beobachten kann, ist die Zukunft des islamischen Rechts im Iran mehr als ungewiss. Auch in Afghanistan scheint das islamische Recht nach dem Sturz des Taliban-Regimes auf dem Rückzug. Die Türkei hält mit aller Konsequenz an der Aufrechterhaltung des laizistischen Systems fest.3 In einer Reihe islamischer Staaten hat der Islam den Status einer Staatsreligion inne.4 In jüngster Zeit spielte im Prozess um die Erarbeitung einer Verfassung für den Irak die Frage nach der Rolle des Islams eine tragende _____________ Nichtregierungsorganisationen, in denen ein Verfassungsmodell für einen muslimischen Staat skizziert wird. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang ein Entwurf muslimischer Wissenschaftler, den diese auf Anregung des Islamrates für Europa, eine vorwiegend von Pakistanis betriebene Nichtregierungsorganisation mit Sitz in London, entwickelt haben. Hierzu siehe Amor, Verfassung und Religion in den muslimischen Staaten (Teil II), Gewissen und Freiheit, Nr. 50 (1998), S. 117 (126). 2 Vgl. An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 8. 3 Zum Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften siehe Kokott, Laizismus und Religionsfreiheit im öffentlichen Raum, Der Staat, Bd. 44 (2005), S. 343 (346 ff.). 4 Welche Rolle das islamische Recht in der noch zu bildenden irakischen Verfassung spielen wird, ist derzeit noch unklar. Siehe hierzu Rainer Herrmann, Auf dem Weg zu einem Wächterrat? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. August 2005, S. 6.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

1. Kap.: Einführung und Problemstellung

S. 17

17

Rolle. Es stellt sich die Frage, inwiefern eine Staatsreligion mit der Religionsfreiheit zu vereinbaren ist beziehungsweise welche Konsequenzen sich hieraus für den Umfang der Religionsfreiheit ergeben. Jedenfalls muss die Erhebung einer Religion zur Staatsreligion nicht notwendigerweise zur Folge haben, dass Angehörige anderer Religionen ihre Religion nicht ausüben können. Gleichzeitig hat die weit überwiegende Mehrheit der islamischen Staaten völkerrechtliche Verträge zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Auch waren neun islamische Staaten an der Ausarbeitung der Universellen Erklärung der Menschenrechte beteiligt, von denen acht für die Resolution stimmten (Saudi-Arabien enthielt sich der Stimme). Aufgrund der Implementierung religiösen Rechts in nationale Rechtsordnungen haben islamische Staaten zu völkerrechtlichen Verträgen Vorbehalte eingelegt, in denen sie deutlich machen, dass der Vertrag nicht entgegen den Regeln der Scharia ausgelegt werden kann, also der Vertrag für sie nur soweit Gültigkeit besitzt, als dass seine Bestimmungen nicht entgegen dem islamischen Recht ausgelegt werden. Allerdings kann innerstaatliches Recht nicht dazu dienen, völkerrechtliche Pflichten nicht zu beachten und Völkerrechtsverstöße zu rechtfertigen. In dieser Arbeit wird das Zusammenspiel von staatlichem, islamischen Recht und Völkerrecht dargestellt. Dies geschieht anhand der Religionsfreiheit in der ägyptischen Rechtsordnung. Ägypten wurde ausgewählt, da die Bedeutung der ägyptischen Rechtsordnung über die Grenzen hinweg ausstrahlt und diese großen Einfluss auf die Rechtsentwicklung in den anderen arabischen Staaten ausübt. Im Mittelpunkt stehen die Regelung der Religionsfreiheit nach nationalem Recht und die völkerrechtlichen Verpflichtungen Ägyptens im Hinblick auf das Menschenrecht der Religionsfreiheit. Thematisiert werden die Religionsfreiheit selbst und der rechtliche Status nicht-muslimischer Minderheiten. Aufgrund der Ausrichtung der Arbeit auf das ägyptische Recht wird, soweit islamisches Recht behandelt wird, das sunnitisch-islamische Recht dargestellt, da es in Ägypten vorherrschend ist. Anhand der Religionsfreiheit werden die Gegensätze unterschiedlicher politischer Systeme besonders sichtbar: Es gilt auf völkerrechtlicher Grundlage verschiedenste Interessen auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen, solche Systeme, die einen strikten Säkularismus verfolgen bis hin zu Systemen, die eine Religion zur Grundlage ihres politischen Systems machen. Von daher verwundert es auch nicht, dass es der Staatengemeinschaft bisher nicht gelungen ist, eine Konvention zur Religionsfreiheit zu verabschieden. In der Arbeit wird jedoch nicht nur die Religionsfreiheit selbst untersucht, sondern es werden insgesamt die im Zusammenhang mit der Religion stehenden

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

18

S. 18

1. Kap.: Einführung und Problemstellung

Rechte angesprochen. In erster Linie sind damit Minderheitenrechte und das Verbot der Diskriminierung gemeint. Zu ergründen ist auch die Frage, ob man zu einer Vereinbarkeit von Menschenrechten und islamischem Recht kommen kann. Nicht selten wird dies ohne weitere Begründung verneint. Dies könnte daran liegen, dass es sich bei dem Konzept der Menschenrechte (mit dem Anspruch auf Universalität) um Normen handelt, deren Geltung nur unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden darf. Das islamische Recht erhält dadurch eine besondere Legitimation, dass es nach der Auffassung der Muslime göttlichen Ursprungs ist und deshalb nicht durch weltliches Recht modifiziert werden kann. Es stellt für viele Bereiche Rechtsnormen bereit, und nicht selten wird die Ansicht vertreten, dass es uneingeschränkt anzuwenden ist. Viele islamische Autoren gehen davon aus, dass die meisten Menschenrechte bereits in frühislamischer Zeit existierten und dass der Großteil der Bestimmungen der Universellen Erklärung der Menschenrechte bereits vor deren Verabschiedung Bestandteil des islamischen Rechts war.5 Nicht selten wird betont, dass die islamische Welt Vorreiter in der Einrichtung der Menschenrechte sei.6 Nach dieser Ansicht gehen zwar eine Reihe wichtiger Instrumente auf die Initiative westlicher Staaten zurück, allerdings fehlt es diesen an Durchsetzungskraft, da sie durch entgegenstehendes Recht wieder geändert werden können. In der Arbeit wird nicht der Versuch unternommen werden, den Begriff der Religion7 zu definieren. Eine allgemein anerkannte Definition zu erarbeiten, würde den Rahmen der Arbeit sprengen.8 Denn schon auf innerstaatlicher Ebene, im deutschen Recht, stößt der Versuch einer generell akzeptierten Begriffsbestimmung auf große Schwierigkeiten. Aufgrund der vielseitigen kulturellen Unterschiede ist es zweifelhaft, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, eine völkerrechtliche einheitliche Umschreibung von Religion zu finden. Der Islam erkennt beispielsweise nur die Religionen an, die über eine Überlieferung verfügen. Andere Religionen fallen demnach nicht in den Schutzbereich der Religionsfreiheit. Eine genaue Definition von Religion ist jedoch für die Frage des Menschenrechtsschutzes nicht unerlässlich. Aus diesem Grund soll der Schutzbe_____________ 5 Tabandeh, Muslim Commentary, S. 1. 6 Vgl. Abu-Sahlieh, La définition internationale des droits de l’homme en Islam, RGDIP t. 89 (1985), S. 625 (627 f.). 7 Das Wort Religion leitet sich aus dem lateinischen Verb „religare“ ab, vgl. hierzu UN Doc. E/CN.4/2002/73/Add.2. 8 Zu den Schwierigkeiten der Definition des Begriffes „Religion“ siehe Gunn, The Complexity of Religion and the Definition of „Religion“ in International Law, HHRLJ vol. 16 (2003), S. 189 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

1. Kap.: Einführung und Problemstellung

S. 19

19

reich sehr weit gezogen werden. Die in dieser Arbeit angesprochenen Glaubensgemeinschaften fallen demnach alle in den Schutzbereich der Religionsfreiheit. Wohl aufgrund der Schwierigkeit, eine allgemein anerkannte Umschreibung zu finden, enthält die Resolution der Generalversammlung gegen religiöse Diskriminierung aus dem Jahre 1981 keine entsprechende Definition. Es wurden zwar Versuche unternommen, eine solche Definition zu finden, diese scheiterten jedoch.9 Die Sonderberichterstatterin der Menschenrechtskommission Benito nahm in ihren Berichten Stellung zu dem Umfang des Rechtes der Religionsfreiheit. Dabei vermied sie es jedoch, den Begriff Religion zu definieren.10 Dazu gibt es gute Gründe denn dies würde die ohnehin bestehenden Differenzen bezüglich Resolutionen, die den Schutz der Religionsfreiheit zum Ziel haben, nur vergrößern.11 Die Verfolgung theistischer Glaubensrichtungen unterliegt in jedem Fall dem Schutzbereich der Religionsfreiheit nach Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht. Unklar ist jedoch, ob auch weltliche Überzeugungen unter den Begriff der Religionsfreiheit fallen. Viele völkerrechtliche Dokumente vermeiden diese Abgrenzungsschwierigkeiten, indem sie sowohl die Religions- als auch die Weltanschauungsfreiheit unter Schutz stellen.12 Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos: So enthält z.B. die Banjul-Charta13 in Art. 8 neben der Religions- lediglich die Gewissens- und Bekenntnisfreiheit, erwähnt aber nicht die Weltanschauungsfreiheit. Hinsichtlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird angenommen, dass politische und kulturelle Anschauungen nicht geschützt werden.

_____________ 9 Lemke, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 33. 10 UN Doc. E.CN.4/Sub.2/1987/26/, paras. 12 ff.; UN Doc. E.CN.4/1990/46, paras. 106, 110; UN Doc. E.CN.4/1992/52, paras. 76 ff., 181 ff.; UN Doc. E/CN.4/ 1991/56, para. 91; UN Doc. E.CN.4/1997/91, paras. 70 ff.; UN Doc. A/52/477, paras. 66 ff. 11 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (131). 12 Für den IPbürgR (UNTS vol. 999, S. 171 ff.) hat dies beispielsweise die Menschenrechtskommission deutlich gemacht, UN Human Rights Committee, General Comment No. 22, HRLJ vol. 15, S. 233, para. 2; Boyle, What is Agreed and what is not, S. 373 (377); Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (87). 13 African Charter on Human and Peoples’ Rights, ILM vol. 21 (1982), S. 59 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 20

2. Kapitel

Die Religionsfreiheit im Völkerrecht In diesem Abschnitt soll ein Überblick über die aktuelle Rechtslage hinsichtlich des Menschenrechtes der Religionsfreiheit gegeben werden, so wie es sich nach dem Völkerrecht darstellt. Zunächst soll die Rechtslage dieses Menschenrechtes aufgezeigt werden, soweit es Gegenstand völkerrechtlicher Verträge ist. Allerdings kann die rechtliche Grundlage der Religionsfreiheit nicht umfassend dargestellt werden. Aufgrund der Themenstellung der Arbeit soll der Schwerpunkt insbesondere auf die Bestandteile der Religionsfreiheit gelegt werden, die aus der Perspektive des islamischen Rechts problematisch erscheinen. Zwar ist bereits eine große Anzahl der Staaten Mitglied universeller und regionaler Menschenrechtsschutzmechanismen, insbesondere trifft dies auf den IPbürgR und den IPwskR1 aus dem Jahre 1966 zu, allerdings sind andere Menschenrechtsverträge nur von einem Teil der Staatengemeinschaft ratifiziert worden. Um eine fortschreitende Ratifizierung von Menschenrechtsverträgen zu erreichen, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1986 die Staatengemeinschaft dazu aufgerufen, internationale Menschenrechtsstandards in internationale Verträge aufzunehmen. Daneben hat sie hat die Staaten zum Beitritt zu Verträgen zum Schutze der Menschenrechte aufgefordert.2 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete regelmäßig die Religionsfreiheit betreffende Resolutionen, in denen sie die Staaten zur Beachtung des Menschenrechtes der Religionsfreiheit und zu der Verabschiedung einer Konvention zum Schutze der Religionsfreiheit aufforderte. Eine entsprechende Resolution verabschiedete die Generalversammlung zuletzt im Jahre 2003.3 Sie hat das Ziel der Erarbeitung eines völkerrechtlichen Vertrages zum Schutze der Religionsfreiheit jedoch nicht mehr erwähnt.4 _____________ 1 IPwskR, UNTS vol. 993, S. 3 ff. 2 UN Doc. A/RES/41/120. 3 Elimination of all Forms of Religious Intolerance, UN Doc. A/RES/58/184 vom 22. Dezember 2003; Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (54). 4 Eine solche Empfehlung durch die Generalversammlung erging zuletzt im Jahre 1995, UN Doc. A/RES/50/183, para. 16.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 21

21

Neben der Religionsfreiheit, die sich aus völkerrechtlichen Verträgen ergibt, ist dann auf die Religionsfreiheit einzugehen, soweit sie in Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen und in anderen nichtvertraglichen Dokumenten behandelt wird.

A. Völkerrechtliche Verträge Bis heute ist es der Staatengemeinschaft trotz mehrfacher Bemühungen nicht gelungen, einen speziellen völkerrechtlichen Vertrag zu schließen, der das Ziel des Schutzes des Menschenrechtes der Religionsfreiheit verfolgt. Vor- und Nachteile einer bindenden Konvention zum Schutze der Religionsfreiheit hat Theo van Boven im Jahre 1989 im Auftrage der Menschenrechtskommission beschrieben.5 Einerseits ist eine breite Akzeptanz der Staaten für eine Konvention zum Schutze der Religionsfreiheit notwendig, damit ein verbesserter Schutz von diesem neuen Instrument ausgehen kann. Aufgrund der vielfältigen unterschiedlichen Kulturen und auch der Emotionalität, die insbesondere in religiös verankerten Gesellschaften mit diesem Thema verbunden ist, ist dies jedoch nur sehr schwer zu erreichen. Da auch viele Institutionen und Körperschaften von einer Konvention betroffen wären, müssten Nichtregierungsorganisationen in die Entwicklung einer solchen Konvention einbezogen werden.6 Das Menschenrecht der Religionsfreiheit ist jedoch Bestandteil verschiedener völkerrechtlicher Verträge. Dies sind zum einen Verträge, deren Zweck der Schutz der Menschenrechte ist.7 Ferner kommt Individuen ein gewisser Schutz durch Verträge zu, die dem humanitären Völkerrecht zuzurechnen sind.8 Aber auch in anderen Verträgen, wie z.B. in Friedensverträgen, wird die Religionsfreiheit behandelt. Hieran wird deutlich, dass sich Staaten in der Vergangenheit immer dann für religiöse Minderheiten einsetzten, sofern eine solche Regelung in ihrem Interesse lag. Wie im nächsten Abschnitt noch zu zeigen sein wird, haben die letztgenannten Verträge einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Etablierung eines Schutzes des Menschen_____________ 5 UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1989/32, paras. 9 ff. 6 UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1989/32, paras. 12 f. 7 Auf diese Verträge wird unten noch detailliert einzugehen sein. Es handelt sich beispielsweise um den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Afrikanische Menschenrechtskonvention und die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. 8 Art. 34 ff. Genfer Konvention III (Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 12. August 1949, UNTS vol. 75, S. 135 ff.; Art. 93 Genfer Konvention IV (Genfer Abkommen zum Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, UNTS vol. 75, S. 267 ff.; zur Völkermordkonvention (UNTS vol. 78, S. 277 ff.) siehe unten, III.5.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

22

S. 22

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

rechtes der Religionsfreiheit beigetragen. Der ehemalige Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission Ribeiro kam denn auch in einem Bericht zu dem Ergebnis, dass bilaterale und nicht multilaterale Verträge das effektivste Mittel seien, um den Schutz der Religionsfreiheit zu gewährleisten.9 In diesem Kapitel wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Menschenrechtes der Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Verträgen gegeben. Bevor auf die Regelung der Religionsfreiheit in aktuellen völkerrechtlichen Verträgen einzugehen sein wird, soll ein kurzer historischer Überblick gegeben werden, in dem die Entwicklung des Rechts der Religionsfreiheit in Verträgen seit dem Mittelalter bis hin zum Zweiten Weltkrieg dargestellt wird.

I. Die Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Verträgen vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg Das Motiv militärischer Konflikte in der Zeit des Mittelalters war sehr häufig die Religion. Die an die Kriege anschließenden ausgehandelten Friedensverträge enthielten nicht nur Regelungen bezüglich territorialer Neuordnungen, sondern behandelten auch die Rechte religiöser Minderheiten, um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Religionen zu schaffen. Daneben enthielten Friedensverträge Bestimmungen zur Gleichberechtigung der Konfessionen.10 Als Beispiel sei hier der Augsburger Religionsfrieden aus dem Jahre 1555 genannt. Im Jahre 1648 wurde der Westfälische Frieden geschlossen, durch den der Dreißigjährige Krieg und auch insgesamt das Zeitalter der Religionskriege beendet wurden.11 Dieser beinhaltete Normen, die Elemente des Rechtes der Religionsfreiheit enthielten, sie galten jedoch lediglich für Anhänger der zwei Hauptkonfessionen, d.h. der katholischen und der lutherischen Konfession. Im Wesentlichen sah der Westfälische Frieden Regelungen zur Gleichberechtigung der beiden Konfessionen vor. Nach dem Friedensvertrag von Osnabrück konnte das Beratungsverfahren im Reichstag und in den Reichskreisen nicht abgehalten werden, wenn eine Religionspartei dies verlangte; stattdessen wurde ein _____________ 9 UN Doc. E/CN.4/1990/46, Rn. 98; zum Schutz der Religionsfreiheit in bilateralen Verträgen siehe Danchin, Unilateralism and Religious Freedom, CJTL vol. 41 (2002), S. 33 (63 ff.). 10 Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (5). 11 Ziegler, Die Bedeutung des Westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, AdV Bd. 37 (1999), S. 129 (141). Einen kurzen Überblick zu den Regelungen des Westfälischen Friedens bietet Zayas, Westphalia, Peace of, EPIL vol. IV, S. 1465 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 23

23

Vergleichsverfahren durchgeführt.12 Personen, die einer anderen Religion als ihr Landesherr angehörten, die jedoch zu den geduldeten Religionen gehörte, wurde das Recht zur Auswanderung gewährleistet, wobei ihnen die Rückkehr gestattet war.13 Auch in weiteren völkerrechtlichen Verträgen wurde im Mittelalter der Schutz von Religionsgemeinschaften aufgenommen.14 Ferner wurden im 17. und 18. Jahrhundert Konfessionen in Friedensverträgen gewisse Rechte zugesichert. Allerdings wurden diese Rechte nicht den Religionsgemeinschaften als solchen gewährt, sondern der Bevölkerung in den an andere Staaten abgetretenen Gebieten.15 Seit dem späten Mittelalter war das Osmanische Reich die bestimmende Macht des Nahen Ostens, die über die Türkei, Palästina, die Arabische Halbinsel und später auch über Ägypten herrschte. Die europäischen Mächte hegten schon seit dem Mittelalter großes Interesse an Jerusalem und an dem Schutz der in den Herrschaftsgebieten des Osmanischen Reiches lebenden Christen. Frankreich setzte sich intensiv für christliche Minderheiten ein, die auf dem Gebiet des Osmanischen Reiches lebten. Am 21. Mai 1250 verkündete Ludwig von Frankreich, von nun an Maroniten16 in gleichem Maße wie Franzosen zu schützen.17 In der Folge kam es zu dem Abschluss von Verträgen zwischen dem Osmanischen Reich auf der einen und den europäischen Mächten auf der anderen Seite.18 Der im Jahre 1615 zwischen _____________ 12 Ausführlich zur Frage der Religionsfreiheit im Westfälischen Frieden siehe Grote, Entwicklung der Religionsfreiheit im Spiegel des Völkervertragsrechts, S. 3 (4 ff.). 13 Manche Autoren sahen hierin das erste Mal die Gewährung eines Grundrechtes in Deutschland. Hierzu siehe Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (7 f.). 14 Außerhalb des Heiligen Römischen Reiches gab es nur noch in der Schweiz einen vertraglichen Ausgleich zwischen den christlichen Religionen; hierzu Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (10 ff.). 15 Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (15). 16 Maroniten sind eine christliche Glaubensgruppe, die im Gebiet des heutigen Libanons entstanden ist. Die Glaubensgemeinschaft spaltete sich im 7. Jahrhundert von der Ostkirche ab. Seit dem 12. Jahrhundert hat sie sich dem römischen Papst unterstellt. 17 Fouques Duparc, La protection des minorités de race, de langue et de religion, S. 79; Lanarès, La liberté religieuse dans les conventions internationales et dans le droit public général, S. 103. 18 Im Jahre 1535 schlossen Frankreich und das Osmanische Reich einen Vertrag, der französischen Pilgern freies Geleit im Heiligen Land zusicherte, vgl. hierzu Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 76; Friedensvertrag von Karlowitz von 1699 zwischen Polen und dem Osmanisches Reich.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

24

S. 24

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Österreich und dem Osmanischen Reich geschlossene Vertrag von Wien gewährte den auf dem Gebiet des Osmanischen Reiches lebenden Christen einen gewissen Schutz.19 Die Hohe Pforte schloss mit weiteren Staaten (Genua 1615 und 1655, Polen 1673) ähnliche Verträge ab. Im Jahre 1774 wurde der Vertrag von Kutschuk-Kainardji von 1774 zwischen Russland und dem Osmanischen Reich geschlossen, der die christliche Religion und die Kirchen unter dauerhaften Schutz stellte.20 Im 19. Jahrhundert setzten sich die europäischen Mächte verstärkt für religiöse Freiheiten christlicher Minderheiten auf dem Staatsgebiet des Osmanischen Reiches ein. Beispielsweise sicherte die Hohe Pforte im Friedenvertrag von Paris (1856) zu, den christlichen Minderheiten Religionsfreiheit zu garantieren, behielt sich dabei jedoch vor, dass diese Frage nach wie vor zu den inneren Angelegenheiten des Reiches gehörte.21 Massaker an Christen im Osmanischen Reich (Bosnien, der Herzegowina und Bulgarien) beantworteten Serbien und Montenegro mit der Kriegserklärung an die Türkei. Dieser Konflikt konnte jedoch durch die Konferenz von Konstantinopel 1876/77 abgewendet werden.22 Auch in dem Berliner Vertrag aus dem Jahre 1878, einem multilateralen Vertrag, wurden religiöse Schutzklauseln aufgenommen. Demnach durfte das Osmanische Reich Angehörigen religiöser Minderheiten den Zugang zu öffentlichen Ämtern nicht aus religiösen Gründen verweigern. Weiterhin wurde die öffentliche Ausübung religiöser Kulte gestattet.23 Diese Verträge aus dem 19. Jahrhundert gewährleisteten jedoch keinen umfassenden Schutz der Religionsfreiheit. Die Verträge sahen nicht generell _____________ 19 Fouques Duparc, La protection des minorités de race, de langue et de religion, S. 79. 20 Lanarès, La liberté religieuse dans les conventions internationales et dans le droit public général, S. 79; Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 80. 21 Art. IX; vgl. Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (20); Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 82 m.w.N. 22 Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 82; besser Lanarès, La liberté religieuse dans les conventions internationales et dans le droit public général, S. 128. 23 Art. 62 des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878. Vertragsparteien sind das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland und die Türkei. Der Vertrag sieht die Neuordnung der Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und Europa vor (Präambel). Auszüge sind abgedruckt in: Die Handelsund Schiffahrts-Verträge Deutschlands mit dem Auslande 1872–1897, Zweiter Band, Berlin 1897, S. 1537 ff. Hierzu auch Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (20). Zu Schutzklauseln in Handelsverträgen hinsichtlich der Religionsfreiheit siehe Bayer, Das System der deutschen Handelsverträge von 1853 und 1914, S. 178 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 25

25

den Schutz religiöser Minderheiten vor, so wie es in den Menschenrechtsverträgen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Fall ist, sondern die Staaten setzten sich immer nur für ihre „Glaubensbrüder“ ein. Angehörige anderer Religionen, deren Schutz nicht in ihrem Interesse lag, waren nicht Gegenstand dieser Verträge. Des Weiteren war der Begriff der Souveränität im 19. Jahrhundert sehr viel weiter gefasst, und deshalb blieb die Behandlung religiöser Minderheiten letztlich Sache der Staaten, in denen die Minderheiten lebten. Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge änderte hieran nichts. Die Überwachung dieser Bestimmungen war daher auf eine schwache Grundlage gestellt, denn die Durchsetzung der entsprechenden Bestimmungen war ausschließlich auf diplomatischer oder konsularischer Ebene möglich. Soweit jedoch die europäischen Mächte mit der Situation der Christen auf dem Gebiet der Hohen Pforte nicht zufrieden waren, intervenierten diese zugunsten der christlichen Minderheiten.24

II. Die Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Dokumenten im 20. Jahrhundert Nach dem Ersten Weltkrieg rückte der Schutz von Minderheiten in den Blickpunkt der internationalen Politik, wovon auch religiöse Minderheiten profitierten.25 Auslöser hierfür war die politische Neuordnung Europas, die nach dem Ende des Weltkrieges herbeigeführt wurde. US-Präsident Wilson unterbreitete Vorschläge zur Formulierung von Artikeln der Völkerbundssatzung, die den Schutz religiöser Minderheiten vorsahen. Die Aufnahme neuer Staaten sollte von der Abgabe einer Erklärung abhängen, Minderheiten nicht zu benachteiligen. Seine Vorschläge zum Schutze von Minderheiten fanden sich jedoch nicht in der Satzung des Völkerbundes wieder.26 Allerdings enthielt Art. 22 Abs. 5 der Völkerbundsatzung eine Bestimmung zur Religionsfreiheit. Demnach waren die MandatarStaaten in den Gebieten, die ihnen als Mandatsmacht zugewiesen worden sind, dazu verpflichtet, die Religionsfreiheit zu garantieren.27 _____________ 24 Hierzu siehe Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 80. 25 Zum Minderheitenschutz in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg siehe Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Add.2, paras. 1 ff.; Hofmann, Minderheitenschutz in Europa, S. 17 ff. 26 Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 38 f.; Pritchard, Der völkerrechtliche Minderheitenschutz, S. 72 f. 27 „… garantiront la liberté de conscience et de religion, sans autres limitations que celles peut imposer le maintien de l’ordre public et de bonnes moeurs …“. Im

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

26

S. 26

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

In dieser Zeit sah man die Formulierung religiöser Rechte auf internationaler Ebene als zu heikel an und ordnete diese als innerstaatliche Angelegenheit ein. Hieran änderte auch die Formulierung nichts, der zufolge Minderheitenfragen als obligations of international concern bezeichnet wurden.28 Internationale Einschränkungen die jeweiligen Minderheiten betreffend wurden als Eingriff in die Souveränität gewertet.29 Dementsprechend wurde in keinen internationalen Vertrag eine Regelung zum Schutze (religiöser) Minderheiten aufgenommen.30 Infolge der territorialen Neuordnung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entstanden jedoch in vielen Gebieten neue Minderheiten. Ihr Schutz wurde nun Gegenstand der internationalen Politik, die in Abschlüssen einer Reihe von Minderheitenschutzverträgen mündete. Selbst die Satzung des Völkerbundes sah ein Minderheitenschutzverfahren vor. Eine Reihe der Verträge mit Minderheitenschutzklauseln sah vor, dass sich der Völkerbundrat mit einer drohenden Verletzung von Rechten der Minderheiten beschäftigen konnte. Daneben konnte im Falle des Auftretens von Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Staat auf der einen Seite und der Alliierten Macht oder einem Mitglied des Völkerbundrates auf der anderen Seite der Ständige Internationale Gerichtshof angerufen werden, da eine solche Streitigkeit, wie oben bereits erläutert, als eine internationale und damit als eine Streitigkeit im Sinne des Art. 14 der Völkerbundsatzung eingestuft wurde.31 Unter anderem auf der Pariser Friedenskonferenz wurden eine Reihe von bilateralen Minderheitenschutzverträgen unterzeichnet,32 und zwar zwischen den Alliierten und Assoziierten Mächten einerseits und Bulgarien,33 Polen,34 dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen,35 der Tschechoslowa_____________ Nahen Osten waren nach dem Ersten Weltkrieg eine Reihe von Gebieten unter dem Mandat Frankreichs und Großbritanniens (beispielsweise Irak, Libanon, Palästina und Syrien). 28 Z.B. der Vertrag zwischen den Alliierten und Assoziierten Mächten und Polen, Art. 12. Hierzu Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (24). 29 Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (25); Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 47. 30 Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 40. 31 Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 des Vertrages zwischen Polen und den Alliierten und Assoziierten Mächten. 32 Ermacora, Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, S. 14. 33 Vertrag zwischen Bulgarien und den Mächten, Vertrag vom 27. November 1919, Martens, 3ième Série XII, S. 323 ff. 34 Vertrag vom 28. Juni 1919, LNTS vol. 11, S. 173 ff.; Martens, 3ième Série XIII, S. 504 ff. 35 Vertrag vom 10. September 1919, Martens, 3ième Série XIII, S. 521 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 27

27

kei,36 Rumänien37 und Griechenland38 andererseits. Diese Verträge enthielten weitreichende Schutzbestimmungen zugunsten der in diesen Staaten lebenden Minderheiten und auch Bestimmungen zur freien Ausübung der Religion. Als Beispiel sei der Vertrag zwischen den Mächten und Polen angeführt, der als erster dieser Verträge geschlossen wurde und für die anderen Verträge als Vorbild diente. Nach Art. 7 waren alle Menschen vor dem Gesetz gleich.39 Art. 8 garantierte die Freiheit der Ausübung der Religion.40 Der Friedensvertrag von Lausanne zwischen Griechenland und der Türkei vom 30. Januar 1923 gewährte nicht-muslimischen Minderheiten einen gewissen Schutz.41 Weiterhin enthielt der Vertrag eine Bestimmung, wonach griechische Muslime beziehungsweise griechisch-orthodoxe Türken nicht länger in Griechenland respektive in der Türkei leben sollten, es wurde also quasi ein Austausch der Bevölkerung vereinbart. Der Vertrag stellte jedoch nicht auf die ethnische Herkunft der Minderheiten ab, sondern sprach von muslimischer bzw. christlicher Minderheit. Das Protokoll zum Freundschaftsvertrag zwischen Bulgarien und der Türkei vom 18. Oktober 1925 enthielt Schutzvorschriften zugunsten der bulgarischen Christen in der Türkei.42 Jeder dieser Verträge enthielt Bestimmungen zur Staatsangehörigkeit, zum Verbot der Diskriminierung und garantierte den Schutz des Lebens aller Einwohner.43 Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kam es zu einem Konflikt zwischen der Türkei und Frankreich bezüglich des Status Syriens. Unter Vermittlung des Völkerbundsrates kam es zu einem Statut, welches die christlichen Minderheiten in Syrien unter Schutz stellte.44 _____________ 36 Vertrag vom 10. September 1919, Martens, 3ième Série XIII, S. 512 ff. 37 Vertrag vom 9. Dezember 1919, Martens, 3ième Série XIII, S. 529 ff. 38 Vertrag vom 10. August 1920, LNTS vol. 28, S. 243 ff. 39 Art. 7: „Tous les ressortissants polonais sont égaux devant la loi et jouiront des mêmes droits civils et politiques sans distinction de race, de langage ou de religion.“ 40 Art. 8: „Les ressortissants polonais appartenant à des minorités ethniques, de religion ou de langage jouiront du même traitement et de mêmes garanties en droit et en fait que les autres ressortissants polonais. Ils auront notamment un droit égal … d’y exercer librement leur religion.“ 41 Vertrag vom 30. Januar 1923, LNTS vol. 32, S. 75 ff.; abgedruckt in: AJIL vol. 18 (1924), Supplément, S. 84 ff.; RdC t. 24 (1928-IV), S. 311 ff.; zur Bedeutung des Lausanner Vertrages siehe Hofmann, Minderheitenschutz in Europa, S. 167 ff. 42 Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 93. 43 Ermacora, Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, S. 15. 44 SdN 29. Mai 1937, S. 329 ff. Das Statut bestimmt, dass Syrien in innenpolitischen Angelegenheiten Autonomie genießt. Die Regeln bezüglich des Schutzes reli-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

28

S. 28

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Bei der Zusammenschau der dargestellten Verträge wird deutlich, dass nach dem Ersten Weltkrieg der Schutz der Religionsfreiheit in den Hintergrund rückte. Zwar ergriff die Staatengemeinschaft erste Schritte zur Etablierung menschenrechtlicher Normen, man konzentrierte sich hier aber auf den Schutz der Minderheiten, wobei man hiervon in erster Linie nationale Minderheiten umfasst sah. Nur wenn die Minderheiten nicht nur nationale Minderheiten darstellten, sondern zusätzlich Anhänger einer anderen Religion waren, etablierten diese Verträge einen gewissen Schutz hinsichtlich der Religionsfreiheit.

III. Die Religionsfreiheit in völkerrechtlichen Dokumenten nach dem Zweiten Weltkrieg Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde eine Reihe weiterer völkerrechtlicher Verträge geschlossen, die den Schutz religiöser Freiheiten zum Ziel hatten. Während die nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossenen bilateralen Verträge Schutzbestimmungen für (religiöse) Minderheiten enthielten und damit völkerrechtliche Garantien der Religionsfreiheit etabliert wurden, enthielten die nun verabschiedeten Verträge Klauseln zum Schutz der Religionsfreiheit selbst und Diskriminierungsverbote.45 Im Gegensatz zu der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Garantien in der Regel mittels multilateraler Verträge auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes gewährleistet.46 An erster Stelle ist hier die Charta der Vereinten Nationen (UNC)47 zu nennen, die in Art. 1 Abs. 3 das Ziel der Achtung der Menschenrechte anführt, und zwar unter anderem ohne Unterschied der Religion.48 Daneben _____________ giöser Minderheiten sind dem polnischen Minderheitenschutzvertrag entnommen. Dazu Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 86, 93. 45 Herausragende Bedeutung hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erlangt, die aber lediglich als Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1948 verabschiedet worden ist. In dieser ist das Menschenrecht der Religionsfreiheit in Art. 18 gewährleistet (hierzu siehe unten C.I.). Interessant dabei ist, dass diese keine Bestimmung zum Schutze von Minderheiten enthielt, ein Regelungsbereich, der in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen völkerrechtlich große Bedeutung erlangt hatte. 46 Zu den friedensvertraglichen Regelungen, die menschenrechtliche Gewährleistungen enthielten, siehe Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (26 ff.). 47 Yearbook of the United Nations, 1969, S. 953. 48 Auf der Konferenz von San Francisco versuchten einige Staaten einen weitergehenden Schutz der Religionsfreiheit in der Charta zu erreichen, allerdings konnten sich diese Vorschläge nicht durchsetzen; hierzu Krishnaswami, Study of Discrimina-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 29

29

ist die Religionsfreiheit in verschiedenen Menschenrechtsverträgen garantiert, auf universeller Ebene beispielsweise im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte49 (IPbürgR). Weiterhin wird die Religionsfreiheit in praktisch allen regionalen Menschenrechtsverträgen gewährleistet.50 1. Menschenrechte in der Charta der Vereinten Nationen Die UNC selbst enthält zwar keinen Katalog von Menschenrechten, aber an mehreren Stellen wird die Gewährleistung von Menschenrechten eingefordert. Diese Programmatik der Charta wird in den Art. 1 Nr. 3, 55 lit. c, 62 Abs. 2 und 68 UNC deutlich. Gemäß Art. 1 Nr. 3 UNC ist es das Ziel der Vereinten Nationen, Menschenrechte ohne Unterscheidung zwischen den Menschen und auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion zu fördern und zu festigen. Ein entsprechendes Ziel wird in Art. 55 lit. c UNC formuliert. Diese Artikel der Charta der Vereinten Nationen führen dazu, dass die Mitglieder zur Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte verpflichtet sind.51 Nach Kelsen hingegen erwachsen in Bezug auf Menschenrechte aus der Charta keine Verpflichtungen für die Mitglieder, diese könnten lediglich durch Änderung der Charta oder Verabschiedung eines weiteren Vertrages entstehen.52 Bei der Ausarbeitung der Charta hatten sich einige Staaten (Chile, Kuba, Neuseeland, Norwegen und Panama) dafür eingesetzt, das Menschenrecht der Religionsfreiheit in die Charta aufzunehmen. Die Aufnahme einzelner Menschenrechte in die Charta wurde jedoch zugunsten der Ausarbeitung einer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte unterlassen.53 Ein weiterer Vorschlag, der jedoch von der Mehrheit der Staaten abgelehnt wurde, ging dahin, eine Menschenrechtserklärung als Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen völkerrechtlich verbindlich werden zu lassen.54 _____________ tion in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/ Rev.1, S. 12. 49 UNTS vol. 999, S. 171. 50 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, UNTS vol. 213, S. 221 ff.; Amerikanische Menschenrechtskonvention, 22. November 1969, OAS Treaty Series, Nr. 36, S. 1 ff., ILM vol. 9 (1970), S. 673 ff.; African Charter on Human and Peoples’ Rights, ILM vol. 21 (1982), S. 59 ff. 51 Lauterpacht, International Law and Human Rights, S. 147. 52 Kelsen, The Law of the United Nations, S. 29 ff. 53 Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 12. 54 UNCIO vol. 6, UN Doc. 723 I/1A/19, S. 705.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

30

S. 30

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Die Nichtberücksichtigung der Menschenrechte in der UNC wurde zunächst als Niederlage für den Schutz der Menschenrechte empfunden. Die Verabschiedung einer unverbindlichen Menschenrechtserklärung durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen war hierfür zunächst nur ein ungenügender Ausgleich. Im Zuge der völkergewohnheitsrechtlichen Verankerung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Ausarbeitung der Menschenrechtspakte aus dem Jahre 1966 konnte dieser Rückschlag jedoch kompensiert werden. 2. Der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) Nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Jahre 1948 blieb die politische Forderung im Raum, einen universellen, völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zum Schutze der Menschenrechte zu erarbeiten. Bis zur Erreichung dieses Zieles vergingen fast 30 Jahre. Zunächst als Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen erarbeitet und einstimmig verabschiedet55 und gleichzeitig als völkerrechtlicher Vertrag zur Unterzeichnung und Ratifizierung freigegeben, trat der IPbürgR56 schließlich am 23. März 1976 nach Hinterlegung der 35. Ratifikationsurkunde (Art. 49 Abs. 1 IPbürgR) als völkerrechtlicher Vertrag in Kraft. Seitdem ist er von 67 Staaten unterzeichnet und von 151 Staaten ratifiziert worden.57 Die Entstehungsgeschichte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 und des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember überschneidet sich, da die Entwürfe zu den Menschenrechtserklärungen von den selben Gremien, insbesondere der Menschenrechtskommission, ausgearbeitet worden sind.58 Die Menschenrechtskommission und das so genannte drafting committee haben die Entwürfe in einem UN Dokument veröffentlicht.59 In weiten Teilen sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der IPbürgR deckungsgleich, allerdings weicht der Wortlaut in einigen Artikeln und auch in dem die Religionsfrei_____________ 55 UN Doc. GA/RES 2200 (XXI). 56 UNTS vol. 999, S. 171 ff.; hierzu siehe auch Partsch, Freedom of Conscience and Expression, and Political Freedoms, S. 209 ff.; Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 81 ff. 57 UN Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 169. 58 Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 124; Lerner, Religious Human Rights Under the United Nations, S. 79 (91). 59 Siehe z.B. UN Doc. E/600; UN Doc. E/CN.4/95; UN Doc. E/800.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 31

31

heit betreffenden Artikel ab. So wurde noch in den ersten Entwürfen zum IPbürgR das Recht auf Wechsel des Glaubens ausdrücklich gewährleistet.60 Die Vertreter der islamischen Staaten trugen jedoch gegen eine entsprechende Formulierung Bedenken vor und konnten eine ausdrückliche Einbeziehung des Religionswechsels in den Pakt verhindern.61 Wie unten jedoch noch zu erörtern sein wird, ist jedoch davon auszugehen, dass die gegenüber der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte abweichende Formulierung keine Einschränkung des Schutzbereiches bedeutet.62 In anderen Punkten geht der Schutzbereich des Art. 18 IPbürgR jedoch über den der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formulierten Text hinaus. So gewährleistet Art. 18 IPbürgR das Recht der Eltern, die religiöse Erziehung der Kinder zu bestimmen. a) Die Religionsfreiheit nach Art. 18 IPbürgR aa) Überblick Die Religionsfreiheit ist im IPbürgR in Art. 18 geschützt.63 Art. 18 Abs. 1 IPbürgR lautet: „Everyone shall have the right to freedom of thought, conscience and religion. This right shall include freedom to have or to adopt a religion or belief of his choice, and freedom, either individually or in community with others and in public or private, to manifest his religion or belief in worship, observance, practice and teaching.“

Der Schutzbereich dieses Rechtes aus Art. 18 IPbürgR ist sehr umfassend, und seine Formulierung steht unverkennbar unter dem Einfluss der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948.64 Geschützt wird nicht nur die Freiheit der Religion, sondern auch die Weltanschauungs- und Gewissensfreiheit, und zwar unabhängig davon, ob hiervon individuell oder kollektiv Gebrauch gemacht wird.65 Diese Konstruktion bringt den Vorteil mit sich, dass Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Religion _____________ 60 UN Doc. E/1371; UN Doc. E/600, S. 33; UN Doc. E/CN.4/95, S. 29; UN Doc. E/800. 61 Siehe hierzu unten bb). 62 Siehe hierzu unten III.2. 63 Umfassend hierzu auch Klein/Schäfer, Religionsfreiheit und Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, S. 127 ff. 64 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (87). 65 Das UN Human Rights Committee erläutert den Schutzbereich des Art. 18 in dem General Comment No. 22 (48), GAOR, 48th Session, Supp. No. 40, A/48/40, Annex VI (1993); dieser ist auch in HRLJ vol. 15 (1994), S. 233 f. abgedruckt.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

32

S. 32

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

und Weltanschauung entfallen, da jeder religiöse und auch nicht-religiöse Glaube in den Schutzbereich des Art. 18 IPbürgR fällt. Dies wird auch anhand des französischen Textes des Paktes deutlich, der den Begriff conviction verwendet. Somit kann auch die Frage eindeutig bejaht werden, dass auch nicht-religiöse Weltanschauungen Bestandteil des Art. 18 IPbürgR sind66 (entsprechende Hinweise lassen sich auch in den travaux préparatoires finden). Die Bedeutung des Schutzes der Religionsfreiheit im System des IPbürgR wird schon durch deren Klassifizierung als notstandsfestes Recht gemäß Art. 4 Abs. 2 IPbürgR deutlich.67 Das Menschenrecht aus Art. 18 IPbürgR hat einen Doppelcharakter,68 was bedeutet, dass sich die Schutzgüter dieser Norm, die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, sowohl auf den privaten als auch auf den öffentlichen Bereich beziehen. Darüber hinaus schützt Art. 18 Abs. 4 IPbürgR die Eltern in ihrer Freiheit, die Erziehung ihrer Kinder religiös auszurichten.69 Diese Norm steht einem staatlichen neutralen Religions- und Ethikunterricht nicht entgegen.70 bb) Recht auf Wechsel der Religion Wie oben bereits kurz angesprochen wird im Gegensatz zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Recht auf Wechsel der Religion nicht ausdrücklich unter Schutz gestellt.71 Die Frage, ob Art. 18 Abs. 1 IPbürgR eine solche Formulierung enthalten sollte, wurde in den Gremien ausführlich diskutiert.72 Ein ursprünglicher Entwurf orientierte sich an der Allge_____________ 66 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 14. Insbesondere die Staaten des früheren Ostblocks setzten sich für den Schutz nicht-religiöser Weltanschauungen ein. 67 Dies bedeutet, dass das Recht der Religionsfreiheit auch in Zeiten des Notstandes nicht derogiert werden kann. Einen rechtlichen Überblick über die Voraussetzungen der Derogierung von Menschenrechten in Zeiten des Notstandes siehe Hadden, Human Rights Abuses and the Protection of Democracy During States of Emergency, S. 111 ff. 68 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 7. 69 Art. 18 Abs. 4 IPbürgR lautet: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.“ 70 UN Human Rights Committee, General Comment No. 22, GAOR, 48th Session, Supp. No. 40, A/48/40, para. 6, abgedruckt in: HRLJ vol. 15, S. 233, para. 6. 71 In verschiedenen Entwürfen der Menschenrechtskommission zum IPbürgR wurde das Recht auf Wechsel der Religion hingegen aufgenommen, UN Doc. E/1371; UN Doc. E/600, Art. 16; UN Doc. E/CN.4/95, Art. 16; Art. 16 UN Doc. E/800. 72 Third Committee, 9th Session (1954), S. 107 ff.; 15th Session (1960), S. 197 ff.; UN Doc. A/C.3/SR.1021, paras. 6 ff. (Hier spricht sich Saudi-Arabien gegen die

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 33

33

meinen Erklärung der Menschenrechte.73 Allerdings sprachen sich islamische Staaten gegen die ausdrückliche Aufnahme eines Rechtes auf Wechsel der Religion in die Bestimmung aus.74 Hintergrund der Ablehnung des Rechtes auf Wechsel der Religion ist die Tatsache, dass Wechsel und Aufgabe der islamischen Religion nach Ansicht der meisten islamischen Rechtswissenschaftler und auch Staaten nicht mit dem islamischen Recht zu vereinbaren ist. Auf internationaler Ebene begründeten die Vertreter der islamischen Staaten ihre Ansicht damit, dass sie eine illegitime Förderung von Missionierungsbestrebungen fürchteten.75 Andere wiederum hielten die ausdrückliche Einbeziehung für überflüssig, da dieses ohnehin im Recht der Religionsfreiheit enthalten sei.76 Um einer ausdrücklichen Einbeziehung des Rechtes auf Wechsel der Religion entgegenzuwirken, brachte Saudi-Arabien einen eigenen Vorschlag zur Formulierung des Art. 18 IPbürgR ein, der auf die ausdrückliche Einbeziehung des Rechts auf Wechsel der Religion verzichtete.77 Vertreter westlicher Staaten hingegen fürchteten, dass die Unterlassung der Einbeziehung des Rechtes des Religionswechsels gleichbedeu_____________ ausdrückliche Aufnahme des Rechtes auf Wechsel der Religion aus). UN Doc. A/C.3/SR.10222 (1960), para. 5. Die Vereinigten Arabischen Emirate sprachen sich dagegen aus, das Recht auf Wechsel der Religion ausdrücklich in die Erklärung aufzunehmen, UN Doc. A/C.3/SR.1026, para. 13. (Großbritannien spricht sich für das Recht auf Religionswechsel aus, para. 18 Afghanistan dagegen). Pakistan sprach sich gegen den saudi-arabischen Vorschlag und für die ausdrückliche Einbeziehung des Rechtes auf Wechsel der Religion aus, UN Doc. A/C.3/SR.1024 (1960), para. 23. In der Debatte um den Entwurf UN Doc. E/2753 machten Vertreter einiger Staaten jedoch deutlich, dass, falls der saudi-arabische Vorschlag zur Streichung des Rechts auf Wechsel der Religion angenommen werde, dies nichts daran ändere, dass dieses Recht von der Religionsfreiheit umfasst sei, UN Doc. A/C.3/SR.1024, para. 2 (Kanada), UN Doc. A/C.3/SR.1025, para. 39 (Libanon). 73 Der damalige Art. 16 eines Entwurfes aus dem Jahre 1949 lautete: „Everyone has the right to freedom of thought, conscience and religion; this right includes freedom to change his religion or belief, and freedom, either alone or in community with others and in public or private, to manifest his religion or belief in teaching, practice, worship and observance.“ (UN Doc. E/1371). 74 UN Yearbook 1960, S. 329. UN Doc. A/C.3/SR.288 (1950), para. 26, UN Doc. A/C.3/SR.302 (1950), para. 7 (Ägypten); UN Doc. A/C.3/SR. 289 (1950), paras. 40 f. (1950), UN Doc. A/C.3/SR.306 (1950), para. 47, UN Doc. A/C.3/SR.367 (1951), para. 41 (Saudi-Arabien); UN Doc. A/C.3/SR.290 (1950), para. 62 (Jemen); UN Doc. A/C.3/SR.306 (1950), para. 51 (Afghanistan). 75 UN Doc. A/C.3/SR.367 (1951), para. 41; Ägypten: UN Doc. A/C.3/SR.288 (1950), para. 26, SR. 302 (1950), para. 7; Saudi-Arabien: UN Doc. A/C.3/SR.289, SR. 306, A/C.3/SR.367, paras. 40–47; A/C.3/SR.306, § 47–48; A/C.3/SR.563, § 11; A/C.3/SR.1021, § 11; A/C.3/SR.1023, § 11, § 16; A/C.3/SR.1025, Jemen: UN Doc. A/C.3/SR.290 (1950), para. 62; Afghanistan: UN Doc. A/C.3/SR.306 paras. 50–52. 76 Z.B. Ägypten UN Doc. A/C.3/SR.288 (1950), para. 26. 77 UN Doc. A/C.3/L.876.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

34

S. 34

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

tend mit der Verweigerung eines entsprechenden Rechtes sei.78 So sah ein Vorschlag der USA die ausdrückliche Einbeziehung des Rechts auf Wechsel der Religion vor.79 Ägypten hingegen bemühte sich, ähnlich wie SaudiArabien, das ausdrückliche Recht auf Wechsel der Religion aus dem Text herauszunehmen. Der Vorschlag80 fand jedoch keine Mehrheit und wurde in der Menschenrechtskommission abgelehnt.81 Vielfach wird jedoch ohnehin angenommen, dass das Recht auf Wechsel der Religion von Art. 18 Abs. 1 IPbürgR umfasst ist.82 Schon Krishnaswami83 stellte in seinem Bericht aus dem Jahre 1959 fest, dass das Recht auf Wechsel der Religion von dem Menschenrecht der Religionsfreiheit umfasst und dies auch allgemein anerkannt sei.84 Dies hätte zur Konsequenz, dass das Recht auf Wechsel der Religion in jedem Fall vom Recht der Religionsfreiheit umfasst sei, unabhängig davon, ob es ausdrücklich erwähnt ist oder nicht. Allerdings beinhaltet das Recht, eine Religion zu haben, nicht ohne weiteres das Recht auf Wechsel der Religion. Es erscheint seiner Ansicht nach möglich, dass das Recht, eine Religion zu haben, gewährleistet sei, und dass gleichzeitig der Religionswechsel verboten sei.85 Andere Autoren hingegen gehen davon aus, dass das Recht auf Wechsel beziehungsweise Aufgabe einer Religion keinen selbständigen Bestandteil des Menschenrechtes der Religionsfreiheit darstellt.86 Dies steht im Gegensatz zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die das Recht auf Wechsel der Religion ausdrücklich erwähnt, was nach Kimminich wegen der fehlenden selbständi_____________ 78 UN Doc. A/C.3/SR.306 (1950), para. 44, Niederlande; UN Doc. A/C.3/SR.371 (1951), para. 18, Frankreich. 79 UN Doc. E/CN.4/37 (Art. 12). 80 Der Vorschlag lautete: „Add the following sentence: Nevertheless, any change of religion made unlawfully or to evade obligations under the law governing the personal status of the person concerned shall be declared null and void.“ (UN Doc. E/CN.4/382 vom 30. März 1950). 81 UN Doc. E/CN.4/SR.161, para. 42. 82 UN Human Rights Committee, General Comment No. 22, GAOR, 48th Session, Supp. No. 40, A/48/40, para. 5; HRLJ vol. 15, S. 233, para. 5; Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (91); Partsch, Freedom of Conscience and Expression, and Political Freedoms, S. 209 (211); Scheinin, Article 18, S. 379 (383); Walkate, The Right of Everyone to Change his Religion or Belief, S. 146 (154); Krishnaswami, Study of Discrimination, in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 24 f. 83 Früherer Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zum Menschenrecht der Religionsfreiheit. 84 Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 24 f. 85 Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 16. 86 Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 100.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 35

A. Völkerrechtliche Verträge

35

gen Bedeutung aber nicht auf eine unterschiedliche Fassung des Schutzbereiches hinausläuft. Denn in dem Pakt ist das Recht enthalten, eine Religion anzunehmen, und dieses Recht ist nicht auf Personen beschränkt, die zuvor religionslos waren.87 Als Kompromiss wurde schließlich der brasilianisch-philippinische Antrag am 18. November 1960 im 3. Ausschuss ohne Gegenstimme angenommen.88 Diese Formulierung ersetzte die ausdrückliche Gewährleistung des Rechts auf Wechsel der Religion („to maintain or to change his religion or belief“) durch die Passage „to have a religion or belief of his choice“. Auf Vorschlag des britischen Vertreters wurden noch die Worte „or to adopt“ eingefügt. Die in dieser Form angenommene Formulierung hatte zwei entscheidende Vorteile: Zum einen führte die Herausnahme des Rechts auf Religionswechsel letztlich dazu, dass der Pakt einstimmig angenommen werden konnte. Keiner der islamischen Staaten hat einen Vorbehalt gegen den Art. 18 des IPbürgR eingelegt. Dennoch ist weiterhin das Recht auf Religionswechsel von Art. 18 IPbürgR umfasst, sichergestellt dadurch, dass jeder das Recht hat, eine Religion zu haben oder anzunehmen.89 Nach Art. 18 Abs. 2 IPbürgR darf niemand einem Zwang ausgesetzt werden, der die Rechte aus Art. 18 Abs. 1 IPbürgR beeinträchtigen würde. Der Begriff des Zwanges ist so zu verstehen, dass hiermit nicht nur Gewaltanwendung oder gewaltähnlicher Zwang gemeint ist, sondern dass hiervon schon jede die legitime Beeinflussung überschreitende Einwirkung auf eine Person umfasst ist.90 cc) Schranken der Religionsfreiheit gemäß Art. 18 Abs. 3 IPbürgR Die Einschränkungsmöglichkeiten der in Art. 18 IPbürgR beschriebenen Freiheiten unterliegen den im dritten Absatz des Artikels qualifizierten Vorbehalten. Die aktive Ausübung der Religionsfreiheit darf nur dann unter der Maßgabe des Art. 18 Abs. 3 IPbürgR eingeschränkt werden, sofern dies in der Öffentlichkeit geschieht. Betreibt jemand seine Religion in privaten Räumen, so ist Art. 18 Abs. 3 IPbürgR hierauf nicht anwendbar.91 _____________ 87 Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 104. 88 UN Yearbook 1960, S. 329; UN Doc. E/2256, Annex I, Article 13; hierzu siehe Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 12 f. 89 Partsch, Freedom of Conscience and Expression, and Political Freedom, S. 209 (211). 90 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (91). 91 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18 Rn. 21 und 31.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

36

S. 36

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Die Religionsfreiheit darf einmal zugunsten der öffentlichen Sicherheit eingeschränkt werden. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der zwar zumindest in der deutschen Rechtsordnung durch Literatur und Rechtsprechung einen rechtlichen Rahmen erhalten hat, auf völkerrechtlicher hat der Begriff jedoch keine Konkretisierung erfahren. In der Literatur finden sich häufig demzufolge auch nur Beispiele für Fälle, bei denen der Tatbestand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zweifellos gegeben ist. Als Beispiele dienen öffentliche Religionsbekundungen oder religiös motivierte Ausschreitungen, die mit einer Gefahr für Personen oder Sachen verbunden sind.92 Ferner darf die Religionsfreiheit zugunsten der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten eingeschränkt werden, soweit dies verhältnismäßig ist.93 Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die Religionszugehörigkeit selbst unter keinen Umständen eingeschränkt werden kann. Aus diesen Formulierungen ergibt sich, dass die Religionsfreiheit nur in ihrer Bekundung, also im forum externum, eingeschränkt werden darf.94 Soweit jedoch der Religionswechsel lediglich das forum internum betrifft, sind keinerlei einschränkende Maßnahmen möglich.95 b) Der indirekte Schutz der Religionsfreiheit nach Art. 27 IPbürgR Der Schutz der Menschenrechte in völkerrechtlichen Verträgen war lange Zeit auf den Individualschutz ausgerichtet. Dies trifft auch auf die Menschenrechtspakte aus dem Jahre 1966 zu. Rechte, deren Träger insbesondere Gruppen sind, sind hingegen erst in jüngerer Zeit Bestandteil des Menschenrechtsschutzes geworden.96 Ebenso enthalten andere regionale Menschen_____________ 92 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 36. 93 Zu diesen Begriffen siehe Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 38 ff. 94 Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass lediglich die Freiheit der Ausübung der Religion nach Art. 9 Abs. 2 EMRK eingeschränkt werden kann. So beispielsweise in Kokkinakis v. Greece, Judgment (25 May 1993), 260 Eur Ct HR ser. A, para. 33. 95 Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 16. 96 Diese werden als Rechte der dritten Generation bezeichnet. Rechte der ersten Generation sind die klassischen Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Zu den Rechten der zweiten Generation werden soziale und wirtschaftliche Rechte gerechnet. Riedel verwendet statt des Begriffs der Generation den der Dimension. Siehe hierzu insgesamt Riedel, Menschenrechte der dritten Dimension, EuGRZ, Bd. 16 (1989), S. 9 ff.; Ipsen, Individualschutz im Völkerrecht, § 48 Rn. 38.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 37

37

rechtsabkommen ausdrückliche Bestimmungen zum Schutze von Minderheiten. Im Vorfeld der Verabschiedung des IPbürgR war die Formulierung des Art. 27 IPbürgR sehr umstritten.97 Auch wenn man bei der Formulierung des Art. 27 IPbürgR nicht von einem umfassenden, lückenlosen Minderheitenschutz sprechen kann, so kann dennoch die Tatsache, dass man sich überhaupt auf eine entsprechende Bestimmung geeinigt hat, nicht hoch genug bewertet werden.98 aa) Der Schutzbereich des Art. 27 IPbürgR Die Rechte von Minderheiten werden nach Art. 27 IPbürgR geschützt. Art. 27 IPbürgR lautet: „In those states in which ethnic, religious or linguistic minorities exist, persons belonging to such minorities shall not be denied the right, in community with the other members of their group, to enjoy their own culture, to profess and practise their own religion, or to use their own language.“

Im Rahmen der Ausarbeitung des Art. 27 IPbürgR nahm die Diskussion, welche Minderheiten in den Schutzbereich des Art. 27 IPbürgR fallen sollten, breiten Raum ein.99 Einige Staaten, insbesondere die kommunistischen, sprachen sich dafür aus, lediglich nationale Minderheiten von Art. 27 IPbürgR umfassen zu lassen.100 Der Vertreter der Sowjetunion in der Menschenrechtskommission, in der der Entwurf des Paktes diskutiert wurde, schlug vor, jedenfalls religiöse Minderheiten von dem Schutz des Art. 27 IPbürgR auszunehmen.101 Die Vertreter dieser Staaten argumentierten, dass ethnische, religiöse und sprachliche Gruppen im Falle ihrer Anerkennung als Minderheit schon Schutz verlangen könnten, auch wenn sie nicht als _____________ 97 Zu der Entstehungsgeschichte des Art. 27 IPbürgR siehe Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Add.2, paras. 84 ff.; Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 149 ff. 98 Ähnlich Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27. Rn. 4; Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 ff. 99 Zum Begriff der religiösen Minderheit siehe Hofmann, Religion und Minderheitenschutz, S. 157 (171 ff.). 100 Es sei dabei angemerkt, dass bereits die Verträge zur Anerkennung der Souveränität verschiedener Staaten nach dem Ersten Weltkrieg zwischen den Alliierten und jeweils Bulgarien, Polen, dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, der Tschechoslowakei, Rumänien und Griechenland von religiösen Minderheiten sprachen und somit religiöse Minderheiten vom Minderheitenschutz umfasst sahen. Zu diesen Verträgen siehe oben, 2. Kapitel, A.I. 101 Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Add.2, para. 92.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

38

S. 38

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

nationale Minderheit anerkannt seien.102 Die übrigen Mitglieder der Menschenrechtskommission sahen jedoch die Eingrenzung des Art. 27 IPbürgR auf nationale Minderheiten als zu eng an, weshalb sich dieser Vorschlag nicht durchsetzen konnte. Unklar war zunächst auch, ob neben der Sprache auch die Zugehörigkeit zu derselben Religion dem Gemeinschaftsgefühl Ausdruck verleihen kann, so dass eine ethnische Minderheit auch eine religiöse Minderheit darstellen kann.103 Nach der Auffassung Capotortis stellt eine Minderheit eine Personengruppe dar, die zahlenmäßig kleiner ist als die größte Bevölkerungsgruppe des betreffenden Staates und die sich zusätzlich nicht in einer dominanten Position befindet. Sie weist Merkmale auf, die sie von den anderen Bürgern des Aufenthaltsstaates unterscheidet und ein Solidaritätsgefühl erkennen lässt.104 Überträgt man die Definition Capotortis auf religiöse Minderheiten, so stellt das Kriterium eines gemeinsamen religiösen Bekenntnisses einen weiteren Aspekt dar, der der Definition beizufügen ist.105 Diese Definition bezieht sich jedoch nur auf den Art. 27 IPbürgR und beruht auf einer großen Anzahl von Vorschlägen von Regierungen und der Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes.106 Die Angehörigen einer Minderheit müssen nicht notwendig Bürger des Staates sein, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt haben.107 Zwar wird von manchen Autoren vertreten, dass die Angehörigen einer Minderheit die Staatsangehörigkeit ihres Aufenthaltsstaates besitzen müssen, um in den Schutzbereich des Art. 27 IPbürgR zu gelangen,108 allerdings spricht Art. 27 IPbürgR von Personen und nicht von Staatsangehörigen.109 Gegen diese Interpretation spricht auch die Entstehungsgeschichte des Paktes: So hatte _____________ 102 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (66). 103 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (58 f.); Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 109. 104 Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Add.1, paras. 32 ff. 105 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (57). 106 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 13; vgl. PCIJ, Greco-Bulgarian Communities Case, Urteil vom 31.07.1930, Ser. B No. 17, S. 4 (19, 21, 22, 33); PCIJ, Minority Schools in Albania, Advisory Opinion vom 06.04.1935, Ser.A/B No.64, S. 4 (17). 107 UN Human Rights Committee, General Comment No. 23 (50) on Article 27, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5, vom 6. April 1994, para. 5.1, abgedruckt in: HRJ vol. 15 (1994), S. 234 ff. 108 Ermacora, The Protection of Minorities Before the United Nations, RdC t. 182 (1983-IV), S. 247 (305). 109 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 16.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 39

39

der indische Vertreter in der Menschenrechtskommission vorgeschlagen, den Begriff „person“ durch „citizen“ zu ersetzen,110 jedoch hatte sich dieser Vorschlag nicht durchsetzen können. Zwar herrschen Bedenken, dass Immigranten vorschnell als Minderheit anerkannt werden könnten und so in manchen Staaten die nationale Einheit gefährdet werden könnte.111 Allerdings zeigen die Entstehungsgeschichte und die hier dargelegte Definition des Begriffes der Minderheit, dass eine gewisse Stabilität Voraussetzung der Einstufung einer Gruppierung als Minderheit ist.112 Bisher kennt das Völkerrecht keine genaue Umschreibung des Begriffes Minderheit, die allgemein anerkannt ist.113 Die in verschiedenen Dokumenten vorgeschlagenen Definitionen haben jedoch sehr viele Gemeinsamkeiten, weshalb von manchen Autoren die Notwendigkeit einer abschließenden Definition nicht gesehen wird.114 Spätestens seit der Verabschiedung der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Schutze von Minderheiten115 herrscht Klarheit darüber, dass auch religiöse Gruppen, die zahlenmäßig unterlegen sind und sich in einem Staat über einen gewissen Zeitraum aufhalten, eine Minderheit i.S.d. Völkerrechts darstellen.

_____________ 110 UN Doc. A/C.3/SR.1103, § 38. 111 Entsprechende Bedenken herrschten zum Beispiel in südamerikanischen Staaten, Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 19. Eine Reihe amerikanischer Staaten, mit Ausnahme Venezuelas, zeigte seit dem Zweiten Weltkrieg kein besonderes Interesse an der Formulierung von Minderheitenrechten. Aufgrund der in den Einwandererstaaten Amerikas betriebenen Assimilierung verneinten diese die Existenz eines Minderheitenproblems, Morsink, Cultural Genocide, HRQ vol. 21 (1999), S. 1009 (1036). 112 UN Doc. A/2929, 63 (para. 186); UN Doc. A/5000, paras. 120, 122; Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 (960); Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (57). 113 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (56); Alfredsson/de Zayas, Minority Rights: Protection by the United Nations, HRJ vol. 14 (1993), S. 1 (3). 114 Siehe beispielsweise UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1985/31, paras. 1–9: UN Doc. E/CN.4/1987/WG.5/WP.1 Diese Auffassung wird beispielsweise von Alfredsson/de Zayas, Minority Rights: Protection by the United Nations, HRJ vol. 14 (1993), S. 1 (3) vertreten. 115 Declaration on the Rights of Persons Belonging to National or Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. GA RES 47/135 vom 18. Dezember 1992.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

40

S. 40

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

bb) Verhältnis des Art. 27 IPbürgR zu Art. 18 IPbürgR Nicht eindeutig geklärt ist ebenfalls die Frage, in welchem Verhältnis die Art. 18 IPbürgR und 27 IPbürgR zueinander stehen.116 Es stellt sich die Frage, inwiefern die in Art. 27 IPbürgR garantierten Rechte über den Schutzbereich des Art. 18 IPbürgR hinausgehen.117 Nach dem Wortlaut des Art. 27 IPbürgR werden die Angehörigen der Minderheiten geschützt, woraus geschlossen wird, dass dieser Artikel lediglich Individualschutz bietet.118 Allerdings lassen sich bezüglich der Religionsfreiheit individuelle und kollektive Aspekte nicht strikt trennen; das individuelle Recht der Religionsfreiheit beinhaltet auch, sich einer religiösen Gruppe anzuschließen oder gemeinsam mit anderen von der Religionsfreiheit Gebrauch zu machen.119 Des Weiteren stellte sich im Falle einer engen Auslegung des Art. 27 IPbürgR die Frage, worin im Hinblick auf religiöse Minderheiten noch die eigenständige Bedeutung dieses Artikels gegenüber Art. 18 IPbürgR läge.120 Legt man den Art. 27 IPbürgR hingegen weit aus, mit der Konsequenz, dass auch Gruppenrechte von seinem Schutzbereich umfasst sind, stellt sich ein Folgeproblem, nämlich die Abgrenzung des Art. 27 IPbürgR zu dem Recht auf Selbstbestimmung aus Art. 1 IPbürgR.121 Immerhin ist jedoch die weit überwiegende Mehrheit der Autoren der Ansicht, dass Art. 27 IPbürgR nicht kollektiv durch eine Minderheit durchgesetzt werden kann.122 Gegen die weite Auslegung des Art. 27 IPbürgR spricht weiterhin seine systematische Interpretation im Zusammenhang mit anderen Resolutionen der Ge_____________ 116 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 47 f.; Gilbert, Religious Minorities and Their Rights, IJMGR vol. 5 (1997), S. 97 ff. 117 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (65 ff.). 118 Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 (954); Capotorti, Study of the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious, and Lingistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Add.2, paras. 125 ff.; Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 173 ff.; Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 31; Wolfrum, The Progressive Development of Human Rights, S. 67 (92). 119 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (68). Hierzu Ermacora, The Protection of Minorities Before the United Nations, RdC t. 182 (1983-IV), S. 247 (308 f., 321 ff.). 120 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (66). 121 UN Human Rights Committee, General Comment No. 23 (50) on Article 27, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.5, vom 6. April 1994, para. 2, abgedruckt in: HRJ vol. 15 (1994), S. 234 ff. 122 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 36 m. w. N.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 41

41

neralversammlung: So gewährt beispielsweise die Resolution bezüglich der Rechte von Minderheiten ausdrücklich nur Individuen eigene Rechte.123 Deshalb ist davon auszugehen, dass Art. 27 IPbürgR nur den einzelnen Angehörigen einer Minderheit, aber nicht der Minderheit als solche Rechte verleiht. cc) Schutzpflichten Ob eine Norm des Paktes auch positive Schutzpflichten enthält, ist für jede einzelne Norm gesondert zu prüfen.124 Gerade im Hinblick auf in vielen Staaten und auch in Ägypten wiederholt auftretende religiöse oder ethnische Ausschreitungen125 ist die Frage aufzuwerfen, inwiefern aus Art. 27 IPbürgR positive Schutzpflichten abzuleiten sind. Den Vertragsstaaten könnte aus Art. 27 IPbürgR eine Pflicht erwachsen, ihre Staatsangehörigen vor Verletzungen ihrer Minderheitenrechte durch Private zu schützen. Eine Reihe von Autoren geht jedoch davon aus, dass aus Art. 27 IPbürgR keine originären positiven Schutzpflichten126 abzuleiten sind.127 Begründet wird diese Auffassung u.a. damit, dass entsprechende Pflichten insbesondere in Vielvölkerstaaten nicht realistisch wären.128 Allerdings erscheint es mit Sinn und Zweck des IPbürgR nicht zu vereinbaren zu sein, den Schutz von Minderheiten aufgrund einer mangelnden Durchsetzbarkeit einzuschränken. Vor dem Hintergrund sich ereignender Menschenrechtsverletzungen trifft die mangelnde Durchsetzbarkeit im Übrigen auf eine Reihe anderer durch den Pakt gewährter Rechte zu. Deshalb ist davon auszugehen, dass Art. 27 IPbürgR Schutzpflichten zugunsten von Minderheiten enthält. Mittelbare positive Pflichten sind aber in Art. 27 IPbürgR nach allgemeiner Ansicht enthalten: So ist ein Staat, der einer Bevölkerungsgruppe Vorteile einräumt, dazu verpflichtet, diese Vorteile auch anderen Bevölkerungsgruppen zukommen zu lassen.129 _____________ 123 Declaration on the Rights of Persons Belonging to National or Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, GA Res. 47/135 vom 18. Dezember 1992, abgedruckt in: HRJ vol. 14 (1993), S. 54 ff. 124 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 44. 125 Siehe hierzu 4. Kapitel, F.II. 126 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 46. 127 Siehe beispielsweise Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 (970). 128 Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 (969). 129 Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 (970).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

42

S. 42

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

dd) Einschränkungsmöglichkeiten Schließlich ist noch zu erörtern, unter welchen Bedingungen die Freiheiten aus Art. 27 IPbürgR eingeschränkt werden können. Im Gegensatz zu den meisten anderen Normen des Paktes enthält Art. 27 IPbürgR keine Schrankenregelung. In der Literatur finden sich Stimmen, die für eine Übertragung der Schranken anderer Art. des IPbürgR eintreten.130 Allerdings stellt Art. 27 IPbürgR eine klassische Minderheitenbestimmung dar. Nur weil es Ähnlichkeiten in den Schutzbereichen im Verhältnis zu anderen Artikels des Paktes gibt, bedeutet dies noch nicht, dass die Schranken zu übertragen sind.131 Es ist damit davon auszugehen, dass es sich um ein schrankenlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Religiöse Minderheiten fallen, unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit in den Schutzbereich des Art. 27 IPbürgR, sofern sie eine gewisse Stabilität aufweisen. Der Staat ist dazu verpflichtet, die Minderheiten unter seinen Schutz zu stellen und ihnen so die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen. c) Die Religionsfreiheit nach Art. 20 IPbürgR Das Menschenrecht der Religionsfreiheit wird auch durch Art. 20 Abs. 2 IPbürgR geschützt.132 Art. 20 Abs. 2 IPbürgR stellt jedoch im System des Paktes eine Besonderheit dar, als dass er keine subjektiven Rechte gewährt, sondern bestimmte Handlungen verbietet.133 Demnach sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, gesetzlich zu verbieten. Der Terminus religiöser Hass bezieht sich auf alle Religionen, die in den Schutzbereich des Art. 18 Abs. 1 und 2 IPbürgR fallen.134 d) Verbot der Diskriminierung nach Art. 2 Abs. 1 IPbürgR Gemäß Art. 2 Abs. 1 IPbürgR ist jede Diskriminierung basierend auf der Religion verboten. Eng im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit ist das _____________ 130 Tomuschat, Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, S. 949 (970). 131 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 47. 132 Art. 20 Abs. 2 IPbürgR lautet: „Any advocacy of national, racial or religious hatred that constitutes incitement to discrimination, hostility or violence shall be prohibited by law.“ 133 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 20, Rn. 2. 134 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 20, Rn. 16.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 43

43

Diskriminierungsverbot zu betrachten. Richter Tanaka definierte im South West Africa Case in seiner dissenting opinion Gleichheitsrechte als ein Konzept, welches die unterschiedliche Behandlung dann erlaubt, wenn diese auf einer objektiven Rechtfertigung beruht, soweit die ungleiche Behandlung verhältnismäßig zum Rechtfertigungsgrund ist und als gerecht und vernünftig zu werten ist.135 Das Verbot der Diskriminierung bezieht sich nicht nur auf die im Pakt garantierten Rechte, sondern stellt ein allgemeines Verbot der Diskriminierung dar.136 Nach Art. 26 IPbürgR sind vor dem Gesetz allen Menschen die gleichen Rechte zu gewährleisten. Allerdings ist nicht jede Ungleichbehandlung mit dem IPbürgR unvereinbar, sondern sie darf nicht diskriminierender Natur sein.137 Auch der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen (UN Human Rights Committee) geht davon aus, dass es keine absolute Gleichbehandlung gibt. Unterschiede können dann gemacht werden, wenn es hierfür objektive und vernünftige Kriterien gibt und das Ziel als der ungleichen Behandlung als legitim zu erachten ist.138 e) Ergebnis zum IPbürgR Insgesamt ist damit davon auszugehen, dass der IPbürgR einen umfassenden Schutz der Religionsfreiheit gewährleistet. Dies betrifft nicht nur die Ausübung der Religion selbst, sondern auch Rechte religiöser Minderheiten. Daneben stellt er religiöse Minderheiten unter einen umfassenden Schutz des Staates. 3. UNESCO-Abkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen Im Jahre 1960 wurde auf Betreiben der UNESCO eine Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen verabschiedet.139 Nach Art. 1 der _____________ 135 Dissenting Opinion of Judge Tanaka South West Africa Cases (Ethiopia vS. South Africa; Liberia vS. South Africa), 18 July 1966, ICJ Reports 1966, S. 250 (313 ff.). 136 Stahnke, Proselytism in Human Rights Law, BYULR vol. 1999, S. 251 (271). 137 Zu Art. 26 siehe Communication 172/1984 (Broeks v. the Netherlands), Report of the Commission of Human Rights, UN GAOR 42nd Session, Supp. No. 40./UN Doc. A/42/40 (1987). 138 U.N. GAOR, Hum. R. Comm., 45th sess., Supp. No. 40, S. 173. 139 UNESCO Convention against Discrimination in Education, UNTS vol. 429, S. 93 ff.; BGBl. 1968 II, S. 387 ff. (14.12.1960); hierzu Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 119 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

44

S. 44

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Konvention bezieht sich das Verbot auf jede Maßnahme, die eine Diskriminierung im Unterrichtswesen bewirkt. U.a. ist die Diskriminierung im Unterricht aus religiösen Gründen verboten. Gemäß Art. 3 und 4 der Konvention sind die Mitglieder dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Diskriminierung im Unterrichtswesen zu unterbinden. Das Recht der Freiheit der Religion ist mit dem Recht auf Bildung eng verbunden. Insbesondere im Hinblick auf die Wahl der Kleidung während des Besuches staatlicher Bildungseinrichtungen und die Religionsfreiheit ergeben sich besondere Problematiken. Das Tragen eines Kopftuches durch muslimische Lehrer- und Schülerinnen war und ist Gegenstand zahlreicher legislativer Maßnahmen und gerichtlicher Auseinandersetzungen.140 Die hierzu in der Literatur vertretenen Ansichten gehen sogar so weit, das Verbot des Tragens eines Kopftuches mit der Einführung des Ausschlusskriteriums Zugehörigkeit zum Islam gleichzusetzen.141 4. Die Völkermord-Konvention Die Völkermord-Konvention142 ist ein Instrument, welches den Tatbestand des Völkermordes formuliert und diesen auf völkervertraglicher Ebene als Verbrechen qualifiziert. Das Verbrechen des Völkermordes stellt nach allgemeiner Ansicht ein Delikt dar, welches als Verstoß gegen zwingendes _____________ 140 In Frankreich wurde mit Gesetz vom 10. Februar 2004 das Tragen des Kopftuches an staatlichen Schulen verboten. Der entsprechende Gesetzespassus lautet: „Dans les écoles, les collèges et les lycées publics, le port de signes ou tenues par lesquels les élèves manifestent ostensiblement une appartenance religieuse est interdit.“ Der EGMR fällte im Jahre 2004 ein Urteilzum Verbot des Tragens eines Kopftuches an der Universität Istanbul (Leyla ¡ahin v. Turkey, Judgment, 29 June 2004) und sah in dem Verbot des Tragens religiöser Symbole keine Verletzung des Art. 9 EMRK. Zu diesem Problem in Frankreich und in der Türkei siehe Giegerich, Religionsfreiheit als Gleichheitsanspruch und Gleichheitsproblem, S. 241 (291); Langenfeld, Staatlicher Bildungsauftrag und religiöse Selbstbestimmung, S. 311 (339 ff.). Auch in Deutschland kam es zu einer Reihe gerichtlicher Verfahren, die auch das Bundesverfassungsgericht erreichten, BVerfGE 108, S. 282 ff.; hierzu sieheWeber, Religiöse Symbole in der Einwanderungsgesellschaft, ZAR Bd. 24 (2004), S. 53 ff.; zu einem Fall in Ägypten, siehe Bälz, Islamisches Recht, staatliche Rechtsetzung und verfassungsgerichtliche Kontrolle, Der ägyptische Verfassungsgerichtshof und der Schleier in staatlichen Schulen, ZaöRV Bd. 57 (1997), S. 229 ff. 141 Giegerich, Religionsfreiheit als Gleichheitsanspruch und Gleichheitsproblem, S. 241 (267). 142 Die Konvention ist ursprünglich als Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet worden, UN Doc. 260 A (III) (9. Dezember 1948), und ist am 12. Januar 1951 als völkerrechtlicher Vertrag in Kraft getreten, UNTS vol. 78, S. 277 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 45

45

Völkerrecht zu werten ist.143 Die Konvention stellt eines der zentralen Völkerrechtsdokumente auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts dar. Ihr kommt für den Schutz der Menschenrechte und den Schutz der Existenz religiöser Gruppen besondere Bedeutung zu.144 Religiöse Gruppen erfahren durch die Konvention einen gewissen Schutz, denn Völkermord kann auch an einer religiösen Gruppe begangen werden. Maßnahmen, die die Zerstörung der Identität einer religiösen Gruppe intendieren, fallen nicht in den Bereich der Völkermord-Konvention.145 Dadurch dass die Konvention auch den Völkermord an einer religiösen Gemeinschaft in ihre Tatbestände aufgenommen hat, ist sie eng mit dem Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion verbunden.146 Die Konvention verdient deshalb schon besondere Beachtung, als dass sie ein Verbrechen gegen Gruppen definiert, eine Tatsache, die im Gegensatz insbesondere zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht.147 Im 20. Jahrhundert hat es eine Reihe völkerrechtlicher Verbrechen gegeben, welche die Tatbestandsmerkmale des Völkermordes nach Art. 2 i.V.m. Abs. 3 lit. a der Konvention erfüllen. Die Völkermorde, die im 20. Jahrhundert begangen wurden, richteten sich zu einem großen Teil, wenn auch nicht ausschließlich, gegen religiöse Gruppen. Zu nennen sind hier der Völkermord der Türken an den Armeniern,148 der Holocaust und der Völkermord an muslimischen Bosniaken während des Jugoslawien-Krieges. Diese hier genannten Völkermorde wurden zweifellos in der Absicht begangen, religiöse Gruppen zu zerstören.149 Die Völkermord-Konvention schützt die in ihr genannten Gruppen in ihrer Existenz, gewährt ihnen aber als solche keine Rechte. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Völkermord-Konvention für das Völkerrecht ist es dennoch besonders wichtig, dass religiöse Gruppen in die zu schützenden Gruppen aufgenommen wurden.

_____________ 143 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (88). 144 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (89). 145 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (89); Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (30 f.). 146 Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 95; McKean, Equality and Discrimination Under International Law, S. 105. 147 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (88, 90). 148 Hierzu Dadrian, Genocide as a Problem of National and International Law, YJIL vol. 14 (1989), S. 221 ff. 149 Zu den Hintergründen siehe Adams, A Human Rights Imperative: Extending Religious Liberty Beyond the Border, CILJ vol. 33 (2000), S. 1 (6 ff.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

46

S. 46

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

5. Die Kinderrechtskonvention (KRK) Die Konvention über die Rechte von Kindern150 wurde am 20. November 1989 einstimmig durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen.151 Zunächst eine unverbindliche Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, ist das Dokument in eine Konvention umgewandelt worden, die seit dem 26. Januar 1990 unterzeichnet und ratifiziert werden kann. 30 Tage nach der 20. Ratifizierung und Hinterlegung konnte die Konvention nach Art. 49 Abs. 1 KRK am 2. September 1990 in Kraft treten.152 Die Konvention schützt Personen, die jünger als 18 Jahre sind, es sei denn, das auf ein Kind anwendbare Recht sieht den Eintritt der Volljährigkeit in einem früheren Alter vor.153 In der Präambel und in den Art. 2, 14, 20, 29 und 30 KRK finden sich Bestimmungen zur Religionsfreiheit von Kindern. Die zentrale Norm, nach der Kindern Religionsfreiheit zu gewährleisten ist, findet sich in Art. 14 KRK. Art. 14 KRK lautet: „1. States Parties shall respect the right of the child to freedom of thought, conscience and religion. 2. States Parties shall respect the rights and duties of the parents and, when applicable, legal guardians, to provide direction to the child in the exercise of his or her right in a manner consistent with the evolving capacities of the child. 3. Freedom to manifest one’s religion or beliefs may be subject only to such limitations as are prescribed by law and are necessary to protect public safety, order, health or morals, or the fundamental rights and freedoms of others.“

Im Hinblick auf die Religionsfreiheit von Kindern gibt es spezielle Probleme, die darauf zurückzuführen sind, dass Kinder leichter beeinflussbar sind. Hierin liegt denn auch die Begründung, dass die Formulierung des Rechtes der Religionsfreiheit in der Kinderrechtskonvention sich von der des IPbürgR unterscheidet. Spezieller Regelungen bedarf z.B. die Frage, inwiefern Kinder selbst über religiöse Fragen entscheiden können und wie_____________ 150 ILM vol. 28 (1989), S. 1448 ff.; GA RES 44/25 (1989). Zu der Konvention über die Rechte von Kindern im Hinblick auf die Religionsfreiheit siehe den Bericht des Sonderberichterstatters zur Religionsfreiheit der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, UN Doc. E/CN.4/2002/73/Add.2, paras. 73 ff. 151 Zur Entstehungsgeschichte der Konvention siehe Dorsch, Rechte des Kindes, S. 135 ff. Einen Überblick über die in der Konvention enthaltenen Rechte liefert Bossuyt, La Convention des Nations Unies sur les droits de l’enfant, RUDH t. 2 (1990), S. 141 ff. 152 Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 294. 153 Art. 1 KRK.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 47

47

weit der Einflussbereich der Eltern geht.154 Art. 14 Abs. 2 KRK der Konvention stellt zum einen klar, dass den Eltern das Recht der religiösen Erziehung obliegt. Im zweiten Halbsatz werden die Staaten dazu verpflichtet sicherzustellen, dass das Kind entsprechend seiner Fähigkeiten seine ihm gewährleisteten Rechte ausüben kann. Ursprünglich war der die Religionsfreiheit von Kindern betreffende Artikel in einem vorhergehenden Entwurf sehr viel weiter gefasst. So lautete Art. 7 bis Abs. 2 KRK: „This right shall include in particular the freedom to have or to adopt a religion or whatsoever belief of his choice and freedom, either individually or in community with others and in public or in private, to manifest his religion or belief, subject only to such limitations as are prescribed by law and are necessary to protect public safety, order, health and morals; and the right to have access to education in the matter of religion or belief.“155

Andere Vorschläge zur Fassung der Religionsfreiheit in der Kinderrechtskonvention sahen vor, dass den Kindern Religionsfreiheit in Einklang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen Menschenrechtsinstrumenten gewährt werden solle.156 Nach geltendem Art. 14 KRK haben Kinder das Recht der Religionsfreiheit, allerdings werden einzelne Bestandteile derselben nicht ausdrücklich hervorgehoben. Im Vergleich zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder dem IPbürgR fehlt beispielsweise die Erwähnung des Rechtes auf Religionswechsel oder die Freiheit, eine Religion oder einen Glauben zu haben oder anzunehmen. Diese ursprünglichen Entwürfe des späteren Art. 14 KRK, wonach Kinder das Recht auf Wechsel der Religion haben sollten, wurden insbesondere durch eine Reihe islamischer Staaten abgelehnt. Eine Formulierung der Norm, die sich am IPbürgR orientierte, scheiterte ebenfalls am Widerstand der islamischen Staaten. Zum einen widerspricht nach deren Ansicht eine solche Regelung dem islamischen Recht, zum anderen vertraten die islamischen Staaten die Auffassung, dass Kinder nicht in der Lage seien, selbst eine Entscheidung bezüglich der Wahl ihrer Religion zu treffen.157 _____________ 154 Mit dieser Problematik befasste sich auch schon Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/ Sub.2/200/Rev.1, S. 24 ff. 155 UN Doc. E/CN.4/1984/71, Annex I. 156 Zu Vorschlägen innerhalb der Menschenrechtskommission und die anschließende Diskussion siehe Report on the Working Group on a Draft Convention on the Rights of the Child, UN Doc. E/CN.4/1984/71, paras. 13 ff. 157 Siehe z.B. UN Doc. E/CN.4/1986/39, Annex IV, S. 2; UN Doc. E/CN.4/1987/ WG.1/WP.35 (1987); E/CN.4/1989/48, para. 16 (Ägypten) und para. 340; hierzu auch Lerner, Proselytism, Change of Religion, and International Human Rights, EILR vol. 12 (1998), S. 477 (537); Dorsch, Rechte des Kindes, S. 137. Die USA

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

48

S. 48

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Aufgrund der vom IPbürgR und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte abweichenden Formulierung des Art. 14 KRK stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Auslegung bereits existierender Rechte hat, die sich aus anderen völkerrechtlichen Verträgen ergeben. Der IPbürgR beispielsweise räumt auch Kindern Rechte ein, die so in der Kinderrechtskonvention nicht mehr enthalten sind. Allerdings ist die abweichende Fassung des Art. 14 KRK auch damit zu erklären, dass die Staaten bei der Formulierung der Resolution darum bemüht waren, diese so zu fassen, dass bei der Abstimmung mit Einstimmigkeit votiert wird, mit dem Ziel, der Resolution eine besondere Legitimation zu verleihen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass durch die engere Formulierung von Menschenrechten in neu verabschiedeten Menschenrechtsverträgen bereits existierende Standards ausgehöhlt werden.158 In der Literatur wird aber auch bezweifelt, ob die Kinderrechtskonvention überhaupt enger formuliert worden ist, da nicht klar sei, ob die vorhergehenden Menschenrechtsinstrumente bezüglich der Religionsfreiheit Kindern den gleichen Schutz wie Erwachsenen einräumen wollten.159 Dass ein dem IPbürgR entsprechender Normtext diskutiert wurde, die verhandelnden Staaten sich der Problematik also bewusst waren, und sich diese Formulierung nicht durchsetzen konnte, ist dahingehend zu verstehen, dass der Schutzbereich des Art. 14 KRK gegenüber dem IPbürgR enger gezogen ist. Diese Annahme beruht auf der lex-posterior-Regel. Weiterhin spricht die Entstehungsgeschichte dafür, dass der Schutzbereich der Religionsfreiheit für Kinder nicht zu weit gezogen werden sollte. Art. 14 Abs. 3 KRK, der identisch mit Art. 18 Abs. 3 IPbürgR ist,160 enthält Einschränkungsmöglichkeiten des Rechtes der Religionsfreiheit. Demnach ist die Einschränkung der Religionsfreiheit nur soweit gestattet, als dass diese dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Ge_____________ hingegen bedauerten, dass Art. 14 KRK nicht ausdrücklich das Recht des Kindes auf Wechsel seiner Religion beschrieb, UN Doc. A/C.3/44/ SR.38, para. 27. Der Einfluss der islamischen Staaten auf die Formulierung der Kinderrechtskonvention wird aber auch anhand einer anderen Norm deutlich: Auf Initiative islamischer Staaten wurde in Art. 20 Abs. 3 auch das Prinzip des kafÁla aufgenommen. Demnach ist es nach islamischem Recht nicht gestattet, Kinder zu adoptieren. Vielmehr gibt es das Institut des kafÁla, wonach Waisen in Pflegefamilien aufwachsen können, sie dürfen aber nicht den Familiennamen tragen und auch nicht erben. Hierzu Cohen, United Nations Convention on the Rights of the Child, International Commission of Jurists – The Review, Nr. 44 (1990), S. 36 (38). 158 van Boven, Religious Freedom in International Perspective, S. 103 (108). 159 Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 102; Cohen, United Nations Convention on the Rights of the Child, International Commission of Jurists – The Review, Nr. 44 (1990), S. 36 (38). 160 Siehe hierzu oben 2. Kapitel, A.III.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 49

49

sundheit und der guten Sitten oder den Grundrechten oder Freiheiten Dritter dient. Auch noch nach Verabschiedung der Konvention wurde die Skepsis islamischer Staaten gegenüber dem Art. 14 KRK anhand ihrer Vorbehaltspolitik deutlich. Die Malediven legten gegen diese Norm einen Vorbehalt ein, der vorsah, dass alle Bürger der Malediven Muslime sein sollten.161 Verschiedene islamische Staaten kündigten die Einlegung von Vorbehalten gegen Bestimmungen an, die im Widerspruch zu traditionellen muslimischen Normen stünden.162 Kuwait, Mauretanien und Saudi-Arabien legten einen Vorbehalt ein, der sich auf alle Bestimmungen der Konventionen bezieht, die nicht mit islamischem oder nationalem Recht (letzteres nur Kuwait) zu vereinbaren sind. Allerdings haben diese Staaten in der Formulierung des Vorbehaltes nicht weiter ausgeführt, auf welche Bestimmungen sich der Vorbehalt bezieht.163 Irak legte einen Vorbehalt zu Art. 14 KRK ein und brachte zum Ausdruck, dass das Recht eines Kindes auf Wechsel der Religion nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sei.164 Marokko legte ebenfalls einen Vorbehalt zu Art. 14 KRK ein und wies dabei darauf hin, dass der Islam Staatsreligion sei.165 Am weitesten geht der Vorbehalt Omans, wonach der Staat sich an Art. 14 KRK insoweit nicht gebunden fühlt, als dass er das Recht auf Religionswechsel enthält oder Kindern, die zu einer religiösen Minderheit gehören, das Recht gewährt, sich zu ihrer Religion zu bekennen.166 Ägypten hatte zu den Art. 20 und 21 KRK einen Vorbehalt eingelegt, diesen aber im Jahre 2003 zurückgezogen.167 _____________ 161 Lerner, Proselytism, Change of Religion, and International Human Rights, EILR vol. 12 (1998), S. 477 (537). Zu dem Vorbehaltsregime gemäß der Kinderrechtskonvention siehe Kuper, Reservations, Declarations and Objections to the 1989 Convention on the Rights of the Child, S. 104 (105 ff.). 162 Lerner, Proselytism, Change of Religion, and International Human Rights, EILR vol. 12 (1998), S. 477 (537). 163 So lautet z.B. der Vorbehalt Kuwaits: „[Kuwait expresses] reservations on all provisions of the Convention that are incompatible with with the laws of the Islamic Shari’a and the local statutes in effect.“, Treaties Deposited with the SecretaryGeneral, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 301. 164 Treaties Deposited with the Secretary-General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 300. 165 Treaties Deposited with the Secretary-General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 302. 166 Treaties Deposited with the Secretary-General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 302. 167 Treaties Deposited with the Secretary-General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 331.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

50

S. 50

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Der Delegierte Bangladeshs äußerte Bedenken gegen eine zu weite Fassung der Religionsfreiheit für Kinder. Dies sei nicht mit der Praxis zu vereinbaren, dass sich die Religion von Kindern nach der Religion der Eltern richten müsse. Weiterhin verstoße eine solche Formulierung gegen allgemein anerkannte Prinzipien und sei auch nicht mit islamischen Traditionen zu vereinbaren.168 Der damals im Verlauf der Verhandlungen diskutierte Entwurf169 wies große Ähnlichkeit mit Art. 18 IPbürgR auf. Weiterhin wurde in die Konvention eine Bestimmung zum Schutze von Kindern eingefügt, die einer Minderheit angehören (Art. 30 KRK). Trotz zahlreicher anders lautender Vorschläge konnte sich im Ergebnis lediglich die Wiederholung des Wortlautes des Art. 27 IPbürgR durchsetzen.170 Allerdings enthält die Konvention über die Rechte von Kindern gegenüber dem Pakt einen kleinen Fortschritt, da von dieser ausdrücklich auch Kinder autochthoner Völker171 umfasst sind.172 6. Konvention zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung (ICERD) Die Rassendiskriminierung und Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit stehen in einem engen Zusammenhang,173 weshalb auch diese Konvention hier nicht unerwähnt bleiben soll. Dies zeigt sich z.B. daran, dass die Art. 2 und 3 ICERD eine deutliche Verwandtschaft mit den Bestimmungen über Diskriminierung aus der Resolution gegen rassische Diskriminierung aufweisen.174 Die Konvention175 wurde zunächst als Resolution der Generalversammlung verabschiedet und ist seit dem 4. Januar 1969 in Kraft. Heute gehört sie zu den am häufigsten ratifizierten Konventionen.176 Vorläufer war eine Resolution der Generalversammlung aus dem _____________ 168 UN Doc. E.CN.4/1986/39, Annex IV, S. 2. 169 UN Doc. E/CN.4/1986/39, Annex I. 170 Dorsch, Rechte des Kindes, S. 145. 171 Im englischen Wortlaut wird von „… persons of indigenous origin …“ gesprochen. 172 In der Literatur herrscht Uneinigkeit über die Frage, ob autochthone Völker eine Minderheit i.S.d. Art. 27 IPbürgR darstellen. 173 Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (31); Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 264; Lerner, Religious Human Rights Under the United Nations, S. 79 (105). 174 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (120). 175 International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (ICERD), angenommen am 21. Dezember 1965, GA Res. 2106 A (XX). UNTS vol. 660, S. 194 ff.; ILM vol. 5 (1966), S. 352 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Völkerrechtliche Verträge

S. 51

51

Jahre 1960, die rassische, religiöse oder nationalistische Diskriminierung verurteilte.177 Es handelt sich um die erste von der Generalversammlung verabschiedete Resolution, die die Errichtung eines Überwachungsmechanismus vorsah. Dieser diente als Vorbild für eine Reihe weiterer in der Folgezeit verabschiedeter Konventionen.178 Die Konvention sieht die Möglichkeit der Individualbeschwerde vor (Art. 14 Abs. 2 ICERD),179 und weiterhin kann die Konvention von den Mitgliedstaaten direkt in einer Streitigkeit der Parteien vor dem Internationalen Gerichtshof einbezogen werden (Art. 28 ICERD). Die Konvention gewährleistet einen umfassenden Schutz gegen diskriminierende Maßnahmen jeglicher Artikel In Art. 5 ICERD wird das Verbot der Diskriminierung auf der Basis von Rasse, nationaler oder ethnischer Herkunft in Ausübung der grundlegenden, im Einzelnen genannten Rechte untersagt, darunter auch das Menschenrecht der Religionsfreiheit. Zusätzlich wird in der Präambel der Resolution das Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion bekräftigt. Auf den Inhalt des Rechtes der Religionsfreiheit nicht weiter eingegangen, untersagt wird allein die Diskriminierung aus religiösen Gründen.180 Ziel dieser Konvention ist die Beseitigung der Rassendiskriminierung. Mit Blick auf dieses Ziel wird in der Resolution durchgehend das Gebot der Gleichheit der Menschen bekräftigt. In den Art. 8–14 ICERD wird ein Berichts- und Kontrollsystem eingeführt, welches jedoch in seiner Effektivität als sehr schwach bezeichnet werden muss, da es über keine Durchsetzungsmechanismen verfügt.181 Nur eine geringe Anzahl der Staaten, die die Konvention ratifiziert haben, haben keinen Vorbehalt zum fakultativen Art. 22 ICERD zur Austragung von Streitigkeiten vor dem Internationalen Gerichtshof eingelegt. Dennoch, was die Bedeutung der Konvention für das Völkerrecht anbelangt, kommt ihr eine besondere Stellung hinsichtlich des _____________ 176 Zum 31. Dezember 2003 haben 169 Staaten die Konvention ratifiziert; siehe Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 133. 177 GA RES 1510 (XV); hierzu auch Lerner, Religious Human Rights Under the United Nations, S. 79 (103). 178 van Boven, The Petition System under ICERD, MYBUNL vol. 4 (2000), S. 271 (272). 179 Zu Art. 14 siehe van Boven, The Petition System under ICERD, MYBUNL vol. 4 (2000), S. 271 ff. 180 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (105). 181 Das Committee on the Elimination of Racial Discrimination (CERD) ist der erste Überwachungsmechanismus in einem Vertrag zum Schutze der Menschenrechte. Zur Arbeit des CERD siehe Wolfrum, The Committee on the Elimination of Racial Discrimination, MYBUNL vol. 3 (1999), S. 489 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

52

S. 52

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Schutzes von Gruppen zu.182 Daneben liefert sie eine Definition des Begriffs der Diskriminierung.183

B. Regionale Menschenrechtsverträge I. Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) Art. 9 der EMRK184 gewährleistet neben der Gedanken-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit auch die Religionsfreiheit. Weder in der EMRK selbst noch im Recht der Mitgliedstaaten ist der Begriff der Religion definiert.185 Nach dem Recht der EMRK ist jedoch eine Abgrenzung des sachlichen Schutzbereiches der Religionsfreiheit von nichtreligiösen Anschauungen nicht erforderlich, da die Weltanschauungsfreiheit gleichermaßen geschützt wird.186 Religions- und Weltanschauungsfreiheit werden in jeglicher Form geschützt: Dies umfasst das forum internum wie das forum externum, also den Glauben selbst und seine Ausübung.187 Bezüglich des forum externum besteht lediglich die Voraussetzung, dass in der Handlung die jeweilige Religion oder Weltanschauung deutlich wird.188 Auch enthält Art. 9 EMRK die ausdrückliche Garantie für das Recht auf Wechsel der Religion.189 Dabei sind die Mitgliedstaaten der EMRK verpflichtet, ihren Bürgern den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft zu ermöglichen.190 Die Einschränkungsmöglichkeiten ergeben sich aus Art. 9 Abs. 2 EMRK.191 _____________ 182 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (105). 183 Siehe beispielsweise den englischen Wortlaut: „… any distinction, exclusion, restriction, or preference based on race, color, descent, or national or ethnic origin which has the purpose or effect of nullifying or impairing the recognition, enjoyment, or exercise, on an equal footing, of human rights, and fundamental freedoms in the political, economic, social, cultural or any other field of public life.“ 184 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, UNTS vol. 213, S. 221 ff.; zum Menschenrecht der Religionsfreiheit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention siehe Sahlfeld, Aspekte der Religionsfreiheit, passim. 185 Siehe hierzu schon oben, 1. Kapitel. 186 Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, § 22, Rn. 72. 187 Frowein, in: Pettiti, La convention européenne des droits de l’homme, Article 9 § 1, S. 357. 188 Report adopted by the Commission on 12 October 1978, Pat Arrowsmith v. the United Kingdom, Application No. 7050/75, Arrowsmith, Decisions and Reports 19, S. 5 (49), Rn. 71. 189 Siehe hierzu Sahlfeld, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 142 ff. 190 Application No. 9781/82, Decision of 14 May 1984 on the admissibility of the application, E & G.R. v. Austria, Decisions and Reports 37, S. 42 (45, 48), Rn. 2;

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Regionale Menschenrechtsverträge

S. 53

53

Im Jahre 1993 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein die Religionsfreiheit betreffendes bedeutendes Urteil:192 Dies ist (bis 1998) der einzige Fall vor einem internationalen Gericht, der sich mit dem Wechsel der Religion beschäftigt. Der Beschwerdeführer war Zeuge Jehovas und wurde in Griechenland strafrechtlich verurteilt, da er versucht hatte, eine andere Person zum Beitritt zu den Zeigen Jehovas zu bewegen.193 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab der Beschwerde statt und verwies im Rahmen der Begründung auf die wichtige Bedeutung des Menschenrechtes der Religionsfreiheit für eine demokratische Gesellschaft. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass nach der Konvention sowohl die Missionierung als auch die Aufgabe der Religion von der Religionsfreiheit umfasst seien. Er begründete dies damit, dass das Recht auf Wechsel der Religion ins Leere laufen würde, untersagte man die Missionierung. Demnach sei die Bekundung der Religion nach außen Bestandteil des Rechtes der Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK. Hierzu gehöre auch der Versuch, andere Menschen von einem Wechsel hin zu einer anderen Religion zu überzeugen.194

II. Afrikanische Charta der Menschenrechte/Banjul-Charta (AfrChMR) 1. Entstehungsgeschichte Am 21. Oktober 1986 ist die Afrikanische Charta der Menschenrechte in Kraft getreten.195 Sie enthält einen umfassenden Katalog von Menschen_____________ Application No. 10616/83, Decision of 4 December 1984 on the admissibility of the application, Jean and Bertha Gottesmann v. Switzerland, Decisions and Reports 40, S. 284 (287). 191 Art. 9 Abs. 2 EMRK lautet: „Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“ 192 Kokkinakis v. Greece, Judgment (25 May 1993), 260 Eur Ct HR ser. A; Lerner, Proselytism, Change of Religion, and International Human Rights, EILR vol. 12 (1998), S. 477 (547). 193 Zur Glaubenswerbung nach der EMRK siehe Grabenwarter, Religion und Europäische Menschenrechtskonvention, S. 97 (104 ff.). 194 Kokkinakis v. Greece, Judgment (25 May 1993), 260 Eur Ct HR ser. A, para. 31. 195 African Charter on Human and Peoples’ Rights, ILM vol. 21 (1982), S. 59 ff.; im Folgenden Banjul-Charta; einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Charta liefert Nowak, Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

54

S. 54

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

rechten, aber auch individuellen Pflichten (Art. 27–29 AfrChMR). In mancher Hinsicht ist sie weitreichender als andere regionale Menschenrechtsinstrumente: So enthält sie beispielsweise kollektive Menschenrechte der so genannten „dritten Generation“.196 Die Charta sieht die Einrichtung einer Kommission vor, welche die Aufgabe der Sicherung der in der Charta gewährleisteten Rechte hat. Allerdings hat die Kommission nur eine sehr schwache Position, da ihre Befugnis nicht über die Abgabe von Empfehlungen hinausgeht.197 Die Einrichtung des Instituts einer Individualbeschwerde an die Kommission ist bisher nicht vorgesehen, allerdings soll nach dem Protokoll vom 9. Juni 1998198 ein Gerichtshof zur Überwachung der Menschenrechte eingerichtet werden. Das Protokoll ist gemäß Art. 34 Abs. 3 AfrChMR am 15. Januar 2004 in Kraft getreten, als es 15 Staaten ratifiziert und beim Generalsekretär der Afrikanischen Union hinterlegt haben.199 2. Die Religionsfreiheit in der Banjul-Charta Die Religionsfreiheit ist in der Banjul-Charta nach Art. 8 AfrChMR garantiert.200 Im Vergleich zu anderen Menschenrechtsinstrumenten ist sie im Hinblick auf die Religionsfreiheit schwächer formuliert als andere bestehen_____________ Völker, EUGRZ Bd. 13 (1986), S. 675 ff. Zum Schutz der Menschenrechte im Kontext der African Union siehe Heyns/Baimu/Killander, GYIL vol. 46 (2003), S. 252 (272 f.). 196 Nach Art. 22 AfrChMR haben beispielsweise die Völker ein Recht auf eigene Entwicklung, gemäß Art. 23 AfrChMR haben Völker das Recht auf friedliche Beziehungen zwischen den Staaten, und nach Art. 24 AfrChMR haben Völker das Recht auf eine zufrieden stellende Umwelt. 197 Ipsen, Individualschutz im Völkerrecht, § 49, Rn. 22; Krisch, Establishment of an African Court on Human and Peoples’ Rights, ZaöRV Bd. 58 (1998), S. 713 (716). Die wichtigsten Beschlüsse der Kommission zu den einzelnen Rechten der Charta sind bei Heyns, Civil and Political Rights in the African Charter, S. 137 ff. nachzulesen. Die Entscheidungen selbst können im Internet unter der Adresse http://www1.umn.edu/humanrts/ africa/comcases/allcases.html abgerufen werden. 198 Protocol to the African Charter on Human and Peoples’ Rights on the Establishment of an African Court on Human and Peoples’ Rights, Adopted by the 34th Ordinary Session of the Assembly of Heads of State and Govenment of the OAU from 8–10 June 1998, abgedruckt in: ZaöRV Bd. 58 (1998), S. 727 ff. 199 Der aktuelle Stand der Ratifizierungen ist einsehbar auf der Internetseite der Afrikanischen Union, http://www.africa-union.org. 200 Art. 8 AfrChMR lautet: „Freedom of conscience, the profession and free practice of religion shall be guaranteed. No one may, subject to law and order, be submitted to measures restricting the exercise of these freedoms.“

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Regionale Menschenrechtsverträge

S. 55

55

de völkerrechtliche Verträge,201 da sich Art. 8 AfrChMR auf den Schutz der Gewissens-, Bekenntnis- und Religionsfreiheit beschränkt und jedenfalls dem Wortlaut nach die Weltanschauungsfreiheit ausklammert. Wie jedoch schon im 2. Kapitel erläutert, ist der Begriff der Religionsfreiheit weit zu fassen, weshalb hier davon ausgegangen wird, dass die Weltanschauungsfreiheit auch unter die Religionsfreiheit zu fassen ist. Der Inhalt der Religionsfreiheit in der Charta ist nicht eindeutig: Das Recht auf Wechsel der Religion ist nicht ausdrücklich festgehalten. Durch Auslegung des Artikels lassen sich jedoch gute Argumente herleiten, die zu einer Bejahung des Rechtes auf Religionswechsel führen.202 Die Kommission hat in einem Beschluss zu Art. 8 AfrChMR hervorgehoben, dass alle Bürger das Recht darauf haben, nicht auf religiöse Gerichtsbarkeit angewiesen zu sein und damit einen Anspruch auf ein säkulares Gericht haben. In derselben Entscheidung betonte die Kommission, dass es nicht mit der Religionsfreiheit zu vereinbaren sei, wenn Angehörige anderer Religionen der Scharia-Gerichtsbarkeit unterlägen.203 In einer Reihe von Artikeln wird der Religionsfreiheit eindeutig weitergehender Schutz eingeräumt: In der Präambel wie auch in Art. 2 AfrChMR wird das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Religion betont. Allerdings ist in der Charta kein besonderer Artikel bezüglich des Schutzes von Minderheiten enthalten, was hinsichtlich deren Schutzes besondere Probleme aufwirft. Die Kommission legt die Charta dennoch weit aus und leitet Minderheitenrechte insbesondere aus Art. 17 Abs. 2 und 3 AfrChMR der Charta ab.204

_____________ 201 Adams, A Human Rights Imperative: Extending Religious Liberty Beyond the Border, CJIL vol. 33 (2000), S. 1 (57). 202 So beispielsweise Nmehielle, African Human Rights System, S. 105. 203 Amnesty International, Comité Loosli Bachelard, Lawyers Committee for Human Rights, Association of Members of the Episcopal Conference of East Africa vS. Sudan, African Comm. Hum. & Peoples’ Rights, Comm. No. 48/90, 50/91, 52/91, 89/93 (not dated), para. 73. 204 Murray/Wheatly, Groups and the African Charter on Human and Peoples’ Rights, HRQ vol. 25 (2003), S. 213 (223 ff.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

56

S. 56

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

III. Die Arabische Charta der Menschenrechte (ArabChMR) 1. Die Arabische Liga (AL) Im Jahre 1945 wurde die Arabische Liga von sieben Staaten gegründet.205 Ziel war es, gemeinsam die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegszeit zu bewältigen und eine engere Zusammenarbeit der arabischen Staaten untereinander zu erreichen.206 Maßgeblich unterstützt wurde die Gründung damals von Großbritannien, welches zum damaligen Zeitpunkt in der Region über einen erheblichen Einfluss verfügte. Der erste Nahostkrieg im Jahre 1948 führte dazu, dass sich die Mitgliedstaaten um die Bildung einer inter-arabischen Verteidigungsallianz bemühten.207 Die Arabische Liga ist ein Zusammenschluss von heute 22 arabischen Staaten.208 Die Mitgliedstaaten bedienen sich der Arabischen Liga, um ihre Politik abzustimmen und die wirtschaftliche Kooperation zu verbessern. Die Erfolge bei der Umsetzung dieser Vorhaben sind jedoch nur als mäßig zu bezeichnen. 2. Die Menschenrechtserklärung der Arabischen Liga (ALChMR) In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts öffneten sich die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga zunehmend dem Thema der Menschenrechte. Im Jahre 1966 begann der Rat der Arabischen Liga, sich verstärkt in Menschenrechtsfragen zu engagieren.209 Dies zeigt sich beispielsweise an der Gründung der arabischen Menschenrechtskommission im Jahre 1968 (Arab Regional Commission on Human Rights), die jedoch in der Folgezeit keinen effektiveren Schutz der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga bewirken konnte.210 _____________ 205 UNTS vol. 70, S. 237 ff. (22. März 1945). Zu der Entstehungsgeschichte der Präambel siehe Al-Jazy, The Arab League and Human Rights Protection, S. 211 ff. Die Gründungsstaaten der Arabischen Liga sind Ägypten, Irak, Jemen, Libanon, Saudi-Arabien, Syrien und Transjordanien. 206 Mejcher, Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert, S. 432 (481). 207 Mejcher, Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert, S. 432 (481). 208 Die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga sind: Jordanien, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Tunesien, Algerien, Djibouti. Saudi-Arabien, Sudan, Syrien, Somalia, Irak, Oman, Palästina, Qatar, Komoren, Kuwait, Libanon, Libyen, Ägypten, Marokko, Mauretanien, Jemen. 209 Matthes, Menschenrechtsschutz in den arabischen Staaten, S. 93 (93 f.). 210 ÍafeÛ AkdÁdi, ÃamÁnÁt ÎimÁya ÎuqÙq al-insÁn fÐ iÔÁr al-tanÛÐm al-dÙwalÐ al-iqlÐmÐ al-awrubÐ wa-l-ÝarabÐ, S. 151; zur Entstehungsgeschichte des Ausschusses siehe AkdÁdi, S. 168 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Regionale Menschenrechtsverträge

S. 57

57

Nachdem innerhalb der Arabischen Liga seit dieser Zeit verschiedene Entwürfe von Menschenrechtserklärungen entstanden waren, der erste im Jahre 1971, wurde die Arabische Charta der Menschenrechte am 15. September 1994 durch die Arabische Liga angenommen (al-mÐ×Áq al-ÝarabÐ li ÎuqÙq al-insÁn).211 Die Charta ist bis heute von keinem Mitgliedstaat der Arabischen Liga ratifiziert worden.212 Nach heutiger Sicht der Dinge ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Charta jemals in Kraft treten wird. Der Bereich der Menschenrechte steht nach wie vor auf der Agenda in der arabischen Welt, und arabische Staaten sind aktiv an der Ausgestaltung von Menschenrechtsschutzmechanismen beteiligt (siehe z.B. die jüngsten Reformen der African Union). Allerdings hat in der arabischen Welt die panarabische Bewegung immer weiter an Einfluss verloren. In diesem Zuge ist die Position der Arabischen Liga immer weiter geschwächt worden. Dennoch soll hier kurz auf die Charta eingegangen werden, da sie doch das Verhältnis der arabischen Staaten zu den Menschenrechten widerspiegelt. Vor dem Ideal des Pan-Arabismus betont die Erklärung die Bedeutung der arabischen Welt. Sie enthält einige Artikel, die einen speziellen Bezug zu der arabischen „Nation“ beinhalten.213 Daneben ist die Charta sehr religiös geprägt. Dabei wird sie auch der Tatsache gerecht, dass viele Araber nicht Muslime sind, weshalb die Charta nicht nur auf den Islam, sondern die Präambel auf die überlieferten Religionen insgesamt verweist.214 Insgesamt enthält sie jedoch nur wenige Bezüge zur islamischen Religion und kann deshalb auch nicht als islamische Menschenrechtserklärung erachtet werden. Bezüglich der Religion ist sie daher als neutral zu bezeichnen Die Charta verweist auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Menschenrechtspakte aus dem Jahre 1966 und auf die Kairoer Erklä_____________ 211 Resolution 5437 (102nd regular session). Eine englische Übersetzung der Charta ist unter der Internet-Adresse http://www1.umn.edu/humanrts/instree/arabhr charter.html##1 abrufbar; zum Inhalt der Erklärung siehe auch ÍafeÛ AkdÁdi, ÃamÁnÁt ÎimÁya ÎuqÙq al-insÁn fÐ iÔÁr al-tanÛÐm al-dÙwalÐ al-iqlÐmÐ al-awrubÐ wa-l-ÝarabÐ, S. 184 ff. 212 An-Na’im, Human Rights in the Arab World: a regional Perspective, HRQ vol. 23 (2001), S. 701 (714). 213 So lautet beispielsweise der erste Absatz der Präambel: „Given the Arab Nation’s belief in human dignity since God honoured it by making the Arab World the cradle of religions and the birthplace of civilizations which confirmed its right to a life of dignity based on freedom, justice and peace …“. 214 Der zweite Absatz der Präambel lautet: „Pursuant to the eternal principles of brotherhood and equality among all human beings which were firmly established by the Islamic Shari’a and the other divinely-revealed religions …“. Gemeint sind hiermit die Religionen, die durch den Islam als solche anerkannt sind, also insbesondere Judentum und Christentum.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

58

S. 58

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

rung der Menschenrechte aus dem Jahre 1990.215 Von der letztgenannten Erklärung unterscheidet sie sich jedoch wesentlich in der Motivation ihrer Verabschiedung, da sie säkular geprägt ist. Bemerkenswert, aber nicht weiter verwunderlich ist, dass die Charta den Zionismus verurteilt und ihn als ein Hindernis für den effektiven Schutz der Grundrechte des Menschen bezeichnet (Art. 1 lit. b ALChMR). Die Charta enthält verschiedene Menschenrechte wie das Recht auf Leben (Art. 5), das Recht auf Asyl, das Recht auf Eigentum und auch die Religionsfreiheit (Art. 26 und 27 ALChMR). Diese Rechte können lediglich durch Gesetz eingeschränkt werden, aber auch nur dann, wenn dies zum Schutze der nationalen Sicherheit und Wirtschaft, der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit, der Sitten oder der Rechte und Freiheiten Dritter erforderlich ist (Art. 4 lit. a ALChMR). Nach Art. 4 lit. b ALChMR können sich die Mitgliedstaaten in Zeiten des Notstandes auf die Unanwendbarkeit der Charta berufen, wobei jedoch die Unanwendbarkeit der Charta und die gegebenen Umstände in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. In der Charta ist keine Bildung von Durchsetzungsmechanismen wie eine Menschenrechtskommission vorgesehen. In den Art. 40 f. ALChMR wird lediglich ein Berichtssystem installiert. Insgesamt muss heute bescheinigt werden, dass die Charta auf die Verwirklichung eines effektiven Menschenrechtsschutzes keinerlei praktische Auswirkungen hatte.

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten In diesem Abschnitt soll ein Überblick über das Menschenrecht der Religionsfreiheit gegeben werden, soweit es in nicht-vertraglichen Resolutionen und anderen Dokumenten behandelt wird. Es handelt sich zum einen um Resolutionen, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Diese können als Ausdruck einer Staatenpraxis zu der Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen. Das Völkergewohnheitsrecht ist nach Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut216 eine der Hauptquellen des Völkerrechts. Konstituierend zur Entstehung des Völkergewohnheitsrechts wirkt nach dem IGH-Statut eine allgemeine, als Recht anerkannte Übung. Dies bedeutet, dass eine Rechtsnorm dann als Bestandteil des Völ_____________ 215 Zu der Kairoer Erklärung der Menschenrechte siehe unten D.II. Zur Vereinbarkeit der Erklärung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte siehe ÍafeÛ ÝAkdÁdÐ, ÃamÁnÁt ÎimÁya ÎuqÙq al-insÁn fÐ iÔÁr al-tanÛÐm al-dÙwalÐ al-iqlÐmÐ alawrubÐ wa-l-ÝarabÐ, S. 187 ff. 216 UNCIO vol. 15, S. 355.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 59

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

59

kergewohnheitsrechts erachtet wird, wenn eine entsprechende nachhaltige Staatenpraxis nachweisbar ist, die von einer Rechtsüberzeugung (opinio juris) getragen wird.217 Wie bereits im 2. Kapitel erläutert, ist das Menschenrecht der Religionsfreiheit Bestandteil vieler völkerrechtlicher Verträge und Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Grundsätzlich ist dieser Norm zuzubilligen, dass sie Völkergewohnheitsrecht darstellt218 und somit auch Staaten bindet, die sich keinem entsprechenden Vertragswerk angeschlossen haben.219 Dem steht auch nicht entgegen, dass Resolutionen der Generalversammlung selbst keine rechtsverbindliche Geltung erlangen, vielmehr erhalten der Inhalt der Resolution oder einzelne Artikel einer Resolution durch eine von Rechtsüberzeugung getragene entsprechende Staatenpraxis den Status von Völkergewohnheitsrecht. Darüber hinaus soll in diesem Kapitel auf Menschenrechtserklärungen eingegangen werden, die insbesondere im islamischen Raum entstanden sind, beziehungsweise die einen islamischen Hintergrund haben. Anhand dieser Erklärungen wird die Haltung der islamischen Staaten zu dem Menschenrecht der Religionsfreiheit aufgezeigt. Gleichzeitig wird der Einfluss des islamischen Rechts auf die Völkerrechtspolitik dieser Staaten deutlich. In diesem Zusammenhang sollen auch kurz Erklärungen von Nichtregierungsorganisationen dargestellt werden, da auch diese eine Brücke zwischen dem islamischen Recht und den Menschenrechten nach Völkerrecht aufzeigen.

I. Die Religionsfreiheit in Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen Die Religionsfreiheit bzw. Bestandteile derselben sind in zahlreichen Resolutionen der Generalversammlung enthalten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Resolutionen, die die Religionsfreiheit zum Gegenstand haben, und ihre Bedeutung für das Völkerrecht erörtert werden.

_____________ 217 Eine detaillierte Darstellung der Entstehungsvoraussetzungen von Völkergewohnheitsrecht findet sich bei Bernhardt, Customary International Law, EPIL vol. I, S. 898 ff. 218 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (81). 219 Dies gilt nur noch für ganz wenige Staaten. Z.B. ist der IPbürgR mittlerweile von 151 Staaten ratifiziert worden, Multilateral Treaties Deposited with the Secretary, General Status at 31 December 2003, vol. I, S. 169.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

60

S. 60

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

1. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Nach dem Zweiten Weltkrieg strebte die Staatengemeinschaft an, einen völkerrechtlichen Vertrag zum Schutze der Menschenrechte zu verwirklichen. Allerdings blieb es zunächst bei der Verabschiedung einer Resolution der Generalversammlung,220 so dass sie selbst nicht unmittelbar als Rechtsquelle für das Völkerrecht herangezogen werden kann, aber dennoch erheblich zur Bildung völkergewohnheitsrechtlicher Normen beigetragen hat.221 Die Bedeutung der Resolution für das Völkerrecht beruht insbesondere auf ihrem großen Einfluss auf die Formulierung späterer Menschenrechtsdokumente.222 Wie unten noch zu zeigen sein wird, orientieren sich auch islamische Staaten, Organisationen und Rechtsgelehrte bei der Formulierung islamischer Menschenrechte an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Resolution hat weitgehend einen rechtsverbindlichen Status eingenommen. Im Wesentlichen beruht die Rechtsverbindlichkeit der Resolution auf drei Ansätzen, die nicht ohne weiteres voneinander getrennt werden können:223 Die Resolution kann als verbindliche Interpretation der UNOCharta betrachtet werden,224 allgemeine Rechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut beherbergen und gilt auch als Völkergewohnheitsrecht.225 Die Bindungswirkung kann daneben jedoch auch auf nachfolgende Praxis zurückgeführt werden.226 Diese Ansätze zur Herleitung der Rechtsverbindlichkeit der Resolution schließen sich nicht gegenseitig aus. So ist aufgrund einer einschlägigen Staatenpraxis davon auszugehen, dass ihre Bestimmungen weitestgehend Völkergewohnheitsrecht darstellen. Zwar wird die völkergewohnheitsrechtliche Stellung der Resolution gelegentlich in _____________ 220 GA/RES vom 10. Dezember 1948, UN-Doc. A/810; im Folgenden: AEMR. 221 Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen beinhalten einen wichtigen Beitrag zur der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht, hierzu Danilenko, International Customary Law, GYIL vol. 31 (1988), S. 9 (25 f.). 222 Boyle, What is Agreed and what is not Agreed, S. 373 (376 f.); Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (87); Shaw, International Law, S. 259 f. 223 Riedel, Article 55 (c), Rn. 30. 224 Walkate, The Right of Everyone to Change his Religion or Belief, NILR vol. 30 (1983), S. 146 (154). 225 Zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts siehe Hannum, The Status of the Universal Declaration of Human Rights in National and International Law, GJICL vol. 25 (1995/96), S. 287 (317 ff.); International Court of Justice, Barcelona Traction, ICJ Reports 1970, S. 3 (32) vom 5. Februar 1970. 226 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (88); Pohl, Report, UN Doc. E/CN.4/1987/23, para. 22; Shaw, International Law, S. 260.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 61

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

61

Zweifel gezogen, indem Staaten auf die Unverbindlichkeit der Erklärung als Resolution der Generalversammlung verwiesen haben. Zusätzlich weisen insbesondere islamische Staaten darauf hin, dass der Großteil dieser Staaten im Jahre 1948 noch kolonisiert war und somit nicht auf die Formulierung der Resolution Einfluss nehmen konnte. Allerdings sind seit Verabschiedung der Resolution völkerrechtlich bindende Verträge geschlossen worden, die einen nahezu identischen Inhalt haben.227 Umstritten ist, ob die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zwingend bei der Auslegung völkerrechtlicher Verpflichtungen beachtet werden muss228 oder ob sie lediglich als Interpretationshilfe dient.229 Da die Frage der Bedeutung der Verabschiedung von Resolutionen der Generalversammlung für das Völkergewohnheitsrecht nach wie vor als ungeklärt betrachtet werden muss, ist für jede einzelne Bestimmung einer Resolution die völkergewohnheitsrechtliche Bedeutung gesondert zu klären.230 a) Die Religionsfreiheit in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung Das Menschenrecht der Religionsfreiheit ist in Art. 18 AEMR umschrieben: „Eyeryone has the freedom of thought, conscience and religion; this right includes freedom to change his religion or belief, and freedom, either alone or in community with others and in public or private, to manifest his religion or belief in teaching, practice, worship and observance.“

Die Auslegung des Art. 18 AEMR unterliegt sehr unterschiedlichen Interpretationen seines Wortlautes. Zum Teil wird dieser Artikel als das wichtigste Beispiel eines fehlenden Konsensus über die inhaltliche Bedeutung eines Menschenrechtes betrachtet.231 b) Die Entstehungsgeschichte des Art. 18 AEMR Ob ein solcher Konsensus fehlt, soll anhand der Entstehungsgeschichte erläutert werden. Am 11. Dezember beauftragte die Generalversammlung der _____________ 227 Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 92. 228 Sohn, The New International Law: Protection of the Rights of Individuals Rather Than States, AULR vol. 32 (1982) S. 1 (15). 229 McKean, Discrimination Under International Law, S. 270. Hierzu auch Pritchard, Der völkerrechtliche Minderheitenschutz, S. 134 ff. 230 Pritchard, Der völkerrechtliche Minderheitenschutz, S. 135. 231 Boyle, What is Agreed and what is not Agreed, S. 373 (375).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

62

S. 62

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Vereinten Nationen die Menschenrechrechtskommission des Wirtschaftsund Sozialrates mit der Ausarbeitung einer Menschenrechtserklärung.232 Im Folgenden soll hier insbesondere auf Entwürfe der Menschenrechtskommission233 und auf Entwurf234 und Diskussion im Dritten Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingegangen werden. In ersten Entwürfen der AEMR war die Religionsfreiheit in Art. 16 enthalten. Der ursprüngliche Wortlaut des Art. 16 des Entwurfes der Menschenrechtskommission aus dem November 1947 verzichtete auf die Verwendung des Begriffes der Religion. Art. 16 des Entwurfes lautete: „1. Individual freedom of thought and conscience, to hold and change beliefs, is an absolute sacred right. 2. Every person has the right, either alone or in community with other persons of like mind and in public or in private, to manifest his beliefs in worship, observance, teaching and practice.“235

Im Mai 1948 legte die Menschenrechtskommission einen weiteren Entwurf zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung vor, welcher sich jedoch in dem damaligen Art. 16 nur unwesentlich von ihrem vorhergehenden unterschied.236 Die Kommission nahm diesen Vorschlag mit 12 Stimmen, keiner Gegenstimme und vier Enthaltungen an.237 Der Vertreter der Sowjetunion im Dritten Komitee Pavlov wollte die Religionsfreiheit dahingehend beschränken, dass aus bestimmten religiösen Praktiken keine Gefahr für die Gesellschaft entstehen dürfe.238 Dieser und andere Vorschläge zur Änderung des Wortlautes des späteren Art. 18 AEMR (beispielsweise die der islamischen Staaten) fanden im Dritten Ausschuss jedoch keine Mehrheit. Schwierigkeiten bereitete noch die Frage, ob die Gewissensfreiheit in dem den Artikel enthalten sein sollte. Nachdem zunächst ein Entwurf vorgelegt wurde, der diese ausklammerte,239 legte der Vertreter des Libanon Malik einen weiteren Entwurf vor, der das Recht der Gewissensfreiheit enthielt und der schließlich auch später von der Generalversammlung als Art. 18 der _____________ 232 UN Doc. GA Res. 43 (I) (11. Dezember 1946). 233 UN Doc. E/600 (17. Dezember 1947) und UN Doc. E/800 (18. Juni 1948). 234 UN Doc. A/777 (7. Dezember 1948). 235 UN Doc. E/600, Art. 16 (17. Dezember 1947); der Entwurf zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte befindet sich auf S. 17 ff.; siehe hierzu auch UN Doc. E/CN.4/21. 236 Im zweiten Absatz hieß es [„… teaching, practice, worship and observance.“], UN Doc. E/CN.4/95, S. 8. 237 UN Doc. E/800, S. 5. 238 UN Doc. GAOR 3rd Session, Part 1, Third Committee, S. 390 (391). 239 UN Doc. E/CN.4/SR.60, S. 9.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

S. 63

63

Resolution angenommen wurde.240 Schließlich legte der Dritte Ausschuss einen Entwurf vor, der der endgültigen Fassung der AEMR entsprach.241 In diesem Entwurf und in der schließlich von der Generalversammlung verabschiedeten Fassung ist die Religionsfreiheit in Art. 19 AEMR festgehalten. Dies beruht darauf, dass im Nachhinein Art. 3 der ursprünglichen AEMR ersatzlos gestrichen wurde.242 Am 9. November 1948 wurde der Entwurf im Dritten Ausschuss mit 38 Stimmen gebilligt, bei drei Gegenstimmen und drei Enthaltungen.243 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde von der UNGeneralversammlung am 10. Dezember 1948 ohne Gegenstimme bei acht Enthaltungen verabschiedet. c) Die Rolle islamischer Staaten bei der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Im Rahmen der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben die islamischen Staaten insbesondere zu der Formulierung des späteren Art. 18, der Religionsfreiheit, Stellung genommen.244 Im Kern drehte sich die Auseinandersetzung darum, ob das Recht auf Wechsel der Religion ausdrücklich in den Artikel aufgenommen werden sollte. Die ablehnende Haltung der islamischen Staaten wurde bei der Diskussion im Dritten Ausschuss über den Entwurf der Menschenrechtskommission UN Doc. E/800 deutlich.245 Der Vertreter Saudi-Arabiens bestand auf der Herausnahme des Terminus „freedom to change his religion or belief“, da er missionarische Aktivitäten befürchtete, durch die das Recht der Religionsfreiheit für illegitime Zwecke missbraucht werden könnte.246 Er wandte sich jedoch nicht gegen das Recht des Einzelnen auf Religionswechsel, sondern erachtete die ausdrückliche Erwähnung desselben als überflüssig.247 _____________ 240 UN Doc. E/CN.4/SR.62, S. 12. 241 UN Doc. A/777 vom 7. Dezember 1948. 242 GA, 183rd meeting, UN Doc. A/777-119, S. 933. 243 UN Doc. GAOR 3rd Session, Part 1, Third Committee, S. 405 (406). 244 Siehe auch Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 123 ff.; Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 70 ff.; An-Na’im, The Position of Islamic States Regarding the Universal Declaration of Human Rights, S. 177 (184 ff). 245 Third Committee, Summary Records of Meetings, 21 September–8 December 1948, 127th meeting, S. 390 ff. 246 UN Doc. GAOR 3rd Session, Part 1, Third Committee, S. 390 (391); UN Doc. A/C.3/SR.127, S. 391. 247 UN Doc. GAOR 3rd Session, Part 1, Third Committee, S. 390 (404).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

64

S. 64

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Verschiedene Staaten brachten Änderungsvorschläge für die Formulierung des Art. 16 ein, darunter auch Saudi-Arabien.248 Der Entwurf SaudiArabiens sah die Streichung der ausdrücklichen Hervorhebung des Rechtes auf Wechsel der Religion und allein die Beibehaltung des ersten Teilsatzes des Entwurfes der Menschenrechtskommission vor.249 Der Vertreter SaudiArabiens begründete seinen Vorschlag damit, dass er nicht verstehe, dass ausdrücklich das Recht auf Wechsel der Religion festgeschrieben werden solle, dies jedoch nicht bei den anderen in Art. 16 aufgeführten Tatbeständen wie der Gewissensfreiheit der Fall sei. Ferner verwies er darauf, dass ein entsprechender Artikel missionarische Tätigkeiten und religiöse Konflikte begünstigen könnte.250 Im Laufe der Diskussion änderte Saudi-Arabien seinen Vorschlag dahingehend, dass es nun allein die Gewährleistung des Rechtes auf Religionswechsel aus dem Artikel gestrichen sehen wollte.251 Die Türkei und Syrien hingegen befürworteten den Art. 16 in der Fassung, wie er von der Menschenrechtskommission vorgeschlagen worden war.252 Der irakische Vertreter unterstützte den Vorschlag Saudi-Arabiens in seiner aktualisierten Fassung.253 Als im Dritten Ausschuss auf Vorschlag Saudi-Arabiens darüber abgestimmt wurde, ob die Religionsfreiheit in der AEMR das Recht auf Wechsel der Religion enthalten sollte, fand sich keine Mehrheit für die Streichung dieses Passus. Von den islamischen Staaten stimmten Afghanistan, Irak, Pakistan, Saudi-Arabien und Syrien gegen eine solche Formulierung, lediglich Libanon und die Türkei dafür, der Iran enthielt sich der Stimme.254 Auch in der Generalversammlung wurde bis kurz vor Verabschiedung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung diese kontrovers diskutiert. Der syrische Vertreter äußerte sich nicht zu Detailfragen und nahm nicht zum Recht auf Wechsel der Religion und auch nicht zur Religionsfreiheit Stel_____________ 248 Die Vorschläge sind in UN Doc. A/C.3/289/Rev.1 enthalten. 249 Der Vorschlag Saudi-Arabiens lautete: „Everyone has the right to freedom of thought, conscience and religion.“, enthalten in: UN Doc. A/C.3/247. 250 Die vollständige Begründung des Vertreters Saudi-Arabiens ist in den Dokumenten des Dritten Ausschusses, Summary Records of Meetings, 21 September– 8 December 1948, 127th meeting, S. 391 f. enthalten. 251 „… to change his religion or belief, and freedom …“, Dokumente des Dritten Ausschusses, Summary Records of Meetings, 21 September–8 December 1948, 127th meeting, S. 392; UN Doc. A/C.3/247 Rev.1. 252 Dokumente des Dritten Ausschusses, Summary Records of Meetings, 21 September–8 December 1948, 127th meeting, S. 397 und S. 403. 253 Dokumente des Dritten Ausschusses, Summary Records of Meetings, 21 September–8 December 1948, 127th meeting, S. 402. 254 UN Doc. A/C.3/SR.128, S. 405 f.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

S. 65

65

lung.255 Der pakistanische Vertreter Mohammed Zafrullah Khan hingegen äußerte sich ausführlich zu der Einbeziehung der Religionsfreiheit und des Rechts auf Wechsel der Religion in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In seiner Stellungnahme erläuterte er das islamische Recht bezüglich der Religionsfreiheit und auch des Religionswechsels. Er befand, dass der damalige Art. 19 der Erklärung die uneingeschränkte Religionsfreiheit und das Recht auf Religionswechsel garantiere. Das Recht auf Religionswechsel hielt er zwar aufgrund der Missionstätigkeiten von Christen im Orient für problematisch, signalisierte dennoch, dass Pakistan bereit sei, dem Art. 19 des Entwurfes in der seinerzeitigen Form zuzustimmen.256 Weiterhin äußerte sich der pakistanische Vertreter dahingehend, die gesamte Resolution zu unterstützen, und forderte die anderen islamischen Staaten auf, sich seiner Position anzuschließen. Auch befand der Vertreter Pakistans in der Generalversammlung, dass das Recht auf Religionswechsel mit dem islamischen Recht zu vereinbaren sei.257 Deutlich wurde in allen Stadien der Diskussionen, dass sich insgesamt die Mehrheit der islamischen Staaten gegen die ausdrückliche Aufnahme des Rechts auf Wechsel der Religion aussprach. Ebenso wie schon der Vertreter Saudi-Arabiens und die anderer islamischer Staaten äußerte der ägyptische Gesandte Bedenken, dass Missionierungsbestrebungen im Nahen Osten durch die Formulierung des Artikels einen unerwünschten Schub erhalten könnten.258 Er war auch der Auffassung, dass der Artikel in seiner damaligen Form das Recht, die Religion zu wechseln, garantiere, und betonte seine Skepsis gegenüber einer solchen Fassung des Artikels. Seine Haltung begründete er jedoch nicht mit islamischem Recht. Trotz seiner Kritik am Entwurf sagte er, dass Ägypten dazu bereit sei, der Erklärung zuzustimmen.259 Bezüglich des Art. 17 des Entwurfs (das Recht auf Eheschließung) äußerte sich der ägyptische Vertreter dahingehend, dass es im Islam üblich sei, Frauen die Heirat mit Männern, die einem anderen Glauben angehören, nicht ohne Einschränkungen zuzubilligen.260 Saudi-Arabien enthielt sich bei der endgültigen Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Stimme und begründete dies damit, dass die Erklärung nicht mit seinem innerstaatlichen Recht zu ver_____________ 255 GA, 182nd meeting, UN Doc. A/777-119, S. 921 ff. 256 GA, 182nd meeting, UN Doc. A/777-118, S. 889. 257 UN Doc., OR GA Part I, Plenary Meetings, Summary of Meetings 21 September–12 December 1948, 890–892; UN Doc. A/PV.182, S. 890 (1948). 258 UN Doc. A/PV.183, S. 913 (1948). 259 GA, 182nd meeting, UN Doc. A/777-119, S. 912 ff. 260 GA, 182nd meeting, UN Doc. A/777-119, S. 913.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

66

S. 66

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

einbaren sei.261 Diese Haltung ist damit zu erklären, dass Saudi-Arabien einerseits Zugeständnisse an die internationale Staatengemeinschaft machen wollte, um sich nicht zu isolieren, andererseits jedoch Rücksicht auf innerstaatliche Kräfte nehmen musste, die eine strenge Anwendung der Scharia forderten.262 Die übrigen islamischen Staaten, die zum damaligen Zeitpunkt Mitglied der Vereinten Nationen waren, stimmten für die Resolution.263 Dabei handelte es sich um Ägypten, Afghanistan, Irak, Iran, Libanon, Pakistan, Syrien und die Türkei. Aber auch noch nach ihrer Verabschiedung war die Resolution Gegenstand von Kritik islamischer Staaten. Insbesondere wird die universelle Geltung der Resolution angezweifelt, zumal sie die besonderen Belange der islamischen Religion nicht berücksichtige. Begründet wird dies u.a. damit, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Resolution die westlichen Staaten in der Mehrheit gewesen seien und sich aufgrund der Dekolonisierung die Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung der Vereinten Nationen entscheidend geändert hätten.264 Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die insgesamt neun islamischen Staaten, die an der entscheidenden Abstimmung über die Resolution teilnahmen, mit Ausnahme von Saudi-Arabien für diese stimmten. Unter den in der Generalversammlung vertretenen Staaten befanden sich, mit Ausnahme Indonesiens, die größten Staaten der islamischen Welt. Damit ist davon auszugehen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Verabschiedung der AEMR nicht von einem völlig fehlenden Konsens hinsichtlich der Formulierung der Religionsfreiheit gesprochen werden kann. Gegen die Einbeziehung des Rechts auf Religionswechsel wurden durch die islamischen Staaten zwar Bedenken vorgetragen, allerdings stellten sie diese schließlich zurück.

_____________ 261 Agate, L’Arabie Saoudite, S. 355 (357). Verwunderlich ist hierbei die Tatsache, dass Saudi-Arabien bei der Ausarbeitung der Universellen Erklärung der Menschenrechte von Jamil Baroody, einem libanesischen Christen vertreten wurde, was aber lediglich darauf beruht, dass Saudi-Arabien zu dieser Zeit nicht über genügend ausreichend qualifiziertes Personal verfügte. 262 An-Na’im, The Position of Islamic States Regarding the Universal Declaration of Human Rights, S. 177 (188). 263 Das Abstimmungsergebnis ist nachzulesen in: Plenary Meetings of the General Assembly, Summary Records of Meetings, 21 September–12 December 1948, S. 933. 264 Entsprechend äußerte sich beispielsweise der iranische Vertreter vor den Vereinten Nationen, GA, 3ième Commission, 26. November 1982, UN Doc. A/A.3/37/ SR.56, S. 17.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

S. 67

67

d) Der Inhalt des Art. 18 AEMR aa) Überblick Die Religionsfreiheit wird in Art. 18 der Resolution umfassend gewährleistet. Dies geht auch schon aus den travaux préparatoires zu der Allgemeinen Menschenrechtserklärung hervor.265 Demnach kann die Religionsfreiheit allein oder gemeinsam, im Privaten oder in der Öffentlichkeit ausgeübt werden. Die Resolution unterscheidet zwischen dem so genannten forum internum, also dem Recht, einen Glauben beziehungsweise eine Überzeugung zu haben oder nicht zu haben und dem so genannten forum externum, das heißt dem Recht, einen Glauben nach außen hin zu manifestieren.266 Als einzige weltweit geltende Menschenrechtserklärung umfasst die Resolution ausdrücklich das Recht auf Wechsel der Religion.267 Neben der Religionsfreiheit schützt Art. 18 AEMR auch die Gedanken- und die Gewissensfreiheit. Weiterhin fallen in den Schutzbereich des Art. 18 AEMR nicht nur religiöse, sondern auch areligiöse Überzeugungen. Dies geht schon aus der authentischen französischen Übersetzung hervor, die von „religion ou conviction“ spricht, während in der englischen Version der Terminus „religion or belief“ verwendet wird.268 bb) Das Recht auf Missionierung Weiterer Bestandteil des Rechtes der Religionsfreiheit ist das Recht der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, neue Mitglieder für ihre Gemeinschaft zu gewinnen. Missionierung kann auf verschiedene Art und Weise unternommen werden: Verbreitung von Presseerzeugnissen und anderen Medien, Unterricht, Predigen und auch durch Unterhaltung sozialer Dienste.269 Das Recht zur Missionierung gilt als Bestandteil des Rechts, seine Religion auszuüben.270 Während einige Religionen Missionierung durch ihre Mitglieder vorschreiben, sehen sich andere Religionen als geschlossene Gemeinschaften an, die auf einem ethnischen oder nationalen Erbe beruhen. Schließlich gibt es Religionen, hierzu zählt auch der Islam, deren Mitglieder _____________ 265 Scheinin, Article 18, S. 379 (380 ff.). 266 Boyle, What is Agreed and what is not Agreed, S. 373 (378). 267 Siehe hierzu oben, 2. Kapitel, C.I. 268 Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 136 f. 269 Stahnke, Proselytism and the Freedom to Change Religion in International Human Rights Law, BYULR vol. 1999, S. 251 (262). 270 Stahnke, Proselytism and the Freedom to Change Religion in International Human Rights Law, BYULR vol. 1999, S. 251 (275).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

68

S. 68

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

zwar missionarisch tätig sind, es aber ablehnen, dass sie selbst zum Ziel missionarischer Aktivitäten werden.271 Wie oben erläutert sind Versuche, eine andere Person von einem Glauben zu überzeugen, nach Art. 18 AEMR erlaubt und werden sogar als Bestandteil des Schutzbereiches der Religionsfreiheit betrachtet. Nicht erlaubt ist jedoch, eine Person mit jeder Art von Zwang zu einem Religionswechsel zu bewegen. cc) Weitere Bestandteile des Schutzbereiches Zusätzlich zu den bereits genannten Bestandteilen des Schutzbereiches der Religionsfreiheit wird diese auch durch andere Bestimmungen geschützt. So ergibt sich aus Art. 26 Abs. 3 AEMR das elterliche Erziehungsrecht.272 Das Verbot, die Eheschließung aus religiösen Gründen zu verbieten, ist in Art. 16 AEMR festgehalten.273 Es hat völkergewohnheitsrechtliche Verankerung erfahren.274 dd) Einschränkungen des Schutzbereiches Eingeschränkt werden die in der Resolution aufgeführten Freiheiten durch Art. 29 Abs. 2 und Art. 30 AEMR. Demnach begründet die Erklärung keine Rechte für Handlungen, die zu einer Einschränkung der in der Resolution aufgeführten Rechte führen würden (Art. 30 AEMR). Art. 29 Abs. 2 AEMR enthält weitere Voraussetzungen der Beschränkung der Rechte der Allgemeinen Menschenrechtserklärung. Zum einen müssen diese Einschränkungen gesetzlich verankert sein. Zum zweiten dürfen diese Einschränkungen nur zu dem Zwecke gesetzt werden, um die Rechte Dritter zu gewährleisten und müssen „den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft genügen.“275 _____________ 271 Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub2./200/Rev.1, S. 22. 272 Dies steht im Gegensatz zu Art. 18 Abs. 4 IPbürgR, der dieses Recht grundsätzlich den Erziehungsberechtigten gewährt. 273 Ähnlich in Art. 16 CEDAW. 274 Zur AEMR als Völkergewohnheitsrecht siehe oben, C.I.1. 275 So heißt es in der englischen Fassung: „… solely for the purpose of securing due recognition and respect for the rights and freedoms of others and of meeting the just requirements of morality, public order and the general welfare in a democratic society.“

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

S. 69

69

ee) Ergebnis Die AEMR bietet einen umfassenden Schutz der Religionsfreiheit. Dies beruht einmal auf der umfassenden Formulierung des Schutzbereiches selbst, ergibt sich aber auch aus weiteren Artikeln wie dem Verbot der Diskriminierung (Art. 2 AEMR) und den angesprochenen Art. 16 und 26 AEMR. Seit ihrer Verabschiedung ist es nicht mehr gelungen, das Recht auf Religionswechsel ausdrücklich in einer Menschenrechtserklärung zu verankern. Soweit islamische Staaten an der Ausarbeitung einer zukünftigen Menschenrechtserklärung, beispielsweise einer Resolution oder Konvention zum Schutze der Religionsfreiheit, beteiligt sein sollten, wird dies auch nicht mehr geschehen. 2. Resolution zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung basierend auf Religion oder Glauben (AntiDiskrRes) Neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stellt die Resolution zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung basierend auf Religion oder Glauben276 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zweifellos eines der wichtigsten völkerrechtlichen Dokumente dar, die den Schutz des Menschenrechtes der Religionsfreiheit zum Gegenstand haben.277 Sie wurde im Jahre 1981 im Konsens verabschiedet. Eine Besonderheit der Resolution ist, dass Adressaten nicht nur staatliche Stellen sind, sondern die Resolution sich auch an die Gesellschaft, also beispielsweise auch an Religionsgemeinschaften richtet.278 Die Resolution stellt nicht nur die individuelle Religionsfreiheit unter Schutz, sondern umfasst auch kollektive Aspekte der Religionsfreiheit: Art. 6 lit. f und g AntiDiskrRes schützen Rechte, die nur einer Religionsgemeinschaft als solche zustehen können.279 _____________ 276 UN Doc. A/RES/36/55 (1981) vom 25. November 1981. Zur Entstehungsgeschichte siehe Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (114 f.); Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 155 ff.; Kaufmann, Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 154 ff. 277 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (114). Zur Resolution siehe Lerner, Group Rights and Discrimination in International Law, S. 75 ff.; Sullivan, Advancing the Freedom of Religion or Belief Through the UN Declaration on the Elimination of Religious Intolerance and Discrimination, AJIL vol. 82 (1988), S. 487 ff. 278 Boyle, What is Agreed and what is not Agreed, S. 373 (377). 279 Art. 6 lit. f und g AntiDiskrRes lauten: „In accordance with article 1 of the present Declaration and subject to the provisions of article 1, paragraph 3, the right to freedom of thought, conscience, religion or belief shall include, inter alia, the following freedoms: … (f) To solicit and receive voluntary financial and other con-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

70

S. 70

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Hierunter fällt nicht nur die Diskriminierung selbst, sondern auch der Schutz vor Verfolgung entsprechender Gruppierungen.280 Vorläufer dieser Resolution waren die Resolutionen der Vereinten Nationen, die sich mit religiöser und Rassendiskriminierung beschäftigten.281 Der Titel der Resolution lautete ursprünglich Declaration on the Elimination of All Forms of Religious Intolerance. Im Jahre 1973 brachte Marokko jedoch im Dritten Komitee einen Änderungsvorschlag hinsichtlich der Formulierung des Titels der Resolution ein, der schließlich auch in die endgültige Fassung übernommen wurde.282 Der Grund hierfür ist darin zu finden, dass der Begriff der Intoleranz keine eindeutige Bedeutung aufweist. Der Weg zu der Verabschiedung dieser Resolution war von Schwierigkeiten geprägt. Bereits im Jahre 1962 hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einer Resolution den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) mit der Aufgabe betraut, eine entsprechende Resolution zu erarbeiten.283 In den folgenden Jahren wurden in der Generalversammlung Entwürfe für eine Antidiskriminierungs-Resolution eingebracht, die jedoch keine Zustimmung fanden.284 Ursprünglich sollten die Resolutionen gegen religiöse Diskriminierung und gegen Apartheid in einer Erklärung gemeinsam zusammengefasst werden. Gruppen einzelner Staaten waren jedoch an einer sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzung bezüglich der verschiedenen Arten von Diskriminierung interessiert. Insbesondere die kommunistischen Staaten hielten die religiöse Diskriminierung für nicht besonders regelungsbedürftig, und auch die afrikanischen Staaten hielten die rassische Diskriminierung für problematischer als religiöse Intoleranz. Die arabischen Staaten hingegen wollten die Problematik des Antisemitismus aus einer solchen Resolution ausgeklammert sehen. Indem man nun verschiedene Anti-Diskriminierungsresolutionen verabschiedete, konnten die jeweiligen Gruppen von Staaten ihre Anliegen in die jeweiligen Resolutionen einbringen, so dass die Verabschiedung mehrerer Anti-Diskriminierungsreso_____________ tributions from individuals and institutions; (g) To train, appoint, elect or designate by succession appropriate leaders called for by the requirements and standards of any religion or belief; …“. 280 Arzt, The Treatment of Religious Dissidents, S. 387 (395). 281 UN Doc. A/RES 1780 und 1781 (XVII) vom 7. Dezember 1962. 282 UN Doc. A/C.3/L.2029. 283 UN Doc. A/RES 1781 (XVII) vom 7. Dezember 1962; Davis, The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right, BYULR vol. 2002, S. 217 (217). Ausführlich zu der Entstehungsgeschichte der Resolution gegen religiöse Intoleranz siehe Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 139 ff. 284 UN Doc. A/C.3/SR.1486–1514; UN Doc. A/777 (1968); UN Doc. A/8330 (1971); UN Doc. E/CN.4/1145 (1973); hierzu auch Clark, The United Nations and Religious Freedom, NYUJILP vol. 11 (1978), S. 197 (206).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

S. 71

71

lutionen leichter als die Verabschiedung einer einzelnen Resolution zu erreichen war.285 Im Vorfeld der Resolution gab es zu verschiedenen Aspekten der Resolution heftige Kontroversen: Zunächst waren sich die Delegationen der verhandelnden Staaten nicht einig, was unter dem Begriff der Religion zu verstehen sei. Vorwiegend Teilnehmer, die aus kommunistischen Staaten kamen, setzten sich für die Gleichbehandlung von religiösen und areligiösen Glaubensrichtungen durch die Resolution ein.286 Der vorliegende Entwurf war in ihren Augen eine nicht zu rechtfertigende Ausrichtung der Resolution auf religiöse Diskriminierung. Von Seiten westlicher Staaten wurde hingegen die Auffassung vertreten, dass der Text in der vorliegenden Form Anhängern areligiöser Glaubensrichtungen adäquaten Schutz gewähre.287 Daneben verwiesen sie darauf, dass das eigentliche Ziel der Schutz unterschiedlicher Religionen und religiöser Menschenrechte sei.288 Diese Kontroverse wurde dadurch gelöst, dass vor das Wort „belief“ das Wort „whatever“ eingesetzt wurde,289 weshalb eindeutig auch areligiöse Glaubensrichtungen unter den Schutz der Resolution fallen.290 Die Schwierigkeiten, die die Staaten bei der Erarbeitung eines rechtlichen Rahmens für das Menschenrecht der Religionsfreiheit haben, werden auch daran erkennbar, dass es bis heute trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen ist, einen völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot der religiösen Diskriminierung zu schließen. Ein weiterer Konfliktpunkt entzündete sich an der Frage, ob eine Bestimmung hinsichtlich des Rechtes auf Wechsel der Religion in die Resolution aufgenommen werden sollte. Die Frage blieb auch trotz intensiver Diskussionen bis zuletzt streitig, letztlich ist aber davon auszugehen, dass das _____________ 285 Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 142. 286 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (115); Davis, The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right, BYULR vol. 2002, S. 217 (228). 287 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (115). 288 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (117). 289 In der Präambel und in Art. 1; Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (115). Im Rahmen der Diskussionen um die Interpretation im Dritten Komitee der Generalversammlung äußerte die Vertreterin Ägyptens die Befürchtung, dass die Verwendung des Begriffes „belief“ nicht mit ägyptischen Gesetzen vereinbar sein könnte, UN Doc. A/C.3/36/SR.43, S. 8. 290 Ermacora, Glaubens- und Gewissensfreiheit, S. 50 f.; Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (117). Insbesondere die Staaten des Ostblocks hatten sich für die völlige rechtliche Gleichbehandlung von Gläubigen und Ungläubigen eingesetzt, Lerner, The Final Text of the U.N. Declaration Against Intolerance and Discrimination Based on Religion or Belief, IYHR vol. 12 (1982), S. 185 (186).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

72

S. 72

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Recht auf Religionswechsel von der Resolution umfasst ist.291 In einem Entwurf zu der Resolution war die ausdrückliche Erwähnung des Rechtes auf Wechsel der Religion vorgesehen.292 Ähnlich wie bei der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, aber in einem verstärkten Maße, regte sich gegen eine solche Bestimmung Widerstand insbesondere aus islamischen Staaten.293 Als Kompromiss konnten sich die verhandelnden Parteien auf eine Formulierung einigen, die zwar nicht ausdrücklich auf das Recht des Religionswechsels verweist. Gemäß dem Art. 8 AntiDiskrRes dürfen die Bestimmungen der Resolution nicht so ausgelegt werden, dass sie eine Einschränkung der Rechte bedeuten, so wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den Menschenrechtspakten aus dem Jahre 1966 enthalten sind.294 Diese Formulierung schließt nicht aus, dass Staaten, die die Pakte nicht ratifiziert haben, sich darauf berufen können, dass das Recht auf Wechsel der Religion als Völkergewohnheitsrecht gilt.295 Im Jahre 1987 wurde eine Studie von Odio Benito (damals die Sonderberichterstatterin der Menschenrechtskommission zur Religions- und Glaubensfreiheit) veröffentlicht, in der sie sich mit der Weite des Schutzbereiches der Religionsfreiheit beschäftigt. Trotz der fehlenden ausdrücklichen Einbeziehung des Rechtes auf Wechsel der Religion in den Text der Resolution erklärte Odio Bentio, dass die Tatsache, dass das Recht auf Religionswechsel nicht ausdrücklich in der Resolution festgehalten sei, nicht bedeute, dass es von der Resolution nicht umfasst sei.296 a) Bedeutung der Resolution für das Völkerrecht Die Resolution ist für die Beschreibung des Inhaltes des Menschenrechtes der Religionsfreiheit sehr bedeutsam, da in den jeweiligen Artikeln die einzelnen Bestandteile der Religionsfreiheit detailliert aufgeschlüsselt wer_____________ 291 Sullivan, Advancing the Freedom of Religion or Belief Through the UN Declaration on the Elimination of Religious Intolerance and Discrimination, AJIL vol. 82 (1988), S. 487 (495). 292 Preliminary Draft of a United Nations Declaration on the Elimination of All Forms of Religious Intolerance, UN Doc. E/CN.4/873, Annex, S. 64 ff. (Art. IV). 293 Walkate, The Right of Everyone to Change his Religion or Belief, NILR vol. 30 (1983), S. 146 (148 f.). 294 Art. 8 AntiDiskrRes lautet: „Nothing in the Present Declaration shall be construed as restricting or derogating from any right defined in the Universal Declaration of Human Rights and the International Covenants on Human Rights.“ 295 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (116). 296 UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1987/26 (1986), para. 21.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

S. 73

73

den.297 Die in den Art. 1–6 AntiDiskrRes formulierten Rechte spiegeln den völkergewohnheitsrechtlichen Minimalstandard des Rechtes der Religionsfreiheit wider.298 In weiten Teilen stimmen die Texte des IPbürgR zu der Religionsfreiheit und der Resolution der Generalversammlung gegen religiöse Diskriminierung in ihrem Umfang des Schutzes der Religionsfreiheit überein.299 Lediglich im Rahmen der in Art. 6 AntiDiskrRes genannten Einzelfreiheiten (insbesondere im Hinblick auf Rechte von Gruppen) geht die Resolution über die im IPbürgR gewährleisteten Garantien hinaus. Da sie als Völkergewohnheitsrecht erachtet wird, ist deshalb davon auszugehen, dass sie zur Auslegung der Religionsfreiheit im IPbürgR und in anderen Menschenrechtsinstrumenten herangezogen werden kann.300 Ihre Wirksamkeit ist jedoch dadurch eingeschränkt, dass sie als Resolution der Generalversammlung selbst keine Bindungswirkung entfaltet, sondern nur dann rechtsverbindlich wird, wenn ihre Normen als Völkergewohnheitsrecht qualifiziert werden können. Daher wird diskutiert, die Resolution in einen völkerrechtlichen Vertrag zu konvertieren und damit die Bindungswirkung der Resolution zu erreichen, ohne ihre völkergewohnheitsrechtliche Bedeutung nachweisen zu müssen. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Text einer Reihe von Staaten einen zu weitgehenden Schutz der Religionsfreiheit einräumt, so dass nur von einem Teil der Staaten die Ratifizierung zu erwarten wäre.301 Seit dem Jahre 1987 werden aufgrund der Resolution Berichte des Sonderberichterstatters der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zur Religions- und Glaubensfreiheit erstellt. Allerdings konnte die Resolution bisher kaum zu einer Besserung der Situation verfolgter religiöser Gruppierungen und Minderheiten beitragen.302 _____________ 297 Davis, The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right, BYULR vol. 2002, S. 217 (228). 298 Lerner, Religious Human Rights Under The United Nations, S. 79 (117 f.); General Comment des Human Rights Committee, No. 22 (48), GAOR, 48th Session, Supp. No. 40, A/48/40, Annex VI (1993), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.4; dieser ist auch in HRJ vol. 15 (1994), S. 233 f. abgedruckt. Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 186 ff.; zu den einzelnen Artikeln siehe Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 172 ff. 299 Zur Religionsfreiheit nach dem IPbürgR siehe oben 2. Kapitel, A.II. 300 Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 139; Tahzib, Freedom of Religion or Belief, S. 188. 301 Davis, The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right, BYULR vol. 2002, S. 217 (231). 302 Davis, The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right, BYULR vol. 2002, S. 217 (218); van Boven, Elimination of all Forms of Intolerance and Discrimination Based on Religion or Belief, Working Paper, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1989/32, passim.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

74

S. 74

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

b) Ansichten der islamischen Staaten zu der Erklärung Wie bereits oben erläutert, befürchtete die Vertreterin Ägyptens bei den Diskussionen im Dritten Ausschuss, dass die Verwendung des Terminus „whatever belief“ nicht mit dem ägyptischen Recht vereinbar sein könnte.303 Weiterhin versuchte Ägypten, die ausdrückliche Aufnahme des Rechts auf Religionswechsel in die Erklärung zu verhindern.304 Neben Ägypten stellten sich weitere islamische Staaten gegen die ausdrückliche Einbeziehung des Rechts auf Religionswechsel, und zwar insbesondere Indonesien, Irak, Iran, Kuwait und Saudi-Arabien.305 Die Vertreter dieser islamischen Staaten verwiesen darauf, dass die Resolution nicht im Widerspruch zum islamischen Recht stehen dürfe.306 Der Vertreter des Iran beispielsweise erinnerte daran, dass Muslime, die den Islam aufgäben, mit der Todesstrafe zu rechnen hätten.307 Ferner betonte er, dass Iran sich nicht an völkerrechtliche Bestimmungen halten würde, die mit islamischem Recht nicht vereinbar seien.308 Der Vertreter Indonesiens schlug die Einbeziehung einer Bestimmung vor, nach der die Überredung („persuasion“) zum Übertritt zu einer bestimmten Religion nicht so weit gehen darf, dass sie mit der Religionsfreiheit des anderen nicht mehr zu vereinbaren sei.309 Der Vertreter der irakischen Regierung äußerte sich im Namen der Organization of the Islamic Conference (OIC): Er begrüßte die Verabschiedung der Resolution, äußerte jedoch Bedenken, ob die Resolution mit der Scharia vereinbar sei. Die OIC wollte die Resolution nur in dem Rahmen anerkennen, als sie nicht im Widerspruch zum islamischen Recht stehe.310 Es ist jedoch fraglich, ob einer solchen Erklärung überhaupt eine rechtliche Bedeutung zukommt. Diese Erklärung zielte auf die Frage ab, ob von der Resolution das Recht auf Wechsel oder Aufgabe der Religion gewährleistet sei. Dieses Recht ist jedoch in jedem Fall durch den IPbürgR gewährleistet, und keiner der islamischen Staaten hat zu dem Art. 18 IPbürgR einen Vorbehalt eingelegt.311 Die durch die Mitgliedstaaten der OIC abgegebene Er_____________ 303 UN Doc. A/C.3/36/SR.43, paras. 46 ff. 304 Commission on Human Rights, Report on the thirty-fourth Session (ECOSOC Official Records), 1978, Suppl. No. 4, S. 56 (61). 305 Walkate, The Right of Everyone to Change his Religion or Belief, S. 146 (149). 306 Vgl. Abu-Sahlieh, Le délit d’apostasie aujord’hui et ses conséquences en droit arabe et musulman, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 93 (94). 307 UN Doc. A/C.3/36/SR.29, paras. 10 ff. 308 UN Doc. A/C.3/36/SR.29, paras. 14, 16. 309 UN Doc. A/C.3/36/SR.34, para. 32. 310 UN Doc. A/C.3/36/SR.43, paras. 50 ff. 311 Multilateral Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, vol. I, S. 169 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 75

C. Die Religionsfreiheit in nicht-vertraglichen Dokumenten

75

klärung hat aber keinen Einfluss auf die Bindungswirkung durch den IPbürgR.312 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das ausdrückliche Recht auf Wechsel der Religion aus dem Text der Resolution gestrichen wurde.313

II. Gewährleistung der Religionsfreiheit durch Bestimmungen des Minderheitenschutzes Wie bereits oben im 2. Kapitel erläutert,314 sind Gruppenrechte erst seit jüngerer Zeit zu dem internationalen Menschenrechtsschutz zu zählen. Zu nennen sind hier insbesondere Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die Gruppenrechte enthalten.315 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948 enthält keine Bestimmung zum Schutze von Minderheiten, sondern ist noch sehr individualistisch geprägt. Es wurden durch eine Reihe verschiedener Staaten Versuche unternommen, in diese Erklärung auch einen Artikel zum Schutz von Minderheiten und auch religiösen Minderheiten aufzunehmen. Allerdings konnten sich entsprechend lautende Vorschläge nicht durchsetzen.316 Erst mit der Entwicklung einer so genannten Dritten Generation von Menschenrechten wurden kollektive Rechte Gegenstand des internationalen Menschenrechtsschutzes.317 Im Rahmen der Gewährung von Gruppenrechten kommt der Erklärung über Minderheiten aus dem Jahre 1992 große Bedeutung zu.318 Allerdings ist auch diese Erklärung ähnlich wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte individualistisch geprägt: Angehörige religiöser Minderheiten werden geschützt, aber nicht die Minderheiten selbst.319 Dennoch ist die Wirkung _____________ 312 Walkate, The Right of Everyone to Change his Religion or Belief, S. 146 (155). 313 UN Doc. A/36/684, para. 6 (1981). 314 Siehe oben 2. Kapitel, A.III. 315 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung aus dem Jahre 1965 und die Erklärung über die Beseitigung aller Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung aus dem Jahre 1981. 316 Thornberry, International Law and the Rights of Minorities, S. 133 ff. 317 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 27, Rn. 2 f. 318 Resolution über Rechte von Angehörigen nationaler, ethnischer, religiöser oder sprachlicher Minderheiten vom 18. Dezember 1992, UN Doc. A/Res/47/135, abgedruckt in: HRLJ vol. 13 (1994), S. 54 f. Gleichwohl wird die Erklärung als nicht hinreichend kritisiert, hierzu Lerner, Minderheiten und die neuen politischen Institutionen, Gewissen und Freiheit, Nr. 55 (2000), S. 57 (63). 319 So heißt es beispielsweise in Art. 2 Abs. 1 AEMR: „Persons belonging to national or ethnic, religious and linguistic minorities … have the right to enjoy their own culture, to profess and practise their own religion …“. Auch in anderen Arti-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

76

S. 76

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

dieser Resolution zugunsten der Etablierung von Gruppenrechten nicht zu unterschätzen, da sie weitreichende Schutzbestimmungen zugunsten von Minderheiten enthält. Die Resolution enthält also einen ähnlichen Ansatz wie Art. 27 IPbürgR, der ebenfalls nur individuellen Schutz bietet und nicht eine Minderheit als solche unter Schutz stellt, so dass die Resolution zur Interpretation des Art. 27 herangezogen werden kann.320

III. KSZE-Folgetreffen in Wien vom 15. Januar 1989 Das Abschlussdokument des KSZE-Folgetreffens321 gewährleistet für Religionsgemeinschaften sehr weitgehende Rechte. Sie enthält Rechte, die über die anderer völkerrechtlicher Dokumente, die die Religionsfreiheit zum Gegenstand haben (z.B. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und IPbürgR) hinausgehen.322 Die Schluss-Akte fordert Respekt für religiöse Unterschiede, insbesondere in der Beziehung zwischen Glaubensgemeinschaften. Weiterhin fordert die Schluss-Akte von den an der Konferenz teilnehmenden Staaten, dass die Ausübung von Rechten wie der Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit gewährleistet wird. Von dem Dokument geht jedoch keine rechtliche Verbindlichkeit aus.

D. Islamische Menschenrechtserklärungen Seit den achtziger Jahren haben Nichtregierungsorganisationen und internationale Organisationen, die ihren Sitz im Nahen Osten haben oder einen speziellen Bezug zum Islam aufweisen, Menschenrechtserklärungen entwickelt. Die Motivation zur Ausarbeitung dieser Erklärungen bestand darin, einen Kontrapunkt zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahre 1948 zu setzen, die nach dem Verständnis dieser Organisationen und auch nach Auffassung vieler muslimischer Beobachter westlich geprägt ist und deshalb keinen Anspruch auf universelle Geltung erheben kann. Der wesentliche Unterschied zu anderen Menschenrechtserklärungen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 oder den Pakten aus dem Jahre 1966 besteht darin, dass die islamischen Menschen_____________ keln der Resolution ist ausschließlich von Personen die Rede, denen Rechte zustehen. 320 Wolfrum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, S. 53 (69). 321 Europa-Archiv 1989 Teil II/III, D, S. 133 ff. 322 Hierzu Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, S. 3 (32).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Islamische Menschenrechtserklärungen

S. 77

77

rechtserklärungen insgesamt einen starken religiösen Bezug aufweisen.323 Deshalb drängt sich die Frage auf, ob es sich bei diesen Erklärungen nicht vielmehr um religiöse als um weltliche Menschenrechtserklärungen handelt.324 Im Folgenden soll hier auf die Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung des Islamrates für Europa und auf die Menschenrechtserklärung der OIC eingegangen werden. Während es sich bei der zuletzt genannten Organisation um einen Zusammenschluss von Staaten handelt, ist erstere eine Nichtregierungsorganisation. Die Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung wird von islamischen Staaten gerne als Beispiel für Menschenrechte herangezogen, so dass ihr auch im Hinblick auf die Staatenpraxis für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht eine Bedeutung zukommt.325

I. Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung Am 19. September 1981 verabschiedete der Islamrat für Europa (London) in Paris in Anlehnung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte eine Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung (AIM).326 Der Islamrat wurde im Jahre 1965 in London gegründet und ist ein Zusammenschluss der Vereinigungen von europäischen Muslimen, die als Einwanderer in Europa leben.327 Die vorliegende Menschenrechtserklärung hat er in Rücksprache mit der OIC, der Weltmoslemliga und dem Islamischen Weltkongress verabschiedet. Der Islamrat ist eine Organisation, die weitgehend un_____________ 323 Die hier besprochenen islamischen Menschenrechtserklärungen aus den Jahren 1981 und 1990 weisen ausdrücklich darauf hin, dass die gewährten Freiheiten unter dem Vorbehalt der Scharia stehen. Die Menschenrechtserklärung der Arabischen Liga hingegen stellt einen Bezug zu den „göttlichen“ Religionen her. Hiermit sind neben dem Islam die vom Islam anerkannten Religionen gemeint, also Christentum und Judentum. Hierzu siehe 3. Kapitel, B.II. 324 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf der einen und den muslimischen Menschenrechtserklärungen aus den Jahren 1981 und 1990 und der Menschenrechtserklärung der Arabischen Liga aus dem Jahre 1994 auf der anderen Seite werden herausgearbeitet von Borrmans, Convergences et divergences entre la déclaration universelle des droits de l’homme de 1948 et les récentes déclarations des droits de l’homme dans l’Islam, Islamochristiana, vol. 25 (1999), S. 1 (7 ff.). 325 Zu der Frage, ob die Praxis der islamischen Staaten zu der Entstehung regionalen Völkergewohnheitsrechts geführt hat, siehe unten, 5. Kapitel, B. 326 Übersetzungen in Islamochristiana, vol. 9 (1983), S. 103 ff. Ausführlich zu der Erklärung siehe Forstner, Inhalt und Begründung der Allgemeinen Islamischen Menschenrechtserklärung, S. 249 (252 ff.). 327 Forstner, Inhalt und Begründung der Allgemeinen Islamischen Menschenrechtserklärung, S. 249 (252).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

78

S. 78

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

ter dem Einfluss Saudi-Arabiens steht und auch von Pakistan aktiv unterstützt wird.328 Zweck dieser Erklärung ist es, die Möglichkeit einer Menschenrechtserklärung aufzuzeigen, welche die kulturellen Besonderheiten der islamischen Welt berücksichtigt und gleichzeitig internationalen Menschenrechtsstandards entspricht. Nach dem Verständnis der Autoren begründet diese jedoch keine Menschenrechte, sondern gibt nur die Menschenrechte wieder, die Gott den Menschen durch Koran und sunna gewährt hat.329 Damit ist entsprechend davon auszugehen, dass die Behandlung religiöser Minderheiten entsprechend der vom islamischen Recht vorgegebenen Grundsätze erfolgen soll. Bei der Bewertung der Erklärung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die arabische und die englische Fassung in deutlichem Widerspruch zueinander stehen.330 Ein wesentlicher Unterschied besteht beispielsweise darin, dass in der arabischen Fassung die Rechte von der Scharia begrenzt werden, während in der englischen Version einfach nur der Begriff „law“ verwendet wird. Die Erklärung ist sehr religiös ausgerichtet, was sich z.B. darin zeigt, dass sie an vielen Stellen die herausragende Bedeutung der islamischen Religion betont. Gleichzeitig hat sie in Wortwahl und Stil sehr viele Ähnlichkeiten mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Unterschiede der Resolutionstexte in den verschiedenen Sprachen werden z.B. anhand des Rechtes auf Gleichheit deutlich. Während in der arabischen Version auch die religiöse Diskriminierung untersagt wird,331 enthält die englische Fassung nur einen allgemeinen Gleichheitssatz und ein allgemeines Verbot der Diskriminierung. Aufgrund des engen Bezuges der Resolution zum Islam und durch die Tatsache, dass das Arabische als die einzige authentische Sprache im Islam bezeichnet werden kann, ist davon auszugehen, dass die arabische Version als der eigentliche Resolutionstext gilt. _____________ 328 Müller, Islam und Menschenrechte, S. 120 f.; Binswanger, Türkei, S. 217 (220). 329 Zu Koran und sunna als Quellen des islamischen Rechts siehe unten, 3. Kapitel, A.I.1. 330 Eine Übersetzung der englischen und der arabischen Fassung findet sich bei Forstner, Allgemeine Islamischen Menschenrechtserklärung, S. 16 ff. Zu den Unterschieden der verschiedenen Versionen siehe auch Borrmanns, Convergences et divergences entre la déclaration universelle des droits de l’homme de 1948 et les récentes déclarations des droits de l’homme dans l’Islam, Islamochristiana, vol. 24 (1999), S. 1 (5); Mayer, Islam and Human Rights, S. 76, 160 ff.; Nielsen, Contemporary Discussions on Religious Minorities in Islam, BYULR vol. 2002, S. 353 (358). 331 So lautet Art. 3 lit. b S. 3 der arabischen Fassung: Jedes Denken, jede Gesetzgebung und jeder Zustand, die zwischen den Einzelnen einen Unterschied aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Farbe, der Sprache oder der Religion zu machen erlauben, sind eine direkte Behinderung dieses allgemein islamischen Prinzips (Übersetzung nach: Forstner, Allgemeine Islamischen Menschenrechtserklärung).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Islamische Menschenrechtserklärungen

S. 79

79

Die Erklärung enthält elementare Menschenrechte. Beispielsweise enthält Art. 1 AIM das Recht auf Leben, Art. 3 AIM das Recht auf Gleichheit und Art. 5 AIM das Recht auf ein gerechtes Gerichtsverfahren. Art. 10, 12 lit. a und 13 AIM behandeln die Religionsfreiheit.332 Demnach regelt sich die Religionsfreiheit nach dem Vers des Korans, der vorgibt, dass es in der Religion keinen Zwang geben dürfe (Koranvers 2:256: „In der Religion gibt es keinen Zwang“ (d.h. man kann niemand zum (rechten) Glauben zwingen). Mit diesem Koranvers wird das Verbot verbunden, Andersgläubige zum Übertritt zum Islam zu zwingen.333 In Art. 12 lit. a AIM ist das Recht festgehalten, dass jede Person ihre Gedanken und ihren Glauben ausdrücken darf. Allerdings steht dieses Recht unter einem Gesetzesvorbehalt, der aber nicht genauer spezifiziert ist. Im Zusammenhang mit der religiösen Ausrichtung der Erklärung ist aber eindeutig, dass unter dem Begriff „law“ das islamische Recht zu verstehen ist. Auch wenn in ihr eine Reihe von Freiheiten genannt ist, ist dennoch insgesamt festzustellen, dass die Erklärung ungenügend ist. Da die Erklärung als Konkretisierung des islamischen Rechts zu verstehen ist, ist anzunehmen, dass sie kein Recht auf Wechsel der Religion enthält. Ihr Schweigen zu den nach islamischem Recht vorgesehenen Körperstrafen führt dazu,334 dass diese nach der Erklärung mit den Menschenrechten zu vereinbaren sind. Auch werden auf islamischem Recht beruhende Ungleichheiten zwischen Mann und Frau nicht durch die Erklärung beseitigt.335 Deshalb ist abschließend festzustellen, dass die Erklärung hinter den bestehenden Menschenrechtsstandards zurückbleibt.

II. Menschenrechtserklärung der Organisation der Islamischen Konferenz 1. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) Die OIC ist ein Zusammenschluss islamischer Staaten und wurde im Jahre 1969 von 26 Staaten in Rabat gegründet.336 Der Sitz der Organisation befindet sich in Djidda (Saudi-Arabien). Saudi-Arabien begreift sich selbst _____________ 332 Siehe hierzu auch Mayer, Islam and Human Rights, S. 139 ff. und 160 ff. 333 Ausführlich zu diesem Koranvers siehe unten, 3. Kapitel, B.II.2. 334 Zum islamischen Strafrecht siehe unten, 3. Kapitel, B.II.2. 335 Charfi, L’influence de la religion dans le droit international privé des pays musulmans, RdC t. 203 (1987-III), S. 321 (341 f.). 336 Zur Organisation der OIC siehe Moinuddin, Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) als Forum politischer und wirtschaftlicher Kooperation, passim; Reissner, Internationale islamische Organisationen, S. 696 (700 ff.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

80

S. 80

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

als der Motor der Organisation. Die Struktur der Mitglieder ist sehr diversifiziert: Sie reicht von streng islamischen Staaten wie Saudi-Arabien bis hin zu laizistischen Staaten wie der Türkei. Das Ziel der OIC ist es, die Verbundenheit islamischer Staaten zu stärken und in kulturellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten eine enge Kooperation untereinander herbeizuführen.337 Die Bande, die die Mitgliedstaaten zusammenhalten, sind jedoch sehr schwach. Aufgrund der sehr unterschiedlichen politischen Ausrichtungen der Mitgliedstaaten blieben die Maßnahmen, die Vorgaben aus Art. 2 der Charta umzusetzen, im Ansatz stecken.338 Nur selten konnten sich die Mitgliedstaaten auf eindeutige Stellungnahmen einigen, die über die Formulierung allgemeiner Phasen hinausgingen.339 Dies wird z.B. an dem Versuch OIC deutlich, einen Internationalen Islamischen Gerichtshofes zu errichten, der seine Entscheidungen in erster Linie nach dem Recht der Scharia trifft, aber auch internationales Recht anwenden soll. Allerdings konnte der Gerichtshof bis heute seine Tätigkeit nicht aufnehmen, da die Mitglieder den Verlust eines Teils ihrer Souveränität befürchten.340 2. Cairo Declaration on Human Rights in Islam (CairoDecl) Im Jahre 1990 wurde in Kairo die Menschenrechtserklärung der OIC341 auf der 19. Islamischen Konferenz der Außenminister verabschiedet. Auf staatlicher Ebene hat diese Erklärung jedoch kaum Beachtung gefunden.342 Nach dieser Erklärung werden die elementaren Menschenrechte garantiert. In einem Punkt unterscheidet sich diese Erklärung grundlegend von ande_____________ 337 Art. 2 der Charta der OIC. 338 Einen kurzen Überblick zur OIC gibt Shihab, Organization of the Islamic Conference, EPIL vol. III, S. 824 ff. Umfassend untersucht wurde die Charta der OIC von Moinuddin, Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) als Forum politischer und wirtschaftlicher Kooperation. Jedoch spiegelt diese Monographie nicht mehr die aktuelle Lage wider. 339 Eine Ausnahme bildet die Verurteilung der OIC des Völkermordes in BosnienHerzegowina, Resolution Nr. 41/21-P, abgedruckt in: UN Doc. A/Conf.157/PC/62/ Add.18, S. 11 ff. 340 Siehe hierzu Lombardini, The International Islamic Court of Justice: Towards an International Islamic Legal System?, LJIL vol. 14 (2001), S. 665 ff. 341 Resolution 49/19-P; die englische Fassung wurde anlässlich der World Conference on Human Rights in Genf im Jahre 1993 vorgestellt, UN Doc. A/Conf.157/ PC/62/Add.18 vom 9. Juni 1993; hierzu auch Mayer, MJIL vol. 15 (1994), S. 307 (327 ff.); Mayer, Islam and Human Rights, S. 146 ff. und S. 172 f.; El-Hajjé, The Cairo Declaration on Human Rights in Islam and Non-Derogable Rights, S. 439 ff.; zum Ganzen Hegasy/Jürgensen, Zur Menschenrechtssituation im Nahen und Mittleren Osten, S. 160 (162 f., 169). 342 Amor, Verfassung und Religion in den muslimischen Staaten (Teil II), Gewissen und Freiheit, Nr. 50 (1998), S. 117 (132).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Islamische Menschenrechtserklärungen

S. 81

81

ren, nicht im muslimischen Kontext verabschiedeten Menschenrechtserklärungen. Die einzelnen Artikel enthalten nicht nur Menschenrechte: Art. 9 CairoDecl beispielsweise enthält zwar ein Recht auf Bildung, gleichzeitig werden die Staaten dazu aufgefordert, die muslimische Religion möglichst bekannt zu machen.343 Allerdings wirft die enge Verknüpfung der Erklärung mit dem Islam die Frage der Vereinbarkeit der Resolution mit dem Recht der Religionsfreiheit nach allgemeinem Völkerrecht auf. Die Wortwahl und Formulierungen der Erklärung erinnern häufig an Koran und sunna;344 allerdings enthält sie auf diese beiden Quellen muslimischen Rechts keinerlei Hinweise. Die Resolution enthält nicht nur Ge-, sondern auch Verbote und beschränkt ihre Anwendbarkeit nicht auf Muslime. Durch Anwendung der Erklärung erlangt also islamisches Recht für Nicht-Muslime Gültigkeit und legt diesen Verbote auf, die durch das islamische Recht vorgesehen sind.345 Es wird daher vertreten, dass die Erklärung im Widerspruch zu der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte stehe.346 Die Erklärung enthält eine Reihe von Rechten. Art. 6 CairoDecl nennt die Gleichberechtigung von Frauen gegenüber Männern, Art. 9 CairoDecl das Recht auf Bildung, und nach Art. 19 CairoDecl sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Art. 22 lit. a CairoDecl enthält die Meinungsfreiheit. Gemäß Art. 18 lit. a CairoDecl hat jeder Mensch das Recht, seine Religion auszuüben. Das Recht auf Wechsel der Religion wird nicht erwähnt, vielmehr wird in Art. 10 CairoDecl betont, dass der Islam die einzig wahre Religion sei. Nach Art. 10 S. 2 CairoDecl ist es verboten, eine Person zur Aufgabe des islamischen Glaubens zu zwingen oder sie wegen einer Notlage oder ihrer Naivität vom Islam abzubringen.347 Gemäß Art. 5 lit. a CairoDecl ist _____________ 343 Art. 9 lautet: „The seeking of knowledge is an obligation and provision of education is the duty of the society of the State. The State shall ensure the availability of ways and means to acquire education and shall guarantee its diversity in the interest of the society so as to enable man to be acquainted with the religion of the Islam and uncover the secrets of the Universe for the benefit of mankind.“ 344 Borrmanns, Convergences et divergences entre la déclaration universelle des droits de l’homme de 1948 et les récentes déclarations des droits de l’homme dans l’Islam, Islamochristiana, vol. 24 (1999), S. 1 (5). 345 Ausführlich zu diesem Aspekt des islamischen Rechts siehe unten, 3. Kapitel, B.II.1. 346 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt: A Comment on Protection Religious Minorities from Nonstate Discrimination, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1083). 347 Art. 10 CairoDecl lautet: „Islam is the religion of true unspoiled nature. It is prohibited exercise any form of pressure on man or to exploit his poverty or ignorance in order to force him to change his religion to another religion or to atheism.“

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

82

S. 82

2. Kap.: Die Religionsfreiheit im Völkerrecht

Männern und Frauen das Recht auf Heirat zu gewährleisten, und Restriktionen dürfen weder auf Rasse, Hautfarbe oder Nationalität beruhen. Auffällig ist, dass bei den Verbotsgründen für Eheschließung die Religion unerwähnt bleibt. Einschränkungen dieses Rechts werden nicht benannt, aber angesichts der nach islamischem Recht bestehenden Beschränkungen des Rechtes auf Eheschließung348 aufgrund unterschiedlicher Religionszugehörigkeit der Eheleute ist davon auszugehen, dass auch gemäß der Islamischen Menschenrechtserklärung einer Muslima nicht das Recht zukommt, einen Angehörigen einer anderen Religion zu heiraten.349 Denn wie unten noch zu erläutern sein wird, enthält das islamische Recht Verbote für die Heirat von Muslimen mit Angehörigen anderer Religionen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach Art. 1 lit. a CairoDecl die Diskriminierung basierend auf religiösem Glauben verboten ist. In den Art. 24 und 25 CairoDecl wird hinsichtlich der genannten Garantien auf die Scharia Bezug genommen. Nach Art. 24 CairoDecl sind diese Freiheiten auch Gegenstand des islamischen Rechts, und gemäß Art. 25 CairoDecl dürfen die Freiheiten lediglich im Sinne der Scharia ausgelegt werden. Hieraus lässt sich auf eine Schlechterstellung für die Angehörigen nicht-islamischer Religionen schließen. Dies bedeutet andererseits für die Religionsfreiheit, dass die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht von den Freiheiten umfasst ist. Auch mit dieser Norm kann ein Heiratsverbot für Angehörige unterschiedlicher Religion begründet werden.350 Eine solche Interpretation der Resolution ist jedoch mit internationalen Menschenrechtsstandards nicht zu vereinbaren.351

_____________ 348 Siehe hierzu unten 3. Kapitel, B.II. 349 El-Hajjé, The Cairo Declaration on Human Rights in Islam and Non-Derogable Rights, S. 439 (442 f.). 350 Siehe 3. Kapitel, B.II. 351 Eine Reihe weiterer Normen der Erklärung ist nicht mit Normen des internationalen Menschenrechtsschutzes zu vereinbaren, hierzu Conti, Universality of Human Rights, S. 143 (160 ff.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 83

3. Kapitel

Die Religionsfreiheit im islamischen Recht A. Einleitung In muslimischen Kreisen wird vielfach, wohl auch zu Recht,1 bestritten, dass Menschenrechte allein einen im Okzident zu findenden Ursprung haben. Rechtswissenschaftler aus der islamischen Welt verweisen nicht selten auf den Koran beziehungsweise auf das gesamte islamische Recht als ursprüngliche Quelle der Menschenrechte. Das islamische Recht enthält beispielsweise Garantien im Hinblick auf Angehörige anderer Religionen, normiert aber auch allgemein Rechte und Pflichten, die im Hinblick teilweise eine ähnliche Qualität wie „westliche“ Menschenrechte aufweisen. Sehr häufig verweisen muslimische Autoren auf die Vorreiterrolle, die ihrer Ansicht nach der Islam für die Entwicklung des Menschenrechtsschutzes innehat.2 Muslime sind aufgrund ihrer Religion zur Beachtung der Instrumente zum Schutze der Menschenrechte verpflichtet.3 Hierauf verweisen nicht nur Rechtswissenschaftler, sondern diese Haltung wird auch in verschiedenen islamischen Menschenrechtserklärungen deutlich, die oben erläutert worden sind.4 Es ist jedoch zweifelhaft, ob hierfür die Wahl auf den Begriff „Menschenrechte“ fallen soll, denn, wie im Folgenden zu erläutern sein wird, handelt es sich nicht um einen naturrechtlichen Begriff, sondern diese Rechte bestehen nach islamischem Recht allein aufgrund göttlicher Legitimation. Die islamische Religion beruht auf der Annahme, dass Gott hat dem Menschen diese Rechte verliehen hat. Dies ist in diesem Kapitel zu erörtern, wobei, um eine einheitliche Diktion beizubehalten, auch im Bereich des islamischen Rechts der Begriff „Menschenrechte“ verwendet werden soll. Da es sich um speziel_____________ 1 Bielefeldt, Muslim Voices in the Human Rights Debate, HRQ vol. 17 (1995), S. 583 (602). 2 Abdel Haleem, Human Rights in Islam, S. 435 (436); Organization of the Islamic Conference, Res. 40/7-P. 3 Abdel Haleem, Human Rights in Islam, S. 435 (435, 437 f.). Auf S. 440 ff. erläutert der Autor weitere Menschenrechte, die das islamische Recht enthält, u.a. das Recht auf Leben. In diesem Zusammenhang verweist er auch auf die Regeln des islamischen Kriegsrechts, denn nach Koran 2:190 sei es den muslimischen Kämpfern nur gestattet, gegen Kombattanten vorzugehen. 4 Siehe oben, 2. Kapitel, D.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

84

S. 84

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

le, dem islamischen Recht entnommene Begriffe handelt, soll zunächst ein kurzer Überblick über Entstehung und Inhalt des islamischen Rechts gegeben werden.

I. Einführung in das islamische Recht Das islamische Recht5 stellt als religiöses Recht Handlungsanweisungen Gottes für das Zusammenleben der Menschen auf der Erde dar, die unter dem Begriff der Scharia firmieren.6 Die wichtigsten Rechtsgebiete im islamischen Recht behandeln das Familien- und Erbrecht, das Vermögensrecht und das Strafrecht.7 Gegenstand des islamischen Rechts sind weiterhin die religiösen Pflichten, die Regelung der kultischen Handlungen wie zum Beispiel die Wallfahrt nach Mekka (der Hadsch) und deren Durchführung, Vertragsrecht (muÝÁmalÁt ) und Normen aus dem Gebiet des Kriegsrechts. Nicht wenige dieser Regeln, beispielsweise bezüglich der rituellen Handlungen während der Wallfahrt, sind jedoch bereits in der vorislamischen Zeit entstanden und wurden durch den Islam übernommen.8 1. Rechtsquellen In der frühislamischen Zeit bestand über die Rechtsquellen und die Methoden der Rechtsfindung Unklarheit. Diese wurde erst im Laufe des 8. Jahrhunderts mit Entstehung der vier Rechtsschulen beseitigt. Letztere wie auch die Rechtsquellen selbst werden im Folgenden kurz erörtert. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass es niemals ein einheitliches kodifiziertes islamisches Recht gegeben hat. Unter den Vertretern der verschiedenen _____________ 5 Die Entstehungsgeschichte des islamischen Rechts ist jedoch in der Islamwissenschaft umstritten. Joseph Schacht kam 1950 in seiner Studie zum islamischen Recht zu dem Ergebnis, dass nicht in Medina, sondern im Irak die wesentlichen Elemente des islamischen Rechts entstanden seien, eine These, die einen bis heute ungeklärten wissenschaftlichen Streit auslöste. 6 Kamali, Freedom of Religion in Islamic Law, S. 63 (64); Nagel übersetzt die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes der Scharia als „rechten Heilsweg“; im Plural bedeutet er „Vorschriften der rituellen Gottesverehrung“. Bis zum 10. Jahrhundert wandelt sich die Bedeutung des Begriffes der Scharia zu „von Gott gesetztes Recht“, Nagel, Das islamische Recht: Eine Einführung, S. 4 f.; zum Begriff der Scharia siehe auch Hooker, SharÐÝa, Encyclopedia of Islam, vol. IX, S. 321 ff. 7 Einen Überblick über diese Rechtsgebiete liefert Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (65). 8 Das Umkreisen der Kaaba in Mekka wurde beispielsweise bereits in der vorislamischen Zeit durchgeführt; siehe Lewis, Íadjdj, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 31 f.; zur Aufnahme des vorislamischen Fremdenrechts in das islamische Recht siehe Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 87 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Einleitung

S. 85

85

Richtungen des Islams herrschen in vielfacher Hinsicht unterschiedliche Ansichten über den Inhalt des islamischen Rechts und dessen Auslegung.9 Dies gilt nicht nur für das Verhältnis der beiden wichtigsten islamischen Strömungen, Sunna und Schia, zueinander, sondern es gibt auch Unterschiede innerhalb dieser Gemeinschaften. Im islamischen Recht gibt es verschiedene Rechtsquellen, denen eine unterschiedliche Bedeutung zukommt. Dies sind zum einen der Koran und zum anderen die Aussprüche und das Verhalten des Propheten Mohammed und seiner Gefährten (aÒhÁb), die sunna,10 welche als die beiden wichtigsten Quellen islamischen Rechts gelten. Beiden ist gemeinsam, dass die Rechtssatzbildung durch diese Quellen als abgeschlossen gilt. Dies mag für den Koran als das gesprochene überlieferte Wort Gottes selbstverständlich sein. Dies ergibt sich aus einem Koranvers: „Die Worte Gottes kann man nicht abändern.“11 Aber auch die Auswahl der als authentisch geltenden Überlieferungen der Handlungen Mohammeds ist abgeschlossen. Als weitere, noch zu den primären Rechtsquellen gehörend, haben sich der Konsens (iÊmÁÝ 12) und der Analogieschluss (qiyÁs 13) herausgebildet.14 Letztere dienen jedoch lediglich zur Schließung der Lücken der ersten beiden Rechtsquellen und sind damit innerhalb der Scharia subsidiär. Die Entwicklung der Rechtsquellen und ihr Verhältnis zueinander geht auf den Gründer der schafiitischen Rechtsschule, al-ŠÁfiÝÐ (st. 204/820), zurück.15 a) Der Koran Nach islamischen Glaubensvorstellungen wurde der Koran in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts n. Chr. durch Gott Mohammed offenbart. Übermittler war der Erzengel Gabriel. Der Koran ist somit das gesprochene Wort _____________ 9 An-Na’im, The Position of Islamic States Regarding the Universal Declaration of Human Rights, S. 177 (179). 10 Zum Begriff sunna und zum Verhältnis von Koran und sunna zueinander siehe Brown, Sunna, Encyclopedia of Islam, vol. IX, S. 878 ff. 11 Koran 10:64. 12 Unter dem Konsens (iÊmÁÝ) versteht man die unangefochtene Lehre und Meinung der anerkannten Rechtsgelehrten. Siehe hierzu Bernand, IdjmÁÝ, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 1023 ff. 13 Zum Begriff des Analogieschlusses im Verständnis des islamischen Rechts siehe Troupeau, KiyÁs, Encyclopedia of Islam, vol. IV, S. 238 ff. 14 Schacht, Islamic Law, S. 114. 15 Al-ŠafiÝÐ hat die Wurzeln des Rechts (uÒÙl al-fiq) in seinem Hauptwerk RisÁla entwickelt. Radtke, Der sunnitische Islam, S. 54 (64); Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 242 f.; Dickinson, UÒÙl alFiþh, Encyclopedia of Islam, vol. X, S. 931 ff. Zu Leben und Werk al-ŠÁfiÝÐs siehe Chaumont, Al-ShÁfiÝÐ, Encyclopedia of Islam, vol. IX, S. 181 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

86

S. 86

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

Gottes.16 Er setzt sich aus 114 Suren zusammen, die nicht zeitlich, sondern, mit Ausnahme der ersten Sure, weitgehend nach ihrer Länge geordnet sind. Eine vollständige chronologische Anordnung der Suren nach dem Zeitpunkt ihrer Offenbarung ist heute nicht mehr möglich. Immerhin kann man die Suren noch dahingehend unterscheiden, ob sie überliefert wurden, als Mohammed noch in Mekka lebte oder bereits nach Medina ausgewandert war.17 Entsprechend dem Ort der Offenbarung werden sie mekkanische beziehungsweise medinensische Suren genannt. Nicht selten wird den medinensischen Suren eine eingeschränkte Gültigkeit bescheinigt, da sie in einer besonderen Situation, nämlich im Anschluss an Mohammeds nicht ganz freiwilliger Auswanderung aus Mekka entstanden sind. Die Suren des Korans wurden zunächst nur mündlich überliefert, später erfolgte die Niederschrift im Auftrag des dritten der rechtgeleiteten18 Kalifen ÝUthmÁn b. ÝAffÁn (reg. 23–35/644–55), welche etwa Mitte des 7. Jahrhunderts n. Chr. als abgeschlossen betrachtet werden konnte.19 Der Koran enthält eine Reihe von Regelungen im Bereich des Familien-, Erb- und Strafrechts.20 Insgesamt kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass der Koran ein vollständiges Rechtssystem enthält.21 Zwar gilt der der Koran im islamischen Verständnis nicht selten als Grundlage der staatlichen Ordnung und wird auch direkt als Verfassung bezeichnet,22 er enthält jedoch nur wenige staatsorganisationsrechtliche Normen.23 Zum großen Teil _____________ 16 Aus diesem Grund lehnen Muslime es auch ab, als Mohammedaner bezeichnet zu werden. Mohammed nimmt keine göttliche Stellung ein, sondern wird vielmehr als der ideale Mensch angesehen, vgl. Hartmann, Die Religion des Islam, S. 69. 17 Mohammed hat mit der Verbreitung der Offenbarung die Grundlage des Zusammenlebens auf der arabischen Halbinsel in Frage gestellt. Es war logische Konsequenz, dass er hiermit auf Widerstand innerhalb seines Stammes stieß, was letztlich dazu führte, dass er seinen in der Gegend um Mekka siedelnden Stamm verlassen und nach Medina übersiedeln musste. Zu den Auswirkungen der Offenbarung auf das Zusammenleben der Bewohner der arabischen Halbinsel siehe Noth, Früher Islam, S. 1 (28 ff.). 18 Die vier rechtgeleiteten Kalifen sind die Anführer der islamischen Gemeinde nach dem Tode Mohammeds. Der Begriff Kalif (ÌalÐfa) ist mit dem deutschen Wort „Nachfolger“ zu übersetzen, Wehr, Arabisch-Deutsches Wörterbuch, S. 359. 19 Pearson, Al-KurÞÁn, Encyclopedia of Islam, vol. V, S. 400 (405). 20 Einen Überblick darüber, welche Suren Regelungen aus den verschiedenen Rechtsgebieten enthalten, findet sich bei Bassiouni/Badr, The Shari’a: Sources, Interpretation, and Rule-Making, UCLA Journal of Islamic and Near Eastern Law, vol. 1 (2002), S. 135 (149). 21 Hartmann, Die Religion des Islam, S. 70. 22 Nach Art. 1 der saudi-arabischen Verfassung sind der Koran und die sunna die Verfassung des Staates. 23 Jung, Religion und Politik in der islamischen Welt, S. 31 (33).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Einleitung

S. 87

87

werden dem Gläubigen moralisierende Belehrungen über ethisch richtiges Verhalten erteilt.24 Ergänzt als Rechtsquelle wurde der Koran deshalb durch die sunna, die im folgenden Abschnitt zu erörtern sein wird.25 b) Die sunna Da die normativen Aussagen der koranischen Überlieferung nur unzureichend waren, orientierten sich die Gläubigen am Verhalten des Propheten Mohammed und seiner Gefährten (aÒÎÁb).26 Dieses wird als sunna27 bezeichnet. Überlieferungen, die so genannten ÎadÐ×e, berichteten von ihren Handlungen und Anweisungen. Sie wurden zunächst mündlich tradiert und lange nach dem Tode des Propheten Mohammeds schriftlich festgehalten. Ein ÎadÐ× setzt sich aus der Überliefererkette (isnÁd ) und dem Text (matn) zusammen. Sinn der Überliefererkette ist es, die Glaubwürdigkeit der überlieferten Handlung zu untermauern.28 Sie besteht aus Personen, die über das Verhalten des Propheten und seiner Gefährten berichteten. So wird nachgewiesen, dass der Ursprung der Überlieferung in der Zeit des Propheten Mohammed zu finden ist. Im Idealfall lässt sich diese Kette bis zum Propheten selbst nachvollziehen. Sie ist jeder Überlieferung vorangestellt, um ihre Entstehung zurückverfolgen zu können, wobei jeder der Überlieferer jeweils hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit durch Glaubensgelehrte bewertet wird. Der Inhalt des ÎadÐ×es wird als matn bezeichnet. Zu berücksichtigen ist dabei, dass eine anstandslose Überliefererkette für die Authenzität eines ÎadÐ×es mindestens ebenso wichtig ist wie der Inhalt desselben, da der enthaltene Rechtssatz nur einen Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit haben kann, wenn nachgewiesen worden ist, dass es sich tatsächlich um eine wahrheitsgemäße Überlieferung handelt. Der sunna kam im Laufe der Zeit eine solch wichtige Bedeutung zu, dass man im 9. Jahrhundert dazu überging, die Überlieferungen schriftlich zusammenzufassen. Es entstanden verschiedene Sammlungen, von denen sechs als autoritativ anerkannt wurden. Die beiden wichtigsten und bekanntesten _____________ 24 Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (61 f.). 25 Die Hinzunahme der sunna zu den Rechtsquellen war in der frühislamischen Zeit lebhaft umstritten, Schacht, Islamic Law, S. 35. 26 Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (61 f.). 27 Siehe hierzu auch Brown, Sunna, Encyclopedia of Islam, vol. IX, S. 878 ff.; Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 235 ff. 28 Schacht, Islamic Law, S. 34.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

88

S. 88

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

sind die von al-BuÌÁrÐ (st. 256/870)29 und Muslim (st. 261/875)30, beide mit dem Titel ÒaÎÐÎ.31 Die Sammlungen sind in der Regel von großem Umfang. So enthält die Sammlung musnad von AÎmad b. Íanbal 32 (st. 241/855) bis zu 30.000 ÎadÐ×e.33 c) IÊmÁÝ und qiyÁs Wie bereits auf S. 4 erwähnt, stellt der Konsens (iÊmÁÝ )34 eine weitere Quelle des islamischen Rechts dar. Hiermit gemeint ist der Konsens der islamischen Gemeinde. Mit zunehmender Größe der Gemeinde war dieser Konsens jedoch immer schwerer zu erarbeiten, weshalb man zunehmend dazu überging, den Konsens derjenigen ausreichen zu lassen, die besonders qualifiziert waren, juristische Entscheidungen zu treffen.35 Schließlich wird als Rechtsquelle noch der Analogieschluss (qiyÁs)36 hinzugezogen. Die Heranziehung des Analogieschlusses zu den Rechtsquellen war notwendig geworden, um Lösungen für Situationen zu finden, die in den Texten nicht behandelt wurden.37 Da die Gefahr sehr groß war, mittels des Analogieschlusses einen falschen Rechtssatz zu entwickeln, war Voraussetzung der Analogie, dass hierüber Konsens (iÊmÁÝ ) der Rechtsgelehrten bestand.

IÊmÁÝ und qiyÁs werden in den Darstellungen islamischen Rechts unter den Quellen aufgeführt, obwohl es sich streng genommen nicht um Quellen, sondern um Methoden handelt.38 Dies ist auf ihre große Bedeutung für die Entwicklung von Rechtssätzen nach islamischem Recht zurückzuführen.39 _____________ 29 Al-BuÌÁrÐ stellte seine Sammlung über einen Zeitraum von 16 Jahren zusammen. Seine Sammlung ist in 97 Bücher mit 3450 Kapiteln eingeteilt. Zu Person und Werk al-BuÌÁrÐs Robson, Al-BukhÁrÐ, Encyclopedia of Islam, vol. I, S. 1296 f. 30 Muslim sammelte ca. 300.000 Überlieferungen, von denen er schließlich ca. 4.000 in sein Werk aufnahm. Siehe hierzu Juynboll, Muslim b. al-HadjÁdj, Encyclopedia of Islam, vol. VII, S. 691 f. 31 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 235 f.; Radtke, Der sunnitische Islam, S. 54 (64). 32 Zu seiner Person siehe unten, 2.d). 33 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 237. 34 Bernand, IdjmÁÝ, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 1023 ff. 35 Einen kurzen Überblick zu dieser Problematik liefert Schacht, Islamic Law, S. 30 f. und 61. 36 Siehe hierzu Bernand, KiyÁs, Encyclopedia of Islam, vol. IV, S. 238 ff. 37 Bernand, KiyÁs, Encyclopedia of Islam, vol. IV, S. 238 (239). 38 Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (64). 39 Anders Bassiouni/Badr, The Shari’a: Sources, Interpretation, and Rule-Making, UCLA J. Islamic & Near E.L., vol. 1 (2002), S. 135 (138 ff.), die nur den Koran und die sunna als primäre Quellen nennen.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Einleitung

S. 89

89

Die beiden zuletzt genannten Rechtsquellen zeugen davon, dass es sich um ein stark von Gelehrten geprägtes Recht handelt, dessen Inhalt zu einem wesentlichen Teil durch Rechtsgelehrte geprägt worden ist. Allerdings wurde die Rechtsentwicklung durch Juristen zunehmend eingeschränkt, denn sobald mittels iÊmÁÝ ein Rechtssatz herausgebildet wurde, war die Entstehung einer abweichenden Norm nur eingeschränkt möglich.40

IÊmÁÝ und qiyÁs hatten auf die Entstehung und Entwicklung von Normen im islamischen Recht einen erheblichen Einfluss. Das nach islamischem Recht bestehende Alkoholverbot wurde beispielsweise mittels des qiyÁs entwickelt: Laut Koran ist ausdrücklich lediglich der Weingenuss verboten. Koran 5:90 lautet: „Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Gräuel und des Satans Werk. Meidet es! Vielleicht wird es euch dann wohl ergehen.“ Es wurde jedoch angenommen, dass der Zweck der Regelung das Verbot berauschender Mittel ist, weshalb dieser Vers sowohl auf Alkohol als auch auf andere berauschende Mittel entsprechend angewendet wird. d) Abschließende Erläuterungen zu den Rechtsquellen Aus der vorangegangen Erörterung zur Entstehung des islamischen Rechts geht hervor, dass das islamische Recht ein über mehrere Jahrhunderte entstandenes Rechtsgebiet ist. Unter den Rechtsgelehrten gibt es im (sunnitischen) Islam keine festgelegte Hierarchie, keinen Klerus. Das, was im Christentum der Theologie zukommt, wird im Islam mit rechtswissenschaftlichen Methoden ausgearbeitet.41 Weiterhin unterscheidet sich das islamische Recht von einer Reihe von Rechtsgebieten dadurch, dass es, abgesehen vom Koran, an dem Erlass eines Gesetzeskanons fehlt und dass die Normen zu einem großen Teil durch Juristen erst entwickelt wurden und den Gelehrten damit eine in der Rechtsentwicklung herausragende Stellung zukam.42

_____________ 40 Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (63). In der schiitischen Rechtslehre ist der iÊmÁÝ nur solange als Rechtsquelle anerkannt, bis der an sich für die Entscheidung zuständige Imam entrückt ist. Die Vernunft (Ýaql) bildet eine wesentliche Rechtsquelle nach schiitisch-islamischem Recht, hierzu Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (61 f.); Halm, Die Schia, S. 62 ff. 41 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 251. 42 Der Begriff des Juristenrechts wird für das islamische Recht allgemein verwendet. Siehe nur Bassiouni/Badr, The Shari’a: Sources, Interpretation, and RuleMaking, UCLA J. Islamic & Near E.L., vol. 1 (2002), S. 135 (136 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

90

S. 90

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

2. Die Rechtsschulen (al-maÆÁhib) Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die vier wichtigsten sunnitischen Rechtsschulen, ihre geographische Verbreitung und ihre Dogmatik gegeben werden. a) Die hanafitische Rechtsschule Die hanafitische Rechtsschule43 ist benannt nach AbÙ ÍanÐfa (st. 150/767), welcher die ihr zugrunde liegenden Ansichten entwickelt hat. Er verfasste keine Schriften, seine Ansichten sind vielmehr in den Büchern seiner Schüler niedergelegt.44 Als Gründer gilt nicht er selbst, sondern seine Schüler AbÙ YÙsuf (st. 182/798)45 und al-ŠaybÁnÐ.46 Diese Rechtsschule ist am weitesten verbreitet und gilt als die liberalste.47 Neben den vier o.g. Rechtsquellen verwendet sie zwei weitere Mittel der Rechtsfindung: den raÞi, die auf juristischem Sachverstand beruhende Einsicht48 sowie istiÎsÁn, das mit dem Terminus „Für-Gut-Befinden“ übersetzt werden kann.49 Letzteres fand jedoch lediglich dann Anwendung, wenn der Analogieschluss (qiyÁs) zu einem unhaltbaren Ergebnis führte.50 Ihre Anhänger finden sich im Wesentlichen in den Einflussbereichen des ehemaligen Osmanischen Reiches (die hanafitische Rechtsschule war offizielle Rechtsschule der Hohen Pforte), in Mittelasien sowie auf dem indischen Subkontinent.51 Soweit das islamische Recht im heutigen Ägypten angewendet wird, geschieht dies auf der Grundlage einer Auslegung des islamischen Rechts nach hanafitischen Grundsätzen. _____________ 43 Zur hanafitischen Rechtsschule siehe Heffening/Schacht, Íanafiyya, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 162 ff. 44 Schacht, AbÙ ÍanÐfa al-NuÝmÁn, Encyclopedia of Islam, vol. I, S. 123 f. 45 Zu Person und Werk AbÙ YÙsufs siehe Schacht, AbÙ YÙsuf, Encyclopedia of Islam, vol. I, S. 164 f. 46 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 246 f.; Schacht, AbÙ ÍanÐfa al-NuÝmÁn, Encyclopedia of Islam, vol. I, S. 123 f. Al-ŠaybÁnÐ gilt nach AbÙ ÍanÐfa und AbÙ YÙsuf als wichtigste Autorität der hanafitischen Rechtsschule. Zu al-ŠaybÁnÐ siehe Chaumont, Al-ShaybÁnÐ, Encyclopedia of Islam, vol. IX, S. 392 f. 47 Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (64). 48 Nagel, Das islamische Recht, S. 366. 49 Nagel, Das islamische Recht, S. 366; Schacht, Islamic Law, S. 37. Das „FürGut-Befinden“ wurde von einer Reihe von Rechtsgelehrten nicht als Methode anerkannt, da aufgrund seiner Unbestimmtheit willkürliche Schlussfolgerungen befürchtet wurden. Vgl. Paret, IstiÎsÁn and IstiÎlÁÎ, Encyclopedia of Islam, vol. IV, S. 255 ff. 50 Schacht, Islamic Law, S. 60 f. 51 Radtke, Der sunnitische Islam, S. 54 (64).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Einleitung

S. 91

91

b) Die malikitische Rechtsschule Die malikitische Rechtsschule52 ist nach MÁlik b. Anas (st. 179/796) benannt, dessen Lehre sich selbst zu einer eigenen Rechtsschule entwickelte. Sie unterscheidet sich von den anderen Rechtsschulen dadurch, dass sie zusätzlich zu den vier Rechtsquellen das Erwägen des öffentlichen Interesses in einer Rechtsentscheidung (istiÎlÁÎ)53 als Rechtsquelle erachtet. Wesentlicher Bestandteil dieses Rechts ist der Glaubensvollzug und das Gewohnheitsrecht Medinas, die Stadt, in der Mohammed nach dem Verlassen Mekkas, der ÎiÊra,54 einen Großteil seines Lebens verbracht hatte.55 Auch maß diese Schule dem Konsens (iÊmÁÝ ) der medinensischen Juristen große Bedeutung bei, was bedeutete, dass die Schule konservativ war und nur eingeschränkt zu einer Anpassung an sich wandelnde Verhältnisse bereit war.56 Im späten Mittelalter war Marokko das Zentrum dieser Rechtsschule,57 und noch heute ist diese Schule hauptsächlich in Nord- und Westafrika verbreitet.58 Der Namensgeber der Rechtsschule, MÁlik b. Anas ist, auch Herausgeber einer Sammlung von ÎadÐ×en, al-muwaÔÔa, welche große Bedeutung erlangte.59 c) Die schafiitische Rechtsschule Nach ihrem bereits oben erwähnten Begründer al-ŠÁfiÝÐ (st. 820) wurde die schafiitische Rechtsschule benannt.60 Wie oben schon erläutert hat al-ŠÁfiÝÐ die Prinzipien islamischen Rechts entwickelt, welche bis heute die Grundlage des gesamten islamischen Rechts darstellen. Demnach sind Koran und sunna Rechtsquellen islamischen Rechts, hinzu kommen der Konsens (iÊmÁÝ ) und der Analogieschluss (qiyÁs). Entgegen der Ansicht der Anhänger der hanafitischen Rechtsschule hielt al-ŠÁfiÝÐ istiÎsÁn (Für-Gut-Befinden) nicht für eine zuverlässige Argumentationsmethode, es sei denn, das Ergebnis kann mit Hilfe einer Überlieferung belegt werden. Insbesondere die Be_____________ 52 Siehe hierzu auch Cottart, MÁlikiyya, Encyclopedia of Islam, vol. VI, S. 278 ff. 53 Hierzu Paret, IstiÎsÁn and IstiÎlÁÎ, Encyclopedia of Islam, vol. IV, S. 255 ff. 54 Wörtlich übersetzt bedeutet ÎiÊra Auswanderung. 55 Nagel, Das islamische Recht, S. 248. 56 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 248. 57 Schacht, Islamic Law, S. 61. 58 Radtke, Der sunnitische Islam, S. 54 (64). 59 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 236 f. 60 Siehe zu dieser Rechtsschule auch Chaumont, Al-ShÁfiÝiyya, Encyclopedia of Islam, vol. IX, S. 185 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

92

S. 92

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

völkerung Ostafrikas, der südarabischen Halbinsel und Südostasiens mit Indonesien zählen zu ihrer Anhängerschaft.61 d) Die hanbalitische Rechtsschule Die hanbalitische Rechtsschule ist nach ihrem Gründer Ahmad b. Íanbal benannt (st. 241/855). Im Vergleich zu den übrigen Rechtsschulen vertritt ihre Anhängerschaft eine besonders puristische Form des islamischen Rechts: Sie schränkt rationale Methoden ein und verzichtet zur Rechtsfindung auf den Analogieschluss (qiyÁs), der von den übrigen Rechtsschulen anerkannt ist.62 Der Dogmatik dieser Rechtsschule zufolge ist das gesamte islamische Recht vollständig in Koran und sunna enthalten.63 Mittels des iÊtihÁd64 ist diejenige Passage in den Texten zu suchen, welche für die Rechtsentscheidung herangezogen werden kann.65 AÎmad b. Íanbal hat auch eine Sammlung von ÎadÐ×en zusammengestellt (Titel: musnad ), die allerdings nicht zu den sechs autoritativen Sammlungen gehört, da die in ihr genannten Überliefererketten nicht bis zu Mohammed zurückreichen. Dennoch genießt sie hohe Anerkennung.66 Die Anhänger dieser Rechtsschule befinden sich weitgehend auf der arabischen Halbinsel. Ihre Bedeutung wuchs insbesondere dadurch, dass sich Ende des 18. Jahrhunderts die Wahhabiten zu ihr bekannten.67 Ihre Methoden zur Rechtsfindung sind heute fester Bestandteil des saudi-arabischen Staatsdogmas. _____________ 61 Radtke, Der sunnitische Islam, S. 54 (64). 62 Radtke, Der sunnitische Islam, S. 54 (64). 63 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 249. 64 Die selbständige Urteilsfindung eines Rechtsgelehrten, Nagel, Das islamische Recht, S. 365. 65 Nagel, Das islamische Recht, S. 252. 66 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 236. Berühmtheit erlangte AÎmad b. Íanbal auch aufgrund der Tatsache, dass er als einer der wenigen Gelehrten Widerstand gegen die miÎna des Kalifen alMaÞmÙn (reg. 198/813–218/833) leistete. Der Begriff miÎna bedeutet, dass der Koran erschaffen wurde. Siehe Hinds, MiÎna, Encyclopedia of Islam, vol. VII, S. 2 ff.; Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 248 f. 67 Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (65). Die Wahhabiten sind eine islamistische Bewegung, die im 18. Jahrhundert von dem Rechtsgelehrten MuÎammad b. ÝAbd al-WahhÁb gegründet wurde. Ihre religiöse Dogmatik liegt dem saudi-arabischen Staat zugrunde. Allein Koran und ÎadÐ× werden demzufolge als Rechtsquellen islamischen Rechts anerkannt.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 93

A. Einleitung

93

Seit dem 13. Jahrhundert nahm man generell an, dass der sunnitische Islam die vier o.g. Rechtsschulen parallel aufwies. Die Rechtsschulen respektierten und tolerierten einander nicht nur, vielmehr wurde eine Überlieferung dergestalt ausgewertet, dass die Uneinigkeit (iÌtilÁf ) unter den Muslimen ein Zeichen Gottes Gunst sei.68

II. Trennung von Staat und Religion nach islamischem Recht Bevor auf die Menschenrechte nach islamischem Recht einzugehen sein wird, soll hier kurz das islamische Verständnis zur Trennung von Staat und Religion erörtert werden, da westlichen Beobachtern zufolge ein effektiver Schutz der Menschenrechte ohne Trennung von Staat und Religion nicht möglich sei.69 Der Islam ist nicht nur eine Religion, sondern er enthält auch eine politische, staatsorganisatorische Komponente. Diese beiden Bestandteile des Islams sind untrennbar miteinander verbunden,70 denn auf der arabischen Halbinsel gingen die Herausbildung der islamischen Religion und die Entstehung des islamischen Staates unter der Leitung des Propheten Mohammed miteinander einher.71 Bis heute existiert in den meisten islamischen Staaten keine Trennung von Staat und Religion. Auch nach Auffassung vieler muslimischer Wissenschaftler ist eine Trennung von Religion und Staat nicht vorgesehen.72 Die islamische Gemeinde (umma) war in den Jahrzehnten nach Entstehung des Islams nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische Gemeinde.73 Deren Oberhaupt war zugleich der Anführer der Gläubigen (amÐr al-muÞminÐn). Der Anführer der islamischen Gemeinde wird als Kalif bezeichnet. Im ursprünglichen Sinn war der Kalif der Stellvertreter des Gesandten Gottes (ÌalÐfa rasÙl AllÁh). Ihm ist Gehorsam zu leisten, die Loyalität zum Staat ist oberste Pflicht eines jeden Muslims.74 Voraussetzung der Ernennung zum Kalifen ist, dass die Person, ein Mann, dem Stamm der _____________ 68 Siehe hierzu Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 242. 69 Siehe hierzu unten, 5. Kapitel, C.I. 70 Steinbach, Die Menschenrechte im Verständnis des Islam, VRÜ Bd. 8 (1975), S. 47 (47). 71 Ebert, Die Interdependenz von Staat, Verfassung und Islam im Nahen und Mittleren Osten in der Gegenwart, S. 120. 72 Vgl. An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 34 ff.; Tabandeh, Muslim Commentary, S. 71. 73 Watt/Welch, Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, S. 251. 74 Steinbach, Die Menschenrechte im Verständnis des Islam, VRÜ Bd. 8 (1975), S. 47 (48 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

94

S. 94

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

Qurayš, dem Stamm Mohammeds, angehört. Das islamische Recht soll die Grundlage der Rechtsordnung in einem islamischen Staat bilden, so wie es zu Zeiten der Entstehung der islamischen Religion der Fall war.75 Häufig wird in diesem Zusammenhang auf den Koran verwiesen, um die Unmöglichkeit der Trennung von Staat und Religion in einem islamischen Staat zu untermauern.76 In demokratischen Systemen ist das Staatsvolk der Souverän, welcher die Staatsgewalt Repräsentanten überträgt, die diese für das Volk ausüben. Nach islamischem Verständnis hingegen beruht die Staatsgewalt auf religiöser Legitimation, demnach ist Gott der Souverän.77 Hieraus folgt, dass der Islam auch als Staats- und Gesetzesreligion bezeichnet werden kann.78 Die enge Verknüpfung von Staat und Religion wird darüber hinaus auch anhand der Bestimmungen zum islamischen Recht deutlich, welche die Stellung und Legitimation des Anführers der islamischen Gemeinde betreffen. Dabei unterscheidet das islamische Recht nicht zwischen religiöser und politischer Leitung der Gemeinde. Die Legitimation des Staatsoberhauptes leitet sich aus seiner Stellung als Führer der Gläubigen ab.79 Jedoch war schon in der frühislamischen Zeit unter den Juristen lebhaft umstritten, inwieweit das Oberhaupt der islamischen Gemeinde dazu berechtigt war, von Koran und sunna abzuweichen.

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam In diesem Abschnitt findet eine Erörterung der Menschenrechte nach islamischem Recht statt. Zum einen soll dabei erläutert werden, woraus diese Rechte hergeleitet werden. In einem weiteren Punkt soll dann speziell auf die Rechtsgrundlage der Religionsfreiheit und seinen Inhalt nach islamischem Recht eingegangen werden.

_____________ 75 Salem, Islam und Völkerrecht, S. 62; El Morr, Human Rights in the Constitutional Systems of Egypt and Other Islamic Countries, S. 161 (196). 76 An-Na’im, Islamic Law, International Relations, and Human Rights, CILJ vol. 19/20 (1987), S. 317 (320). An-Na’im beruft sich dabei auf die Koranverse 4:65, 5:44 ff.; 24:51. Siehe auch Koran 4:61 f. 77 Abu-Sahlieh, L’impact de la religion sur l’ordre juridique: cas de l’Egypte, non musulmans en pays d’Islam, S. 124 f.; Salem, Islam und Völkerrecht, S. 62. 78 Ebert, Die Interdependenz von Staat, Verfassung und Islam im Nahen und Mittleren Osten in der Gegenwart, S. 4. 79 Ebert, Die Interdependenz von Staat, Verfassung und Islam im Nahen und Mittleren Osten in der Gegenwart, S. 122.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 95

95

I. Einführung Aus islamischer Perspektive leitet sich das gesamte Recht und damit alle Machtausübung direkt von Gott ab. Die Ausübung staatlicher Gewalt ist aus dieser Sichtweise durch Gott legitimiert, so dass es fraglich erscheint, inwiefern es überhaupt Menschrechte, die durch völkerrechtliche Verträge und Völkergewohnheitsrecht entstanden sind, gegenüber göttlich legitimierter Gewalt geben kann. Dies wird häufig mit Koran 10:64 begründet: „Die Worte Gottes kann man nicht abändern.“ Nicht selten wird daher vertreten, dass Menschenrechte nur insoweit Gültigkeit besitzen können, als sie mit islamischem Recht zu vereinbaren sind. Sowohl von islamischen Rechtsgelehrten als auch von islamischen Staaten wird verbreitet die Ansicht vertreten, dass die Scharia die einzige und auch eine ausreichende Quelle für Menschenrechte darstelle.80 Dieses Selbstverständnis wird auch anhand der Allgemeinen Islamischen Menschenrechtserklärung deutlich, deren erster Satz der Präambel lautet: „Vor 14 Jahrhunderten legte der Islam die „Menschenrechte“ umfassend und tiefgründend als Gesetz fest.“81 In diesem Zusammenhang wird auf den Koran verwiesen, der die Beachtung dieser Menschenrechte sowie Gerechtigkeit fordert (57:25): „Wir haben doch (im Lauf der Zeit) unsere Gesandten mit den klaren Beweisen (zu den Menschen) geschickt und die Schrift und die Waage mit ihnen herabkommen lassen, damit die Menschen für Gerechtigkeit sorgen würden. […].“

Im islamischen Recht findet sich gleichwohl eine Reihe von Normen, die das zwischenmenschliche Zusammenleben regeln. Diese enthalten Ge- und Verbote im Umgang mit anderen Menschen und werden aus muslimischer Perspektive als Menschenrechte klassifiziert.82 Häufig handelt es sich um Pflichten, welche den Personen gegenüber dem Verpflichteten Rechte verleihen. Das Verbot des Tötens wird als rechtliche Grundlage des Rechts auf Leben erachtet.83 Ähnlich verhält es sich mit dem Menschenrecht der Religionsfreiheit, denn die Verpflichtung, in der Religion keinen Zwang auszuüben, spiegelt das Recht der Religionsfreiheit nach islamischem Recht wi_____________ 80 Zur Gleichberechtigung vergleiche beispielsweise die Äußerung des Vertreters Qatars im 3. Komitee im Rahmen der Diskussion des Berichts des Generalsekretärs zu der Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, UN Doc. A/C.3/36/SR.46, S. 6. 81 Übersetzung nach Forstner, Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung. Zum Inhalt der Allgemeinen Islamischen Menschenrechtserklärung siehe oben, 3. Kapitel, D.I. 82 Abu-Sahlieh, La définition internationale des droits de l’homme en Islam, RGDIP t. 89 (1985), S. 625 (630 ff.). 83 Vgl. Uygun, Are Universal Human Rights and Islamic Law Reconciable? MJHR vol. 6 (2002), S. 297 (301).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

96

S. 96

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

der.84 Diese Rechte weisen nach islamischem Verständnis aufgrund ihrer überweltlichen Entstehung eine ganz andere Qualität als die von Menschen geschaffenen völkerrechtlichen Verträge oder auch das Völkergewohnheitsrecht auf.85 Grundsätze der Menschenrechte im islamischen Recht hat Khadduri aufgestellt und nennt als Beispiel den Gleichheitsgrundsatz.86 Dieser ist nach allgemeinem Verständnis die Basis der Menschenrechte, da ohne ihn die übrigen Rechte nicht voll zur Geltung kommen können. Hieraus folgend sind alle Menschen vor dem Gesetz und insbesondere vor Gott gleich, so dass Tyrannei nicht mit dem Islam vereinbar erscheint, da diese unweigerlich mit sich bringt, dass Menschen sich über andere erheben.

II. Religionsfreiheit im islamischen Recht Im Folgenden wird ein Überblick zur Normierung der Religionsfreiheit gegeben. In Veröffentlichungen wird die Religionsfreiheit häufig als Beispiel angeführt und wird von muslimischen Autoren generell als eines der grundlegenden Menschenrechte bezeichnet. Die Religionsfreiheit nach islamischem Recht beruht insbesondere auf zwei Versen des Korans. Der erste Vers, aus einer mekkanischen Sure,87 ist 10:99 und lautet: „Und wenn Dein Herr wollte, würden die, die auf der Erde sind, alle zusammen gläubig werden. Willst Du nun die Menschen (dazu) zwingen, dass sie glauben?“ Häufiger wird auf Vers 2:256 des Korans verwiesen, der aus einer medinensischen Sure stammt, und mit den Worten „Es gibt keinen Zwang in der Religion“ übersetzt werden kann.88 Die Religionsfreiheit erhält dadurch einen besonderen Status, da sie sowohl in einer medinensischen als auch in einer mekkanischen Sure offenbart wurde. Sie gilt damit unabhängig von besonderen Umständen, auf die man sich somit zu ihrer Einschränkung nicht berufen kann.89 Nach den Erläuterungen Parets ist es jedoch nicht eindeutig, ob der Vers so zu übersetzen ist, dass es nicht erlaubt ist, Zwang in der Religion auszu_____________ 84 Siehe hierzu ausführlich unten II. 85 Steinbach, Die Menschenrechte im Verständnis des Islam, VRÜ Bd. 8 (1975), S. 47 (58); Brems, Human Rights: Universality and Diversity, S. 207. 86 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 236 f. 87 Zu der Einteilung der Suren des Korans in mekkanische und medinensische Suren siehe oben, A.I.1. 88 Hierzu siehe auch Kuhn-Zuber, Der Islam und die Universalität der Menschenrechte in der Kritik, S. 307 (324); Talbi, Religionsfreiheit – eine muslimische Perspektive, S. 53 (57 ff.); Yousif, Islam, Minorities and Religious Freedom, S. 29 (35); Muttawakkil, al-islÁm wa ÎuqÙq al-insÁn, markaz dirÁsa al-waÎda al-ÝarabÐ, S. 93 (99). 89 Vgl. Kamali, Freedom of Expression in Islam, S. 89.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 97

97

üben oder ob man den Zwang nicht ausüben kann.90 Diese Aussage des Korans, im Diesseits keinen Zwang in religiösen Angelegenheiten auszuüben, wird in Koran 18:29 bekräftigt. Dieser Vers lautet: „[…] Wer nun will, möge glauben, und wer will, möge nicht glauben!“ Anhand der Fortsetzung der Sure wird jedoch auch deutlich, dass diejenigen, die sich nicht unterwerfen, im Jenseits mit Bestrafung zu rechnen haben. Koran 18:29: „[…] Für die Frevler haben wir (im Jenseits) ein Feuer bereit, das sie (dann) mit ihren Flammen vollständig einschließt (w. dessen Zeltdecke sie umfasst). Wenn sie (darin) um Hilfe rufen, wird ihnen mit Wasser geholfen, das (so heiß) ist wie flüssiges Metall und (ihnen) das Gesicht brät – ein schlimmes Getränk und ein schlechter Ruheplatz!“

Das Verbot des Zwanges wird auch durch Koran 39:41 bestätigt: „… Wenn sich nun einer rechtleiten lässt, ist es sein eigener Vorteil. Und wenn einer irregeht, tut er das zu seinem eigenen Nachteil …“ Allerdings gilt dieses Verbot des Zwangs nicht uneingeschränkt, sondern gilt in dieser Form nur insbesondere gegenüber Christen und Juden. Allein dem Wortlaut nach heraus wird deutlich, dass es Muslimen auf Grundlage dieses Verses verboten ist, Andersgläubige zum Übertritt zu zwingen. 1. Die Religionsfreiheit Angehöriger anderer Religionen Das islamische Recht sieht für Muslime und Angehörige anderer Religionen ganz unterschiedliche Bestimmungen vor. Der größte Teil sieht als Adressaten ausschließlich Muslime vor. Ein Teil der Normen des islamischen Rechts jedoch beschreibt Rechte und Pflichten Angehöriger anderer Religionen, die sich im muslimischen Herrschaftsbereich befinden. Aus diesem Grunde soll in diesem Kapitel die Religionsfreiheit von Muslimen und Angehörigen anderer Religionen in unterschiedlichen Absätzen behandelt werden. Ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. breitete sich der Islam sich mit einer enormen Geschwindigkeit aus. Bereits im 8. Jahrhundert standen weite Teile Nordafrikas und Vorderasiens unter islamischer Herrschaft. Die Bevölkerungsgruppen dieser Regionen waren zu einem großen Teil Angehörige anderer Religionen (beispielsweise Christen und Juden). In diesem Zusammenhang kam die Frage nach der rechtlichen Behandlung der Angehörigen anderer Religionen auf. Bevor auf die die religiösen Minderheiten betreffenden Regelungen eingegangen wird, ist hervorzuheben, dass in der frühisla_____________ 90 Paret, Sure 2:256: lÁ ikrÁha fÐ d-dÐni. Toleranz oder Resignation?, Der Islam, Bd. 45 (1969), S. 299 f.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

98

S. 98

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

mischen Zeit Minderheiten sehr viel mehr Toleranz erfuhren, als dies bei Minderheiten in Europa der Fall war.91 Diejenigen Religionen, die über eine Überlieferung verfügen, werden nach islamischem Recht besser gestellt als andere Religionen. Als Begründung wird angeführt, dass deren Angehörige Gott anbeteten und bereits Überlieferungen erhalten hatten, während die Anhänger anderer Religionen auf der arabischen Halbinsel Götzenbilder verehrten.92 Dies geht auch aus Koran 9:29 hervor: „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und verbieten (oder für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!“

Die Unterscheidung nicht-islamischer Religionen ist unten noch näher zu erörtern und führt dazu, dass die rechtliche Situation dieser beiden Gruppen in zwei Unterabschnitten dargestellt wird. a) Ausdrückliche Freiheiten und Einschränkungen der Religionsfreiheit aa) Die Leute des Buches (aÎl al-kitÁb) Juden, Christen, Sabäer und Anhänger Zarathustras93 konnten somit ihre Religion ohne Weiteres ausüben. Diese Religionsgemeinschaften und ihre Anhänger haben nach islamischem Recht weitgehende Freiheiten. Dies ist damit zu begründen, dass ihre Überlieferungen einen göttlichen Ursprung haben und ursprünglich als wahr galten. Abraham, Moses und Jesus sind die Vorgänger des Propheten Mohammed, durch den Gott dem islamischem Glauben nach die Überlieferung vervollständigt und abgeschlossen hat. Im Hinblick auf die Thora und die Bibel ist jedoch zum Bestandteil des islamischen Glaubens geworden, dass Anhänger dieser Religionen das Wort Gottes in unzulässiger Weise modifiziert hätten, so dass es nicht mehr der göttlichen Offenbarung entspreche.94 _____________ 91 Cahen, Dhimma, Encyclopedia of Islam, vol. II, S. 227 (230); Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 44. 92 BadrÁn AbÙ al-ÝAÐnayÙn BadrÁn, al-ÝalaqÁt al-ÊamÁÝÐya baÐna al-muslÐmÐn wa ÈaÐr muslÐmÐn, S. 12 f. 93 Diese Religionsgemeinschaften werden im Islam auch als Leute des Buches (aÎl al-kitÁb) bezeichnet, Vajda, Encyclopedia of Islam, Ahl al-KitÁb, vol. I, S. 264 ff. Gemeint sind Religionen, denen eine schriftliche Überlieferung zugrunde liegt. Diesen kam der Status als ÆimmÐ (Schutzbefohlene) zu. 94 Islamische Rechtswissenschaftler haben sich eingehend mit der Frage beschäftigt, inwieweit Muslime an christliche und jüdische Gesetze gebunden sind, bezie-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 99

99

Dass die Anhänger der Buchreligionen einen besonderen Status haben, geht aus dem Koran hervor: Koran 29:46 lautet: „Und streitet mit den Leuten der Schrift nie anders als auf eine möglichst gute Art (oder: auf eine bessere (als sie das mit euch tun)?) – mit Ausnahme derer von ihnen, die Frevler sind! Und sagt: Wir glauben an das, was (als Offenbarung) zu uns, und was zu euch herab gesandt worden ist. Unser und euer Gott sind einer. Ihm sind wir ergeben.“

In gewisser Hinsicht unterliegen die Anhänger dieser Religionen jedoch Einschränkungen. Aus diesem Grunde ist es fraglich, ob sie nach islamischem Recht über absolute Religionsfreiheit verfügen. Trotz der erwähnten Einschränkungen gehen verschiedene muslimische Wissenschaftler von einem hinreichenden Umfang der Religionsfreiheit aus.95 Ihnen wurde auferlegt, eine Kopfsteuer (Êizya 96) zu zahlen. Die Abgabe ist im Koran in Sure 9:29 festgelegt. Diesem Koranvers zufolge haben die Andersgläubigen einen Tribut zu entrichten. Als Gegenleistung hierfür erhalten sie einen Schutzstatus (Æimma), der sie unter den besonderen Schutz der islamischen Gemeinschaft stellt. Unter dem Begriff Æimma ist ein Vertrag zwischen dem muslimischen Staat und dem Anführer einer nichtmuslimischen Gemeinschaft zu verstehen, der für die Angehörigen einer der oben genannten Religionsgemeinschaften mit bestimmten Rechten und Pflichten verbunden ist.97 Es handelt sich dabei um ein dauerhaftes Schutzverhältnis (die vorübergehende Sicherheitszusage wird als amÁn bezeichnet).98 Die Personen, die zu einer Gruppe gehören, die diesen Status genießt, werden ÆimmÐ genannt. Ihn zu erhalten ist grundsätzlich nur Anhängern monotheistischer Religionen möglich, allerdings räumen die hanafitische und die malikitische Rechtsschule nicht-arabischen Polytheisten unter Umständen einen Status als ÆimmÐ ein.99 Allerdings unterlagen auch diejenigen Personen, die als ÆimmÐ galten, der Gerichtsbarkeit, die auf der Grundlage des islamischen Rechts bestand.100 _____________ hungsweise unter welchen Umständen es ihnen verboten ist, diesen zu folgen. Hierzu Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 20 ff. Nach islamischer Auffassung ist davon auszugehen, dass der Koran die vorherigen Überlieferungen aufgehoben hat. 95 Siehe beispielsweiseTabandeh, Muslim Commentary, S. 70 ff. 96 Hardy, Djizya, Encyclopedia of Islam, vol. II, S. 559 ff.; Ramadan, Islamic Law, S. 132 ff. 97 Cahen, Dhimma, Encyclopedia of Islam, vol. II, S. 227 ff.; Lewis, The Political Language of Islam, S. 77. 98 Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 11. 99 Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 77. 100 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 89.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

100

S. 100

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

ÅimmÐ und Personen, die einen geschützten Status als mustaÞmin101 innehaben, dürfen jedoch nicht zum Übertritt zum Islam gezwungen werden (Koran 2:256: „Es gibt keinen Zwang in der Religion.“).102 Die Legitimation dieser im Vergleich zu Muslimen erhöhten Kopfsteuer (Êizya) wird damit begründet, dass die Schutzbefohlenen in einem islamischen Staat nicht zum Militärdienst herangezogen werden.103 Auf der anderen Seite stehen sie jedoch als Bürger des islamischen Staates unter dessen Schutz und haben für diesen eine Steuer zu entrichten.104 Fraglich ist jedoch, ob dies als Rechtfertigung genügt, zumal die ÆimmÐ keine Wahl zwischen Militärdienst und Zahlung der Kopfsteuer haben.105 Die Einräumung des Schutzstatus hat weiterhin zur Folge, dass diesen Personen das Recht der Vergeltung (qiÒÁÒ) zusteht.106 Des Weiteren ist es männlichen Angehörigen einer Gruppierung, die den Status als ÆimmÐ innehaben, nicht gestattet, Frauen, die Angehörige der islamischen Religion sind, zur Frau zu nehmen.107 Dies ergibt sich aus Koran 60:10: „Die gläubigen Frauen (wörtlich Sie) sind diesen (wörtlich ihnen, d.h. den ungläubigen Männern) nicht (zur Ehe) erlaubt, […]“ Eine solche Heirat ist nichtig, ferner verliert der Mann seinen Status als ÆimmÐ. Als Grund für dieses Verbot wird angeführt, dass die christliche und die jüdi_____________ 101 Hierzu siehe unten II.1.b)aa). 102 Khoury, Der Koran, Bd. 3, S. 172. 103 Kamali, The Freedom of Religion in Islamic Law, CULR vol. 21 (1992), S. 63 (79). 104 Ramadan, Islamic Law, S. 133 f. 105 An-Na’im, Islamic Law, International Relations and Human Rights, CILJ vol. 20 (1987), S. 317 (331). 106 Das Recht der Vergeltung kann in Fällen der Tötung und Körperverletzung ausgeübt werden; vgl. hierzu Nagel, ¬iÒÁÒ, Encyclopedia of Islam, vol. V, S. 177 ff. 107 Das Verbot, dass eine Muslima einen Angehörigen einer anderen Religion heiraten kann, ist in einer Reihe muslimischer Staaten gesetzlich verboten, Borrmanns, Convergences et divergences entre la déclaration universelle des droits de l’homme de 1948 et les récentes déclarations des droits de l’homme dans l’Islam, Islamochristiana, vol. 24 (1999), S. 1 (11). Dies gilt beispielsweise für Saudi-Arabien, Marokko, Algerien und Libyen. Da es Muslimen nach allgemeiner Ansicht nicht gestattet ist, ihre Religion aufzugeben (hierzu siehe unten unter 2.), sind in der Vergangenheit nicht wenige männliche Angehörige anderer Religionen zum Islam übergetreten, um dennoch heiraten zu können. Viele dieser Konvertiten hegen nach dem Tod ihrer Ehefrau oder nach der Scheidung den Wunsch, wieder zu ihrer ursprünglichen Religion zurückzukehren. Unter muslimischen Rechtsgelehrten ist es umstritten, ob Konvertiten, die den Islam aufgeben, rechtlich anders zu behandeln sind als solche, die von Geburt an Muslime waren. Zu dieser Problematik siehe unten, 2. Siehe hierzu auch Tabandeh, Muslim Commentary, S. 37; siehe hierzu auch Blanc, Droit musulman, S. 39.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 101

101

sche Religion dem Ehemann nicht erlauben würden, dass dieser die Religionsausübung seiner muslimischen Gattin toleriert.108 Die Situation für die Leute des Buches (aÎl al-kitÁb), die sich unter muslimischer Herrschaft befanden, wird unterschiedlich beurteilt: Von einigen Autoren wird die Toleranz der Muslime gegenüber Angehörigen dieser Religionen hervorgehoben, da ihnen die Ausübung der Religion auch unter muslimischer Herrschaft gestattet war und da die muslimischen Eroberungszüge auch für viele Nicht-Muslime einer Befreiung gleichzusetzen war.109 Einerseits wird die Benachteiligung der Nicht-Muslime gegenüber Muslimen wird von islamischen Wissenschaftlern häufig als sehr gering eingeschätzt.110 Andererseits sehen andere Autoren in der Gewährung der Æimma lediglich die mittels einer erhöhten Steuer erkaufte Duldung und Nichtverfolgung, welche jedoch nicht mit tatsächlicher Toleranz zu verwechseln ist.111 Der schlechtere Status von Christen und Juden unter islamischer Herrschaft wird an einzelnen Beispielen deutlich, so an einer prophetischen Überlieferung, die von der malikitischen und hanbalitischen Rechtsschule vertreten wird: Demnach beträgt das Blutgeld (diya) bei Tötung eines Juden oder eines Christen die Hälfte des Blutgeldes bei Tötung eines Muslims.112 Bei Tötung eines Ungläubigen durch einen Muslim, der keinen geschützten Status innehat, kommt hingegen das Prinzip der Vergeltung (qiÒÁÒ) nicht zur Anwendung.113 Er wird mittels einer Strafe belangt, deren Maß im Ermessen des Richters liegt (taÝzÐr 114). Tötet hingegen ein Nicht-Muslim einen Muslim, wird er mit dem Tode bestraft, unabhängig davon, zu welcher Religionsgemeinschaft er gehört. Weiterhin können nach der Auffassung vieler islamischer Rechtswissenschaftler Nicht-Muslime nur in einem sehr beschränkten Maße als Zeugen herangezogen werden.115

_____________ 108 Abdel Haleem, Human Rights in Islam, S. 435 (449). 109 Talbi, Religious Liberty: A Muslim Perspective, S. 175 (182). 110 BadrÁn AbÙ al-ÝAÐnayÙn BadrÁn, al-ÝalaqÁt al-ÊamÁÝÐya baÐna al-muslÐmÐn wa ÈaÐr muslÐmÐn, S. 18. 111 Menhofer, Religiöses Recht und internationales Privatrecht, S. 46. 112 Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 48. 113 Hierzu siehe Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 44 ff.; Nagel, Das islamische Recht, S. 94 f. 114 Zu den Strafformen nach islamischem Recht siehe unten, II.2. 115 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 154. Zu den weiteren Benachteiligungen siehe unten, b).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

102

S. 102

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

bb) Andere Angehörige nicht-islamischer Religionen Die insbesondere zu Beginn des voraus gegangenen Abschnitts beschriebenen Freiheiten116 waren jedoch nicht den Angehörigen anderer, oftmals polytheistischer Religionen vergönnt, sondern lediglich den Anhängern der Buchreligionen. Erstgenannte waren in der Frühzeit des Islams völlig rechtlos, sie genossen weder politische noch andere zivile Rechte. Diesen Status hatten sie unabhängig davon inne, ob sie im islamischen Herrschaftsbereich (dÁr al-islÁm) geboren waren oder durch die Tatsache, dass ihre Heimat von den Muslimen erobert wurde und diese somit Bestandteil des unter muslimischer Herrschaft stehenden Gebietes wurde.117 Im Koran lassen sich jedoch auch Passagen finden, welche im Bezug auf Andersgläubige sehr negativ urteilen. Sie genießen demnach nicht nur keine Freiheiten, sondern sind vielmehr zu bekämpfen. Dies belegt beispielsweise das folgende Zitat: „Und tötet sie (d.h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! … Jedoch kämpft nicht bei der heiligen Kultstätte (von Mekka) gegen sie, solange sie nicht (ihrerseits) dort gegen euch kämpfen! Aber wenn sie (dort) gegen euch kämpfen, dann tötet sie! Derart ist der Lohn der Ungläubigen!“118

Diese Ungläubigen konnten lediglich zwischen der Annahme des Islam oder dem Tode wählen.119 b) Einschränkung von anderen Rechten als der Religionsfreiheit aufgrund des islamischen Rechts Das islamische Recht sieht nicht nur die unmittelbare Einschränkung religiöser Rechte vor. Die Zugehörigkeit zu einer anderen Religion kann auch auf anderen Rechtsgebieten, die unmittelbar nichts mit Religion zu tun haben, rechtliche Konsequenzen haben.

_____________ 116 Siehe unter aa). 117 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 88. 118 Koran 2:191. 119 Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 44.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 103

103

aa) Bewegungsfreiheit Dies gilt beispielsweise für die Bewegungsfreiheit.120 Nicht-Muslimen ist es nicht gestattet, bestimmte Gebiete aufzusuchen. Hierzu gehören insbesondere die Städte Mekka und Medina mit den Heiligen Stätten, deren Besuch durch Nicht-Muslime absolut verboten ist.121 Saudi-Arabien erteilt aus diesem Grund mit Verweis auf das islamische Recht nur eingeschränkt Visa für Touristen. Die arabische Halbinsel darf nach saudischem Recht von Angehörigen anderer Religionen nur für eine Durchreise über einen Zeitraum von drei Tagen aufgesucht werden. Die übrigen islamischen Länder dürfen zwar von Angehörigen anderer Religionen bereist werden; sofern es sich jedoch um Polytheisten (mušrikÙn) handelt, dürfen diese jedoch nicht die Moscheen besuchen.122 Fremden, die den islamischen Herrschaftsbereich (dÁr al-islÁm) betreten, wird für eine vorübergehende Zeit eine Sicherheitszusage (amÁn) gewährt. Diese hat ihre rechtliche Grundlage in Koran 9:6: „Und wenn einer von den Heiden dich um Schutz angeht, dann gewähre ihm Schutz, damit er das Wort Gottes hören kann! Hierauf lass ihn (unbehelligt) dahin gelangen, wo er in Sicherheit ist! Dies (sei ihnen zugestanden) weil es Leute sind, die nicht Bescheid wissen.“123

Bis zu der Erteilung einer Sicherheitszusage ist der Andersgläubige rechtlos, was bedeutet, dass er versklavt oder getötet werden kann.124 Jedem volljährigen Muslim ist es möglich, eine solche in gültiger Form auszusprechen.125 Dies hat zur Folge, dass die Nicht-Muslime nicht als Kriegsgegner angesehen werden und unbehelligt auf islamisches Gebiet gelangen sowie _____________ 120 Frauen verfügen nach klassischem islamischem Recht nur über eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Demnach darf eine Frau nur in Begleitung ihres Mannes verreisen oder aber in Begleitung eines Mannes, den sie nicht heiraten kann (z.B. den Onkel oder Bruder). 121 Ausführlich hierzu Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 45 ff.; AbuSahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 116 m. w. N. Saudi-Arabien hat gegen den Art. 13 (Bewegungsfreiheit) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gestimmt, da Nicht-Muslimen seiner Ansicht nach weiterhin das Recht verwehrt sein sollte, Mekka und Medina zu betreten. 122 BadrÁn AbÙ al-ÝAÐnayÙn BadrÁn, al-ÝalaqÁt al-ÊamÁÝÐya baÐna al-muslÐmÐn wa ÈaÐr muslÐmÐn, S. 14. 123 Vgl. hierzu Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 167; Schacht, AmÁn, Encyclopedia of Islam, vol. I, S. 429 f.; Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 9 ff.; ausführlich hierzu Kruse, Islamische Völkerrechtslehre, der die Ausführungen al-KasÁnÐs zum amÁn aufzeichnet. 124 Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 37 f. 125 Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 17. Detailliert zu den in der Person des die Sicherheitszusage erteilenden Voraussetzungen siehe Heffening, ebd., S. 20 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

104

S. 104

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

sich in diesem aufhalten können. Die Personen, welche eine solche Sicherheitszusage erhalten haben, werden mustaÝmin genannt. Sie kann in Kriegszeiten die Form eines Waffenstillstandes darstellen. Sie kann aber auch erteilt werden, um einem Nicht-Muslim Handel im islamischen Herrschaftsbereich zu ermöglichen. Dieser darf jedoch nicht dazu dienen, die Kampfkraft der Andersgläubigen zu stärken.126 Darüber hinaus ist die Zusage zeitlich begrenzt. Sie kann sich auf maximal ein Jahr erstrecken, von da an wird die Kopfsteuer (Êizya) fällig.127 bb) Das Recht der Eheschließung Dieser Aspekt wird im islamischen Recht für Frauen und Männer unterschiedlich bewertet. Allerdings ist es sowohl Männern als auch Frauen untersagt, einen Ungläubigen (mušrik) zu heiraten. Koran 2:221 lautet: „Und heiratet nicht heidnische Frauen, solange sie nicht gläubig werden! … Und gebt nicht (gläubige Frauen) an heidnische Männer in die Ehe, solange diese nicht gläubig werden! …“ Die Einschränkung des Rechts auf Heirat ergibt sich auch aus Koran 60:10: „Die gläubigen Frauen (wörtlich Sie) sind diesen (wörtlich ihnen, d.h. den ungläubigen Männern) nicht (zur Ehe) erlaubt, und umgekehrt. … Aber haltet nicht an den (ehelichen) Verbindungen mit ungläubigen Frauen fest (da sie euch nach eurem Übertritt zum Islam nicht mehr zur Ehe erlaubt sind!“128

Einem Muslim ist es möglich, eine Frau, die den ÆimmÐ-Status innehat, zu heiraten, ohne dass diese zum Islam übertreten muss. Hingegen kann eine muslimische Frau keinen Mann heiraten, der einer anderen Religion als der islamischen angehört.129 Die Argumente Tabandehs, eines schiitischen Rechtsgelehrten, stützen sich im Wesentlichen auf den Koranvers 4:34, welcher lautet: „Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie (von Natur vor diesen) ausgezeichnet hat […].“ Seine Auffassung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Eine Frau habe ihrem Mann zu gehorchen. Wenn sie jedoch einen Mann heirate, der nicht der islamischen Religion angehört, so unterwürfe sie sich als Muslima einem Nicht-Muslim, und es sei nicht mit dem Islam zu vereinbaren, dass Nicht-Muslime über Muslimen stünden.130 Hieraus erschließt sich dann auch die Begründung, warum es einem Muslim möglich sein kann, eine Frau zu heiraten, die einer anderen Religion als der _____________ 126 Nagel, Das islamische Recht, S. 106. 127 Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 34. 128 Hierzu auch BadrÁn AbÙ al-ÝAÐnayÙn BadrÁn, al-ÝalaqÁt al-ÊamÁÝÐya baÐna almuslÐmÐn wa ÈaÐr muslÐmÐn, S. 14. 129 Tabandeh, Muslim Commentary, S. 37. 130 Tabandeh, Muslim Commentary, S. 37.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 105

105

muslimischen angehört. Al-ŠaybÁnÐ 131 bezeichnet die Ehe eines Apostaten, der eine Muslima, eine Christin oder eine Apostatin heiratet, als lasterhaft.132 Die Einschränkung des Rechts auf Eheschließung aus religiösen Gründen ergibt sich ebenfalls aus Koran 2:221: „Und heiratet nicht heidnische Frauen, solange sie nicht gläubig werden! Eine gläubige Sklavin ist besser als eine heidnische Frau, auch wenn diese euch gefallen sollte. Und gebt nicht (gläubige Frauen) an heidnische Männer in die Ehe, solange diese nicht gläubig werden! […].“

Ein Muslim, der eine Andersgläubige heiratet, die eine Sicherheitszusage erhalten hat (mustaÝmina), darf nicht mit dieser in das Gebiet des nichtislamischen Herrschaftsbereiches, des dÁr al-Îarbs, übersiedeln. Die Begründung ist auch in diesem Fall darin zu sehen, dass sich dadurch die Kampfkraft der Andersgläubigen erhöhen würde.133 Die Normen des Rechts auf Eheschließung werden in gleicher Art und Weise auf Konvertiten angewandt: Konvertiert der Gatte zum Islam, kann die Frau weiterhin ihrer ursprünglichen Religion angehören, unter der Voraussetzung, dass sie weder Polytheistin ist, noch einer nicht anerkannten Religion angehört noch Apostatin ist. Konvertiert hingegen die Gattin zum Islam, so kann der Gatte nicht bei seiner Frau bleiben, weil sie in diesem Fall nicht mit einem Angehörigen einer anderen Religion verheiratet sein darf.134 Das Recht auf Eheschließung lässt folgenden Aspekt besonders deutlich werden, der sich in vielen Bereichen des islamischen Rechts auch finden lässt: Das Individuum selbst tritt in den Hintergrund. Die Rechte, die einem Individuum gewährt werden, stehen diesem nur aus dem Grunde zu, als dass die gesamte islamische Gemeinde (umma) davon profitiert. Da Apostaten nicht rechtsfähig sind, wird die Ehe desselben aufgelöst. Diejenigen Gelehrten, die zu einer der Rechtsschulen gehören, welche die Möglichkeit der Reue für den Apostaten zulassen, sehen in diesem Falle die Möglichkeit einer erneuten Eheschließung vor.135 _____________ 131 Al-ŠaybÁnÐ gehört zu den Gründern der hanafitischen Rechtsschule. Zu seiner Person siehe oben, A.I.2. 132 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 201 f. 133 Nagel, Das islamische Recht, S. 106. 134 Abu-Sahlieh, Le délit d’apostasie aujord’hui et ses conséquences en droit arabe et musulman, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 93 (103). 135 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (8). Da es für eine Muslima sehr viel schwerer ist, die Scheidung einzureichen, versuchen Frauen jedenfalls in den Staaten, in denen Apostasie nicht mit Strafe belegt ist, auf dem Wege der Apostasie die Ehe aufzulösen, id.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

106

S. 106

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

cc) Der Zugang zum öffentlichen Amt Nach klassischem islamischem Recht sind Angehörige von anderen Religionen als der des Islams in ihrem Zugang zu öffentlichen Ämtern beschränkt. Oftmals gehen Rechtsgelehrte davon aus, dass Nicht-Muslime nicht sämtliche Funktionen in einer Regierung besetzen können.136 Tabandeh hält jede Vergabe eines Regierungsamtes in einem islamischen Staat an einen Nicht-Muslim für nicht mit islamischem Recht vereinbar.137 Allgemein ist davon auszugehen, dass Nicht-Muslime jedenfalls von der Besetzung bedeutender Ämter ausgeschlossen sind.138 Wie oben auch schon im Rahmen der Erläuterung der Kopfsteuer (Êizya) deutlich gemacht wurde,139 werden Nicht-Muslime nicht in die Armee eines islamischen Staates aufgenommen. dd) Anzuwendendes Recht In gewissem Maße unterliegen auch die Angehörigen anderer Religionen auf dem Gebiet des islamischen Staates der islamischen Gerichtsbarkeit. Die Frage, unter welchen Bedingungen Nicht-Muslime betreffende Rechtsfragen nach islamischem Recht zu beurteilen sind, wurde von islamischen Rechtsgelehrten intensiv diskutiert. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wann Nicht-Muslime unabhängig von ihrem Willen der islamischen Gerichtsbarkeit unterliegen, sondern auch, unter welchen Voraussetzungen der muslimische Richter auf Antrag der nicht-muslimischen Streitparteien eine Rechtssache beurteilen darf. Vertreter der hanbalitischen und der malikitischen Rechtsschule verweisen auf einen Vers des Korans, der folgenden Wortlaut hat: „Wenn du aber (als Schiedsrichter strittige Fragen) entscheidest, dann entscheide unter ihnen nach (Recht und) Gerechtigkeit!“140 Unabhängig davon können jedoch nur Gerichtsurteile gefällt werden, die mit religiösem Recht zu vereinbaren sind; jede Rechtsnorm, die dem religiösen Recht widerspricht, ist nichtig. Hieraus folgt, dass das religiöse Recht derjenigen Religionen, die vom Islam als Religion nicht anerkannt werden, über keine gültigen Rechtssätze verfügt, so dass auf ihrer Grundlage kein gültiges Urteil gefällt werden kann.141 _____________ 136 Vgl. Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 148. 137 Tabandeh, Muslim Commentary, S. 70. 138 Abu-Sahlieh, La définition internationale des droits de l’homme en Islam, RGDIP t. 89 (1985), S. 625 (679). 139 Siehe oben unter B.II.1.a)aa). 140 Koran 4:42. 141 Hasan, Granting Khul’ for a Non-Muslim Couple in Egyptian Personal Status Law: Generosity or Laxity?, ALQ vol. 18 (2003), S. 81 (86 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 107

107

c) Der Dschihad aa) Erläuterung des Terminus Der Dschihad142 ist nach islamischem Recht eine Form der erlaubten Kriegsführung (ius ad bellum). Nicht selten werden militärische Aktionen islamischer Staaten oder anderer Organisationen von diesen als Dschihad bezeichnet, und in diesem Kontext wird der Begriff mit dem Terminus „Heiliger Krieg“ übersetzt. Diese einseitige Verwendung des Terminus hat jedoch zu dem Missverständnis geführt, dass dem Dschihad eine ausschließlich militärische Bedeutung zukommt. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff „Anstrengung, die auf Erreichung eines bestimmten Zieles gerichtet ist.“143 Tatsächlich ist hierunter alles zu verstehen, was als Bemühen um die islamische Religion eingestuft werden kann wie z.B. soziales Engagement, also Einsatz für die Religion im weitesten Sinn. Militärische Maßnahmen zur Verteidigung der islamischen Gemeinde sind somit eine Unterkategorie des Dschihad. Wird jedoch vom Dschihad Gebrauch gemacht, um Personen zum Übertritt zum Islam zu zwingen oder sie in ihrer Religionsfreiheit einzuschränken, dann wird von einem Missbrauch des Dschihad gesprochen.144 An einer Stelle wird im Koran der Begriff des Dschihad verwendet, und hier wird nach allgemeiner Ansicht davon ausgegangen, dass er nicht in einem kriegerischen Sinn zu verstehen ist, sondern dazu auffordert, mit Worten zu überzeugen.145 Koran 25:52 lautet: „Gehorche nun nicht den Ungläubigen, sondern setze ihnen damit (d.h. mit dem Koran?) heftig zu!“ bb) Die militärische Dimension des Dschihad Steht der Dschihad in kriegerischem Zusammenhang, stellt er die einzige Form einer rechtmäßigen Kriegführung dar.146 Soweit der Begriff im Koran verwendet wird, versteht man den Begriff zumeist im militärischen Sinn, zum Beispiel einen Krieg oder Feldzug führen. Die Passagen, in denen der Dschihad in einem militärischen Sinn verstanden wird und in denen zum Kampf gegen die Ungläubigen aufgerufen wird,147 werden demnach so in_____________ 142 Hierzu auch Tyan, DjihÁd, Encyclopedia of Islam, vol. II, S. 538 ff.; An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 144 ff. 143 Tyan, DjihÁd, Encyclopedia of Islam, vol. II, S. 538 ff. 144 Kamali, The Freedom of Religion in Islamic Law, S. 63 (79). 145 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 145. 146 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 164. 147 Siehe hierzu auch An-Na’im, Islamic Law and International Terrorism, GYIL vol. 31 (1988), S. 307 (324 ff.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

108

S. 108

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

terpretiert, dass sie die ansonsten im Koran propagierte Toleranz gegenüber anderen Religionen aufheben.148 In diesem Verständnis wird der Begriff auch in Überlieferungen (ÎadÐ×en) verwendet.149 Dies ist z.B. in Koran 61:11 der Fall: „Ihr müsst an Gott und seinen Gesandten glauben und mit eurem Vermögen und in eigener Person um Gottes willen Krieg führen (wörtlich: euch abmühen) …“150 Es wird zwischen großem und kleinem Dschihad unterschieden: Unter dem großen Dschihad ist der Kampf des Einzelnen, nicht vom rechten Weg abzukommen, zu verstehen.151 Dagegen ist unter dem Begriff des kleinen Dschihad der Krieg zu fassen, den Mohammed und seine Anhänger gegen die Ungläubigen, insbesondere von Medina aus gegen polytheistische Stämme in Mekka geführt haben. Dies ist in Koran 47:4 beschrieben: „Wenn ihr (auf einem Feldzug) mit den Ungläubigen zusammentrefft, dann haut ihnen (mit dem Schwert) auf den Nacken! Wenn ihr sie schließlich vollständig niedergekämpft habt, dann legt (sie) in Fesseln, (um sie) später entweder auf dem Gnadenweg oder gegen Lösegeld (freizugeben)! (Haut mit dem Schwert drein) bis der Krieg (euch) von seinen Lasten befreit (wörtlich bis der krieg seine Lasten ablegt) (und vom Frieden abgelöst wird)!“

Der Aufruf zum Kampf ergibt sich auch aus Koran 9:29: „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben …“ Nicht jeder Krieg erfüllt die Voraussetzungen, die an einen Dschihad gestellt werden. Der Dschihad ist Kampf gegen die Ungläubigen (kÁfîrÙn), also Anhängern von Religionen, denen keine schriftliche Überlieferung zugrunde liegt. Christen, Muslime und Anhänger Zarathustras gelten an sich nicht als Ungläubige (sie dürfen nicht zum Übertritt zum Islam gezwungen werden). Vielmehr wurden in der frühislamischen Zeit sogar Feldzüge zum Dschihad erklärt, in denen es galt, Christen zu schützen.152 Allerdings wird der Begriff „Ungläubiger“ heute oftmals in einem sehr viel weiteren Sinn verwendet, und verallgemeinernd werden alle Nicht-Muslime und damit auch Christen und Juden unter diesen Begriff subsumiert. _____________ 148 Kamali, Freedom of Religion in Islamic Law, CULR vol. 21 (1992), S. 63 (70). 149 Lewis, The Political Language of Islam, S. 72. 150 Der Begriff Dschihad wird noch in weiteren Versen des Koran verwendet: 2:190–193; 22:39; 8: 39 f.; 9:13–16; 9:29; 61 10–13. 151 Khalid Duran, Überall Pflicht – Der Kleine und der Große Dschihad, FAZ vom 10.10.2001. 152 Khalid Duran, Überall Pflicht – Der Kleine und der Große Dschihad, FAZ vom 10.10.2001.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 109

109

Nach islamischem Verständnis ist die Welt in zwei Bereiche aufgeteilt, dem dÁr al-islÁm (wörtlich Haus des Islams) und dÁr al-Îarb (wörtlich Haus des Krieges). Das dÁr al-islÁm wird von Muslimen bewohnt und von diesen beherrscht, das dÁr al-Îarb von Nicht-Muslimen.153 Diese beiden Gebiete befinden sich in einem natürlichen Kriegszustand.154 In frühislamischer Zeit war es für Muslime obligatorisch, im dÁr al-islÁm zu leben, aber schon bald, noch zu Lebzeiten des Propheten, wurde diese Position zugunsten nicht verbindlichen „Zielbestimmung“ aufgegeben.155 Die Gebiete, welche einen Friedensvertrag mit dem „Haus des Islams“ geschlossen haben, werden als „Haus des Friedens“ (dÁr al-ÒulÎ) bezeichnet. Das dÁr al-islÁm ist dadurch gekennzeichnet, dass es von Muslimen beherrscht wird und dass das islamische Recht angewendet wird.156 Denjenigen Nicht-Muslimen, die den Status als ÆimmÐ innehaben, ist es gestattet, auf islamischem Herrschaftsgebiet zu leben, jedoch zu dem Preis, dass sie die Êizya bezahlen müssen.157 Die Bevölkerung einschließlich der ÆimmÐ wird als Gemeinde (umma) bezeichnet. Das Rechtsgebiet, welches die Beziehungen zu diesem dÁr al-Îarb regelt, wird als siyÁr bezeichnet. Es leitet sich von den allgemeinen Quellen des islamischen Rechts, die in der Scharia zusammengefasst sind, ab.158 Al-ŠafiÝÐ (st. 204/820) legte in einer Schrift den rechtlichen Rahmen der Beziehungen _____________ 153 ŠawmÁn, al-ÝalaqÁt al-duwalÐya fÐ-l-šarÐÝa al-islÁmÐya, S. 10. 154 Lewis, The Political Language of Islam, S. 73. Aufgrund der vielfältigen internationalen Beziehungen sind jedoch einige Autoren der Ansicht, dass es heute grundsätzlich kein dÁr al-Îarb mehr existiert. Wenn ein Vertragsland einem Land des dÁr al-islÁm den Krieg erklärt, wird dieses zum dÁr al-Îarb, Al-Midani, Die islamischen Staaten und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Gewissen und Freiheit Nr. 54 (2000), S. 50 (53). 155 Zu der rechtswissenschaftlichen Diskussion in der frühislamischen Zeit über muslimische Minderheiten siehe Abou el Fadl, Islamic Law and Muslim Minorities: the Juristic Discourse on Muslim Minorities from the Second/Eighth to the Eleventh/Seventeenth Centuries, ILS vol. 1 (1994), S. 141 (143 ff.). 156 ŠawmÁn, al-ÝalaqÁt al-duwalÐya fÐ-l-šarÐÝa al-islÁmÐya, S. 13. Die Zugehörigkeit eines Staates zum dÁr al-Îarb wird aber auch anderen Kriterien festgemacht, z.B. daran, dass das Land politisch auf den Islam ausgerichtet ist, indem es beispielsweise den Islam zur Staatsreligion erklärt hat; siehe hierzu al-Midani, Gewissen und Freiheit, Nr, 54 (2000), S. 50 (53); ŠawmÁn, al-ÝalaqÁt al-duwalÐya fÐ-l-šarÐÝa al-islÁmÐya, S. 9. 157 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 162 f. Zu dem Rechtsinstitut der Êizya siehe oben, B.II.1. 158 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 164. Beeinflusst wurde das siyÁr jedoch auch durch andere Maßgaben wie beispielsweise Anweisungen der Kalifen oder Verträge der muslimischen Herrscher mit Angehörigen anderer Religionen, Khadduri, The Islamic Law of Nations, S. 8.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

110

S. 110

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

der islamischen Welt zu dem dÁr al-Îarb fest und rechtfertigte die Kriegführung gegen Ungläubige allein mit deren Nichtanhängerschaft zum Islam.159 2. Religionsfreiheit muslimischer Personen a) Apostasie (irtidÁd Ýan al-islÁm; ridda)160 Was die Vorschriften des islamischen Rechts zur Religionsfreiheit für Muslime betrifft, so ist hier als einzige, aber besonders schwer wiegende Problematik das der Aufgabe der islamischen Religion, der Apostasie, zu nennen. Bevor auf die rechtliche Bewertung durch das islamische Recht eingegangen wird, soll hier zunächst erläutert werden, was unter Apostasie zu verstehen ist. Nach islamischem Verständnis wird Apostasie als eine Abwendung vom Islam verstanden, die nur durch eine Person begangen werden kann, die als Muslim geboren wurde oder die den Islam ohne Zwang durch zweimalige Aufsage des Glaubensbekenntnisses, der šahÁda, angenommen hat.161 Auch wird Apostasie als eine Abwendung vom Glauben in der Kenntnis der Offenbarung definiert.162 Um als Apostat zu gelten, muss sich in diesem Fall die betreffende Person nicht unbedingt ausdrücklich vom Islam losgesagt haben. Zum Teil wird von islamischen Juristen das Verhalten, welches als widersprüchlich oder abwertend dem Islam gegenüber interpretiert werden kann, als Apostasie verstanden.163 Im zuletzt genannten Fall wird diejenige Person als Apostat erachtet, die dieses Verhalten gezeigt hat, und zwar unabhängig von ihrer eigenen Einschätzung ihrer Beziehung zum Islam.164 Nur mit Hilfe dieser Interpretation ist es zu erklären, dass Salman Rushdie, der Verfasser der „Satanischen Verse“ und AbÙ Zayd, ein Universitätsprofessor, der in Ägypten aufgrund eines Buches über den Islam, welches auf starken Widerspruch religiöser Gelehrter stieß,165 sowohl gegen seinen als auch den Willen seiner Frau von dieser geschieden wurde, auch der Apostasie bezich_____________ 159 Vgl. Khadduri, The Islamic Conception of Justice, 166. 160 Siehe auch Heffening, Murtadd, Encyclopedia of Islam, vol. VII, S. 635 f.; Forte, Studies in Islamic Law, S. 159 ff.; insbesondere zur Apostasie in Pakistan und zu den Ahmadis. 161 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (76); vgl. Heffening, Das islamische Fremdenrecht, S. 44 f. 162 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134. 163 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (76); al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 386. 164 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 86. 165 Siehe zum Fall AbÙ Zayd unten 4. Kapitel, F.I.1.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 111

111

tigt wurden, obwohl beide immer ausdrücklich ihre Zugehörigkeit zum Islam versichert haben. Rechtsgelehrte führen beispielhaft in ihren Darstellungen verschiedene Handlungen auf, die als Abfall vom Islam eingestuft werden. Dies gilt beispielsweise für die Behauptung, dass Gott einen Sohn habe. Begründet wird dies mit Koran 112:3: „Er hat weder gezeugt, noch ist er gezeugt worden.“ Auch die Aussage, dass die Welt ewig sei, wird als den Tatbestand der Apostasie erfüllend angesehen, da hiermit das Jüngste Gericht in Frage gestellt wird. Denn nur Gott sei ewig.166 Daneben wird als Abfall vom Islam bewertet, religiöse Grundsätze zu verleugnen, über welche Einigkeit besteht, wie z.B. die Pflicht zum Gebet oder das Verbot des Ehebruchs.167 Auch wird als Apostat betrachtet, wer Mohammed nicht als den letzten der Propheten anerkennt, sondern in der Zeit nach Mohammed weitere Personen zu Propheten qualifiziert.168 Weitere Handlungen, die als Apostasie verstanden werden, sind das Verspotten des Islams oder die Verehrung von Sonne und Mond, da sie somit auf dieselbe Stufe wie Gott gestellt würden.169 Im Vergleich zu den übrigen Rechtsschulen ist die schafiitische insofern restriktiver, als dass sie schon die Intention zur Verleugnung des Glaubens als ausreichend zur Erfüllung des Tatbestandes der Apostasie ansieht.170 Soweit es um die Aufgabe des Islams geht, ist es für die Einstufung eines Verhaltens als Apostasie irrelevant, ob sich der Apostat (al-murtadd) einer neuen Religion zuwendet oder nicht. Unerheblich ist ebenfalls, welcher Religion er sich zuwendet: So kann eine Person, die vom Islam abgefallen ist, und anschließend dem Christentum oder dem Judentum beitritt, nicht den Status als ÆimmÐ erhalten.171 Bei Angehörigen anderer Religionen als der islamischen wird in diesem Fall einfach nur von einem Wechsel der Religion gesprochen. Das Abwenden vom Islam wird allerdings nur dann als _____________ 166 167 168

Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 475. Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 476. Al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 386; er zitiert eine Überlieferung: „Wer

von sich behauptet, ein Prophet zu sein, da es eine Überlieferung des Propheten gibt: Es gibt keinen Propheten nach mir.“ Er zitiert eine weitere Überlieferung: „Der Jüngste Tag kommt erst, wenn 30 Lügner kommen, von denen jeder behauptet, der Gesandte Gottes zu sein, dass es Götter neben ihm gebe, der Gott oder den Propheten zu verunglimpft, die Einzigkeit Gottes leugnet oder die fünf Säulen des Islam verleugnet.“ Demzufolge werden auch die Baha’i und die Ahmadis als Apostaten betrachtet; hierzu siehe oben B.II.1. Zu den einzelnen Tatbeständen, die nach islamischem Recht als Apostasie aufgefasst werden, siehe Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 122 f. 169 Al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 387. 170 Hasemann, Zur Apostasiediskussion im modernen Ägypten, Die Welt des Islams, Bd. 42 (2002), S. 72 (99). 171 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 201.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

112

S. 112

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

Apostasie betrachtet, sofern sie freiwillig und ohne Zwang geschehen ist. Dies wird aus Koran 16:106 deutlich: „Diejenigen, die an Gott nicht glauben, nachdem sie gläubig waren – außer wenn einer (äußerlich zum Unglauben) gezwungen wird, während sein Herz (endgültig) im Glauben Ruhe gefunden hat, – nein, diejenigen, die (frei und ungezwungen) dem Unglauben in sich Ruhe geben, über die kommt Gottes Zorn, und sie haben derzeit eine gewaltige Strafe zu erwarten.“172

Unter bestimmten Umständen ist Apostasie jedoch nicht strafbar. Es handelt sich hierbei um Umstände, die in der Person des Handelnden liegen und dazu führen, dass der Tatbestand der Apostasie nicht gegeben ist oder diese Person nicht schuldhaft handelte. Somit bleibt sie dann straffrei, bzw. wird nach islamischem Recht nicht als solche anerkannt. Dies gilt bspw. für Kinder und Jugendliche, die noch nicht verständig sind. AbÙ YÙsuf begründet dies damit, dass diese ja auch noch nicht Verfügungen treffen können.173 Deshalb haben sie nicht die entsprechenden Strafen zu fürchten, auch wenn sie sich eindeutig vom Islam abwenden. Tatbestandausschließend wirkt ebenso der Zwang zur Apostasie. Das Gleiche gilt für Geisteskranke und für diejenigen, die sich in einem Wahnzustand befanden.174 Grundsätzlich zählt auch nicht die Apostasie eines Betrunkenen, es sei denn, dass er sich ausdrücklich vom Glauben losgesagt hat. Diese Ausnahme wird damit begründet, dass nicht ausdrücklich gesagt wird, was aus dem Innersten des Menschen herrührt.175 Dass Apostasie nicht akzeptiert werden kann, ist nach islamischem Recht allgemein anerkannt, strittig ist jedoch die Rechtsfolge.176 Eine Reihe von Rechtswissenschaftlern geht davon aus, dass Apostaten mit dem Tode zu bestrafen seien, unabhängig davon, ob sie die Apostasie öffentlich bekunden oder nur heimlich handeln. Auf die Rechtsfolgen der Apostasie wird unten jedoch noch genauer einzugehen sein.177

_____________ 172 Hierzu auch al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 392. 173 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134. 174 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134; Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (88) mit weiteren Nachweisen. 175 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134. 176 Kuhn-Zuber, Der Islam und die Universalität der Menschenrechte in der Kritik, S. 307 (315). Gegen die Todesstrafe Rahman, Punishment of Apostasy in Islam, passim. Zu möglichen Rechtsfolgen siehe auch An-Na’im, The Islamic Law of Apostasy and ist modern Applicability: A case from the Sudan, Religion 16 (1986), S. 212. Zur Apostasie im Koran siehe unten, c). 177 Siehe hierzu unten, c).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 113

113

b) Warum wird die Religionsfreiheit mittels der Sanktionierung der Apostasie eingeschränkt? Nach dem Tode Mohammeds im Jahre 632 n. Chr. wendeten sich arabische Stämme von der islamischen Gemeinschaft ab. Die Situation auf der arabischen Halbinsel war zu diesem Zeitpunkt von Instabilität geprägt, und ein Auseinanderbrechen der islamischen Gemeinde drohte.178 Es war noch keineswegs gesichert, dass die islamische Gemeinde die nicht-islamischen Stämme unterwerfen könnte. Eine gewisse Zeit hinüber, insbesondere kurz nach dem Tode Mohammeds, war die islamische Gemeinde in ihrer Existenz bedroht, weshalb die Strafbarkeit der Apostasie die Integrität derselben bewahren sollte, da nicht wenige Muslime dem Islam den Rücken gekehrt und sich feindlichen Stämmen angeschlossen hatten.179 Wer sich von der Religion abwandte, der sagte sich auch von der islamischen Gemeinschaft los. Schließlich gelang es jedoch den Muslimen, die nicht-muslimischen Stämme militärisch zu besiegen und sie zum Islam zu bekehren.180 Auch wenn die islamische Gemeinschaft jetzt nicht mehr in ihrer Existenz gefährdet war, blieb die Strafbarkeit der Apostasie bestehen. Die sich Abwendenden gingen davon aus, dass sie lediglich ein Abkommen mit Mohammed geschlossen hatten, welches nun, nach seinem Tode, keine Gültigkeit mehr besäße. Die zum Islam übergetretenen Stämme hingegen forderten, dass diese Stämme sich auch dem Nachfolger Mohammeds an der Spitze der Muslime zu unterwerfen hätten und bezichtigten letztere der Apostasie. Vielfach ging es den Abweichlern jedoch nicht um die Abkehr von der Religion, sondern darum, sich den politischen und finanziellen Verpflichtungen zu entziehen, denen sie in der islamischen Gemeinschaft ausgesetzt waren.181 Diejenigen, welche in der frühislamischen Zeit die islamische Gemeinde verließen, bekämpften anschließend die Muslime mit Waffengewalt. Die Konsequenz hieraus war, dass Apostaten generell als Verräter betrachtet wurden. Es brachen die so genannten ridda-Kriege aus, in denen diejenigen bekämpft wurden, die vom Islam abfielen.182 Der Grund der Strafbarkeit liegt also nicht in dem Wechsel der Religion selbst, sondern darin, dass die Apostaten sich in der frühislamischen Zeit gegen die islami_____________ 178 Noth, Früher Islam, S. 1 (98); Talbi, Religious Liberty: A Muslim Perspective, S. 175 (183). 179 Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 124; Charfi, Les États musulmans et les droits de l’homme, S. 991 (1007). 180 Lewis, The Political Language of Islam, S. 85. 181 Griffel, Apostasie und Toleranz im Islam, S. 61. 182 Al-KasÁnÐ nennt die Araber, die sich nach dem Tode Mohammeds von der islamischen Gemeinschaft abwandten, als Beispiel für Apostasie, vgl. al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 136.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

114

S. 114

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

sche Gemeinschaft gewendet haben.183 Hier wird die besondere Verknüpfung von Religion und Politik im Islam deutlich: Apostasie betrifft nicht nur religiöse Aspekte, sondern in gleicher Weise wird sie als Akt gegen die islamische Gemeinschaft und Gesellschaft insgesamt angesehen. Der Sinn und Zweck der Strafbarkeit der Apostasie liegt in dem Schutz der islamischen Gemeinschaft, denn der Abfall vom Islam gefährdet demnach die Integrität und die Sicherheit der islamischen Gemeinschaft.184 Deshalb wird von islamischen Rechtsgelehrten gefordert, dass nur diejenigen Apostaten zu bestrafen seien, die eine Gefahr für die islamische Gemeinschaft darstellen.185 Hierin liegt auch der Grund, dass der hanafitischen Rechtsschule gemäß Apostatinnen nicht mit dem Tode zu bestrafen seien, da von ihnen nach ihrem Übertritt zu einer anderen Religion keine Gefahr drohte.186 Diese Begründung kann auf einen Vers des Korans zurückgeführt werden: Koran 2:217 lautet: „[…]. Und sie (d.h. die Ungläubigen) werden nicht aufhören, gegen euch zu kämpfen, bis sie euch von eurer Religion abbringen – wenn sie es können. […].“ Die Befürworter der Todesstrafe jedoch halten denjenigen, der sich von der islamischen Gemeinschaft abwendet, generell für gefährlich.187 c) Der Tatbestand der Apostasie nach Koran und sunna Im Folgenden soll dargestellt werden, welche rechtlichen Regelungen der Koran und die sunna, die beiden Hauptquellen des Korans, zum Tatbestand der Apostasie enthalten. aa) Die Apostasie im Koran Nach Koran 2:217 ist die Verleitung zur Apostasie nicht vereinbar mit dem islamischen Recht. Ein Satz dieses Verses lautet: „[…]. Und der Versuch, Gläubige zum Abfall vom Islam zu verführen, wiegt schwerer als das Töten. […].“ Nicht-Muslimen unterstellt der Koran, dass diese versuchen, Muslime vom Islam abzubringen. Koran 2:109 lautet: _____________ 183 Scheich AÎmad IbrÁhÐm, zitiert nach Abu-l-WafÁ, kitÁb al-ÝilÁm bi-qawÁÝid alqÁnÙn al-dÙwalÐ wa-l-ÝalaqÁt al-dÙwalÐa fÐ šarÐÝa al-islÁm, S. 302; Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (5). 184 Abdel Haleem, Human Rights in Islam, S. 435 (435); An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 86. 185 Scheich AÎmad IbrÁhÐm, zitiert nach Abu-l-WafÁ, kitÁb al-ÝilÁm bi-qawÁÝid alqÁnÙn al-dÙwalÐ wa-l-ÝalaqÁt al-dÙwalÐa fÐ šarÐÝa al-islÁm, S. 302. 186 Hierzu siehe unten, c)cc). 187 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (16 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 115

115

„Viele von den Leuten der Schrift möchten euch gern, nachdem ihr gläubig geworden seid, wieder zu Ungläubigen machen, da sie von sich aus Neid empfinden, nachdem ihnen (als ersten) die Wahrheit (der Offenbarung) klar geworden ist. […].“

Die Lossagung vom Islam wird noch in weiteren Stellen des Korans behandelt.188 Es wird jedoch an keiner Stelle davon gesprochen, wie Apostaten durch die Muslime zu richten sind, schon gar nicht wird ihre Bestrafung mit dem Tode erwähnt.189 Die Bestrafung der Apostaten steht den eben genannten Versen nach vielmehr Gott zu. Lediglich in einem Vers des Korans wird von der Strafbarkeit des Abfalls vom im Diesseits gesprochen, Koran 9:74 lautet: „Sie schwören, sie hätten das Wort des Unglaubens nicht gesagt. […]. Wenn sie sich aber abwenden (und die Aufforderung zur Bekehrung ablehnen), wird Gott ihnen im Diesseits und Jenseits eine schmerzhafte Strafe zukommen lassen. Und sie haben dann auf der Erde weder Freund noch Helfer.“

Die Schwere des Delikts der Apostasie wird auch anhand des Koranverses 2:191 deutlich.190 Zum Teil wird die Verhängung der Todesstrafe für Apostaten auch mit Koran 3:86–91 begründet.191 Koran 3:88 lautet z.B.: „(Sie [die Apostaten] werden zum Höllenfeuer verdammt) um (ewig) darin zu weilen, ohne dass ihnen Straferleichterung oder Aufschub gewährt wird.“ Aus Koran 3:90 lässt sich im Umkehrschluss jedoch ableiten, dass Apostaten die Möglichkeit der Reue zuteil werden soll, unter der Voraussetzung, dass die Apostasie nicht zum wiederholten Male begangen wird: „Diejenigen (aber), die ungläubig geworden sind, nachdem sie gläubig waren, und hierauf dem Unglauben immer mehr verfallen, deren (verspätete) Buße wird nicht angenommen werden.“ Eine Ablehnung der Todesstrafe durch den Koran lässt sich indirekt auch aus dem folgenden Vers ableiten (4:137): „Diejenigen, die (zuerst) gläubig, hierauf ungläubig und hierauf (wieder) gläubig waren und hierauf (wieder) ungläubig geworden sind und hierauf dem Unglauben (immer mehr) verfallen, denen kann Gott unmöglich vergeben, und er kann sie unmöglich auf einen rechten Weg führen.“

Eine Person kann nicht erst vom Glauben abfallen, um sich dann wieder dem Islam anzuschließen, wenn der ursprüngliche Akt des Abwendens von der Religion mit dem Tode zu bestrafen ist.192 _____________ 188 Koran 2:33 f., 214, 217; 3:85 ff., 91, 99 f., 106, 149; 4:89 f., 137, 5:57 ff.; 9:11; 47:25, 32, 34, 38. 189 Griffel, Apostasie und Toleranz im Islam, S. 27 f.; Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (14). 190 Siehe hierzu oben II.2.c)aa). 191 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (78 f.). 192 Kamali, The Freedom of Religion in Islamic Law, S. 63 (74).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

116

S. 116

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

Von muslimischen Juristen nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, welche Art der Strafe für Apostaten gilt. Die Anwendung der Îadd-Strafe ist sehr zweifelhaft. Es handelt sich um die schwersten Strafen, die das islamische Recht für Verstöße gegen dieses vorsieht.193 Sie enthalten Strafandrohungen für bestimmte Taten, die im Koran enthalten sind und dadurch zu Verbrechen gegen die Religion werden.194 Tatbestände, für welche die ÎaddStrafen im Koran vorgesehen sind, sind Diebstahl,195 bewaffneter Überfall,196 unerlaubte sexuelle Beziehungen197 und falsche Beschuldigung der Unkeuschheit.198 Die Verwirklichung dieser Straftatbestände wird mit der Verhängung von Körperstrafen sanktioniert. Die Strafen, die für diese Handlungen vorgesehen sind, umfassen Steinigung, Schläge, Peitschenhiebe oder Amputation. Sie sind mit einer festen Rechtsfolge verbunden und können weder erlassen noch modifiziert werden. Als ein sehr bekanntes Beispiel lässt sich Koran 5:38 anführen: „Wenn ein Mann oder eine Frau einen Diebstahl begangen hat, dann haut ihnen die Hand ab! (Das geschehe ihnen) zum Lohn für das, was sie begangen haben, und als warnendes Exempel von Seiten Gottes.“ Zum Teil werden die Strafen in der sunna noch verschärft.199 Da der der Koran keine ausdrückliche Anweisung enthält, die Îadd-Strafe auf Apostaten anzuwenden. Aus diesem Grund wird die Anwendung der Îadd-Strafe auf Apostaten abgelehnt und die Bestrafung des Apostaten mittels der im Ermessen des Richters liegenden Strafe (taÝzÐr) gefordert. Hierbei handelt es sich um eine Art der Strafe, deren Maß allein im Ermessen des Richters liegt, so dass die Gefahr willkürlicher Strafen gegeben ist, denn sie räumt dem Richter im islamischen Staat eine nahezu unbegrenzte Strafgewalt ein.200 Sie wird daher für die übrigen Straftaten angewendet, die nicht Îadd-Strafen sind. Für Kapitalverbrechen werden in der Regel die Îadd-Strafen verhängt, wohingegen die taÝzÐr-Strafen bei weniger schweren Straftaten erlassen werden.

_____________ 193 Zum Begriff der Îadd-Strafe siehe Nagel, Das islamische Recht, S. 89 ff. 194 Carra De Vaux/Schacht, Íadd, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 20 f. 195 Koran 5:38. 196 Koran 5:33 f. 197 Koran 24:2. 198 Koran 24:4. 199 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 109. 200 Vgl. Dilger, Die Entwicklung des islamischen Rechts, S. 60 (95 ff.); Izzy Dien, TaÝzÐr Encyclopedia of Islam, vol. X, S. 406.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 117

117

bb) Der Tatbestand der Apostasie in Überlieferungen

Al-BuÌÁrÐ berichtet über einen Ausspruch Gottes, in dem er fragt, wie er ein Volk führen solle, das ungläubig ist, nachdem es gläubig war.201 Zwar enthält der Koran keine Anordnung der Todesstrafe für Apostaten, aber es wird zur Begründung der Todesstrafe auf ein ÎadÐ× zurückgegriffen, demzufolge jeder, der die Religion (i.e. den Islam) wechselt, getötet werden muss. In arabischer Sprache lautet diese Überlieferung: „Man baddala dÐnahu fa qÁtilÙhu.“202 In einer anderen Überlieferung wird den Apostaten angekündigt, dass sie ewig in der Hölle schmoren werden.203 Die zuerst genannte Überlieferung ist an Unmissverständlichkeit natürlich nicht zu überbieten. Dennoch ist nicht eindeutig, ob diese Überlieferung tatsächlich zur Begründung der Todesstrafe für Apostaten herangezogen werden kann. Denn sie ist nicht als mutawÁtir ist zu qualifizieren (d.h. sie verfügt über keine ununterbrochene Überliefererkette), so dass davon auszugehen ist, dass sie nur über eine eingeschränkte Autorität verfügt.204 Diese Annahme beruht darauf, dass diese Aussage nur durch eine Person überliefert ist, der ÎadÐ× also als ÁÎÁd einzustufen ist.205 Zwar ist es nicht eindeutig, ob ein ÎadÐ×, der über keine ununterbrochene Überliefererkette verfügt, gar keine Bindungswirkung entfaltet, aber so ist doch zumindest die Verbindlichkeit gründlich zu hinterfragen. Denn, wie oben bereits erläutert wurde, stellt die Überliefererkette einen sehr wichtigen Bestandteil eines ÎadÐ×es dar, der dem Inhalt der Überlieferung kaum nachsteht.206 Deshalb ist es mehr als fraglich, auf der Grundlage dieser Überlieferung tatsächlich die Todesstrafe gegenüber Apostaten anzuwenden. Bei der Auslegung dieses ÎadÐ×es ist jedoch der Zusammenhang seiner Entstehung zu beachten: Wie bereits oben zu Sinn und Zweck der Strafbarkeit _____________ 201 Al-BuÌÁrÐ, ÑaÎÐÎ al-BuÌÁrÐ, kitÁb istitÁba al-murtaddÐn wa-l-muÝÁnadÐn wa qitÁlihum wa i×m man ašraka bi-AllÁh ÝuqÙbatihi fÐ-l-dunyÁ wa-l-ÁÌira, bÁb Îukm al-murtadd wa-l-murtadda, S. 14. 202 Al-BuÌÁrÐ, ÑaÎÐÎ al-BuÌÁrÐ, kitÁb istitÁba al-murtaddÐn wa-l-muÝÁnadÐn wa qitÁlihum wa i×m man ašraka bi-AllÁh ÝuqÙbatihi fÐ-l-dunyÁ wa-l-ÁÌira, bÁb Îukm al-murtadd wa-l-murtadda, S. 15. 203 Al-BuÌÁrÐ, ÑaÎÐÎ al-BuÌÁrÐ, kitÁb istitÁba al-murtaddÐn wa-l-muÝÁnadÐn wa qitÁlihum wa i×m man ašraka bi-AllÁh ÝuqÙbatihi fÐ-l-dunyÁ wa-l-ÁÌira, bÁb Îukm al-murtadd wa-l-murtadda, S. 14 f.; AbÙ DawÙd, Sunan, al-ÊuzÞ al-rÁbiÝ, S. 126. 204 Talbi, Religious Liberty: A Muslim Perspective, S. 175 (184). 205 Charfi, Mohamed, Les États musulmans et les droits de l’homme, S. 991 (1006); Talbi, Religious Liberty: A Muslim Perspective, S. 175 (184). 206 Hasemann, Zur Apostasiediskussion im modernen Ägypten, Die Welt des Islams, Bd. 42 (2002), S. 72 (81); Kamali, The Freedom of Religion in Islamic Law, CULR vol. 21 (1992), S. 63 (71).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

118

S. 118

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

der Apostasie erörtert wurde, wendeten sich in frühislamischer Zeit viele Personen vom Islam ab, um anschließend die Waffen gegen die islamische Gemeinde zu richten. Die Todesstrafe galt diesen Krieggegnern, die den Islam bekämpften. Die Anwendung der Todesstrafe für Apostaten lässt sich jedoch auch aus einem weiteren hadÐ× ableiten. Denn nach dieser Überlieferung ist die Todesstrafe in lediglich drei Fällen anzuwenden: „(Das Blut eines Muslims soll nie vergossen werden, außer in drei Fällen): Demnach wird die Todesstrafe verhängt über den Ehebrecher, den Mörder und denjenigen, der den Islam verlässt.“207 Die Verhängung der Todesstrafe wird auch mit einem weiteren ÎadÐ× begründet: „MuÝÁÆ b. Éabal fragte: Wer ist dieser Mann? AbÙ MÙsÁ sagte: Er war Jude, dann nahm er den Islam an, schließlich kehrte er zu seinem früheren Glauben zurück. Gefragt, dass er sich setzen möge, lehnte MuÝÁÆ b. Éabal ab und sagte: Ich setze mich erst, wenn er getötet wird. Dies ist die Absicht Gottes und seines Propheten. Dreimal wiederholte er dies. Und er befahl seinen Tod.“208

Es ist verwunderlich, dass MuÝÁÆ sich bei seinem Bestehen auf der Tötung des Mannes nicht auf eine prophetische Überlieferung beruft. Diese Handlung wurde von dem zweiten der rechtgeleiteten Kalifen ÝUmar b. alKhaÔÔÁb209 verurteilt. Einer Überlieferung nach äußerte er sich folgendermaßen: „ÝUmar hörte davon und er reagierte mit den Worten: Warum habt Ihr ihn nicht eingesperrt für drei Tage und ihn jeden Tag mit einer Scheibe Brot genährt, um ihm zur Rückkehr zu zwingen? Vielleicht hätte er bereut und wäre zu Gottes Befehl zurückgekehrt.“210

Die Eigenschaft des Abfalls vom Islam als schweres Vergehen wird nicht nur an ihrer Sanktionierung durch islamisches Recht selbst deutlich, sondern auch daran, dass eine Person, welche einen Apostaten verletzt, nicht _____________ 207 Vgl. Uygun, Are Universal Human Rights and Islamic Law Reconciable? MJHR vol. 6 (2002), S. 297 (307). 208 Al-BuÌÁrÐ, ÑaÎÐÎ al-BuÌÁrÐ, kitÁb istitÁba al-murtaddÐn wa-l-muÝÁnadÐn wa qitÁlihum wa i×m man ašraka bi-AllÁh ÝuqÙbatihi fÐ-l-dunyÁ wa-l-ÁÌira, bÁb Îukm al-murtadd wa-l-murtadda, S. 15. 209 ÝUmar b. al-KhaÔÔÁb trieb die Vergrößerung des islamischen Einflussbereiches durch weite Eroberungen voran. Daneben stabilisierte er das frühe islamische Reich. Zu seiner Person siehe Levi Della Vida/Bonner, ÝUmar (I) b. al-KhaÔÔÁb, Encyclopedia of Islam, vol. X, S. 818 ff. 210 MÁlik b. Anas, al-MuwaÔÔa, vgl. Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (82).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 119

119

zur Rechenschaft gezogen wird.211 Die Schwere der Körperverletzung ist unerheblich, da es legal ist, das Blut eines Apostaten zu vergießen.212 cc) Strafrechtliche Bewertung der Apostasie in den verschiedenen Rechtsschulen Wie oben bei der Darstellung der Entstehung des islamischen Rechts bereits deutlich wurde, gehen in einzelnen Punkten die Meinungen der Angehörigen der unterschiedlichen Rechtsschulen zu rechtlichen Fragen auseinander. Inwieweit sich die Ansichten der Rechtsschulen im Hinblick auf die strafrechtliche Bewertung der Apostasie unterscheiden oder auch gleichen, soll im Folgenden kurz erläutert werden. Die vier sunnitischen Rechtsschulen stimmen darüber ein, dass die Apostasie eines Muslims nicht zulässig ist. Ihre Anhänger sind sich ferner über den Inhalt des Begriffes Apostasie einig, das Abfallen von der islamischen Religion. Auch wird einhellig sowohl die Gotteslästerung als auch die Verleugnung Gottes als Abfall vom Islam erachtet. Die Abkehr vom Islam wird nur dann als Apostasie gewertet, wenn die handelnde Person rechtsgültig handeln konnte, weshalb beispielsweise geistig Verwirrte nicht als Apostaten angesehen werden können.213 Insgesamt betrachtet gehen Gelehrte aller Rechtsschulen davon aus, dass die sich Abwendenden mit dem Tode zu bestrafen sind, allerdings bestehen in einzelnen Fragen wie z.B. der Reue Unterschiede zwischen den Rechtsschulen. Weiterhin ist es nach islamischem Recht allgemein anerkannt, dass es nicht tangiert wird, wenn ein Nicht-Muslim zu einem anderen nicht-islamischen Glauben wechselt. Allerdings wird teilweise vertreten, dass in einem solchen Fall ein ÆimmÐ seinen geschützten Status verlieren soll.214 Muslimische Juristen argumentieren auch in die Richtung, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass Apostaten Îadd-Strafen erhalten müssen.215 Der hanbalitische Jurist Ibn TaymÐya216 besteht beispielsweise darauf, dass Apostaten nur auf dem Wege des taÝzÐr bestraft werden können, d.h., dass das Strafmaß im Ermessen des Richters steht.217 _____________ 211 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 203. 212 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 203. 213 Hasemann, Zur Apostasiediskussion im modernen Ägypten, Die Welt des Islams, Bd. 42 (2002), S. 72 (101). 214 Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 55 f. m. w. N. 215 Nach Kamali, Freedom of Religion in Islamic Law, Capital University Law Review, vol. 21 (1992), S. 63 (70). 216 Zu seiner Person siehe Laoust, Ibn Taymiyya, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 951 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

120

S. 120

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

Hanafiten unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Formen der Apostasie: Auf der einen Seite stehen Personen, die kraft Abstammung als Muslime geboren wurden und später sich vom Islam abwendeten. Auf der anderen Seite gibt es Apostaten, die ursprünglich einer nicht-islamischen Religion angehörten, zum Islam konvertiert sind und anschließend zu ihrer ursprünglichen Religion zurückkehren wollen: Nach der hanafitischen Rechtsschule wird ihre Bestrafung Gott überlassen, die zuerst genannten hingegen sollen mit dem Tode bestraft werden. Die Todesstrafe für den Apostaten ist durch den Imam auszuführen. Falls dieser jedoch in das nicht-islamische Herrschaftsgebiet (dÁr al-Îarb) überwechselt, soll er sofort getötet werden.218 Große Unterschiede zwischen den Rechtsschulen bestehen auch im Hinblick auf Frauen, die sich der Apostasie schuldig machen. Die malikitische Rechtsschule sieht für Frauen vor, dass diese drei Tage lang die Möglichkeit haben, die Abkehr zu bereuen, dies jedoch nur, falls sie mit einer Ehescheidung belegt wurde, die rückgängig gemacht werden kann. (talÁq raÊÝÐ ). Wurde sie hingegen endgültig geschieden, kann sie noch bereuen, wird jedoch unmittelbar getötet, wenn sie das Bereuen verweigert. Anhänger der hanafitischen Rechtsschule vertreten im Hinblick auf die Bestrafung einer Apostatin die Auffassung, dass diese Gott zu überlassen sei.219 Als Begründung wird hierfür angeführt, dass Sinn und Zweck der Bestrafung von Apostaten die von ihnen ausgehende Bedrohung des islamischen Staates sei und dass eine solche Bedrohung durch Frauen als sehr viel geringer eingeschätzt beziehungsweise ausgeschlossen wird.220 Die Anhänger der Rechtsschule der Hanafiten haben hieraus gefolgert, dass Apostatinnen nicht zu Tode verurteilt werden sollen, und zwar aus dem Grunde, dass sie sich an Kriegen nicht beteiligen und somit keine Gefahr für die islamische Gemeinschaft darstellen. Dass Apostaten insbesondere eine militärische Bedrohung darstellen, findet auch in Koran 2:217 Rückhalt: „Und sie (d.h. die Ungläubigen) werden nicht aufhören, gegen euch zu kämpfen, bis sie euch von eurer Religion abbringen – wenn sie es können.“ Von Apostaten wird demnach angenommen, dass sie sich nach ihrem Abwenden von der islamischen Gemeinschaft kriegerisch gegen diese wen_____________ 217 Nach Kamali, Freedom of Religion in Islamic Law, CULR vol. 21 (1992), S. 63 (70). 218 Al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 389; al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, alÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 136. 219 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (90). 220 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (4); Talbi, Religious Liberty: A Muslim Perspective, S. 175 (183).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 121

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

121

den. Dennoch gehen weibliche Apostatinnen nicht straffrei aus: Die beiden wichtigsten Rechtsgelehrten der hanafitischen Rechtsschule, al-ŠaybÁnÐ und al-KasÁnÐ, vertreten die Auffassung, dass Apostatinnen solange eingesperrt werden müssen, bis sie zum Islam zurückkehren.221 Sie sollen nicht getötet, sondern zur Rückkehr zum Islam gezwungen werden.222 Das Töten einer Apostatin wird aber auch mit der Begründung abgelehnt, dass Mohammed das Töten von Frauen verboten habe. Eine Apostatin, welche in das dÁr alÎarb überwechselt, ist vielmehr zu versklaven.223 Im Gegensatz zur hanafitischen Rechtsschule gehen Angehörige der schafiitischen Rechtsschule davon aus, dass auch Frauen, die sich vom Islam abwenden, zu töten seien.224 Im Hinblick auf die Bestrafung eines Apostaten machen die Anhänger dieser Rechtsschule keinen Unterschied aufgrund des Geschlechts. dd) Die Konsequenzen der rechtlichen Bewertung der Apostasie Muslime in islamischen Staaten, die Toleranz und Aufgeschlossenheit in religiösen Angelegenheiten fordern, werden in vielen Ländern massiv von islamistischen Gruppierungen bekämpft, nicht nur verbal. Auch rechtfertigte die islamistische Gruppierung „Dschihad“, die die Verantwortung für die Ermordung Anwar al-Sadats225 trug, ihre Tat damit, dass Sadat sich vom Islam abgewendet habe.226 In Ägypten wurde weiterhin im Jahre 1992 der Publizist FaraÊ Fouda erschossen. Er hatte sich zugunsten einer Hinwendung Ägyptens hin zu laizistischen Prinzipien ausgesprochen, woraufhin ihm von radikalen Muslimen Apostasie vorgeworfen worden war.227 Wohl aus dem Grund, dass Apostasie im Islam als ein besonders schwerwiegendes Verhalten gegen den Islam bewertet wird, trifft der Vorwurf der Apostasie insbesondere immer wieder Intellektuelle, sowohl durch den Staat _____________ 221 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 205; al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ alÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 135. 222 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134. 223 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 136. 224 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 205. 225 Sadat war von 1970 bis 1981 ägyptischer Staatspräsident. Er hatte maßgeblichen Anteil an dem zwischen Ägypten und Israel 1979 geschlossenen Friedensvertrag, was ihn unter den Gegnern des Friedensprozesses zu einem Verräter des Islams machte. 226 Lewis, The Political Language of Islam, S. 90. 227 Zum Fall Farag Fouda siehe nur Hasemann, Zur Apostasiediskussion im modernen Ägypten, Die Welt des Islams, Bd. 42 (2002), S. 72 (73 ff.). Abu-Sahlieh, Le délit d’apostasie aujord’hui et ses conséquences en droit arabe et musulman, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 93 (101).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

122

S. 122

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

als auch von islamistischen Gruppierungen, wenn jene mit der islamischen Religion kritisch umgehen oder auch nur Toleranz und Aufgeschlossenheit in religiösen Angelegenheiten fordern. Auch sind in der frühislamischen Zeit eine Reihe bekannter Rechtsgelehrter des Abfalls vom Glauben beschuldigt worden.228 Begründet werden entsprechende Anschuldigungen damit, dass sich die betreffenden Personen den Glauben verleugnet hätten. In früherer Zeit polemisierten Theologen gerne in Debatten über Religion und bezeichneten sich hierbei gegenseitig als kÁfir (Ungläubiger).229 Auch in der Schia war das takfÐr (eine Person zum Ungläubigen erklären) eine häufig verwendete Beschuldigung im religiösen Diskurs.230 Im Folgenden soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, welche Konsequenzen neben dem Strafrecht mit der Apostasie verbunden sind. Dabei ist auch auf die Unterschiede nach den einzelnen Rechtsschulen einzugehen. Zunächst soll jedoch dargelegt werden, unter welchen Umständen Apostaten bereuen und damit der Bestrafung entgehen können. Allerdings hat der Apostat nicht lediglich zivil- und strafrechtliche Konsequenzen zu erdulden. Neben diesen gibt es auch Konsequenzen in religiöser Hinsicht: So verliert eine bereits unternommene Wallfahrt nach Mekka (Hadsch), ihre Gültigkeit.231 Die Durchführung der Wallfahrt gehört zu den fünf grundlegenden Pflichten eines Muslims, so dass der Apostat nach seiner Reue erneut eine Wallfahrt durchzuführen hat.232 ee) Zivilrechtliche Konsequenzen Auch im Bereich des Zivilrechts bestehen große Übereinstimmungen in den Regelungen nach den verschiedenen Rechtsschulen. Ein Apostat kann sein Vermögen nicht vererben233 und verliert nach allgemeiner Ansicht seine Rechtsfähigkeit, so dass er ein Erbe nicht antreten kann. Bei seinem Tode fällt sein Erbe dem Fiskus zu.234 Wie oben bereits erläutert, führt die Apostasie ebenfalls dazu, dass die Ehe mit einem Muslim aufgelöst wird und dass eine erneute Eheschließung nicht möglich ist. Juristen, die der malikitischen und der hanbalitischen Rechtsschule angehören, begründen diese Ansicht _____________ 228 Saeed/Saeed, Freedom of Religion, Apostasy and Islam, S. 30 f. 229 Lewis, The Political Language of Islam, S. 86. 230 Halm, Der schiitische Islam, S. 129. 231 Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 477. 232 Zu der Möglichkeit der Reue siehe unten, gg). 233 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 196. 234 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (8).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 123

123

damit, dass Mitglieder verschiedener religiöser Gemeinschaften einander nicht beerben können.235 Auch im zivilrechtlichen Bereich unterscheidet sich die hanafitische Rechtsschule von den übrigen Rechtsschulen. Während die zuletzt genannten davon ausgehen, dass der Apostat seine Rechtsfähigkeit einbüßt, gehen die hanafitischen Rechtsgelehrten al-ŠaybÁnÐ und AbÙ YÙsuf davon aus, dass ein Apostat sein Eigentum behält und so wie ein Krimineller zu behandeln sei, der auf seine Exekution warte. Die drei anderen sunnitischen Rechtsschulen begründen ihre Ansicht damit, dass Apostaten Nicht-Muslime seien, die weder unter den Schutzstatus als ÆimmÐ fallen und noch als Feind erachtet werden können, mit dem ein Waffenstillstand geschlossen worden sei. Diese Personen seien im islamischen Staat nicht rechtsfähig.236 Die hanafitische Rechtsschule ordnet die Flucht des Apostaten in das dÁr al-Îarb rechtlich als seinen Tod ein, so dass der Erbfall eintritt. Hinsichtlich seines Erbes unterscheidet sie zwischen dem zu vererbenden Eigentum je nachdem, ob es vor oder nach dem Akt der Apostasie erworben wurde. Ersteres wird wie das Erbe eines Muslims behandelt und fällt den muslimischen Erben des Apostaten zu. Der andere Teil wird als Beute (fayÞ ) angesehen und fällt dem Fiskus zu.237 Im Gegensatz hierzu bleibt der hanafitischen Rechtsschule zufolge die Apostatin rechtsfähig, so dass ihr gesamtes Vermögen, unabhängig davon, ob es vor oder nach der Apostasie erworben wurde, nach islamischem Erbrecht vererbt wird.238 Im Hinblick auf die Eheschließung unterscheidet sich die schafiitische Rechtsschule von den übrigen: Die Ehe eines Apostaten ist nicht nichtig, sondern wird außer Kraft gesetzt, und tritt ex tunc wieder in Kraft, für den Fall, dass der Apostat bereut und zum Islam zurückkehrt.239 ff) Kriegsrecht Ebenso dem Kriegsrecht zufolge waren Apostaten schlechter als andere Personen gestellt. Rechtsinstitute aus dem Kriegsrecht, die schon zu dieser Zeit auf der arabischen Halbinsel gewohnheitsrechtlichen Status genossen, konnten Apostaten nicht für sich in Anspruch nehmen. So war es nicht _____________ 235 Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 57 f. 236 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (7 f.). 237 Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik fÐ-šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 478. 238 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (8). 239 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (8 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

124

S. 124

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

gestattet, Ungläubigen sicheres Geleit (amÁn 240) zu gewähren. Das einzige Recht, das ihnen zugestanden wurde, war das Entsenden von Emissären, die ihrerseits Immunität genossen.241 gg) Die Möglichkeit der Reue Rege diskutiert wird in der islamischen Jurisprudenz die Möglichkeit für Apostaten zu bereuen und so auf dem Wege der Rückkehr zum Islam einer Bestrafung zu entgehen.242 Grundsätzlich soll Apostaten die Möglichkeit der Reue eingeräumt werden.243 Diese Ansicht geht auf verschiedene Überlieferungen zurück, insbesondere die folgende wird in diesem Zusammenhang zitiert: „MÁlik b. Anas erzählt in seinem Werk al-MuwaÔÔaÞ : Ein Mann kam aus fernen Gegenden. Der Mann war ungläubig, nachdem er gläubig war. Was habt Ihr mit ihm gemacht? Wir haben ihm den Kopf abgeschlagen. ÝUmar fragte: Warum habt Ihr ihn nicht für drei Tage eingesperrt und ihm zu Essen gegeben, damit er die Möglichkeit hat, zu bereuen.“244

Für die Reue gilt grundsätzlich eine Frist von drei Tagen. Dies gilt bspw. für die Rechtsgelehrten, die der hanafitischen Rechtsschule zugehörig sind.245 Macht der Apostat jedoch von der Möglichkeit der Reue keinen Gebrauch, so kann er unmittelbar nach Ablauf der dreitägigen Frist getötet werden.246 Auch die Anhänger der hanbalitischen und der schafiitischen Rechtsschule sehen die Möglichkeit der Reue vor.247 Diese Frist von drei Tagen wird mit dem Koran 11:65 begründet: „[…] Genießet (euer Dasein) in eurer Behausung (noch) drei Tage! […].“248 Allerdings vertrat AÎmad b. Íanbal die Auffassung, dass die Reue einer Person, welche ungläubig geworden ist, nachdem sie zuvor ein Muslim gewesen war, nicht akzeptiert werden wird. _____________ 240 Zum Begriff des amÁn siehe oben, B.II.1. 241 Lewis, The Political Language of Islam, S. 85. 242 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (89). 243 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 195; al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ alÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn; al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb alsÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 479. 244 Al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 388. 245 Khadduri, The Islamic Conception of Justice, S. 195; al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ alÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134; al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 479. 246 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 135. 247 Hasemann, Zur Apostasiediskussion im modernen Ägypten, Die Welt des Islams, Bd. 42 (2002), S. 72 (106 f.). 248 Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 479.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Dogmatik der Menschenrechte im Islam

S. 125

125

Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob eine Pflicht zur Einräumung der Möglichkeit der Reue besteht oder ob dies lediglich empfohlen wird. Während die hanafitische Rechtsschule davon ausgeht, dass einem Apostaten lediglich die Möglichkeit zum Bereuen eingeräumt werden soll, besteht der schafiitischen Rechtsschule zufolge die Verpflichtung, dem Apostaten eine dreitägige Frist einzuräumen. Allerdings kann die Möglichkeit der Reue auch unter gewissen Umständen ausgeschlossen sein. Dies gilt beispielsweise für die Frage der mehrmaligen Apostasie und anschließenden Reue. Nicht einheitlich bewertet wird die Frage, wie oft eine Person den Islam aufgeben und ihre Tat bereuen kann oder ab wann von einem Missbrauch der Reue zu sprechen ist.249 So vertritt beispielsweise der Hanbalit BahÙtÐ die Auffassung, dass von denjenigen, welche wiederholt Apostasie begangen haben, die Buße nicht angenommen werden soll: „Wer Gott, seinen Propheten oder einen Engel verunglimpft, dessen Reue soll nicht angenommen werden. Beim „Hexer“ und bei wiederholter Apostasie weiß man nicht, ob der Bereuende aufrichtig handelt; sollte er aufrichtig sein, wird seine Reue nach seinem Tode angenommen werden; dann wird er so behandelt, als ob er nicht gesündigt hätte.“250

Auch stellt al-BuÌÁrÐ in einer Überlieferung dar, dass von denjenigen, die gläubig waren, darauf ungläubig waren, hierauf erneut gläubig wurden und dann zunehmend ihrem Unglauben verfielen, die Reue nicht angenommen werden soll.251 Al-KasÁnÐ führt hierzu aus: „Wenn der Apostat von seinem Recht zur Buße Gebrauch macht, ist die zweite Apostasie so wie die erste zu behandeln. Genauso verhält es sich beim dritten und beim vierten Mal. […] Wenn er das dritte Mal Apostasie begeht und anschließend bereut, ist er solange im Gefängnis festzuhalten, bis die Demut seiner Buße deutlich wird.“252

Ebenso lehnen die Vertreter der malikitischen Rechtsschule es ab, dass der Heuchler (munÁfiq), das heißt derjenige, der sich zum Islam bekennt, heimlich jedoch ungläubig ist, zur Reue aufgefordert werden soll. Seine Reue soll lediglich dann akzeptiert werden, wenn er bereut, bevor sein Abfall vom Glauben bekannt geworden ist.253 _____________ 249 Friedmann, Tolerance and Coercion in Islam, S. 143 f. 250 Al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, S. 390. 251 Al-BuÌÁrÐ, ÑaÎÐÎ al-BuÌÁrÐ, kitÁb istitÁba al-murtaddÐn wa-l-muÝÁnadÐn wa qitÁlihum wa i×m man ašraka bi-AllÁh ÝuqÙbatihi fÐ-l-dunyÁ wa-l-ÁÌira, bÁb Îukm al-murtadd wa-l-murtadda, S. 14. 252 Al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, al-ÊuzÞ al-sÁbiÝ, aÎkÁm al-murtaddÐn, S. 134. 253 Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 481.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

126

S. 126

3. Kap.: Die Religionsfreiheit im islamischen Recht

An die Reue sind die folgenden Anforderungen zu stellen. Der Hanafit

al-ŠaybÁnÐ vertritt hierzu die Auffassung, dass der Apostat nicht ausdrücklich bereuen muss, sondern dass die Apostasie auch dadurch zu Fall gebracht werde, wenn der Apostat fastet, betet und Almosen aufbringt.254 Wenn einer jedoch den Propheten beleidigt, dann soll er ohne Aufforderung zur Buße getötet werden. Er kann sich nicht mit Unwissenheit oder Wut entschuldigen.255 hh) Das prozessuale Recht im Hinblick auf die Apostasie Um Apostasie zu beweisen, genügen zwei glaubwürdige Zeugen. Behauptet jemand, dass er ein Prophet sei, so ist es an den beiden Zeugen, die Äußerung zu bestätigen. Es ist dann die Aufgabe des Richters zu bewerten, ob eine Aussage als Apostasie einzustufen ist.256 Grundsätzlich ist es der Staat, der Verfahren zur Bestrafung von Apostaten einleitet. In den Staaten, in denen islamisches Recht anwendbar ist, hat nach diesem darüber hinaus jeder volljährige Muslim die Möglichkeit, Anklagen vor einem staatlichen Gericht wegen Apostasie zu erheben. Die Îisba ist ein Rechtsinstitut, welches dazu dienen soll, das Gute zu fördern und das Schlechte zu verhindern.257 Dieses Institut beruht auf Koran 3:110. Der Vers lautet: „Ihr seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen hervorgebracht wurde. Ihr befehlt, was billigenswert ist, verbietet, was tadelnswert ist, und glaubt an Gott.“258 Das Gute kann zum Beispiel dadurch geschaffen werden, dass die Rechte Gottes (ÎuqÙq AllÁh) verteidigt werden.259 Es wird auch mit dem Begriff der „Marktaufsicht“ übersetzt, denn das oben genannte Ziel der Îisba soll mit der Überwachung des gesamten öffentlichen Raumes erreicht werden.260 Dies konnte zum einen über ein öffentliches Amt, dem muÎtasib, geschehen. Der muÎtasib hatte einen sehr großes Spektrum an Aufgaben: Dieses umfasste die o.g. Marktaufsicht, Bauaufsicht und die Überwachung der religiösen Vorschriften. Hierzu zählt auch die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Einwohner einer Gemeinde dem Freitagsgebet nachkommen.261 _____________ 254 255 256 257 258 259 260 261

Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 477. Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 482. Al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐn al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, S. 477. Cahen/Talbi, Íisba, Encyclopedia of Islam, vol. III, S. 485 ff. Übersetzung nach Nagel, Das islamische Recht, S. 125. Thielmann, Nasr Hamid Abu Zaid und die wiedererfundene hisba, S. 31. Nagel, Das islamische Recht, S. 125. Nagel, Das islamische Recht, S. 127.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Exkurs: Die Religionsfreiheit nach schiitisch-islamischem Recht

S. 127

127

Aus diesem Vers des Koran wird jedoch nicht nur das Recht abgeleitet, in religiösen Fragen, welche andere Personen betreffen, staatliche Gerichte anzurufen, sondern auch, falls diese untätig bleiben sollten, an deren Stelle zu treten. Exkurs: Die Religionsfreiheit nach schiitisch-islamischem Recht Die Schiiten greifen im Vergleich zu den Sunniten auf eine völlig andere Rechtsquelle zurück: Während Sunniten sich der sunna des Propheten Mohammed bedienen, entwickelten die Schiiten Normen über die Apostasie anhand der Vorgaben des Kalifen Ali.262 Die Schia kennt zwei verschiedene Formen der Apostasie: Die eine, fiÔrÐ, ist gegeben, wenn der Apostat von zwei Muslimen abstammt, die andere liegt vor, wenn der Apostat zunächst einer anderen Religion zugehörte und zum Islam konvertierte (millÐ ). Diese Formen der Abkehr vom Islam ziehen verschiedene Rechtsfolgen nach sich: Ersterer wird sofort getötet, während der zweite noch die Möglichkeit hat, zum Islam zurückzukehren und so einer Bestrafung zu entgehen.263 Nach dem Koran ist es einem muslimischen Mann gestattet, eine Jüdin oder eine Christin zur Frau zu nehmen: Kinder, die einer solchen Ehe entstammen, werden nach schiitischem Recht als Muslime behandelt.264 Dass diese Ungleichbehandlung sich jedoch nicht immer zum Nachteil der Nichtmuslime auswirkt, zeigt sich am Beispiel der Apostasie anhand des islamischen Rechts der Schiiten: Nach deren Recht werden Apostaten, die als Muslime geboren sind, häufig sehr viel strenger behandelt als dies bei Angehörigen anderer Religionen der Fall ist, die zum Islam übergetreten sind und sich vom Islam wieder abwenden.265

Exkurs: Die Religionsfreiheit nach schiitisch-islamischem Recht

_____________ 262 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (85). 263 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (86), m. w. N. 264 Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (87). 265 Vgl. Ayoub, Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 75 (86 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 128

4. Kapitel

Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht In diesem Kapitel wird auf das Menschenrecht der Religionsfreiheit nach ägyptischem Recht eingegangen. Soweit es um das nationale ägyptische Recht geht, liegt der Schwerpunkt der Bearbeitung auf dem Verfassungsrecht. Daneben werden die völkerrechtlichen Verpflichtungen Ägyptens im Hinblick auf die Religionsfreiheit dargelegt.

A. Einleitung Bevor auf die rechtlichen Regelungen zur Religionsfreiheit einzugehen ist, soll ein kurzer Überblick zu den Rahmenbedingungen gegeben werden. Ägypten betreffend gibt es eine Reihe von Besonderheiten, die für die Religionsfreiheit eine nicht unerhebliche Bedeutung haben.

I. Das politische System Im Jahre 1922 wurde Ägypten von Großbritannien nominell unabhängig und Sultan Fuad zum ägyptischen König ausgerufen. Der britische Einfluss auf die ägyptische Politik blieb jedoch bis in die fünfziger Jahre hinein erheblich; erst zu dieser Zeit zogen die Briten vollständig ihre Soldaten aus Ägypten ab. Trotz der langen britischen Periode in Ägypten blieb das ägyptische Recht vom britischen Rechtssystem unbeeinflusst. Im Jahre 1952 wurde die Monarchie in Ägypten durch einen Aufstand der so genannten Freien Offiziere gestürzt. Der Aufstand endete mit der Abschaffung der Monarchie als Staatsform, der Ausrufung der Republik und der Ernennung Naguibs zum Präsidenten. Im Anschluss wurde in Ägypten ein Ein-ParteienSystem (unter Herrschaft der Nationaldemokratischen Partei) errichtet. Zwar wurden nach der Amtszeit Nassers als Präsident (1952–70) die Machtverhältnisse nicht grundlegend verändert, aber während der Amtszeit von Anwar al-Sadat (1970–1981) wurde in Ägypten ein Mehrparteiensystem installiert.1 In den ersten Jahren der Amtszeit Hosni Mubaraks öffnete sich _____________ 1 Recueil juridique des droits de l’Homme en Afrique 1996–2000, Égypte, S. 812 (813).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Einleitung

S. 129

129

das System hin zu einer zunehmenden Meinungsfreiheit und der Zulassung weiterer oppositioneller Gruppen.2 Die praktische Alleinherrschaft der Nationaldemokratischen Partei blieb von diesen Entwicklungen jedoch unberührt. Für die im Jahr 2005 anstehenden Wahlen des Präsidenten wurden zwar erstmals Gegenkandidaten zugelassen, es trat jedoch niemand gegen Mubarak an,3 Die Erwartung, dass freie Wahlen nicht zu erwarten seien, bestätigten sich. Von daher ist zu festzustellen, dass das politische System eine Autokratie darstellt.

II. Die Rolle der Menschenrechte in der öffentlichen Wahrnehmung Das Thema der Menschenrechte spielt in den politischen Diskussionen in Ägypten und in den Medien eine zentrale Rolle. Die Medien berichten weiterhin, trotz einer verschärften Zensur, über die schlechten Zustände in den Gefängnissen, Folter und auch über die Zensur selbst. Die Terroranschläge in den neunziger Jahren, denen sowohl Ägypter als auch ausländische Touristen zum Opfer fielen, und die zunehmende Bedeutung islamistischer Gruppierungen dienten der Regierung als Vorwand, zunehmend repressiv gegen oppositionelle Gruppen vorzugehen. Auch nach den jüngsten Terroranschlägen kam es zu Massenverhaftungen von Verdächtigen, wobei rechtsstaatliche Grundsätze nicht beachtet wurden. Dieser restriktive Umgang mit den Grundrechten spiegelt sich auch an der Pressefreiheit wider. Zwar ist nicht zu konstatieren, dass die ägyptischen Behörden gar keine freie Berichterstattung zulassen, aber die Presse wird entweder staatlich kontrolliert oder muss im Falle der kritischen Berichterstattung immer mit Eingriffen der Zensurbehörden rechnen.4 Im Jahre 1992 ist ein Gesetz erlassen worden, demzufolge die Herstellung und Verbreitung von Medien (Druckerzeugnisse, Tonbänder, Videos) verboten ist, sollten diese die höheren Interessen des Staates oder den ordre public verletzen.5 Dennoch spielt das Thema Menschenrechte insbesondere in den letzten Jahren auf der Agenda eine immens wichtige Rolle. _____________ 2 Jürgensen, Menschenrechte und politische Entwicklung in Ägypten, S. 195 (195). 3 Art. 76 ägVerf wurde dahingehend geändert, dass der Präsident unmittelbar durch das Volk zu wählen ist. Nach dem bisherigen Verfahren nominiert die Volksversammlung einen Präsidentschaftskandidaten, der anschließend in einem Plebiszit zu bestätigen ist, al-Hayat, 11 May 2005, S. 1, 4. 4 Hierzu siehe, Munro, Neither Waving nor Drowning: Limits of Press Freedom in Egypt, MJHR vol. 6 (2002), S. 281 ff. 5 Gesetz Nr. 38/1992.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

130

S. 130

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Daneben ist im Rahmen der Debatte über Menschenrechte in den Medien häufig auch gleichzeitig von religiösen und kulturellen Werten die Rede. Dies gilt beispielsweise insbesondere bei solchen Rechten, die in der ägyptischen Gesellschaft unter einem Tabu stehen wie die Homosexualität. In diesem Zusammenhang wird von westlichen, importierten Rechten geredet, die mit den gegenwärtigen drängenden Problemen in Ägypten (Umwelt, Wohnungsmarkt) nichts zu tun hätten.6

III. Die Bevölkerungsstruktur Das Gesamtbild der ägyptischen Bevölkerung ist von einer großen muslimischen Mehrheit geprägt (ca. 90% der Bevölkerung sind dem Islam zugehörig), in Ägypten leben jedoch auch ca. 6 Millionen Kopten, dies entspricht etwa 10% der Gesamtbevölkerung. Ägypten ist schon lange Zeit durch schwere inter-religiöse Konflikte geprägt, die sich, insbesondere seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in regelmäßigen Ausschreitungen zwischen Kopten und Muslimen entladen.7 Diese Spannungen werden auch durch radikal-religiöse Führungspersönlichkeiten angeheizt: Im Jahre 1997 rief beispielsweise ein ägyptischer Führer der Muslimbruderschaft dazu auf, Christen aus der Armee auszuschließen und die Kopfsteuer (Êizya 8) zu erheben.9

B. Die bisherigen ägyptischen Verfassungen des 20. Jahrhunderts Im 20. Jahrhundert waren in Ägypten mehrere Verfassungen in Kraft, und zwar mit Ausnahme der aktuell gültigen Verfassung jeweils nur wenige Jahre.10 Diese Verfassungen enthielten Bestimmungen, denen zufolge der _____________ 6 Amira Howeidi, Not just the Queen Boat, Al Ahram Weekly, 4.–10. März 2004, S. 4. Selbst ägyptische Menschenrechtsorganisationen äußern sich teilweise zurückhaltend zur Homosexualität, da diese mit den kulturellen Werten nicht vereinbar sei. Die Egyptian Orgnisation of Human Rights, die bekannteste und älteste Organisation dieser Art in Ägypten, scheut aufgrund der absoluten Tabuisierung des Themas der Homosexualität in der ägyptischen Gesellschaft, Rechte für die Homosexuellen einzufordern, da sie befürchte, dass sich dies negativ auf ihre Arbeit auf anderen Gebieten auswirken würde, Charles Levinson, Cause for Division, Cairo Times, 11– 17 March 2004, S. 16 f. 7 Hierzu siehe unten, II.1.c). 8 Zum Begriff der Êizya siehe oben 3. Kapitel, B.II.1. 9 Asian Times, 17. April 1997, zitiert nach Mayer, Islam and Human Rights, S. 136, Anm. 19. 10 Allgemein zur ägyptischen Verfassungsgeschichte siehe Boyle/Sherif, The Road to the 1971 Constitution – A Brief Constitutional History of Modern Egypt, S. 4 ff.;

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Die bisherigen ägyptischen Verfassungen des 20. Jahrhunderts

S. 131

131

Islam zur Staatsreligion erklärt wurde (beispielsweise Art. 149 der Verfassung aus dem Jahre 1923). Lediglich die Verfassung aus dem Jahre 1958, die Verfassung der Vereinigten Arabischen Republik,11 enthielt keine entsprechende Bestimmung.12 Im Jahre 1923 wurde eine Verfassung ausgearbeitet, die als Staatsform eine konstitutionelle Monarchie vorsah. Auch wenn sie das erste Mal dem Islam eine offizielle Stellung einräumte, spielte die Scharia für die Gesetzgebung keine Rolle. Diese Verfassung enthielt verschiedene Grundrechte (Recht auf Bildung, Presse- und Meinungsfreiheit). Nach Art. 12 und 13 waren die innere Religionsfreiheit und die Ausübung der Religionsfreiheit geschützt. Diese lauteten: „Die Freiheit des Glaubens ist absolut.“ (Art. 12). Art. 13 lautete: „Der Staat schützt die freie Ausübung von Religionen und Glaubensriten, gemäß den herrschenden Traditionen im Land, unter der Bedingung, dass sie nicht gegen den ordre public oder die guten Sitten verstößt.“13 Auch war in der Verfassung des Jahres 1923 die Religionsfreiheit in Form eines speziellen Gleichheitssatzes gewährleistet, denn nach Art. 3 durfte niemand aufgrund seiner Religion benachteiligt werden. Die Verfassung von 1930 enthielt eine gleich lautende Bestimmung. Alle Religionen standen zusätzlich unter besonderem Schutz des Staates, denn das Schänden religiöser Symbole und das Vorgehen gegen religiöse Versammlungen waren strafbewehrt.14 Art. 13 der Verfassung verpflichtete den ägyptischen Staat außerdem, die Ausübung von Religionen besonders zu schützen.15 Nach der Abschaffung der Monarchie, in den Jahren 1956, 1958 und 1964, gab Ägypten sich neue Verfassungen, die jeweils nur für einen Zeitraum weniger Jahre Gültigkeit besaßen. Art. 43 der Verfassung aus dem Jahre 1956 und Art. 34 der Verfassung aus dem Jahre 1964 fügten die Artikel zur Religionsfreiheit aus der Verfassung des Jahres 1923 in einer Norm zusammen. Die Verfassung aus dem Jahre 1964 war von Beginn an als _____________ Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 18 ff.; An-Na’im, Religious Freedom in Egypt: Under the Shadow of the Islamic Dhimma System, S. 43 (46 ff.). 11 Zwischen 1958 und 1961 vereinigte Ägypten sich mit Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik. 12 Flores, Der Islam in ausgewählten Staaten: Ägypten, S. 474 (477). 13 Arabischer Originaltext abgedruckt in: FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), S. 267. 14 Zum Ganzen Fahmi, Verfassungsrecht arabischer Staaten unter besonderer Berücksichtigung Ägyptens, S. 189 (209). 15 Art. 13 lautete: „Der Staat schützt, im Einklang mit der in Ägypten ausgeübten Rechtspraxis, die freie Ausübung aller religiöser Riten, soweit sie nicht gegen den ordre public oder die guten Sitten verstoßen.“

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

132

S. 132

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Übergangsverfassung vorgesehen, um die aus dem Jahre 1958 stammende Verfassung der Vereinigten Arabischen Republik abzulösen.16

C. Die ägyptische Verfassung aus dem Jahre 1971 Im Jahre 1971, unter der Präsidentschaft Anwar al-Sadats, erhielt Ägypten eine neue Verfassung, die bis heute in Kraft ist. Diese enthält eine Reihe von Elementen, die in einem Rechtsstaat unabdingbar sind, beispielsweise den Grundsatz der Gewaltenteilung.17 Auch ist in der Verfassung aus dem Jahr 1971 (im Folgenden: ägVerf) erstmalig die Bildung eines Verfassungsgerichtshofes vorgesehen.18 Allerdings werden der Exekutive weite Eingriffsmöglichkeiten in den Bereich der Judikative zugebilligt, so dass von einer europäischen Standards entsprechenden Gewaltenteilung nicht gesprochen werden kann.19 Weitreichende Ausnahmen von der Gewaltenteilung enthält die Verfassung beispielsweise für den Präsidenten, der in dieser eine sehr starke Stellung genießt. Gemäß Art. 137 ägVerf ist der Präsident befugt, legislative Aufgaben an sich zu ziehen. So kann er beispielsweise in dringenden Fällen und unter der Bedingung, dass das Parlament nicht rechtzeitig zu einer Verabschiedung zusammen kommen kann, nach Art. 147 ägVerf Dekrete erlassen, die sogar den Rang eines formellen Gesetzes einnehmen. Diese müssen dann innerhalb von 15 Tagen dem Parlament zugeleitet werden. Nach Art. 108 ägVerf kann der Präsident mit Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Parlamentes in dringenden Fällen dazu ermächtigt werden, Dekrete zu erlassen, die auch den Rang eines formellen Gesetzes haben. Auch der ägyptische Justizminister hat weitreichende Eingriffsbefugnisse in das Justizwesen.20 In der Verfassung werden verschiedene Grund- und Menschenrechte garantiert. Nach Art. 47 Abs. 1 ägVerf gewährleistet die Verfassung beispielsweise die Meinungsfreiheit und nach Art. 48 Abs. 1 ägVerf die Pressefreiheit. In den Art. 64 ff. ägVerf sind rechtsstaatliche Garantien wie beispielsweise die Bindung des Staates an die Gesetze und Rechte des Bürgers _____________ 16 Jürgensen, Menschenrechte und politische Entwicklung in Ägypten, S. 195 (196). 17 Siehe Art. 65, 166, 168, 174 und 177 ägVerf. 18 Zu der ägyptischen Verfassungsgerichtsbarkeit siehe unten, E. 19 Sherif, Separation of Powers, S. 25 (36). Die besondere Bedeutung der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit betonte der ägyptische Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996, Fall Nr. 34, al-ÊarÐda alrasmÐya, Nr. 25, 27.6.1996. 20 Sherif, Separation of Powers, S. 25 (39 ff.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Die ägyptische Verfassung aus dem Jahre 1971

S. 133

133

vor staatlichen Gerichten festgehalten. Gemäß Art. 46 ägVerf garantiert der ägyptische Staat die Religionsfreiheit: „Der Staat garantiert das Recht der Glaubensfreiheit und die Freiheit der Ausübung des Glaubens.“ In Art. 40 ägVerf ist der Grundsatz festgehalten, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Nach Art. 40 Abs. 2 ägVerf haben alle Menschen unabhängig von ihrer Rasse, ihrer Abstammung, ihrer Sprache, ihrer Religion oder ihres Glaubens die gleichen Rechte. In der Verfassung, die im Jahre 1971 verabschiedet worden ist und die bis heute in Kraft ist, ist die islamische Religion in Art. 2 ägVerf als Staatsreligion verankert.21 Art. 2 ägVerf lautet: „Der Islam ist die Religion des Staates und Arabisch seine offizielle Sprache. Die Prinzipien des islamischen Rechts sind eine Quelle für die Gesetzgebung.“ Im Jahre 1980 wurde die Verfassung Ägyptens dahingehend geändert, dass die Scharia von nun an die Hauptquelle für die Gesetzgebung war.22 Aus diesem Scharia-Vorbehalt wird gefolgert, dass eine Religion im Sinne des Art. 46 ägVerf nur eine der Buchreligionen sein kann.23 Dies beruht darauf, dass nach islamischem Recht nur diese Religionen als solche zu akzeptieren sind.24 Die Konsequenz daraus ist, dass Angehörige anderer Religionen als der der islamischen, der jüdischen oder der christlichen aufgrund des Art. 2 ägVerf nicht in den Schutzbereich des Art. 46 ägVerf fallen. In der ägyptischen Verfassung ist eine Reihe von Rechten gewährleistet, so dass man, jedenfalls in theoretischer Hinsicht, von einem Grundrechtskatalog westlichen Standards sprechen kann. Ägypten ist jedoch leider ein Beispiel dafür, dass Menschenrechtsgarantien mit Hilfe anderer Instrumente der Verfassung in ihrer tatsächlichen Anwendung rechtsstaatlichen Standards nicht standhalten. Die fehlende Rechtsstaatlichkeit ist auch dadurch charakterisiert, dass Präsident Mubarak kurze Zeit nach der Übernahme der Macht im Jahre _____________ 21 Zur Entstehungsgeschichte der Rolle des Islams in der Verfassung von 1971 siehe O’Kane, Islam in the new Egyptian Constitution, MEJ vol. 26 (1972), S. 137 ff. 22 Schon bei dem Erlass der Verfassung aus dem Jahre 1971 war die Qualifizierung der Scharia als die Hauptquelle der Gesetzgebung Gegenstand der Diskussion, O’Kane, Islam in the new Egyptian Constitution, MEJ vol. 26 (1972), S. 137 (139, 141). Zu dieser Verfassungsreform und auch zu der Stellung des Islams in den verschiedenen ägyptischen Verfassungen siehe Brown, Islamic Constitutionalism in Theory and Practice, S. 491 (493 ff.). 23 Menhofer, Religiöses Recht und Internationales Privatrecht, S. 96. Unter den Buchreligionen versteht man diejenigen Religionen, die über eine Überlieferung verfügen. Ausführlich hierzu oben, 3. Kapitel, B.II.1. 24 Hierzu siehe oben, 3. Kapitel, B.II.1.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

134

S. 134

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

1981 nach der Ermordung Sadats den Staatsnotstand (Art. 148 ägVerf) ausrief.25 Die Beibehaltung der Notstandsgesetzgebung ist bis heute in Kraft und hat eine wesentliche Einschränkung der Grundrechte der Bürger zur Folge.26 Sie kann zwar nur für einen Zeitraum von drei Jahren in Kraft gesetzt werden, ist seitdem jedoch immer wieder verlängert worden. Zuletzt wurde Ende Februar 2003 ihre Beibehaltung für drei weitere Jahre beschlossen.27 Die Politik der schon fast automatischen Verlängerung der Anwendung der Notstandsgesetzgebung ist wohl kaum mit der Verfassung zu vereinbaren.

D. Exkurs: Die ägyptische Gerichtsbarkeit Bevor auf die Religionsfreiheit nach ägyptischem Recht und die zugehörige Rechtsprechung eingegangen wird, soll im Folgenden ein kurzer Überblick über die ägyptische Gerichtsbarkeit gegeben werden. Die ägyptische Verfassung gewährleistet die Unabhängigkeit der Judikative und die der Richter.28 Ägypten verfügt über zwei Gerichtsbarkeiten, die ordentliche und die Verwaltungsgerichtsbarkeit, woran der Einfluss französischen Rechts deutlich wird. Die ordentliche Gerichtsbarkeit besteht dabei aus Gerichten, die in Strafsachen oder in Zivilsachen zuständig sind. Der Kassationshof (maÎkama al-naqd ) ist die höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in Anlehnung an das französische Recht als Conseil d’État (maÊlis al-dawla) bezeichnet. Sie wurde durch das Gesetz Nr. 112/1946 errichtet.29 Bis zum Jahre 1948 gab es für die Gerichtsbarkeit gar keine Möglichkeit der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Normen.30 Seit dem Jahre 1948 _____________ 25 Dass der Präsident den Notstand ausrufen kann, ergibt sich aus Art. 148 ägVerf. Die Voraussetzungen hierfür sind nach Art. 148 ägVerf durch Gesetz festzulegen. In Art. 148 ägVerf ist lediglich festgelegt, dass die Ausrufung des Notstandes innerhalb von 15 Tagen durch das Parlament zu bestätigen ist und dass die Ausrufung zeitlich begrenzt sein muss. Hierzu siehe auch Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (99). 26 Die sehr lange Dauer des Notstandes kritisierte bereits der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, UN Doc. CCPR/C/79/Add.23, S. 3. 27 Three More Years, Al Ahram Weekly, 27 Feb–5 March 2003. 28 Art. 165–167 ägVerf. 29 Geändert durch die Gesetze Nr. 9/1949, 165/1955, 55/1959 und 47/1972. Zu der Organisation des Gerichts siehe Sherif, The Origins and Developments of the Egyptian Judicial System, S. 13 (22 ff.). Zur ägyptischen Verwaltungsgerichtsbarkeit siehe Rady, Administrative Justice, S. 247 (253 ff.). 30 Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 35 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Exkurs: Die ägyptische Gerichtsbarkeit

S. 135

135

und bis zur Errichtung des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1969 waren sämtliche Gerichte befugt, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu überprüfen. Kamen sie zu dem Ergebnis, dass eine Norm nicht mit der Verfassung zu vereinbaren war, so brauchte das Gericht diese Norm nicht anzuwenden.31 Diese Möglichkeit der Nichtanwendung gegen die Verfassung verstoßender Normen war jedoch relativer Natur und damit auf den Einzelfall beschränkt. Es gab weiterhin keine Ermächtigung für die Judikative, nicht-verfassungskonforme Normen generell aufzuheben beziehungsweise für nichtig zu erklären. Seit 1969 hatte zunächst das Oberste Gericht (almaÎkama al-Ýulya) die Aufgabe, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu überprüfen.32 Der ägyptische Verfassungsgerichtshof (al-maÎkama aldustÙrÐya al-Ýulya)33 wurde im Jahre 1971 errichtet. Er erhielt nach den Art. 174–178 ägVerf eine Rechtsgrundlage in der Verfassung, nahm von nun an einen Status als Verfassungsorgan ein.34 Seine Arbeit nahm er aber erst vom Jahre 1979 an auf. Die Kompetenzen des Gerichts und die Verfahrensarten sind in Gesetz Nr. 48/1979 festgelegt. In diesem Gesetz ist auch ausdrücklich festgehalten worden, dass die Urteile des Verfassungsgerichtshofes sämtliche staatliche Stellen und alle Individuen binden.35 In Art. 29 sind die beiden wichtigsten Verfahrensarten festgehalten. Individuen können ihre Rechte vor dem Gericht auf dem Wege eines Vorlageverfahrens (Normenkontrolle) geltend machen, indem sie vor einem einfachen Gericht die Verfassungswidrigkeit von Rechtsnormen aufzeigen. Im Falle der Schlüssigkeit der Anträge bringen die Parteien ihr Anliegen dann vor dem Verfassungsgerichtshof vor.36 Das ägyptische Recht verfügt nicht über eine Verfassungsbeschwerde. Nach einem weiteren Verfahren können _____________ 31 Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 39 f.; Sherif, The Rule of Law in Egypt from a Judicial Perspective, S. 1 (2). 32 Errichtet durch Gesetz Nr. 81/1969. Zur Errichtung dieses Gerichtes und zu seiner Organisation siehe Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 43 ff. 33 Zu den rechtlichen Grundlagen der ägyptischen Verfassungsgerichtsbarkeit siehe El-Morr/Nossier/Sherif, The Supreme Constitutional Court and its Role in the Egyptian Judicial System, S. 37 (37 ff.). 34 Einen Überblick zu den wichtigsten Entscheidungen des ägyptischen Verfassungsgerichtshofes erhält man bei Sherif, The Rule of Law in Egypt from a Judicial Perspective – A Digest of the Landmark Decisions of the Supreme Constitutional Court, S. 1 (3 ff.). 35 Art. 48 f. ägVerf. 36 Eine detaillierte Beschreibung der Verfahrensarten liefert Sherif, The Rule of Law in Egypt from a Judicial Perspective – A Digest of the Landmark Decisions of the Supreme Constitutional Court, S. 1 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

136

S. 136

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Gerichte, die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Norm haben, diese durch den Verfassungsgerichtshof kontrollieren lassen. Ein weiteres Verfahren ist in Art. 27 des Gesetzes Nr. 48/1979 vorgegeben, das jedoch bisher ohne jede praktische Bedeutung war: Demnach ist der Verfassungsgerichtshof berechtigt, jede Norm, die in Verbindung zu einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof steht, auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen.37 Dabei hat der neu gebildete Verfassungsgerichtshof bis heute weitgehend nach dem System des vorherigen Obersten Gerichts gearbeitet.38 Das Gericht hat eine wichtige Stellung im ägyptischen Rechtssystem, die allein schon deshalb gewahrt wird, weil die Unabhängigkeit durch die Verfassung garantiert wird. Dieser Stellung in der Verfassung konnte das Gericht gerecht werden, indem es Urteile hervorbrachte, die viel Beachtung fanden und die einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der durch die Verfassung garantierten Grundrechte leisteten.39 Mit Gesetz Nr. 105/1980 hat Ägypten eine weitere Gerichtsbarkeit geschaffen, die Gerichtsbarkeit zur Sicherheit des Staates. Die Staatssicherheitsgerichte sind insbesondere dann zuständig, wenn dem Beschuldigten Straftaten zur Last gelegt werden, die gegen die Notstandsgesetzgebung verstoßen. Weiterhin kann der Präsident bei Anklageerhebung wegen Begehung aller anderen Straftaten die Zuständigkeit der Notstandsgerichte anordnen.40 Die Staatssicherheitsgerichte haben ihre Grundlage in der Verfassung (Art. 171 ägVerf); allerdings ist dort nicht ihre Errichtung angeordnet, sondern der Gesetzgebung wird lediglich aufgegeben, die Organisation des Staatssicherheitsgerichtes zu regeln. Gegen die Urteile eines Staatssicherheitsgerichts können weder Berufung noch Revision eingelegt werden. Die Urteile können lediglich durch ein Dekret des Präsidenten modifiziert werden. Inhalt eines solchen Dekretes ist entweder, dass die Verurteilten durch ihn begnadigt werden oder dass die Urteile selbst aufgehoben werden.

_____________ 37 Zu diesem Verfahren siehe Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 90 ff. 38 Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 54. 39 Bernard-Maugiron, La justice constitutionelle en Égypte, S. 161 ff. 40 Boyle, Human Rights in Égypt: International Commitments, S. 87 (101).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

E. Ägypten und das Völkerrecht

S. 137

137

E. Ägypten und das Völkerrecht Ägypten hat eine weit zurückreichende Tradition der Mitarbeit auf dem Gebiet des Völkerrechts und seiner Mitentwicklung. Es ist schon seit pharaonischen Zeiten an der Entwicklung des Völkerrechts durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge beteiligt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Ägypten insbesondere bei der Ausarbeitung zur Regelung der Aufteilung der Wasservorkommen des Nils aktiv. Ägypten ist Mitglied einer Reihe von internationalen Organisationen und hat die meisten Verträge auf dem Gebiet des internationalen Menschenrechtsschutzes unterzeichnet und ratifiziert.41 In den vergangenen Jahren gab es verschiedene Initiativen des ägyptischen Staates, mit dem Ziel, den Schutz der Menschenrechte in Ägypten zu verbessern. Angesichts anderer Maßnahmen des Staates, wie beispielsweise eine verschärfte Zensur, ist es jedoch mehr als fraglich, wie ernst es Ägypten mit diesen Initiativen ist. Im Jahre 2004 wurde eine Menschenrechtskommission unter Vorsitz des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali geschaffen. Der Kommission stehen jedoch keine Durchsetzungsmechanismen zur Seite, weshalb die Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte durch die Einrichtung des Rates bezweifelt wird.42 In diesem Abschnitt wird ein Überblick zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen Ägyptens gegeben, und zwar insbesondere im Hinblick auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes. Daneben ist die Stellung des Völkerrechts in der ägyptischen Rechtsordnung zu erörtern.

I. Die Verpflichtungen Ägyptens auf dem Gebiet des internationalen Menschenrechtsschutzes Ägypten ratifizierte die wichtigsten völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge,43 allerdings nicht die Zusatzprotokolle zu den Menschenrechtspakten aus dem Jahre 1966. Auch verpflichtete Ägypten sich zur Teilnahme am Berichtssystem der Pakte, unterwarf sich jedoch nicht dem System der Indi_____________ 41 Siehe Amer, Public International Law, S. 377 (385). 42 Manal el-Jesri, Welcome Back, BBG, Egypt Today, March 2004, S. 36 f. 43 Ägypten ist Mitglied der Anti-Folter-Konvention seit dem 25. Juni 1986 und auch Mitglied von ICERD, der Anti-Rassismus-Konvention: Diese hat Ägypten am 1. Mai 1967 unterzeichnet und am 11. November 1972 ratifiziert; Präsidenten-Dekret Nr. 369/1972, veröffentlicht am 11. November in der al-ÊarÐda al-rasmÐya, Ausgabe Nr. 4, 1972. Ägypten hat zu Art. 22 einen Vorbehalt eingelegt, der besagt, dass Streitigkeiten bezüglich der Konvention direkt dem IGH vorgelegt werden können, CERD/C/60/Rev.2, S. 15. Des Weiteren hat Ägypten die CEDAW am 18. September 1981 ratifiziert, allerdings zu den Art. 9 Abs. 2, 16, 29 Vorbehalte eingelegt.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

138

S. 138

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

vidual- und Staatenbeschwerden.44 Daneben stimmte Ägypten der Allgemeinen Menschenrechtserklärung aus dem Jahre 1948 zu und war bei der Ausarbeitung derselben beteiligt. Bei Ratifizierung des IPbürgR und des IPwskR gab Ägypten Erklärungen ab, der zufolge Ägypten den Pakt in dem Bewusstsein ratifiziere, dass die inhaltlichen Bestimmungen der Pakte nicht im Widerspruch zu den Vorschriften der Scharia ausgelegt werden dürfen.45 Eine ähnliche Erklärung hat Ägypten zu Art. 2 der Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (CEDAW)46 abgegeben.47 Es handelt sich hierbei um Interpretationserklärungen, die das Verständnis Ägyptens im Hinblick auf die inhaltliche Bedeutung der Pakte deutlich machen sollen. In der Erklärung zur Ratifizierung ist keine Bestimmung enthalten, mit der Ägypten die Bindungswirkung des IPbürgR für sich negiert, weshalb davon auszugehen ist, dass es sich nicht um einen Vorbehalt handelt, sondern lediglich um eine erklärende Stellungnahme Ägyptens über die Auslegung des IPbürgR.48 Diese Erklärungen haben aber keinerlei Einfluss auf die Bindungswirkung der Pakte für Ägypten und liefern auch keinen Ausnahmetatbestand, unter dem die Pakte nur eingeschränkte Wirkung entfalten können.49 Dass es sich um Interpretationserklärungen handelt, beruht schon darauf, dass Ägypten diese nicht als Vorbehalte bezeichnete. Sie werden auch nicht dadurch zu Vorbehalten, dass Ägypten seine Zustimmung von der Einbringung dieser Erklärung abhängig gemacht hat.50 _____________ 44 Hierzu siehe Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 115. 45 Präsidentendekrete 536 und 537 vom 1. Oktober 1981. Die Dekrete sind im ägyptischen Staatsanzeiger veröffentlicht, al-ÊarÐda al-rasmÐya, Ausgabe Nr. 15, 15. April 1982, (zum IPbürgR) und al-ÊarÐda al-rasmÐya, 8. April 1982, Ausgabe Nr. 14. Hierzu auch Abdelhamid, Tradition, Renaissance et droit dans la societé égyptienne moderne, S. 181 (196); Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr aldawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 140. Die Erklärung lautet: „Taking into consideration the provisions of the Islamic Sharia and the fact that they do not conflict with the text annexed to the instrument, we accept, support and ratify it …“, Multilateral Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, vol. I, S. 169 ff. 46 Angenommen als Resolution der UN-Generalversammlung, 18. Dezember 1979, GA/RES 34/180 (XXXIV), in Kraft getreten am 3. September 1981. 47 „The Republic of Egypt is willing to comply with the content of the article, provided that such compliance does not run counter to the Islamic Sharia.“, siehe hierzu Multilateral Treaties Deposited with the Secretary-General, Status at 31 December 2003, vol. I, S. 231 (234). 48 Ähnlich Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (93). 49 Brems, Human Rights: Universality and Diversity, S. 272.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

E. Ägypten und das Völkerrecht

S. 139

139

Allerdings legte Ägypten zu verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen auch Vorbehalte ein, die sich auf das islamische Recht bezogen. Zu nennen sind hier beispielsweise die CEDAW (am 18. September 1981), und zwar zu Art. 9, 16 und 29.51 Der sich auf Art. 16 CEDAW beziehende Vorbehalt enthält einen ausdrücklichen Verweis auf die Scharia. Dem Vorbehalt nach ist Ägypten nur dann an die Konvention gebunden, soweit sie nicht im Widerspruch zum islamischen Recht stehe.52 Ägypten nahm an dem dem IPbürgR zugrunde liegenden Berichtssystem teil und lieferte in den Jahren 1988 und 1992 Berichte ab. Ägypten bemüht sich in seinen Berichten darzustellen, dass es zwischen der Anwendung islamischen Rechts und den Pakten keine unauflösbaren Widersprüche gebe. Diese Haltung steht aber im Gegensatz zu der oben dargestellten Politik der Vorbehalte, die Ägypten betreibt. Diese machen deutlich, dass Ägypten sehr wohl internationale Menschenrechtsschutzstandards und islamisches Recht als widersprüchlich ansieht beziehungsweise nicht für ausgeschlossen hält. Auf dem Gebiet des regionalen Menschenrechtsschutzes ist Ägypten Mitglied der Afrikanischen Menschenrechtskonvention. Daneben ist Ägypten Mitglied der Arabischen Liga.53 Im Rahmen dieser Organisation ist es allerdings bisher nicht zu der Verabschiedung einer rechtsverbindlichen Menschenrechtskonvention gekommen.54 Zu Art. 18 Abs. 3 AfrMRK hat Ägypten ebenfalls eine Interpretationserklärung abgegeben, der zufolge die Bestimmung nicht entgegengesetzt zum islamischen Recht ausgelegt werden dürfe.55 Der ägyptische Verfassungsgerichtshof hat sich bisher nicht zu dem Verhältnis zwischen der Scharia nach ägyptischem Recht und den Vorgaben der Menschenrechtspakte geäußert. Auch hat Ägypten in seinen Berichten an den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zu dieser Frage bisher keine Stellung genommen.

_____________ 50 Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 143 f. 51 Siehe Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, vol. I, S. 231 (234). 52 Der Vorbehalt lautet, dass die Bestimmungen des Vertrages „without prejudice to the Islamic Shari’a provisions“ sein müssen; hierzu auch An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 178 f. 53 Zur Arabischen Liga siehe oben, 2. Kapitel, B.III.1. 54 Hierzu siehe oben, 2. Kapitel, B.III.2. 55 Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 140.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

140

S. 140

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

II. Die Stellung des Völkerrechts in der ägyptischen Rechtsordnung 1. Die Verfassung Nach Art. 151 Abs. 2 ägVerf haben völkerrechtliche, durch Ägypten ratifizierte Verträge den Rang eines Gesetzes. Der Artikel lautet: „Der Präsident der Republik schließt Verträge und leitet diese mit einer Erläuterung des Vertragsthemas an die Volksversammlung weiter. Die Verträge haben nach ihrem Abschluss, ihrer Ratifizierung und Veröffentlichung entsprechend dem vorgesehenen Verfahren den Rang eines Gesetzes.“

Allerdings wird nicht näher spezifiziert, welchen Rang internationale und durch Ägypten ratifizierte Verträge einnehmen, ob Verfassungsrang oder den eines einfachen Gesetzes.56 In der ägyptischen Verfassung findet sich neben der fehlenden Regelung des Status des Völkergewohnheitsrechtes nach innerägyptischem Recht auch keine Regelung, welche Stellung die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechtes im staatlichen Recht einnehmen.57 Mit Hilfe einer systematischen Auslegung der Verfassung könnte man zu dem Schluss kommen, dass mit dem Begriff Gesetz ein einfaches Gesetz gemeint ist, denn der Begriff wird in vielen anderen Artikeln der Verfassung ebenfalls im Sinn eines einfachen Gesetzes verwendet. 2. Die Rechtsprechung Die ägyptische Rechtsprechung vertrat zunächst die Ansicht, dass völkerrechtlichen Verträgen, die in nationales Recht umgewandelt seien, der Rang eines einfachen Gesetzes einzuräumen sei. Andere völkerrechtliche Dokumente, wie beispielsweise Resolutionen der UN-Generalversammlung, hätten lediglich deklaratorischen Charakter. So stellte der ägyptische Staatsrat fest, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte für die Mitgliedstaaten (der Vereinten Nationen) nicht verbindlich sei.58 In einem Urteil aus dem Jahre 1975 erklärte das Oberste Gericht, der damalige Verfassungsge_____________ 56 ÝAbd al-Aziz Mohammed SirhÁn, al-ni×Ám al-qanÙn li-l-ÝalaqÁt dÙwalÐya fÐ-l-dustÙr ÊumhÙrÐya maÒr al-ÝarabÐ, al-maÊalla al-miÒrÐya li-l-qanÙn al-dÙwalÐ (Revue Egyptienne de Droit International) t. 29 (1973), S. 1 (27); ÑalÁÎ al-DÐn ÝÀmr, muqaddima li-dirÁsa al-qanÙn al-duwalÐ al-ÝÁmm, S. 149, Sherif, Unshakable Tendency in the Protection of Human Rights, S. 35 (36); Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (89). 57 Hierzu auch Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 206 ff. 58 FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), S. 267.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

E. Ägypten und das Völkerrecht

S. 141

141

richtshof, in einer Entscheidung, dass nur diejenigen Menschenrechtserklärungen rechtlich verbindlich seien, die durch den ägyptischen Gesetzgeber in nationales Recht transformiert worden seien. Andernfalls handele es sich lediglich um philosophische Prinzipien.59 In einem weiteren Urteil aus dem Jahre 1975, in dem es um die Rechtmäßigkeit der Auflösung der Baha’i-Gemeinden60 ging, räumte der Verfassungsgerichtshof völkerrechtlichen Verträgen, die in nationales Recht transformiert seien, einfachen Gesetzesrang ein.61 Allerdings hatte Ägypten zu diesem Zeitpunkt den IPbürgR noch nicht ratifiziert, weshalb das Gericht als Maßstab insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anlegte. Das Gericht begründete in seinem Urteil die Rechtmäßigkeit der Auflösung damit, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen kein völkerrechtlicher Vertrag sei und damit nicht den gleichen Stellenwert wie ein völkerrechtlicher Vertrag besitze, sondern lediglich eine unverbindliche Erklärung darstelle und somit keinen Gesetzescharakter aufweise.62 Diese Deutung ist nicht nachvollziehbar, denn es ist anzunehmen, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unzweifelhaft Völkergewohnheitsrecht darstellt und somit auch für Ägypten Bindungswirkung entfaltet. Diese Bindungswirkung entfällt auch nicht dadurch, dass die Stellung des Völkergewohnheitsrechts in der Verfassung nicht determiniert ist. Inzwischen verfolgt die ägyptische Rechtsprechung die Position, dass das Völkergewohnheitsrecht Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung sei.63 Im Jahre 1982 stellte das ägyptische Berufungsgericht in Strafsachen (maÎkama al-naqd ) fest, dass Ägypten als Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft an die rechtlichen Grundlagen des Völkerrechtes gebunden sei. Damit diese Bestandteil der innerägyptischen Rechtsordnung würden, sei eine Umsetzung in das innerägyptische Recht nicht erforderlich.64 Im Hinblick auf _____________ 59 Al-maÎkama al-Ýulya, Urteil Nr. 2, Gerichtsjahr 3, Urteil vom 5. April 1975, maÊmÙÝa aÎkÁm wa qirarÁt al-maÎkama al-Ýulya, al-qism al-awwal, S. 292 (293). 60 Zu der Auflösung der Baha’i-Gemeinden siehe unten, F.II. 61 Al-maÎkama al-Ýulya, Fall 7, Gerichtsjahr 2, Urteil vom 1.3.1975, maÊmÙÝa aÎkÁm wa qirarÁt al-maÎkama al-Ýulya, al-qism al-awwal, 1970 – November 1976, S. 228 (232); Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (89); BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 235. 62 Al-maÎkama al-Ýulya, Fall 7, Gerichtsjahr 2, Urteil vom 1.3.1975, maÊmÙÝa aÎkÁm wa qirarÁt al-maÎkama al-Ýulya, al-qism al-awwal, 1970–November 1976, S. 228 (232). 63 Amer, Public International Law, S. 377 (388). 64 MaÎkama al-naqd, Urteil Nr. 295, 311, 25. März 1982, Gerichtsjahr 51, S. 330 (336).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

142

S. 142

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

die grundlegenden Regeln des Völkerrechts bestehe somit grundsätzlich keine Notwendigkeit zur Transformations-Gesetzgebung.65 Der Verfassungsgerichtshof verfolgt die Ansicht, dass allgemein anerkannte Prinzipien des Völkerrechts Verfassungsrang genießen. In einem Urteil aus dem Jahre 1992 vertrat der ägyptische Verfassungsgerichtshof diese Auslegung erstmals. Er kam zu dem Schluss, dass allgemein anerkannte Normen auf dem Gebiet des internationalen Menschenrechtsschutzes wie Normen der Verfassung zu behandeln seien und dass diese bei der Auslegung der Verfassung zu berücksichtigen seien.66 Hierzu zählt nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes unter anderem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, und der Gerichtshof zitiert zur Untermauerung seiner These die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes zum Teheraner Geiselfall.67 Hieraus ist zu folgern, dass Verstöße gegen allgemein anerkannte Prinzipien des Völkerrechts durch den Verfassungsgerichtshof als Verstoß gegen die Verfassung eingestuft werden können.68 Dass die Klauseln der internationalen Menschenrechtspakte den Rang von Verfassungsgütern einnehmen, geht endgültig aus einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1995 hervor. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob Mitglieder des Staatsrates (maÊlis aldawla) Ausländerinnen heiraten dürften. Dies war nach Art. 73 des Gesetzes zum Staatsrat nicht erlaubt. Die Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit der Verfassung begründete das Gericht damit, dass es mit den grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts nicht zu vereinbaren sei. Es verwies auf verschiedene Dokumente des internationalen Menschenrechtsschutzes wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem IPbürgR, der AntiRassismuskonvention, der Declaration on the Elimination of Discrimination Against Women (7. November 1967) und der Konvention gegen die Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination Against Women (18. Dezember 1979).69 _____________ 65 MaÎkama al-naqd, Urteil Nr. 295, 311, Jahr 5, 25.3.1982, S. 330 (336). 66 Al-maÎkama al-dustÙrÐya al-Ýulya, Fall Nr. 22, Jahr 8 vom 4. Januar 1992, Sammlung der Rechtsprechung des ägyptischen Verfassungsgerichtshofes, Bd. 5, Teilband 1, S. 89 (95); BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 235; Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 185 f.; Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (90). 67 Teheran Hostage Case, ICJ Reports 1980, S. 3. 68 So auch Sherif, Unshakable Tendency in the Protection of Human Rights, S. 35 (36, 45 f.). 69 Al-maÎkama al-dusturÐya al-Ýulya, al-ÊuzÞ al-sÁdis (1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1995), S. 567 ff., Rn. 14 f., Urteil Nr. 23, Jahr 16, 18. März 1995. Interessant ist aus europäischer Sicht sicherlich auch, dass der Verfassungsgerichtshof kurz auf das in

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 143

143

3. Zwischenergebnis Was die Stellung des Völkerrechts in der ägyptischen Rechtsordnung angeht, herrscht jetzt jedenfalls insoweit Klarheit, dass die grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts, egal ob Vertrags- oder Gewohnheitsrecht, Verfassungsrang genießen. Dies gilt insbesondere für die Menschenrechte, soweit sie in universellen Verträgen oder in Resolutionen der Generalversammlung festgehalten wurden und Völkergewohnheitsrecht darstellen.

III. Die Anwendung islamischen Rechts im Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Ägyptens Das Verhältnis des islamischen Rechts zu den internationalen Menschenrechtspakten ist beim ägyptischen Verfassungsgerichtshof bisher nicht Gegenstand einer Entscheidung gewesen. Die Haltung der ägyptischen Regierung zu dieser Frage ist wohl so einzuschätzen, dass ein Widerspruch zwischen beiden Rechtssystemen nicht gesehen wird. Die Position der Rechtsprechung ist aus heutiger Perspektive ähnlich einzuschätzen. In einem solchen Falle wäre es wahrscheinlich, dass der Verfassungsgerichtshof keinen direkten Gegensatz zwischen der Scharia und den Vorgaben des Menschenrechtsschutzes feststellen würde.70 Der Verfassungsgerichtshof geht jedoch inzwischen auch soweit, die Scharia als Maßstab für Verletzungen der Grundrechte aus der Verfassung heranzuziehen.

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht Im Folgenden ist das Gewicht des islamischen Rechts in der ägyptischen Rechtsordnung zu erörtern. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund von Bedeutung, inwiefern sich aufgrund seiner Anwendung Nachteile für religiöse Minderheiten ergeben und welche Auswirkungen sich hieraus für die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht ergeben.

I. Überblick über die ägyptische Rechtsordnung Nach der Besetzung Ägyptens durch Napoleons Truppen Ende des 18. Jahrhunderts brach in Ägypten die Herrschaft Mohammad Alis (1805–1848) an, der als Begründer des modernen ägyptischen Staates gilt. Unter seiner _____________ der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Persönlichkeitsrecht eingeht. 70 So auch Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (97).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

144

S. 144

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Herrschaft als Gouverneur des Osmanischen Reiches wurden große Teile des französischen Rechts in das ägyptische Rechtssystem aufgenommen. Als die Briten im Jahre 1882 Ägypten besetzten, war die Anwendung des französischen Rechts schon so weit fortgeschritten, dass eine Umstrukturierung hin zum britischen Recht nur unter unverhältnismäßig großem Aufwand möglich gewesen wäre.71

II. Die Debatte um die Rolle des Islams in der ägyptischen Rechtsordnung In den letzten Jahrzehnten ist die politische Debatte in Ägypten zum großen Teil durch ein Thema bestimmt worden, nämlich die Rolle des islamischen Rechts in der ägyptischen Rechtsordnung. Bestärkt wurde diese Entwicklung durch den Verlauf des Sechs-Tage-Krieges gegen Israel, der in Ägypten ein Trauma auslöste, das auch durch den nur teilweise erfolgreichen Yom-Kippur-Krieg gegen Israel nicht vollständig beseitigt werden konnte. Als Ursache der Niederlage im Krieg 1967 wurde häufig die Abkehr Ägyptens vom Islam benannt.72 Diese Entwicklung gipfelte in der Formulierung des Art. 2 ägVerf. Zunächst war das islamische Recht in der Verfassung aus dem Jahre 1971 als eine Hauptquelle der Gesetzgebung mit Verfassungsrang ausgestattet. Nur wenig später, im Jahre 1980, wurde das islamische Recht die Hauptquelle der Gesetzgebung.73 In der Folge entstand eine Debatte, in der Forderungen nach einer vollständigen Kodifizierung islamischen Rechts in das nationale Recht Ägyptens formuliert wurden. So unternahm die Al-AzharUniversität in den siebziger Jahren verschiedene Projekte zur Kodifizierung des islamischen Rechts.74 Hauptargument der Anhänger einer Islamisierung des Rechts ist, dass das göttliche Recht dem von Menschen geschaffenen Recht überlegen sei.75 Wie unten noch zu zeigen sein wird, macht sich dieser Einfluss im gesamten ägyptischen Recht bemerkbar. Die Befürworter einer verstärkten Kodifizierung islamischen Rechts konnten sich bisher nicht durchsetzen. Allerdings konnte im Rahmen dieser Untersuchung gezeigt werden, dass das islamische Recht schon fester Bestandteil der ägyptischen Rechtsordnung, jedenfalls im Familienrecht, ist.76 _____________ 71 Sherif, Separation of Powers, S. 25 (28). 72 Vgl. Thielmann, NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid und die wiedererfundene Îisba, S. 70. 73 Siehe oben, C. 74 Vgl. hierzu Botiveau, Islamiser le droit? L’exemple égyptien, Maghreb Machrek, vol. 126 (1989), S. 5 (12 f.). 75 Flores, Der Islam in ausgewählten Staaten: Ägypten, S. 474 (478 f.). 76 Hierzu siehe oben, D.IV.3.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 145

145

Wegen der intensiven Beeinflussung des ägyptischen Rechts durch das französische Recht und hier insbesondere durch den Code Napoléon einerseits und andererseits wegen der tragenden Rolle des islamischen Rechts im ägyptischen Rechtssystem kann durchaus von einem Dualismus von weltlichem und religiösem Recht gesprochen werden.77 Allerdings ist dieser Begriff insoweit verfälschend, als dass er eine Gleichrangigkeit der Normen impliziert. Wie bereits aufgezeigt wurde, nimmt das islamische Recht jedenfalls in der ägyptischen Rechtsordnung einen höheren Rang als das weltliche Recht ein.78 Insgesamt ist der Einfluss des islamischen Rechts auf die Rechtsordnung also erheblich. Da der ägyptische Gesetzgeber jedoch auch Gesetze erlassen hat, um eine zunehmende Islamisierung der Gesellschaft zu unterbinden, ist es fraglich, ob man tatsächlich von einer Islamisierung der ägyptischen Rechtsordnung sprechen kann.79

III. Der Islam als Staatsreligion: Islam und ägyptische Verfassung Wie bereits oben dargestellt sahen bis auf die Verfassung aus dem Jahre 1958 alle ägyptischen Verfassungen, die bisher in Kraft waren, den Islam als Staatsreligion vor.80 Die Änderung der Verfassung im Jahre 198081 wurde allgemein als ein Zugeständnis der ägyptischen Regierung an die Islamisten gewertet.82 Es ist eine Norm, die an den Gesetzgeber adressiert ist und diesen dazu verpflichtet, Recht zu erlassen, das mit dem Islam in Einklang steht.83 Allerdings sieht die Verfassung keine weiteren Verfahren vor, wie das islamische Recht zur Anwendung kommen soll. Auch existieren keine einfach-gesetzlichen Regelungen zu dieser Frage, weshalb die Judikative bei der Anwendung islamischen Rechts über einen sehr weiten Ermessensspielraum verfügt. Die Volksversammlung verabschiedete im Jahre 1981 eine Erklärung, die besagte, dass die sofortige Beseitigung eines Rechtssystems, welches über 100 Jahre existierte, nicht ohne zeitliche Verzögerung beseitigt werden kön_____________ 77 So Jung, Religion und Politik in der islamischen Welt, S. 31 (36). 78 Siehe oben, C. 79 Als Beispiel dient das Verbot des Gesichtsschleiers; hierzu siehe unten, G.I.2. 80 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 27. 81 Hierzu siehe oben unter C. 82 Lombardi, Islamic Law as a Source of Constitutional Law in Egypt, CJTL vol. 37 (1998), S. 81 (86). 83 Al-maÎkama al-dusturÐya al-Ýulya, Urteil vom 15. Mai 1993, Sammlung, vol. 5, Teil 2, S. 290.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

146

S. 146

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

ne. Dem Gesetzgeber müsse zunächst vielmehr die Möglichkeit eingeräumt werden, das islamische Recht in ein neues Gesetzessystem überzuleiten.84 1. Die Rechtsprechung Die Rechtsprechung urteilte entsprechend den Gesetzen, machte jedoch zugleich deutlich, dass diese nicht mit der Scharia zu vereinbaren seien und forderten den Gesetzgeber zur Kodifizierung islamischen Rechts auf.85 Auf der Grundlage des Art. 2 ägVerf wendet die Gerichtsbarkeit teilweise islamisches Recht an,86 im Gegenzug erlässt der Staat zum Teil Normen, die das islamische Recht in seiner Anwendung zurückdrängen sollen. Seit den siebziger Jahren ist somit ein zunehmender Einfluss islamischen Rechts auf das gesamte Rechtssystem zu verzeichnen. Die Art der Anwendung islamischen Rechts ist durch den ägyptischen Verfassungsgerichtshof in Entscheidungen in den achtziger und neunziger Jahren näher konkretisiert worden, aber dennoch ist die Rolle des islamischen Rechts in der ägyptischen Rechtsordnung noch nicht abschließend geklärt. Allerdings ist die Rechtsprechung des ägyptischen Verfassungsgerichtshofes insoweit eindeutig, als dass keine Gesetze erlassen werden dürfen, die offensichtlich nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sind.87 Die Anwendung islamischen Rechts durch den Verfassungsgerichtshof und andere staatliche Gerichte ist wiederholt auf Kritik geistlicher Strömungen getroffen, denn diese bezweifeln die Kompetenz der staatlichen Gerichtsbarkeit zur Auslegung islamischen Rechts.88 Es wird jedoch auch die Auffassung vertreten, dass es sich bei Art. 2 ägVerf um eine Norm handelt, die keine rechtsverbindliche Wirkung entfaltet.89 Demnach stellt sie lediglich einen Appell an den Gesetzgeber dar, ähnlich einer Staatszielbestimmung, islamisches Recht als positives ägyptisches Recht zu verankern. Es gibt im ägyptischen Rechtssystem keine Norm, die _____________ 84 Vgl. Gabr, The Interpretation of Article Two of the Egyptian Constitution by the Supreme Constitutional Court, S. 217 (219). 85 Flores, Der Islam in ausgewählten Staaten: Ägypten, S. 474 (479). 86 Ausführlich zu der Anwendung islamischen Rechts durch den ägyptischen Verfassungsgerichtshof siehe Murray/El-Molla, Islamic Shari’a and Constitutional Interpretation in Egypt, S. 507 ff. 87 Brown, Islamic Constitutionalism in Theory and Practice, S. 491 (495). 88 Zur Vorgehensweise des ägyptischen Verfassungsgerichtshofes bei der Anwendung islamischen Rechts siehe Lombardi, Islamic Law as a Source of Constitutional Law in Egypt, CJTL vol. 37 (1998), S. 81 (99 ff.). 89 Zu dieser Debatte Lombardi, Islamic Law as a Source of Constitutional Law in Egypt, CJTL vol. 37 (1998), S. 81 (87).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 147

147

die Einklagbarkeit der Umsetzung des Art. 2 ägVerf ermöglicht.90 Der Rechtsanwender weiterhin gehalten, lediglich das positive Recht anzuwenden, auch wenn dieses nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren ist. Die Änderung der Verfassung stellte für die Al-Azhar-Universität im Jahre 1980 den Anlass dar, die Verfassungsmäßigkeit einer Norm des ägyptischen Zivilgesetzbuches (im Folgenden: ägZGB)91 zu bezweifeln, da diese nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sei. Es ging in diesem Fall um den Art. 226 ägZGB, welcher eine Anspruchsgrundlage für die Erhebung von Verzugszinsen darstellt. Der Verfassungsgerichtshof stellte im Ergebnis nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm fest, sondern hob hervor, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, gegen islamisches Recht verstoßende Normen dahingehend zu ändern, dass sie mit islamischem Recht zu vereinbaren sind.92 Weiterhin war bei Einführung der Norm nicht eindeutig, ob sie Rückwirkung entfaltet.93 Dies hätte zur Folge, dass vor Änderung des Art. 2 ägVerf existierende Normen nichtig sind, wenn sie nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren wären. Diese Frage war noch lange Zeit Gegenstand intensiver juristischer Diskussionen, bis der Verfassungsgerichtshof feststellte, dass die Änderung des Artikels nur Wirkung für die Zukunft habe.94 Nur die nach der Änderung der Verfassung erlassenen Gesetze müssten mit dem islamischen Recht zu vereinbaren sein.95 Die Verneinung der Rückwirkung wird mit Art. 191 ägVerf begründet. Demnach sind Gesetze, die bereits vor der Verkündung der Verfassung in Kraft waren, weiterhin gültig.96 _____________ 90 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 32. 91 Gesetz Nr. 131/1948. 92 Urteil Nr. 20, 4. Mai 1985, al-maÎkama al-dusturÐya al-Ýulya, al-ÊarÐda al-rasmÐya, Ausgabe Nr. 20, 16. Mai 1985, S. 992 ff. Zu diesem Fall Gabr, The Interpretation of Article Two of the Egyptian Constitution by the Supreme Constitutional Court, S. 217 (218 f.). 93 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 32. 94 Dupret, „La charia est la source de la religion“: Interprétations jurisprudentielles et théories juridiques, S. 125 (125 f.); Fall 47, 21. Dezember 1985. al-maÎkama aldusturÐya al-Ýulya, Sammlung vol. 3, S. 274 f. 95 Urteil vom 21. Dezember 1985, Nr. 47, Gerichtsjahr 4, Sammlung vol. 3, S. 274 f. Ausführlich hierzu Murray/El-Molla, Islamic Shari’a and Constitutional Interpretation in Egypt, S. 507 (511); diese Rechtsprechung wurde durch den Verfassungsgerichtshof in einer späteren Entscheidung bestätigt, al-maÎkama al-dusturÐya al-Ýulya, Urteil vom 18.5.1996, Urteil Nr. 8, Gerichtsjahr 17, Al-ÊarÐda al-rasmÐya, Ausgabe Nr. 21, 30. Mai 1996, S. 1026 (1031). 96 ÝAbd al-ÍamÐd NiÊÁšÐ ÝAbd al-ÍamÐd ZahÐrÐ, mÁhÐya mabÁdÐÞ al- šarÐÝa al-islÁmÐya wa a×ruhÁ ÝalÁ dustÙrÐya al-nuÒÙÒ al-tašrÐÝÐya fÐ Ûall al-dustÙr al-ÎÁlÐ, S. 77 (88).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

148

S. 148

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

2. Zwischenergebnis Damit ist der Gesetzgeber gehalten, das islamische Recht bei der Gesetzgebung zu beachten. Gesetze, die offensichtlich nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sind, sind demnach nichtig. Allerdings ist bis heute die Tragweite der Verpflichtung des Gesetzgebers, islamisches Recht zu beachten, nicht eindeutig geklärt. Unabhängig davon, wie man die Rolle des islamischen Rechts in der ägyptischen Verfassung qualifiziert, ist festzustellen, dass dem islamischen Recht ein erheblicher Einfluss zukommt. Dies macht sich z.B. bei der Menschenrechtspolitik Ägyptens bei der Ratifizierung von Menschenrechtsverträgen bemerkbar, denn Ägypten hat zu allen wesentlichen Menschenrechtsverträgen Vorbehalte eingelegt beziehungsweise Erklärungen abgegeben, die besagen, dass die Bestimmungen des Vertrages nicht konträr zu den Inhalten der islamischen Scharia ausgelegt werden dürfen.97

IV. Der Islam als Bestandteil einfachen ägyptischen Rechts Diese Änderung der Verfassung hinsichtlich des islamischen Rechts konnte jedoch nicht die Spannungen zwischen der Anwendung weltlichen oder religiösen Rechts beenden. Diese werden in der täglichen Rechtsanwendung und in der Wissenschaft deutlich. Beispielsweise enthalten eine Reihe von Doktorarbeiten, die an Rechtsfakultäten juristischer Fakultäten in islamischen Staaten geschrieben werden, einen rechtsvergleichenden Teil, in dem die Autoren die Überlegenheit des islamischen Rechts gegenüber dem weltlichen Recht darzulegen versuchen.98 Das islamische Recht hat auf verschiedenen Feldern des ägyptischen Rechts Auswirkungen. Insbesondere Generalklauseln werden im Hinblick auf das islamische Recht ausgelegt. Zu der Rolle des islamischen Rechts in der ägyptischen Rechtsordnung soll im Folgenden eine kurze Darstellung gegeben werden. In Ägypten gibt es daneben einige Gesetze, die aus dem islamischen Recht stammen und auf Angehörige anderer Religionen anwendbar sind.99 In Ägypten ist die hanafitische Rechtsschule am weitesten verbreitet.100 Auf der Grundlage eines einfach-rechtlichen Gesetzes ist entsprechend geregelt, dass die Regeln der hanafitischen Rechtsschule angewendet werden.101 _____________ 97 Hierzu siehe unten, D. 98 Vgl. Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 27. 99 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 102. 100 Zu der hanafitischen Rechtsschule siehe oben, 3. Kapitel, A.I.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 149

149

1. Personeller Anwendungsbereich des islamischen Rechts Bevor auf die Auswirkungen religiösen Rechts in den einzelnen Gebieten des Zivilrechts eingegangen werden wird, ist kurz zu erörtern, unter welchen Voraussetzungen islamisches beziehungsweise nicht-islamisches Recht zur Anwendung kommt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die religiösen Minderheiten in den Anwendungsbereich islamischen Rechts fallen. Neben dem islamischen Recht findet auch das Recht anderer Religionsgemeinschaften Anwendung. Dies ist in Art. 6 des Gesetzes Nr. 462 aus dem Jahre 1955 geregelt. Demnach fallen Angehörige anderer Religionen nicht in den Anwendungsbereich des islamischen Rechts, wenn die Streitparteien derselben Konfession angehören und diese bei Verabschiedung des Gesetzes über eine eigene Gerichtsbarkeit verfügt hat. Im Jahre 1956 stellten zwölf christliche und zwei jüdische Glaubensgemeinschaften eine Konfession i.S.d. Gesetzes Nr. 462/1955 dar.102 In der Zeit vor der Abschaffung der religiösen Gerichtsbarkeit waren in Fällen, in denen Angehörige nicht anerkannter Religionen beteiligt waren, die islamischen Gerichte, die so genannten Scharia-Gerichte, zuständig.103 Die Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit ergab sich daraus, welches religiöse Recht anzuwenden war. Mit dem Gesetz Nr. 462/1955 wurde die religiöse Gerichtsbarkeit abgeschafft und ging in staatliche Hände über. Zwar unterliegen Streitigkeiten zwischen Angehörigen einer religiösen Gruppierung nach wie vor dem Recht dieser Konfession, zuständig sind in diesen Fällen seit dem Jahre 1956 Kammern, die an den staatlichen Gerichten eingerichtet wurden.104 Die Regelung der Voraussetzungen, welches religiöse Recht anzuwenden ist, blieb nach der Abschaffung des Gesetzes Nr. 462/1955 jedoch unverändert. Aus der Formulierung der Notwendigkeit, dass die Streitparteien derselben Religion und Konfession zugehören müssen, wird deutlich, dass im Falle der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen christlichen Glaubensgemeinschaften nicht-islamisches Recht keine Anwendung findet. Begründet wurde diese nicht sofort nachzuvollziehende Konkurrenz der Rechtsanwendung damit, dass jede der zwölf christlichen Konfessionen und auch die jüdischen Konfessionen bis zum Jahre 1955 über eine eigene Gerichtsbarkeit verfügten. _____________ 101 Dies geht aus Art. 280 des Gesetzes Nr. 78/1931 und Art. 6 des Gesetzes Nr. 462/1955 hervor. 102 Berger, Public Policy and Islamic Law: The Modern Dhimmi in Contemporary Egyptian Family Law, Islamic Law and Society, vol. 8 (2001), S. 88 (96 f.). 103 Menhofer, Religiöses Recht und Internationales Privatrecht, S. 48. 104 Sherif, An Overview of the Egyptian Judicial System, YIMEL vol. 5 (1998–1999), S. 3 (13).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

150

S. 150

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Es bedurfte einer eindeutigen Zuständigkeitsregelung für den Fall, dass die Streitparteien unterschiedlichen Konfessionen angehörten. Aber es bleibt natürlich die Frage nach dem Sinn der Anwendung islamischen Rechts, z.B. wenn beide Beteiligte dem Christentum oder Judentum angehören.105 An der Regelung dieser Anwendungskonkurrenz wird das Gewicht des Islams in der ägyptischen Rechtsordnung aufgrund seiner Stellung als Staatsreligion deutlich. Aus der Verankerung des Islams als Staatsreligion ergibt sich, dass im Zweifel das islamische Recht Anwendung findet, da islamisches Recht i.S.d. Gesetzes Nr. 462/1955 allgemeines Recht darstellt. Die rechtliche Regelung kann mit einfachen Worten auch so zusammengefasst werden, dass, sobald sich Zweifel ergeben, welches Recht Anwendung findet, islamisches Recht zur Anwendung kommt.106 Die Voraussetzungen, unter denen nicht-islamisches Recht zur Anwendung kommt, ergeben sich damit jedenfalls teilweise aus islamischem Recht.107 Denn das Recht der Religionen, die nicht zu den Buchreligionen und damit zu den vom Islam anerkannten Religionen gehören, kommt nicht zur Anwendung. Die Angehörigen dieser Religionen fallen in den Anwendungsbereich des islamischen Rechts. 2. Der Begriff des ordre public (al-niÛÁm al-ÝÁmm)108 Der Begriff des ordre public ist ein allgemeiner Rechtsbegriff, unter dem diejenigen Prinzipien des Rechts zu verstehen sind, die für eine Gesellschaft als grundlegend gelten. Der Begriff ist in Art. 28 des ägyptischen Zivilgesetzbuches (ägZGB)109 enthalten, wird jedoch nicht weiter definiert. Das Prinzip des ordre public beschränkt sich jedoch nicht auf das Zivilrecht, sondern entfaltet ebenfalls Wirkung auch in den anderen Rechtsgebieten. In einer Reihe gerichtlicher Entscheidungen spielt der Begriff des ordre public entscheidende Rolle. Im ägyptischen Recht zeichnet sich dieser Terminus, ähnlich wie im deutschen Recht, durch eine große Unbestimmt_____________ 105 Berger, Public Policy and Islamic Law: The Modern Dhimmi in Contemporary Egyptian Family Law, Islamic Law and Society, vol. 8 (2001), S. 88 (97 f.); Berger, Conflicts Law and Public Policy in Egyptian Family Law, The AJCL vol. 50 (2002), S. 555 (561). 106 Zu diesem Ergebnis kam auch der Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahre 2001, in der es darum ging, wann vermisste Personen für tot erklärt werden können, al-maÎkama al-dusturÐya al-Ýulya, Urteil vom 9.12.2001, Urteil Nr. 107, Gerichtsjahr 21. 107 Siehe hierzu 3. Kapitel, B.II. 108 Der Terminus al-niÛÁm al-ÝÁmm bedeutet wörtlich übersetzt „das allgemeine System“. Er wird hier mit ordre public übersetzt. 109 Gesetz Nr. 131/1948.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 151

151

heit aus.110 Damit ist das Ausfüllen dieses unbestimmten Rechtsbegriffes der Rechtsprechung überlassen.111 Der ägyptische Kassationshof erklärte, dass der Begriff des ordre public größtenteils durch das islamische Recht bestimmt sei. Der ägyptische Kassationshof definierte den Begriff des ordre public als die politischen, sozialen, oder moralischen Prinzipien, die von hohem Interesse für die Gesellschaft seien.112 Er wurde von ihm auch als das rechtliche und soziale Bewusstsein beschrieben, welches tief in der ägyptischen Bevölkerung verankert ist.113 Der ordre public werde weiterhin durch die grundlegenden Interessen der Gesellschaft charakterisiert.114 Diese Ausführungen führten zu einer Ausfüllung des Begriffs des ordre public durch die grundlegenden Prinzipien des islamischen Rechts. Der Kassationshof begründete diese Auffassung damit, dass das islamische Recht im ägyptischen Recht einen besonderen Stellenwert besitze. Daneben begründete er seine Auffassung damit, dass der weitaus größte Teil der Ägypter der islamischen Religion zugehörig sei.115 Er kam in den zuvor genannten Urteilen sogar zu dem Ergebnis, dass der Begriff des ordre public, soweit er aus Art. 2 ägVerf abgeleitet wird, den Schutzbereich der durch die Verfassung gewährten Grundrechte begrenze. Im Jahre 1994 gab der ägyptische Staatsrat ein Rechtsgutachten heraus, in dem er zu Protokoll gab, dass der ordre public und die Werte der ägyptischen Gesellschaft im Wesentlichen auf den grundlegenden Prinzipien des Islam basierten.116 Aber auch in der Literatur findet sich eine Reihe von Stimmen, die diese Prinzipien als Bestandteil des ordre public ansehen.117 Ein Großteil des isla_____________ 110 Zum ordre public im deutschen Zivilrecht und zu seinen Auswirkungen auf die Anwendung religiösen Rechts siehe Schack, Religion und Internationales Privatrecht, S. 183 (192 ff.). 111 Berger, Conflicts Law and Public Policy in Egyptian Family Law: Islamic Law Through the Backdoor, AJCL vol. 50 (2002), S. 555 (568). 112 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteil Nr. 714, Jahr 47, 26. April 1982. 113 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteile Nr. 36, Jahr 61; Nr. 154, Jahr 63, 25.12.1995; Nr. 482, Jahr 50 vom 14.6.1981. 114 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteil Nr. 714, Jahr 47, 26. April 1982; Urteil Nr. 1259, Year 49, 13. Juni 1983. 115 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteile Nr. 16 und 26, Jahr 48 vom 17. Januar 1979. 116 Vgl. AÎmed ÝAbd al-MaÝti HiÊazi, fatwa Èayr ÆÁat mawdÙÝa, Al Ahram, 16.3.1994, S. 16. 117 Nachweise bei Berger, Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, HRQ vol. 25 (2003), S. 720 (726).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

152

S. 152

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

mischen Rechts ist im ägyptischen Recht nicht kodifiziert, weshalb diese Regeln nur über den unbestimmten Tatbestand des ordre public Eingang in das ägyptische Recht finden können.118 Ob einer Norm des islamischen Rechts eine solche grundlegende Funktion zukommt, hängt nicht von ihrem Inhalt, sondern von ihrer Quelle ab. Als solche Quelle essentieller Normen sind primär der Koran und die sunna zu nennen. Über die islamkonforme Auslegung des Begriffs des ordre public findet das islamische Recht damit, insbesondere in Gestalt von Koran und sunna, Eingang in das islamische Recht. Dabei ist es verwunderlich, dass das islamische Recht unmittelbar eine Begrenzung des Schutzbereichs der Grundrechte darstellen kann. Die Grundrechte in der Verfassung enthalten in der Regel eigene Schranken. Diese Schranken stellen zum Teil Gesetzesvorbehalte dar, so dass ein Grundrecht seine Schranken in einer einfachrechtlichen Regelung finden kann. Eine immanente Begrenzung des Schutzbereichs durch den ordre public, auch wenn diese verfassungskonform ausgelegt wurde und damit ein besonderes Gewicht erhält, erscheint jedoch nicht haltbar. 3. Zivilrecht In Ägypten bestimmt seit langer Zeit die Diskussion um die Rolle des Islams die politische Debatte. Das ägyptische Zivilgesetzbuch aus dem Jahre 1948119 stellt den Versuch der Schaffung eines modernen Zivilrechtssystems dar, der islamischen Traditionen gerecht wird.120 a) Familienrecht Im Zuge der Vereinigung zwischen Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik im Jahre 1958 wurde die Umgestaltung des ägyptischen Familienrechts initiiert. Ziel dieser Gesetzesinitiative war es, verschiedene Rechtssysteme zu schaffen, welche auf die jeweiligen Angehörigen einer Religion anwendbar waren.121 Im Familienrecht wird in Ägypten islamisches Recht angewendet, welches teilweise in verschiedenen Einzelgesetzen kodifiziert wurde.122 Familienrechtliche Streitsachen werden nach dem Recht einer jeden religiösen Grup_____________ 118 Berger, Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, HRQ vol. 25 (2003), S. 720 (727). 119 Gesetz Nr. 131/1948. 120 Bälz, Shari’a and Qanun in Egyptian Law, S. 2. 121 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 102. 122 Qassem, Law of the Family (Personal Status Law), S. 19 (19 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 153

153

pe geregelt. Liegen die Voraussetzungen nicht dafür vor, dass das religiöse Recht einer nicht-muslimischen Glaubensgemeinschaft angewendet werden kann, ist auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 462/1955 islamisches Recht anzuwenden.123 Auf der Grundlage der Anwendung islamischen Rechts gilt dies jedoch nur für diejenigen Religionsgemeinschaften, die durch den Islam anerkannt werden.124 Für Nicht-Muslime hat die vielfache Anwendung des islamischen Rechts weitreichende Konsequenzen. Angehörige der Religionsgemeinschaft der Baha’i können beispielsweise keine staatlich anerkannte Ehen schließen. Da beispielsweise die Zeugen Jehovas keine in Ägypten anerkannte Religionsgemeinschaft darstellen, vollziehen ihre Angehörigen die Eheschließung nach islamischem Recht.125 Im ägyptischen Familienrecht gibt es jedoch weitere Restriktionen, die auf dem Einfluss des islamischen Rechts in das ägyptische Rechtssystem beruhen. So ist es beispielsweise einer Muslima nicht gestattet, einen Mann zu heiraten, der nicht der islamischen Religion angehört.126 Diese Norm ist wie die meisten anderen Normen des islamischen Rechts nicht im ägyptischen Recht kodifiziert, wird jedoch nach allgemeiner Ansicht zu den grundlegenden Normen des islamischen Rechts gezählt. Es ist dabei unerheblich, ob die Frau geborene Muslima ist oder zum Islam übergetreten ist.127 Das islamische Familienrecht nimmt damit in der Anwendung in der ägyptischen Rechtsordnung breiten Raum ein. In Kapitel 2 wurde aufgezeigt, dass Heiratsverbote aus religiösen Gründen nicht mit den Menschenrechten zu vereinbaren sind.128 In einer Reihe von Dokumenten ist die Unvereinbarkeit der Heirat aus religiösen Gründen mit Menschenrechtsstandards sogar ausdrücklich festgehalten.129

_____________ 123 Zu den Voraussetzungen der Anwendung nicht-islamischen Rechts siehe oben, D.IV. 124 Welche Religion durch den Islam anerkannt werden und welche nicht, ist oben beschrieben worden; siehe hierzu 3. Kapitel, B.II. 125 Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 122. 126 Berger, Conflicts law and Public Policy in Egyptian Family Law: Islamic Law Through the Backdoor, AJCL vol. 50 (2002), S. 555 (573). Siehe hierzu auch 3. Kapitel, B.II., zu den Normen des islamischen Rechts, nach denen Muslime Angehörige anderer Religionen heiraten können. 127 Zu religiösen Verbotsgründen der Heirat nach islamischem Recht siehe oben, 3. Kapitel, B.II. 128 Hierzu siehe oben, 2. Kapitel, C.I.1.d)cc). 129 Art. 16 Abs. 1 AEMR.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

154

S. 154

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

b) Erbrecht Das ägyptische Erbrecht ist in dem Gesetz Nr. 77/1943 festgehalten. Es ist zum großen Teil aus dem islamischen Rechtssystem übernommen worden.130 Anwendung findet es jedoch nicht nur gegenüber Muslimen, sondern es kommt auch dann zur Anwendung, wenn Angehörige anderer Religionen erben und deren Erbstreitigkeiten gerichtlich entschieden werden.131 In diesen Fällen wird das islamische Erbrecht auf alle Ägypter angewandt, unabhängig davon, ob sie Muslime sind oder nicht. In Ägypten gilt jedoch der Grundsatz der Testierfreiheit, so dass Nicht-Muslime die Anwendung islamischen Rechts umgehen können. Die Anwendung des islamischen Rechts auf dem Gebiet des Erbrechts ist mit weitreichenden Konsequenzen für Apostaten verbunden, denn diese erfahren Sanktionen im ägyptischen Erbrecht. Nach Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 77/1943 sind Apostaten nicht erbfähig; ihr Erbe fällt der Staatskasse zu.132 c) Islamisches Recht im ägyptischen Zivilprozessrecht: Das Rechtsinstitut der Îisba Die Prinzipien des islamischen Rechts haben jedoch nicht nur im materiellen Recht Eingang in das ägyptische Recht gefunden, sondern spielen auch im ägyptischen Zivilprozessrecht eine Rolle. Insbesondere ein Rechtsinstitut des islamischen Rechts, die so genannte Îisba, steht in jüngerer Zeit im Mittelpunkt juristischer Diskussionen, da es zunehmend wieder angewandt wird.

_____________ 130 Qassem, Law of the Family (Personal Status Law), S. 19 (29); Berger, Conflicts law and Public Policy in Egyptian Family Law: Islamic Law Through the Backdoor, AJCL vol. 50 (2002), S. 555 (580). Zum Erbrecht im islamischen Recht siehe oben, 3. Kapitel, B.II. 131 Art. 875 und 915 ägZGB; Berger, Conflicts law and Public Policy in Egyptian Family Law: Islamic Law Through the Backdoor, AJCL vol. 50 (2002), S. 555 (580). 132 Abu-Sahlieh, Le délit d’apostasie aujord’hui et ses conséquences en droit arabe et musulman, Islamochristiana, vol. 20 (1994), S. 93 (106); Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (19). Es gibt eine Reihe zivilrechtlicher Entscheidungen, die mit Konsequenzen insbesondere auf dem Gebiet des Familien- und Erbrechts für Apostaten verbunden sind; MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteile Nr. 20, Jahr 43, 30. März 1966; Nr. 25, Jahr 37, 29. Mai 1968; Nr. 475, 478, 481, Jahr 65, 5. August 1996 (Entscheidung im Fall AbÙ Zayd).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 155

155

aa) Der Begriff der Îisba Wie oben bereits erläutert wurde, ist es nach islamischem Recht möglich, aufgrund der Îisba Gerichtsverfahren gegen andere Personen anzustrengen, die gegen Normen des islamischen Rechts verstoßen haben.133 Zwar existiert das öffentliche Amt der Ausübung der Îisba nicht in der ägyptischen Rechtsordnung. Hier sollen die rechtlichen Grundlagen erörtert werden, die es ägyptischen Bürgern ermöglichen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den oben genannten Grundsatz zu verwirklichen. bb) Die Rolle der Îisba im ägyptischen Recht Während von der Îisba bis Anfang der neunziger Jahre kaum Gebrauch gemacht worden ist, sind seit diesem Zeitpunkt des Öfteren Verfahren im Rahmen der Îisba eingeleitet worden.134 In einer Entscheidung aus dem Jahre 1966 ließ der ägyptische Kassationshof eine Klage zu, die aufgrund der Îisba eingereicht worden ist.135 Der Kläger hatte sich bei der Frage der Klagebefugnis auf dieses Prinzip des islamischen Rechts berufen. Es handelte sich bei diesem um einen Vermieter, der die Scheidung eines Ehepaares erzwingen wollte, welches bei ihm eine Wohnung gemietet hatte.136 Die Ehefrau war Muslima und trat zum Christentum über, um ihren koptischen Mann heiraten zu können. Wie oben erläutert137 ist es nach islamischem Recht einem Angehörigen einer anderen Religion als dem Islam nicht gestattet, eine Muslima zu heiraten. Nach der ägyptischen Rechtsprechung wird bei Aufgabe der islamischen Religion die Ehe aufgelöst.138 Die Klage des Vermieters hatte Erfolg. Allerdings ist dieses Urteil aus dem Jahre 1966 immer isoliert und umstritten geblieben.139 Denn die Îisba ist seit dem Jahre 1955 nicht mehr Bestandteil des ägyptischen Rechts, da sie durch das Gesetz Nr. 462/1955 abgeschafft wurde.140 Bei ihrer Anwendung beriefen sich Gerichte auf Art. 2 ägVerf, begründeten dies also damit, dass das islamische Recht Bestandteil der ägyptischen Rechtsordnung sei. _____________ 133 Zum Institut der Îisba nach islamischem Recht siehe oben, 3. Kapitel, B.II. 134 So zum Beispiel auch der Fall AbÙ Zayd, der unten dargestellt wird; siehe D.III. 135 MaÊmÙÝa maÎkama al-naqd, Bd. 17, S. 782 ff., Urteil Nr. 25, Jahr 37, 30.3.1966. 136 Zu dem Fall siehe auch Bälz, Die Popularklage zur Verteidigung der „Rechte Gottes“: Hisba im heutigen Ägypten, VRÜ Bd. 31 (1998), S. 60 (63 f.). 137 Siehe hierzu oben, 3. Kapitel, B.II. 138 Siehe unten, G.I.1.a). 139 Thielmann, NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid und die wiedererfundene Îisba, S. 197. 140 Hierzu siehe Thielmann, NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid und die wiedererfundene Îisba, S. 197.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

156

S. 156

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Für das Rechtsinstitut der Îisba ist jedoch im Jahre 1996 eine entscheidende Änderung eingetreten, die mit der Befürchtung des politischen Missbrauchs der Îisba zusammenhängt:141 Es wurde ein Gesetz verabschiedet, durch welches die Befugnis zur Einreichung einer Klage im Wege der Îisba auf die Staatsanwaltschaft übertragen und auf diese beschränkt wurde.142 Die Zivilprozessordnung wurde dahingehend geändert, dass von nun an die Erhebung einer Popularklage ausgeschlossen war.143 Nicht von vornherein eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob diese Gesetzesänderungen eine Islamisierung des kodifizierten ägyptischen Rechts bedeuten oder ob der ägyptische Staat vielmehr dazu übergeht, die Ausübung islamischen Rechts für sich zu vereinnahmen und damit die Art der Anwendung islamischen Rechts festlegen wollte.144 Hierfür spricht, dass von nun an der ägyptische Staat einen größeren Einfluss auf die Eröffnung von Gerichtsverfahren auf dem Wege der Îisba hat. In einem jüngeren Verfahren spielte die Îisba in Form der Popularklage erneut eine wichtige Rolle: Ein ägyptischer Rechtsanwalt reichte Klage gegen die Frauenrechtlerin Nawal al-Sawadi ein. Er beschuldigt sie, die Grundprinzipien des Islams in einem Zeitungsinterview Frage gestellt zu haben. Frau Sawadi hingegen bestritt die Anschuldigung und betonte, dass sie falsch zitiert worden sei. Der Rechtsanwalt reichte die Klage trotz der o.g. Gesetzesänderungen ein und berief sich auf Art. 2 ägVerf, wonach die Scharia die Hauptquelle der Gesetzgebung ist. Die geänderten Gesetze hielt er für nicht verfassungskonform. Ein Kairoer Zivilgericht entschied trotz der oben genannten Gesetzeslage, die Parteien zur Sache zu hören, was Befürchtungen aufkommen ließ, dass die oben genannten Gesetzesänderungen wirkungslos blieben.145 Das Gericht wies im Ergebnis die Klage jedoch als unzulässig ab und begründete dies damit, dass eine entsprechende Klage allein von der Staatsanwaltschaft eingereicht werden könne.146 Auch in einem weiteren Fall beruhte die Verfahrenseinleitung auf dem Institut der Îisba. Anfang März des Jahres 2004 erklärte das Verwaltungsgericht Alexandria die Klage eines Rechtsanwaltes für zulässig, mit der dieser _____________ 141 So jedenfalls Bälz, Die Popularklage zur Verteidigung der „Rechte Gottes“: Hisba im heutigen Ägypten, VRÜ Bd. 31 (1998), S. 60 (67). 142 Al-ÊarÐda al-rasmÐya, Nr. 4, 29. Januar 1996, Gesetz Nr. 3/1996. Hierzu siehe auch Thielmann, NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid und die wiedererfundene Îisba, S. 214 ff. 143 Al-ÊarÐda al-rasmÐya, Nr. 19, 22. Mai 1996, Gesetz Nr. 81/1996. 144 Dieser Ansicht ist Bälz, Die Popularklage zur Verteidigung der „Rechte Gottes“: Hisba im heutigen Ägypten, VRÜ Bd. 31 (1998), S. 60 (67). 145 Al-Ahram Weekly Online, Did hisba ever go away?, 21–27 June 2001, Issue No. 539. 146 Al-Ahram Weekly Online, Life will go on, 2–8 August 2001, Issue No. 545.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

F. Die Rolle des Islams im ägyptischen Recht

S. 157

157

anstrebt, dass die Journalistin und Herausgeberin des ägyptischen FrauenMagazins Hawa, Iqbal Baraka, die Akkreditierung entzogen wird. Diese hatte ein Buch verfasst (Übersetzung des Titels: Der Schleier – eine moderne Interpretation), in dem sie zu dem Schluss kommt, dass das Tragen eines Schleiers nach islamischem Recht für Frauen nicht obligatorisch sei. Die Bejahung der Klagebefugnis erinnert sehr an das Rechtsinstitut der Îisba, zumal der Kläger kein besonderes Interesse für die Einreichung der Klage vorlegte.147 4. Öffentliches Recht a) Die Verfassung Wie oben bereits erörtert, strahlt das Prinzip des ordre public auf das gesamte ägyptische Recht aus. Auch die Auslegung der Normen der Verfassung richtet sich sehr an diesem Grundsatz aus. Dies gilt in einem hohen Maße für die Grundrechte. Die ägyptische Verfassung enthält einen Grundrechtskatalog, in dem verschiedene Freiheiten garantiert werden. Die ägyptische Rechtsprechung erachtet solche Handlungen, die mit islamischem Recht nicht zu vereinbaren sind und damit auch gegen den ordre public verstoßen, grundsätzlich nicht als Bestandteil des grundrechtlich geschützten Bereichs.148 b) Staatsangehörigkeit Kinder, die einen ägyptischen Staatsangehörigen zum Vater haben, erhalten grundsätzlich die ägyptische Staatsangehörigkeit. Auch auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts wirkt sich die Einrichtung des Islams als Staatsreligion aus. Nach Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 19/1929 erhalten auch diejenigen die ägyptische Staatsangehörigkeit, die als Sohn eines Ausländers in Ägypten geboren wurden und dieser seinerseits aus einem Land mit arabischer oder muslimischer Mehrheit stammt. Diese Bestimmung wurde durch Einführung des Gesetzes Nr. 26/1975 abgelöst, die sich jedoch von der oben genannten Regelung nicht unterscheidet. c) Zugang zu öffentlichen Ämtern Das Prinzip des gleichen Zugangs zum öffentlichen Amt hat in der ägyptischen Verfassungstradition stets einen hohen Stellenwert eingenommen. _____________ 147 Summer Said, Cairo Times, 1–7 April 2004, S. 8. 148 Siehe oben, D.IV.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

158

S. 158

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Schon in der Verfassung aus dem Jahre 1923 war festgelegt, dass niemand aufgrund seiner Religion im Rahmen des Zugangs zu öffentlichen Ämtern benachteiligt werden dürfe. Nach Art. 8 ägVerf soll allen Bürgern in gleicher Weise Zugang zu öffentlichen Ämtern verschafft werden. Dennoch ist jedoch zu bescheinigen, dass die Mitglieder religiöser Minderheiten in öffentlichen Ämtern unterrepräsentiert sind. Dies gilt bspw. für die Angehörigen der größten religiösen Minderheit in Ägypten, die Kopten, die nicht in einem repräsentativen Maße im ägyptischen Parlament vertreten sind.149 Auch auf dem Gebiet der gesamten öffentlichen Verwaltung ist eine Unterrepräsentanz der Kopten festzustellen.150 5. Strafrecht Im Jahre 1977 brachte die Regierung einen Gesetzentwurf ein, der die Anwendung des islamischen Strafrechts auf Apostasie vorsah. Widerstand der Kopten und auch negative Reaktionen aus dem westlichen Ausland veranlassten die Regierung jedoch, diesen Gesetzentwurf wieder zurückzuziehen.151 Bis heute enthält das ägyptische Strafrecht keinen Tatbestand, der die Aufgabe der islamischen Religion unter Strafe stellt.152 Islamisches Strafrecht ist in der ägyptischen Rechtsordnung nicht kodifiziert und wird nicht angewendet. Als Verfechter der Anwendung islamischen Strafrechts hat jedoch ein Strafrichter eine gewisse Berühmtheit erlangt. In einem Strafverfahren hat Gurab einen Angeklagten zu 80 Peitschenhieben verurteilt, obwohl das ägyptische Strafrecht Strafen körperlicher Züchtigung nicht vorsieht. Gurab berief sich in seinem Urteil auf das islamische Strafrecht. Gegen ihn wurde eine Untersuchung eingeleitet.153 In Einzelfällen wird das Strafrecht jedoch gegen Angehörige kleinerer Religionsgemeinschaften angewendet mit dem Ziel, repressiv gegen die Angehörigen nicht anerkannter Religionsgemeinschaften vorzugehen.154 _____________ 149 Im Jahre 1977 formulierten die Kopten ein Positionspapier, in dem diese gleiche Chancen bezüglich des Zugangs zu öffentlichen Ämtern forderten. Dieses sah u.a. einen genauen religiösen Proporz öffentlicher Ämter vor, hierzu Abu-Sahlieh, L’impact de la religion sur l’ordre juridique: cas de l’Egypte, non musulmans en pays d’Islam, S. 323 f. 150 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1091). 151 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1060). 152 Berger, Public Policy and Islamic Law: The Modern Dhimmi in Contemporary Egyptian Family Law, ILS vol. 8 (2001), S. 88 (100). 153 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 27. 154 Zum Einsatz des Strafrechts gegen insbesondere die Baha’i siehe Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 140 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 159

159

V. Zwischenergebnis Bis auf das Strafrecht nimmt das islamische Recht damit eine bedeutende Rolle in der ägyptischen Rechtsordnung ein. Auch Nicht-Muslime sind diesem Recht unterworfen. Es wird im Folgenden zu zeigen sein, wie sich die Anwendung islamischen Rechts auf die Religionsfreiheit auswirkt.

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten Wie oben bereits erörtert, ist das Menschenrecht der Religionsfreiheit Bestandteil des ägyptischen Rechtssystems und verfassungsrechtlich in Art. 46 ägVerf garantiert. Wie die anderen Grundrechte auch enthält Art. 46 ägVerf keine Beschränkung des Schutzbereiches. Die Rechtsprechung leitet eine solche Einschränkung vielmehr aus anderen Normen der Verfassung ab. Der ägyptische Staatsrat155 stellte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1961 fest, dass die Religionsfreiheit im ägyptischen Staat sowohl hinsichtlich des reinen Glaubens (forum internum) als auch hinsichtlich der Ausübung religiöser Riten (forum externum) umfassend gewährleistet sei. Allerdings stehe die Ausübung des Glaubens unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen den ordre public (al-niÛÁm al-ÝÁmm) und auch nicht gegen die Sitten verstoßen dürfe. Der Begriff des ordre public im ägyptischen Recht wurde oben bereits erörtert.156 Er kann als die grundlegende Rechtsauffassung definiert werden, die konsensual in einer Gesellschaft als fundamental erachtet wird.

I. Problematiken der Religionsfreiheit für Muslime 1. Apostasie Im Folgenden wird erörtert, inwiefern Muslime von Beschränkungen der Religionsfreiheit betroffen sind. a) Überblick: Die Apostasie nach ägyptischem Recht Schon im Jahre 1929 hatte die ägyptische Regierung angekündigt, den rechtlichen Status von Apostaten gesetzlich zu regeln. Seit den siebziger Jahren wurden im ägyptischen Parlament verschiedene Gesetzentwürfe eingebracht, die die Apostasie unter Strafe stellen sollten.157 Allerdings ist es _____________ 155 Zum ägyptischen Staatsrat siehe oben, E. 156 Siehe oben, D.IV.2. 157 Vgl. Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 123.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

160

S. 160

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

bis zum heutigen Zeitpunkt dabei geblieben, dass Apostasie nach ägyptischem Recht nicht strafbar ist. Die ägyptische Rechtsprechung hat jedoch deutlich gemacht, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Fehlen eines entsprechenden Tatbestandes dazu führt, dass die Abkehr vom Islam erlaubt sei.158 Vielmehr stellen ägyptische Gerichte einen Zusammenhang zwischen den Regeln der Apostasie und dem ordre public her. Die, wenn auch nicht strafrechtliche, Sanktionierung der Apostasie kann aufgrund der Notwendigkeit der Beachtung des ordre public daher nicht unbeachtet bleiben.159 Die Ausführungen des ägyptischen Kassationshofes bieten jedoch nur eine sehr vage Beschreibung des Begriffes des ordre public.160 Es kommt denn auch, wie oben bereits erläutert, immer wieder zu Sanktionen gegen Apostaten auf dem Gebiet des Zivilrechts. In einem Bericht des Sonderberichterstatters der Menschenrechtskommission zur Religionsfreiheit wird ein Fall dargelegt, in dem ein Apostat von ägyptischen Behörden festgehalten wurde, damit er gezwungen wird, Auskunft über andere Konvertiten zu geben.161 Da das ägyptische Recht keine strafrechtlichen Normen für den Tatbestand Apostasie enthält und das islamische Strafrecht in Ägypten keine Anwendung findet, werden Apostaten in erster Linie mit Sanktionen im Familien- und Erbrecht belegt. So können sie keine rechtsgültigen Ehen schließen. Personen, welche die islamische Religion aufgegeben haben, steht nach ägyptischem Recht ihr Erbe nicht zu. Sie sind niemals dessen Eigentümer geworden, sondern vielmehr geht das Eigentum am Erbe direkt an den Fiskus über.162 Wie oben bereits erläutert worden ist, soll nach islamischem Recht einem Apostaten die Möglichkeit des Rücktritts von seinem Tun eingeräumt werden.163 Diese Rechtsposition wird von der ägyptischen Rechtsprechung _____________ 158 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Nr. 28, Year 33, 19. Januar 1966; Nr. 20, Jahr 34, 30. März 1966. 159 Berger, Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, HRQ vol. 25 (2003), S. 720 (725). 160 Siehe zu der Rechtsprechung zum Begriff des ordre public oben, D.IV. 161 UN Doc. E/CN.4/1998/6, para. 62. 162 Rechtsgutachten des ägyptischen Staatsrates, Nr. 804 vom 2. Dezember 1962, abgedruckt in: FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla, 1991, S. 292 f.; MaÊmÙÝa alahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteil Nr. 162, Jahr 62, 16. Mai 1995; Pink, A PostQuranic Religion Between Apostasy and Public Order: Egyptian Muftis and Courts on the legal Status of the Baha’i Faith, ILS vol. 10 (2003), S. 409 (424). 163 Siehe oben, 3. Kapitel, B.II.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 161

161

übernommen; nach Auffassung des ägyptischen Kassationshofes soll es Apostaten ermöglicht werden, ihre Entscheidung rückgängig zu machen.164 Trotz des Fehlens des Straftatbestandes der Apostasie haben Personen, die der Apostasie bezichtigt werden, mit strafrechtlichen Sanktionen zu rechnen, und zwar dadurch, dass ihnen die Verletzung anderer Straftatbestände vorgeworfen wird. Als Beispiele lassen sich hier die Bedrohung der „nationalen Einheit“ oder des „sozialen Friedens“ anführen. Zwar kam es nur in wenigen Fällen zu der Einleitung gerichtlicher Verfahren. Jedoch sind in der Vergangenheit Apostaten des Öfteren ohne jedes gerichtliche Verfahren inhaftiert und auch gefoltert worden.165 Die Sanktionierung der Apostasie wird in der ägyptischen Rechtsprechung mit dem ordre public begründet. Wie oben bereits erläutert fällt nach der ägyptischen Rechtsprechung ein Verhalten, welches einen Verstoß gegen den ordre public darstellt, nicht in den Schutzbereich der durch die Verfassung gewährleisteten Grundrechte. Demnach kann sich eine Person nur insoweit auf die Religionsfreiheit berufen, als dass dies nicht dem System des ordre public widerspricht. Ein ägyptisches Strafgericht im Jahre 1987 stellte hierzu ausdrücklich fest, dass die Religionsfreiheit nicht für Angehörige der Baha’i gelte.166 b) Der Fall NaÒr ÍÁmid AbÙ Zayd In den neunziger Jahren hat der Fall des ägyptischen Universitätsprofessors NaÒr ÍÁmid AbÙ Zayd besonderes Aufsehen erregt.167 In seinen Schriften setzte sich AbÙ Zayd mit dem Umgang mit koranischen Quellen auseinander, insbesondere mit der Methodik der Auslegung des Korans.168 Ein ägyptisches Gericht sah hierin eine Abkehr vom Islam, bezichtigte ihn daraufhin der Apostasie und löste seine Ehe gegen seinen Willen und den seiner _____________ 164 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Nr. 475, 478, 481, Jahr 65, 5. August 1996. 165 Berger, Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, HRQ vol. 25 (2003), S. 720 (722). 166 Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ, NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, S. 232 f. 167 Bälz, Eheauflösung aufgrund von Apostasie durch Popularklage: der Fall Abû Zayd, S. 353 ff.; Mayer, Islam and Human Rights, S. 154 f.; Kermani, Die Affäre Abu Zayd, Der Orient, Bd. 35 (1994), S. 25 ff.; Richter, Relativierung universeller Menschenrechte durch Religionsfreiheit?, S. 170 ff. 168 Zu Leben und Werk AbÙ Zayds siehe Thielmann, NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid und die wiedererfundene Îisba, S. 91 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

162

S. 162

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Frau auf.169 Er selbst sieht sich jedoch nach wie vor als Muslim und hat dies auch während des Gerichtsverfahrens immer wieder herausgehoben. Daher erscheint es schon mehr als zweifelhaft, ob der Vorwurf der Apostasie gerechtfertigt ist. Schwierig stellte es sich für die Kläger schon dar, das Hindernis der Zulässigkeit zu überwinden. Es musste eine persönliche Betroffenheit durch die Kläger nachgewiesen werden. Allerdings konnten die Kläger diese Voraussetzung dadurch erfüllen, indem sie sich auf die Îisba beriefen. Demnach entfiel die Zulässigkeitsvoraussetzung der persönlichen Betroffenheit, sofern die Kläger mit ihrer Klage die Voraussetzungen der Îisba erfüllten. Dies war nur dann der Fall, wenn die Kläger einen Zustand zu unterbinden anstrebten, der nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren ist.170 Obwohl die Îisba in Ägypten abgeschafft worden ist, hatten die Kläger mit der Berufung auf dieses Rechtsinstrument Erfolg. Die Kläger trugen vor, dass AbÙ Zayd sich vom Islam abgewendet habe und somit seine Ehe mit einer Muslima nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sei. Nach islamischem Recht hätte die Klage auch deshalb nicht für zulässig erklärt werden können, da deren Erhebung nicht mit islamischem Recht vereinbar war. Denn die Behauptung, dass eine Person zum Ungläubigen geworden sei, takfÐr, ist nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren, stellt vielmehr eine schwere Sünde dar.171 Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass Apostaten nicht mit einer Muslima verheiratet sein könnten. Apostasie verstoße gegen den Grundsatz des ordre public, sein Verhalten falle daher nicht in den Schutzbereich der durch die Verfassung gewährten Grundrechte. 2. Die staatliche Bekämpfung des Islamismus Es gibt schon seit längerer Zeit radikal-islamische Strömungen, die breiten Rückhalt in der Bevölkerung genießen. Dass die islamistischen Gruppierungen in Ägypten auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stoßen, ist allein schon damit zu erklären, dass diese Gruppen eine Vielzahl sozialer Einrichtungen wie beispielsweise Schulen und Krankenhäuser unterhalten. Eine Gruppierung, der Dschihad, war verantwortlich für die Ermordung des Staatspräsidenten Sadat. Es war Sadat vorgeworfen worden, dass er sich aufgrund des Friedensschlusses mit Israel vom Islam abgewendet habe. Der _____________ 169 Mayer, Islam and Human Rights, S. 154 f.; UN Doc. E/CN.4/1997/91, paras. 12–15. 170 Zum Rechtsinstitut der Îisba siehe oben D.IV. und 3. Kapitel, B.II. 171 Kamali, Freedom of Expression in Islam, S. 186.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 163

163

Dschihad leitete daraus für sich das Recht ab, den Präsidenten zu töten. Der ägyptische Staat bekämpft seit diesem Attentat islamistische Tendenzen mit rücksichtsloser Härte und versucht so, die Stabilität des Staates zu wahren. a) Maßnahmen der Legislative Es wurde eine Reihe Gesetze erlassen, die ein Zurückdrängen der islamistischen Strömungen zum Ziel hatten. Ein solches Gesetz ist beispielsweise das Gesetz Nr. 113/1994, durch welches Schülerinnen das Tragen des das Gesicht verdeckenden Schleiers (niqÁb) verboten wurde. Der ägyptische Staat versucht jedoch gleichzeitig, radikal-islamische Gruppen nicht in den Untergrund gleiten zu lassen. So hob er im Jahre 2002 das Verbot der Muslimbruderschaft wieder auf. Allerdings ist es der Muslimbruderschaft weiterhin verboten, als politische Partei zu agieren. Wie oben bereits erläutert, stehen nach islamischem Recht Religion und Staat in einem engen Verhältnis zueinander und werden grundsätzlich nicht getrennt.172 Die Konsequenz dieser staatsorganisatorischen Richtung der islamischen Religion ist, dass radikale Muslime im Rahmen der Ausübung ihrer Religion sich nicht nur mit religiösen Aspekten beschäftigen, sondern gleichzeitig politische Forderungen formulieren, welche die Errichtung eines islamischen Staates zum Ziel haben. Ägypten ergriff gesetzliche Maßnahmen, um den Einfluss radikaler Muslime in den Gemeinden zu unterbinden. Im November des Jahres 1992 schloss der Staat beispielsweise eine Reihe privater Moscheen oder verstaatlichte diese.173 Der Staat kontrolliert demnach, wer die Moscheen organisiert; wer predigen möchte, bedarf einer staatlichen Genehmigung.174 Daneben werden Schullehrer, die radikal-religiöse Ansichten vertreten, vom Schuldienst suspendiert. Der ägyptische Bildungsminister gab im Jahre 2004 bekannt, dass er „Tausende Lehrer vom Schuldienst ausgeschlossen habe“.175

_____________ 172 Siehe oben, A.II. 173 Hicks, Does Islamist Human Rights Activism Offer a Remedy to The Crisis of Human Rights Implementation in the Middle East?, HRQ vol. 24 (2002), S. 361 (373). 174 UN Doc. E/CN.4/2001/63, para. 35. 175 Al Sharq Al Awsat, 9. März 2004.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

164

S. 164

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

b) Gerichtsverfahren gegen Islamisten aa) Überblick In den neunziger Jahren sind in einer Reihe von Gerichtsverfahren Todesstrafen gegen Mitglieder islamistischer Gruppierungen verhängt worden. Auch in jüngster Zeit kommt es regelmäßig zu Gerichtsverfahren gegen radikale Muslime. So sind zum Beispiel im Frühjahr des Jahres 2004 23 Ägypter und drei Briten zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.176 Sie waren Mitglieder der „Hisb al-Tahrir“ (Partei der Befreiung), eine in vielen Ländern agierende radikal-islamische und in Deutschland verbotene Organisation. Die Angeklagten wurden im April des Jahres 2002 festgenommen, als die ägyptischen Sicherheitsbehörden im Rahmen der Terrorismusbekämpfung insgesamt 80 Personen festgenommen hatten. Zwar war eindeutig, dass die Angeklagten sich friedlich verhalten hatten und bei ihren Tätigkeiten keine Gewalt angewendet hatten; allerdings strebten sie als Ziel die Wiedereinrichtung des Kalifates an, was die Abschaffung der derzeitigen Staatsform „Republik“ zur Folge gehabt hätte. Damit wären sie auch gemäß westeuropäischen Rechtsordnungen Feinde der Verfassung und wären staatlichen Sanktionierungen ausgesetzt. Gerichtsverfahren gegen Islamisten werden grundsätzlich vor den Staatssicherheitsgerichten durchgeführt. Die Gerichtsverfahren vor den Notstandsgerichten genügen nicht rechtsstaatlichen Ansprüchen.177 bb) Das Tragen des Gesichtsschleiers (niqÁb) durch Schülerinnen In diesem Fall178 geht es um eine Entscheidung des ägyptischen Verfassungsgerichtshofes, der sich mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob ein Gesetz gegen die Verfassung verstoße, welches Schülerinnen das Tragen eines Schleiers, der auch das Gesicht verdeckt, untersagte.179 Das betreffen_____________ 176 Zu diesem Verfahren siehe Jalan Hallawi, Prison for ‚Incitement‘ Al-Ahram Weekly, 1–7 April 2004, S. 4; Charles Levinson, Islamic Convction, Cairo Times 1–7 April 2004, S. 7. 177 Siehe oben, D. 178 Urteil des ägyptischen Verfassungsgerichtshofes Nr. 8, 17. Jahr, vom 18. Mai 1996, al-ÊarÐda al-rasmÐya, Ausgabe Nr. 21 (30.5.1996), S. 1026 ff. Zu diesem Fall siehe Sherif, The Rule of Law in Egypt from a Judicial Perspective – A Digest of the Landmark Decisions of the Supreme Constitutional Court, S. 1 (26 f.); El-Morr, Judicial Sources, S. 5 (14 ff.). 179 In jüngerer Zeit ist das Tragen des Gesichtsschleiers Gegenstand einer umfangreichen politisch-religiösen Debatte. Dazu beigetragen hat auch die Entscheidung der American University of Cairo (AUC), Studentinnen das Tragen des Gesichts-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 165

165

de Gesetz180 enthält Vorgaben für das Tragen der Schuluniform durch die ägyptischen Schüler. Nach Art. 3 des Gesetzes ist es Schülerinnen gestattet, einen Schleier zu tragen, falls eine Einwilligung durch den Vater vorliege. Durch eine später erlassene Verwaltungsvorschrift wurde deutlich gemacht, wie der Begriff des Schleiers in dem Gesetz zu verstehen sei, nämlich dass er lediglich die Haare, nicht jedoch das Gesicht bedecken dürfe. In seinem Urteil setzte sich das Gericht insbesondere mit der Frage auseinander, ob das Gesetz mit den Art. 2 ägVerf und Art. 46 ägVerf, dem Grundrecht der Religionsfreiheit, vereinbar sei. Dabei kam das Gericht zu dem Schluss, dass gemäß Art. 2 ägVerf nur diejenigen Prinzipien des islamischen Rechts in die Rechtsordnung aufgenommen werden müssten, die eine eindeutige Interpretation zuließen. Nach islamischem Recht sei es jedoch keineswegs eindeutig, dass Frauen einen Gesichtsschleier zu tragen verpflichtet seien. Das Verdecken des gesamten Gesichts stelle vielmehr eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Frauen dar. Daneben ging der Verfassungsgerichtshof auf das Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 46 ägVerf ein. Er stellte fest, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht nur das in Art. 46 ägVerf ebenfalls festgehaltene Recht der Glaubensausübung umfasse, sondern mit diesem untrennbar verbunden sei. Von dem Grundrecht der Religionsfreiheit könne jedoch dann keinen Gebrauch gemacht werden, wenn dies zum Nachteil anderer geschehe, die Interessen des Staates beeinträchtigt würden oder die Ausübung im Widerspruch zum ordre public stehe. Es hielt die Regelung der Schuluniform in dem Gesetz für hinreichend, dass sie der Religionsfreiheit der Schülerinnen gerecht werde und gleichzeitig die Interessen des Staates berücksichtige. Daher verneinte das Gericht eine Verletzung der Religionsfreiheit der Schülerin. Schließlich prüfte das Gericht auf Antrag des Klägers, ob das Gesetz das Persönlichkeitsrecht der Schülerin verletze. Das Gericht betonte, dass nach Art. 18 ägVerf die Schulbildung zu den elementaren Bereichen gehöre, in denen der Staat aufgrund seiner weitgehenden Interessen eine weitgehende Regelungskompetenz besitze. Das Tragen der Schuluniform obliege daher dem Staat zu regeln und falle nicht in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechtes. In diesem Urteil kam das Gericht auch zu dem Ergebnis, dass nur diejenigen Gesetze als Voraussetzung ihrer Gültigkeit mit dem islamischen Recht vereinbar sein müssten, die nach der Verfassungsreform im Jahre 1980 erlassen _____________ schleiers zu untersagen. Im Frühjahr des Jahres 2004 ist eine Studentin der Universität für ein Jahr vom Studium suspendiert worden, weil sie wiederholt versucht hatte, das Gelände der Universität mit einem Gesichtsschleier zu betreten. Die AUC begründet das Verbot u.a. mit der Beeinträchtigung der Sicherheit. Siehe hierzu den Bericht von Khaled Ezzelarab, Face off, Cairo Times, 1–7 April 2004, S. 10. 180 Gesetz Nr. 113/1994.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

166

S. 166

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

worden seien. Im Ergebnis bejahte der Verfassungsgerichtshof damit die Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Religionsfreiheit.

II. Die Situation einzelner religiöser Minderheiten Im Folgenden wird die rechtliche Lage religiöser Minderheiten in Ägypten zu erläutern sein. Anhand dieser Problematik wird auch wieder sehr der Konflikt zwischen weltlichem und islamischem Recht deutlich. Ob die betreffende religiöse Minderheit mit Rechten ausgestattet wird, hängt davon ab, ob sie vom Staat als Glaubensgemeinschaft anerkannt wird. Dies richtet sich nach islamischem Recht, was dazu führt, dass diejenigen Religionsgemeinschaften mit Rechten ausgestattet sind, die zu den so genannten Buchreligionen gehören.181 So bemühten sich die Mitglieder der Baha’i über einen längeren Zeitraum hinweg um Anerkennung ihrer Religionsgemeinschaft; diese Anstrengungen blieben jedoch weitgehend ohne Erfolg.182 Die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als rechtsfähige Körperschaft ist für diese mit weitreichenden Konsequenzen verbunden. Die Anerkennung ist beispielsweise entscheidend dafür, ob die Religionsgemeinschaft über Eigentum verfügen und allgemein rechtsgeschäftlich handeln kann.183 Weiterhin werden Angehörige derjenigen Religionsgemeinschaften, die nicht staatlich anerkannt sind, dem islamischen Recht unterworfen.184 Was den Schutz der Minderheitenrechte betrifft, äußerte sich der Menschenrechtsausschuss nach dem IPbürgR besorgt darüber, ob die Angehörigen unterschiedlicher Religionen gleich behandelt würden.185 In Diskussionen zwischen Mitgliedern der ägyptischen Regierung und Mitgliedern des CERD bestritt der ägyptische Vertreter, dass es in Ägypten Minderheiten gebe. Die Bevölkerung bestehe ausschließlich aus Arabern.186 Allerdings ist zu hinterfragen, wie der Begriff einer Minderheit zu definieren ist. Im 2. Kapitel der Arbeit wurde das Ergebnis herausgearbeitet, dass Minderheiten sich nicht nur im Hinblick auf Ursprung und Sprache von der Mehrheit unterscheiden, sondern dass auch ausschließlich religiöse Minderheiten unter diesen Terminus zu subsumieren sind.187 _____________ 181 Hierzu siehe oben, 3. Kapitel, B.II.1. 182 Pink, Neue Religionsgemeinschaften, S. 110 ff. 183 Pink, Neue Religionsgemeinschaften, S. 108. 184 Zur Anwendung des islamischen Rechts auf Nicht-Muslime siehe oben, D.IV. 185 Boyle, Human Rights in Egypt: International Commitments, S. 87 (97); UN Doc. CCPR/C/79/Add.23. 186 UN Doc. CERD/C/149/Add.22, CERD/C/172/Add.12, CERD/C/SR.837. 187 Siehe 2. Kapitel, A.III.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 167

167

1. Die Kopten a) Allgemeine Situation In Ägypten leben heute ca. 6 Millionen Kopten: Dies entspricht ca. 10% der Gesamtbevölkerung. Zwar werden des Öfteren hohe politische Ämter mit Kopten besetzt (der bekannteste ist der ehemalige Außenminister und Generalsekretär der Vereinten Nationen Boutros Boutros-Ghali), aber insgesamt sind Kopten in öffentlichen Ämtern unterrepräsentiert. Die Kopten sind eine Bevölkerungsgruppe, die in einer überdurchschnittlichen Anzahl das Land verlassen hat.188 Die Kopten gehören zwar als Angehörige eine der Buchreligionen zu den anerkannten Religionen nach islamischem Recht, waren in Ägypten jedoch immer wieder Benachteiligungen gegenüber der muslimischen Mehrheit ausgesetzt. Einen Höhepunkt erreichte der Konflikt zwischen Kopten und dem ägyptischen Staat im Jahre 1981, als das geistliche Oberhaupt der Kopten ins Exil gehen musste und die koptische Presse einer verschärften Zensur unterworfen wurde. Aber auch auf anderen Gebieten haben Kopten eine schwere Position. So haben sie bspw. große Probleme, Baugenehmigungen für den Bau von Kirchen zu erhalten. b) Baurecht für Kirchen Im Gegensatz zur Errichtung einer Moschee bedarf es für den Bau einer Kirche einer speziellen Genehmigung der Behörden, die über eine reine Baugenehmigung hinausgeht.189 Auch jede Reparatur bedarf der Genehmigung der ägyptischen Sicherheitsbehörden. Diese Vorschrift beruht auf dem so genannten Hamayouni-Dekret aus dem Jahre 1856, als Ägypten unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stand. Das Hamayouni-Dekret wurde erlassen, um im Osmanischen Reich die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen zu erreichen. Dieses Gesetz ordnete an, dass die Christen im Osmanischen Reich auf dem Gebiet des Personenstandrechts nicht länger dem islamischen Recht unterliegen sollten, sondern dass christliches Recht Anwendung finden sollte. Der Bau von Kirchen war nach diesem Erlass grundsätzlich gestattet, bedurfte jedoch der Genehmigung des Sultans.190 Wie alle Gesetze aus dem Osmanischen Reich _____________ 188 Siehe Saad Eddin Ibrahim, The Copts of Egypt, S. 16 zu der Auswanderung seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. 189 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 114. 190 Zum Hamayouni-Dekret siehe auch Kaufmann, Das Problem der Glaubensund Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, S. 82. Ihm zufolge blieb das Dekret weit-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

168

S. 168

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

behielt dieser Erlass seine Gültigkeit. Ergänzt wurde er durch einen Erlass des Innenministers aus dem Jahre 1934, benannt nach dem damaligen Innenminister al-Azabi Pasha. Der Al-Azabi-Erlass aus dem Jahre 1934 stellte die Bedingungen auf, die für die Erteilung einer Baugenehmigung für Kirchen gegeben sein müssen. Diesem Erlass zufolge wird die Erteilung einer Genehmigung von der Erstellung eines Gutachtens abhängig gemacht. In diesem Gutachten müssen verschiedene Fragen beantwortet werden, unter anderem, ob sich in der Nähe der zu bauenden Kirche Moscheen in der Umgebung befinden, wie viele Christen in der Region leben und ob die in der Nähe der Kirche lebenden Muslime Einwände gegen den Bau der Kirche haben. Dieses Gutachten ist von den lokalen Behörden zu erstellen und hat entscheidenden Einfluss auf die Erteilung der Genehmigung. Seit dem Jahre 1960 ist der Bau neuer Kirchen nur bei Vorliegen einer Erlaubnis des ägyptischen Präsidenten möglich.191 Die Genehmigungspflicht wurde durch die Rechtsprechung des ägyptischen Staatsrates bestätigt. Demnach falle der Bau von Kirchen in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit, dürfe jedoch nicht im Widerspruch zu den herrschenden Sitten stehen.192 Was die Errichtung neuer Kirchen und Gotteshäuser betrifft, so ist hier insbesondere das Nachbarschaftsgefüge und die Beziehungen zwischen den Angehörigen der unterschiedlichen Religionen zu beachten. Der Staatsrat berief sich hierbei auch auf das Hamayouni-Dekret.193 Der ägyptische Staatsrat wies in einer weiteren Entscheidung darauf hin, dass u.a. die Entfernung zu Schulen und zu Moscheen zu berücksichtigen sei. Ferner müsste eine gewisse Anzahl von Christen in dem Gebiet wohnen, und es sei zu bedenken, ob für sie nicht die Möglichkeit bestehe, andere Kirchen in der Umgebung aufzusuchen.194 Im Jahre 1998 wurde die Genehmigungspflicht durch ein Präsidentendekret dahingehend geändert, dass von nun an auch Gouverneure eine entsprechende Genehmigung erteilen konnten, was einen sprunghaften Anstieg _____________ gehend wirkungslos und erreichte für die nicht-muslimischen Minderheiten keine Verbesserungen. In der Zeit nach Erlass des Dekrets kam es zu schweren Verfolgungen von Christen, die zu einem militärischen Eingreifen durch Frankreich führten. 191 Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 109. 192 FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), S. 270. 193 Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. Februar 1956, abgedruckt in: FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1991), S. 281 f.; Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 1960, abgedruckt in: FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1991), S. 285. 194 Oberstes Verwaltungsgericht, Urteil vom Urteil vom 25. April 1959, abgedruckt in: FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1991), S. 286 f.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 169

169

der Genehmigungen zur Folge hatte.195 Kirchen fallen seitdem in den Anwendungsbereich des Baugesetzbuches aus dem Jahre 1976 und sind damit Moscheen formal gleichgestellt. Dies ist eine Maßnahme von erheblicher symbolischer Bedeutung, die die Benachteiligung der christlichen Gemeinden hinsichtlich des Baurechts von Gotteshäusern erheblich reduziert. Die oben genannten Voraussetzungen der Erteilung einer Baugenehmigung gelten jedoch weiterhin. Die Notwendigkeit des Vorliegens einer Genehmigung wird von den ägyptischen Behörden sehr ernst genommen. Im Mai des Jahres 2004 nahmen Kopten aufgrund eines schweren Sturms notwendig gewordene Reparaturarbeiten an einer Kirche vor. Da die Einholung einer Genehmigung großen Zeitaufwand erfordert hätte, führten sie die Arbeiten ohne Genehmigung in der Nacht aus und wurden von Sicherheitskräften festgenommen.196 c) Schutzpflichten bei christlich-muslimischen Zusammenstößen Auch kam es in der Vergangenheit immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Kopten und Muslimen.197 Es ist jedoch nicht abschließend geklärt, welche Rolle die staatlichen Stellen bei diesen Zusammenstößen gespielt haben. Zwar ist davon auszugehen, dass diese nicht die eine oder andere Seite aktiv unterstützt haben. Andererseits ist auch nicht auszuschließen, dass die Regierung bewusst nichts gegen die Ausschreitungen unternommen hat. Da in der Regel an diesen Zusammenstößen nur „Private“ beteiligt sind, stellt sich die Frage, inwiefern der Staat aufgrund von Resolutionen der _____________ 195 Vgl. Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1088). 196 Magdy Samaan, Arrests led to deaths, Cairo Times, 13–19 May 2004, S. 11. Auf der Fahrt zu der Polizeistation mit einem Privatwagen kam es zu einem Unfall, bei dem drei Kopten ums Leben kamen. 197 Bis heute sind Kirchen und christliche Friedhöfe Objekt von Vandalismus, an dem auch Soldaten beteiligt sind, hierzu UN Doc. E/CN.4/2005/61, Add. 1, paras. 80 ff.; insbesondere kam es jedoch zwischen den Jahren 1992 und 1997, aber auch in der Folgezeit es in verschiedenen Regionen zu Ausschreitungen, bei denen Christen aufgrund ihres Glaubens angegriffen worden sind, UN Doc. E/CN.4/1999/ 58, para. 50; UN Doc. E/CN.4/2003/66, para. 133; am 31. Dezember 1999 und am 1. Januar 2000 wurden bspw. in El-Kosheh 21 Personen bei Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen getötet. Auslöser war die Weigerung eines christlichen Kaufmannes, einem Muslim Waren gegen Einräumung eines Kredites zu verkaufen, UN Doc. E/CN.4/2001/63, paras. 30 ff.; siehe auch Hegasy/Jürgensen, Zur Menschenrechtssituation im Nahen und Mittleren Osten, S. 160 (173 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

170

S. 170

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Generalversammlung und dem Beitritt zu Menschenrechtspakten wie dem IPbürgR zu der Unterbindung solcher Gewalttätigkeiten verpflichtet ist.198 Fraglich ist also, ob beispielsweise durch die Allgemeine Menschenrechtserklärung oder durch den IPbürgR Schutzpflichten entstehen. Dies ist aus zwei Gründen zu bejahen: Zum einen kann eine solche Schutzpflicht direkt aus den Bestimmungen der Dokumente abgeleitet werden. Der Staat ist verpflichtet, die in diesen Erklärungen geschützten Rechte zu gewährleisten. Nach Art. 30 AEMR darf keine Bestimmung so ausgelegt werden, dass sich daraus für einen Staat oder für eine Gruppe das Recht ergibt, eine Handlung vorzunehmen, welche auf die Vernichtung in der Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten abzielt.199 Des Weiteren verpflichtet sich nach Art. 2 Abs. 2 IPbürgR jeder Vertragsstaat, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um den in diesem Pakt anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen. Zweitens macht der effektive Schutz der in den Dokumenten enthaltenen Rechte nur dann Sinn, wenn ein Staat die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um Verletzungen der Rechte zu vermeiden.200 Hieraus ergibt sich für Ägypten die Verpflichtung, seine Einwohner vor Verletzungen der Menschenrechte durch nicht-staatliche Akteure zu bewahren.201 2. Die Baha’i a) Theologischer Hintergrund Die Baha’i sind eine religiöse Gruppierung, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Zu dieser Zeit begann Sayyid Ali Mohammed, von seinen Anhängern der bÁb genannt, im Iran seine in großer Nähe zum Koran stehenden Lehren zu verbreiten. Er behauptete von sich, ein Prophet Gottes zu sein. Im Jahre 1848 erklärte die Gemeinschaft der Baha’i das islamische Recht für nicht länger gültig, was mit der Lossagung der Sekte vom islamischen Glauben gleichzusetzen war. Zwei Jahre später wurde Sayyid Ali Mohammed im Iran hingerichtet. Theologisch unterscheidet sich der Glaube der _____________ 198 Hierzu Alston/Quinn, The Nature and Scope of States’ Parties Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, HRQ vol. 1987, S. 156 (156 ff.); Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1071 ff.). 199 Hierzu siehe auch Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1. 200 General Comment des Human Rights Committee on Article 7, UN Doc. GAOR Supp. No. 40, A/37/40 (1982), S. 94. 201 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1074).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 171

171

Baha’i vom Islam insoweit, als nach dem Glauben seiner Anhänger die Tradition der Propheten mit Mohammed nicht endet. Nach der Glaubensvorstellung der Baha’i entsendet Gott immer wieder einen Propheten auf die Erde, der eine Botschaft Gottes überbringt. b) Aktuelle Situation Insgesamt gehören heute etwa 6 Millionen Menschen den Baha’i an. In Ägypten gibt es Anhänger dieser religiösen Gruppierung seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Minderheit der Baha’i wird vorgeworfen, dass ihre Anhänger sich vom Islam losgesagt hätten. Dieser Vorwurf, abtrünnig gegenüber dem Islam zu sein, bildet die Grundlage ihrer Diskriminierung in einer Reihe islamischer Staaten. In einem Fatwa, welches die Universität al-Azhar herausgegeben hat, werden die Angehörigen der Baha’i als Apostaten qualifiziert.202 Auch das Oberverwaltungsgericht des ägyptischen Staatsrates bezog sich in einer Entscheidung auf dieses Gutachten, demzufolge der Baha’i-Glaube nicht zu den Offenbarungsreligionen gehört und die Ehe eines Muslim mit einem Angehörigen der Baha’i-Religion als nicht geschlossen anzusehen ist.203 In diesem Prozess in den fünfziger Jahren forderte ein Beamter, der zu der Gruppe der Baha’i gehörte, Zulagen, die Beamten im Stande der Ehe und für ihre Kinder gewährt wird. Das Gericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Ehe nichtig sei. Es spiele keine Rolle, dass er der Gruppe der Baha’i zugehörig sei. Vielmehr berief sich das Gericht auf ein Gutachten vom 13. April 1950 des ägyptischen Staatsmuftis, dass Baha’i, die einmal Muslime waren, wie Apostaten zu behandeln seien.204 Im Jahre 1959 wurde einem Mitglied der Religionsgemeinschaft der Baha’i, welches eine ständige Aufenthaltserlaubnis für Ägypten besaß, die Erteilung der ägyptischen Staatsbürgerschaft mit der Begründung verweigert, dass es als Mitglied der Baha’i Apostat sei und nicht Mitglied des ägyptischen Volkes werden könne.205 Dass die Angehörigen der Baha’i als Apostaten erachtet werden, hat für diese weitreichende Konsequenzen. Baha’i sind beispielsweise nicht erbfähig. Die Haltung der ägyptischen Rechtsprechung zu der Religionsgemeinschaft der Baha’i und ihren Angehörigen ist bis zuletzt immer wieder bestä_____________ 202 Hierzu siehe Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 102. 203 FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), S. 264; vgl. Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (11). 204 FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), S. 264. 205 Zu diesem Fall siehe Pink, Neue Religionsgemeinschaften, S. 129.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

172

S. 172

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

tigt worden.206 Die Angehörigen der Baha’i haben somit bis heute keine Möglichkeit, staatlich anerkannte Ehen zu schließen.207 Angehörige der Religion des Baha’iismus werden als Apostaten angesehen, unabhängig davon, ob sie als Baha’i geboren wurden als Muslime geboren wurden und später zu den Baha’i übertraten. Soweit Baha’i verheiratet sind, führte die Tatsache, dass einer oder beide Ehepartner Baha’i sind, in einer Reihe von Verfahren zu der Auflösung der Ehen.208 Selbst eine erneute Eheschließung mit Nicht-Muslimen ist für Apostaten nach ägyptischem Recht nicht möglich.209 Allerdings kann der Apostat seine Abkehr vom Islam rückgängig machen und anschließend wieder eine Ehe schließen.210 Diese sehr weit gehenden Sanktionierungsmechanismen greifen, obwohl die Apostasie selbst nach ägyptischem Recht nicht verboten ist.211 Muslimische Juristen sind sich darüber einig, dass die Baha’i nicht als Muslime anzusehen sind. Im Jahre 1925 erklärte das Oberste Religiöse Gericht in Kairo die Anhänger der Baha’i zu Häretikern.212 Das Gericht löste in diesem Verfahren die Ehen von drei Baha’i auf. Es erklärte, dass die Baha’i nicht zu der islamischen Gemeinschaften gehörten. Sie seien vielmehr Apostaten. Die Baha’i nahmen das Urteil überraschenderweise positiv auf, da sie sich als eigenständige Glaubensgemeinschaft anerkannt fühlten. In dem Urteil wurden die Baha’i ausdrücklich als eigene religiöse Gruppierung bezeichnet, die vom Islam unabhängig sei. Die Hoffnung, in der Zukunft als Glaubensgemeinschaft anerkannt zu werden, erfüllte sich jedoch nicht. Die verschiedenen Bemühungen der Baha’i, als Glaubensgemeinschaft durch den ägyptischen Staat anerkannt zu werden, blieben erfolglos.213 Im _____________ 206 MaÊmÙÝa al-ahkÁm li-maÎkama al-naqd, Urteile Nr. 20, Jahr 34, 30 März 1966; Urteile Nr. 9, Gerichtsjahr 44, 24 Dezember 1975; Nr. 162, Gerichtsjahr 62, 16. Mai 1995. 207 Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 123. 208 Beispiele zu entsprechenden Fällen hat Pink aufgeführt, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 123 ff. 209 Berger, Conflicts law and Public Policy in Egyptian Family Law: Islamic Law Through the Backdoor, AJCL vol. 50 (2002), S. 555 (584). 210 Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (20). 211 Berger, Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, HRQ vol. 25 (2003), S. 720 (722). 212 UN Doc. E/CN.4/2001/63, para. 33. 213 Der Nationale Geistige Rat der Baha’i wurde im Jahre 1934 als juristische Person von einem Gemischten Gericht anerkannt. Dies blieb jedoch der einzige Fall, in dem der Glaubensgemeinschaft der Baha’i ein rechtlicher Status zugebilligt wurde. Hierzu beigetragen hat mit Sicherheit die besondere Struktur der ägyptischen Gerichtsbarkeit mit ihren Gemischten Gerichten. Diese waren zuständig, wenn an einer

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

G. Die Religionsfreiheit in Ägypten

S. 173

173

Jahre 1955 erklärte der ägyptische Staatsrat ausdrücklich, dass sich die Angehörigen der Baha’i nicht auf die Religionsfreiheit berufen könnten, da der Baha’i-Glaube nicht unter die staatlich anerkannten Religionen falle. Grundlage der Entscheidung war das Gesetz Nr. 49 aus dem Jahre 1945, welches zur Voraussetzung der Anerkennung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen vorsah, dass deren Ziele nicht im Widerspruch zum ordre public und Sicherheit stehen dürften.214 Voraussetzung der Anerkennung als Religionsgemeinschaft durch den ägyptischen Staat sei, dass die Religionsgemeinschaft durch die Scharia anerkannt sei. Nachdem die Angehörigen der Baha’i sich bis in die fünfziger Jahre um Anerkennung bemüht hatten, nahm die Entwicklung in der Folgezeit einen völlig anderen Lauf: 1960 wurden die Gemeinden der Baha’i aufgelöst, ihre Vermögen konfisziert und ihre religiösen Aktivitäten verboten.215 Es verfestigte sich die Rechtsprechung, dass Angehörige der Baha’i keine rechtsgültigen Ehen schließen konnten.216 Besondere Aufmerksamkeit erregte ein Gerichtsverfahren vor dem Obersten Gericht, dem damaligen ägyptischen Verfassungsgericht. Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens war die Verfassungsmäßigkeit des die Baha’i für eine illegale Gemeinschaft erklärenden Gesetzes Nr. 263 aus dem Jahre 1960.217 In diesem Urteil kam auch das Verfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Religionsfreiheit nach Art. 46 ägVerf nicht für die Baha’i gelte. Laut Gericht könnten lediglich die durch den Islam anerkannten Glaubensgemeinschaften, neben dem Islam noch das Judentum und das Christentum, von dem Grundrecht der Religionsfreiheit Gebrauch machen. Das Gericht unterschied in seinem Urteil zwischen der inneren und der äußeren Religionsfreiheit, dem forum internum und dem so genannten forum externum. Dabei kam es zu dem Schluss, dass die Möglichkeit der Ausübung der Religionsfreiheit nach außen hin von den Grundsätzen des ordre public begrenzt sei. Dem Gericht zufolge fiel das Gesetz nicht in den Schutzbereich des Art. 46 ägVerf, da das Gesetz lediglich die äußere Religionsfreiheit der Baha’i betreffe. Weiterhin erachtete es den Anwendungsbereich des Verbotes der Ungleichbehandlung nach der ägyptischen Verfassung für nicht be_____________ rechtlichen Auseinandersetzung Ausländer beteiligt waren. Hierzu siehe Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 110 ff. 214 MaÊlis al-dawla, Fatwa vom 17. April 1955, Zusammenfassung in FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), 267 f.; ausführlich zu der Entscheidung des Staatsrates siehe Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 112 f. 215 UN Doc. E/CN.4/2001/63, para. 33; Gesetz Nr. 263/1960 übersetzt bei Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 114. 216 Siehe oben, D.IV. 217 Al-maÎkama al-Ýulya, Urteil vom 1. März 1975, maÊmÙÝa aÎkÁm wa qirarÁt almaÎkama al-Ýulya, al-qism al-awwal, 1970 – November 1976, S. 228 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

174

S. 174

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

troffen, da die Baha’i auch in Zukunft trotz des angefochtenen Gesetzes eine Religion annehmen könnten.218 Bis heute sind die Baha’i über die geschilderten Nachteile hinaus weiteren Repressalien und Benachteiligungen ausgesetzt. So ist es ihnen untersagt, sich in Gruppen zu treffen (schon gar nicht für religiöse Zeremonien), sie werden durch den ägyptischen Staat streng überwacht, und ihre Kinder werden als illegitim erachtet.219 Im Jahre 2001 wurde einem Ehepaar, welches der Religionsgemeinschaft der Baha’i angehörte, verweigert, Geburtsurkunden für ihre im Oman geborenen Kinder zu erhalten. Dieses Vorgehen begründeten die ägyptischen Behörden damit, dass der Ehemann als Christ und die Ehefrau als Muslima bei den Behörden registriert sei. Eine solche Ehe sei mit dem ordre public nicht zu vereinbaren.220 3. Zeugen Jehovas Die Zeugen Jehovas waren in Ägypten häufig schweren Repressionen ausgesetzt. Dennoch blieb diese religiöse Gruppierung in Ägypten präsent. Während des 6-Tage-Krieges wurden Angehörige der Zeugen Jehovas festgenommen.221 Anlass war die pazifistische Ausrichtung der Anhänger dieser Religionsgemeinschaft, da sie sich weigerten, an kriegerischen Handlungen teilzunehmen. Die Zeugen Jehovas sind bis heute in Ägypten nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt.222 Ihre Missionierungstätigkeit wie auch die von Angehörigen anderer nichtislamischer Religionsgemeinschaften unter Muslimen kann strafrechtliche Konsequenzen haben und ist heute aufgrund des restriktiven Vorgehens praktisch unmöglich.223 Nicht selten werden Angehörige nicht anerkannter Religionsgemeinschaften beschuldigt, missioniert zu haben, wohl allein schon deshalb, um strafrechtlich besser gegen diese vorgehen zu können.224 _____________ 218 Al-maÎkama al-Ýulya, Urteil vom 1. März 1975, maÊmÙÝa aÎkÁm wa qirarÁt almaÎkama al-Ýulya, al-qism al-awwal, 1970 – November 1976, S. 228 (237). Ausführlich dargestellt sind Urteil und seine Entstehungsgeschichte bei Pink, Neue Religionsgemeinschaften, S. 179 ff. 219 UN Doc. E/CN.4/2001/63, para. 33. 220 Siehe hierzu UN Doc. E/CN.4/2002/73, para. 71. 221 Abu-Sahlieh, Les musulmans face aux droits de l’homme, S. 119; Abu-Sahlieh, L’impact de la religion sur l’ordre juridique: cas de l’Egypte, non musulmans en pays d’Islam, 266 f. 222 Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 113. 223 Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 161 ff. 224 Über einen solchen Fall die Baha’i betreffend berichtet Pink, Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, S. 146 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

H. Abschließende Bemerkungen

S. 175

175

H. Abschließende Bemerkungen Was die nichtislamischen Glaubensgemeinschaften in Ägypten betrifft, so drängt sich der Eindruck auf, dass die Bestimmung des Islams zur Staatsreligion in der Praxis große Schwierigkeiten für diese mit sich bringt. Wie oben erläutert, wird das Grundrecht der Religionsfreiheit, welches in Art. 46 ägVerf garantiert ist, durch den ordre public begrenzt. Zwar beruht die Einbeziehung islamischer Prinzipien in den Begriff des ordre public auf Art. 2 ägVerf, demgemäß das islamische Recht Hauptquelle der Gesetzgebung ist, und damit auf einer anderen Norm mit Verfassungsrang. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass letztlich der Schutzbereich eines in der Verfassung garantierten Grundrechtes aufgrund einfachen Rechts begrenzt wird. In jüngerer Zeit sind in Ägypten eine Reihe von Gerichtsentscheidungen getroffen worden, die zum einen den Art. 2 ägVerf zur Rolle der Scharia für die Gesetzgebung betreffen, aber auch Entscheidungen, die die Religionsfreiheit selbst unmittelbar betreffen. In diesen Entscheidungen wird das bereits oben angesprochene Spannungsverhältnis zwischen religiösem und weltlichem Recht deutlich. Die Religions- und Glaubensfreiheit wird solange gewährleistet, wie sie nicht gegen den ordre public und die guten Sitten verstößt.225 Diese Rechtsprechung ist noch in den Jahren 1995 und 1996 bestätigt worden und führt letztlich dazu, dass dem islamischen Recht ein höherer Rang als den garantierten Menschenrechten eingeräumt wird.226 Die vor den höchsten ägyptischen Zivilgerichten verhandelten Fälle lassen Zweifel daran aufkommen, dass die in der Verfassung garantierte Freiheit der Religion auch tatsächlich gewährleistet wird. Mit dieser Schlussfolgerung stellt sich jedoch die Frage, wie ein solcher Widerspruch zu erklären ist. Nach Auffassung der ägyptischen Gerichtsbarkeit umfasst das Recht der Religionsfreiheit nach Art. 46 ägVerf nicht die Aufgabe der islamischen Religion. U.a. in dem Verfahren gegen AbÙ Zayd stellte das Gericht die Gewährleistung der Religionsfreiheit unter den Vorbehalt, dass diese nicht im Widerspruch zum ordre public stehen dürfe. Handlungen, die nicht mit dem ordre public zu vereinbaren seien (und damit auch die Apostasie) fielen gar nicht erst in den Schutzbereich der Religionsfreiheit. Diese ist vielmehr eine Angelegenheit, die den jeweiligen Religionen selbst obliegt, zu regeln.227 _____________ 225 Siehe hierzu Entscheidungen des ägyptischen Staatsrates, abgedruckt in: FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla (1988), S. 262. 226 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1086 f.). 227 Berger, Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, HRQ vol. 25 (2003), S. 720 (737). Die Sanktionierung der Aufgabe der Religion durch einen Muslim wird mit der Unvereinbarkeit dieses Aktes mit islamischem Recht begründet, weshalb es den Angehöri-

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

176

S. 176

4. Kap.: Die Religionsfreiheit im ägyptischen Recht

Man könnte natürlich auch annehmen, dass die Aufstellung von Regeln durch eine Religion und deren Durchsetzung Bestandteil der Religionsfreiheit ist. Allerdings scheint es mit der Religionsfreiheit nicht vereinbar zu sein, die Freiheiten des Einzelnen so weit zu Gunsten der Religion (-sgemeinschaft) zu beschränken. Dies gilt insbesondere für eine Religion wie die des Islam, deren Zugehörigkeit der Einzelne schon durch Geburt erwirbt.228 Es gibt vermehrte Anzeichen dafür, dass Ägypten sich mehr und mehr hin zu einer Gesellschaft entwickelt, die von religiöser Intoleranz geprägt ist.229 Auch ist bisher nicht zu erkennen, dass Ägypten die notwendigen Schritte unternommen hat, um den im IPbürgR anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen. Zwar ist nicht zu erkennen, dass die ägyptische Regierung die Stellung des islamischen Rechts in der Verfassung dazu benutzt, um Kopten ihrer religiösen Rechte zu berauben, aber jedenfalls wird nicht-staatlichen Akteuren die Botschaft vermittelt, dass dies durch im Bereich des Möglichen läge.230 In vielen Bereichen werden die Kopten gegenüber den Muslimen benachteiligt. Während die Genehmigung für die Errichtung einer Kirche von bestimmten Bedingungen abhängt,231 gibt es für die Errichtung einer Moschee keine entsprechende Regelung, so dass von einer religiösen Diskriminierung gesprochen werden kann.232

_____________ gen anderer Religionen als der islamischen gestattet ist, ihre Religion aufzugeben. Diese machen hiervon auch nicht selten Gebrauch, beispielsweise Männer, um eine muslimische Frau heiraten zu können. 228 Nach allgemeiner muslimischer Auffassung ist ein Kind eines muslimischen Vaters seinerseits Muslim. 229 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1084). 230 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1084). 231 Siehe oben, F.II. 232 Kent Brown, The Coptic Church in Egypt, BYULR vol. 2000, S. 1049 (1089).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 177

5. Kapitel

Schlussbetrachtung Seit Gründung der Vereinten Nationen sind islamische Staaten als Mitglieder der Organisation an der Entwicklung des Völkerrechts und an der Ausarbeitung völkerrechtlicher Menschenrechtsverträge beteiligt. In einer Reihe islamischer Staaten gilt, vorwiegend auf dem Gebiet des Familienund Erbrechts, das islamische Recht. Die sich im islamischen Recht findenden körperlichen Strafen (Îadd-Strafen) werden jedoch kaum noch in einem islamischen Staat praktiziert (beispielsweise Saudi-Arabien). Menschenrechte, so wie sie in völkerrechtlichen Dokumenten festgehalten sind, haben einen ganz anderen Ansatz als die Menschenrechte nach islamischem Recht. Während erstgenannte den Mensch in den Mittelpunkt stellen, allen Menschen den gleichen Anspruch auf Menschenrechte gewähren und dem Menschen die Menschenrechte aufgrund seiner Natur als Mensch zusprechen, müssen Personen nach islamischen Recht Bedingungen erfüllen, um in den Genuss sämtlicher Menschenrechte zu kommen.1 Das Individuum als Rechtssubjekt hat im Islam praktisch keine rechtliche Bedeutung, sondern in den Mittelpunkt wird das Verhältnis der islamischen Gemeinschaft, der umma, und des Individuums zu Gott gestellt.2 Schon was die Entstehung der Menschenrechte betrifft, werden von Staaten unterschiedliche Auffassungen vertreten. Aus westlicher Perspektive wurde das Konzept der Menschenrechte zunächst in Europa und in Nordamerika entwickelt. Als herausragende Entwicklungsstationen sind die Bill of Rights aus dem Jahre 1689, die Französische Menschenrechtserklärung aus dem Jahre 1789 und die US-amerikanische Bill of Rights aus dem Jahre 1787 zu nennen. Insgesamt war das Völkerrecht bei seiner Entstehung sehr europäisch geprägt. Staaten als primäre Völkerrechtssubjekte existierten lediglich in Europa, die insbesondere im 19. Jahrhundert weite Gebiete kolonisiert hatten. Noch im 20. Jahrhundert wurde die Auffassung vertreten, dass die eingeborenen Völker in Afrika, Asien und Amerika für die Mit_____________ 1 Hierzu Uygun, Are Universal Human Rights and Islamic Law Reconciable? MJHR vol. 6 (2002), S. 297 (299 ff.). 2 Tibi, Islamic Law/Shari’a, Human Rights, Universal Morality and International Relations, HRQ vol. 16 (1994), S. 277 (295 f.); Afsahri, An Essay on Islamic Cultural Relativism in the Discourse of Human Rights, HRQ vol. 16 (1994), S. 235 (266 f.).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

178

S. 178

5. Kap.: Schlussbetrachtung

gliedschaft in der Gemeinschaft der zivilisierten Staaten nicht qualifiziert seien.3 Aus Perspektive des islamischen Rechts sind die Menschenrechte hingegen erstmals im Koran erwähnt. Im muslimischen Kulturkreis wird demnach immer wieder bestritten, dass die Menschenrechte an sich ein Produkt der westlichen Welt sind. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass es schon in der frühislamischen Zeit Menschenrechte gegeben habe. Manche islamische Autoren gehen daher davon aus, dass Menschenrechte für das Abendland ein neues Phänomen seien.4 Dem ist zuzugeben, dass in der frühislamischen Zeit Christen und Juden, die sich im islamischen Herrschaftsbereich bewegten, religiöse Rechte zustanden. Auch ist richtig, dass die Anhänger der Buchreligionen5 auf eine für diese Zeit große Toleranz durch die Muslime stießen. Viele islamische Autoren verweisen deshalb auf die Vorreiterrolle, die der Islam ihrer Ansicht nach für die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes einnimmt.6 Die Vorrangstellung des islamischen Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte werde durch seine Eigenschaft als göttliches Recht verstärkt. Denn weltliches Recht könne jederzeit modifiziert werden, die Tragweite der Menschenrechte könne durch Völkerrechtssubjekte jederzeit eingeschränkt werden. Dies sei beim islamischen Recht nicht der Fall, denn göttliches Recht sei nicht abänderbar.7 Aufgrund seines göttlichen Ursprungs vertraten Repräsentanten islamischer Staaten in der Vergangenheit des Öfteren die Ansicht, dass religiöses Recht grundsätzlich Vorrang gegenüber säkularem Recht genieße.8 Für den Fall, dass das islamische Recht weniger Schutz als internationale Menschenrechtsinstrumente gewährleisten sollte, sei dies zu akzeptieren.9 Das religiöse Recht nimmt also den höchsten Rang in einer Normenhierarchie ein.

_____________ 3 Hall, International Law, S. 48. 4 Vgl. Abu-Salieh, RGDIP t. 89 (1985), S. 625 (710) m. w. N. 5 Zu den Buchreligionen und ihrer rechtlichen Stellung im islamischen Recht siehe oben 3. Kapitel, B.II. 6 Abdel Haleem, Human Rights in Islam, S. 435 ff. 7 Mawdudi, Human Rights in Islam, S. 15 f. 8 So beispielsweise der iranische Vertreter im Rahmen der Diskussion um die Resolution zur Beseitigung religiöser Intoleranz, UN Doc. A/C.3/36/SR.29, paras. 10 ff. 9 Vgl. beispielsweise Tabandeh, Muslim Commentary, passim. Der Autor vergleicht die Normen der Universellen Erklärung der Menschenrechte mit den Vorgaben des islamischen Rechts und macht deutlich, dass das islamische Recht Vorrang genießt.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Erklärungen und Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen

S. 179

179

A. Erklärungen und Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen Islamische Staaten gaben zu verschiedenen Menschenrechtsverträgen Erklärungen ab, in denen sie deutlich machten, dass die Bestimmungen des betreffenden Vertrages nicht entgegen der Bestimmungen der Scharia ausgelegt werden dürften.10 Allerdings hat eine solche Erklärung nur eine eingeschränkte Bedeutung. Zwar macht ein Staat deutlich, wie ein Vertrag seiner Ansicht nach auszulegen ist, aber es entfällt weder die Bindungswirkung noch hat eine solche Erklärung andere unmittelbar folgende rechtliche Konsequenzen. Sie findet jedoch bei der Auslegung des Vertragswerkes Beachtung, da es sich bei einer solchen Erklärung sich vielmehr lediglich um eine Interpretationserklärung handelt.

I. Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen Vorbehalte, die zu multilateralen Menschenrechtsverträgen eingelegt werden,11 unterliegen wie jeder andere Vorbehalt auch den Regeln der Wiener Vertragsrechtskonvention.12 Allerdings stellen Menschenrechtsverträge eine besondere Art von völkerrechtlichen Verträgen dar, weshalb nicht eindeutig ist, inwieweit die Vertragsrechtskonvention anzuwenden ist. Folge eines Vorbehaltes wäre nach der Vertragsrechtskonvention, dass Bestimmungen multilateraler Verträge zwischen dem den Vorbehalt einlegenden Staat und anderen Staaten keine Bindungswirkung haben. Eine solche Regelung ist jedoch kaum auf Menschenrechtsverträge anwendbar, denn diese schaffen keine Regelungen zwischen Staaten, sondern legen den ratifizierenden Staaten Verpflichtungen auf. Menschenrechtsverträge wie bspw. der IPbürgR setzen kein System gegenseitiger Staatenverpflichtungen in Kraft.13 _____________ 10 Siehe beispielsweise die Erklärung Ägyptens zum IPbürgR, hierzu siehe oben, 4. Kapitel, E. 11 Zu Vorbehalten zu Menschenrechtsverträgen siehe Tyagi, The Conflict of Law and Policy on Reservations to Human Rights Treaties, BYIL vol. 71 (2000), S. 181 ff.; Korkelia, New Challenges to the Regime of Reservations under the International Covenant on Civil and Political Rights, EJIL vol. 13 (2002), S. 437 ff.; Goodman, Human Rights Treaties, Invalid Reservations, and State Consent, AJIL vol. 96 (2002), S. 531 ff.; Redgwell, Reservations to Treaties and Human Rights Committee General Comment No. 24 (52), IJCLQ vol. 46 (1997), S. 390 ff. 12 Wiener Vertragsrechtskonvention vom 23. Mai 1969, UNTS vol. 1155, S. 331. 13 General Comment, No. 24 (52), UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6 (1994), para. 17.; abgedruckt in: HRLJ vol. 15 (1994), S. 464 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

180

S. 180

5. Kap.: Schlussbetrachtung

Aufgrund der nicht-gegenseitigen Wirkung von Menschenrechtsverträgen haben Vorbehalte, die zu Menschenrechtsverträgen eingelegt wurden, grundsätzlich keine Konsequenzen für andere Staaten. Wegen der Ausrichtung der Vorbehaltsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention auf bilaterale Verträge passen diese nicht in das System der durch die Konvention aufgegebenen Vorbehaltsregeln.14 Das Human Rights Committee kam in einem General Comment zu dem Ergebnis, dass die Regeln der Vertragsrechtskonvention zu den Einsprüchen (objections) gegen Vorbehalte nicht auf Menschenrechtsverträge anwendbar seien.15 In Bezug auf Vorbehalten zu Menschenrechtsverträgen stellt sich eine Reihe von weiteren Problemen, die hier jedoch nicht weiter erörtert werden können. In der Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten ist eine zu der Wiener Vertragsrechtskonvention abweichende Regelung getroffen worden. Gemäß Art. 57 Abs. 1 S. 2 EMRK muss der einzulegende Vorbehalt einen eindeutigen Inhalt haben. Weiterhin muss das innerstaatliche Recht, auf das der Vorbehalt sich bezieht, klar bestimmt sein. Nach der Rechtsprechung der Europäischen Kommission für Menschenrechte ist dies dann der Fall, wenn der Vorbehalt einer bestimmten Vertragsnorm zugeordnet ist oder wenn sein Inhalt oder seine Tragweite eindeutig erkennbar ist.16

II. Der Vorbehalt der Scharia Aufgrund der Implementierung religiösen Rechts haben islamische Staaten allerdings auch Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen eingelegt, in denen sie deutlich machen, dass der Vertrag nicht entgegen den Regeln der Scharia ausgelegt werden kann und dass der Vertrag für sie nur soweit Gültigkeit besitzt, als dass seine Bestimmungen nicht entgegen dem islamischen Recht ausgelegt werden. Im Hinblick auf diese Vorbehalte stellt sich die Frage, ob ein solcher Vorbehalt mit Sinn und Zweck eines Menschenrechtsvertrages zu vereinbaren ist und somit Gültigkeit nach der Wiener Vertragsrechtskonvention besitzt. _____________ 14 Pellet, First Report on the Law and Practice Relating to Reservations to Treaties, UN Doc. A/CN.4/470 (1995), S. 63, para. 138. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hielt das Prinzip der Gegenseitigkeit nur für eingeschränkt anwendbar auf Menschenrechtsverträge, Irland vS. Großbritannien, 25 Eur.Ct.H.R. (ser. A), S. 239; Belios vS. Schweiz, 132 Eur.Ct.H.R. (ser. A), 1988, S. 62; Loizidou vS. Türkei, 310 Eur.Ct.H.R. (ser. A), paras. 75 ff. 15 General Comment No. 24 (52) relating to reservations, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6, abgedruckt in: HRLJ vol. 15 (1994), S. 464 ff. 16 Commission Européenne des droits de l’homme, Temeltasch, Decisions and Reports, vol. 31, 1982, S. 120 ff. (Ziff. 84).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

A. Erklärungen und Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen

S. 181

181

Zunächst stellt sich das Problem, ob ein solcher Vorbehalt dem so genannten object and purpose test Stand hält. Ist ein Vorbehalt grundsätzlich zulässig, muss er gemäß Art. 19 lit. c WVK mit Ziel und Zweck des Vertrages vereinbar sein. Dieser Test ist jedoch deshalb nur schwierig anzuwenden, da die exakte Bestimmung des Zwecks und des Ziels eines Vertrages nur schwierig vorzunehmen ist. Wie in dieser Arbeit erörtert, ist die herrschende Auslegung islamischem Rechts in dem Bereich der Religionsfreiheit nicht mit allgemein anerkannten Menschenrechtsstandards zu vereinbaren. Auf der anderen Seite gibt es sehr wohl Möglichkeiten, das islamische Recht völkerrechtskonform auszulegen. Dabei ist jedoch zwischen zwei verschiedenen Arten von Vorbehalten zu unterscheiden. Islamische Staaten haben Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen eingelegt17 und dies damit begründet, dass diese nicht mit dem islamischen Recht zu vereinbaren seien.18 Andere Vorbehalte wiederum beschränkten sich nicht auf einzelne Normen eines Menschenrechtsvertrages, sondern bezogen sich auf den gesamten Vertrag, soweit dieser nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sei.19 Begründet werden diese Vorbehalte damit, dass das islamische Recht Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung ist. Allerdings kann innerstaatliches Recht nicht dazu dienen, völkerrechtliche Pflichten nicht zu beachten und Völkerrechtsverstöße zu rechtfertigen.20 Was bspw. die CEDAW anbelangt, so haben einige Staaten den Vorbehalten islamischer Staaten widersprochen, dass die Anwendung des Vertrages durch das islamische _____________ 17 Eine Reihe islamischer Staaten hat Vorbehalte zu der Convention on the Rights of the Child und der Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (CEDAW) eingelegt. Zu dem Vorbehaltsregime nach dieser Konvention siehe Chinkin, Reservations and Objections to the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, S. 64 (67 ff.). 18 Siehe beispielsweise den Vorbehalt Bangladeshs, 6. November 1984 zur CEDAW. Eine Reihe islamischer Staaten hat zu den Art. 20 f. KRK einen Vorbehalt eingelegt und sich darauf berufen, dass die Adoption von Kindern nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren sei. Treaties Deposited with the SecretaryGeneral, Status at 31 December 2003, vol. I, UN Doc. ST/LEG/SER.E22, S. 296 ff.; UN Doc. CRC/C/2/Rev.3, S. 16 und S. 22. 19 So ist wohl der Vorbehalt Libyens vom 16. Mai 1989 zu der CEDAW zu verstehen, der lautet: „The accession is subject to the general reservation that such accession cannot conflict with the laws on personal status derived from Islamic Sharia.“ Ausführlich zu den Vorbehalten islamischer Staaten zu der CEDAW siehe Connors, The Women’s Convention in the Muslim World, S. 85 (89 ff.). 20 Mit diesem Argument wurden Vorbehalte islamischer Staaten zu völkerrechtlichen Verträgen abgelehnt, da sie dem Ziel des Vertrages nicht vereinbar seien, vgl. Sullivan, Gender Equality and Religious Freedom: Toward a Framework for Conflict Resolution, NYUJILP vol. 24/I (1991/92), S. 795 (807).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

182

S. 182

5. Kap.: Schlussbetrachtung

Recht begrenzt sei. Die islamischen Staaten beriefen sich dabei auf den Status des islamischen Rechts in ihrem Staatsorganisationsrecht. Verschiedene Staaten legten gegen diese Vorbehalte Einspruch ein und betonten, dass ein solcher Vorbehalt mit dem Sinn und Zweck des Vertrages nicht zu vereinbaren sei.21 Eine weitere Voraussetzung, die Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen erfüllen müssen, ist ihre hinreichende Bestimmtheit. Auch diese Voraussetzung ist mit der Einlegung eines Scharia-Vorbehaltes nur schwer erfüllbar. Denn aufgrund der Mannigfaltigkeit der Auslegungsmöglichkeiten und der Uneinheitlichkeit der Anwendung islamischen Rechts gemäß den verschiedenen Rechtsschulen ist ein Scharia-Vorbehalt mehr als vage. Ein Vorbehalt ist aus der Perspektive des den Vorbehalt einlegenden Staates einzulegen.22 Dies ändert jedoch nichts an der Unbestimmtheit eines Scharia-Vorbehaltes. Dies bewog einige Staaten dazu, Einspruch gegen SchariaVorbehalte einzulegen. Schweden, Norwegen, Portugal, Finnland and Irland begründeten dies damit, dass ein Staat allein aufgrund seines innerstaatlichen Rechts nicht seine Verantwortlichkeit bezüglich des völkerrechtlichen Vertrages in Frage stellen könnte und damit die Grundlage internationalen Vertragsrechts.23 Verschiedene Staaten begründeten die Einlegung eines Widerspruches zu einem Vorbehalt Syriens zu der Kinderrechtskonvention damit, dass ein Vorbehalt, der zu allgemein verfasst sei, notwendigerweise nicht mit Sinn und Zweck des Vertrages zu vereinbaren sei.24 Eine solche Haltung nahm auch das Mitglied Kolosov des Kinderrechtsausschusses ein, welcher den ägyptischen Vorbehalt zu der Kinderrechtskonvention als zu allgemein verfasst kritisierte. Konsequenz dieser Formulierung sei die volle Anwendbarkeit der Konvention auf Ägypten.25

_____________ 21 Siehe beispielsweise UN Treaties Deposited with the Secretary General, UN Doc. ST/LEG/SER.E/22, Status at 31 December 2003, S. 242 ff. (CEDAW). 22 General Comment No. 24 (52) Relating to Reservations, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6, abgedruckt in: HRLJ vol. 15 (1994), S. 464 ff. 23 Schabas, Reservations to the Conventions on the Rights of the Child, HRQ vol. 18 (1996), S. 473 (478); zu der CEDAW siehe beispielsweise UN Treaties Deposited with the Secretary General, UN Doc. ST/LEG/SER.E/22, Status at 31 December 2003, S. 242 ff. 24 Vgl. Schabas, Reservations to the Convention of the Right of the Child, HRQ vol. 18 (1996), S. 472 (478). 25 UN Doc. CRC/C/SR.66 (1992), para. 40.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Universelle Geltung der Menschenrechte

S. 183

183

B. Universelle Geltung der Menschenrechte Die durch Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen und in völkerrechtlichen Verträgen festgehaltenen Menschenrechte erheben Anspruch auf universelle Geltung.26 Dies gilt beispielsweise für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, bei der dieser Anspruch schon durch ihre Namensgebung deutlich wird (Universal Declaration of Human Rights). Dieser Anspruch wird auch in ihrer Präambel formuliert, indem dort von einem: „… a common standard of achievement for all peoples and all nations …“ gesprochen wird. Es wird jedoch auch häufig vorgebracht, dass es fraglich sei, ob die Resolution und auch der IPbürgR diesem Anspruch gerecht geworden sind und ob sie wirklich eine „universal posession of humankind“ darstellen.27 Dies wird teilweise auch für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte angenommen, obwohl diese von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, einem Organ, welches die gesamte Staatengemeinschaft repräsentiert, ohne Gegenstimmen verabschiedet wurde. Gerade hinsichtlich der Religionsfreiheit ist es äußerst problematisch, einen einheitlichen Schutzbereich zu definieren. Bei keinem anderen Menschenrecht spielen kulturelle Besonderheiten eine so große Rolle.28 Die Besonderheit im Islam ist dabei, dass das islamische Recht auch genaue Vorgaben hinsichtlich der Religionsfreiheit macht. Die Sonderberichterstatter bezüglich des Menschenrechtes der Religionsfreiheit gehen von der weltweiten Geltung der Religionsfreiheit aus.29 Gestützt wird diese Erkenntnis durch eine Überprüfung der zu Art. 18 IPbürgR eingelegten Vorbehalte.30 Im Hinblick auf religiöse Menschenrechte bedeutet dies, dass diese unabhängig von der jeweiligen Religion anwendbar sein müssen.31 Insbesondere vor dem Hintergrund radikal-religiöser Bestrebungen, religiöse Staaten zu _____________ 26 So der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Religionsfreiheit, Amor, UN Doc. E/CN.4/2002/73/Add.2, S. 10 f. 27 Hassan, Rights of Women Within Islamic Communities, S. 361 (362); Safi, Towards an Islamic Tradition of Human Rights, AJISS vol. 18 (2001), S. 16 (20); Koraytem, Arab Islamic Developments on Human Rights, ALQ vol. 16 (2001), S. 255 (256). 28 Young, External Monitoring of Domestic Religious Liberties, BYULR vol. 1998, S. 501 (506). 29 Vgl. Lemke, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 115. 30 Treaties Deposited with the Secretary General, Status at 31 December 2003, UN Doc. ST/LEG/SER.E/22, S. 169 ff. Islamische Staaten haben keinen Vorbehalt eingelegt. 31 An-Na’im, Islamic Foundations of Human Rights, S. 337 (338).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

184

S. 184

5. Kap.: Schlussbetrachtung

errichten, deren Legitimation in der Religion begründet liegt, ist die universelle Geltung der Religionsfreiheit unabdingbar.32 Es wird jedoch vorgebracht, dass die Rechte im Lichte regionaler Besonderheiten betrachtet werden müssten. Dem Anspruch auf universelle Geltung wird damit ein kultureller Relativismus entgegengesetzt. Demnach sei das Konzept der Menschenrechte zwar ein universelles, welches jedoch die kulturellen Besonderheiten nicht-westlicher Kulturen nicht hinreichend berücksichtige. Insbesondere in der islamischen Welt werden die derzeitigen Menschenrechtsschutzmechanismen als Produkte angesehen, die eine westliche Werteordnung widerspiegeln, und damit nicht dem Anspruch der Universalität genügen.33 Deutlich wurde diese Haltung beispielsweise auf der im Jahre 1993 in Wien abgehaltenen Konferenz Welt-Konferenz der Menschenrechte.34 Diese Auffassung vertraten auch auf dem Gipfeltreffen der OIC im Jahre 1997 in Teheran Repräsentanten verschiedener islamischer Staaten, darunter Ayatollah Khomeinei (Iran).35 Menschenrechte würden aus islamischer Perspektive auf eine effektivere Art geschützt und verwirklicht werden können, falls in den entsprechenden Normen Rücksicht auf kulturelle Besonderheiten genommen würde.36 Die sei bei den in heutiger Zeit geltenden Menschenrechtserklärungen nicht der Fall. Es wurden daher regionale, islamischen Werten entsprechende Resolutionen verabschiedet, deren Ziel es war, islamische Werte zu berücksichtigen und gleichzeitig die weitreichende Geltung der Menschenrechte im islamischen Verständnis aufzuzeigen.37 Eine die Menschenrechte relativierende Argumentation nimmt dabei oftmals die Haltung ein, mit dem Verweis auf kulturelle Besonderheiten oder Traditionen die Wirkung von Menschenrechten einzuschränken. Geht es wirklich um die Berücksichtigung eigener kultureller Belange, oder dient ein solcher Relativismus lediglich dazu, in Fragen der Menschenrechte einem anderen Maßstab zu unterliegen, also letztlich die Geltung internationaler Menschenrechtsstandards einzuschränken? Soweit die Berufung auf kulturelle Besonderheiten dazu benutzt wird, den materiellen Inhalt der Men_____________ 32 Hierzu auch An-Na’im, Islamic Foundations of Human Rights, S. 337 (338), der insbesondere die islamische Welt als Beispiel heranzieht. 33 Afshari, An Essay on Islamic Cultural Relativism in the Discourse of Human Rights, HRQ vol. 16 (1994), S. 235 (246 f.); Mutua, The Ideology of Human Rights, Virginia Journal of International Law, vol. 36 (1996), S. 589 (592 f.). 34 Hierzu Arzt, The Treatment of Religious Dissidents, S. 387 (397 f.). 35 Vgl. Mayer, Islam and Human Rights, S. 23. 36 Baderin, International Human Rights and Islamic Law, S. 29 ff. 37 Mutawakkil, Al-islÁm wa-huqÙq al-insÁn, S. 93 (98).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

B. Universelle Geltung der Menschenrechte

S. 185

185

schenrechte zu relativieren, ist dies jedoch nur begrenzt möglich, da in jedem Fall die so genannten minimum standards zu beachten sind.38 Eine Vielzahl islamischer Staaten vertritt die Ansicht, dass die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedeten Menschenrechtsdokumente, also insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der Internationale Pakt für bürgerliche und politische Rechte, nur eine eingeschränkte Legitimität besäßen, da sie zu einer Zeit entstanden seien, als die meisten islamischen Staaten noch kolonisiert waren.39 Nur sehr wenige Staaten in Afrika und Asien waren an der Gründung der Vereinten Nationen beteiligt. Im Jahre 1948 existierten lediglich fünf der aktuell 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga (Ägypten, Irak, Libanon, Saudi-Arabien und Syrien). Von den heutigen Mitgliedstaaten der Organisation Islamischer Staaten existierten zum damaligen Zeitpunkt neben den genannten Staaten zusätzlich lediglich der Iran, Pakistan und die Türkei. Von dem Beitritt zu diesen Verträgen an unterlagen die unabhängig gewordenen Staaten den Verpflichtungen aus diesen. Die dekolonisierten Staaten hätten, so wird vorgebracht, demnach lediglich die Möglichkeit, Menschenrechtsverträge in der vorliegenden Form zu ratifizieren und oder nicht. Dagegen sei eine Einflussnahme auf den Inhalt nur in marginaler Form möglich gewesen.40 Auch an das bereits bestehende Völkergewohnheitsrecht waren diese Staaten von ihrer Entstehung an gebunden. An-Na’im sieht hierfür den Grund, dass sich Bevölkerungen vieler dekolonisierter Staaten nicht mit Menschenrechtsstandards identifizieren, sondern die entsprechenden Verträge als ein Produkt des „Westens“ betrachten. Ob ein neu entstandener Staat an schon vor seiner Entstehung bestehende völkergewohnheitsrechtliche Regelungen gebunden ist, ist eine Frage, die im Zuge der Dekolonisierung vielfach aufgeworfen worden ist. Es werden sowohl die These von der vorgefundenen Rechtsordnung als auch die These vom notwendigen Konsens vertreten. Letztere bedeutet, dass ein neuer Staat nur im Falle einer vorgenommen Selbstbindung an bestehendes Völkergewohnheitsrecht gebunden ist.41 _____________ 38 An-Na’im, Islamic Law, International Relations, and Human Rights: Challenge and Response, Cornell International Law Journal, vol. 19/20 (1986/87), S. 317 (332). 39 Koraytem, Arab Islamic Developments on Human Rights, ALQ vol. 16 (2001), S. 255 (256). Hierzu sei noch angemerkt, dass die Erklärung der Menschenrechte der Arabischen Liga in ihrer Präambel die Prinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Internationalen Pakte über zivile und politische Rechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte uneingeschränkt würdigt. 40 An-Na’im, Islam, Islamic Law and the Dilemma of Cultural Legitimacy for Universal Human Rights, S. 31 (35 f.). 41 Heintschel von Heinegg, Die weiteren Quellen des Völkerrechts, § 16, Rn. 28 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

186

S. 186

5. Kap.: Schlussbetrachtung

Im Hinblick auf die Staatennachfolge in die wesentlichen weltweit geltenden Menschenrechtsverträge ist grundsätzlich von einer automatisch eintretenden Nachfolge in solche Verträge auszugehen.42 Fraglich ist jedoch, ob sich im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit dieses Problem überhaupt stellt. Der Inhalt dieses Rechtes ist weitgehend anhand der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Paktes über zivile und bürgerliche Rechte aus dem Jahre 1966 erarbeitet worden. An der Rechtsentwicklung waren eine Reihe islamischer Staaten beteiligt. Es handelte sich bei diesen um Ägypten, Afghanistan, Irak, Iran, Libanon, Pakistan, Saudi-Arabien, Syrien und die Türkei. Zwar handelten diese Staaten nicht im Sinne einer Vertretung für die später entstandenen Staaten, aber im Rahmen dieser Arbeit wurde deutlich, dass sie im Vorfeld Wert auf die Berücksichtigung islamischer Belange legten und die Interessen der Region einbrachten. Deshalb ist es schon fraglich, ob das Argument, dass viele Staaten keinen Einfluss auf die Rechtsentwicklung nehmen konnten, tragfähig ist. Die Bedenken, die islamische Staaten hinsichtlich der Aufnahme des Rechts auf Wechsel der Religion hegten, wurden in den die Resolutionen ausarbeitenden Gremien vorgebracht.43 Es ist also nicht so, dass diese Problematik übersehen worden ist. Vielmehr haben islamische Staaten, die an der Ausarbeitung der Erklärungen beteiligt waren, das Recht auf Wechsel der Religion als Bestandteil des Menschenrechtes der Religionsfreiheit anerkannt, unabhängig davon, ob die Aufnahme eines entsprechenden Terminus in den IPbürgR aufgenommen würde oder nicht.44 Auch wenn der Terminus des Rechtes auf Wechsel der Religion nicht ausdrücklich in dem Pakt festgehalten ist, so lässt der Wortlaut „… eine Religion … zu haben oder anzunehmen …“ eine andere Interpretation kaum zu. Was die weltweite Akzeptanz des IPbürgR anbelangt, so ist hervorzuheben, dass der Pakt im Jahre 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedet wurde.

C. Regionales Völkergewohnheitsrecht In keinem islamischen Land ist heute das Recht auf Wechsel der Religion in der Verfassung ausdrücklich vorgesehen. Zwar ist dieses Recht auch in _____________ 42 Ausführlich zur Staatennachfolge in Menschenrechtsverträge siehe Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, S. 543 ff., 572 ff. 43 Siehe hierzu oben, 2. Kapitel, A.II.; C.I. 44 UN Doc. A/C.3/SR.302, para. 7 (Ägypten); UN Doc. A/C.3/SR.306, para. 47; (Saudi-Arabien); UN Doc. A/C.3/SR.306, para. 51 (Afghanistan). Zusammenfassung der Diskussionen zur Formulierung des IPbürgR im Third Committee in UN Yearbook 1960, S. 329 f.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

C. Regionales Völkergewohnheitsrecht

S. 187

187

vielen Verfassungen anderer Staaten nicht ausdrücklich verankert, aber dies ist damit zu erklären, dass es in den nicht-islamischen Staaten selbstverständlich als Bestandteil der Religionsfreiheit gesehen wird, was jedoch in den islamischen Staaten nicht der Fall ist. Dies beruht insbesondere auf dem großen Einfluss des islamischen Rechts, denn nach diesem ist der Wechsel der Religion nicht zulässig.45 In einer Reihe islamischer Staaten wird das Sich-Abwenden vom Islam strafrechtlich verfolgt. In den Staaten, in denen dem Apostaten keine strafrechtlichen Sanktionen drohen, werden zumindest zivilrechtlich Konsequenzen gezogen (Zwangsscheidung, Verlust der Erbfähigkeit). Die Praxis, das Recht auf Wechsel der Religion nicht ausdrücklich zu garantieren, geht also einher mit der Sanktionierung der Apostasie. Auch auf religiösen Gründen beruhende Heiratsverbote sind in vielen islamischen Staaten und auch in Ägypten in der Rechtsordnung verankert. Diese Regelung ist aus dem islamischen Recht übernommen worden.46 Diese Vorschriften weichen jedoch von den in den Menschenrechtserklärungen vorgegebenen Normen ab. Es konnte gezeigt werden, dass das Recht auf Wechsel der Religion Bestandteil der Religionsfreiheit ist. Heiratsverbote, die mit der Religionszugehörigkeit begründet werden, sind ebenfalls nicht mit den Menschenrechten zu vereinbaren. Es kann auch nicht angenommen werden, dass in diesem Zusammenhang regionales Völkergewohnheitsrecht entstanden ist. Die Entstehung regionalen Völkergewohnheitsrechts setzt voraus, dass sich die Staatenpraxis geändert hat und dass diese von der Staatengemeinschaft akzeptiert wird. Prinzipien des Völkerrechts, hierunter die grundlegenden Menschenrechte, können hierdurch jedoch nicht eingeschränkt werden.47 Schon eine Änderung der Staatenpraxis in den letzten Jahren kann nicht festgestellt werden. Die islamischen Staaten vertraten schon seit ihrer Entstehung eine gegenüber den übrigen Staaten abweichende Haltung bezüglich der Apostasie und Heiratsverboten aus religiösen Gründen. Sie haben dennoch an der Entstehung dieser Normen in Menschenrechtserklärungen mitgewirkt. Auch die Zustimmung der islamischen Staaten zu den Resolutionen der Generalversammlung stellt Staatenpraxis dar, die für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht sehr bedeutsam ist.48 _____________ 45 Siehe oben, 3. Kapitel, B.II. 46 Hierzu siehe oben im 3. Kapitel, B.II. 47 Bernhardt, Customary International Law, EPIL vol. I, S. 898 (901). 48 International Court of Justice, Legal Consequennces for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) Notwithstanding

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

188

S. 188

5. Kap.: Schlussbetrachtung

Auch haben die meisten von ihnen beispielsweise den IPbürgR ratifiziert, obwohl dieser das Recht auf Religionswechsel gewährleistet.49 Diese Ratifizierungspolitik schließt aus, dass eine rechtliche Praxis islamischer Staaten, die nicht mit völkerrechtlichen Standards zu vereinbaren ist, zu abweichenden völkergewohnheitsrechtlichen Standards führt. Ein Staat kann nicht an der Entstehung völkergewohnheitsrechtlicher Normen mitwirken, die einen Verstoß gegen seinen völkervertraglichen Pflichten bedeuten.50 Hinzu kommt, dass die Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag Staatenpraxis ist, die zu der Bildung von Völkergewohnheitsrecht beiträgt.51

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar? In der islamischen Welt wird auch die Sichtweise vertreten, dass beide Rechtssysteme, Menschenrechtsschutzmechanismen und islamisches Recht, durchaus miteinander zu vereinbaren seien.52 Besonderheiten des islamischen Rechts müssten eben nur beachtet werden. Diese Aussage mag vielen westlichen Beobachtern befremdlich erscheinen, wird doch häufig das islamische Recht als völlig unvereinbar mit internationalen Menschenrechtsstandards erachtet. Allerdings ist nicht zu bestreiten, dass das islamische Recht eine Reihe von Menschenrechten enthält. Es mag sein, dass die im islamischen Recht vorgesehenen Rechte nach heutigem Maßstab als völlig unzureichend anzusehen sind. Im zeitlichen Kontext betrachtet ist zu beachten, dass der Umfang der den Angehörigen anderer Religionen gewährten Rechte in der frühislamischen Zeit (vom 7. Jahrhundert an) und noch lange Zeit später beispiellos war. Vermeintlich nehmen westliche Staaten auf dem Gebiet des Menschenrechtsschutzes eine Vorreiterrolle ein. Für manche Autoren liegt es jedoch auf der Hand, dass viele westliche Staaten ihre (oftmals kurzfristigen) politischen Ziele über den Anspruch der Verwirklichung eines effektiven Schutzes der Menschenrechte stellen, umgekehrt sich also nur für Menschenrechte einsetzen, sofern es ihnen zur Umsetzung ihrer politischen Ziele dienlich _____________ Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion of 21 June 1971, ICJ Reports vol. 1971, S. 16 (31). 49 Siehe oben, 2. Kapitel, A.III.2. 50 Bernhardt, Customary International Law, EPIL vol. I, S. 898 (902). 51 International Court of Justice, North Sea Continantal Shelf Cases, Judgment, 20 February 1969, ICJ Reports 1969, S. 3 (42); Danilenko, International Customary Law, GYIL vol. 31 (1988), S. 9 (26 f.). 52 Zu beiden Ansichten siehe Uygun, Are Universal Human Rights and Islamic Law Reconciable? MJHR vol. 6 (2002), S. 297 (297 ff).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar?

S. 189

189

ist.53 Nicht selten enthalten Rechtsordnungen in islamischen Staaten Anknüpfungspunkte an die Religion, mit anderen Worten, es sind also bestimmte Rechte und Pflichten durch die Religion bedingt. Wie im 4. Kapitel am Beispiel Ägyptens aufgezeigt wurde, betreffen Benachteiligungen religiöser Minderheiten alle Bereiche des täglichen Lebens und nicht nur die Ausübung der Religion selbst. Beschränkungen lassen sich nicht nur in streng islamischen Staaten finden, sondern auch in laizistischen Staaten wie der Türkei. In dieser war es beispielsweise bis vor kurzem christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften nicht gestattet, Grund und Boden zu erwerben. Es stellt sich die Frage, ob Menschenrechte und Islam überhaupt miteinander in Einklang gebracht werden können. Islamisches Recht wird häufig in konservativer Art und Weise ausgelegt, so dass man mit Sicherheit zu dem Ergebnis kommt, dass eine entsprechende Vereinbarkeit dieser beiden Rechtsgebiete nicht erzielt werden kann. Hinzu kommt, dass sich dem Betrachter der Eindruck der Kompromisslosigkeit aufdrängt, so etwa im Hinblick die Absolutheit und auch die Stellung des islamischen Rechts in der Hierarchie rechtlicher Normen. Es gibt aber auch eine Reihe islamischer Autoren, die islamisches Recht zeitgenössisch auslegen und so zu einer Vereinbarkeit islamischen Rechts mit aktuellen Menschenrechtsstandards kommen.54 Viele, insbesondere westliche Autoren, gehen von vornherein von der Unvereinbarkeit islamischen Rechts mit Menschenrechten aus.55 Mayer und Tibi kritisieren die Art und Weise, mit der islamische Gelehrte versuchen, Menschenrechte in die islamische Dogmatik einzuarbeiten, als unzureichend. Mayer widerspricht der Ansicht vieler Muslime, dass der Islam eine Quelle der Menschenrechte sei. Vielmehr werde das islamische Recht als Mittel verwendet, um durch internationale Menschenrechtsstandards gewährleistete Garantien einzuschränken.56 Tibi bezeichnet die Rechte christlicher und jüdischer Gläubigen als Religionsfreiheit zweiter Klasse.57 In der islamischen Welt gibt es im Hinblick auf Inhalt und Auslegung islamischen Rechts keine einheitliche Position. Die Bandbreite der Auffassungen zu Inhalt und Auslegung islamischen Rechts reicht von streng konservativ bis hin zu modernen Befürwortern eines säkularen Systems bzw. _____________ 53 Tibi, Islamic Law/Shari’a, Human Rights, Universal Morality and International Relations, HRQ vol. 16 (1994), S. 277 (278). 54 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 161 ff. 55 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 8. 56 Mayer, Islam and Human Rights, S. 71 f. 57 Tibi, Islamic Law/Shari’a, Human Rights, Universal Morality and International Relations, HRQ vol. 16 (1994), S. 277 (291).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

190

S. 190

5. Kap.: Schlussbetrachtung

einer dem zeitgenössischen Kontext gerecht werdenden Auslegung. Dem ist jedoch zuzugeben, dass eine solche fortschrittliche Ausrichtung des islamischen Rechts sich bisher in keinem Staat hat durchsetzen können und dass sie auch in der Wissenschaft kaum vertreten wird. Vor dem Hintergrund der Themenstellung ist das Verhältnis der Religionsfreiheit nach islamischem Recht und nach Völkerrecht zu betrachten. Dabei ist an eine Reihe von Elementen des Menschenrechts der Religionsfreiheit zu denken, bei denen eine solche Vereinbarkeit fraglich erscheint. Zwar werden Angehörigen anderer Religionen Rechte eingeräumt, diese unterscheiden sich jedoch von denen der Muslime wesentlich. Dass Nichtmuslime in der islamischen Jurisprudenz häufig anders als Muslime behandelt wurden, wird häufig zum Anlass genommen, diese Ungleichbehandlung als Benachteiligung der Nichtmuslime zu kritisieren. Diese ist schon im Koran angelegt: Was die Stellung von Nicht-Muslimen im Koran anbelangt, so ist zu konstatieren, dass in den Versen des Korans, die nicht-muslimische Minderheiten zum Gegenstand haben, die negativen Aussagen überwiegen.58 Beispielsweise werden Juden und Christen Höllenstrafen prophezeit. Daneben wird ihnen in verschiedenen Teilen des Korans Verrat und Lüge bezüglich des Propheten und des Islam vorgeworfen.59 Hinsichtlich der Religionsfreiheit der Muslime ist zu konstatieren, dass die Regeln des islamischen Rechts zur Apostasie nicht mit dem Völkerrecht zu vereinbaren sind. Sowohl nach dem IPbürgR (Art. 18 Abs. 2) als auch nach der Resolution gegen religiöse Diskriminierung (Art. 1 Abs. 3) kann die Ausübung der Religion und die Glaubensausübung per Gesetz eingeschränkt werden, soweit es notwendig ist, den ordre public zu erhalten. Es sind jedoch keine Hinweise dafür ersichtlich, die eine solche Notwendigkeit erkennen lassen. Da nur sehr wenige islamische Rechtswissenschaftler für die Straflosigkeit der Apostasie nach islamischem Recht plädieren, ist insgesamt davon auszugehen, dass die Apostasie nach fast allgemeiner Ansicht für strafbar gehalten wird. Diese Ansicht ist mit Völkerrecht nicht zu vereinbaren. Aber hierunter fällt nicht nur die Strafbarkeit selbst. Ebenso wenig mit der Religionsfreiheit zu vereinbaren sind zivilrechtliche Sanktionen, mit denen Apostaten in Ägypten und in anderen islamischen Staaten zu rechnen haben. Sofern die Aufgabe einer Religion durch eine solche nicht vorgesehen oder sogar untersagt ist, muss unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten eine solche Austrittsmöglichkeit geschaffen werden.60 _____________ 58 Noth, Der Islam und die nicht-islamischen Minderheiten, S. 684 (691). 59 Noth, Der Islam und die nicht-islamischen Minderheiten, S. 684 (691).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar?

S. 191

191

Dennoch gehen die meisten muslimischen Autoren mit der im islamischen Recht absolut vorherrschenden Meinung davon aus, dass nach islamischem Recht die Aufgabe der muslimischen Religion nicht gestattet sei. El Morr zum Beispiel argumentiert, dass eine zum Islam konvertierte Person eine bestimmte Entscheidung getroffen habe und dass sie damit auch eine bestimmte Verantwortung übernommen habe. Schließlich werde diese Regel auch nur auf die Konvertiten angewandt, die freiwillig und ohne jeden Zwang zum Islam übergetreten seien. Allerdings erwähnt El Morr nicht diejenigen Muslime, die als Muslime geboren wurden, da ihr Vater dem Islam angehört.61 Vielen islamischen Rechtsgelehrten ist der Widerspruch des islamischen Rechts bewusst, wonach einerseits jeglicher Zwang in der Religion verboten ist (Koran 2:256: „In der Religion gibt es keinen Zwang.“) und andererseits Apostasie strafbar sei und nach mancher Ansicht sogar mit dem Tode zu bestrafen sei. Von manchen Rechtsgelehrten wird dieser Widerspruch aufgelöst, indem die Apostasie nicht als Bestandteil der Religionsfreiheit gesehen wird.62 Wie oben erörtert wurde ein solcher Weg in ähnlicher Weise durch die ägyptische Rechtsprechung beschritten.63 Handlungen, die nicht mit den „allgemeinen System oder den guten Sitten“ miteinander in Einklang zu bringen sind, fallen nicht in den Schutzbereich der durch die Verfassung garantierten Rechte. Diese Ungleichbehandlung zeigt sich auch ganz deutlich anhand des Beispiels der Missionierung. Wie oben erläutert wurde, fürchteten die islamischen Staaten im Falle einer zu weit gefassten Religionsfreiheit Missionierungsbestrebungen von Nicht-Muslimen in ihren Staaten. Zwar ist die Missionierung vom Recht auf Religionsfreiheit umfasst, aber in allen islamischen Staaten ist die Missionierung Angehöriger anderer Religionen bis heute strafrechtlich untersagt beziehungsweise wird anderweitig unterbunden. Soweit in islamischen Staaten die Freiheit, die Religion zu wechseln, anerkannt wird, hat dies nicht automatisch zur Folge, dass andere die Frei_____________ 60 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 15; Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 9 (Glaubensfreiheit), Rn. 10. 61 El Morr, Human Rights in the Constitutional Systems of Egypt and Other Islamic Countries: International and Comparative Standards, S. 161 (195). Auf S. 197 nimmt El Morr ohne weitere Erläuterung an, dass das Menschenrecht der Religionsfreiheit nach islamischem Recht gewährleistet werde, ohne jedoch in seinen Ausführungen zuvor die rechtliche Einstufung Angehöriger anderer Religionen behandelt zu haben. 62 Vgl. Peters/de Vries, Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Bd. 17 (1976/77), S. 1 (21). 63 Siehe oben, 4. Kapitel, F.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

192

S. 192

5. Kap.: Schlussbetrachtung

heit zur Missionierung haben.64 Die Regierung Malaysias hat sich dahingehend geäußert, dass sich das Verbot der Missionierung bei Muslimen nicht negativ auf die Freiheit des Rechts auf Religionswechsel auswirke. Sie hält es weiterhin für rechtmäßig, Missionierungsbestrebungen von NichtMuslimen zu unterbinden.65 Aber auch auf dem Gebiet des Familienrechts enthält das islamische Recht Tatbestände, die mit heutigen Menschenrechtsstandards nicht zu vereinbaren sind. Im Völkerrecht ist es heute allgemein anerkannt, dass aus religiösen Gründen bestehende Heiratsverbote nicht zulässig sind.66 Nach islamischem Recht ist es einem Mann, der nicht Muslim ist, verboten, eine muslimische Frau zu heiraten. Diese Regelung findet in dieser Form auch Anwendung im ägyptischen Recht. Ebenso können Apostaten sowohl nach islamischem Recht als auch nach ägyptischem Recht keine staatlich anerkannten Ehen schließen. Diese Normen sind in dieser Art der Anwendung nicht mit Völkerrecht zu vereinbaren. Anders stellt sich dies jedoch bei der Frage des Minderheitenschutzes dar. Lange Zeit war unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten nicht eindeutig, ob religiöse Minderheiten in den Genuss des Minderheitenschutzes gelangen sollten. Vielmehr kannte man andere Anknüpfungspunkte wie beispielsweise die Staatsangehörigkeit. Im islamischen Recht hingegen ist die Gewährung von Minderheitenrechten in erster Linie durch die Religionszugehörigkeit bedingt. Den Status als ÆimmÐ können nur Angehörige der Buchreligionen erhalten.67 Weitere Voraussetzung für den ÆimmÐ-Status ist, dass diese Personen im islamischen Herrschaftsbereich ihren ständigen Aufenthalt nehmen und dessen „Staatsangehörigkeit“ haben. Auch hier unterscheidet sich das islamische Recht vom Völkerrecht, denn die Staatsangehörigkeit ist nach dem Völkerrecht kein Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer Minderheit. Dass Minderheitenrechte in erster Linie von der Religionszugehörigkeit abhängen, macht sich auch bei dem Gehalt der gewährten Rechte bemerkbar. Diese beziehen sich erster Linie auf Freiheiten zur Ausübung der Religion. Andere Rechte werden Minderheiten nur in einem sehr beschränkten Maße gewährt.

_____________ 64 Stahnke, Proselytism and the Freedom to Change Religion in International Human Rights Law, BYULR vol. 1999, S. 251 (284). 65 UN Doc. E/CN.4/1990/46. 66 Art. 16 Abs. 1 AEMR. 67 Hierzu siehe oben, 3. Kapitel, B.II.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar?

S. 193

193

I. Möglichkeit einer zeitgenössischen Auslegung islamischen Rechts? Bei der Anwendung islamischen Rechts stellt sich das Problem, dass es sich bei diesem um eine vor mehr als 1000 Jahren entstandene Rechtsordnung handelt und seitdem nicht mehr verändert worden ist. Es kann also nur unter Schwierigkeiten in der Gegenwart angewandt werden.68 Aus dem Vorhergesagten lässt sich die Frage ableiten, ob Normen des islamischen Rechts, die ausschließlich aus der Zeit zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert n. Chr. stammen, in einem modernen Kontext auszulegen sein können, so dass sie schließlich doch mit heutigen Menschenrechtsstandards zu vereinbaren sind?69 Für eine zeitgenössische Auslegung plädiert Abdullah An-Na’im:70 Nach seiner Ansicht sind die Normen des islamischen Rechts anhand der gegenwärtigen Lebensumstände zu bewerten und auszulegen. So wie in früherer Zeit das islamische Recht im zeitgenössischen Kontext interpretiert wurde, ist es nach seiner Auffassung ohne weiteres mit dem Islam zu vereinbaren, gegenwärtige Umstände bei der Auslegung der Quellen islamischen Rechts zu berücksichtigen. Weiter schränkt An-Na’im die Anwendbarkeit des Korans ein. Demnach sind die medinensischen Suren in einer besonderen Situation entstanden und nur auf eine Übergangszeit anzuwenden. Mohammed befand sich nach seiner Auswanderung aus Mekka in Medina quasi im Exil. Die Offenbarung der medinensischen Suren ist vor dem Hintergrund dieser besonderen Situation zu betrachten.71 Diese Suren enthalten Verse, die als besonders rigoros gelten. Lediglich die so genannten mekkanischen Suren können daher dauerhafte Anwendbarkeit beanspruchen.72 Allerdings ist nicht ersichtlich, dass islamische Rechtswissenschaftler auch nur annäherungsweise einer solchen unterschiedlichen Gewichtung der Suren folgen. _____________ 68 An-Na’im, Islamic Foundations of Human Rights, S. 337 (346); zu einer möglichen moderaten Auslegung des islamischen Rechts siehe auch Bielefeldt, Facetten der islamischen Menschenrechtsdiskussion, S. 83 (87 f.). 69 An-Na’im, Islamic Foundations of Human Rights, S. 337 (353); An-Na’im, Islamic Law, International Relations, and Human Rights: Challenge and Response, Cornell International Law Journal, vol. 19/20 (1986/87), S. 317 (320). Uygun, Are Universal Human Rights and Islamic Law Reconciable? MJHR vol. 6 (2002), S. 297 (311). 70 An-Na’im, Islamic Foundations of Human Rights, S. 337 (353); An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 52 ff. 71 Hierzu siehe oben, 3. Kapitel, A.I. 72 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 179 f.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

194

S. 194

5. Kap.: Schlussbetrachtung

Als weiteres Beispiel für eine Möglichkeit einer zeitgenössischen Auslegung des islamischen Rechts führt An-Na’im die rechtliche Bewertung der Apostasie an. Während in der frühislamischen Zeit islamische Gelehrte zumeist davon ausgingen, dass Apostaten mit dem Tode zu bestrafen seien und auch heute noch Islamisten die Todesstrafe für Apostaten fordern, kommt An-Na’im mit Hilfe seiner Auslegung zu dem Ergebnis, dass Apostaten nicht zu bestrafen seien. Sein Hauptargument besteht darin, dass die Strafbarkeit der Apostasie in keiner Stelle im Koran angeführt ist. Grundlage der Strafbarkeit der Apostasie ist nach Auffassung der Befürworter der Koranvers 4:137. Der Vers lautet: „Diejenigen, die (zuerst) gläubig, hierauf ungläubig und hierauf (wieder) gläubig waren und hierauf (wieder) ungläubig gewesen sind und hierauf dem Unglauben (immer mehr) verfallen, denen kann Gott unmöglich vergeben, und er kann sie unmöglich auf einen rechten Weg führen.“

Im Gegensatz zu den übrigen Strafandrohungen im Koran ist die Strafbarkeit der Apostasie aber nicht ausdrücklich formuliert. Deshalb ist davon auszugehen, dass sie jedenfalls nicht aus dem Koran abzuleiten ist. Auch der historische Hintergrund spricht gegen die Strafbarkeit der Apostasie. Wie oben bereits erläutert, ist der Hintergrund der Strafbarkeit der Apostasie folgender: Das Auseinanderfallen der islamischen Gemeinschaft, der umma, sollte verhindert werden. Diese war jedenfalls in der frühislamischen Zeit in ihrem Zusammenhalt nicht gefestigt, und war in ihrer Existenz dadurch bedroht, dass ihre Mitglieder zu den nicht-islamischen Stämmen überliefen.73 Es ließe sich also der Schluss ziehen, dass die islamische Gemeinde nicht mehr in ihrer Existenz bedroht ist und damit die Grund der Strafbarkeit der Apostasie nicht mehr gegeben ist. So weit Apostasie in dem Recht islamischer Staaten mit Strafe belegt ist, ist von der Unvereinbarkeit mit internationalen Menschenrechtsstandards auszugehen.74 In den ersten beiden Kapiteln ist ausführlich dargelegt worden, dass das Recht auf Aufgabe der Religion durch das Völkerrecht gewährleistet ist. Diese Auffassung vertrat auch die Menschenrechtskommission in ihren General Comment zu Art. 18 IPbürgR.75 Eine liberale beziehungsweise moderne Auslegung islamischen Rechts kann damit durchaus zu einer solchen Vereinbarkeit gelangen.76 _____________ 73 Noth, Früher Islam, S. 1 (58 f.). 74 Zu diesem Ergebnis kommen eine Vielzahl von Autoren; vgl. nur Stahnke, Proselytism and the Freedom to Change Religion in International Human Rights Law, BYULR vol. 1999, S. 251 (284). 75 UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.1 (1989). 76 An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 44.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar?

S. 195

195

Die Beantwortung der Frage nach der Vereinbarkeit von islamischem Recht und internationalen Menschenrechtsstandards hängt im Wesentlichen davon ab, auf welche Art und Weise die Normen des islamischen Rechts auszulegen sind. Dessen meist konservative Auslegung wird auch mit den Worten kritisiert, dass nicht Gott fanatisch sei, aber die Rechtsgelehrten.77

II. Systematische Auslegung des islamischen Rechts im Kontext der Menschenrechte Ein weiterer Ansatzpunkt, zu einer Vereinbarkeit von islamischem Recht und internationalen Menschenrechtsstandards zu kommen, liegt darin, islamisches Recht nicht als Grundlage eines Rechtssystems zu verwenden, sondern den Islam auf seine Rolle als Religion und auf seine religiösen Werte zu beschränken. Unter dieser Prämisse versuchte Mohammed Iqbal,78 die Theorie einer modernen muslimischen Gesellschaft zu entwickeln.79 Daneben könnte man an eine Beeinflussung des religiösen Rechts im Rahmen der Entwicklung der Menschenrechte durch diese denken. Aus islamischer Sicht ist hieran jedoch problematisch, dass die Menschenrechte weltliches Recht darstellen, welches im Rang unter dem religiösen Recht steht und deshalb nicht zur Auslegung religiösen Rechts herangezogen werden kann. Die Vertreter dieser Argumentation stehen deshalb in der Regel auf dem Standpunkt, dass völkerrechtlich garantierte Menschenrechte nur soweit Anwendung finden können, als sie nicht im Widerspruch zum islamischen Recht stehen. Ihre Schlussfolgerung besteht nicht darin, islamisches Recht im modernen Kontext auszulegen und anzuwenden, sondern sie kommen zu dem Schluss, dass Muslime nicht an die in Menschenrechtsinstrumenten festgelegten Rechte gebunden seien.80 Aufgrund der universellen Geltung der Menschenrechte führt dies jedoch dazu, dass islamisches Recht und Menschenrechte nicht miteinander zu vereinbaren sind.

_____________ 77 Charfi, Les États musulmans et les droits de l’homme, S. 991 (1005). 78 Muhammad Iqbal war ein pakistanischer Dichterphilosoph, der im Jahre 1930 auf einem Kongress der Weltmuslimliga die Idee eines muslimischen Nordweststaates auf dem indischen Subkontinent vorstellte. 79 Vgl. Forte, Studies in Islamic Law, S. 148. 80 Tabandeh, Muslim Commentary, S. 18 ff. und 35 ff.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

196

S. 196

5. Kap.: Schlussbetrachtung

III. Notwendigkeit der Trennung von Staat und Religion? Im Zuge der Dekolonisierung spielte das islamische Recht in vielen jungen islamischen Staaten nur eine marginale Rolle. Das Staatsrecht, beispielsweise im Hinblick auf den rechtlichen Status von religiösen Minderheiten, hatte sich in vielen Staaten vom islamischen Recht entfernt. Die Begriffe Êizya und ÆimmÐ 81 kommen in den meisten Rechtssystemen islamischer Staaten nicht mehr vor.82 In den letzten Jahren ist die Entwicklung hin zu einer Säkularisierung des Rechts in islamischen Staaten gestoppt worden; die islamische Religion und das islamische Recht selbst gewinnen in den Rechtssystemen islamischer Staaten zunehmend an Bedeutung.83 Als Beispiel wurde die ägyptische Verfassung angeführt, die vom Jahre 1971 an auf die Scharia als eine der Quellen der Gesetzgebung verwies und seit dem Jahre 1980 die Hauptquelle der Gesetzgebung ist. Dadurch dass jedenfalls teilweise das islamische Recht Bestandteil nationaler Rechtsordnungen in islamischen Staaten ist und diese gleichzeitig als Mitglieder von Menschenrechtsverträgen und als Völkerrechtssubjekte an das einschlägige Völkervertrags- und -gewohnheitsrecht gebunden sind, stellt sich die Frage, ob die Trennung von Staat und Religion unabdingbar ist. Die vollständige Gewährleistung der Religionsfreiheit kann nach Auffassung insbesondere westlicher Beobachter lediglich dann garantiert werden, wenn Staat und Religion getrennt werden.84 Ziel der Errichtung eines säkularen Systems ist es, dass in einem Staat nicht die eine gegenüber der anderen Religion bevorzugt wird, zum Beispiel durch eine entsprechende Steuergesetzgebung.85 In den westlichen Staaten sind Religion und Staat grundsätzlich getrennt. Die Menschenrechte beruhen zwar nicht auf einer solchen Trennung, allerdings ging man bei Abfassung von Resolutionen und der Menschenrechtspakte eher von der Trennung von Staat und Religion aus.86 In praktisch allen islamischen Staaten, mit Ausnahme der Türkei, existiert keine voll_____________ 81 Hierzu oben 3. Kapitel, B.II. 82 Charfi, Islam et droits de l’homme, Islamochristiana, vol. 9 (1983), S. 13 (22). 83 Charfi, Les États musulmans et les droits de l’homme, S. 991 (999). 84 Vgl. Lemke, Religionsfreiheit als Menschenrecht, S. 126; so zum Beispiel Davis, The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right, S. 217 (235 f.), der für eine Trennung von Kirche und Staat plädiert. 85 El Morr, Human Rights in the Constitutional Systems of Egypt and Other Islamic Countries: International and Comparative Standards, S. 161 (193). 86 Yousif, Islam, Minorities and Religious Freedom: A Challenge to Modern Theory of Pluralism, JMMA vol. 20 (2000), S. 29 (30).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar?

S. 197

197

ständige Trennung von Staat und Religion. In diesen wird die Einrichtung eines säkularen Systems nicht angestrebt und ließe sich wohl auch kaum durchsetzen. Dies hängt eng mit dem Verständnis des Verhältnisses zwischen Staat und Religion aus islamischer Perspektive zusammen und hat historische Gründe. Wie oben bereits erläutert wurde, ging die Entstehung des Islams mit der Herausbildung einer politischen Gemeinschaft einher.87 Der Anführer der Gläubigen war zugleich das Oberhaupt des Staates. Die Trennung von Staat und Religion war damit dem Islam ein unbekanntes Phänomen, und ursprünglich existierte im Arabischen kein Wort für Säkularismus.88 Auch wird vertreten, dass eine solche Trennung nicht mit islamischem Recht zu vereinbaren ist.89 Es lässt sich die Frage aufwerfen, ob nicht der Versuch manches islamischen Staates, eine Trennung von Staat und Religion zu verwirklichen oder auch nur anzustreben, nicht ein Irrweg ist, da eine solche Trennung niemals nach islamischem Recht existierte. Das islamische Recht betrifft eben nicht nur religiöse Angelegenheiten, sondern enthält eine Reihe zivil- und strafrechtlicher Regelungen, die weit in den Alltag hineinreichen. Damit stellt sich die Frage, ob in einem islamischen Staat die nicht vorhandene Trennung von Religion und Staat ohne weiteres die Unvereinbarkeit des Systems mit Völkerrecht bedeutet. Soweit in islamischen Staaten aber Menschenrechtsverletzungen konstatiert werden, hängen diese aber nicht mit der nicht vorhandenen Trennung von Staat und Religion zusammen. Diese beruhen vielmehr auf einer Anwendung des islamischen Rechts, die, wie beispielsweise in Ägypten, nicht mit Völkerrecht zu vereinbaren ist. Daraus folgt dann auch, dass die Trennung von Religion und Staat nicht notwendig Voraussetzung der Vereinbarkeit einer Rechtsordnung mit Menschenrechtsinstrumenten ist.90 Ferner ist es mit völkerrechtlichen Vorgaben ohne weiteres zu vereinbaren, religiöses Recht in das nationale Recht zu implementieren.91

IV. Die Festlegung einer Religion als Staatsreligion In einer Reihe islamischer Staaten ist der Islam zur Staatsreligion erhoben worden. Der Grund hierfür liegt einmal darin, dass islamische Staaten in der _____________ 87 Siehe oben, 3. Kapitel, A.II. 88 Lewis, The Political Lanugage of Islam, S. 2 f. 89 Talbi, Religious Liberty: A Muslim Perspective, S. 175 (176). 90 Sullivan, Gender Equality and Religious Freedom: Toward a Framework for Conflict Resolution, NYUJILP vol. 24/I (1991/92), S. 795 (806). 91 Sullivan, Gender Equality and Religious Freedom: Toward a Framework for Conflict Resolution, NYUJILP vol. 24/I (1991/92), S. 795 (810).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

198

S. 198

5. Kap.: Schlussbetrachtung

Regel keine Säkularisierung anstreben; zum anderen soll eine entsprechende Norm in der Verfassung Identität stiftend wirken.92 Es stellt sich die Frage, ob dies mit der Religionsfreiheit zu vereinbaren ist beziehungsweise welche Konsequenzen sich hieraus ergeben. Jedenfalls muss die Erhebung einer Religion zur Staatsreligion nicht notwendigerweise zur Folge haben, dass Angehörige anderer Religionen in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sind oder dass dies mit Benachteiligungen verbunden ist.93 Ganz überwiegend ist dies jedoch der Fall. So stellte der Dritte Ausschuss der UN-Generalversammlung in einer Resolution fest, dass Staaten, die eine Religion offiziell zur Religion des Staates erklärt haben, dazu neigen, Minderheiten in der Ausübung ihrer Religion einzuschränken; dies geschieht auch in asiatischen und afrikanischen Staaten die nicht-islamischen Minderheiten betreffend.94 Der Rahmen des Menschenrechtes der Religionsfreiheit kann jedoch nicht davon abhängen, wie er durch traditionelle Religionen vorgegeben worden ist.95 Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat hierzu festgestellt, dass die Tatsache, dass eine Religion eine Staatsreligion ist, nicht als Ermächtigung dazu dienen darf, Rechte anderer, die diese nicht anerkennen, einzuschränken.96 Als Beispiele führt der Ausschuss die Wählbarkeit in die Regierung oder die Gewährleistung wirtschaftlicher Vorteile an.97 Der Ausschuss erklärt jedoch nicht, dass allein die Tatsache, dass eine bestimmte Religion durch die Verfassung zur Staatsreligion bestimmt wurde, per se mit der Religionsfreiheit unvereinbar sei.98 Eine Staatskirche bezie_____________ 92 Ebert, Die Interdependenz von Staat, Verfassung und Islam im Nahen und Mittleren Osten in der Gegenwart, S. 123. 93 Capotorti, Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/384/Add.2, paras. 62 ff.; Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 47 f.; hierzu auch Richter, Relativierung universeller Menschenrechte durch Religionsfreiheit, S. 89 (183 f.). 94 Elimination of All Forms of Intolerance, UN Dok, A/RES/54/386, para. 132 lit. d. 95 UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.1 (1989) General Comment No. 22 (48) zu Art. 18 IPbürgR. 96 General Comment No. 22 (1948) on Article 18/Freedom of Thought, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add. 4, 20 Juli, 1993, para. 9, abgedruckt in: HRLJ vol. 15 (1994), S. 233 f.; siehe auch UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1987/26, Rn. 83 ff.; Krishnaswami, Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/200/Rev.1, S. 46 f. 97 UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add. 4, 20 Juli, 1993, para. 9, abgedruckt in: HRLJ vol. 15 (1994), S. 233 f. 98 UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add. 4, 20 Juli, 1993, para. 9, abgedruckt in: HRLJ vol. 15 (1994), S. 233 f.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

D. Sind Menschenrechte und Islam miteinander vereinbar?

S. 199

199

hungsweise die Aufnahme einer Staatsreligion in die Verfassung eines Staates steht nicht im Widerspruch zur Religionsfreiheit, wenn die Angehörigen anderer Religionen ihre Religion ausüben können und kein Zwang zu einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion ausgeübt wird.99 Die Festlegung des Islams als Staatsreligion steht also dann im Widerspruch zur Religionsfreiheit, wenn dies mit nicht zu rechtfertigenden Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit oder anderweitiger Diskriminierung verbunden ist. Andererseits kann die Ausrufung einer Staatsreligion nicht Ausdruck der Religionsfreiheit sein. Es ist zu berücksichtigen, dass sich nur Individuen oder Gruppen und nicht Staaten auf Menschenrechte, in diesem Fall auf die Religionsfreiheit, berufen können. Allerdings kann die Ausrufung einer Religion als Staatsreligion als Form der Konkretisierung des Selbstbestimmungsrechts gesehen werden.100 Das Gleiche gilt auch für die Implementierung religiöser Gesetze in nationale Rechtsordnungen. Letztlich wird es darauf ankommen, welche konkreten rechtlichen Folgen mit der Festlegung einer Staatsreligion verbunden sind. Die Grundlage des Selbstbestimmungsrechts ist mit der so genannten Friendly-Relations-Resolution begründet worden. Demnach haben alle Völker das Recht, ihren politischen Status zu bestimmen, woraus auch das Recht folgt, sich ein politisches System zu geben.101 Soweit die Bestimmung einer bestimmten Staatsreligion keine negativen Konsequenzen für religiöse Minderheiten hat und beispielsweise mit religiöser Diskriminierung verbunden ist, kann man davon ausgehen, dass eine solche Festlegung mit Völkerrecht zu vereinbaren ist. Nach Art. 2 ägVerf ist der Islam ägyptische Staatsreligion. In Ägypten stellt sich die Lage so dar, dass aufgrund von Art. 2 ägVerf die Religionsfreiheit von Angehörigen anderer Religionen konkret beeinträchtigt wird.102 Im 4. Kapitel wurde beispielsweise herausgearbeitet, dass im Falle der Anwendung religiösen Rechts nur unter sehr strengen und schwierig zu erfüllenden Voraussetzungen nicht-islamisches Recht zur Anwendung kommen _____________ 99 Nowak, CCPR-Kommentar, Art. 18, Rn. 16; Frowein, in: Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 9 (Glaubensfreiheit), Rn. 2. 100 Ähnlich Sullivan, Gender Equality and Religious Freedom: Toward a Framework for Conflict Resolution, NYUJILP vol. 24/I (1991/92), S. 795 (805); An-Na’im, Islamic Law, International Relations, and Human Rights: Challenge and Response, Cornell International Law Journal, vol. 19/20 (1986/87), S. 317 (318 f.); An-Na’im, Toward an Islamic Reformation, S. 9; Arzt, The Treatment of Religious Dissidents Under Classical and Contemporary Islamic Law, S. 387 (424). 101 Declaration on Principles of International Law Concerning Friendly Relations and Co-operation among States in Accordance with the Charter of the United Nations vom 24. Oktober 1970, UN Doc. GA Res. 2625 XXV (1970). Die Erklärung wurde im Konsens angenommen. 102 Siehe hierzu oben 4. Kapitel, F.II.

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

200

S. 200

5. Kap.: Schlussbetrachtung

kann. Allerdings ist hiervon nicht nur die Anwendung religiösen Rechts betroffen, sondern der Islam als Staatsreligion bringt für Angehörige anderer Religionen insgesamt Benachteiligungen mit sich. Wie oben gezeigt wurde, stehen religiösen Minderheiten religiöse Rechte auch in den Staaten (bspw. Ägypten) zu, in denen der Islam zur Staatsreligion erklärt worden ist. Allerdings konnte im Rahmen dieser Untersuchung auch gezeigt werden, dass Benachteiligungen religiöser Minderheiten in Ägypten direkt mit der Position des Islam als Staatsreligion zusammenhängen. In nicht wenigen islamischen Staaten ist die Möglichkeit, ein politisches Amt zu bekleiden, an die Bedingung geknüpft, dem Islam anzugehören.103 So wird die Etablierung der islamischen Religion als Staatsreligion von den ägyptischen Gerichten zum Anlass genommen, den Begriff des ordre public nach islamischen Prinzipien zu formulieren. Die Heranziehung des islamischen Rechts zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes des ordre public hat für die Angehörigen nicht-islamischer religiöser Minderheiten weitreichende Folgen. Im Falle der Anwendung nicht-islamischen Rechts beispielsweise unterliegt diese den Vorgaben des islamischen Rechts. Nicht-islamisches Recht kann nur insoweit angewendet werden, wie diese Anwendung nicht dem islamischen Recht widerspricht. Für die Angehörigen derjenigen Religionen, die vom Islam nicht anerkannt werden, wie beispielsweise polytheistische Religionen oder Sekten, hat die Auslegung des Begriffes des ordre public im islamischen Kontext zur Folge, dass den Angehörigen dieser Religionen die religiösen Rechte praktisch entzogen werden. Nach Auffassung der ägyptischen Rechtsprechung fallen sie nicht in den Schutzbereich der Religionsfreiheit (Art. 46 ägVerf).

_____________ 103 In einer Reihe islamischer Staaten muss das Staatsoberhaupt dem Islam angehören, beispielsweise in Pakistan (Art. 41 Abs. 2 der Verfassung) oder in Malaysia (Art. 34 der Verfassung).

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 201

Literaturverzeichnis I. Arabischsprachige Literatur AbÙ DawÙd, Sunan, Beirut, ohne Jahresangabe ÝAbbÁs ŠawmÁn, al-ÝalaqÁt al-duwalÐya fÐ-l-šarÐÝa al-islÁmÐya, Kairo 1999 ÝAbd al-ÝAzÐz MuÎammad SirÎÁn, al-ni×Ám al-qanÙn li-l-ÝalaqÁt dÙwalÐya fÐ-l-dustÙr ÊumhÙrÐya maÒr al-ÝarabÐ, al-maÊalla al-miÒrÐya li-l-qanÙn al-dÙwalÐ (Revue Egyptienne de Droit International), tome 29 (1973), S. 1–42

ÝAbd al-ÍamÐd NiÊÁšÐ ÝAbd al-ÍamÐd ZahÐrÐ, mÁhÐya mabÁdÐÞ al- šarÐÝa al-islÁmÐya wa a×ruhÁ ÝalÁ dustÙrÐya al-nuÒÙÒ al-tašrÐÝÐya fÐ Ûall al-dustÙr al-ÎÁlÐ, maÊalla hÐya qiÃÁyÁ al-dawla, al-sanna al-sÁdisa wa-l-arbÝaÙn, ÞabrÐl – yÙnÐ 2002, S. 77–111

AÎmad AbÙ-l-WafÁ, kitÁb al-ÝilÁm bi-qawÁÝid al-qÁnÙn al-dÙwalÐ wa-l-ÝalaqÁt al-dÙwalÐa fÐ šarÐÝa al-islÁm, al-ÊuzÞ al-sÁdis: ÎuqÙq al-insÁn fÐ-l- šarÐÝa al-islÁmÐya, Kairo 2001

Al-BuÌÁrÐ, ÑaÎÐÎ al-BuÌÁrÐ, Thesaurus Islamicus Foundation, Vaduz/Liechtenstein 2001

BadrÁn AbÙ al-ÝAÐnayÙn BadrÁn, al-ÝalaqÁt al-ÊamÁÝÐya baÐna al-muslÐmÐn wa ÈaÐr muslÐmÐn (fÐ-l- šarÐÝa al-islÁmÐya wa-l-yuhÙdÐya wa-l-masÐÎÐya wa-l-qanÙn, Beirut 1986

FÁrÙq ÝAbd al-Barr, dawr maÊlis al-dawla al-miÒrÐ fÐ ÎimÁya al-ÎuqÙq wa-l-ÎurrÐyÁt alÝÁma, al-ÊuzÞ al-×ÁnÐ, al-QÁhira (Kairo) 1991 – dawr maÎkama al-dustÙrÐya al-miÒrÐya fÐ ÎimÁya al-ÎuqÙq wa-l-ÎurrÐyÁt, al-QÁhira (Kairo) 2004

ÍafÐÛ ÝAkdÁdÁdÐ, ÃamÁnÁt ÎimÁya ÎuqÙq al-insÁn fÐ iÔÁr al-tanÛÐm al-dÙwalÐ al-iqlÐmÐ alawrubÐ wa-l-ÝarabÐ, Kairo 2002

ÍusÁm al-dÐn KÁmil al-AhwanÐ, šarÎ mabÁdiÞ al-aÎwÁl šaÌÒÐya, šarÐÝat al-aqbÁÔ alur×ÙÆaksu, Kairo 1972 ok

Ibn IbrÁhÐm ÝAlÐ BadawÐ al-ŠaÐÌ: NafÁÆ al-tazÁmÁt maÒr al-dawlÐya fÐ maÊÁl ÎuqÙq alinsÁn fÐ-l-niÛÁm al-qanÙnÐ al-maÒrÐ, al-QÁhira (Kairo) 2002

MaÎmÙd ŠarÐf BayÙnÐ, ÎuqÙq al-insÁn, al-muÊallad al-×ÁnÐ, dirÁsÁt Îawla al-wa×Áiq alÝalÁmÐya wa-l-aqlÐmÐya, 2. Auflage, Beirut 1998

ManÒÙr b. YÙnus b. Ïdris al-BahÙtÐ, šarÎ muntahaÞ al-idÁrÁt, al-ÊuzÞ al-×Áli×, al-QÁhira (Kairo) 1985

MasÝÙd al-KasÁnÐ, kitÁb badÁÞiÝ al-ÒanÁÞiÝ, 2. Auflage, Beirut 1986

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

202

S. 202

Literaturverzeichnis

MuÎammad ÝAbd al-Malik al-Mutawakkil, al-islÁm wa ÎuqÙq al-insÁn, markaz dirÁsa alwaÎda al-ÝarabÐ, S. 93–115

MuÎammad al-ŠaybÁnÐ, tabÐÐin al-masÁlik šarÎ tadrÐb al-sÁlik ilÁ aqrab al-masÁlik, alºuz al-rÁbiÝ, Kairo 1990

ÑalÁÎ al-DÐn ÝÀmr, muqaddima li-dirÁsa al-qanÙn al-duwalÐ al-ÝÁmm, Kairo 2003

II. Weitere Literatur Abdel Haleem, Mohamed: Human Rights in Islam and the United Nations Instruments, in: Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 435–453 Abdelhamid, Hassan: Tradition, Renaissance et droit dans la societé égyptienne moderne, in: Les droits fondamentaux, sous la direction de Jacques-Yvan Morin, Brüssel 1997, S. 181–198 Abu-Sahlieh, Sami A. Aldeeb: La définition internationale des droits de l’homme en Islam, Revue générale de droit international public, tome 89 (1985), S. 625–716 – Les musulmans face aux droits de l’homme, Bochum 1994 – L’impact de la religion sur l’ordre juridique: cas de l’Egypte, non musulmans en pays d’islam, Fribourg, 1979 – Le délit d’apostasie aujord’hui et ses conséquences en droit arabe et musulman, Islamochristiana, Volume 20 (1994), S. 93–116 Achour, Ben Rafâa: L’État de Droit en Tunisie, in: Ahmed Mahiou, L’État de droit dans le monde arabe, Paris 1997, S. 245–256 Adams, Nathan A. IV: A Human Rights Imperative: Extending Religious Liberty Beyond the Border, Cornell International Law Journal, Volume 33 (2000), S. 1–66 Afshari, Reza: An Essay on Islamic Cultural Relativism in the Discourse of Human Rights, Human Rights Quarterly, Volume 16 (1994), S. 235–276 Agate, Pierre-Sateh: L’Arabie Saoudite, in: Ahmed Mahiou, L’État de droit dans le monde arabe, Paris 1997, S. 355–371 Alfredsson, Gudmundur/Eide, Asbjörn: The Universal Declaration of Human Rights – A Common Standard of Achievement, The Hague/Boston/London, 1999 Alfredsson, Gudmundur/de Zayas: Alfred, Minority Rights: Protection by the United Nations, Human Rights Law Journal, Volume 14 (1993), S. 1–9 Alston, Philip/Quinn, Gerard: The Nature and Scope of States’ Parties Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, Human Rights Quarterly, Volume 9 (1987), S. 156–229 Amer, S.: Public International Law, in: Egypt and Its Laws, Natalie BernardMaugiron/Baudouin Dupret (Hrsg.), London/The Hague/New York 2002, S. 377–391

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 203

203

Amor, Abdelfattah: La place de l’Islam dans les constitutions des États arabes, in: Gérard Conac et Abdelfattah Amor, Islam et droits de l’homme, Paris 1994, S. 13–24 – Verfassung und Religion in den muslimischen Staaten (Teil I) Gewissen und Freiheit, Nr. 49 (1997), S. 46–62; Die Stellung des Staates (Teil II), Nr. 50 (1998), S. 117–134; Die Gesetzgebung des Staates (Teil III), 53–68; Die Stellung des Individuums (Teil IV), Nr. 52 (1999), S. 34–48 Arzt, Donna E.: The Treatment of Religious Dissidents Under Classical and Contemporary Islamic Law, in: J. Witte and J. D. van der Vyver (eds.), Religious Human Rights in Global Perspective, The Hague u.a., 1996, S. 387–453 – Heroes or Heretics – Dissidents Under Islamic Law, Wisconsin International Law Journal, Volume 14 (1996), S. 349–421 Ayoub, Mahmoud: Religious Freedom and the Law of Apostasy in Islam, Islamochristiana, Volume 20 (1994), S. 75–91 Baderin, Masood A.: International Human Rights and Islamic Law, New York/Oxford, 2003 Bälz, Kilian: Eheauflösung aufgrund von Apostasie durch Popularklage: der Fall Abû Zayd, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, 16. Jahrgang (1996), S. 353–356 – Shari’a and Qanun in Egyptian Law: A Systems Theory Approach to Legal Pluralism, School of Oriental and African Studies, University of London, Working Paper No. 13, March 1996 – Islamisches Recht, staatliche Rechtsetzung und verfassungsgerichtliche Kontrolle, Der ägyptische Verfassungsgerichtshof und der Schleier in staatlichen Schulen (Urt. 8/17 vom 18.5.1996), Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Band 57 (1997), S. 229–242 – Die Popularklage zur Verteidigung der „Rechte Gottes“: Hisba im heutigen Ägypten, Verfassung in Recht und Übersee, Band 31 (1998), S. 60–69 Bassiouni, Cherif M./Badr, Gamal M.: The Shari’a: Sources, Interpretation, and Rule-Making, UCLA Journal of Islamic and Near Eastern Law, Volume 1 (2002), S. 135–181 Bayer, Frank: Das System der deutschen Handelsverträge von 1853 und 1914, Berlin 2004 Benchikh, Madjid: Sous-Développement et spécifité culturelle dans la justification de l’État autoritaire, in: l’État de droit dans le monde arabe, Paris 1997, S. 51–73 Berger, Maurits S.: Conflicts law and Public Policy in Egyptian Family Law: Islamic Law Through the Backdoor, American Journal of Comparative Law, Volume 50 (2002), S. 555–594 – Public Policy and Islamic Law: The Modern Dhimmi in Contemporary Egyptian Family Law, Islamic Law and Society, Volume 8 (2001), S. 88–101

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

204

S. 204

Literaturverzeichnis

– Apostasy and Public Policy in Contemporary Egypt: An Evaluation of Recent Cases from Egypt’s Highest Courts, Human Rights Quarterly, Volume 25 (2003), S. 720–740 Bernand, M.: IdjmÁÝ, Encyclopedia of Islam, Edited by B. Lewis u.a., Volume III, S. 1023–1026, Leiden/London 1971 – KiyÁs, Encylopedia of Islam, Volume IV, Edited by E. van Donzel u.a., Leiden 1978, S. 238–242 Bernard-Maugiron, Nathalie: Le politique à l’Épreuve du judiciaire: La justice constitutionelle en Égypte, Bruxelles 2003 Bernhardt, Rudolf: Customary International Law, Encyclopedia of Public International Law, Volume I, Amsterdam 1992, S. 898–905 Bielefeldt, Heiner: Muslim Voices in the Human Rights Debate, Human Rights Quarterly, Volume 17 (1995), S. 583–617 – Facetten der islamischen Menschenrechtsdiskussion, in: Andreas Zimmermann (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, Berlin 2006, S. 83–96 Binswanger: Türkei, in: Ende, Werner und Steinbach, Udo (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 4. Auflage, München 1996, S. 217–225 Blanc, Francois-Paul: Le droit musulman, Paris, 1995 Borrmans, Maurice: Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und den jüngsten Menschenrechtserklärungen im Islam, Gewissen und Freiheit Nr. 54 (2000), S. 27–49 – Convergences et divergences entre la déclaration universelle des droits de l’homme de 1948 et les récentes déclarations des droits de l’homme dans l’Islam, Islamochristiana, Volume 25 (1999), S. 1–17 Bossuyt, Marc: La Convention des Nations Unies sur les droits de l’enfant, Revue Universelle des Droits de l’Homme, tome 2 (1990), S. 141–144 Botiveau, Bernard: Islamiser le droit? L’exemple égyptien, Maghreb Machrek, Volume 126 (1989), S. 5–24 van Boven, Theo: Religious Freedom in International Perspective: Existing and Future Standards, in: Jürgen Jekewitz u.a. (Hrsg.), Des Menschen Recht zwischen Freieheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag, Berlin 1989, S. 108–123 – Elimination of all Forms of Intolerance and Discrimination Based on Religion or Belief, Working Paper, UN Dok. E/CN.4/Sub.2/1989/32 – The Petition System under the International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination – A Sobering Balance-sheet, Max Planck Yearbook of United Nations Law, Volume 4 (2000), S. 271–287 Boyle, Kevin: Freedom of Thought, Freedom of Conscience, Freedom of Religion, and Freedom of Belief as Internationally Protected Rights: What is Agreed and what is not Agreed, in: Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 373–392

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 205

205

– Human Rights in Egypt: International Commitments, in: Human Rights and Democracy – The Role of the Supreme Constitutional Court of Egypt, Kevin Boyle und Adel Omar Sherif (Hrsg.), London/The Hague/Boston 1996, S. 87–114 Boyle, Kevin/Sherif, Adel Omar: The Road to the 1971 Constitution – A Brief Constitutional History of Modern Egypt, in: Human Rights and Democracy – The Role of the Supreme Constitutional Court of Egypt, in: Kevin Boyle/Adel Omar Sherif (Hrsg.), London/The Hague/Boston, 1996, S. 4–12 Brems, Eva: Human Rights: Universality and Diversity, The Hague/Boston/London 2001 Brown, D. W.: Sunna, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume IX, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden 1997, S. 878–881 Brown, Nathan J.: Islamic Constitutionalism in Theory and Practice, Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 491–505 Cahen, Cl.: Dhimma, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume II, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1965, S. 227–231 Cahen, Cl./Talbi, M.: Íisba, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume III, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1971, S. 485–489 Capotorti, Francesco: Study on the Rights of Persons Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Dok. E/CN.4/Sub.2/384 (1977) Carra de Vaux, B./Schacht, J.: Íadd, Encyclopedia of Islam, Volume III, New Edition, Edited by B. Lewis u.a., S. 20–21 Caspar, Robert: Les déclarations islamiques des droits de l’homme, Islamochristiana, Volume 9 (1983), S. 59–102 Charfi, Mohamed: Islam et droits de l’homme, Islamochristiana, Volume 9 (1983), S. 13–24 – Les États musulmans et les droits de l’homme, in: Festschrift für Boutros Boutros-Ghali, Liber Amicorum Discipilorumqua – Peace, Development Democracy, Brüssel 1998, S. 991–1017 – L’influence de la religion dans le droit international privé des pays musulmans, Recueil des Cours, Tome 203 (1987-III), S. 321–454 Chaumont, E.: Al-ShÁfiÝÐ, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume IX, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden 1997, S. 181–185 – Al-ShÁfiÝiyya, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume IX, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden 1997, S. 185–189 – Al-ShaybÁnÐ, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume IX, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden 1997, S. 392–394 Chinkin, Christine: Reservations and Objections to the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, in: Gardner, J. P. (Hrsg.): Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt Out: Reservations and Objections to Human Rights Conventions, London 1997, S. 64–84

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

206

S. 206

Literaturverzeichnis

Clark, Roger S.: The United Nations and Religious Freedom, New York University Journal of International Law and Politics, Volume 11 (1978), S. 197–225 Cohen, Cynthia Price: United Nations Convention on the Rights of the Child, International Commission of Jurists – The Review, Nr. 44 (1990), S. 36–41 Combalía, Zoila: El derecho de libertad religiosa en el mundo islamico, Pamplona 2001 McConnell, Michael W.: Religious Freedom, Separation of Powers, and the Reversal of Roles, Brigham Young University Law Review, Volume 2001, S. 611–617 Connors, Jane: The Women’s Convention in the Muslim World, in: Gardner, J. P. (Hrsg.): Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt Out: Reservations and Objections to Human Rights Conventions, London 1997, S. 85–103 Conti, Bartolomeo: Universality of Rights Tested by Cultures: Islamic and Arab Declarations on Human Rights, Mediterranean Journal of Human Rights, Volume 6 (2002), S. 143–182 Cottart, N.: MÁlikiyya, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume VI, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden 1991, S. 278–283 Dadrian, Vahakn N.: Genocide as a Problem of National and International Law: The World War I Armenian Case and Its Contemporary Legal Reflections, Yale Journal of International Law, Volume 14 (1989), S. 221–334 Danchin, Peter G.: U.S. Unilateralism and the International Protection of Religious Freedom: The Multilateral Alternative, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 41 (2002), S. 33–135 Danilenko, Gennady M.: International Customary Law, German Yearbook of International Law, Volume 31 (1988), S. 9–47 Davis, Derek H.: The Evolution of Religious Freedom as a Universal Human Right: Examinig the Role of the 1981 United Nations Declaration on the Elimination of All Forms of Intolerance and of Discrimination Based on Religion or Belief, Brigham Young University Law Review, Volume 2002, S. 217–236 Dickinson, E.: UÒÙl al-Fiþh, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume X, Edited by P. J. Bearman, Leiden 2000, S. 931–934 Dilger, Konrad: Die Entwicklung des islamischen Rechts, in: Schröder, Christel Matthias, Die Religionen der Menschheit, Band 25 (III), Der Islam: Islamische Kultur – Zeitgenössische Strömungen – Volksfrömmigkeit, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, S. 60–99 Dorsch, Gabriele: Die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, Berlin 1994 Duparc Fouques, Jacques: La protection des minorités de race, de langue et de religion, Paris 1922 Dupret, Baudouin: „La charia est la source de la religion“: Interprétations jurisprudentielles et théories juridiques, in: Ahmed Mahiou, L’État de droit dans le monde arabe, Paris 1997, S. 125–142

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 207

Literaturverzeichnis

207

Ebert, Hans-Georg: Die Interdependenz von Staat, Verfassung und Islam im Nahen und Mittleren Osten in der Gegenwart, Frankfurt a.M. 1991 – Arabische Verfassungen und das Problem der „islamischen Menschenrechte“, Verfassung in Recht und Übersee, Band 30 (1997), S. 520–532 Ermacora, Felix: Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, Wien 1988 – Glaubens- und Gewissensfreiheiheit nur eine innere Angelegenheit des Staates?, in: Grulich (Hrsg.), Religions- und Glaubensfreiheit als Menschenrechte, München 1980, S. 49–54 – The Protection of Minorities Before the United Nations, Recueil des Cours, Tome 182 (1983-IV), S. 247–370 El Fadl, Khaled Abou: Islamic Law and Muslim Minorities: the Juristic Discourse on Muslim Minorities from the Second/Eighth to the Eleventh/Seventeenth Centuries, Islamic Law and Society, Volume 1 (1994), S. 141–187 Fahmi, Aziza: Verfassungsrecht arabischer Staaten unter besonderer Berücksichtigung Ägyptens, in: Battis, Ulrich/Kunig, Philip/Pernice, Ingolf/Randelzhofer, Albrecht, Das Grundgesetz im Prozeß europäischer und globaler Verfassungsentwicklung, Baden-Baden 2000, S. 189–216 Flores, Alexander: Der Islam in ausgewählten Staaten: Ägypten, in: Ende, Werner und Steinbach, Udo (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 4. Auflage, München 1996, S. 474–486 Forstner, Martin: Inhalt und Begründung der AME, in: Johannes Hoffman, Begründung von Menschenrechten aus der Sicht unterschiedlicher Kulturen, Band I, 249–273 – Allgemeine Islamischen Menschenrechtserklärung, CIBEDO-Dokumentation, Nr. 15/16, Juni/September 1982 Forte, David F.: Studies in Islamic Law, Classical and Contemporary Application, The Shari’a – Contemporary Problems, Lanham/New York 1999 Franco, Emilio Mikunda: Derechos Humanos y Mundo Islamico, Sevilla 2001 Friedmann, Yohanan: Tolerance and Coercion in Islam: Interfaith relationships, Cambridge 2003 Frowein, Jochen Abr.: Religionsfreiheit und internationaler Menschenrechtsschutz, in: Grote, Rainer/Marauhn, Thilo, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin 2001, S. 73–88 Frowein, Jochen Abr./Peukert, Wolfgang: Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Kehl/Straßburg/Arlington 1996 Gabr, Hatem Aly Labib: The Interpretation of Article Two of the Egyptian Constitution by the Supreme Constitutional Court, in: The Role of the Supreme Constitutional Court of Egypt, Kevin Boyle und Adel Omar Sherif (Hrsg.), London/The Hague/Boston 1996, S. 217–227

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

208

S. 208

Literaturverzeichnis

Ghanea, Nazila: Human Rights of Religious Minorities and of Women in the Middle East, Human Rights Quarterly, Volume 26 (2004), S. 705–729 Giegerich, Thomas: Religionsfreiheit als Gleichheitsanspruch und Gleichheitsproblem, in: Grote, Rainer/Marauhn, Thilo, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin 2001, S. 241–309 Gilbert, Geoff: Religious Minorities and Their Rights, International Journal on Minority and Group Rights, Volume 5 (1997), S. 97–134 Goodman, Ryan: Human Rights Treaties, Invalid Reservations, and State Consent, American Journal of International Law, Volume 96 (2002), S. 531–560 Grabenwarter, Christoph: Europäische Menschenrechtskonvention, München 2003 – Religion und Europäische Menschenrechtskonvention, in: Andreas Zimmermann (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, Berlin 2006, S. 97–126 Griffel, Frank: Apostasie und Toleranz im Islam: die Entwicklung zu al-Gazalis Urteil gegen die Philosophie und die Reaktionen der Philosophen, Leiden/Boston/Köln 2000 Grote, Rainer: Die Religionsfreiheit im Spiegel völkervertraglicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, in: Grote, Rainer/Marauhn, Thilo, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin 2001, S. 3–52 Gunn, T. Jeremy: The Complexity of Religion and the Definition of „Religion“ in International Law, Harvard Human Rights Law Journal, Volume 16 (2003), S. 189–215 Gütermann, Christoph: Das Minderheitenschutzverfahren des Völkerbundes, Berlin 1979 Hadden, Tom: Human Rights Abuses and the Protection of Democracy During States of Emergency, in: Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 111–131 El-Hajjé, Omar: The Cairo Declaration on Human Rights in Islam and NonDerogable Rights, in: Prémont, Daniel: Droits intangibles et états d’exception, Bruxelles 1996, S. 439–446 Hall, William Edward: International Law, 8. Auflage, Oxford 1924 Halm, Heinz: Die Schia, Darmstadt 1988 – Der schiitische Islam, München 1994 Hannum, Hurst: The Status of the Universal Declaration of Human Rights in National and International Law, Georgia Journal of International and Comparative Law, Volume 25 (1995/96), S. 287–397 Hardy, P.: Djizya, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume II, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1965, S. 559–567

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 209

209

Hartmann, Richard: Die Religion des Islam: Eine Einführung, Nachdruck der Ausgabe Berlin 1944, Darmstadt 1992 Hasan, Aznan: Granting Khul’ for a Non-Muslim Couple in Egyptian Personal Status Law: Generosity or Laxity?, Arab Law Quarterly, Volume 18 (2003), S. 81–89 Hasemann, Armin: Zur Apostasiediskussion im modernen Ägypten, Die Welt des Islams, Band 42 (2002), S. 72–121 Hassan, Riffat: Rights of Women Within Islamic Communities, in: J. Witte und J. D. Van der Vyver, Religious Human Rights in Global Perspective, S. 361–385 – Religious Human Rights in the Qur’an, Emory International Law Review, Volume 10 (1996), S. 85–96 Heffening, Willi: Das islamische Fremdenrecht, Eine rechtshistorische Studie zum Fiqh, Neudruck der Ausgabe Hannover 1925, Osnabrück 1925 – Murtadd, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume VII, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden/New York, 1993, S. 635–636 Heffening, Willi/Schacht, Joseph: Íanafiyya, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume III, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1971, S. 162–164 Hegasy, Sonja/Jürgensen, Carsten: Zur Menschenrechtssituation im Nahen und Mittleren Osten, in: Jana Hasse, Erwin Müller, Patricia Schneider, Menschenrechte, Bilanz und Perspektiven, Baden-Baden 2002, S. 160–178 Heintschel von Heinegg, Wolff: Die weiteren Quellen des Völkerrechts, in: Ipsen, Knut, Völkerrecht, 5. Auflage, München 2004 Heyns, Christof: Civil and Political Rights in the African Charta, in: Evans, Malcolm D./Murray, Rachel, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, Cambridge 2002, S. 137–177 Heyns, Christof/Baimu, Evarist/Killander, Magnus: The African Union, German Yearbook of International Law, Volume 46 (2003), S. 252–283 Hicks, Neil: Does Islamist Human Rights Activism Offer a Remedy to The Crisis of Human Rights Implementation in the Middle East?, Human Rights Quarterly, Volume 24 (2002), S. 361–381 Hinds, M.: MiÎna, Encyclopedia of Islam, New Edition, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden/New York 1993, Volume VII, S. 2–6 Hofmann, Rainer: Minderheitenschutz in Europa: Völker- und staatsrechtliche Lage im Überblick, Berlin 1995 – Religion und Minderheitenschutz, in: Zimmermann, Andreas (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, Berlin 2006, S. 157–182 Hooker, M. B.: SharÐÝa, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume IX, Edited by C. E. Bosworth, Leiden 1997, S. 321–328 Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilizations, Foreign Affairs, Volume 72 (1993), S. 22–49

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

210

S. 210

Literaturverzeichnis

Hutchinson, Dawn L.: Coptic Christians, Encyclopedia of Religious Freedom, New York 2003, Edited by Catharine Cookson, S. 84–89 Ipsen, Knut: Individualschutz im Völkerrecht, in: Ipsen, Knut, Völkerrecht, 5. Auflage, München 2004 Izzy Dien, M. Y.: TaÝzÐr, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume X, Edited by P. J. Bearman u.a., Leiden 2000, S. 406 Al-Jazy, Ibrahim: The Arab League and Human Rights Protection, in: Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 211–220 Jung, Dietrich: Religion und Politik in der islamischen Welt, Aus Politik und Zeitgeschichte, B42-43/2002, S. 31–38 Jürgensen, Carsten: Menschenrechte und politische Entwicklung in Ägypten, in: Faath, Sigrid/Matthes, Hanspeter (Hrsg.), Demokratie und Menschenrechte in Nordafrika, Hamburg 1992, S. 195–228 Juynboll, H. G. A.: Muslim b. al-HadjÁdj, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume VII, Edited by C. E. Bosworth, Leiden/New York 1993, S. 691 Kamali, Mohammad Hashim: Freedom of Religion in Islamic Law, Capital University Law Review, Volume 21 (1992), S. 63–81 – Freedom of Expession in Islam, Cambridge 1997 O’Kane, Joseph P.: Islam in the new Egyptian Constitution, Middle East Journal, Volume 26 (1972), 137–147 Kaufmann, Beat: Das Problem der Glaubens- und Überzeugungsfreiheit im Völkerrecht, Zürich 1989 Kelsen, Hans: The Law of the United Nations, New York, 1951 Kent Brown, Scott: The Coptic Church in Egypt: A Comment on Protectiong Religious Minorities from Nonstate Discrimination, Brigham Young University Law Review, Volume 2000, S. 1049–1098 Kermani, Navid: Die Affäre Abu Zayd, Der Orient, Band 35 (1994), S. 25–49 Khadduri, Majid: The Islamic Conception of Justice, Baltimore 1984 Khoury, Adel Theodor: Der Koran, Arabisch-Deutsch, Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar, Band 3, Sure 2, 213–2, 286, Gütersloh 1992 Kimminich, Otto: Religionsfreiheit als Menschenrecht, Untersuchung zum gegenwärtigen Stand des Völkerrechts, München 1990 Klein, Eckart/Schäfer, Bernd: Religionsfreiheit und Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, in: Zimmermann, Andreas (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, Berlin 2006, S. 127–156 Kokott, Juliane: Laizismus und Religionsfreiheit im öffentlichen Raum, Der Staat, Bd. 44 (2005), S. 343–365 Koraytem, Tabet: Arab Islamic Developments on Human Rights, Arab Law Quarterly, Volume 16 (2001), S. 255–262

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 211

211

Korkelia, Konstantin: New Challenges to the Regime of Reservations under the International Covenant on Civil and Political Rights, European Journal of International Law, Volume 13 (2002), S. 437–477 Krisch, Nico: The Establishment of an African Court on Human and Peoples’ Rights, Zeitschrift für ausländisches öffentliches und Völkerrecht, Band 58 (1998), S. 713–726 Krishnaswami, Arcot: Study of Discrimination in the Matter of Religious Rights and Practices, UN Dok. E/CN.4/Sub2./200/Rev.1, New York 1960 Kruse, Hans: Islamische Völkerrechtslehre, 2. Auflage, Bochum 1979 Kuhn-Zuber, Gabriele: Der Islam und die Universalität der Menschenrechte in der Kritik, in: Jana Hasse, Erwin Müller, Patricia Schneider, Menschenrechte, Bilanz und Perspektiven, Baden-Baden 2002, S. 307–331 Kuper, Jenny: Reservations, Declarations and Objections to the 1989 Convention on the Rights of the Child, in: Gardner, J. P. (Hrsg.): Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt Out: Reservations and Objections to Human Rights Conventions, London 1997, S. 105–113 Lanarès, Pierre: La lieberté religieuse dans les conventions internationales et dans le droit public général, Roanne 1964 Langenfeld, Christine: Staatlicher Bildungsauftrag und religiöse Selbstbestimmung, in: Grote, Rainer/Marauhn, Thilo, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin 2001, S. 311–359 Laoust, H.: Ibn Taymiyya, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume III, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1971, S. 951–955 Lauterpacht, Hersch: International Law and Human Rights, London 1950 Lemke, Thomas, Religionsfreiheit als Menschenrecht, Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu religiöser Intoleranz, Marburg 2001 Lerner, Natan: The Final Text of the U.N. Declaration Against Intolerance and Discdrimination Based on Religion or Belief, Israel Yearbook on Human Rights, Volume 12 (1982), S. 185–194 – Proselytism, Change of Religion, and International Human Rights, Emory International Law Review, Volume 12 (1998), S. 477–561 – Das Minderheitenrecht und neue politische Institutionen im internationalen Recht, Gewissen und Freiheit Nr. 55 (2000), S. 57–70 – Religious Human Rights Under The United Nations, in: Vyver, Johan D. van de/Witte, John Jr., Religious Human Rights in Global Perspective: Legal Perspectives, The Hague/Boston/London 1996, S. 79–134 – The Final Text of the U.N. Declaration Against Intolerance and Discrimination Based on Religion or Belief, Israel Yearbook on Human Rights, Volume 12 (1982), S. 185–194

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

212

S. 212

Literaturverzeichnis

Levi Della Vida, G./Bonner, M.: ÝUmar (I) b. al-KhaÔÔÁb, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume X, Edited by P. J. Bearman, Leiden 2000, S. 818–821 Lewis, Bernard: The Political Language of Islam, Chicago 1988 – Íadjdj, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume III, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1971, S. 31–38 Little, David: Does the Human Right to Freedom of Conscience, Religion, and Belief Have Special Status? Brigham Young University Law Review, Volume 2001, S. 603–610 Lombardi, Clark Benner: Islamic Law as a Source of Constitutional Law in Egypt: The Constitutionalization of the Sharia in a Modern Arab State, Columbia Journal of Transnational Law, Volume 37 (1998), 81–127 Lombardini, Michele: The International Islamic Court of Justice: Towards an International Islamic Legal System?, Leiden Journal of International Law, Volume 14 (2001), S. 665–680 Macdonald, D. B.: IdjtihÁd, Encyclopedia of Islam, Volume III, New Edition, Edited by B. Lewis u.a., Leiden/London 1971, S. 1026–1027 Matthes, Hanspeter: Menschenrechtsschutz in den arabischen Staaten, in: Faath, Sigrid/Mattes, Hanspeter (Hrsg.), Demokratie und Menschenrechte in Nordafrika, Hamburg 1992, S. 93–126 Mawdudi, Abul A’la: Human Rights in Islam, 2. Auflage, Leicester 1980 Mayer, Ann Elizabeth: Islam and Human Rights, 3. Auflage, Oxford 1999 – Universal versus Islamic human rights: A clash of cultures of a clash with a construct?, Michigan Journal of International Law, Volume 15 (1994), S. 307–404 McKean, Warwick: Equality and Discrimination Under International Law, Oxford 1983 Mejcher, Helmut: Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert, in: Ulrich Haarmann (Hrsg.), Geschichte der Arabischen Welt, 3. Auflage, München 1994, S. 432–501 Menhofer, Bruno: Religiöses Recht und internationales Privatrecht, dargestellt am Beispiel Ägypten, Heidelberg 1995 Al-Midani, Mohammed Amin: Die islamischen Staaten und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Gewissen und Freiheit Nr. 54 (2000), S. 50–66 Moinuddin, Hasan: Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) als Forum politischer und wirtschaftlicher Kooperation, Bochum 1984 Moosa, Najma: Human Rights in Islam, South African Journal of Human Rights, Volume 14 (1998), S. 508–524 El-Morr, Awad Mohammad/Nossier, Abd El-Rahman/Sherif, Adel Omar: The Supreme Constitutional Court and its Role in the Egyptian Judicial System, in: Human Rights and Democracy – The Role of the Supreme Constitutional Court of Egypt, Kevin Boyle and Adel Omar Sherif (Hrsg.), London/The Hague/Boston, 1996, S. 37–60

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 213

213

El Morr, Awad Mohammed: Human Rights in the Constitutional Systems of Egypt and Other Islamic Countries: International and Comparative Standards, in: Kevin Boyle/Adel Omar Sherif (eds.), Human Rights and Democracy: The Role of the Supreme Constitutional Court of Egypt, London/The Hague/Boston 1996, S. 161–215 Morsink, Johannes: Cultural Genocide, the Universal Declaration, and Minority Rights, Human Rights Quarterly, Volume 21 (1999), S. 1009–1060 – The Philosophy of the Universal Declaration, Human Rights Quarterly, Volume 6 (1984), S. 309–344 Muhibbu-Din, M. A.: Ahl al-Kitab and Religoius Minorities in the Islamic State: Historical Context and Contemporary Challenges, Journal of Muslim Minority Affairs, Volume 20 (2000), S. 111–127 Müller, Lorenz: Islam und Menschenrechte, Hamburg 1996 Munro, John: Neither Waving nor Drowning: Limits of Press Freedom in Egypt, Mediterranean Journal of Human Rights, Volume 6 (2002), S. 281–296 Murray, John/El-Molla, Mohamed: Islamic Shari’a and Constitutional Interpretation in Egypt, in: Eugene Cotran/Adel Omar Sherif (Hrsg.), Democracy, the Rule of Law and Islam, The Hague 1999, S. 507–524 Murray, Rachel/Wheatly, Steven: Groups and the African Charter on Human and Peoples’ Rights, Human Rights Quarterly, Volume 25 (2003), S. 213–236 Mutua, Makau Wa: The Ideology of Human Rights, Virginia Journal of International Law, Volume 36 (1996), S. 589–657 Nagel, Tilmann: Das islamische Recht: Eine Einführung, Westhofen 2001 – ¬iÒÁÒ, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume V, Edited by C. E. Bosworth, Leiden 1996, S. 177–180 An-Na’im, Abdullahi: Islamic Foundations of Human Rights, in: Witte Jr./J.D. van der Vyver, Religious Human Rights in Global Perspective, S. 337–359, The Hague u.a. 1996 – Religious Minorities Under Islamic Law and the Limits of Cultural Relativism, Human Rights Quarterly, Volume 9 (1987), S. 1–18 – Islamic Law and International Terrorism, German Yearbook of International Law, Volume 31 (1988), S. 307–336 – The Position of Islamic States Regarding the Universal Declaration of Human Rights, in: Innovation and Inspiration: Fifty Years of the Universal Declaration of Human Rights, Edited by Peter Baehr, Cees Flintermann and Mignon Senders, Amsterdam 1999, S. 177–192 An-Na’im, Abdullahi Ahmed: Toward an Islamic Reformation – Civil Liberties, Human Rights, and International Law, Syracuse/New York 1990

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

214

S. 214

Literaturverzeichnis

– Islamic Law, International Relations and Human Rights: Challenge and Response, Cornell International Law Journal, Volume 19/20 (1986/87), S. 317–335 – Religious Freedom in Egypt: Under the Shadow of the Islamic Dhimma System, in: Leonard Swidler, Religious Liberty and Human Rights in Nations and Religions, Philadelphia 1986, S. 43–59 – Human Rights in the Arab World: a regional Perspective, Human Rights Quarterly, Volume 23 (2001), S. 701–732 – Islam, Islamic Law and the Dilemma of Cultural Legitimacy for Universal Human Rights, in: Welch, Claude/Leary, Virginia, Asian Perspectives on Human Rights, Boulder 1990, S. 31–54 Nielsen, Jørgen S.: Contemporary Discussions on Religious Minorities in Islam, Brigham Young University Law Review, Volume 2002, S. 353–369 Nmehielle, Vincent O. Orlu: The African Human Rights System, The Hague 2001 Noth, Albrecht: Früher Islam, in: Ulrich Haarmann (Hrsg.), Geschichte der Arabischen Welt, 3. Auflage, München 1994, S. 1–100 – Der Islam und die nicht-islamischen Minderheiten, in: Ende, Werner und Steinbach, Udo (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 4. Auflage, München 1996, S. 684–695 Nowak, Manfred: UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Kehl am Rhein, 1989 – Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker, Europäische Grundrechte Zeitschrift, 1986, S. 675–677 Paret, Rudi: Der Koran, Übersetzung, 8. Auflage, Stuttgart 2001 – IstiÎsÁn and IstiÎlÁÎ, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume IV, Edited by E. van Donzel u.a., Leiden 1978, S. 255–259 – Sure 2:256: lÁ ikrÁha fÐ d-dÐni. Toleranz oder Resignation?, Der Islam, Band 45 (1969), S. 299–300 Partsch, Karl-Josef: Freedom of Conscience and Expression, and Political Freedoms, in: Henkin, Louis (ed.), The International Bill of Rights, The Covenant on Civil and Political Rights, New York 1981, S. 209–245 Pearson, J. D.: Al-KurÞÁn, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume V, Edited by C. E. Bosworth u.a., Leiden 1986, S. 400–432 Pellet, Alain: First Report on the Law and Practice Relating to Reservations to Treaties, UN Doc. A/CN.4/470 (1995) Peters, Rudolph/de Vries, Gert J. J.: Apostasy in Islam, Die Welt des Islams, Band 17 (1976/77), S. 1–24 Pettiti, Louis-Edmond/Decaux, Emmanuel/Imbert, Pierre-Henri: La convention européenne des droits de l’homme, Commentaire article par article, 2e édition, Paris 1999

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 215

215

Pink, Johanna: A Post-Qur’anic Religion Between Apostasy and Public Order: Egyptian Muftis and Courts on the legal Status of the Baha’i Faith, Islamic Law and Society, Volume 10 (2003), S. 409–434 – Neue Religionsgemeinschaften in Ägypten, Würzburg 2003 Pritchard, Sarah: Der völkerrechtliche Minderheitenschutz, Berlin 2001 Qassem, Y.: Law of the Family (Personal Status Law), in: Egypt and its Laws, edited by Natalie Bernard-Maugiron and Baudouin Dupret, London/The Hague/New York 2002, S. 19–36 Radtke, Bernd: Der sunnitische Islam, in: Ende, Werner und Steinbach, Udo (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 4. Auflage, München 1996, S. 54–69 Rady, M.: Administrative Justice, in: Egypt and its Laws, edited by Natalie BernardMaugiron and Baudouin Dupret, London/The Hague/New York 2002, S. 247– 314 Rahman: Punishment of Apostasy in Islam, Lahore 1972 Ramadan, Said: Islamic Law, 2. Auflage, Kuala Lumpur 1992 Redgwell, Catherine J.: Reservations to Treaties and Human Rights Committee General Comment No. 24 (52), International and Comparative Law Quarterly, Volume 46 (1997), S. 390–412 Reissner: Internationale islamische Organisationen, in: Ende, Werner und Steinbach, Udo (Hrsg.), Der Islam in der Gegenwart, 4. Auflage, München 1996, S. 696–702 Ribeiro, Vidal d’Almeida: Implementation of the Declaration on the Elimination of all Forms of Intolerance and of Discrimination Based on Religion or Belief, UN Dok. E/CN.4/1987/35 Richter, Dagmar: Relativierung universeller Menschenrechte durch Religionsfreiheit?, in: Grote, Rainer/Marauhn, Thilo, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin 2001, S. 89–212 Riedel, Eibe: Menschenrechte der dritten Dimension, Europäische Grundrechte Zeitschrift, Band 16 (1989), S. 9–21 – Article 55 (c), in: Simma, Bruno (Hrsg.), The Charter of the United Nations, A Commentary, 2. Auflage, München 2002 Robson, J.: Al-Bukhari, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume I, Edited by H. A. R. Gibb u.a., Leiden/London 1960, S. 1296–1297 Saeed, Abdullah/Saeed, Hassan: Freedom of Religion, Apostasy and Islam, Aldershot 2004 Safi, Louay M.: Towards an Islamic Tradition of Human Rights, American Journal of Islamic Social Sciences, Volume 18 (2001), S. 16–42 Sahlfeld, Konrad: Aspekte der Religionsfreiheit, Zürich/Basel/Genf 2004 Salem, Isam Kamel: Islam und Völkerrecht – Das Völkerrecht in der islamischen Weltanschauung, Berlin 1984

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

216

S. 216

Literaturverzeichnis

Schabas, William A.: Reservations to the Convention of the Right of the Child, Human Rights Quarterly, Volume 18 (1996), S. 472–491 Schacht, Joseph: An Introduction to Islamic Law, Oxford 1964 – AbÙ ÍanÐfa al-NuÝmÁn, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume I, Edited by H. A. R. Gibb u.a., Leiden/London 1960, S. 123–124 – AmÁn, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume I, Edited by H. A. R. Gibb u.a., Leiden/London 1960, S. 429–430 – AbÙ YÙsuf, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume I, Edited by H. A. R. Gibb u.a., Leiden/London 1960, S. 164–165 Schack, Haimo: Religion und Internationales Privatrecht, in: Zimmermann, Andreas (Hrsg.), Religion und Internationales Recht, Berlin 2006, S. 183–206 Scheinin, Martin: Article 18, in: The Universal Declaration of Human Rights, A Common Standard of Achievement, edited by Gudmundur Alfredsson and Asbjørn Eide, The Hague/Boston/London 1999 Shattuck, John: Religion, Rights and Terrorism, Harvard Human Rights Hournal, Volume 16, S. 183–188 Sherif, Adel Omar: The Origins and Developments of the Egyptian Judicial System, in, Human Rights and Democracy: The Role of the Supreme Constitutional Court of Egypt, Kevin Boyle und Adel Omar Sherif (Hrsg.), London/The Hague/Boston 1996, S. 13–36 – Separation of Powers and Judicial Independence in Constitutional Democracies: The Egyptian and American Experiences, in: Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 25–44 – The Rule of Law in Egypt from a Judicial Perspective – A Digest of the Landmark Decisions of the Supreme Constitutional Court, in: Eugene Cotran/Mai Yamani, The Rule of Law in the Middle East and the Islamic World – Human Rights and the Judicial Process, London/New York 2000, S. 1–34 – An Overview of the Egyptian Judicial System, Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law, Volume 5 (1998–1999), S. 3–28 – Unshakable Tendency in the Protection of Human Rights: Adherence to international Instruments on Human Rights by the Supreme Constitutional Court of Egypt, in: The Role of the Judiciary in the Protection of Human Rights, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (Hrsg.), London/The Hague/Boston, 1997, S. 35– 46 Shihab, Mufeed: Organization of the Islamic Conference, Encyclopedia of Public International Law, Volume III, S. 824–828, Amsterdam 1997 Sohn, Louis B.: The New International Law: Protection of the Rights of Individuals Rather Than States, American University Law Review, Volume 32 (1982), S. 1– 147

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

Literaturverzeichnis

S. 217

217

Stahnke, Tad: Proselytism and the Freedom to Change Religion in International Human Rights Law, Brigham Young University Law Review, Volume 1999, S. 251–350 Steinbach, Udo: Die Menschenrechte im Verständnis des Islam, Verfassung und Recht in Übersee, Band 8 (1975), S. 47–59 Sullivan, Donna J.: Advancing the Freedom of Religion or Belief Through the UN Declaration on the Elimination of Religious Intolerance and Discrimination, American Journal of International Law, Volume 82 (1988), S. 487–520 – Gender Equality and Religious Freedom: Toward a Framework for Conflict Resolution, New York University Journal of International Law and Politics, Volume 24/I (1991/92), S. 795–856 Tabandeh, Sultanhussein: A Muslim Commentary on the Universal Declaration of Human Rights, London 1970 Tahzib, Bahiyyih G.: Freedom of Religion or Belief, Ensuring Effective International Legal Protection, The Hague/Boston/London 1996 Talbi, Mohamed: Religious Liberty: A Muslim Perspective, in: Leonard Swidler, Religious Liberty and Human Rights in Nations and Religions, Philadelphia 1986, S. 175–187 – Religionsfreiheit – eine muslimische Perspektive, in: Johannes Schwartländer (Hrsg.), Freiheit der Religion: Christentum und Islam unter dem Anspruch der Menschenrechte, Mainz 1993, S. 53–71 Thielmann, Jörn: NaÒr ÍÁmid AbÙ Zaid und die wiedererfundene Îisba, Würzburg 2003 Thornberry, Patrick: International Law and the Rights of Minorities, Oxford 1991 Tibi, Bassam: Islamic Law/Shari’a, Human Rights, Universal Morality and International Relations, Human Rights Quarterly, Volume 16 (1994), S. 277–299 Tomuschat, Christian: Protection of Minorities under Article 27 of the International Covenant on Civil and Political Rights, in: Völkerrecht als Rechtsordnung – Internationale Gerichtsbarkeit – Menschenrechte, Festschrift für Hermann Mosler, Berlin 1983, S. 949–979 Tyagi, Yogesh: The Conflict of Law and Policy on Reservations to Human Rights Treaties, British Yearbook of International Law, Volume 71 (2000), S. 181–258 Tyan, E.: DjihÁd, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume II, Edited by B. Lewis, Leiden/London 1965, S. 538–540 Uygun, Oktan: Are Universal Human Rights and Islamic Law Reconciable? Mediterranean Journal of Human Rights, Volume 6 (2002), S. 297–314 Vajda, G.: Ahl al-KitÁb, Encyclopedia of Islam, New Edition, Volume I, Edited by H. Gibb, Leiden/London 1960, S. 264–266 Walkate, Jaap A.: The Right of Everyone to Change his Religion or Belief, Netherlands International Law Review, Volume 30 (1983), S. 146–156

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

218

S. 218

Literaturverzeichnis

Watt, W. Montgomery/Welch, Alford T.: Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, in: Christel Matthias Schröder (Hrsg.), Die Religionen der Menschheit, Band 25 (I), Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1980 Weber, Albrecht: Religiöse Symbole in der Einwanderungsgesellschaft, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, Bd. 24 (2004), S. 53–60 Wehr, Hans: Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, Arabisch-Deutsches Wörterbuch, 5. Auflage, Wiesbaden 1985 Wolfrum, Rüdiger: Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, in: Grote, Rainer/Marauhn, Thilo (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht – Völker- und verfassungsrechtliche Perspektiven, Berlin 2001, S. 53–71 – The Committee on the Elimination of Racial Discrimination, Max Planck Yearbook of United Nations Law, Volume 3 (1999), S. 489–519 – The Progressive Development of Human Rights: A Critical Apprisal of Recent UN Efforts, in: Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch, Berlin 1989, S. 67–95 Yamani, Mai: Muslim Women and Human Rights: The new Generation in SaudiArabia, in: Democracy, the Rule of Law and Islam, Eugene Cotran and Adel Omar Sherif (eds.), London/The Hague/Boston 1999, S. 477–488 Young, Michael: External Monitoring of Domestic Religious Liberties, Brigham Young University Law Review, Volume 1998, S. 501–515 Yousif, Ahmad: Islam, Minorities and Religious Freedom: A Challenge to Modern Theory of Pluralism, Journal of Muslim Minority Affairs, Volume 20 (2000), S. 29–41 De Zayas, Alfred: Westphalia, Peace of, Encyclopedia of Public International Law, Volume IV, Amsterdam 2000, S. 1465–1469 Ziegler, Karl-Heinz: Die Bedeutung des Westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts, Band 37 (1999), S. 129–151 Zimmermann, Andreas: Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Berlin 2000

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

S. 219

Sachwortregister Afrikanische Charta der Menschenrechte 53 Ägypten – Apostasie 159, 171 – Baha’i 170 – Erbrecht 154 – Familienrecht 152 – Gerichtsbarkeit 134 – Îisba 154 – Islam 143, 144, 148 – Islamisches Recht 143, 151 – Islamismus 162 – Kirchen 167 – Kopten 167 – Minderheiten 166 – ordre public 150 – Politisches System 128 – Religionsfreiheit 128, 159, 175 – Sadat 128 – Scharia 133, 175 – Staatsreligion 133, 145 – Verfassung von 1971 132 – Verfassungen 130 – Völkerrecht 137, 140 – Zeugen Jehovas 174 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 30, 60 – Entstehungsgeschichte 61 – Religionsfreiheit 67 Allgemeine Islamische Menschenrechtserklärung 77 Apostasie 110, 113, 114, 117, 119, 122, 159 – Reue 124 Arabische Charta der Menschenrechte 56 Arabische Liga 56

Βaha’i 170 Cairo Declaration on Human Rights in Islam 80 Diskriminierung 50 Diskriminierungsverbot 42, 50, 69 Dschihad 107 EMRK 52 Erbrecht 123

ÎadÐ×e 117 ICERD 50 IÊmÁÝ 88 – Îisba 154 IPbürgR 30, 31, 36, 42 Islam 188 – Ägypten 144, 145, 148 – aÎl al-kitÁb 98 – Apostasie 110, 113, 117, 122 – Æimma 99 – Dschihad 107 – Eheschließung 104 – Menschenrechte 94 – Recht 83, 193 – Rechtsquellen 84 – Rechtsschulen 90 – Religionsfreiheit 96, 102, 110 – Trennung von Staat und Religion 196 Islamische Menschenrechtserklärungen 76 Islamische Staaten 63, 197 Islamisches Recht 15, 83 Islamismus 162

• 23.09.2010, Duncker&Humblot, Werk Scheel #10593, Scheel_Ebook.doc •

220

S. 220

Sachwortregister

Kinderrechtskonvention 46, 182 Kopten 167 Koran 85, 114 Menschenrechte – Islam 195 – Universelle Geltung 183 – Vereinbarkeit mit dem Islam 188 Menschenrechtserklärung der Organisation der Islamischen Konferenz 79 Minderheiten 166, 200 Minderheitenschutz 37, 75 Mohammed 113 Organisation der Islamischen Konferenz 79 Osmanisches Reich 23

qiyÁs 88 Rechtsschulen 90, 121, 122 – Apostasie 119 – Hanafitische Rechtsschule 90, 120 – Hanbalitische Rechtsschule 92 – Malikitische Rechtsschule 91 – Schafiitische Rechtsschule 91, 111 Religion – Definition 18 – Trennung von Staat und Religion 93 Religionsfreiheit 17, 19, 20, 21, 22, 25, 28, 31, 36, 42, 52, 53, 58, 61, 72, 75, 83, 110, 128, 196

– – – – –

Ägypten 159 Einschränkungen 35 Islam 96 Missionierung 67, 191 Recht auf Wechsel der Religion 32, 186 Resolution zur Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung basierend auf Religion oder Glauben 69 Saudi-Arabien 64 Scharia 133, 175, 180 Staatsreligion 145, 197 sunna 87, 114 UNESCO 43 Vereinte Nationen – Charta 28, 29 – Generalversammlung 59 Völkerbund 25, 27 Völkergewohnheitsrecht 58 – regionales 186 Völkermord-Konvention 44 Völkerrecht 19, 20, 137 – Ägypten 140 – Verträge 21, 179 Westfälischer Frieden 22