Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren: Unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfreiheitsgesetze [1 ed.] 9783428541799, 9783428141791

Die Fragen, welche Informationen während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens von den Ermittlungsbehörden an die M

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Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren: Unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfreiheitsgesetze [1 ed.]
 9783428541799, 9783428141791

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Schriften zum Prozessrecht Band 229

Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfreiheitsgesetze

Von Niklas S. Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

NIKLAS S. FISCHER

Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

Schriften zum Prozessrecht Band 229

Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfreiheitsgesetze

Von Niklas S. Fischer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-14179-1 (Print) ISBN 978-3-428-54179-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84179-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern und im Andenken an Rechtsanwalt Dennis Peter Maria Sevriens

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 unter dem Titel „Die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – unter besonderer Berücksichtigung der Informationsfreiheitsgesetze“ von der Rechtswissenschaft­ lichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Die Verteidigung erfolgte am 22. Mai 2013. Rechtsprechung und Literatur sind bis einschließlich Januar 2013 berücksichtigt worden. An erster Stelle möchte ich meinem hochverehrten Doktorvater Professor Dr. Bernd Heinrich für die hervorragende Betreuung danken. Er hat die Fertigstellung der vorliegenden Untersuchung von der Themenauswahl bis zur Veröffentlichung in zahlreichen persönlichen Gesprächen mit wertvollen Anregungen und Hin­ weisen gefördert. Dabei ließ er mir immer auch den notwendigen Freiraum, das Thema und die damit verbundenen wissenschaftlichen Lösungsansätze weiterzu­ entwickeln und auszuformen. Professor Dr. Klaus Marxen danke ich ganz herzlich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und dessen zügige Erstellung. Ferner gilt mein ganz besonderer Dank meinen Eltern, Dr. Egbert und Yvonne Fischer, die mich sowohl bei der Erstellung der Dissertation und auch sonst in je­ der nur erdenklichen Art und Weise gefördert und unterstützt haben. Dabei möchte ich im Besonderen die umsichtige Hilfe meines Vaters bei der Durchsicht des Ma­ nuskriptes sowie die zahlreichen im Wege der Diskussion mit ihm gewonnenen Anregungen und Erkenntnisse hervorheben. Weiteren Dank schulde ich Dr. David Kuchenbuch, der mit seiner Unterstützung und seiner Hilfsbereitschaft beim Korrekturlesen einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geleistet hat. Berlin, Juli 2013

Niklas S. Fischer

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung

21

2. Teil

Arbeitsweise und Interessenlage der ermittlungsbehördlichen und medialen Öffentlichkeitsarbeit

27

A. Wesensmerkmale der ermittlungsbehördlichen Öffentlichkeitsarbeit und der medialen Berichterstattung im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Gemeinsame Ziele von Ermittlungsbehörden und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Das Aufdecken von Unrecht und die Zuordnung der Geschehnisse . . . . . . . 28 2. Das Erfüllen von Aufgaben im öffentlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Die wesentlichen Aufgaben der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . 30 II. Die wesentlichen Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Bindung der Ermittlungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Objektivitätsgrad und Maß der einzuhaltenden Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Die „Leitcodes“ von Staatsanwaltschaft und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Die Art und Weise der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5. Das Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Medien zur Öffentlichkeit . . . . . 41 6. Die gegebenen Abhängigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 7. Weitere mögliche Motive für die Informationsweitergabe und Berichter­ stattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3. Teil

Historischer Überblick über die Öffentlichkeit des Strafverfahrens

44

A. Entwicklung der Öffentlichkeit des Strafverfahrens bis zum Ende des Zweiten Welt­ krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 B. Entwicklung der Öffentlichkeit des Strafverfahrens seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

10

Inhaltsverzeichnis 4. Teil



Historische Betrachtung der Öffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens

51

A. Grundsatz der „Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens“ . . . . 51 B. Wandel des Ermittlungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

5. Teil 

Rechtliche Regelungen für die Informationsweitergabe  im Ermittlungsverfahren

56

A. Die Landespressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 I. Historischer Überblick über die Pressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II. Auskunftsrechte und -pflichten nach den Landespressegesetzen . . . . . . . . . . . . . 60 1. Deklaratorische oder konstitutive Bedeutung der presserechtlichen Informati­ onsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Konkreter Regelungsinhalt der landesrechtlichen Informationsansprüche . . 65 a) Die Beeinträchtigung der Durchführung eines schwebenden Verfahrens . 66 b) Die entgegenstehenden Geheimhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Die überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interessen 68 d) Die Abwägung der sich widerstreitenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 B. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 C. Die Vorschriften der Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren (RiStBV) 74 D. Das Ermittlungsprimat der Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 E. § 475 Abs. 4 Alt. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 F. § 24 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Die Einführung eines neuen § 475 a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Die Einführung eines neuen § 160 a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Die Einführung eines neuen § 169 a GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 H. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Inhaltsverzeichnis

11

6. Teil



Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts sowie die Möglichkeiten des Betroffenen gegen eine rechtswidrige Informationsweitergabe/Berichterstattung vorzugehen

103

A. Die verschiedenen Arten der Informationsweitergabe/Berichterstattung . . . . . . . . . . 103 B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. §§ 185 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. § 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 IV. § 353 d Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 V. §§ 33 Abs. 1 i. V. m. 23 Abs. 1 Nr. 1 und 22 Satz 1 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Ausnahme vom Einwilligungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Die Straftat als zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Das Ermittlungsverfahren als zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt . . . 125 c) Die Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen als zeitgeschichtliche Anknüp­ fungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 d) Das Hauptverfahren als zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . 127 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 VI. §§ 43 und 44 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Die zivilrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Bisherige Reformbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Ansprüche aus dem Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. §§ 823 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. § 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D. Normen des Medienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Der richtige Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Vorgehen gegen die Ermittlungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Vorgehen gegen die Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Die Durchsetzung der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber den Ermittlungsbehörden . . . 159 2. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber den Medien . . . . . . . . . . . . . 160 3. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ersatzansprüche im Adhäsionsverfahren 162 F. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

12

Inhaltsverzeichnis 7. Teil 



Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

164

A. Die Garantie einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege . . . . . . . . . . 164 I. Negative Auswirkungen auf die Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Positive Auswirkungen auf die Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen . . . . . . . . . . 173 I. Das Recht auf Anonymität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Das „Recht auf Resozialisierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 C. Art. 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Die Äußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG . . . . . . . . . . . . . 186 2. Die Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . 188 II. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Die Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 III. Art. 5 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Das Recht auf ein faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Die Gewährung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Das Gebot der Waffengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zu Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Die Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

8. Teil

Die ermittlungsbehördliche Abwägung bei der Informationsherausgabe

208

A. Das behördliche Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Zwingende Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 C. Preisgabe der Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Beschuldigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Inhaltsverzeichnis

13

1. Öffentliches Interesse an der Identität des Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Mindestbestand an Beweistatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Kriterien der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Besondere Bedeutung der Straftat (insbesondere die Schwere der Tat) . . 216 b) Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Verdachtsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Tatopfer, Zeugen, Angehörige etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 D. Herausgabe weiterer Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Identität ist der Öffentlichkeit bereits bekannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Beachtung der Unschuldsvermutung und der weiteren Verfahrensrechte . . . 223 2. Differenzierung nach den persönlichkeitsrechtlichen Sphären . . . . . . . . . . . 224 a) Die Intimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Die Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Die Sozialsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d) Die Auswirkung der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Ausschlussgründe der §§ 171 a ff. GVG und der §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) § 171 a GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) § 171 b GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) § 172 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 d) §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Mit einer Aufdeckung der Identität ist in näherer Zukunft zu rechnen . . . . . . . . . 234 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 9. Teil

Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

237

A. Historie und Zielsetzung der Informationsfreiheitsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Historie der Informationsfreiheitsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. Zielsetzung bei der Einführung des IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 B. Grundlegende Struktur der Informationsfreiheitsgesetze/Überblick . . . . . . . . . . . . . . 241 C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen . . . . . . . . . . . 244 I. Gesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Berliner Informationsfreiheitsgesetz (BlnIFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

14

Inhaltsverzeichnis 3. Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg (AIG Bbg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Bremen (BremIFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5. Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 6. Gesetz über die Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Meck­ lenburg-Vorpommern (IFG MV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 7. Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu amtlichen Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 8. Landesinformationsfreiheitsgesetz Rheinland-Pfalz (LIFG RP) . . . . . . . . . . 249 9. Saarländisches Informationsfreiheitsgesetz (SIFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 10. Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA) . . . . . . . . . . . . . . . . 250 11. Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu behördlichen Informationen des Landes Schleswig-Holstein (IFG SH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 12. Thüringer Informationsfreiheitsgesetz (ThürIFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Staatsanwaltschaften und Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Organe der Rechtspflege/Tätigwerden aufgrund besonderer Rechtsvorschrif­ ten in richterlicher Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . 257 a) Abgrenzung mithilfe des § 23 EGGVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Abgrenzung anhand bestimmter Tätigkeiten oder generelle Betrachtung 259 III. Polizeibehörden und sonstige staatliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Polizeibehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Sonstige Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

D. Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Versagungsgründe des IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. § 3 IFG (Schutz der besonderen öffentlichen Belange) . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) § 3 Nr. 1 g) IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Laufende Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Anspruch auf ein faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 cc) Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 dd) Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 3 Nr. 1 g) IFG . . . . . . . . . . . 269 b) § 3 Nr. 4 IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Verwaltungsvorschriften zum Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 276 cc) Berufs- und besondere Amtsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 c) § 4 Abs. 1 IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 d) § 5 IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Inhaltsverzeichnis

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II. Versagungsgründe der landesrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. BlnIFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. AIGBbg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. BremIFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4. HmbTG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5. IFG MV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 6. IFG NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 7. IFG RP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 8. SIFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 9. IZG LSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 10. IFG-SH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 11. ThürIFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

10. Teil  Ergebnis

289

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht Abs. Absatz AE-EV Alternativ-Entwurf Reform des Ermittlungsverfahrens AE-StuM Alternativ-Entwurf Strafjustiz und Medien a. F. alte Fassung AfP Archiv für Presserecht, zitiert nach Jahrgang AG Aktiengesellschaft AG Amtsgericht Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg AIGBbg AK Alternativkommentar Alt. Alternative a. M. am Main Amtsbl./ABl. Amtsblatt Anh. Anhang Anm. Anmerkung AnwBl. Anwaltsblatt, zitiert nach Jahrgang AO Abgabenordnung Art. Artikel ASOG Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGSt Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen – Amtliche Sammlung, zitiert nach Band und Jahrgang Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz Beck Rechtsprechung (Rechtsprechungsarchiv bei beck-online) BeckRS BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen – Amtliche Samm­ BGHSt lung, zitiert nach Band Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen – Amtliche Samm­ BGHZ lung, zitiert nach Band BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz BK Bonner Kommentar Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes BKAG und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht, zitiert nach Jahrgang Bl. Blatt

Abkürzungsverzeichnis

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BlnIFG Berliner Informationsfreiheitsgesetz BNDG Gesetz über den Bundesnachrichtendienst BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BReg. Bundesregierung BremIFG Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Bremen BRRG Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts BT Besonderer Teil BT-Drucks. Bundestagsdrucksachen BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – Amtliche Sammlung, zitiert nach Band BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angele­ genheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfas­ sungsschutz BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts – Amtliche Sammlung, zitiert nach Band bzw. beziehungsweise ca. circa CDU Christlich-Demokratische Union CR Computer und Recht, zitiert nach Jahrgang CSU Christlich-soziale Union ders. derselbe d. h. dass heißt DÖV Die Öffentliche Verwaltung, zitiert nach Jahrgang DRiG Deutsches Richtergesetz DRiZ Deutsche Richterzeitung, zitiert nach Jahrgang DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt, zitiert nach Jahrgang EG Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz EGGVG EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einl Einleitung EMRK Europäische Menschenrechtskonvention etc. et cetera EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende FDP Freie Demokratische Partei ff. fortfolgende FGO Finanzgerichtsordnung Fn. Fußnote FS Festschrift GA Goltdammers Archiv für Strafrecht und Strafprozessrecht, zitiert nach Jahrgang GBl. Gesetzblatt GBO Grundbuchordnung GebrMG Gebrauchsmustergesetz gem. gemäß GeschmMG Geschmacksmustergesetz

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Abkürzungsverzeichnis

GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, zitiert nach Jahrgang GS Gedenkschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GV/GVBl./GVOBl. Gesetz- und Verordnungsblatt GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung HmbIFG Hamburgisches Informationsfreiheitsgesetz HmbTG Hamburgisches Transparenzgesetz Hrsg. Herausgeber i. d. R. in der Regel IFG Informationsfreiheitsgesetz des Bundes IFG MV Gesetz über die Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern IFG NRW Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu amtlichen Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen IFG SH Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu behördlichen Informationen des Landes Schleswig-Holstein i. S. d. im Sinne des/der i. V. m. in Verbindung mit IZG LSA Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt JGG Jugendgerichtsgesetz JZ Juristenzeitung, zitiert nach Jahrgang Kap. Kapitel KG Kammergericht KK Karlsruher Kommentar K&R Kommunikation & Recht, zitiert nach Jahrgang KUG Kunsturhebergesetz LDSG Landesdatenschutzgesetz LG Landgericht LIFG RP Landesinformationsfreiheitsgesetz Rheinland-Pfalz LK Leipziger Kommentar LKV Landes- und Kommunalverwaltung, zitiert nach Jahrgang LMG Landesmediengesetz LOG Landesorganisationsgesetz Brandenburg LPG Landespressegesetz LR Löwe/Rosenberg MADG Gesetz über den militärischen Abschirmdienst MDR Monatsschrift für Deutsches Recht, zitiert nach Jahrgang MMR Multimedia und Recht, zitiert nach Jahrgang MRK Menschenrechtskonvention MüKo Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift, zitiert nach Jahrgang NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht, zi­ tiert nach Jahrgang

Abkürzungsverzeichnis

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Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht, zitiert nach Jahrgang NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, zitiert nach Jahrgang NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter, zitiert nach Jahrgang o. g. oben genannt OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht ProfE Professorenentwurf RegBl. Regierungsblatt resp. respektive RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen – Amtliche Sammlung, zitiert nach Band RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung RStV Rundfunkstaatsvertrag S. Seite/Satz SGB Sozialgesetzbuch SIFG Saarländisches Informationsfreiheitsgesetz SK Systematischer Kommentar sog. sogenannt SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands S/S Schönke/Schröder StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung str. streitig StrEG Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen StUG Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik StV Strafverteidiger, zitiert nach Jahrgang SÜG Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüber­ prüfungen des Bundes ThürIFG Thüringer Informationsfreiheitsgesetz TMG Telemediengesetz u. und u. a. unter anderem/und andere UIG Umweltinformationsgesetz UmweltHG Umwelthaftungsgesetz UrhG Urheberrechtsgesetz UrhR Urheberrecht usw. und so weiter u. U. unter Umständen UVollzO Untersuchungshaftvollzugsordnung v. von VersR Versicherungsrecht, zitiert nach Jahrgang VG Verwaltungsgericht

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Abkürzungsverzeichnis

VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche Vor./Vorb. Vorbemerkung VS Verschlusssachen VSA Verschlusssachen-Anweisung des Bundesministeriums des Innern VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WPflG Wehrpflichtgesetz WStG Wehrstrafgesetz z. B. zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik, zitiert nach Jahrgang ZSHG Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, zitiert nach Band und Jahrgang ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, zitiert nach Jahrgang ZUM-RD Rechtsprechungsdienst Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, zitiert nach Jahrgang

1. Teil

Einleitung Gesetzliche Vorschriften, welche Zulässigkeit, Art, Umfang und Grenzen einer Auskunftserteilung der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Jus­ tiz gegenüber den Medien regeln, sind, insbesondere was das Ermittlungsverfah­ ren betrifft, in nur ungenügendem Maße vorhanden. Insofern fehlt ein konkreter gesetzlich verankerter Ansatz zur Lösung des traditionell bestehenden Spannungs­ verhältnisses zwischen den Geheimhaltungs- und Persönlichkeitsschutzinteressen der betroffenen Personen und der staatlichen Stellen auf der einen sowie den Me­ dieninteressen auf der anderen Seite.1 Im Kern geht es hierbei um die Frage, inwieweit die Ermittlungsbehörden ver­ pflichtet sind, den Medien Auskünfte über ihre Ermittlungen zu erteilen (d. h. um­ gekehrt formuliert, in welchem Umfang hierzu korrespondierende Auskunfts­ rechte auf Seiten der Medien bestehen) oder ob – und wann – staatliche Stellen entsprechende Auskunftsersuchen unter Bezugnahme auf Verletzungen öffentli­ cher oder persönlicher Geheimhaltungsinteressen verweigern können oder müs­ sen. Diese Frage hat zwar in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Fällen die deutsche Gerichtsbarkeit beschäftigt und bildete mehrfach den Gegenstand rechts­ wissenschaftlicher Diskussionen und Erörterungen; eine endgültige Klärung die­ ser Problematik durch den Gesetzgeber steht jedoch bis zum heutigen Tage aus.2 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des in hohem Maße spannungsgeladenen Umfeldes, in dem sich die Ermittlungsbehörden, die Medien sowie die anderen Verfahrensbeteiligten hierbei bewegen, erscheint dieser regelungstechnische Miss­ stand als äußerst gravierend.3 Dies folgt unter anderem aus dem Umstand, dass die medial vermittelte Verwicklung einer Person in ein strafrechtliches Ermittlungs­ verfahren in aller Regel mit äußerst weitreichenden Konsequenzen für diese ver­ bunden sein wird, die mitunter sogar im Falle eines späteren Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung kaum wieder rückgängig zu machen sind und von daher ganz offenkundig eine erhebliche Grundrechtsrelevanz besitzen.4

1

AE-StuM-Meier, S. 90. Siehe Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (333 ff.). 3 Vgl. insoweit die Ausführungen von Meier, der die Rechtslage „nach wie vor als unbefrie­ digend“ bezeichnet; AE-StuM-Meier, S. 90. 4 Vgl. hierzu auch Friedrichsen, ZRP 2010, 263, die von einer potentiell „existenzvernich­ tenden“ Wirkung der identifizierenden Strafberichterstattung im strafrechtlichen Ermittlungs­ verfahren spricht. 2

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1. Teil: Einleitung

Dabei wurde die mediale Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren ge­ rade in der jüngeren Vergangenheit mehrfach zum Gegenstand öffentlicher Dis­ kussionen erhoben. So stand zum einen die Art und Weise der Kriminalbericht­ erstattung in der öffentlichen Kritik, wobei sich diese insbesondere auf solche Beiträge bezog, die vorverurteilende Tendenzen aufwiesen, einem konkreten Be­ schuldigten zugeordnet werden konnten oder intime Details aus dem Privatleben verfahrensbeteiligter Personen offenbarten. Ferner wurden auch von Seiten der Strafverteidiger (und/oder der Medienanwälte) vermehrt Vorwürfe geäußert, wie bestimmte Informationen über den Beschuldigten, die Tatumstände, das vermeint­ liche Opfer etc. zum frühen Zeitpunkt strafrechtlicher Ermittlungen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen konnten.5 Ungeachtet dieser und noch weiterer im Einzelnen zu erörternder Problemfel­ der, welche sich bei der ermittlungsbehördlichen Informationsweitergabe auftun, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Versorgung der Öffentlichkeit mit In­ formationen durch die Ermittlungsbehörden auf eigens zu diesem Zwecke einbe­ rufenen Pressekonferenzen sowie durch ermittlungsbehördliche Pressemitteilun­ gen vor allem in besonders öffentlichkeitswirksamen Strafverfahren immer mehr Verbreitung findet.6 Eine weitere Verschärfung erfährt diese Problematik dadurch, dass auch ein Teil der Verfahrensbeteiligen – und dabei allen voran die Beschul­ digten und Nebenkläger – sich in immer größerem Umfang der Medien für eigene Zwecke bedienen, indem sie prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit (sog. Litiga­ tion-PR) betreiben.7 5 In diesem Zusammenhang wurde sogar der Verdacht geäußert, dass vertrauliche Informa­ tionen – und dabei insbesondere diejenigen, die zur Aufhebung der Beschuldigtenanonymität geführt haben sollen – inoffiziell von den Ermittlungsbehörden an die Medienvertreter weiter­ geleitet worden seien. So erhob einer der Strafverteidiger im „Kachelmann-Prozess“ (Johann Schwenn) den schwerwiegenden Vorwurf gegenüber der Staatsanwaltschaft, diese habe nicht nur Ermittlungsergebnisse gezielt an die Medienvertreter weitergeleitet, sondern legte dar­ über hinaus in diesem Zusammenhang auch noch den Verdacht der Bestechlichkeit nahe; vgl. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/kachelmann-prozess-vorwuerfe-gegenden-staatsanwalt1595612.html; zuletzt aufgerufen am 21.02. 2012. 6 Vgl. hierzu die Ausführungen von Huff, der darauf hinweist, dass die Öffentlichkeitsar­ beit der deutsche Justiz gerade dadurch Veränderungen erfahren hat, dass bei allen Präsidial­ gerichten und Staatsanwaltschaften Medienstellen einzurichten waren, welche sich mit der Öf­ fentlichkeitsarbeit befassen. Ferner spricht Huff in diesem Zusammenhang auch die besonderen Schwierigkeiten an, mit denen sich diese Stellen im Hinblick auf die Medienarbeit im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahren konfrontiert sehen; vgl. Huff, NJW 2004, 403 ff. 7 Die Zusammenarbeit des Strafverteidigers (oder eigens hierfür beauftragter Medien­ anwälte) mit den Medien, bei der das Ziel verfolgt wird, den Mandanten in ein möglichst posi­ tives Licht zu rücken, ist nicht neu; vgl. Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 ff. In den USA wird der prozessbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit schon seit den achtziger Jahren ein erheblicher Stellenwert beigemessen, wobei die Bedeutung der „Litigation-PR“ auch in Deutschland stetig zunimmt; vgl. Friedrichsen, ZRP 2010, 263. Diese Entwicklung wird unter anderem auch da­ durch verdeutlicht, dass diese Thematik im Rahmen des deutschen Anwaltstages im Jahre 2010 eine zentrale Rolle spielte. Dieser fand unter dem Motto „Kommunikation ums Recht“ statt, wobei gerade die Beeinflussung des Strafprozesses durch die Medien Thema war.

1. Teil: Einleitung

23

Um besonders plastische Beispiele einer „pervertierten“ Kriminalberichterstat­ tung im Stadium strafrechtlicher Ermittlungen zu finden, muss der Blick nicht erst auf die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet werden, wo die öffent­ liche Vorführung des verhafteten Beschuldigten eines Strafverfahrens (der sog. „Perp-Walk“) eine äußerst fragwürdige Tradition besitzt.8 Einen traurigen Höhe­ punkt hierzulande bildete insofern ein nicht unerheblicher Teil der medialen Be­ richterstattung über das gegen den ehemaligen TV-Moderator Jörg Kachelmann geführte Ermittlungsverfahren. Dabei wurde die Identität des Beschuldigten be­ reits kurz nach seiner Festnahme am Frankfurter Flughafen offenbart. Im Folgen­ den drang eine nahezu unüberschaubare Fülle an Informationen über sein Vor- und Privatleben (wobei es sich zum Teil um äußerst intime Details handelte), seine Zeit in der Untersuchungshaft sowie über den weiteren Gang der Ermittlungen an die Öffentlichkeit. Beispielsweise wurde bereits vor Beginn der Hauptverhand­ lung ein Exklusivinterview der Zeitschrift „Bunte“ mit einer ehemaligen Gelieb­ ten des Beschuldigten gegen eine Honorarzahlung von 50.000,– € geführt, in wel­ chem diese sich ausführlich über ihre langjährige Beziehung zum Beschuldigten äußerte.9 Diese mediale „Zurschaustellung“ gipfelte unter anderem in der öffent­ lichen Erörterung der Schuldfrage, wobei die Medienrezipienten unter anderem dazu aufgefordert wurden, über das Internet Voten darüber abzugeben, ob sie den Beschuldigten nach ihrer persönlichen Einschätzung für schuldig oder unschul­ dig erachteten.10 Ein weiteres Negativbeispiel aus der jüngeren Vergangenheit bildet das gegen die Sängerin der deutschen Mädchenband „No Angels“ Nadja Benaissa im Jahre 2009 eingeleitete Ermittlungsverfahren. Bereits zu Beginn der Ermittlungen gab die Staatsanwaltschaft Darmstadt gegenüber der Presse bekannt, dass ein Haftbe­ fehl aufgrund des dringenden Tatverdachts der gefährlichen Körperverletzung in mehreren Fällen gegen eine 26-jährige Sängerin erlassen wurde, der darauf grün­ dete, diese habe trotz positiver Kenntnis um ihre HIV-Infektion mit mindestens drei Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt, ohne sie zuvor darüber aufzuklären. Nur wenig später wurde in allen großen deutschen Zeitungen aus­ führlich und in identifizierender Art und Weise über die Beschuldigte im Zusam­ menhang mit diesen Vorgängen berichtet.11

8 Diese „Vorführung“ des Beschuldigten dient in erster Linie dem Zweck, den Medienver­ tretern und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu bieten, Foto- und Filmaufnahmen von dem Beschuldigten anzufertigen. 9 Vgl. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/zeitschrift-bunte-kachelmanns-exgeliebte-bekam-50–000-euro-fuer-interview-1606646.html; zuletzt aufgerufen am 05.03.2012. 10 Vgl. hierzu beispielhaft die Umfrage der Bild-Zeitung, bei der sich 33 Schöffen zur Frage der Schuld im „Kachelmann-Prozess“ äußerten: http://www.bild.de/news/inland/joerg-kachel­ mann/meinungen-zum-prozess-schuldig-oder-unschuldig-18136596.bild.html; zuletzt aufge­ rufen am 05.03.2012. 11 Siehe hierzu Lehr, NStZ 2009, 409 (410) und Prantl, AnwBl. 2009, 421.

24

1. Teil: Einleitung

Den zuvor geschilderten Beispielen wohnt ganz offensichtlich ein kaum zu un­ terschätzendes Beeinträchtigungspotential im Hinblick auf die Rechtsgüter und die rechtlichen Interessen der beschuldigten Personen inne. Einer besonders in­ tensiven Kriminalberichterstattung und dem damit einhergehenden großen öffent­ lichen Interesse an den Vorgängen haftet zudem die große Gefahr an, dass es im weiteren Verfahrensgang zu einer öffentlichen Vorverurteilung12 kommt, noch be­ vor das zuständige Gericht auf dem hierfür vorgesehenen Wege eine Entscheidung treffen konnte.13 Ferner ist nicht gänzlich auszuschließen, dass es infolge des öf­ fentlichen Drucks in besonders spektakulären Strafverfahren zu einer Einfluss­ nahme auf die ermittlungsbehördliche Tätigkeit, die Aussagen des Beschuldigten, seines Verteidigers oder von Zeugen, aber auch zu einer Beeinflussung der staats­ anwaltschaftlichen Anträge sowie letztendlich auch der gerichtlichen Entschei­ dung (dies gilt in besonderem Maße für die Laienrichter) kommen kann.14 Vor diesem konfliktbeladenen Hintergrund wird deutlich, dass ein erhebliches Bedürfnis nach rechtlichen Regelungen besteht, welche die Zulässigkeit, Art, Um­ fang und Grenzen der Auskunftserteilung durch Strafverfolgungsbehörden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegenüber den Medien und der Öffentlich­ keit regeln und verbindlich festlegen. Von daher beabsichtigt die vorliegende Arbeit zum einen, der Frage nachzu­ gehen, ob und inwiefern die Weitergabe von Informationen durch die Ermitt­ lungs- und Strafverfolgungsbehörden bereits nach den existierenden gesetzlichen Vorgaben legitimiert werden kann, wobei anhand des geltenden Rechts und der vorherrschenden Rechtspraxis untersucht werden soll, ob und unter welchen Vor­ aussetzungen die Strafverfolgungsbehörden gegenüber den Medien und der Öf­ fentlichkeit zur Auskunft verpflichtet sind und wann einem Informationsverlangen nicht entsprochen werden darf.15 In einem weiteren Schritt ist es das Ziel dieser Untersuchung, sich mit den bereits bestehenden Reformvorschlägen auseinander­ 12

Gleichermaßen kann es hierbei natürlich auch zu „Vorfreisprüchen“ kommen. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang kann daraus resultieren, dass die Re­ zipienten nicht in hinreichendem Maße zwischen der strafrechtlich irrelevanten moralischen Schuld (z. B. dass der Beschuldigte außereheliche Liebesverhältnisse pflegte etc.) und den strafrechtlich relevanten Umständen, die sich auf den konkreten Tatvorwurf beziehen, differen­ zieren können. Allein aufgrund der Offenlegung moralisch verwerflicher Umstände kann es je­ doch zu dauerhaften Rufschädigungen auf Seiten der Betroffenen kommen. 14 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Gerhardt, ZRP 2009, 247 (248), der auf eine unter deut­ schen Strafverteidigern durchgeführte Studie der Medienagentur Wilmes Kommunikation hin­ weist, bei der 70 % der befragten Rechtsanwälte angaben, Berufsrichter würden sich bei ihrer Urteilsfindung von den Medien beeinflussen lassen. Über 80 % der befragten Personen meinten zudem, dass der auf den Staatsanwaltschaften lastende öffentliche Druck dazu führen könne, statt eines Strafbefehls Anklage zu erheben. 15 Die Arbeit beschränkt sich im Wesentlichen auf die Weitergabe von Informationen durch die Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Auf die anderen Stadien des Strafverfahrens sowie auf die Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte, der Polizei sowie der anderen Behörden soll nur am Rande eingegangen werden. 13

1. Teil: Einleitung

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zusetzen, welche versuchen, den zuvor beschriebenen regelungstechnischen Miss­ stand zu beheben. Ferner soll in diesem Zusammenhang auch ein eigener Reform­ vorschlag unterbreitet und erörtert werden. Darüber hinaus gilt es, die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts zu behandeln, welche im Falle einer nicht gesetzeskonformen Informationswei­ tergabe durch die Ermittlungsbehörden an die Medien oder einer medialen Be­ richterstattung einschlägig sein könnten. Ferner sollen die rechtlichen Mittel und Instrumentarien, welche dem von der Informationsweitergabe/Berichterstattung betroffenen Personenkreis zur Verfügung stehen und mit deren Hilfe sich dieser gegen entsprechende Verhaltensweisen der Ermittlungsbehörden und der Medien zur Wehr setzen und Kompensation verlangen kann, näher beleuchtet werden. Nachdem im weiteren Verlauf dieser Arbeit auch auf die infolge einer Weiter­ gabe oder Zurückhaltung von Informationen (sowie aufgrund einer vorgenomme­ nen oder unterlassenen medialen Berichterstattung) tangierten Rechtsgüter und Interessen auf privater, medialer und staatlicher Seite einzugehen ist, soll im Fol­ genden erörtert und geklärt werden, welche Abwägungskriterien der ermittlungs­ behördlichen Entscheidung über die Herausgabe von Informationen aus dem Er­ mittlungsverfahren im Regelfall zugrunde liegen und wie diese Entscheidung unter Berücksichtigung der vorhergehenden Untersuchungsergebnisse im Ideal­ fall aussehen sollte. Ein Hauptaugenmerk der vorliegenden Untersuchung gilt ferner der Berück­ sichtigung der bundes- und landesrechtlichen Informationsfreiheitsgesetze im Rahmen des zuvor umrissenen Konfliktes. Das Recht des freien Zugangs zu öf­ fentlichen Informationen hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer weiter durchgesetzt, was letztendlich dazu führte, dass inzwischen von der weit über­ wiegenden Mehrzahl der Bundesländer sowie dem Bund selbst Informationsfrei­ heitsgesetze verabschiedet wurden. In dieser gesetzgeberischen Tendenz offenbart sich das Ziel, die Arbeitsweisen staatlicher Stellen transparenter zu gestalten.16 In­ sofern erhebt z. B. auch § 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes17 den An­ spruch, das in den Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten unmittelbar der Allgemein­ heit zugänglich zu machen, um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Wissensbildung sowie die Kontrolle des staatlichen Handelns zu fördern. In Ansehung dieser gesetzgeberischen Zielsetzung soll im Rahmen der vorlie­ genden Untersuchung erörtert werden, ob die Informationsfreiheitsgesetze bei der Weitergabe von Informationen zwischen den Ermittlungsbehörden und den Me­ dien im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Veränderungen mit sich gebracht 16

Vgl. BT-Drucks. 15/4493 S. 1. Dies gilt stellvertretend für alle auf Bundes- und der Länderebene erlassenen Gesetze über den Zugang zu staatlichen Informationen. 17

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1. Teil: Einleitung

haben (bzw. bringen werden). Hierbei gilt es letztlich zu prüfen, ob die auf Bun­ des- und Länderebene eingeführten Gesetze über den Zugang zu staatlichen Infor­ mationen zu einer Erweiterung der Auskunftsrechte und -pflichten führen, ob sie sich auf die ermittlungsbehördliche Ermessensentscheidung auswirken oder ob sie auf diesen Prozess keinerlei Einfluss nehmen.

2. Teil

Arbeitsweise und Interessenlage der ermittlungsbehördlichen und medialen Öffentlichkeitsarbeit In diesem Teil sollen die wesentlichen Merkmale, welche die Arbeitsweise und Interessenlage der Ermittlungsbehörden auf der einen sowie der Medien auf der anderen Seite betreffen, im Hinblick auf den Umgang mit Ermittlungsinforma­ tionen dargestellt werden, um Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Besonderhei­ ten aufzuzeigen.

A. Wesensmerkmale der ermittlungsbehördlichen Öffentlichkeitsarbeit und der medialen Berichterstattung im Ermittlungsverfahren Zwischen den Medien und dem am Strafverfahren beteiligten Personenkreis besteht traditionell ein Spannungsverhältnis.1 Dieses bewegt sich in der Regel zwischen einem gesteigerten medialen Interesse an einer möglichst frühzeiti­ gen und umfassenden Berichterstattung über vermutete strafrechtlich relevante Geschehnisse sowie einem distanzierten und zurückhaltenden Umgang mit den im Ermittlungsverfahren gewonnenen Informationen auf Seiten der Verfahrensbe­ teiligten.2 Ungeachtet dieses Grundsatzes sind jedoch – wie bereits in der Einleitung ange­ sprochen wurde – gerade in der jüngeren Vergangenheit Vorwürfe laut geworden, de­ nen zufolge die Staatsanwaltschaft aus eigenem Antrieb Informationen aus laufen­ den Ermittlungsverfahren an die Vertreter der Medien herausgegeben haben soll.3 1

Lehr, NStZ 2001, 63; Meier, FS für Schreiber 2003, 331; Schroers, NJW 1996, 969 ff. Lehr, NStZ 2001, 63. 3 In diesem Zusammenhang wurde z. B. in der Sendung „Anne Will“ vom 31.07.2010 der ARD zum Thema „Der Fall Kachelmann – Justiz-Alltag oder Promi-Pranger“ von Rechts­ anwalt Dr. Christian Schertz der Vorwurf erhoben, die Staatsanwaltschaft versorge teilweise bewusst und gezielt die Medien sehr früh mit Informationen (z. B. auf Pressekonferenzen der Staatsanwaltschaften), die gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seinen. Aus eigener Erfah­ rung könne er sagen, dass es sich hierbei mitunter um intime Details aus dem Leben und Ver­ halten des Beschuldigten handle, die selbst nichts mit dem Strafverfahren zu tun hätten; vgl. http://daserste.ndr.de/annewill/videos/anne will2136.html; zuletzt abgerufen am 12.08.2010). 2

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

Zudem lässt sich beobachten, dass auch die Verfahrensbeteiligten die Medien­ öffentlichkeit für eigene Zwecke suchen und nutzen.4

I. Gemeinsame Ziele von Ermittlungsbehörden und Medien Zunächst soll näher auf die zwischen den Medien und den Strafverfolgungs­ behörden bestehenden Gemeinsamkeiten beim Umgang mit den im Ermittlungs­ verfahren gewonnenen Informationen eingegangen werden. 1. Das Aufdecken von Unrecht und die Zuordnung der Geschehnisse Eine elementare Gemeinsamkeit liegt in dem Umstand begründet, dass es gleicher­maßen ein Hauptziel der Strafverfolgungsbehörden sowie der Medien dar­ stellt, Vergehen und Verbrechen aufzuklären und geschehenes Unrecht ans Tages­ licht zu bringen.5 Hierbei beschäftigen sich beide Teile zwangsläufig mit Vorgän­ gen, die sich außerhalb des Rahmens der Normalität bewegen und mit Hörisch als „Pathologien der Gesellschaft“ bezeichnet werden können.6 Ferner handelt es sich dabei typischerweise um solche Geschehnisse, die zumindest ein Teil des daran beteiligten Personenkreises lieber im Verborgenen belassen würde. Zudem kann in diesem Zusammenhang das Paradoxon hervorgehoben wer­ den, dass sowohl die Ermittlungsbehörden, als auch der mit der Kriminalbericht­ erstattung betraute Teil der Medien, aus der Existenz solcher Missstände – die sie zugleich bekämpfen – ihre eigene Existenzberechtigung ziehen.7 Als weitere Gemeinsamkeit lässt sich mit Hörisch festhalten, dass sowohl die Strafverfol­ gungsbehörden wie auch die Medien, diese Geschehnisse mit bestimmten Perso­ nen und ihren individuellen Lebensgeschichten/Biografien in Verbindung brin­ gen.8 Folglich geht es im Kern auf beiden Seiten stets um die Zuordnung eines konkreten strafrechtlich relevanten Ereignisses zu einer bestimmten Person.

4

Beispielsweise trat der ehemalige TV-Moderator Jörg Kachelmann bereits kurz nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft an die Presse, um sich in einem Exklusivinterview zu den Vorwürfen der schweren Vergewaltigung und seiner Zeit in der Untersuchungshaft zu äußern; http://www.stern.de/panorama/joerg-kachelmanns-video-interview-der-alptraum-ist-nochnicht-zu-ende-1588685.html; zuletzt abgerufen am 12.08.2010). 5 Hörisch, StV 2005, 151. 6 Hörisch, StV 2005, 151. 7 Hörisch, StV 2005, 151. 8 Hörisch, StV 2005, 151.

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

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2. Das Erfüllen von Aufgaben im öffentlichen Interesse Eine weitere grundlegende Gemeinsamkeit könnte darin erblickt werden, dass sowohl mit der Weitergabe von im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnis­ sen und Informationen durch die Behörden der Staatsanwaltschaft als auch durch eine entsprechende mediale Berichterstattung Aufgaben erfüllt werden, die (zu­ mindest teilweise) im öffentlichen Interesse9 liegen. Die Frage, die sich hierbei stellt, lautet folgerichtig: Befriedigen die Staatsanwaltschaften und die Medien mit der Weitergabe von Ermittlungsinformationen ein öffentliches Interesse? Das öffentliche Interesse einer modernen Demokratie bezieht sich dabei zu­ nächst auf all diejenigen Themen, welche entweder für den Staat, die Gesellschaft, oder einzelne Gruppen der Gesellschaft in informierender, kritisierender oder un­ terhaltender Hinsicht von überindividueller Bedeutung sein können.10 a) Die wesentlichen Aufgaben der Medien Auf Seiten der Medien ist es insofern von zentraler Bedeutung, dass infolge der Berichterstattung sowohl die Versorgung der Bevölkerung mit Informationen gewährleistet, als auch ein öffentlicher Kommunikationsprozess in die Wege ge­ leitet und gefördert wird.11 Hierdurch tragen die Medien in maßgeblicher Art und Weise zu dem breit gefächerten Spektrum der Meinungs- und Willensbildung in der Bevölkerung bei.12 Dabei können sie neben der reinen Information der Rezipi­ enten auch entscheidenden Einfluss auf politische und gesellschaftliche Entwick­ lungen nehmen.13 Was die Berichterstattung über die Kriminal- und Strafjustiz an­ geht, werden die Medien insbesondere dann im öffentlichen Interesse tätig, wenn die Beiträge nicht auf die Befriedigung in der Bevölkerung vorherrschender Sen­ sationsgelüste abzielen, sondern es ihnen vornehmlich darum geht, „Einfluss auf kriminal- oder justizpolitische Entwicklungen zu nehmen“.14 9 Es soll hier bewusst die umstrittene Fragestellung ausgeklammert werden, ob die Medien öffentliche Aufgaben im eigentlichen Sinne wahrnehmen; vgl. hierzu die Ausführungen bei v. Becker, S. 41 f. Ferner soll an dieser Stelle nicht weiter auf die Auffassung des Bundesverfas­ sungsgerichtes eingegangen werden, nach dem es kein richtiges (legitimes) und falsches öffent­ liches Interesse gibt, sondern der Umfang, in dem die Auskunft zu erteilen ist, sich am Interesse der Medien auszurichten habe, wozu grundsätzlich auch verfahrensunerhebliche Details gehö­ ren könnten; vgl. hierzu Becker-Toussaint, NJW 2004, 414 (417). 10 BGHZ 31, 308 (312); Dalbkermeyer, S. 45. 11 Fink, S. 48 f. 12 AE-StuM, S. 4 f.; vgl. ferner zur Bedeutung und den einzelnen Funktionen der Medien die Ausführungen bei Fechner, Medienrecht, 1. Kap. Rn. 20 ff. 13 AE-StuM, S. 5. 14 AE-StuM, S. 5. Eine solche Einflussnahme kann z. B. in der Weise erfolgen, dass in den Medien auf bestehende Missstände hingewiesen und der Gesetzgeber dadurch veranlasst wird, Änderungen vorzunehmen. Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass auch rein unter­

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

Eine weitere wesentliche Aufgabe der Medien ist in der Wahrnehmung von Kontroll- und Überwachungsfunktionen gegenüber der staatlichen Machtaus­ übung (dies umfasst zweifelsfrei auch die Strafrechtsanwendung) zu erblicken.15 Gerade unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Strafjustiz als „ultima ratio“ die einschneidendste Form staatlicher Machtausübung darstellt, wird die herausragende Bedeutung einer effektiven demokratischen Kontrolle des Strafver­ fahrens besonders deutlich.16 Um eine solche Kontrolle in einem angemessenen und hinreichenden Maße gewährleisten zu können, obliegt es den Medien natür­ lich auch im Rahmen des Ermittlungsverfahren, das Handeln der Ermittlungs­ behörden zu überwachen und mitunter kritisch zu würdigen.17 b) Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft werden mit der Weitergabe von Infor­ mationen aus dem Ermittlungsverfahren Aufgaben von öffentlichem Interesse er­ füllt. In diesem Zusammenhang muss insbesondere an die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege i. S. d. §§ 161, 163 StPO gedacht werden. Zum einen kann die Informationsweitergabe zum Zwecke der Öffentlichkeits­ fahndung nach dem Beschuldigten i. S. d. §§ 131 ff. StPO erfolgen. Entsprechende Maßnahmen, wie die öffentliche Fahndung mit dem Ziel einer Festnahme nach § 131 Abs. 3 StPO, oder zum Zwecke der Aufenthaltsermittlung nach § 131 a Abs. 3 StPO, dienen stets Strafverfahrenszwecken und liegen von daher unzwei­ felhaft im öffentlichen Interesse.18 Gleiches muss auch für die Veröffentlichung von Abbildungen zur Aufklärung von Straftaten gemäß § 131 b Abs. 1 StPO sowie haltende Beiträge sowie skandal- und sensationsträchtige Produktformate unter den Schutz­ bereich der Medienfreiheiten fallen. 15 BVerfGE 35, 202 (231); Beater, Medienrecht, Rn. 24; Fechner, Medienrecht, 1. Kap. Rn. 21; Huff, NJW 2004, 403 (404); Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rn. 11. 16 Vgl. zur Kontrolle der gerichtlichen Arbeit durch Berichterstattungen über strafrechtliche Hauptverhandlungen: Fink, S. 62 f. 17 An dieser Stelle ist anzumerken, dass es letztendlich nicht die Medien selbst sind, die diese Überwachungsfunktion gegenüber den Strafverfolgungsbehörden wahrnehmen. Im Hinblick auf die strafrechtliche Hauptverhandlung hebt Fink insoweit hervor, dass die Medien der Bevöl­ kerung die Möglichkeit einräumen, sich über die bei den Gerichten und im Allgemeinen prak­ tizierte Strafrechtspflege zu erkundigen und eine Meinung zu bilden. Insofern findet die Kon­ trolle letztendlich durch den Rezipienten statt; vgl. hierzu: Fink, S. 63 sowie Bamberger, ZUM 2001, 373 (374). Die Wahrnehmung eigener Kontrollaufgaben durch die Medien kann jedoch nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden, da sich ihre Arbeit nicht auf die schlichte Weiter­ gabe von Informationen in der Rolle eines passiven Informationsmittlers beschränkt. Vielmehr greifen die Medien mittels der ihnen zukommenden Filterfunktion aktiv in den Meinungs- und Willensbildungsprozess ein, indem sie aus der unüberschaubaren Fülle von Informationen die „relevanten“ von den „irrelevanten“ Informationen trennen. Zudem prägen sie durch die Schaf­ fung eigener oder die Kommentierung bereits vorhandener Informationen die öffentliche Mei­ nung und üben somit auch in dieser Hinsicht erheblichen Einfluss auf die Re­zipienten aus. 18 So auch Kettner, S. 160 ff.

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

31

für die Veröffentlichung von Abbildungen zur Feststellung der Identität des Be­ schuldigten i. S. d. § 131 b Abs.1 StPO oder von Zeugen nach § 131 b Abs. 2 StPO angenommen werden. Darüber hinaus soll an dieser Stelle erörtert werden, ob – und gegebenenfalls wann – die Ermittlungsbehörden im öffentlichen Interesse handeln, wenn sie In­ formationen offenbaren, deren Weitergabe nicht auf die §§ 131 ff. StPO gestützt werden kann. Eine Offenlegung von Informationen könnte beispielsweise dann im öffentlichen Interesse liegen, wenn diese mit anerkennenswerten Zielen und Zwe­ cken des Strafverfahrens übereinstimmt. Die vorliegende Untersuchung knüpft entsprechend an die Frage an, ob die Herausgabe von Informationen mit den Zie­ len des Strafverfahrens in Einklang gebracht werden kann, oder ob sie mit diesen im Widerspruch steht. Dies soll – wie bereits ausgeführt wurde – anhand der zu Sinn und Zweck von Strafe entwickelten Theorien19 untersucht werden.20 Dabei wird ein Hauptaugenmerk auf die generalpräventiven Straftheorien zu richten sein, da es geradezu auf der Hand liegt, dass generalpräventive Strafzwecke nur dann er­ reicht werden können, wenn die Bevölkerung über die Einleitung von Ermittlungsoder Strafmaßnahmen in Kenntnis gesetzt wird.21 Einer an Vergeltung und Sühne orientierten Berichterstattung (im Sinne der früher herrschenden absoluten Straftheorien22), welche sich beispielsweise durch anprangernde und identifizierende (d. h. die Identität des Beschuldigten offen­ barende) Schilderungen auszeichnet, muss ein im öffentlichen Interesse liegen­ der informatorischer Zweck zunächst unzweifelhaft abgesprochen werden.23 Auf der einen Seite liegt es gerade in der Natur der absoluten Straftheorien, dass die Strafe losgelöst von einer gesellschaftlichen Wirkung oder anderen praktischen Zwecken, lediglich der Vergeltung wegen verhängt wird.24 Von daher kann es un­ ter Berücksichtigung des bestehenden staatlichen Strafmonopols keinesfalls Sinn und Zweck einer medialen Berichterstattung sein, zu einer Bestrafung des Be­ schuldigten beizutragen.25 Wenn die entsprechenden Informationen hingegen un­ 19

Vgl. zu den Straftheorien: Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 13 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn.  1 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 10 ff.; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 1 Rn. 12a. 20 Die Strafzwecke müssen in jedem Stadium des Strafverfahrens (und somit natürlich auch im Ermittlungsverfahren) beachtet werden. 21 Vgl. Kettner, S. 163. 22 Diese Theorien wurden maßgeblich durch Immanuel Kant (1724–1804) und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) geprägt; vgl. hierzu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, § 101; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 14; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 2. Aufl. 1798, § 49 E I; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, § 6 I Rn. 3 f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 2 ff. 23 So auch dem Grunde nach BVerfGE 35, 202. 24 Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 14; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, § 6 I Rn. 3; Wessels/ Beulke, Strafrecht AT, § 1 Rn. 12a. 25 Vgl. Fink, S. 64. Mit Blick auf die Praxis kann hingegen nicht abgestritten werden, dass es infolge medialer Berichterstattungen oftmals zu negativen Auswirkungen für die Beschuldig­ ten im strafrechtlicher Ermittlungsverfahren kommt.

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

mittelbar von den Ermittlungsbehörden (im Rahmen von ermittlungsbehördlichen Pressekonferenzen oder Pressemitteilungen) an die Öffentlichkeit herausgegeben werden, so verbietet sich eine Rechtfertigung unter Heranziehung absoluter Straf­ theorien zum einen aus dem Grund, dass es insoweit an einer zwingend erforder­ lichen gesetzlichen Grundlage26 mangelt. Zudem würde eine Sanktionierung der Beschuldigten mittels seiner öffentlichen Bloßstellung im Stadium des Ermitt­ lungsverfahrens vehement der zu seinen Gunsten streitenden Unschuldsvermu­ tung27 widersprechen. Kaum vorstellbar ist ferner eine Berichterstattung, welche die Besserung des Täters bezweckt (im Sinne der positiven Spezialprävention28), denn im weit über­ wiegenden Teil der Fälle wird eine mediale Berichterstattung über das Strafverfah­ ren einer späteren Resozialisierung des Täters entgegenstehen, oder dieser zumin­ dest abträglich sein.29 Auch eine Berichterstattung zum Zwecke der Sicherung der Gesellschaft vor dem Täter im Sinne der negativen Spezialprävention30 ist nur äußerst schwer vor­ stellbar.31 Gedacht werden könnte diesbezüglich zwar an eine Weitergabe von In­ formationen, mit der das Ziel verfolgt wird, die Bevölkerung vor dem Beschuldig­ ten, bzw. vor der von ihm vermutlich ausgehenden Gefahr frühzeitig zu warnen.32 26

Vgl. hierzu BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); 79, 174 (195 f.); 80, 124 (132); 83, 130 (141 ff.); 84, 212 (226); 95, 267 (307 f.); 98, 218 (251); 108, 282 (311). 27 Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen weiter unten, im 7. Teil, D. II. 28 Die Lehre von der Spezialprävention ist in erster Linie auf Franz v. Liszt (1851–1919) zu­ rückzuführen, der die individualpräventiven Wirkungen der Strafe in den Fokus der Betrach­ tung rückte; vgl. v. Liszt, ZStW 3 (1883), 1 ff. („Marburger Programm“); v. Liszt, Strafrecht­ liche Aufsätze und Vorträge, 1. Bd., 1905, S. 126 ff. sowie die Ausführungen bei Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 18; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, § 6 I Rn. 7; Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn.  11 ff. 29 Bezogen auf die Gerichtsöffentlichkeit in der Hauptverhandlung kommt zu demselben Schluss Neuling, S. 83; vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Branahl, Medienrecht, S. 198 ff. Was die Gefahr einer Erschwerung oder Vereitelung der Resozialisierung durch die Medienberichterstattung angeht, so stellt das Bundesverfassungsgericht in der „Lebach-Ent­ scheidung“ ausdrücklich klar, dass selbst der verurteilte Straftäter die Chance erhalten muss, sich nach der Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen. Dieser An­ spruch auf Resozialisierung werde jedoch konterkariert, wenn im Zeitpunkt einer bereits ver­ büßten Strafe erneut in identifizierender Art und Weise über den Täter in den Medien berichtet wird; BVerfGE 35, 202 (235 ff.). Vgl. ferner in diesem Zusammenhang die Ziffer 1.2 in der An­ lage B der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV), die ausdrücklich her­ vorhebt, dass die spätere Resozialisierung des Täters durch eine unnötige Publizität seines Fal­ les schon vor der Verhandlung erschwert werden kann. 30 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 24 ff. und bei Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 30 ff. 31 Vgl. hierzu Dalbkermeyer, S. 38; Kettner, S. 161; Ostendorf, GA 1980, 445 (455). 32 Dabei ist z. B. an die Veröffentlichung von Informationen (z. B. Abbildung der Person, Angabe des Namens und der Anschrift) über aus der Haft entlassener Schwerverbrecher in In­ ternetregistern zu denken, die den in der näheren Umgebung wohnenden Teil der Bevölkerung vor diesen warnen und sie schützen soll. Ein solches Vorgehen ist in den USA bei Sexualstraf­

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

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Hierbei werden die Behörden von Staatsanwaltschaft und Polizei jedoch nicht zum Zwecke der Strafverfolgung, d. h. in repressiver Art und Weise tätig, sondern es handelt sich vielmehr um eine rein präventive Wahrnehmung von Aufgaben der Gefahrenabwehr, die nichts mit dem Strafverfolgungsauftrag aus den §§ 160, 163 StPO zu tun hat.33 Des Weiteren würde es auch bei einer Warnung der Bevölke­ rung, die negativ-spezialpräventive Strafzwecke verfolgt, an der hierfür erforder­ lichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlen. Hingegen liegen generalpräventive34 Auswirkungen medialer Berichterstattun­ gen durchaus im Bereich des Vorstellbaren.35 Insofern kann es zum einen vor­ kommen, dass die Bevölkerung über gewisse Vorgänge in abschreckender Art und Weise mit Hilfe der Medien in Kenntnis gesetzt werden soll, um andere da­ von abzuhalten, gleich oder ähnlich gelagerte Straftaten zu begehen (negative Generalprävention).36 Weiterhin kann die Information auch in der Absicht erfol­ gen, den durch die Tat in seinem Normvertrauen erschütterten Teil der Bevöl­ kerung wieder dahingehend zu bestärken, dass das geschehene Unrecht mit den Mitteln des Rechtsstaates verfolgt und geahndet wird. Dabei ist es möglich, der Allgemeinheit die „Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung“37 aufzuzeigen (posi­ tive Generalprävention38). Das durch die begangene Straftat negativ beeinflusste Gesamtrechtsbewusstsein in der Bevölkerung wird in der Regel am effektivsten tätern bereits gängige Praxis und wurde auch in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit in zu­nehmenden Maße diskutiert. Angeheizt wurde diese Debatte durch die Entlassung verurteil­ ter Sexualstraftäter aus der nachträglich angeordneten Sicherheitsverwahrung aufgrund zweier Urteile des EGMR. 33 So auch Dalbkermeyer, S. 38. 34 Die Lehre der Generalprävention ist im Wesentlichen auf Paul Johann Anselm v. Feuerbach (1775–1833) zurückzuführen; vgl. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, §§ 12, 13, sowie Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 17. 35 So auch bezogen auf die mediale Berichterstattung über die strafrechtlichen Hauptver­ handlung Fink, S. 63. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ziffer 1.2 der Anlage B der RiStBV, nach der eine schnelle und wirksame Strafverfolgung einem generalpräventiven Zweck dient, da sie den Schutz und die Sicherheit des Bürgers fördert und dadurch die Vor­ aussetzungen für eine wirksame Verbrechensbekämpfung schafft. Die Frage, ob mithilfe einer medialen Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegende generalpräventive Strafzwecke verfolgt werden können, soll hier unabhängig von der Problematik untersucht werden, ob ge­ neralpräventive Zielsetzungen überhaupt sinnvoll erscheinen (so mag die Verfolgung gene­ ralpräventiver Strafzwecke im Bereich der Kleinkriminalität – wie z. B. bei Ladendiebstäh­ len, Trunkenheit im Straßenverkehr, kleineren Betrügereien usw. – durchaus nachvollziehbar sein, wohingegen sie im Bereich affekt- oder triebgesteuerter Taten und auf dem Gebiet der Schwerstkriminalität oftmals versagt). In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass sich die Kriminalberichterstattung in einem Großteil der Fälle – mit Ausnahme prominenter Beschuldigter – auf den Bereich der schweren Verbrechen beschränkt; vgl. zu den berechtig­ ten Bedenken hinsichtlich des tatsächlichen generalpräventiven Nutzens von Strafe: Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 17; Roxin, Strafrecht AT I, § 3 Rn. 32, und Streng, Strafrechtliche Sanktio­ nen, Rn. 59 ff. 36 BVerfGE 45, 187 (255 f.); BGHSt 24, 40 (44). 37 BVerfGE 45, 187 (256); BGHSt 24, 40 (44). 38 BVerfGE 45, 187 (256); BGHSt 24, 40 (46); 24, 64 (66); BGH GA 1976, 113 f.

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

und nachhaltigsten durch eine möglichst rasche Aufklärung der Tat wiederher­ gestellt.39 Diesem Prozess kann eine Personalisierung des begangenen Unrechts im Wege einer identifizierenden Berichterstattung durchaus zuträglich sein.40 Ferner ist es hierdurch möglich, in der Gesellschaft bestehende Strafbedürfnisse zu kana­ lisieren und zu kontrollieren und damit zur Sicherung des gesellschaftlichen Frie­ dens und der präventiven Vermeidung von Selbst- und Lynchjustiz beizutragen.41 Diesbezüglich muss jedoch bedacht werden, dass es unter keinen Umständen mit der Menschenwürde des Tatverdächtigen zu vereinbaren ist, ihn als Mittel zu generalpräventiven Zwecken zu benutzen.42 Aus dem Gebot der Achtung der Men­ schenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG resultiert das Verbot, einen Menschen in­soweit zu degradieren, dass dieser als reines Mittel zum Zweck angesehen wird. Um nichts anderes handelt es sich, wenn mithilfe abschreckender Mitteilungen über den Beschuldigten andere von der Verübung von Straftaten abgehalten werden sol­ len oder die Informationsweitergabe auf eine Stärkung des in der Bevölkerung er­ schütterten Normvertrauens abzielt. Mitteilungen über den Beschuldigten, die zu generalpräventiven Strafzwecken erfolgen, würden ihn stets als Objekt und Mit­ tel zur Verbrechensbekämpfung nutzen, was keinesfalls mit der zu seinen Guns­ ten eingreifenden Menschenwürde im Einklang steht.43 Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Verfolgung generalpräventiver Zwecke im Stadium des Ermitt­ lungsverfahrens unter keinen Umständen mit den Kernaussagen der Unschuldsver­ mutung in Einklang zu bringen ist, da die Schuld des Beschuldigten in diesem frü­ hen Verfahrensstadium noch nicht rechtskräftig festgestellt wurde.44 Letztlich bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass eine ermittlungsbehördliche Informationsweitergabe, die nicht auf die §§ 131 ff. StPO gestützt werden kann, keinem anerkannten Strafzweck dient und demnach weder eine funktionstüch­ tige Strafrechtspflege gewährleistet noch eine Aufgabenwahrnehmung von öffent­ lichem Interesse darstellen kann.45

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Dies resultiert insbesondere aus dem Umstand, dass Geschehnisse in einem zeitnahem Abstand weitaus deutlicher im Bewusstsein eines Menschen verankert sind. 40 Dalbkermeyer, S. 38; Ostendorf, GA 1980, 445 (456). 41 Freilich ist auch die entgegengesetzte Wirkung nicht auszuschließen. Eine identifizierende Berichterstattung kann maßgeblich dazu beitragen, dass sich negative Stimmungen wie Unmut, Hass etc. gegen bestimmte Personen richten. Zudem ist es durchaus möglich, dass eine exten­ sive mediale Berichterstattung über Straftaten zu Einschüchterungen und Verunsicherungen in der Bevölkerung führt. 42 Dalbkermeyer, S. 38. 43 BVerfGE 45, 187 (228). 44 Dalbkermeyer, S. 39. 45 Da die Ermittlungsbehörden – mit Ausnahme der auf die §§ 131 ff. StPO gestützten Mit­ teilungen – bei der Offenbarung von Informationen aus dem Ermittlungsverfahren keine Auf­ gaben von öffentlichem Interesse wahrnehmen, könnten diese Ausführungen im Ergebnis glei­ chermaßen bei den „wesentlichen Unterschieden“ zwischen den Ermittlungsbehörden und den Medien (weiter unten, im 2. Teil, A. II.) herangezogen werden.

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

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II. Die wesentlichen Unterschiede In dem nunmehr folgenden Abschnitt sollen, nachdem die grundlegenden Über­ einstimmungen bei der Öffentlichkeitsarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Medien aufgezeigt wurden, die naturgemäß bestehenden Differenzen behandelt werden. 1. Bindung der Ermittlungsbehörden Eine der wesentlichen Aufgaben der Strafjustiz besteht zunächst in der Fest­ stellung und Durchsetzung des im Einzelfall entstandenen legitimen staatlichen Strafanspruchs.46 Anders ausgedrückt ist es das Ziel der Ermittlungs- und Straf­ verfolgungsbehörden, den gegen den Beschuldigten bekannt gewordenen Tat­ verdacht mit den Mitteln der Strafprozessordnung, d. h. in der vom Gesetzgeber hierfür vorgesehenen Art und Weise, aufzuklären. Es soll dabei auf eine in ma­ terieller Hinsicht richtige und nach den Vorgaben der Prozessordnung rechtmä­ ßig zustande gekommene, Rechtsfrieden stiftendende Entscheidung hinsichtlich der Strafbarkeit des Beschuldigten hingewirkt werden.47 Durch diese streng for­ malistischen Vorgaben ist die Entscheidung der Ermittlungsbehörden bezüglich der Frage, welche Tatsachen und Umstände sie bei der strafrechtlichen Würdigung und Beurteilung zugrunde legen dürfen und welche Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen sind, weitestgehend determiniert. Völlig anders verhält es sich hinge­ gen auf Seiten der Medien. Diese sind zwar auch dazu angehalten, Informationen nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen bevor sie diese veröffentlichen48, jedoch sind sie dabei nicht an die strengen gesetzlichen Vorgaben der Strafprozessordnung gebunden.49 Diese Umstände können dazu führen, dass der Berichtsgegenstand einer ermitt­ lungsbehördlichen Informationsweitergabe, verglichen mit dem Gegenstand me­ dialer Veröffentlichungen, ein anderer ist. Es ist den Ermittlungsbehörden in An­ betracht strafprozessualer Vorgaben oftmals verwehrt, die objektive Wahrheit zu ermitteln, da Rechtsnormen entgegenstehen, so wie sich auch die Gerichte im Rah­ men ihrer Urteilsfindung nicht auf solche Beweise stützen dürfen, deren Berück­ sichtigung aufgrund eines Verwertungsverbotes ausgeschlossen ist.50 Weiterhin ordnet beispielsweise § 48 Abs. 1 JGG bei Strafverfahren gegen Jugendliche die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung und der Entscheidung an. Hieraus geht her­ 46

BVerfGE 20, 45 (49); AE-StuM, S. 2; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 3. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 3. 48 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen im folgenden Abschnitt zu den auf Seiten der Medien bei der Berichterstattung einzuhaltenden Sorgfaltspflichten. 49 Auf die Vorgaben, die für eine mediale Berichterstattung gelten (wie z. B. die Presse­ gesetze, der Pressekodex etc.) soll erst im folgenden Teilabschnitt genauer eingegangen ­werden. 50 Vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 455. 47

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

vor, dass selbst erwiesene Tatsachen unter gewissen Umständen nicht veröffent­ licht werden sollen. 2. Objektivitätsgrad und Maß der einzuhaltenden Sorgfalt Einen weiteren erwähnenswerten Aspekt bildet der die Arbeitsweise von Staats­ anwaltschaft und Medien kennzeichnende Grad an Objektivität.51 Bezeichnenderweise wird die Staatsanwaltschaft nach einem auf Isenbiel52 zu­ rückgehenden Ausspruch als „objektivste Behörde der Welt“ bezeichnet.53 Dieses „geflügelte Wort“ verdeutlicht, dass die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren nicht die Rolle eines Streitteils in einem Parteiprozess einnimmt, sondern eher auf der Ebene des Richters anzusiedeln ist, der sich einzig und allein der Objektivität (im Sinne von Unparteilichkeit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit) verpflichtet fühlt.54 Kodifiziert wird dieser Gedanke in § 160 Abs. 2 StPO, nach dem die Staatsanwalt­ schaft „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen hat, de­ ren Verlust zu besorgen ist“. In dieser Vorschrift verdeutlicht sich die Stellung der Staatsanwaltschaft als ein zu Gerechtigkeit und Objektivität verpflichtetes Rechts­ pflege- und Justizorgan.55 Folglich sind die Behörden der Staatsanwaltschaft be­ reits aufgrund klarer gesetzlicher Vorgaben bei der Verrichtung ihrer Arbeit dazu angehalten, ein hohes Maß an Objektivität walten zu lassen. Dies ist wiederum im Hinblick auf die Medien anders zu beurteilen. Natürlich müssen auch sie bei ihren Veröffentlichungen bestimmte Sorgfaltspflichten beach­ ten, durch welche sie unter anderem zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung er­ mahnt werden.56 In diesem Zusammenhang sind zum einen als gemeinsame Koor­ dinaten die in den Presse- und Mediengesetzen der Länder enthaltenen Vorgaben zu beachten.57 Ferner ergeben sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 RStV für Rundfunksen­ 51

Dieser Aspekt ist natürlich in dem zuvor erörterten Themenkomplex als Teilaspekt mit enthalten, da die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zur Objektivität sich auch aus ihrer Bin­ dung an die Vorgaben der Strafprozessordnung ergeben (vgl. § 160 Abs. 2 StPO). 52 Hugo Isenbiel war in den Jahren von 1899–1908 als Oberstaatsanwalt am Landgericht in Berlin und zwischen 1908–1910 am dortigen Kammergericht in vielen bedeutenden Strafpro­ zessen als Anklagevertreter tätig. 53 Döhring, DRiZ 1958, 282 (286); Roxin, DRiZ 1997, 109 (113); Wagner, JZ 1974, 212. 54 Wagner, JZ 1974, 212. 55 BGH, NStZ 2008, 231; Meyer-Goßner, StPO, § 160 Rn. 14. 56 Beater, Medienrecht, Rn. 1158 ff.; Fechner, Medienrecht, 8. Kap. Rn. 112 ff.; Groß, Pres­ serecht, Rn. 38 ff.; Soehring, Presserecht, § 2 Rn. 1 ff. 57 Vgl. § 6 LMG Baden-Württemberg (vom 19. Juli 1999; GBl. S. 273); Art. 3 LPG Bay­ ern (vom 19. April 2000; GVBl. S. 340); § 3 LPG Berlin (vom 15. Juni 1965; GVBl. S. 744); § 6 LPG Brandenburg (vom 13. Mai 1993; GVBl. I S. 162); § 6 LPG Bremen (vom 16. März 1965; Brem. GBl. S. 63); § 6 LPG Hamburg (vom 29. Januar 1965; Hmb GVBl. S. 15); § 5 LPG Mecklenburg-Vorpommern (vom 6. Juni 1993; GVOBl. M-V S. 541); § 6 LPG Nieder­

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

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dungen und aus § 54 Abs. 2 Satz 2 RStV (auf den § 1 Abs. 4 TMG ausdrücklich verweist) für Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten zu beachtende Sorgfaltspflichten.58 Weiterhin schließen die in § 41 Abs. 1 RStV fest­ gehaltenen Programmgrundsätze bestehende Lücken, was Hörfunk und Fernse­ hen betrifft. Fast allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, dass die Medien vor einer Ver­ öffentlichung die jeweiligen Nachrichten auf Inhalt, Wahrheit und Herkunft über­ prüfen müssen. Die Regelungen fordern jedoch nicht, dass allein die objektiv er­ wiesene Wahrheit veröffentlicht werden darf.59 Von den Medien wird vielmehr verlangt, dass sie einen Sachverhalt mit der ihnen möglichen Sorgfalt, die nicht zu­ letzt durch die ihnen zur Verfügung stehenden sachlichen, personellen und recht­ lichen Mittel determiniert ist, erforschen.60 Ferner enthalten diese Vorschriften zwar eindeutig formulierte Rechtspflichten, jedoch werden an ihre Nichteinhal­ tung keinerlei Rechtsfolgen geknüpft, so dass es sich hierbei letztendlich um wei­ testgehend sanktionslose Regelungen handelt (eine Ausnahme bildet insofern § 38 Abs. 3 RStV, der ein Beanstandungsrecht beinhaltet).61 Hinzu tritt, dass die Medien aufgrund des bei ihrer Arbeit vorherrschenden Zeit­ drucks bereits aus tatsächlichen Gründen in den seltensten Fällen in der Lage sein werden, mit derselben Genauigkeit Ermittlungen und Nachforschungen anzustel­ len, wie dies auf Seiten der Ermittlungsbehörden der Fall ist.62 Insofern kann noch­ mals festgehalten werden, dass die Medien auch unter Berücksichtigung des stän­ digen Drucks nach Aktualität weder über die persönlichen, noch die sachlichen oder rechtlichen Mittel verfügen, welche es ermöglichen, eine der Strafjustiz eben­ bürtige Wahrheitsfindung zu gewährleisten.63 Es gehört vielmehr zu den von der Verfassung abgesicherten Aufgaben der Medien, auch über solche Vorgänge zu berichten, deren genauer Inhalt und Bedeutung sich den Erkenntnismöglichkei­ ten einer vorläufigen, mit den Mitteln der Medien durchgeführten Recherche ver­ sachsen (vom 22. März 1965; Nds. GVBl. S. 9); § 6 LPG Nordrhein-Westfalen (vom 24. Mai 1966; GV. NRW S. 340); § 6 LMG Rheinland-Pfalz (vom 4. Februar 2005; GVBl. S. 23); § 6 LMG Saarland (vom 27. Februar 2002; Amtsbl. S. 498); § 5 LPG Sachsen (vom 3. April 1992; Sächs. GVBl. S. 125); § 5 LPG Sachsen-Anhalt (vom 29. April 2010; GVBl. LSA S. 299); § 6 LPG Schleswig-Holstein (vom 1. Januar 2005; GVOBl. Schl.-H. S. 105); § 5 LPG Thüringen (vom 31. Juni 1991; GVBl. S. 271). Vgl. hierzu Soehring, Presserecht, § 2 Rn. 3. 58 Paschke, Medienrecht, Rn. 405; Soehring, Presserecht, § 2 Rn. 7a. 59 Beater, Medienrecht, Rn. 1181. 60 Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 160; Paschke, Medienrecht, Rn. 407; Soehring, Pres­ serecht, § 2 Rn. 9. 61 So auch Beater, Medienrecht, Rn. 1165; Branahl, Medienrecht, S. 67; Fechner, Medien­ recht, 8. Kap. Rn. 114 und Löffler-Steffen, § 6 Rn. 11; a. A. Paschke, Medienrecht, Rn. 413, demzufolge es bedenklich sei, hier von einer „sanktionslosen Norm“ zu sprechen. Ungeachtet dessen sind natürlich im Zusammenhang mit der Verletzung weiterer gesetzlicher (in erster Li­ nie zivil- oder strafrechtlicher) Vorschriften Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung, Ge­ gendarstellung etc. in Erwägung zu ziehen. 62 Soehring, Presserecht, § 2 Rn. 9. 63 Beater, Medienrecht, Rn. 1181; Soehring, Presserecht, § 2 Rn. 9.

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

schließen, wenn auf diese Unzulänglichkeiten in angemessener Art und Weise hin­ gewiesen wird.64 Des weiteren betonen sowohl die vom Deutschen Presserat in Zusammenar­ beit mit den Presseverbänden beschlossenen publizistischen Grundsätze (Presse­ kodex) sowie die aus den Empfehlungen des Deutschen Presserates herausgebil­ deten Richtlinien für die publizistische Arbeit die Achtung vor der Wahrheit und heben dabei die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit als oberste Priorität hervor.65 Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass es sich lediglich um standes­ rechtliche Bestimmungen handelt, so dass den hierin niedergelegten Geboten kei­ nerlei normative Bindungswirkung zuzusprechen ist.66 Eine gesetzlich festgelegte, eindeutige Bestimmung, welche die Medien zur strikten Wahrung von Objektivität verpflichtet, existiert hingegen nicht. Erschwerend kommt nach Schroers noch hinzu, dass die Medienvertreter oft­ mals einer Fehleinschätzung unterliegen, wenn sie den von der Staatsanwaltschaft aus einem Ermittlungsverfahren verlautbarten Tatsachen denselben Wertgehalt beimessen, wie sie es bei anderen Informationen zu tun pflegen.67 Als möglicher Grund für solche Fehleinschätzungen kommt in erster Linie eine mangelnde ju­ ristische Aus- oder Vorbildung der mit der Justizberichterstattung betrauten Jour­ nalisten in Betracht.68 Dies kann beispielsweise zur Folge haben, dass die Infor­ mationen umformuliert, gekürzt oder angereichert, angezweifelt, in einen anderen Kontext gestellt oder mit Kommentaren versehen werden.69 Durch eine Los­lösung von den bei der Gewinnung der Informationen bindenden formalen Vorgaben be­ steht die Gefahr, dass die Erkenntnisse ungeachtet der Art und Weise ihres Zu­ standekommens und des Gesamtzusammenhangs beurteilt werden.70 Letztendlich kann dies zur Konsequenz haben, dass gewisse Wertungen, Abwägungen etc., wel­ che die Strafprozessordnung für das Verfahren vorgibt, nicht berücksichtigt oder schlichtweg verkannt werden. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass auch der vorläufige Charakter der Ermittlungserkenntnisse nicht hinreichend zur Geltung kommt.71 64 Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 160; vgl. im Hinblick auf die Hinweispflichten auch BVerfG NJW 2006, 207 (210); BGH NJW 2006, 603. 65 Vgl. die Ziffern 1, 2, 3, 7, 13, 14 des Pressekodex. 66 Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 210. 67 Schroers, NJW 1996, 969 (970). 68 Becker-Toussaint, NJW 2004, 414 (416); Hohmann, NJW 2009, 881. 69 Schroers, NJW 1996, 969 (970). 70 Schroers, NJW 1996, 969 (970). 71 Natürlich kann es auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft zu Fehleinschätzungen gegen­ über den Medien kommen. Dies wäre z. B. der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft die Medien nur als ihren verlängerten Arm, d. h. lediglich als Mittler der ihnen mitgeteilten Informationen begreifen würden Gleiches ist anzunehmen, wenn die Staatsanwaltschaften die Medien als Wi­ dersacher oder Gegenspieler ansehen, da sie hierbei die weiter oben im 2. Teil, A. I. 2. a) ge­ schilderten Aufgaben und Funktionen der Medien verkennen würden; vgl. Schroers, NJW 1996, 969 (970).

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

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3. Die „Leitcodes“ von Staatsanwaltschaft und Medien Eine weitere Problematik, die mit den vorhergehenden Erörterungen in engem Zusammenhang steht, bezieht sich auf die Fragestellung, welche Aspekte für die Strafjustiz und die Medien von gesteigertem Interesse sind und welche Umstände von ihnen überhaupt beachtet werden dürfen. Der Wesensunterschied wird sehr anschaulich von Hörisch dargestellt, indem er vorbringt: „Justitia ist nicht blind, doch sie verdeckt aus freien Stücken die Augen. Denn sie will und darf, gerade weil sie einen unbestechlich scharfen, sachlichen Blick auf das werfen muss, was nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, be­ stimmte Dinge, Züge und Aspekte nicht wahrnehmen“.72 Überaus plastisch führt Hörisch weiter aus, dass es für die Justiz beispielsweise keine Rolle spielen darf, ob eine Querulantin schön ist, oder der Räuber edlere Gesichtszüge hat als sein rei­ ches Opfer.73 Genau diese Umstände, vor denen die Justiz unter Wahrung ihrer zur Objektivität verpflichtenden Stellung die Augen verschließen muss, eignen sich hingegen in aller Regel hervorragend für die mediale Berichterstattung. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Interessenschwerpunkte aus medialer Sicht bisweilen vollkommen anders gelagert sind. Der Fokus der Me­ dien richtet sich zuallererst auf die von der Norm abweichenden, besonders pla­ kativen und prägnanten Themen. Gerade das Spektakuläre, Sensationelle und Un­ gewöhnliche ist oftmals mit einer erhöhten medialen Aufmerksamkeit verbunden. Um das Interesse der Medien zu wecken, muss sich ein Fall von der breiten Masse der gewöhnlichen und alltäglichen Fälle abheben, was sich beispielsweise aus der besonderen Schwere der Tat, der Kuriosität des Geschehens, der Prominenz des Beschuldigten etc. ergeben kann.74 Ein weiteres relevantes Kriterium ist die Eig­ nung einer Thematik und/oder Person als Projektionsfläche für eigene Ängste, Wünsche usw. auf Seiten der Rezipienten. Wenn somit die Jurisprudenz von dem zweiteiligen Leitcode Recht oder Unrecht geprägt wird, so ist der Leitcode auf Seiten der Medien weitaus vielschichtiger.75 Ferner ist das Recht aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden stets der positiv be­ haftete und das Unrecht der negativ besetzte Begriff. Bei den Medien muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein, und oftmals wird es sich gerade umgekehrt verhalten.76 72

Hörisch, StV 2005, 151. Hörisch, StV 2005, 151. 74 Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (332). 75 Hörisch, StV 2005, 151 (152). 76 Vgl. auch hierzu Hörisch, StV 2005, 151 (152), der jedoch zu der Schlussfolgerung ge­ langt, dass das Unrecht der für die Medien positiv besetzte Wert ist. Hörisch kommt zu dieser Wertumkehr, indem er voraussetzt, dass das Recht ein mit Langeweile besetzter Begriff sei und die Medien ihre Aufmerksamkeit stets auf das Aufregende richten würden. Ob dies in letzter Konsequenz so angenommen werden kann ist äußerst zweifelhaft, da auch der „Wiederherstel­ lung“ des Rechts nach einem begangenem Unrecht oftmals eine hohe Aufmerksamkeit auf Sei­ ten der Rezipienten und der Medien zukommt. 73

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

Hierdurch lässt es sich auch erklären, dass Täter, die eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt und Strafgesetzen zuwider gehandelt haben, auf Sei­ ten der Medien und der Rezipienten bisweilen nicht nur eine hohe Aufmerksam­ keit genießen, sondern aufgrund weiterer hinzutretender Umstände (z. B. einer raf­ finierten, ausgeklügelten oder spektakulären Vorgehensweise) sogar auf offene Sympathie und Bewunderung stoßen.77 Auf Seiten der Staatsanwaltschaft dürfen solche Umstände in aller Regel weder beachtet noch gewürdigt werden, da sie sich außerhalb des für sie geltenden binären Systems bewegen.78 4. Die Art und Weise der Berichterstattung Eine weitere grundlegende Differenz folgt aus der Wahl der stilistischen Mit­ tel und der damit verbundenen Art und Weise der Berichterstattung. Insbesondere bei der Gegenüberstellung von Mitteilungen der Staatsanwaltschaft (z. B. im Rah­ men von Pressekonferenzen, oder mittels schriftlicher Pressemitteilungen) über die Vorgänge und den Stand des Ermittlungsverfahrens mit entsprechenden Dar­ stellungen in den Boulevardmedien wird deutlich, dass vollkommen andere stilis­ tische Mittel und Ausdrucksweisen angewandt werden. Die Staatsanwaltschaft ist nicht zuletzt aufgrund ihrer Verpflichtung zur Objektivität ständig dazu angehal­ ten, einen möglichst objektiven und neutralen Ton an den Tag zu legen. Ihr sind sti­ listische Mittel wie Ironie, Polemik, Satire, Übertreibung usw. aus gutem Grunde verwehrt.79 Dies muss im Hinblick auf die Medien wiederum anders beurteilt werden. Die Medien sind überwiegend privatrechtlich organisiert, so dass ihnen der Schutz­ bereich des Art. 5 GG nicht abgeschnitten ist.80 In den Schutzbereich des Grund­ 77 Damit lässt sich beispielsweise auch die Faszination im Fall „Dagobert“ erklären, wo es der Täter Arnold Funke aufgrund seiner äußerst spektakulären, einfallsreichen und taktisch ge­ schickten Vorgehensweise bei der Erpressung der Kaufhäuser KaDeWe sowie des KarstadtKonzerns zu erheblicher Bekanntheit brachte und sowohl bei der Bevölkerung sowie auf Seiten der Medien auf offene Sympathie stieß; vgl. Hörisch, StV 2005, 151 (152). 78 Vgl. Hörisch, StV 2005, 151 (152), der in diesem Zusammenhang von der „Binarität von Recht/Unrecht“ spricht. 79 Dies resultiert zum einen aus dem Umstand, dass der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ver­ mittelte Schutz der Meinungsfreiheit nicht für die staatliche Öffentlichkeitsarbeit gilt. Ferner gebietet es auch der zur Objektivität verpflichtende § 160 Abs. 2 StPO, dass die Staatsanwalt­ schaft möglichst neutral und unparteiisch über die jeweiligen Vorgänge berichtet. 80 Die staatliche Öffentlichkeitsarbeit enthält zwar auch Meinungen, unterliegt jedoch grundsätzlich nicht dem Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Die Grundrechte ha­ ben in aller Regel keine Geltung für juristische Personen des öffentlichen Rechts; vgl. hierzu BVerfGE 21, 362 (370); v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG I, Art. 5 Rn. 24. In Beziehung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hebt das Bundesverwaltungsgericht insoweit hervor, dass die öf­ fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht als Teil der staatlichen Organisation anzusehen sind, damit ihre Unabhängigkeit und Freiheit weiter gewährleistet werden kann; vgl. BVerwG NJW 1985, 1655 (1657). Nach dem Bundesverfassungsgericht können sich juristische Per­

A. Wesensmerkmale der Öffentlichkeitsarbeit und der Berichterstattung

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rechts der Meinungsfreiheit fallen weiterhin auch Meinungen, die indirekt durch Witz und Ironie verkleidet oder durch Satire verfremdet sind.81 Ferner liegt es ge­ radezu in der Natur der Medien, stilistische Mittel zur inhaltlichen Hervorhebung bestimmter Aspekte, zur Sensibilisierung des Rezipienten, zur Steigerung der Öf­ fentlichkeitswirkung, oder auch nur zu Unterhaltungszwecken anzuwenden. 5. Das Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Medien zur Öffentlichkeit Eine weitere unterscheidungskräftige Besonderheit resultiert aus dem jewei­ ligen Verhältnis zur Öffentlichkeit. Strafverfahren finden – zumindest was die Hauptverhandlung angeht; mit Ausnahme der § 169 S. 2 GVG, § 48 Abs. 1 JGG so­ wie der §§ 171 a bis 174 GVG – grundsätzlich „in der Öffentlichkeit“, jedoch nicht „für die Öffentlichkeit“ statt.82 Hingegen erfolgen die strafrechtlichen Ermittlun­ gen unter einem weitestgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit, da das Bekannt­ werden bestimmter Details – gerade wenn sich diese auf noch von den Ermitt­ lungsbehörden vorzunehmende Ermittlungsmaßnahmen beziehen – den weiteren Verfahrensgang beeinträchtigen können. Ganz anders verhält es sich bei den Me­ dien, die gerade auf ein öffentliches Wirken angelegt und zudem selbst als Teil der Öffentlichkeit zu qualifizieren sind.83 6. Die gegebenen Abhängigkeiten Ferner orientieren sich die Medien – im Gegensatz zu den Strafverfolgungs­ behörden – zumindest in einem gewissen Maße an den öffentlichen Erwartungen, welche an die Berichterstattungen gestellt werden. Dies lässt sich vor allem da­ mit begründen, dass die Medien in der Regel nicht in die staatliche Organisation eingebunden sind. Der weit überwiegende Teil der Medienunternehmen ist privat­ rechtlich strukturiert und muss gezwungenermaßen unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten.84 Folglich sind die Medienunternehmen auf Gewinner­ zielung ausgerichtet, damit sie am Markt mithalten können und überlebensfähig sonen des öffentlichen Rechts ausnahmsweise dann auf die Grundrechte berufen, wenn sie dem grundrechtlich geschützten Lebensbereich unmittelbar unterfallen; vgl. BVerfGE 31, 314 (322). So kann sich eine öffentliche Einrichtung, zu deren Aufgabenbereich selbstverantwort­ licher Freiheit auch die Äußerung von Meinungen gehört, im Rahmen dieser Aufgaben auf Art 5 GG berufen (bejaht wurde dies im Hinblick auf Universitäten und Fakultäten sowie bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten); vgl. BVerfGE 31, 314 (321 f.); 74, 297 (323 f.); AK-GG-Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 36; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG I, Art. 5 Rn. 185. 81 v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG I, Art. 5 Rn. 22. 82 BVerfG NJW 2001, 1633 (1635). 83 AE-StuM, S. 4. 84 AE-StuM, S. 3.

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2. Teil: Arbeitsweise und Interessenlage der Öffentlichkeitsarbeit

bleiben.85 Aufgrund dieser finanziellen Abhängigkeit lassen sich die Medien bei den Fragen, „ob“ und „wie“ über etwas berichtet werden soll, stets auch von der am Markt für Informationen herrschenden Nachfrage leiten.86 7. Weitere mögliche Motive für die Informationsweitergabe und Berichterstattung Die tatsächlichen Motive für eine mediale Berichterstattung über das straf­ rechtliche Ermittlungsverfahren können vielfältiger Natur sein. Zum einen ist es denkbar, dass die Medien rein wirtschaftliche Interessen verfolgen. Zum ande­ ren können sie die Information und Unterhaltung der Bevölkerung bezwecken, die Meinungs- und Willensbildung fördern oder Kontroll- und Überwachungsfunktio­ nen wahrnehmen. Oftmals werden sie jedoch zugleich mehrere der zuvor geschil­ derten Ziele anstreben. Was die Strafverfolgungsbehörden anbelangt, so ist das Aufstellen einer ent­ sprechenden verallgemeinerungsfähigen Aussage weitaus schwieriger. Dies liegt bereits daran, dass die Öffentlichkeitsarbeit gerade nicht zum originären Aufga­ benkreis der Ermittlungsbehörden gehört. Insofern sind auch die in Betracht zu ziehenden Motive nur schwer zu lokalisieren. Zum einen können die zu den Straf­ zwecken angestellten Erwägungen eine Rolle spielen. Ferner können auch rein selbstdarstellerische Absichten nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden.87 In diesem Zusammenhang weist Kettner zurecht darauf hin, dass die Ermittlungs­ behörden grundsätzlich keine Informationen herausgeben würden, welche ein schlechtes Licht auf ihre eigene Arbeit werfen könnten. Vielmehr würden die von den Staatsanwaltschaften einberufenen Pressekonferenzen gerade dazu genutzt, der Bevölkerung ein möglichst positives Bild von der eigenen Arbeit zu vermit­ teln.88 Was die Suche nach den ermittlungsbehördlichen Beweggründen bei der In­ formationsherausgabe angeht, wird bisweilen auch der äußerst schwerwiegende Vorwurf erhoben, die Staatsanwaltschaft würde mithilfe einer bewussten Infor­ mationsstreuung und öffentlichen Bewertung des Verdachtsgrades gezielt auf ein Klima der Vorverurteilung hinarbeiten.89 Der Missbrauch der Informations­politik als Mittel der Verfahrensstrategie, mit dem Ziel ein Klima zu erzeugen, vor dessen Hintergrund weitere rechtlich zweifelhafte Maßnahmen seitens der Bevölkerung toleriert oder sogar befürwortet würden, wäre zweifelsfrei besonders verwerflich, 85 Vgl. hierzu Hassemer, StV 2005, 167 (168). Diese Situation des Wettbewerbs mit anderen Wettbewerbs-/Marktteilnehmern ist den Staatsanwaltschaften hingegen gänzlich unbekannt. 86 Die Strafverfolgungsbehörden unterliegen hingegen keinen vergleichbaren finanziellen Zwängen. 87 Kettner, S. 159. 88 Kettner, S. 160. 89 Kettner, S. 160; Lücke, AnwBl. 1984, 295.

B. Zwischenergebnis

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liegt jedoch durchaus im Bereich des Möglichen.90 Des Weiteren kann nicht aus­ geschlossen werden, dass die Informationsweitergabe im Einzelfall auf einem in­ dividuellen Fehlverhalten eines Behördenmitarbeiters beruht.91 Als Gründe hierfür kommen sowohl die Unwissenheit und Unachtsamkeit einzelner Behördenmitar­ beiter, aber auch ein vorsätzliches Verhalten (beispielsweise, wenn Informationen aus persönlichen finanziellen Interessen den Medien unbefugt zugespielt werden) in Betracht.92

B. Zwischenergebnis Sowohl die Arbeitsweise als auch die Interessenlage der staatsanwaltschaft­ lichen und medialen Öffentlichkeitsarbeit weisen einige prägende Gemeinsam­ keiten auf. Hierbei konnte insbesondere festgestellt werden, dass beide Seiten mit der Weitergabe von Ermittlungsinformationen Aufgaben wahrnehmen, die im öffentlichen Interesse liegen. Auf der anderen Seite wird das ohnehin bestehende Spannungsverhältnis zwischen den Medien und den Ermittlungsbehörden durch eine ganze Reihe – zum Teil gravierender – Unterschiede bei den rechtlichen Vor­ gaben, der jeweiligen Arbeitsweise und den wirtschaftlichen Zwängen etc. mit­ geprägt.

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Vgl. auch hierzu Kettner, S. 160. Um die Herausgabe von Informationen besser koordinieren und kontrollieren zu können, haben die meisten Staatsanwaltschaften besondere Pressestellen eingerichtet. 92 Zweifelsfrei kann es sich hierbei um ein nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 353 b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich relevantes Fehlverhalten handeln. 91

3. Teil

Historischer Überblick über die Öffentlichkeit des Strafverfahrens A. Entwicklung der Öffentlichkeit des Strafverfahrens bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Von der Frühzeit bis ins Mittelalter war ein rechtliches Verfahren für die Öf­ fentlichkeit in aller Regel frei zugänglich, da die Teilnahme der Bevölkerung für die Findung des Rechts eine zwingende Voraussetzung bildete.1 Durch die Mit­ wirkung der Bevölkerung bei der Rechtsfindung (sowie beim Vollzug der Strafe, wenn die Verfolgung besonders schwerer Fälle im Interesse der Allgemeinheit lag) konnte das Recht von der Öffentlichkeit erfahren und mitgestaltet werden.2 Hier­ durch war es möglich, eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, wo­ durch eine gewisse Bestandskraft des Rechts gesichert werden konnte. So tagte in der germanischen Zeit die Volksversammlung unter dem Vorsitz eines adligen Führers oder des Vorstehers einer Hundertschaft als ordentliches Gericht3, wo­ bei sich die Rolle des Vorsitzenden in der Aufgabe erschöpfte, den Dinggenos­ sen einen Urteilsvorschlag zu unterbreiten, der erst mit der Zustimmung der Ge­ richtsgemeinde (hierunter fielen in der Regel die wehrhaften freien Männer4), dem sog. „Umstand“, zu einem Urteil erhoben wurde.5 Ferner hatte jeder Anwesende das Recht, den Urteilsvorschlag mit einer Urteilsschelte anzugreifen, welche den

1

Vgl. Alber, S. 12 ff.; Jung, GS für H. Kaufmann 1986, 891 (894). Da die Teilnahme an der Volksversammlung für die Durchführung eines rechtlichen Verfahrens eine zwingende Voraus­ setzung bildete, bestand nicht nur ein Teilnahmerecht, sondern auch eine entsprechende Ver­ pflichtung. 2 Jung, GS für Kaufmann 1986, 891 (893). Jung weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der Rechtsgang in dieser Zeit in einem hohen Maße von Inszenierung und Schauspiel geprägt war. 3 Vgl. Alber, S. 12. 4 Kujath hebt zudem hervor, dass die wehrfähigen, freien Männer zum Teil verpflichtet wa­ ren, bei Gerichtsverhandlung zu erscheinen, wohingegen dies den Frauen, Unfreien oder Frem­ den untersagt war, sofern sie nicht als Zeugen an den Gerichtsverhandlungen teilnahmen; vgl. Kujath,S. 25 f. 5 Alber, S. 12. Hierbei handelte es sich im Gegensatz zum späteren Inquisitionsprozess um ein „Privatklageverfahren“, das vom Verletzten, seinen Verwandten oder Freunden durch Klage­erhebung in einem feierlichen formellen Akt in die Wege geleitet wurde; siehe Schmidt, Geschichte, § 65.

A. Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

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Vorwurf der Rechtsbeugung enthielt und in der Regel einen Zweikampf zwischen Schelter und Gescholtenem zur Folge hatte.6 Die erste wichtige Änderung dieser Verfahrensweise bildete die Einführung einer Schöffenverfassung durch Karl den Großen (ca. 747 bis 814), welche die Findung des Urteils lebenslänglich bestellten Schöffen übertrug.7 Zwar stand der Zugang zur Gerichtsstätte auch weiterhin allen Freien offen, so dass die Öffent­ lichkeit des Verfahrens dem Grunde nach erhalten blieb, jedoch befanden sich die Teilnehmer nunmehr in einer passiven Beobachterrolle und konnten keinerlei ak­ tiven Einfluss auf den Gang der Verhandlung nehmen.8 Im Verlauf des 13. Jahrhunderts führte eine Reihe von Umständen in ihrem Zu­ sammenwirken zu einer Abkehr vom Grundsatz der Verfahrensöffentlichkeit. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung war das sich verbreitende überwiegend geheime Inquisitionsverfahren.9 Diese insbesondere10 auf Papst Innozenz III. (ca. 1161 bis 1216) zurückgehende Form des Ermittlungs- und Strafprozesses wurde zunächst nur gegen Kleriker im innerkirchlichen Bereich angewandt. Im Spät­ mittelalter (ca. 1250 bis 1500) entwickelte es sich jedoch zur maßgeb­lichen Ver­ fahrensform der weltlichen und geistlichen Gerichtsbarkeit.11 Das Vordringen des Inquisitionsverfahrens wurde durch den Zerfall der Reichsgewalt, das Anwach­ sen der Bevölkerung sowie die wirren politischen und sozialen Verhältnisse be­ 6

Vgl. Alber, S. 12. Vgl. wiederum Alber, S. 13. Mit den Kapitularien (darunter sind königliche Anordnungen im Sinne von Gesetzen zu verstehen) schuf Karl der Große eine weitestgehend einheitliche Ge­ setzgebung und reformierte sowohl die Rechtsprechung als auch das Gerichtswesen. 8 Alber, S. 13. 9 Ein weiterer Faktor, der zu einem Rückgang der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens führte, war die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen im 13. Jahrhundert. Es entstand ein äußerst kompliziertes und diffuses Bild der ständischen Gliederung, das sich auch im Rechts­ wesen niederschlug. Aufgrund der Zersplitterung in einzelne personale Rechtskreise entstand eine große Anzahl unterschiedlicher Gerichte, wie die Dorf-. Forst-, Fürsten-, Kaiserliche Hof-, Markt-, Stadt-, Zinsgerichte sowie eine große Anzahl geistlicher und anderer Gerichte, bei de­ nen nur die Angehörigen bestimmter Gruppierungen erscheinen durften, stimmberechtigt wa­ ren und Zeugnis ablegen konnten. Ferner waren die kaiserlichen Privilegien sowie die zuneh­ mend stärker werdenden Stellungen der Territorialherren mitursächlich für den Rückgang der Öffentlichkeit im Strafverfahren. Die zuvor noch im Freien abgehaltenen Gerichtsverhandlun­ gen fanden nunmehr in speziell zu diesem Zwecke eingerichteten Ding- oder Rathäusern statt; vgl. Alber, S. 13 f. 10 Rüping und Jerouschek weisen darauf hin, dass es nicht unumstritten ist, ob der Inquisi­ tionsprozess bereits vor der Zeit von Papst Innozenz III. entwickelt und angewandt wurde; vgl. Rüping/Jerouschek, Rn. 33. Eb. Schmidt hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die den Inquisitionsprozess kennzeichnenden Elemente der Offizial- und Instruktionsmaxime im Wege einer „form- und gestaltlos sich bildenden Rechtsgewohnheit“ entwickelt und vereint wurden; vgl. Schmidt, Geschichte, § 70. 11 Rüping und Jerouschek verdeutlichen in diesem Zusammenhang, dass die Ausdehnung des Inquisitionsprozesses auf Vorgänge außerhalb des innerkirchlichen Bereichs in erster Linie dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität (und dabei vor allem den Fälscherbanden) ge­ schuldet war; vgl. Rüping/Jerouschek, Rn. 33. 7

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3. Teil: Überblick über die Öffentlichkeit des Strafverfahrens

günstigt, mit denen ein starker Anstieg der Kriminalität einherging. Durch das bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende „Akkusationsverfahren“, welches auf Betrei­ ben der Parteien in Gang gesetzt wurde und darüber hinaus äußerst starre Regelun­ gen aufwies, konnte der Landfrieden nicht mehr in hinreichendem Maße gesichert werden. Dies war insbesondere dem Umstand geschuldet, dass ein Einschreiten auf amtliche Initiative hin nicht möglich war. Insofern bot das inquisitorische Ver­ fahren den entscheidenden Vorteil, dass nunmehr von Amts wegen („ex officio“) ermittelt wurde.12 Die entscheidenden Ermittlungen im Inquisitionsverfahren (und dabei ins­ besondere die Befragung und Folterung des Beschuldigten) wurden in den „ver­ schlossenen Amtsstuben und Folterkammern der obrigkeitlichen Gefängnisse“ in einem von wenigen beauftragten Schöffen durchgeführten Vorverfahren vorge­ nommen.13 Den einzigen öffentlich zugänglichen Teil des Inquisitionsverfahrens bildete der das Verfahren abschließende „endliche Rechtstag“, an dem die Verkün­ dung und zumeist auch die Vollstreckung des Urteils erfolgte.14 Die eigentliche Entscheidung fiel jedoch bereits in dem vorgeschalteten geheimen Vorverfahren.15 War im Verlauf des Vorverfahrens ein Geständnis erwirkt worden (beispielsweise mit den Mitteln der Tortur oder der Geständniserpressung), führte dies mit an Si­ cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung im öffentlichen Ter­ min. Konnte dem Beschuldigten hingegen kein Geständnis abgerungen werden, so ließ man ihn zumeist frei, nachdem er die sog. „Urfehde“ (d. h. einen beeideten Fehdeverzicht) geschworen hatte, da es insofern an hinreichenden Überführungs­ möglichkeiten mangelte.16 Im Zeitalter des Absolutismus musste auch dieser letzte Rest von Verfahren­ söffentlichkeit einem durchgehend im Verborgenen abgehaltenen Verfahren wei­ chen.17 Eine entscheidende historische Wende für die Öffentlichkeit des ge­ richtlichen Verfahrens ging von den aufklärerischen Bewegungen des 17. und 12 Siehe Alber, S. 14. Ferner fielen Ankläger und Richter in einer Personalunion zusammen; siehe Neuling, S. 58. Darin liegt einer der vielen schweren strukturellen Schwachstellen des In­ quisitionsverfahrens begründet, da die Verschmelzung der Instanzen des Ermittlers, Anklägers, Verteidigers und Richters in einer prozessualen Rolle zu einer vollständigen Aufhebung der prozessualen Gewaltenteilung führte. Dass der Richter nunmehr gleichermaßen als Organ der Strafverfolgung tätig wurde, führte zwangsläufig zu seiner Befangenheit in der Sache. Ein wei­ terer gravierender Mangel lag in der prozessualen Stellung des Beschuldigten („Inquisitus“) begründet, der lediglich als passives Untersuchungsobjekt am Prozess teilnahm, ohne dass er dabei eigene prozessuale Rechte geltend machen konnte. 13 Siehe Schmidt, Geschichte, § 79 sowie Neuling, S. 58. 14 Die Bestrafung des Beschuldigten hatte zumeist einen volksfestähnlichen Charakter; vgl. Neuling, S. 58. 15 Der „endliche Rechtstag“ kann von daher unter keinen Umständen mit der strafrechtlichen Hauptverhandlung im heutigen Verständnis verglichen werden und wird zurecht als eine „reine Farce“ bezeichnet; vgl. insoweit Jung, GS für Kaufmann 1986, 891 (894) und Neuling, S. 58 Rn. 56. 16 Siehe Schmidt, Geschichte, § 79. 17 Siehe Zielemann, S. 72.

A. Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

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18. Jahrhunderts aus. Diese führten nach und nach zu einem Paradigmenwechsel von den inquisitorischen Geheimprozessen hin zu einem transparenteren und libe­ raleren Gerichtsprozess.18 Neben der Art und Weise der Bestrafung wurden auch das Gerichtsverfahren19 und die Strafgründe immer mehr zum Gegenstand auf­ klärerischer Kritik.20 Im Rahmen dieser Entwicklung gewann die Forderung nach einem Zuwachs an Verfahrensöffentlichkeit immer mehr an Bedeutung.21 Dies ver­ wundert insofern nicht, da die Aufklärer darauf abzielten, den Menschen aus den religiösen und weltlichen Zwängen des Mittelalters zu befreien und mithilfe der Vernunft als universelle Urteilsinstanz eine neue soziale Ordnung zu schaffen, die eine möglichst freie Entfaltung der Persönlichkeit des Individuums ermög­lichen sollte. Zur Verwirklichung dieser Ziele war der Zugewinn von Kontroll- und Infor­ mationsmöglichkeiten auf Seiten der Bevölkerung zwingend erforderlich.22 In Ablehnung der überwiegend im Geheimen verbleibenden Inquisitionspro­ zesse wurde insbesondere im Werk des italienischen Philosophen und Strafrechts­ reformers Cesare Beccaria („Dei delitti e delle pene“, 1764) die Forderung nach einer öffentlichen Gerichtsverhandlung laut.23 In Frankreich wurde am 8. und 9. Oktober 1789 ein provisorisches Gesetz erlassen, welches zwar die Grundsätze des Inquisitionsprozesses beibehielt, jedoch gleichzeitig anordnete, dass im ge­ richtlichen Verfahren bei offenen Türen verhandelt werden musste.24 Im breiten Bewusstsein der deutschen Bevölkerung setzten sich die aufklärerischen Grund­ sätze jedoch erst infolge der französischen Revolutionskriege und der napoleoni­ 18

Vgl. Neuling, S. 59 ff. So wurde im Zuge der Aufklärung allmählich der Einsatz von Folter als Mittel zur Ge­ winnung von Geständnissen beseitigt; vgl. Alber, S. 18. Erste Impulse für die Abschaffung der Folter als strafverfahrensrechtliches Instrumentarium gab Friedrich II. der „Große“ (1712 bis 1786), als dieser unmittelbar nach seinem Amtsantritt am 3. Juni 1740 eine Kabinettsorder ver­ fassen ließ, welche die Folter bis auf drei Ausnahmefälle (Hochverrat, Landesverrat und große Mordtaten mit vielen Opfern oder Tätern) untersagte; vgl. Baldauf, S. 179 f. 20 Allen voran forderte Montesquieu (ca. 1689 bis 1755) in seinem im Jahre 1748 erschiene­ nen Hauptwerk „De l’ esprit des lois“ (Vom Geist der Gesetze) die Proportionalität von Verbre­ chen und Strafe, die Gewaltenteilung, die Stellung der Justiz unter das Gesetz sowie die Ein­ führung von Geschworenengerichten; siehe Alber, S. 26; Ranft, Jura 1995, 573 (vgl. dort auch die Fn. 6); Schmidt, Geschichte, § 207. 21 Daneben brachten der Anklagegrundsatz, die Mündlichkeitsmaxime sowie der Grundsatz der freien Beweiswürdigung weitreichende Veränderungen des Strafverfahrens mit sich; vgl. Alber, S. 36 ff.; Jung, GS für Kaufmann 1986, 891 (894); Neuling, S. 63. 22 Zur Durchsetzung des individuellen Schutzes vor staatlicher Willkür wurde eine Zunahme der Transparenz hoheitlicher Vorgänge (d. h. der legislativen, judikativen und exekutiven Ge­ walt) zwingend notwendig; vgl. Neuling, S. 61. 23 Vgl. Beccaria, S. 26 ff. Darin heißt es ferner: „Öffentlich soll die Gerichtsverhandlung und öffentlich soll die Beweiserhebung sein, damit die öffentliche Meinung, die vielleicht das ein­ zige Bindeglied der Gesellschaft ist, der Gewalt und den Leidenschaften einen Zügel anlege und damit das Volk sagen könne: wir sind keine Sklaven, wir haben eine Verteidigung – ein er­ mutigendes Gefühl, das dem Tribut an einen Fürsten gleichkommt, der sein wahres Interesse erkannt hat“; zitiert in Alber, S. 18. 24 Vgl. Alber, S. 29. 19

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3. Teil: Überblick über die Öffentlichkeit des Strafverfahrens

schen Expansion durch.25 Dabei spielte das französische Strafrecht, welches im Verlauf der französischen Invasion in den Gebieten des deutschen Westens immer mehr Fuß fasste, eine kaum zu unterschätzende Rolle. Nach den Befreiungskriegen (1813 bis 1815) und dem darauf folgenden Wie­ ner Kongress im Jahre 1815 gewann die liberale bürgerliche Gesellschaft in zu­ nehmenden Maße an Bedeutung. Zu einer vereinheitlichten Regelung über die Öf­ fentlichkeit im Strafverfahren kam es jedoch erst im Zusammenhang mit dem am 1. Oktober 1879 in Kraft getretenen Gerichtsverfassungsgesetz.26 Die im 14. Titel dieses Gesetzes enthaltenen Bestimmungen enthielten erstmalig verbindliche Re­ gelungen, welche die Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen zwingend fest­ legten.27 In der Zeit des „Dritten Reiches“ (1933 bis 1945) waren strafrechtliche Haupt­ verhandlungen in weitem Umfang öffentlich zugänglich.28 Dabei ging es aller­ dings weder um eine transparentere Ausgestaltung des Strafverfahrens noch um die Ermöglichung plebiszitärer Kontrollfunktionen gegenüber den staatlichen Stellen, sondern um die öffentliche Zurschaustellung der Macht der Nationalso­ zialisten.29 Begründet wurde der Zuwachs an Verfahrensöffentlichkeit mit dem fa­ denscheinigen Argument der Verantwortlichkeit des Rechtsbrechers gegenüber der „Volksgemeinschaft“, an der sich dieser zuvor versündigt habe. Dies führte oft­ mals zu einem totalen Verlust der Privatsphäre auf Seiten des Beschuldigten.30 Fer­ ner wurden im Verlauf der nationalsozialistischen Diktatur etliche Sonder­gerichte geschaffen sowie eine Vielzahl schützender Individualrechte der Prozessbeteilig­ ten abgeschafft.31 Letztlich ist Neuling darin beizupflichten, dass in den Zeiten der nationalsozia­ listischen Schreckensherrschaft „jedes noch so kleine zarte Pflänzchen bisher ge­

25

Vgl. Alber, S. 31. Siehe Neuling, S. 66. 27 Vgl. insbesondere den § 170 GVG in der Fassung von 1879: „Die Verhandlung vor dem er­ kennenden Gerichte, einschließlich der Verkündung der Urtheile und Beschlüsse desselben, er­ folgt öffentlich“. In den anschließenden Reformen des Gerichtsverfassungsgesetzes wurde die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung teilweise eingeschränkt; vgl. Neuling, S. 68. Insofern ist beispielhaft die Einführung der Nichtöffentlichkeit der strafrechtlichen Hauptverhandlung in Jugendsachen durch das Reichsjugendgesetz von 1923 zu nennen. 28 Vgl. zu der Entwicklung des Strafverfahrensrechts seit dem Jahre 1933 die ausführliche Darstellung bei Schmidt, Geschichte, § 354 ff. 29 Siehe Neuling, S. 68; vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Kujath, S. 33 f. 30 Vgl. Neuling, S. 68 f. 31 Vgl. in diesem Zusammenhang Schmidt, Geschichte, § 357. Die Strafprozessnovelle von 1935 bestimmte, dass die Gerichte in der Beweiswürdigung weitestgehend frei sein sollten. Ferner wurde das bis dahin im Strafprozess geltende Verbot der „reformatio in peius“ aufge­ hoben, mit der „Erregung der Öffentlichkeit“ ein neuer Haftgrund geschaffen und das Reichs­ gericht von einer Bindung an alte Gerichtsentscheidungen befreit; vgl. hierzu ebenfalls die Dar­ stellungen bei Rüping/Jerouschek, S. 116 ff. und Schmidt, Geschichte, § 361. 26

B. Entwicklung seit 1945

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wachsener, liberalrechtsstaatlicher Strafverfahrensprägung vernichtet“ wurde.32 In diesem Zuge wurde auch die in den Zeiten der Aufklärung erstrittene Prozessöf­ fentlichkeit als „Waffe gegen den Angeklagten“ zweckentfremdet, um seine „Ab­ urteilung vor einem möglichst großen Publikum zu exekutieren“.33

B. Entwicklung der Öffentlichkeit des Strafverfahrens seit 1945 Die strafrechtliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im Nürnberger Tribunal gegen die Hauptkriegsverbrecher34 erfolgte noch in wei­ tem Umfang öffentlich. Dabei berichteten ca. 250 Berichterstatter für Zeitungen und Rundfunkanstalten aus aller Welt über die prozessualen Geschehnisse. Zudem wurden diese Vorgänge mithilfe von Filmaufnahmen und Fotografien dokumen­ tiert und die vollständigen Protokolle nach Abschluss des Prozesses von der ame­ rikanischen Regierung veröffentlicht. Das Verhältnis der Strafjustiz zu den Medien war in den darauf folgenden Jahrzehnten (d. h. in den fünfziger, sechziger und bis in die siebziger Jahre hinein) hingegen durch ein tiefes Misstrauen geprägt, wel­ ches sich beispielsweise in einer Äußerung Eb. Schmidts offenbart, nach welcher der „immer aufdringlicher werdende Trend zur Publicity, der aus den öffentlichen Hauptverhandlungen nur zu gern mit allen verfügbaren Mitteln Schauprozesse zu machen gewillt ist“, eine Gefahr für die Sache der Justiz darstelle.35 Vor dem Hintergrund fortschreitender technischer Entwicklungen bei den Mas­ senkommunikationsmitteln und den damit verbundenen Veränderungen bei der Berichterstattung über Strafverfahren wurde die mittelbare Gerichtsöffentlich­ keit immer weiter in den Fokus des Gesetzgebers gerückt, bis dieser schließlich im Rahmen des Strafprozessänderungsgesetzes vom 19. Dezember 196436 mit der Einführung des § 169 Satz 2 GVG reagierte, welcher Ton- und Fernseh-Rundfunk­ aufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zu Zwecken öffentlicher Vorführun­ gen oder Veröffentlichungen ihres Inhalts in Gerichtsverhandlungen für unzulässig erklärte.37 Begründet wurde die Ergänzung dieser Vorschrift damit, dass die An­ 32

Vgl. Neuling, S. 69. Vgl. Neuling, S. 69. 34 Dieses bildete zusammen mit den zwölf Nürnberger Nachfolgeprozessen die sog. Nürn­ berger Prozesse, welche im Zeitraum zwischen dem 20. November 1945 und dem 14. April 1949 gegen die Verantwortlichen des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus ge­ führt wurden; vgl. hierzu die Ausführungen bei Rüping/Jerouschek, S. 130 ff. sowie bei Vormbaum, S. 225 ff. 35 Vgl. Danziger, S. 3. 36 Vgl. BGBl. I 1964 S. 1067 (1080). 37 Vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 169 Rn. 62 sowie Maul, MDR 1970, 286. Bereits in den Vor­ schriften des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877 befand sich eine mit dem heutigen § 169 Satz 1 GVG identische Regelung – § 170 GVG (1877) – welche den Öffentlichkeitsgrundsatz garantierte; vgl. Britz, S. 27. Ferner hat der Gesetzgeber mit den am 1. Januar 1975 modifizier­ 33

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3. Teil: Überblick über die Öffentlichkeit des Strafverfahrens

fertigung und Übertragung von Rundfunk- und Filmaufnahmen im Gerichtssaal weit über die notwendige Öffentlichkeit der Hauptverhandlung hinausgehe und zu einer Gefährdung der Wahrheitsfindung im Strafprozess sowie zu einer Einschrän­ kung der Verteidigungsmöglichkeit des Angeklagten führen könne.38 Nach dieser gesetzgeberischen Ergänzung beruhigte sich die Debatte über die Medienöffent­ lichkeit im Strafverfahren zunächst wieder, bis diese in den achtziger Jahren unter anderem im Zusammenhang mit dem Parteispendenverfahren in der sog. „FlickAffäre“ erneut entflammte.39 Im Rahmen der bis zum heutigen Zeitpunkt andauernden Diskussion um das Verhältnis der Medien zur Strafjustiz wurde insbesondere die Problematik der Vor­ verurteilung des Beschuldigten und die Beeinflussung von Verfahrensbeteiligten durch die Öffentlichkeit in den Mittelpunkt gerückt.40 Danziger weist insofern je­ doch darauf hin, dass das in den sechziger Jahren noch vorherrschende Pathos bei der Beurteilung des Verhältnisses zwischen der Justiz und den Medien inzwischen einem gewissen Pragmatismus gewichen ist, welcher die Notwendigkeit einer be­ grenzten Medienöffentlichkeit im Strafverfahren anerkennt.41

ten §§ 172 und 174 GVG sowie mit dem am 18. Dezember 1986 neu eingefügten § 171 b GVG Normen geschaffen, welche einen Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutze der Privatsphäre der Prozessbeteiligten erlauben und folglich dem Schutz persönlichkeitsrechtlicher Belange dienen; vgl. Neuling, S. 71 Rn. 139. 38 Siehe Kissel/Mayer, GVG, § 169 Rn. 62. Kissel/Mayer weisen darauf hin, dass der Ange­ klagte im Falle der Gestattung von Rundfunk- und Filmaufnahmen im Gerichtssaal z. B. aus Scheu vor einer nicht überschaubaren Zuhörer- und Zuschauerschaft davon abgehalten werden könnte, Aussagen und Erklärungen so abzugeben oder zu verweigern, wie es seine bestmög­ liche Verteidigung erfordert. Ferner werde hierdurch der Zweck des § 243 Abs. 2 StPO verei­ telt, der untersagt, dass Zeugen bei der Vernehmung des Angeklagten zugegen sind und somit von den Aussagen vorhergehender Zeugenvernehmungen Kenntnis nehmen können. Des Wei­ teren könnten Zeugen bei ihren Aussagen gehemmt und in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt werden. Ferner bestehe die große Gefahr, dass der noch nicht verurteilte Angeklagte in einem „unerträglichen“ Ausmaß in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werde. 39 Siehe Danziger, S. 5 und Hassemer, NJW 1985, 1921. 40 Vgl. Danziger, S. 5. 41 Vgl. Danziger, S. 5.

4. Teil

Historische Betrachtung der Öffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens Im Gegensatz zu dem vorangegangenen Abschnitt setzt sich der folgende Teil im Besonderen mit der Öffentlichkeit im Ermittlungsverfahren auseinander. Der Begriff des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens war dem historischen Gesetzgeber der Strafprozessordnung im Jahre 1877 noch nicht bekannt. Dieser Verfahrensabschnitt wurde vielmehr als „vorbereitendes Verfahren“ oder „Vor­ verfahren“ bezeichnet.1 Inzwischen hat sich der Begriff des Ermittlungsverfah­ rens jedoch durchgesetzt und ist allgemein anerkannt.2 Ferner entsprach es dem Willen des Gesetzgebers von 1877, dass dem Ermittlungsverfahren gegenüber der strafrechtlichen Hauptverhandlung lediglich eine untergeordnete Bedeutung bei­ gemessen werden sollte,3 was sich unter anderem daran zeigt, dass die Rechte des Beschuldigten in diesem Verfahrensstadium (z. B. auf Belehrung, Information, Akteneinsicht und Beistand durch einen Verteidiger) im Gegensatz zur heutigen Rechtslage kaum ausgeprägt waren.4

A. Grundsatz der „Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens“ Wie bereits aus dem vierten Teil dieser Untersuchung hervorgeht, war das Straf­ verfahren ursprünglich in weitem Umfang der Öffentlichkeit zugänglich, wohin­ gegen zumindest der Abschnitt strafrechtlicher Ermittlungen im Zuge der Ver­ breitung des Inquisitionsverfahrens unter nahezu vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.5 1

Siehe Kettner, S. 5. Kettner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Begriff des Ermittlungs­ verfahrens den Inhalt und die Ziele dieses Verfahrensabschnitts besonders gut beschreibt und dessen eigenständigen Charakter hervorhebt; siehe Kettner, S. 5. 3 Vgl. Fezer, GS für Schröder 1978, 407 (408) und Kettner, S. 5. 4 Siehe Fezer, GS für Schröder 1978, 407 (408 ff.) Fezer hebt weiterhin hervor, dass diese Rechte des Beschuldigten im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren so gut wie gar nicht existierten und im Rahmen der gerichtlichen Ermittlungen nur in einem geringfügigen Ausmaß geregelt waren. 5 Wie bereits erörtert wurde, fand das Strafverfahren im altgermanischen Recht nahezu vollständig in der Öffentlichkeit statt, da keine Trennung zwischen Volk und Gericht existierte. 2

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4. Teil: Betrachtung der Öffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens

Im Zuge der Einführung einer prinzipiellen Gerichtsöffentlichkeit im Straf­ verfahren war bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts streitig, ob auch das straf­ rechtliche Vorverfahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte.6 Die Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens als öffentlicher Verfahrensabschnitt wurde dabei insbesondere von v. Feuerbach und Siebenpfeiffer propagiert, die un­ ter anderem vorbrachten, dass dem Beschuldigten bereits zu Beginn des Verfah­ rens vor dem ausufernden „Amtseifer“ Schutz geboten werden müsse und die Öf­ fentlichkeit weitaus schlechter über den Beschuldigten denken würde, wenn sie das Verfahren nicht mitverfolgen könnte.7 Zudem wurde argumentiert, dass wäh­ rend des Vorverfahrens zugefügte Qualen nicht mehr ungeschehen gemacht wer­ den ­könnten.8 Eine zumindest in Teilen ablehnende Haltung gegenüber der öffentlichen Aus­ gestaltung des strafrechtlichen Vorverfahrens nahmen hingegen Biener9 und Za­ chariae10 ein, wobei sie in erster Linie drohende Beeinträchtigungen für die Wirk­ samkeit der strafrechtlichen Ermittlungen ins Feld führten. Insbesondere sei dabei mit nachteiligen Auswirkungen auf die konkreten Ermittlungsspuren und Zeugen­ aussagen zu rechnen sowie mit Rufschädigungen auf Seiten des zu Unrecht Be­ schuldigten und mit einem Ansehensverlust der ergebnislos ermittelnden staat­ lichen Stellen.11 Auf dem 11. deutschen Juristentag in Hannover im Jahre 1873 wurde beschlos­ sen, dass das Öffentlichkeitsprinzip auch im Rahmen der Voruntersuchung den Re­ gelfall bilden sollte.12 Die dabei vorgebrachten Argumente dokumentieren die auf das inquisitorische Verfahren zurückzuführende Skepsis gegenüber einem gehei­ men Verfahren, in dessen Verlauf mit den Mitteln der List und der Gewalt Geständ­ nisse abgerungen und Verurteilungen vorbereitet wurden.13 Insoweit hebt Neuling hervor, dass die schlechten Erfahrungen mit der Geheimjustiz des inquisitorischen Verfahrens während den Reformdiskussionen zu einer „verständlichen, aber den­ noch unreflektierten und uneingeschränkt idealistischen Akzeptanz umfassender Justizöffentlichkeit“ führten.14

Das Recht war vielmehr ein Gut der Allgemeinheit und entstammte der Überzeugung und dem Rechtsgefühl der Gemeinschaft; vgl. Kujath, S. 25. 6 Vgl. Neuling, S. 110. 7 Siehe v. Feuerbach, Heidelberger Jahrbücher, Nr. 11 (1822), S. 161 (171 ff.) sowie Siebenpfeiffer, Gerechtigkeitspflege (1823), S. 275 ff.; vgl. hierzu ferner Neuling, S. 110 f. 8 Vgl. Neuling, S. 110. 9 Vgl. Biener, Beiträge (1827), S. 179 f. Vgl. zur Person Bieners die Darstellung bei Schmidt, Geschichte, § 264. 10 Vgl. zur Person Zachariaes wiederum die ausführliche Darstellung bei Schmidt, Ge­ schichte, § 266. 11 Vgl. Neuling, S. 111. 12 Siehe Alber, S. 150 und Neuling, S. 111. 13 Vgl. Alber, S. 150 f. 14 Siehe Neuling, S. 112.

A. „Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens“

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Das Prinzip geheimer Ermittlungen setzt sich jedoch ungeachtet dieser Bestre­ bungen bis in die heutige Strafprozessordnung und das heutige Strafverfahrens­ recht fort.15 So betonte auch das Bundesverfassungsgericht, dass das Ermittlungs­ verfahren seiner Natur nach nicht von Beginn an „offen“, „d. h. unter Bekanntgabe aller ermittelten oder auch nur den Anfangsverdacht begründenden Tatsachen“ ge­ führt werden könne, da andernfalls schwerwiegende Beeinträchtigungen bei der Erforschung des Sachverhalts und der Wahrheitsfindung drohten.16 Unter anderem gelangt auch das Oberlandesgericht Braunschweig in zwei Ent­ scheidungen zu dem Schluss, dass die Nennung des Beschuldigtennamens im Ermittlungsverfahren aufgrund des nichtöffentlichen Charakters dieses Verfah­ rensabschnitts von besonders hohen Voraussetzungen abhängig gemacht werden müsse.17 Der Ausschluss der Öffentlichkeit diene zwar in erster Linie der Unbe­ fangenheit der am Strafverfahren beteiligten Personen (d. h. der Richter, Zeugen, Sachverständigen usw.). Darüber hinaus bezwecke der Öffentlichkeitsausschluss zumindest mittelbar jedoch auch den Schutz der Beschuldigteninteressen.18 Was den Grundsatz der Öffentlichkeit betrifft, so unterscheidet sich das Ermitt­ lungsverfahren maßgeblich von der strafrechtlichen Hauptverhandlung, für die § 169 Satz 1 GVG die Öffentlichkeit und den damit verbundenen freien Informa­ 15

Vgl. hierzu Neuling, S. 109 ff.; Riess, FS für Rebmann 1989, 381 (393 f.); Stapper, S. 90 und Zielemann, S. 70. Weigend spricht vom geheimen Ermittlungsverfahren als einem „rocher de bronze“; vgl. AE-StuM-Weigend, S. 35. 16 BVerfG NStZ 1984, 228. 17 OLG Braunschweig, AfP 1975, 913 ff.; OLG Braunschweig, NJW 1975, 651 ff.; vgl. hierzu auch Stapper, S. 89 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die vom Bundesverfassungsgericht und dem Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien sowie die weiteren Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu dieser Problematik weiter unten, im 8. Teil, B. I. 2. (diese Anforde­ rungen, unter denen identifizierende Informationen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig sein sollen, werden in einem gesonder­ ten Prüfungspunkt näher behandelt). 18 Das OLG Braunschweig weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die öffentliche Bekanntgabe der Aufnahme von Ermittlungen oftmals mit dem Nachweis der Schuld gleich­ gesetzt werde. Ferner sei dabei zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der bei den Staatsanwaltschaften anhängigen Ermittlungsverfahren wieder eingestellt werde; OLG Braun­ schweig AfP 1975, 914; OLG Braunschweig NJW 1975, 651 (652); a. A. Stapper und Zielemann, die betonen, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit im Ermittlungsverfahren einzig und allein der Erleichterung der Behördenarbeit (bzw. Zwecken der Strafverfolgung) diene und der Schutz des Beschuldigten allenfalls als Reflex angesehen werden könne; vgl. Stapper, S. 91 und Zielemann, S. 72. Die Rechte des Beschuldigten werden nach der derzeitigen Fassung der Strafprozessordnung durch eine ganze Reihe von Vorschriften geschützt, welche beispielsweise anordnen, dass die ihm zur Last gelegte Tat bis zum Abschluss der Ermittlungen bekannt zu geben ist und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Tatvorwürfen eingeräumt wer­ den muss (vgl. insofern § 163 a Abs. 1 und 4 StPO sowie § 136 Abs. 1 und 2 StPO). Weitere Vorschriften zum Schutz des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren finden sich z. B. in den §§ 115, 115 a, 147, 166, 168 c und 168 d StPO. Mithilfe dieser Vorschriften soll der Beschul­ digte davor bewahrt werden, zum bloßen Objekt strafrechtlicher Ermittlungen zu verkommen; vgl. BVerfG NStZ 1984, 228.

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4. Teil: Betrachtung der Öffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens

tionszugang in weiten Teilen zwingend anordnet.19 Insofern kann auch im Wege eines Umkehrschlusses damit argumentiert werden, dass der Gesetzgeber in Er­ mangelung einer § 169 Satz 1 GVG entsprechenden Regelung für das Ermittlungs­ verfahren von dessen Nichtöffentlichkeit ausgegangen ist und eine identifizierende Berichterstattung – im Gegensatz zur strafrechtlichen Hauptverhandlung – gerade ausschließen wollte.20 Des Weiteren sprechen auch die §§ 147, 406 e und 475 StPO gegen einen gesetzgeberisch intendierten freizügigen Umgang mit den Informatio­ nen im Ermittlungsverfahren. Diese Vorschriften sehen die Einsichtnahme und die Auskunft aus Ermittlungsakten nur für einen bestimmten Personenkreis vor und machen sie zudem von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Somit ist an dieser Stelle festzuhalten, dass das strafrechtliche Ermittlungs­ verfahren im Grundsatz als nichtöffentlicher Verfahrensabschnitt ausgestaltet ist.

B. Wandel des Ermittlungsverfahrens Der zuvor geschilderte Grundsatz, nach dem das strafrechtliche Ermittlungs­ verfahren weitestgehend gegenüber der Öffentlichkeit abgeschottet ist, wird aus der heutigen Sicht jedoch zum Teil als unpraktikabel und realitätsfern erachtet.21 Hierzu bringt Weigend vor, dass sich das öffentliche bzw. mediale Interesse an strafrechtlich relevanten Geschehen keineswegs nach dem jeweiligen Verfahrens­ stadium richte, sondern vielmehr wellenförmig verlaufe.22 Ihm ist dahingehend beizupflichten, als dass die Höhepunkte des öffentlichen Interesses in Strafver­ fahren zumeist auf den Beginn der Ermittlungen (d. h. auf den Zeitpunkt des Auf­ tauchens eines ersten Tatverdachts), den Beginn der Hauptverhandlung und den erstinstanzlichen Urteilsspruch fallen.23 Dabei stoßen gerade die frühen Ermitt­ lungshandlungen und die daraus resultierenden Informationen aufgrund ihrer Ak­ tualität und ihres sensationsgeladenen Charakters auf eine erhöhte Aufmerksam­ keit bei den Rezipienten und von daher auch auf ein großes mediales Interesse.

19 Siehe Riess, FS für Rebmann 1989, 381 (393 f.); vgl. zu den Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung die §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG, 171 a, 171 b und 172 GVG. 20 Siehe Zielemann, S. 70. In diesem Zusammenhang weist Stapper darauf hin, dass es Schwierigkeiten bereitet, allein aus der gesetzgeberischen Untätigkeit entsprechende Schluss­ folgerungen zu ziehen. Anders sei dies nur dann zu beurteilen, wenn es tatsächliche Bestrebun­ gen bei der Einführung öffentlicher Voruntersuchungen im Strafverfahren gegeben und der Ge­ setzgeber sich dennoch dagegen entschieden habe; Stapper, S. 90. 21 Vgl. insofern AE-StuM-Weigend, S. 33. 22 AE-StuM-Weigend, S. 33. 23 AE-StuM-Weigend, S. 33. Weigend führt zur Veranschaulichung des geringen öffentlichen Interesses an den Vorgängen strafrechtlicher Hauptverhandlungen die oftmals geringe Anzahl von Journalisten an, die diese von Anfang bis zum Ende mitverfolgen.

B. Wandel des Ermittlungsverfahrens

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Hinzu tritt, dass den Erkenntnissen des Ermittlungsverfahrens im Vergleich zu denjenigen des Zwischenverfahrens und der Hauptverhandlung auch mit Blick auf ihre Bedeutung für das Strafverfahren ein immer größerer Stellenwert bei­ gemessen wird.24 Hierzu führt Weigend aus, dass die formelle Anerkennung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes nichts an dem Umstand ändere, „dass die meisten Haupt­verhandlungen allenfalls marginale Veränderungen an dem bis zur Ankla­ geerhebung gewonnenen Ermittlungsergebnis bewirken“ würden.25 Die Haupt­ verhandlung habe sich somit von der „ursprünglichen Stätte der originären Beweispräsentation hin zu einer bloßen Ratifikation des Ergebnisses des Ermitt­ lungsverfahrens“ entwickelt.26 Gestützt werden diese Überlegungen durch die steigende Anzahl von Verfahrensbeendigungen, ohne dass zuvor eine Hauptver­ handlung durchgeführt wurde (infolge eines Strafbefehls oder einer Verfahrensein­ stellung) sowie durch die Zunahme von Verfahrensabsprachen (die nach Weigend zu einer Entleerung der Hauptverhandlung führen).27 Es kann dahinstehen, ob eine solch drastische Verschiebung des Schwerpunkts im Strafverfahren tatsächlich angenommen werden muss, oder dem Abschnitt der strafrechtlichen Hauptverhandlung auch weiterhin eine gewichtige Rolle bei der Beweisgewinnung und Beweiswürdigung im Strafverfahren zukommt. Fest steht hingegen, dass das Stadium strafrechtlicher Ermittlungen an Bedeutung gewonnen und das öffentliche Interesse sich in demselben Maße auf Vorgänge in diesem Ver­ fahrensstadium verlagert hat. Aus diesem Grunde gebieten es bereits die berechtig­ ten öffentlichen Informations- und Kontrollinteressen, das Ermittlungsverfahren in einem gewissen Umfang der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.28 An dieser Stelle ist somit nochmals festzuhalten, dass das Ermittlungsverfahren dem Grunde nach als ein nichtöffentlicher Verfahrensabschnitt ausgestaltet wurde. Auf der anderen Seite gilt es auch zu bedenken, dass die zunehmende Bedeutung dieses Verfahrensabschnitts und das damit einhergehenden Bedürfnis nach plebis­ zitärer Kontrolle sowie das faktisch bestehende öffentliche und mediale Interes­ ses dazu zwingen, den zuvor beschriebenen Grundsatz erneut auf den Prüfstand zu stellen. Ob – und gegebenenfalls in welchem Umfang – das strafrechtliche Er­ mittlungsverfahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte, welche Informationen von Auskunftsansprüchen der Öffentlichkeit und der Medien um­ fasst sein sollten, und welche Rechte infolge einer Informationsweitergabe oder -verweigerung beeinträchtigt werden könnten, wird im weiteren Verlauf dieser Ar­ beit erörtert. 24

AE-StuM, S. 25. AE-StuM-Weigend, S. 34. 26 AE-StuM-Weigend, S. 34. 27 AE-StuM-Weigend, S. 34. Weigend weist darauf hin, dass Verfahrenseinstellungen und -absprachen insbesondere in Fällen von gesteigertem öffentlichen Interesse auftreten würden. 28 Weigend führt in diesem Zusammenhang an, dass der durch Art. 5 GG garantierte Zugang zu Informationen überall dort gewährleistet werden müsse, wo „die Musik spielt“; vgl. AEStuM-Weigend, S. 35. 25

5. Teil 

Rechtliche Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren Im folgenden Teil sollen die potentiellen Ermächtigungsgrundlagen für eine Weitergabe von Informationen zwischen der Staatsanwaltschaft und den Medien näher betrachtet werden. Spezialgesetzliche Regelungen, welche genau dieses Verhältnis und die damit einhergehenden Rechte und Pflichte regeln, fehlen.1 Hin­ gegen mangelt es nicht an potentiellen Lösungsansätzen.2 Die Suche nach einer möglichen Rechtsgrundlage ist für die zu einem späteren Zeitpunkt aufzuwerfende Frage von Bedeutung, ob die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder Einfluss auf die Prüfung dieser Ermächtigungsgrundlage (mög­licherweise bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder im Wege einer ermessenslen­ kenden Funktion) haben könnten.3 Eine Ermächtigungsgrundlage ist insbesondere dann unerlässlich, wenn auf­ grund der Informationsweitergabe und der hierdurch veranlassten Berichterstat­ tung in Rechte Dritter eingegriffen wird.4 Dies wird im Rahmen der alltäglichen Kontaktpflege von Staatsanwaltschaft und Polizei gegenüber den Medien – vor al­ lem bei allgemein gehaltenen, die Tätigkeit der Behörde betreffenden Mitteilun­ gen über Art und Aufkommen der bearbeiteten Fälle – selten der Fall sein.5 Von entscheidender Bedeutung ist letztendlich, ob eine unmittelbare oder mittelbare Zuordnung des berichteten Geschehens zu einer bestimmten Person möglich ist. Als Beispiel für einen hohen Grad der Anonymisierung kann die Weitergabe von Kriminalstatistiken angeführt werden. Entsprechende Unterrichtungen erfas­ sen strafrechtliches Verhalten lediglich quantitativ und regional und dienen somit in erster Linie der Erlangung eines Überblicks über die Kriminalitätsrate.6 Dabei

1

Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 1. Teil. Vgl. AE-StuM-Meier, S. 89 ff.; Kettner, S. 175 ff.; Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (333 ff.); Neuling, S. 149 ff. 3 Vgl. zu der Frage, in welcher Weise sich die Informationsfreiheitsgesetze auf die Behör­ denentscheidung über die Informationsherausgabe auswirken könnten, die Ausführungen wei­ ter unten, im 9. Teil. 4 Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (333). 5 Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (333). 6 Vgl. hierzu die Seite 2 der polizeilichen Kriminalstatistik für die Bundesrepublik Deutsch­ land aus dem Berichtsjahr 2009; abrufbar unter: https://www.bka.de/nn_196810/sid_EE7CD F218F86346C5012CD3DEE10BF5C/SharedDoc s/Downloads/DE/Publikationen/Polizeiliche 2

5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

57

erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass in rechtlich geschützte Interessen Drit­ ter eingegriffen werden könnte.7 Gleiches ist auch bei allgemein gehaltenen Mit­ teilungen, wie „vergangenen Freitag wurde die örtliche Sparkasse von zwei mas­ kierten Männern überfallen. Zwei tatverdächtige Personen wurden kurz nach der Tat festgenommen“ anzunehmen, da auch in solchen Fällen eine Zuordnung des berichteten Geschehens zu bestimmten Personen kaum möglich erscheint.8 Den Gegensatz hierzu bildet die unmittelbar identifizierende Berichterstattung durch Namensnennung und/oder Abbildung der Person. Aufgrund der gleichar­ tigen Auswirkungen für den betroffenen Personenkreis sind dieser auch solche Mitteilungen gleichzusetzen, bei denen zwar eine ausdrückliche Namensnennung oder Abbildung unterbleibt, das Zuordnungssubjekt sich jedoch unschwer aus den Gesamt- oder Begleitumständen ermitteln lässt. So reicht es zur Identifikation zweifellos aus, wenn in einem Bericht vom „Polizeipräsidenten des Ortes …“, dem „Oberbürgermeister der Stadt …“, oder dem „Leiter der Klinik …“ usw. die Rede ist.9 Von einer Anonymitätsaufhebung muss jedoch auch in weniger eindeu­ tigen Fällen ausgegangen werden. So kann die Identitätsoffenlegung durch das Zu­ sammentreffen mehrerer Einzelinformationen ermöglicht werden, wobei die Re­ zipienten in die Lage versetzt werden, verfahrensbeteiligte Personen durch eine Kombination einzelner Informationsteile zu identifizieren.10 Immer wenn die Personenanonymität der Verfahrensbeteiligten aufgehoben wird und die dahinterstehenden Personen zumeist ungewollt in das Licht der Öf­ fentlichkeit gerückt werden, muss das staatliche Handeln durch eine gesetzliche Kriminalstatistik/ImkKurzberichte/pks2009ImkKurzbericht.html?__nnn=true (zuletzt abgeru­ fen am 4. Juni 2012). 7 Meier führt in diesem Zusammenhang aus, dass eine solche Berichterstattung unpro­ blematisch möglich sei, da es sich hierbei um eine Auskunftserteilung über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse für das Gemeinwesen der Demokratie handeln würde, die zum Auf­ gabenbereich einer jeden Behörde gehöre; Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (333). Die Er­ stellung kriminalpolizeilicher Analysen und Statistiken – einschließlich der Kriminalstatistiken sowie die Beobachtung der Kriminalität zu diesem Zweck – findet ihre Legitimation auf der bundesrechtlichen Ebene in § 2 Abs. 6 Ziffer 2 BKAG. Ferner folgt aus dem Rechtsstaatsprin­ zip (Art. 20 Abs. 3 GG), dass Eingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (dies wird auch aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet, vgl. BVerfGE 6, 32 [37]). Des Weiteren fordert das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass alle wesentlichen – und hierbei ins­ besondere die grundrechtsrelevanten – Fragen, die den Bürger unmittelbar treffen, vom Gesetz­ geber geregelt werden müssen; vgl. BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); 79, 174 (195 f.); 80, 124 (132); 83, 130 (141 ff.); 84, 212 (226); 95, 267 (307 f.); 98, 218 (251); 108, 282 (311). 8 Anders verhält es sich jedoch, wenn beispielsweise die Abwesenheit einer bestimmten Person in einer dörflichen Gemeinde im Zusammenspiel mit einer Mitteilung über die Fest­ nahme eines Beschuldigten Rückschlüsse darüber zulässt, dass es sich dabei um ein und die­ selbe Person handelt. 9 Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Lehr, NStZ 2009, 409 (410) und Prantl, AnwBl. 2009, 421. 10 Beispielsweise kann die Nennung einer Namensabkürzungen im Zusammenhang mit der Angabe des Wohnortes oder der Berufsbezeichnung ausreichen, um die Personenanonymität aufzuheben; vgl. Ostendorf, GA 1980, 445.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Grundlage legitimiert werden. Das Verfügungsrecht des Einzelnen über die ihn be­ treffenden Informationen und seine Darstellung in der Öffentlichkeit ist durch das in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Per­ sönlichkeitsrecht geschützt.11 Das Bundesverfassungsgericht stellte diesbezüglich fest, dass das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung sichert, in dem er seine Indi­ vidualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich selbst zu sein“, „sich selbst zu gehören“ und diesen Bereich ge­ gen ein Eindringen oder einen Einblick durch andere zu verschließen.12 Weiter­ hin gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Befugnis des Einzelnen, „ohne eine Beschränkung auf seine Privatsphäre grundsätzlich selbst entschei­ den zu können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will sowie ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt wer­ den kann“.13 Insofern muss es auch dem Einzelnen überlassen bleiben, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.14 Dieses Grundrecht kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht schrankenlos gewährleistet werden, sondern es ist stets vor dem Lichte der „Gemeinschaftsbezogenheit“ und „Gemeinschaftsgebunden­ heit“ des Individuums zu betrachten.15 Demnach muss der Einzelne Einschränkun­ gen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn diese im überwiegenden Allgemeininteresse liegen.16 Mit dem Bundesverfassungsgericht ist bei entsprechenden Eingriffen eine Rechtsgrundlage zu fordern, aus der sich die Voraussetzungen und der Um­ fang der Beschränkung klar und für den einzelnen Bürger deutlich erkennbar ergeben, und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit ent­ spricht.17 Ferner ist der Gesetzgeber dabei zur strikten Beachtung und Wahrung des Verhältnis­mäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet.18 Die im Folgenden zu erörtern­ den potentiellen rechtlichen Grundlagen, auf welche die Weitergabe von Ermitt­ lungsinformationen gestützt werden könnte, sind somit stets an diesen Anforde­ rungen zu messen.

11

BVerfGE 65, 1 (43); Wente, StV 1988, 216. BVerfGE 35, 202 (220 f.); Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 193; Meier, FS für Schrei­ ber 2003, 331 (334). 13 BVerfGE 54, 148 (155). 14 BVerfGE 27, 1 (6); 32, 373 (378 f.); 44, 353 (372 f.); 56, 37 (41 ff.); 65, 1 (42). 15 BVerfGE 4, 7 (15); 8, 274 (329); 27, 1 (7); 27, 344 (351 f.); 32, 373 (379); 33, 303 (334); 50, 290 (353); 56, 37 (49). 16 Vgl. Wilms, Staatsrecht II, Rn. 353. 17 BVerfGE 45, 400 (420 f.); 65, 1 (43 ff.). 18 BVerfGE 65, 1 (44). 12

A. Die Landespressegesetze

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A. Die Landespressegesetze Bei der Suche nach rechtlichen Regelungen, welche die Art und den Umfang der Weitergabe von Ermittlungsinformationen zwischen den Ermittlungsbehör­ den und den Medien regeln, soll der Blick zuerst auf die Landespressegesetze ge­ richtet werden.

I. Historischer Überblick über die Pressegesetze Die Grundlage für das Deutsche Presserecht bildet das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874.19 Das Reichspressegesetz ging in seinem § 1 vom Grund­ satz der Pressefreiheit aus und schützte die gesamte Tätigkeit der Presse, zu der die Verbreitung geistigen Stoffes durch den Druck gehörte. Zur Zeit der Weima­ rer Republik wurde die Freiheit der Presse wiederum durch Art. 118 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung gewährleistet, welcher das Recht eines jeden Deut­ schen unter Schutz stellte, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. Das Reichspressegesetz galt zwar auch in der Zeit des Nationalsozialismus wei­ ter, wurde jedoch unter anderem dadurch nahezu vollständig ausgehöhlt, dass nur solche Journalisten eine Arbeit aufnehmen und ausüben durften, die gleichzeitig Mitglieder der Reichskammer waren, sowie durch weitere Beschränkungen und Repres­salien, welche allesamt auf eine durch das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter der Leitung von Joseph Goebbels bezweckte Gleichschal­ tung der Presse hinausliefen.20 Während der sich anschließenden Periode alliierter Besatzung wurden, nach einer ersten Phase völliger medialer Stille, ausschließlich Presseerzeugnisse der jeweiligen Besatzungsmächte herausgegeben. Schließlich wurde die Verantwor­ tung über die Presse unter der Kontrolle der Alliierten wieder in die Hände der Deutschen übergeben, wobei der Erwerb von Lizenzen zur Verlegung von Zeitun­ gen und Zeitschriften erforderlich war.21 Nach der Einführung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 wurde die Frage hef­ tig diskutiert, ob die presserechtlichen Bestimmungen des Reichsgesetzes wei­ terhin neben dem Grundgesetz Geltung haben sollten.22 Diesbezüglich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Vorschriften des Reichsgesetzes über die Presse keinen weiteren Bestand neben dem Bundesrecht hätten, wohingegen das Reichspressegesetz im Ganzen zu Landesrecht geworden sei und somit auf der Länderebene in ergänzender Form herangezogen werden müsse, solange keine 19

RGBl. S. 65. Beater, Medienrecht, Rn. 134. 21 Beater, Medienrecht, Rn. 137. 22 Stöckel, Presserecht, Einführung XII. 20

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

entsprechenden landesrechtlichen Vollregelungen des Pressewesens erlassen wur­ den.23 Die ersten Entwürfe landesrechtlicher Pressebestimmungen wurden bereits im Jahre 1949 von den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen geschaffen.24 Diese Bestimmungen dienten einem Musterentwurf der ständigen Konferenz der Innenminister für ein Landespressegesetz als Vorbilder, der am 10. Januar 1963 gebilligt wurde und in wesentlichen Teilen allen Landespresse­ gesetzen zugrunde liegt.25 Nach der Wiedervereinigung wurden zwischen den Jahren 1991 und 1993 auch in den neuen Bundesländern Landespressegesetze erarbeitet und verabschiedet. Inzwischen haben alle Bundesländer entsprechende Landespressegesetze erlassen.

II. Auskunftsrechte und -pflichten nach den Landespressegesetzen In allen Pressegesetzen der Länder sind Regelungen enthalten, die sich explizit mit Informationsansprüchen der Presse gegenüber Behörden befassen. 1. Deklaratorische oder konstitutive Bedeutung der presserechtlichen Informationsansprüche Es ist umstritten, ob ein Informations- und Auskunftsanspruch unmittelbar aus der Verfassung ( d. h. aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) abgeleitet werden kann und durch die Regelungen der Landespressegesetze lediglich konkretisiert wird,26 oder als eigenständiger einfachgesetzlicher Anspruch den jeweiligen Pressegeset­ zen der Länder zu entnehmen ist.27 23

BVerfGE 7, 29 ff. In Baden Württemberg wurde am 1. April 1994 das „Gesetz Nr. 1032 über die Freiheit der Presse“ erlassen (RegBl. S. 59); in Bayern folgte das „Gesetz über die Presse“ am 3. Oktober 1949 (GVOBl. S. 243) sowie in Hessen das „Gesetz über Freiheit und Recht der Presse“ am 23. Juni 1949 (GVBl. S. 75). 25 Vgl. Groß, Presserecht, Rn. 14 f.; Löffler-M. Bullinger, Presserecht, Einl Rn. 83; Stöckel, Presserecht, Einführung XII. 26 Demzufolge sind die Auskunftsansprüche der Landespressegesetze rein deklaratorischer Natur. 27 Danach wären die Auskunftsansprüche der Landespressegesetze konstitutiv für das Be­ stehen entsprechender Auskunftsrechte und -pflichten. Für eine unmittelbare verfassungsrecht­ liche Verankerung des Auskunftsanspruchs: VG Stuttgart AfP 1986, 89 (90); BK-GG-Degenhart, Art. 5 Rn. 393; Groß, DÖV 1997, 133 (134 ff.); Groß, Presserecht, Rn. 397 ff.; Paschke, Presserecht, Rn. 216; Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 3 ff.; im Hinblick auf das Institut einer „freien“ Presse früher auch das BVerfGE 20, 162 (175 f.). Für eine einfachgesetzliche Begrün­ dung des Auskunftsanspruchs hingegen: BVerwGE 70, 310 (311 ff.); 85, 283 ff.; OVG Bre­ men NJW 1989, 926 f.; OVG Münster AfP 2004, 475 (476); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn.  16 ff.; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 19 Kap. Rn. 7. 24

A. Die Landespressegesetze

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Die Vertreter einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Informations­ anspruchs berufen sich zum einen auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht der Pressefreiheit.28 Hiernach soll Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aufgrund seiner systematischen Stellung und seines traditionellen Verständ­ nisses zwar zunächst nur ein subjektives Grundrecht aller im Pressewesen täti­ gen Personen und Unternehmen begründen, durch welches die Freiheit von staat­ lichen Zwängen gewährleistet und diesen in gewissen Zusammenhängen eine bevorzugte Rechtsstellung gewährt wird. Darüber hinaus sei in diesem Grund­ recht jedoch auch eine objektive rechtliche Komponente enthalten, durch welche das Rechts­institut einer „freien Presse“ garantiert werde. Daher soll der Staat über­ all dort, wo das Grundrecht der Pressefreiheit tangiert ist, verpflichtet sein, dem Postulat der Pressefreiheit Rechnung zu tragen, wodurch sich unter anderem29 auch Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden gegenüber der Presse ergeben könnten.30 Nach Groß entspricht die Befreiung von der Beschränkung auf die Funk­ tion eines rein subjektiven Abwehrrechts einer zeitgemäßen Auslegung des Grundrechts der Pressefreiheit.31 Ferner stellt Soehring darauf ab, dass dem vom Bundes­verfassungsgericht propagierten schlechthin konstitutiven Charakter32 der Pressefreiheit für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie der Institu­ tionalisierung der Presse am ehesten entsprochen werden könne, wenn direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein Anspruch hergeleitet wird, welcher das Recht der Me­ dien begründet, von den staatlichen Organen und Institutionen jedenfalls mit den­ jenigen Informationen versorgt zu werden, auf die sie zur Wahrung ihres Kontroll­ auftrages angewiesen sind.33 Als ein weiteres Argument führt Soehring an, dass es nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehen könne, in den landes­ rechtlichen Bestimmungen nach eigenem Ermessen Auskunftsansprüche der Me­ dien zu regeln.34 In Konsequenz hierzu hätten es die einzelnen Landesgesetzgeber nämlich selbst in der Hand, Auskunftsansprüchen den Boden zu entziehen und die

28

Vgl. BVerfGE 20, 162 (175 f.). Andere, in dieser Entscheidung aufgezählte und aus dem Postulat der freien Presse resul­ tierende Verpflichtungen des Staates gegenüber der Presse sind die Sicherstellung der freien Gründung von Presseorganen, die Gewährung des freien Zugangs zu den Presseberufen oder auch die Abwehr von Gefahren, welche einem freien Pressewesen aus der Bildung von Mei­ nungsmonopolen erwachsen könnten; vgl. BVerfGE 20, 162 (175 f.). 30 BVerfGE 20, 162 (175 f.). 31 Groß, Presserecht, Rn. 398. 32 Im Hinblick auf die Presse vgl. BVerfG NJW 1958, 257 (258); BVerfG NJW 1961, 819 (820); bezogen auf den Rundfunk vgl. BVerfG NJW 1973, 1226 (1228). 33 Soehring, Presserecht, § 1 Rn. 8 ff. Ähnlich argumentiert auch Hoffman-Riem, wenn die­ ser darauf hinweist, dass nur durch die Verfassung ein Mindestmaß an Zugänglichkeit staat­ licher Informationen gesichert werden kann; vgl. AK-GG-Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 156. 34 Vgl. Soehring, Presserecht, § 1 Rn. 9b. 29

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Wahrnehmung von Kontroll- und Überwachungsaufgaben durch die Medien er­ heblich zu erschweren oder gänzlich zu unterbinden.35 Die Vertreter der gegenteiligen Auffassung lehnen eine unmittelbare verfas­ sungsrechtliche Verankerung des Informationsanspruchs strikt ab und verweisen hinsichtlich bestehender Auskunftsrechte und -pflichten auf die jeweiligen lan­ desrechtlichen Pressebestimmungen.36 Das Bundesverwaltungsgericht argumen­ tiert zum einen damit, dass weder dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch seiner systematischen Stellung im Normengefüge des Grundgesetzes ein Anhalts­ punkt für einen Informationsanspruch entnommen werden könne, selbst bei An­ erkennung der Pressefreiheit als institutionelle Garantie.37 Zudem sei die Frage, ob ein Informationsrecht der Presse gegenüber öffentlichen Stellen unmittelbar in der Verfassung verankert werden sollte, während des Gesetzgebungsverfahrens im Grundsatzausschuss erörtert und abgelehnt worden, woraus geschlussfolgert werden müsse, dass sich der Grundgesetzgeber bewusst gegen eine verfassungs­ rechtliche Regelung von Informationsansprüchen entschieden habe.38 Darüber hinaus bedürfe es ohnehin keiner verfassungsrechtlich abgesicherten Einhaltung eines „Minimalstandards“ bei der behördlichen Auskunftserteilung, da diese In­ formationspflicht bereits in allen Bundesländern durch die presserechtlichen Vor­ schriften geregelt sei.39 Hinzu komme, dass den Medien – unabhängig von den be­ hördlichen Auskünften – eine Vielzahl weiterer Informationsmöglichkeiten zur

35 Vgl. Soehring, Presserecht, § 1 Rn. 9b. Ein weiteres Argument, nach dem es früher ein Problem darstellte, dass nur in einem Teil der Bundesländer gesetzliche Regelungen für den Rundfunk getroffen wurden, dürfte sich inzwischen erledigt haben. Zwar begründen derzeit le­ diglich § 6 LMG Rheinland-Pfalz und § 5 LMG Saarland einen gattungsübergreifenden Aus­ kunftsanspruch der Medien. In den anderen Landespressegesetzen ist entweder von der Presse, oder den Vertreter der Presse die Rede (die bayerische Regelung präzisiert den Kreis der Aus­ kunftsberechtigten weitergehend, indem sie vorschreibt, dass dieses Recht nur durch Redak­ teure oder andere ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften ausgeübt werden kann [vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 LPG Bayern]). Jedoch sind bereits in einigen Landespresseund Landesmediengesetzen Regelungen enthalten, nach denen der Informationsanspruch auch für den Rundfunk gilt (vgl. § 6 Abs. 2 LMG Baden-Württemberg, § 23 Abs. 1 LPG Berlin; § 17 LPG Brandenburg; § 25 Abs. 1 LPG Bremen; § 4 Abs. 1 LPG Hamburg; § 25 Abs. 1 LPG Niedersachsen; § 26 Abs. 1 LPG Nordrhein-Westfalen; § 16 Abs. 1 LPG Sachsen-Anhalt; § 18 LPG Schleswig-Holstein). Darüber hinaus bezieht der Rundfunkstaatsvertrag in § 9 a RStV die Hörfunk- und Fernsehveranstalter sowie die Anbieter von Telemedien mit journalistisch redaktionell gestalteten Angeboten (vgl. den Verweis in § 55 Abs. 3 RStV) in den zur Auskunft berechtigten Kreis mit ein; vgl. auch Hahn/Vesting-Flechsig, § 9a Rn. 9 sowie § 55 Rn. 57). 36 Vgl. wiederum BVerwGE 70, 310 (311 ff.); 85, 283 ff.; OVG Bremen NJW 1989, 926 f.; OVG Münster AfP 2004, 475 (476); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 16 ff.; Löffler/ Ricker, Handbuch des Presserechts, 19 Kap. Rn. 7. 37 BVerwG NJW 1985, 1655 (1656). 38 BVerwG NJW 1985, 1655 (1656). 39 BVerwG NJW 1985, 1655 (1656).

A. Die Landespressegesetze

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Verfügung stünden, auf die sie jederzeit zurückgreifen könnten.40 Als ein weiteres Hauptargument wird von Starck vorgebracht, dass ein verfassungsunmittel­barer Auskunftsanspruch zu unbestimmt sei.41 Leistungsansprüche könnten nur aus ein­ fachgesetzlichen Normen abgeleitet werden, welche ihrerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen festlegen müssten.42 Der Ansicht, welche den Auskunftsanspruch aus den Landespressegesetzen ab­ leitet (und diesen Regelungen daher konstitutive Charakter beimisst), ist grund­ sätzlich der Vorzug einzuräumen. Zum einen legen, wie auch das Bundesverwaltungsgericht hervorhebt, weder der Sinn und Zweck noch der Wortlaut oder der historische Wille des Gesetzgebers eine unmittelbare verfassungsrechtliche Ver­ ankerung eines Informationsanspruchs gegenüber den Behörden in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nahe. Vielmehr sollen gerade durch die landesrechtlichen Regelungen entsprechende Auskunftsrechte und -pflichten begründet werden. Auch von einer planwidrigen Regelungslücke kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein, da in allen Bundesländern Regelungen existieren, die sich mit der Herausgabe be­ hördlicher Informationen an die Medien befassen.43 Besondere Bedeutung ist ferner dem Umstand beizumessen, dass eine Ab­ leitung des Informationsanspruchs aus der Verfassung die vom Bundesverfassungsgericht zu den Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Be­ troffenen aufgestellten Grundsätze missachten würde. Angesichts der Tatsache, dass eine mediale Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren oftmals mit schwerwiegenden Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschul­ digten oder anderer Verfahrensbeteiligter verbunden ist, kann eine gesetzliche Rechtfertigung nicht auf der Grundlage einer unbestimmten und allgemein ge­ haltenen Rechtsgrundlage erfolgen. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben sich weder die konkreten Voraussetzungen, wann Informationen aus dem Ermittlungs­ verfahren herausgegeben werden dürfen, noch der Umfang der Beschränkung im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen. Insofern ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit keinesfalls Genüge getan.44 Auf der anderen Seite kann das Argument, wonach die notwendige Gewährung eines verfassungsrechtlich abgesicherten „Mindeststandards“ in gewissen Fällen 40

BVerwG NJW 1985, 1655 (1656). v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Rn. 77; Starck, AfP 1978, 171 (173). 42 Vgl. auch Dalbkermeyer, S. 47. 43 So auch das BVerwG, NJW 1985, 1655 (1657). Dies ist ungeachtet der Tatsache anzu­ nehmen, dass spezialgesetzliche Regelungen fehlen, welche das Verhältnis zwischen den Be­ hörden der Staatsanwaltschaft und der Polizei auf der einen und den Medien auf der anderen Seite regeln. 44 Diese Erwägungen korrespondieren mit dem Argument, dass Leistungsansprüche auf­ grund der Unklarheit des Anspruchsobjektes nicht mit derselben Verbindlichkeit gewährleis­ tet werden können wie Abwehrrechte; vgl. v. Mangoldt/Klein/Stark-Stark, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 77. 41

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

vonnöten sei, nicht ohne weiteres entkräftet werden.45 Diese Bedenken sollen aus dem Umstand resultieren, dass den Medien im Fall der Untätigkeit des Landes­ gesetzgebers die Grundlage für die Erfüllung der ihnen zukommenden Überwa­ chungs- und Kontrollfunktionen entzogen würde.46 Ergänzend ist dem hinzuzufü­ gen, dass selbst wenn der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet wäre, für die Schaffung entsprechender landesrechtlicher Auskunftsansprüche Sorge zu tragen, könnten die einzelnen Bürger und die Medien hieraus noch keine eigenen Ansprüche ableiten. Im Ergebnis bedarf dieser Streit jedoch keiner zwingenden Entscheidung, da zumindest in dem Punkt Einigkeit herrscht, dass ein einklagbarer Anspruch auf Auskunftserteilung dem Grunde nach besteht. Die einfachgesetzlichen Infor­ mationsansprüche belegen zweifellos, dass Auskunftsrechte der Medien gegen­ über den staatlichen Stellen existieren.47 Demnach richtet sich der Umfang und die konkrete Ausgestaltung entsprechender Ansprüche beiden Ansichten zufolge grundsätzlich nach den Vorgaben der Landespressegesetze, unabhängig davon, ob man in den Bestimmungen der Landespressegesetze lediglich Konkretisierungen eines unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verwurzelten Auskunftsanspruchs er­ blickt, oder ob man den Anspruch direkt aus den landesrechtlichen Bestimmungen ableitet.

45 Das Erfordernis eines verfassungsrechtlich abgesicherten „Mindeststandards“ kann nicht damit begründet werden, dass ansonsten keine Auskunftsansprüche gegenüber Bundesbehör­ den bestehen würden; so jedoch Fechner, Medienrecht, 8. Kap. Rn. 87. Erforderlich ist eine verfassungsrechtliche Absicherung des Auskunftsanspruchs hingegen im Bundesland Bremen, da § 4 Abs. 1 LPG Bremen lediglich die „Behörden des Landes und der Gemeinden sowie die der Aufsicht des Landes unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts“ in die Pflicht nimmt und Bundesbehörden damit nicht unter diese Norm gefasst werden können; vgl. hierzu Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 55; Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 17. Unabhängig da­ von haben die Landesgesetzgeber durchaus die Möglichkeit, Behörden des Bundes, welche im Geltungsbereich des jeweiligen Pressegesetzes tätig werden oder vertreten sind, zu verpflich­ ten, da der Auskunftsanspruch zum Kernbereich des Presserechts gehört und seine gesetzliche Ausgestaltung (mit der Ausnahme des Art. 75 Nr. 2 GG) in die Kompetenz der Landesgesetz­ geber fällt; vgl. Art. 70 und 72 Abs. 1 GG; so auch VG Berlin AfP 1994, 175 (176); OVG Ber­ lin ZUM 1996, 250 (253); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 54; Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 17. 46 Vgl. Soehring, Presserecht, § 1 Rn. 9b. 47 Zu demselben Ergebnis gelangt Dalbkermeyer; siehe Dalbkermeyer, S. 48. Vgl. zum Um­ fang, in welchem die gewünschte Auskunft zu erteilen ist, sowie zu den einzelnen Versagungs­ gründen die Ausführungen weiter unten, im 5. Teil, A. II. 2.

A. Die Landespressegesetze

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2. Konkreter Regelungsinhalt der landesrechtlichen Informationsansprüche Regelungen, welche die Informationsrechte und -pflichten der Presse gegenüber den Behörden betreffen, sind entweder in den §§/Art. 3, 4, 5, oder 6 der jeweiligen Landespresse- und Landesmediengesetze enthalten.48 Teilweise hängen diese Be­ stimmungen von leicht divergierenden Voraussetzungen ab.49 Einem Großteil dieser Vorschriften zufolge wird die Auskunftsverpflichtung daran geknüpft, dass die gewünschten Informationen den Medien zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen.50 Das Bremer Landespressegesetz macht die Ver­ pflichtung zur Herausgabe von Informationen hingegen davon abhängig, dass es sich um eine im öffentlichen Interesse liegende Angelegenheit handeln muss.51 Am weitesten gefasst sind die Landespressegesetze der Bundesländer Bayern und Hes­ sen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Landespressegesetzes hat die Presse gegenüber Behörden ein grundsätzliches Recht auf Auskunft, ohne dass es darauf ankommt, ob die gewünschten Informationen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Auch dem § 3 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Landespressegesetzes zufolge sind die Behörden grundsätzlich verpflichtet, der Presse die gewünschten Aus­ künfte zu erteilen, ohne dass hieran weitere Voraussetzungen geknüpft werden. In den darauf folgenden Abschnitten benennen die Vorschriften Gründe, bei de­ ren Vorliegen eine Auskunft verweigert werden kann.52 Dabei handelt es sich um die Schranken der Informationsansprüche.53 Die darin aufgezählten Gründe ran­ 48 Vgl. § 4 LPG Baden-Württemberg; Art. 4 LPG Bayern; § 4 LPG Berlin; § 5 LPG Branden­ burg; § 4 LPG Bremen; § 4 LPG Hamburg; § 3 LPG Hessen; § 4 LPG Mecklenburg-Vorpom­ mern; § 4 LPG Niedersachsen; § 4 LPG Nordrhein-Westfalen; § 6 LMG Rheinland-Pfalz; § 5 LMG Saarland; § 4 LPG Sachsen; § 4 LPG Sachsen-Anhalt; § 4 LPG Schleswig-Holstein; § 4 LPG Thüringen. 49 Vgl. hierzu insbesondere die differenzierte Darstellung bei Kettner, S. 176 f. 50 Vgl. § 4 Abs. 1 LPG Baden-Württemberg; § 4 Abs. 1 LPG Berlin; § 5 Abs. 1 LPG Bran­ denburg; § 4 Abs. 1 LPG Hamburg; § 4 Abs. 2 LPG Mecklenburg-Vorpommern; § 4 Abs. 1 LPG Niedersachsen; § 4 Abs. 1 LPG NordrheinWestfalen; § 6 Abs. 1 LMG Rheinland-Pfalz; § 5 Abs. 1 LMG Saarland; § 4 Abs. 1 LPG Sachsen; § 4 Abs. 1 LPG Sachsen-Anhalt; § 4 Abs. 1 LPG Schleswig-Holstein; § 4 Abs. 1 LPG Thüringen. Nach Köhler gilt dieser Grundsatz bei verfassungskonformer Auslegung auch für die Pressegesetze der Bundesländer Bayern, Bre­ men und Hessen, in denen die Bindung der Auskunftserteilung an die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht in den Gesetzestext aufgenommen wurde; vgl. insoweit Köhler, NJW 2005, 2337 (2339 Fn. 12 m. w. N.). 51 Vgl. § 4 Abs. 1 LPG Bremen. 52 Vgl. § 4 Abs. 2 LPG Baden-Württemberg; Art. 4 Abs. 2 LPG Bayern; § 4 Abs. 2 LPG Ber­ lin; § 5 Abs. 2 LPG Brandenburg; § 4 Abs. 2 LPG Bremen; § 4 Abs. 2 LPG Hamburg; § 3 Abs. 1 Satz 2 LPG Hessen; § 4 Abs. 3 LPG Mecklenburg-Vorpommern; § 4 Abs. 2 LPG Niedersach­ sen; § 4 Abs. 2 LPG Nordrhein-Westfalen; § 6 Abs. 2 LMG Rheinland-Pfalz; § 5 Abs. 2 LMG Saarland; § 4 Abs. 2 LPG Sachsen; § 4 Abs. 2 LPG Sachsen-Anhalt; § 4 Abs. 2 LPG SchleswigHolstein; § 4 Abs. 2 LPG Thüringen. 53 Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 89; Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 23 ff.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

ken im Wesentlichen um die Fragestellungen, ob infolge der Herausgabe von In­ formationen die Durchführung eines schwebenden Verfahrens beeinträchtigt wird, Geheimhaltungsvorschriften entgegenstehen, ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges Privatinteresse verletzt ist oder der Umfang der Auskunft das Maß des Zumutbaren überschreitet.54 a) Die Beeinträchtigung der Durchführung eines schwebenden Verfahrens Im Folgenden soll die in der Mehrzahl der Landespresse- und Landesmedien­ gesetze normierte Schranke erörtert werden, nach welcher die Auskunft verwei­ gert werden kann, wenn durch ihre Erteilung „die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet wer­ den könnte“.55 Einige Länder haben auf eine entsprechende Regelung verzichtet (z. B. Bayern) oder sehen eine Beschränkung auf Gerichts-, Bußgeld- und Diszip­ linarverfahren (siehe § 4 Abs. 2 Nr. 1 LPG Hamburg) sowie auf straf- und dienst­ strafgerichtliche Verfahren (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 LPG Hessen) vor.56 Unter einem Verfahren ist zunächst die durch Rechtsvorschrift geregelte Be­ handlung eines Einzelfalles zu verstehen, so dass unter Zugrundelegung einer am Wortlaut orientierten Auslegung alle Verfahrensarten hiervon umfasst wer­ den.57 Des Weiteren muss es sich um ein förmliches (vgl. z. B. §§ 63 ff. VwVfG) und nicht um ein formloses (vgl. beispielsweise § 10 VwVfG58) Verfahren han­ deln.59 Ein schwebendes Verfahren setzt ferner voraus, dass die erste in den ge­ setzlichen Verfahrensvorschriften vorgesehene Maßnahme ergriffen und der letzte, das Verfahren abschließende Akt, noch nicht vollzogen wurde.60 Letztendlich be­ stehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass polizeiliche und staatsanwaltschaft­ liche Ermittlungsverfahren schwebende Verfahren im Sinne der zuvor genannten Vorschriften darstellen.61 54

Wenzel, FS für Löffler 1980, 391 (392). Vgl. hierzu beispielhaft § 4 Abs. 2 Nr. 1 LPG Baden-Württemberg. 56 Siehe Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 94. 57 Vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 5 b. 58 Diese Vorschrift bestimmt, dass das Verwaltungsverfahren nicht an bestimmte Formvorga­ ben gebunden ist, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften die Förmlichkeit des Verfahrens anordnen. 59 Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 95. 60 Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 96. So kann das polizeiliche Ermittlungsverfah­ ren mit dem ersten Tätigwerden (z. B. in der Form der Entgegennahme einer Strafanzeige) be­ ginnen. Das Verfahren ist mit der Abgabe an die Staatsanwaltschaft für die Stellen des Poli­ zeidienstes nicht abgeschlossen, wenn diese als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft weiterhin tätig sind. Vielmehr schwebt es ab diesem Zeitpunkt bei der Staatsanwaltschaft. Das staats­ anwaltschaftliche Verfahren endet hingegen mit der Anklageerhebung oder einer Verfahrens­ einstellung; vgl. hierzu wiederum Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 96. 61 BGH NJW 1961, 918. 55

A. Die Landespressegesetze

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Dieser Auskunftsverweigerungsgrund wird jedoch in Anbetracht seines weiten und unkonkret gefassten Wortlauts als problematisch angesehen. So führt Burk­ hardt an, dass es den Behörden bei einer extensiven Interpretation in fast allen schwebenden Verfahren offenstünde, die Auskunft gegenüber den Medien zu ver­ weigern.62 Insofern würden die Grundrechte der Presse- und der Rundfunkfreiheit zu einer restriktiven Auslegung dieser Normen zwingen, so dass ein Auskunftsver­ weigerungsrecht nur für den Fall einer konkreten Gefährdung anzuerkennen sei.63 In diesem Sinne weisen auch Ricker/Weberling darauf hin, dass die staatlichen In­ teressen an der Geheimhaltung gerade im strafrechtlichen Bereich besonders hoch anzusiedeln seien, da die verfrühte Veröffentlichung von Informationen zu gravie­ renden Verfahrensbeeinträchtigung führen könne (so kann beispielsweise eine ge­ plante Razzia vereitelt oder die Fluchtgefahr auf Seiten des dringend Tatverdäch­ tigen erhöht werden).64 Jedoch müsse in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass die länderrechtlichen Vorschriften der Erfüllung gewichtiger öffentlicher Auf­ gaben der Presse dienten. Von daher sei die Informationen herausgebende Behörde sowohl bei der Prüfung dieser Verweigerungsgründe (d. h. bei der Auslegung der Begriffe „erschwert, verzögert oder gefährdet“) als auch im Rahmen ihrer Ermes­ sensentscheidung dazu verpflichtet, die berechtigten Interessen der Presse einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen und diese zu berücksichtigen.65 Folglich müssten bereits auf tatbestandlicher Seite konkrete Anhaltspunkte für eine Beein­ trächtigung des Verfahrens vorliegen.66 Darüber hinaus bringen Ricker/Weberling in diesem Zusammenhang vor, dass es zum Ausschluss einer konkreten Gefahr für den Verfahrensablauf oftmals ausreiche, wenn die Behörden bei ihrer Unterrich­ tung lediglich gewisse geheimhaltungsbedürftige Informationsteile aussparten, nicht jedoch auf die Unterrichtung insgesamt verzichteten.67 b) Die entgegenstehenden Geheimhaltungsvorschriften Weiterhin können einer Informationsherausgabe nach den landesrechtlichen Bestimmungen Geheimhaltungsvorschriften entgegenstehen.68 Bereits unter Zu­ grundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs geht aus dem Begriff der Ge­ 62

Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 97. Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 97; in diesem Sinne auch Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 58. 64 Soehring führt diesbezüglich auch das Beispiel der Verhängung einer sog. Informa­ tionssperre in Entführungsfällen an, bei denen die Täter darauf bestehen, dass weder die Poli­ zei noch die Presse über die Vorgänge informiert wird. In solchen Fällen ist die Informations­ weitergabe regelmäßig mit Gefahren für das Leben der entführten Personen verbunden und kann den Ermittlungszweck erschweren oder vereiteln; Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 59. 65 Vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 5 b f. 66 Siehe Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 6. 67 Vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 6. sowie Kürschner, DRiZ 1981, 401 (402). 68 Vgl. beispielhaft § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG Baden-Württemberg. 63

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

heimhaltungsvorschrift hervor, dass es sich hierbei um eine Regelung handeln muss, der die Funktion zukommt, die Offenbarung von Informationen vollständig oder zumindest teilweise zu unterbinden bzw. zu reglementieren.69 Dabei ist mit Soehring zwischen rein internen Verwaltungsvorschriften, mit denen die Behörden ihre Mitarbeiter generell oder für den Einzelfall zur Verschwiegenheit verpflich­ ten können und gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten, durch welche die Be­ hördenmitarbeiter materiell-rechtlich zur Geheimhaltung verpflichtet werden, zu differenzieren.70 Weiterhin hebt Soehring in diesem Zusammenhang zurecht her­ vor, dass verwaltungsinterne Einzelweisungen und Richtlinien einem Auskunfts­ anspruch nicht entgegenstehen können, da es ansonsten den staatlichen Stellen obliegen würde, die Auskunftsansprüche der Medien vollständig auszuhöhlen.71 Insofern bedarf es zur Einschränkung der presse- oder medienrechtlicher Aus­ kunftsansprüche formeller Gesetze oder Rechtsvorschriften, die auf der Grund­ lage formeller Gesetze von der Exekutive erlassen wurden (z. B. Rechtsverordnun­ gen oder Satzungen).72 c) Die überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interessen Ferner hat eine Weitergabe von Informationen zu unterbleiben, wenn dieser ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges Privatinteresse entgegensteht.73 Beim Merkmal des überwiegenden öffentlichen Interesses handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand mit generalklauselartigem Charakter.74 Das wird zum einen darauf zurückgeführt, dass auch die vorhergehenden Ausnahmetatbestände (z. B. die Beeinträchtigung der sachgemäßen Durchführung eines schwebender Verfahrens) im Ergebnis nichts anderes darstellten als die Folge überwiegender öf­ fentlicher Interessen.75 Andererseits wird damit argumentiert, dass die Regelung all diejenigen Fälle erfassen soll, die einer kasuistischen Aufzählung der Natur der Sache nach entzogen seien.76 Letztlich kann es jedoch offen bleiben, ob dieser Ausschlussgrund lediglich dann greift, wenn andere Schrankenregelungen nicht oder nicht mehr einschlägig sind (was beispielsweise denkbar wäre, wenn Ge­ heimhaltungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen oder ein schwebendes Verfah­ ren zwischenzeitlich abgeschlossen wurde)77 oder ob hierdurch insbesondere Vor­ 69

Siehe Wente, StV 1988, 216 (219). Vgl. Soehring, § 4 Rn. 44 ff. 71 Soehring, § 4 Rn. 45. 72 Vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 8b; Soehring, § 4 Rn. 46; Wente, StV 1988, 216 (219). 73 Vgl. hierzu beispielhaft die Regelung in § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG Baden-Württemberg. 74 Vgl. Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 108. 75 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 9. 76 Siehe Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 108. 77 In diesem Sinne Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 9. 70

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gänge mit außenpolitischem Bezug78 erfasst werden sollen. Die Herausgabe von Informationen durch die Ermittlungsbehörden im Stadium des Ermittlungsverfah­ rens wird – zumindest was die entgegenstehenden öffentlichen Interessen betrifft – abschließend durch die zuvor behandelten Auskunftsverweigerungsgründe gere­ gelt. Der Versagungsgrund der entgegenstehenden öffentlicher Interessen spielt von daher nur eine untergeordnete Rolle und und soll im weiteren Verlauf der Un­ tersuchung nicht weiter thematisiert werden. Eine weitaus größere Bedeutung kommt den entgegenstehenden schutzwürdi­ gen privaten Interessen zu. Von besonderem Gewicht für den hier zu untersuchen­ den Zusammenhang sind dabei die Persönlichkeitsrechte79 der verfahrensbeteilig­ ten Personen sowie deren Verfahrensrechte.80 Die Schutzwürdigkeit der jeweils tangierten privaten Interessen muss im Einzelfall ermittelt werden, wobei die von der Rechtsprechung und der Literatur zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ent­ wickelten Kriterien heranzuziehen sind.81 Dabei spielt es unter anderem eine maß­ gebliche Rolle, in welche Sphäre des Persönlichkeitsrechts (Intim-, Privat- oder Sozialsphäre82) infolge der Weitergabe von Informationen eingegriffen wird, in­ wieweit der Betroffene durch sein Verhalten zu dem an seiner Person bestehenden öffentlichen Interesse beigetragen hat und wie schwerwiegend die zu erwartenden Beeinträchtigungen ausfallen werden etc.83 Ob und inwieweit die zuvor genannten Kriterien auf die Weitergabe von In­ formationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren angewendet werden können und welche anderweitigen Maßstäbe bei einer Beurteilung der Zulässig­ keit der Informationsweitergabe an ihrer Stelle angesetzt werden könnten, soll zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.84

78 So Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 108. Burkhardt hebt jedoch hervor, dass auch in der Innenpolitik Pläne existieren, die bis zu einer endgültigen Entscheidung geheim bleiben sollen (so gelte es z. B. im Rahmen der Währungs- oder Wirtschaftspolitik unnötige Spekula­ tionen und Spekulationsgeschäfte zu vermeiden). Ferner könne das öffentliche Geheimhal­ tungsinteresse auch während Beratungs- oder Entscheidungsprozessen zu verneinen sein. 79 Vgl. hierzu Evers, AfP 1974, 548 ff. 80 Vgl. zu den im Einzelnen tangierten Rechten der betroffenen Personen die Ausführungen unten, im 7. Teil, B. und D. 81 Vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 10. 82 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 8. Teil, D. I. 2. 83 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 10. 84 Vgl. zu den Besonderheiten im Hinblick auf die hier zu untersuchende Fallgestaltung die Ausführungen unten, im 8. Teil.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

d) Die Abwägung der sich widerstreitenden Interessen Den Behörden ist bei der Entscheidung, ob sie einem Informationsverlangen im Falle des Vorliegens eines der zuvor erörterten Ausschlussgründe entsprechen oder die Auskunft versagen, grundsätzlich ein Ermessens eingeräumt.85 Die Er­ messensentscheidung erfordert von der Behörde eine Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse sowie den entgegenstehenden öffentli­ chen oder privaten Geheimhaltungsinteressen.86 Dies gilt selbst für diejenigen Vor­ schriften, welche ihrem Wortlaut nach eine Ermessensentscheidung auf den ersten Blick nicht unbedingt nahe legen, sondern eher auf eine gebundene behördli­ che Entscheidung,87 das Vorliegen einer sog. „Soll-Vorschrift“,88 oder eines inten­ dierten Ermessens89 schließen lassen.90 Der Auskunftsanspruch wird weiterhin durch den Grundsatz der Verhältnis­ mäßigkeit beschränkt, d. h. das Auskunftsverlangen muss zum einen geeignet und erforderlich sein, der Presse die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben zu ermög­ lichen. Darüber hinaus muss die Auskunftserteilung für die Behörde zumutbar sein.91 Im Rahmen der Ermessensentscheidung haben die Behörden alle relevanten und entscheidungserheblichen Beweggründe in ihre Überlegungen mit einzubezie­ hen sowie die für und gegen eine Auskunft sprechenden Umstände in sachgerech­ ter Art und Weise gegeneinander abzuwägen.92 Hierbei kann die Behörde zu dem Schluss gelangen, dass sich nur eine einzige Entscheidung als ermessensfehlerfrei erweist und eine sog. „Ermessensreduzierung auf Null“ vorliegt. Dies wäre bei­ spielsweise der Fall, wenn einer behördlichen Auskunftserteilung gesetzliche Ge­ heimhaltungsvorschriften (wie z. B. die §§ 99, 203, 353 b, 353 d StGB oder § 174

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OVG Bremen NJW 1989, 926 (927); VG Berlin NJW 2001, 3799 (3800); VG Saalouis NJW 2003, 3431 (3434); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90. 86 Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 1 ff.; Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 24a. 87 Vgl. in diesem Zusammenhang den Wortlaut des § 4 Abs. 2 LPG Nordrhein-Westfalen, in dem es heißt: „Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit …“ 88 Vgl. diesbezüglich beispielsweise die Vorschriften § 12 Abs. 4 WPflG; § 20 Abs. 1 Satz 2 BImSchG; § 68 Abs. 1 und 2 GewO; § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. 89 Es soll hier nicht weiter auf die umstrittene Frage eingegangen werden, ob die Rechtsfigur des intendierten Ermessens überhaupt anzuerkennen ist; vgl. hierzu BVerwGE 72, 1 (6). 90 Vgl. den Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 LPG Bayern, nach dem „die Auskunft nur ver­ weigert werden darf, soweit…“, oder den Wortlaut des § 4 Abs. 2 LPG Berlin, in dem es heißt, „Auskünfte können nur verweigert werden, soweit…“. Siehe auch OVG Bremen NJW 1989, 926; VG Saarlouis NJW 2003, 3431 (3434); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90 f. Burkhardt beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Frage, ob einer der Versagungs­ gründe vorliegt, von der Behörde nur im Rahmen einer Prognose bestimmt werden könne. Hierfür sei wiederum ein gewisser Beurteilungsspielraum notwendig, der gegenüber einer Ermessensentscheidung in praktischer Hinsicht keine wesentlichen Unterschiede aufweisen würde. 91 Köhler, NJW 2005, 2337 (2339). 92 Vgl. Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90.

A. Die Landespressegesetze

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Abs. 2 GVG) entgegenstehen.93 Die Einhaltung der an die Ermessensentscheidung gerichteten Anforderungen ist von den Gerichten im Hinblick auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüfbar.94 3. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass aus den einschlä­ gigen landesrechtlichen Bestimmungen eine grundsätzliche Verpflichtung der Be­ hörden folgt, den Medien die zur Wahrnehmung und Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erforderlichen Informationen zu erteilen, soweit im Einzelfall keiner der aufgeführten Versagungsgründe vorliegt. Ferner wird der Auskunftsanspruch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Fraglich bleibt jedoch auch an dieser Stelle, ob die landesrechtlichen Bestim­ mungen den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Anforderungen (insbe­ sondere im Hinblick auf die Erteilung von Informationen aus dem strafrechtliche Ermittlungsverfahren) entsprechen. Dazu müssten sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar und für den einzelnen Bürger deutlich erkenn­ bar aus dem Gesetz ergeben, so dass die nach dem Grundsatz der Normenklarheit erforderlichen Maßgaben erfüllt werden.95 Ob diesem Prinzip im Hinblick auf die landespresse- und landesmedienrecht­ lichen Informationsansprüche Genüge getan wurde erscheint mehr als fraglich, da die entsprechenden Normen in der Form von Generalklauseln gefasst sind. Un­ ter welchen Umständen infolge einer Informationsherausgabe die Durchführung eines schwebenden Verfahrens beeinträchtigt wird, welche Geheimhaltungsvor­ schriften dieser entgegenstehen könnten, wann ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges Privatinteresse verletzt ist, oder der Umfang der Auskunft das Maß des Zumutbaren überschreitet, dazu äußern sich die landesrechtlichen Vor­ schriften nicht im Konkreten. Hinzu kommt, dass die in Rede stehenden Normen nicht explizit auf die Herausgabe von Informationen aus dem strafrechtlichen Er­ 93

Vgl. VG Saarlouis NJW 2003, 3431 (3434 f.); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 92; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 20. Kap. Rn. 7 ff.; Ostendorf, GA 1980, 445 (461); Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 44 ff., nach dem die Behörden in Anbetracht der Ermes­ sensreduzierung im eigentlichen Sinne verpflichtet sind, die begehrte Auskunft zu verwei­ gern. Letztlich ist sowohl davon auszugehen, dass den Behörden bei der Entscheidung darüber, ob Auskünfte im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen eines Ausschlussgrundes zu ertei­ len sind, ein Ermessen eingeräumt ist, als auch, dass dieses Ermessen nicht von vornherein ent­ fallen ist. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des überwiegenden Teils der Vorschriften, wo­ nach Auskünfte verweigert werden „können“. Anders wäre dies lediglich dann zu beurteilen, wenn Auskünfte nach den Presse- und Mediengesetze zwingend verweigert werden müssten (z. B. durch Formulierungen wie: „Auskünfte sind zu verweigern…“ oder „Auskünfte müssen verweigert werden …“), falls Geheimhaltungsvorschriften einer Auskunft entgegenstünden. 94 Kettner, S. 178; Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90. 95 BVerfGE 65, 1 (43 ff.).

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

mittlungsverfahren zugeschnitten sind. Diese Unbestimmtheit wiegt umso schwe­ rer, da die Auswirkungen einer Presseberichterstattung über das Ermittlungsver­ fahren für den hiervon betroffenen Personenkreis zum Teil mit erheblichen und nicht wieder gutzumachenden Nachteilen verbunden sein können.96

B. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Sollte die im vorhergehenden Gliederungspunkt aufgeworfene Frage, ob Aus­ kunftsersuchen der Medien gegenüber den Ermittlungsbehörden auf die Informati­ onsansprüche der Presse- und Mediengesetze der einzelnen Bundesländer gestützt werden können, abschlägig beschieden werden,97 kämen als weitere Anspruchs­ grundlagen die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Grundrechte der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit (im Folgenden als Medienfreiheiten bezeichnet98) in Betracht. Den Medienfreiheiten kommt in Bezug auf den einzelnen Bürger sowie die gesamte demokratische Grundordnung ein herausragender Stellenwert zu.99 Im Hinblick auf die Freiheit der Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG) führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unter­ worfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, periodische Presse für die Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält die ständige Diskussion in Gang; sie beschafft Informatio­ nen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öf­ fentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern dem Bürger Urteil und Entscheidung.“100 Der Schutzbereich der Medienfreiheiten umfasst nach der ständigen Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts gleichermaßen den Schutz aller mit der Ar­ 96

Vgl. zu den Nachteilen, die sich durch die Berichterstattung über das Ermittlungsverfah­ ren ergeben können Prantl, AnwBl. 2009, 421. 97 D. h. diese besäßen lediglich deklaratorischen Charakter; vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, A. II. 1. 98 Aufgrund der neuen technischen Entwicklungen spricht vieles dafür, die ursprünglich klare Trennung zwischen Presse, Rundfunk und Film aufzuheben und von einem einheitlichen Grundrecht der Medienfreiheiten auszugehen, das lediglich im Hinblick auf die verschiedenen Medienangebote unterschiedlich ausgestaltet ist. Dies hat zudem den Vorteil, dass eine klare Abgrenzung zwischen der Massen- und der Individualkommunikation ermöglicht wird; vgl. Fechner, Medienrecht, 3. Kap. Rn. 100 ff. 99 Bezogen auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG) vgl. BVerfGE 20, 162 (174 f.); hinsichtlich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG) vgl. BVerfGE 35, 202 (222). 100 BVerfGE 20, 162 (174 f.).

B. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG

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beit der Medien im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, von der Beschaffung der Informationen bis hin zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen.101 Fer­ ner schließt die Sicherung der Presse durch die institutionelle Garantie102 das Recht aller im Pressewesen tätigen Personen mit ein, ihre Meinung frei und ungehindert von staatlichen Zwängen zu verbreiten.103 Zudem kommt es nicht auf den quali­ tativ-inhaltlichen Anspruch der Medienprodukte an, so dass gleichermaßen die reine Unterhaltung, wie auch skandal- und sensationsträchtige Produktformate am Schutz der Medienfreiheiten teilhaben.104 Im Gegensatz zu der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG verankerten Informations­ freiheit105 unterliegen die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geregelten Medienfreiheiten dem Wortlaut nach nicht der Beschränkung auf Quellen, die allgemein zugänglich sind. So dokumentieren beispielsweise auch die Presse- und Mediengesetze der Länder Informationsansprüche, Zugangs- und Auskunftsrechte der Medien, wel­ che über die aus der Informationsfreiheit resultierenden Möglichkeiten einer Un­ terrichtung zum Teil weit hinaus gehen.106 Die rechtswidrige Beschaffung von In­ formationen aus nicht öffentlich zugänglichen Quellen fällt jedoch nicht unter den Schutzbereich der Medienfreiheiten. Anders verhält es sich hingegen bei der Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen, die wiederum vom Schutzum­ fang des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst ist und einer Abwägung im Einzelfall bedarf.107 Im Hinblick auf die Schranken der Medienfreiheiten bestimmt Art. 5 Abs. 2 GG, dass eine Beschränkung durch die allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Be­ stimmungen zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre erfolgen kann. Unter den allgemeinen Gesetzen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen eine Meinung als solche richten, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen.108 Nach dem „Lüth-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts müssen die allgemeinen Gesetze in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der 101 BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (176); 66, 116 (133); 77, 65 (74); 91, 125 (134 f.); 103, 44 (59); BGHZ 110, 371 (395). 102 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, A. II. 1. 103 BVerfGE 10, 118 (121); 62, 230 (243). 104 BVerfGE 34, 269 (283); 66, 116 (134). 105 „Jeder hat das Recht… sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten“. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist eine Informationsquelle allgemein zugänglich, wenn sie ge­ eignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht näher bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen; vgl. BVerfGE 27, 71 (83 ff.); 33, 52 (65); 90, 27 (32); 103, 44 (60). 106 Vgl. insofern die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, A. II. 2.; vgl. auch BK-GG-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 391 ff. 107 Vgl. BVerfGE 66, 116 (137) sowie v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 62. 108 BVerfGE 7, 198 (209); 62, 230 (243 f.); 74, 297 (343); 91, 125 (135).

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Bedeutung des Art. 5 GG gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt dieses Rechts zur Geltung kommt. Insofern findet nach dem Bundes­ verfassungsgericht eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, „dass die „allgemei­ nen Gesetze“ zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrer­ seits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht be­ schränkenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen“.109 Die mediale Berichterstattung über Einzelheiten und Details des strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahrens ist unproblematisch dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuzuordnen. Wie bereits zuvor erörtert wurde, ist es hingegen umstritten, ob auch die Beschaffung entsprechender Informationen vom Schutz­ umfang mit umfasst ist.110 Dies kann jedoch auch an dieser Stelle offen gelassen werden, da selbst für den Fall einer verfassungsunmittelbaren Verankerung des In­ formationsanspruchs und einer rein deklaratorischen Bedeutung der in den Lan­ despressegesetzen enthaltenen Auskunftsansprüche, es bei der Frage, in welchem Umfang die gewünschten Informationen zu erteilen sind, maßgeblich auf die Re­ gelungen der landesrechtlichen Bestimmungen ankommt.111

C. Die Vorschriften der Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren (RiStBV) C. Die Vorschriften des RiStBV

Als weitere mögliche Anspruchsgrundlagen bei der Weitergabe von aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stammenden Informationen sind die Ziffern 4a und 23 sowie die Anlage B der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) einer rechtlichen und praktischen Würdigung zu unterziehen. Nach der Ziffer 4 a RiStBV hat der Staatsanwalt, insbesondere was den Schrift­ verkehr mit anderen Behörden und Personen angeht, alles zu vermeiden, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann. Ferner statuiert diese Vorschrift, dass, selbst wenn auf eine Bezeichnung des Beschuldigten oder der ihm zur Last gelegten Straftat nicht verzichtet werden kann, deutlich zu machen ist, dass gegen den Beschuldig­ ten lediglich der Verdacht einer Straftat besteht. Die Ziffer 23 RiStBV trifft hingegen Regelungen, die sich ausdrücklich auf die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft mit der Presse und dem Rundfunk bezie­ hen. In dieser Vorschrift heißt es im ersten Absatz zunächst sinngemäß, dass die Staatsanwaltschaft bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit mit den Medien zu­ 109

Vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.). Diesbezüglich kann wiederum auf die weiter oben, im 5. Teil, A. II. angeführten Argu­ mente verwiesen werden. 111 Vgl. die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, A. II. 1. 110

C. Die Vorschriften des RiStBV

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sammenzuarbeiten hat – und zwar unter Berücksichtigung ihrer besonderen Auf­ gaben und ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass die Unterrichtung weder den Untersuchungszweck ge­ fährden, noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen oder den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren beeinträchtigen darf. Zudem muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollstän­ digen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldig­ ten oder anderer Beteiligter, insbesondere auch der Person des Verletzten, über­ wiegt. Dem allgemeinen Informationsinteresse wird dabei in der Regel auch ohne eine Namensnennung des Beschuldigten entsprochen werden können. Ferner ent­ hält diese Regelung eine Vorgabe, nach welcher die Öffentlichkeit über die An­ klageerhebung sowie die Einzelheiten der Anklage erst dann informiert werden darf, wenn die Anklageschrift zuvor dem Beschuldigten zugestellt oder ander­ weitig bekannt gegeben worden ist. Neben den zuvor angeführten Vorschriften enthält die Anlage B der RiStBV Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen bei der Fahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren. Die Ziffer 2 des ersten Abschnitts (I. Allgemeines) bestimmt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei einer, unter Einbindung von Publikationsorganen erfolgenden, öffentlichen Fahndung stets zu beachten ist. Weiterhin verdeutlicht diese Vorschrift, dass eine sorgfäl­ tige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Straf­ verfolgung und den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten und anderer Be­ troffener zu erfolgen hat. Ferner trägt diese Regelung dem Umstand Rechnung, dass eine mediale Erörterung des Ermittlungsverfahrens unter Namensnennung des Tatverdächtigen in den Publikationsorganen die Gefahr einer erheblichen Ruf­ schädigung in sich birgt, und eine spätere Resozialisierung des Täters durch eine unnötige Publizität seines Falles schon vor einer Verhandlung gefährdet wird. Obgleich die Vorschriften der RiStBV klare Vorgaben an die Staatsanwaltschaft beinhalten, die sich explizit mit der Art und Weise sowie dem Umfang einer Wei­ tergabe von Informationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren befas­ sen, ist die rechtliche und praktische Relevanz dieser Vorschriften in diesem Zu­ sammenhang als äußerst gering einzustufen.112 Dies erschließt sich zum einen aus der Lektüre der Einführung zu den RiStBV. Danach können diese Richtlinien we­ gen der Mannigfaltigkeit des Lebens nur eine Anleitung für den Regelfall geben, wobei der einzelne Staatsanwalt befugt ist, aufgrund des Einzelfalls von den Richt­ linien abzuweichen. Der unmissverständliche Wortlaut hebt folglich die fakulta­ tive Natur dieser Vorschriften hervor und legt eine äußerst begrenzte rechtliche Bindungswirkung nahe.113 112

So auch Dalbkermeyer, S. 34; Kettner, S. 183 f. und Neuling, S. 155. Wie hier auch Dalbkermeyer, S. 35; sowie im Ergebnis Kettner, S. 184 und Neuling, S. 155; die Regelungen stellen mit den Worten von Roxin bereits unter diesem Gesichtspunkt lediglich „Kann-Vorschriften“ dar (vgl. Roxin, NStZ 1991, 153 [156]). 113

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Hinzu tritt, dass es sich bei den RiStBV um Verwaltungsvorschriften handelt, deren Regelungsbereich auf das Innenrecht der Verwaltung beschränkt ist. Sie ent­ falten nur Wirkung gegenüber den Dienststellen, welche den jeweiligen Justiz­ ministerien nachgeordneten sind.114 Als Adressaten haben sie dabei in erster Linie die Staatsanwaltschaften im Auge, wobei der Sinn und Zweck dieser Regelungen in der Lenkung und Begrenzung des Ermessens zu erblicken ist.115 In Ermangelung einer Außenwirkung können die Medien weder Rechte aus ihnen ableiten, noch werden entsprechende Verpflichtungen begründet. Insofern kann Roxin darin zu­ gestimmt werden, dass es ohne ein größeres Risiko möglich ist, die von den Richt­ linien aufgestellten Vorgaben zu übertreten.116 In Ansehung der vorangegangenen Ausführung bleibt festzuhalten, dass die Richtlinien über das Straf- und Bußgeld­ verfahren (insbesondere im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Ge­ setzesvorbehalts117) keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für eine Weitergabe von Ermittlungsinformationen bieten.118

D. Das Ermittlungsprimat der Strafverfolgungsbehörden Als weitere potentielle Rechtfertigungsmöglichkeit für die staatliche Informa­ tionsweitergabe kommt das allgemeine strafverfolgungsbehördliche Ermittlungs­ primat119 in Betracht, welches Neuling zufolge maßgeblich aus den §§ 160, 161 und 163 StPO abzuleiten ist.120 Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine konkrete rechtliche Regelung, welche die ermittlungsbehördliche Informationsweitergabe legitimiert, jedoch erscheint es nach Neuling erörterungswert, ob die Weitergabe von Ermittlungsinformationen nicht auf dieses Grundprinzip des Ermittlungsver­ fahrens gestützt werden kann. Danach obliegt es der Staatsanwaltschaft und der Polizei, den Sachverhalt zu erforschen und den Täter zu verfolgen, wenn sie auf­ grund einer Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangen.121 114

Kettner, S. 183. Vgl. insoweit die Einführung zu den RiStBV. 116 Roxin, NStZ 1991, 153 (156). 117 Das Stützen eines Auskunftsanspruchs auf Verwaltungsvorschriften ist aufgrund der mit dem Informationsprozess und der Identitätsoffenbarung verbundenen Grundrechtsrelevanz (vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, in der Einleitung zum 5. Teil) sowie des hierdurch erforderlichen Gesetzesvorbehalts mehr als nur bedenklich; in diesem Sinne auch Dalbkermeyer, S. 156 und Scherer, ZRP 1990, 332 (336). 118 So auch Dalbkermeyer, S. 35; Kettner, S. 183 f.; Neuling, S. 155 f. 119 Unter den Begriff des Ermittlungsprimats der Strafverfolgungsbehörden fasst Neuling insbesondere den Untersuchungsgrundsatz bzw. das Instruktionsprinzip (§§ 155 Abs. 2, 160 Abs. 1 und 2, 244 Abs. 2 StPO), den Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfah­ rens (§ 161 StPO) sowie den Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO); vgl. Neuling, S. 127. 120 Vgl. Neuling, S. 154. 121 Siehe Neuling, S. 121. 115

D. Das Ermittlungsprimat der Strafverfolgungsbehörden

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Es stellt sich somit an dieser Stelle die Frage, ob die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden mit der Weitergabe aus dem Ermittlungsverfahren stammender Informationen Aufgaben erfüllen, die ihrem strafprozessualen Ermittlungs- und Strafverfolgungsauftrag dienen bzw. die Erforschung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts nach Tat und Täter fördern.122 Eine dementsprechende Zielsetzung bei der Weitergabe von Informationen wäre im Rahmen der öffentlichen Fahndung nach dem Beschuldigten i. S. d. §§ 131 f. StPO durchaus denkbar. Die Öffentlich­ keitsfahndung kann zum Zwecke der Festnahme nach § 131 Abs. 3 StPO oder zur Aufenthaltsermittlung nach § 131 a Abs. 3 StPO erfolgen.123 Ferner könnte die In­ formationsweitergabe das Ziel der Aufklärung von Straftaten durch die Feststel­ lung der Identität des Beschuldigten i. S. d. § 131 b Abs. 1 StPO oder von Zeugen nach § 131 b Abs. 2 StPO verfolgen.124 Letztendlich ist auch diesem Legitimierungsversuch zumindest in praktischer Hinsicht keine allzu große Bedeutung beizumessen, da die Weitergabe von In­ formationen im Zusammenhang mit Maßnahmen i. S. d. §§ 131 ff. StPO lediglich einen verschwindend kleinen Teil des Gesamtaufkommens der herausgegebenen Ermittlungsdaten ausmacht. Der weit überwiegende Teil der herausgegebenen In­ formation ist hingegen nicht durch den Ermittlungs- und Strafverfolgungsauftrag gedeckt, sondern dient vielmehr rein informatorischen Zwecken. Des Weiteren kann die Weitergabe von Informationen nur in den seltensten Fällen damit gerecht­ fertigt werden, dass die Bevölkerung vor dem Täter und den von ihm ausgehen­ den Gefahren gewarnt werden soll. Dabei handelt es sich um klassische Aufgaben der Gefahrenabwehr, die rein präventiver Natur sind, so dass entsprechende Maß­ nahmen nicht auf den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- und Strafverfolgungs­ auftrag gestützt werden können.125

122

Vgl. Neuling, S. 154. Vgl. hierzu bereits die unter 2. Teil, A. I. 2. b) gemachten Ausführungen. 124 Diese Situation liegt beispielsweise der im ZDF seit dem Jahr 1963 ausgestrahlten TVSendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ zugrunde. Im Rahmen dieser Sendung sollen mit­ hilfe der Zuschauer (im Wege der Öffentlichkeitsfahndung) Straftaten aufgeklärt und Straftäter ermittelt werden. Hierzu werden z. B. Phantombilder, Abbildungen des Tatverdächtigen, oder markante Gegenstände, die Rückschlüsse auf den Täter oder das Tatgeschehen geben können, im Fernsehen gezeigt; außerdem werden mutmaßliche Tatabläufe nachgestellt; vgl. hierzu Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 ff. 125 Vgl. wiederum die Ausführungen im 2. Teil, A. I. 2. b). Bei präventivpolizeilichen Maß­ nahmen, die der Verhinderung und Verhütung von Straftaten dienen, darf die Staatsanwalt­ schaft der Polizei zudem keine Weisungen erteilen; vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rn. 13. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft als reines Strafverfolgungsorgan für Präventivmaßnahmen nicht zuständig ist, soweit das Gesetz keine anderweitigen Regelungen trifft; vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 163 Rn. 17. 123

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

E. § 475 Abs. 4 Alt. 2 StPO Eine weitere Norm, die eine Ermächtigung zur Informationsweitergabe be­ inhaltet, ist der § 475 StPO. Hierbei handelt es sich um eine strafprozessuale Be­ fugnisnorm, welche unter anderem auch die direkte Mitteilung126 (d. h. ohne die Zwischenschaltung eines Rechtsanwaltes) aus dem Strafverfahren stammender In­ formationen an „Privatpersonen“ (§ 475 Abs. 4 Alt. 1 StPO) und an „sonstige Stel­ len“ (§ 475 Abs. 4 Alt. 2 StPO) regelt.127 Da eine Informationserteilung nach § 475 Abs. 4 StPO nur unter den Vorausset­ zungen des § 475 Abs. 1 StPO erfolgen darf, muss hierfür zudem ein an der Er­ teilung bestehendes berechtigtes Interesse dargelegt werden, und es dürfen keine schutzwürdigen Belange des Betroffenen entgegenstehen.128 In diesem Zusam­ menhang wird teilweise gefordert, dass die Medien unter die „sonstigen Stellen“ im Sinne des § 475 Abs. 4 Alt. 2 StPO gefasst werden müssten und diese Norm, in Ermangelung anderer gesetzlicher Regelungen, auch auf die Auskunftserteilung zwischen den Ermittlungsbehörden und den Medien anzuwenden sei.129 Nach der Auffassung von Lindner handelt es sich bei den aus § 475 StPO re­ sultierenden Ansprüchen zwar nicht um solche, die eigens auf die Medien zuge­ schnitten sind, jedoch sollen diese sich gleichermaßen (unmittelbar oder mittelbar) bei der Informationsbeschaffung auf § 475 StPO berufen können.130 Die Anwend­ barkeit dieser Vorschrift auf die hier in Rede stehende Problematik hängt jedoch auch nach Lindner von drei Unwägbarkeiten ab.131 Zum einen müssen die Medien als „sonstige Stellen“ im Sinne des § 475 Abs. 2 Alt. 2 StPO qualifiziert werden können. Zudem müssen die Medien ein berechtigtes Interesse an der Informations­ erteilung gem. § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO darlegen und der Auskunftserteilung dür­ fen keine schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten entgegenstehen (vgl. § 475 126 Die Akteneinsicht bleibt sowohl bei der Einschaltung eines Rechtsanwalts nach § 475 Abs. 1 StPO sowie bei einer unmittelbaren Auskunftserteilung an Private oder sonstige Stellen nach § 475 Abs. 4 StPO die Ausnahme (vgl. § 475 Abs. 2 StPO). Gegebenenfalls sind Akten­ teile, die vom besonderen Interesse der Einsicht nehmenden Person nicht umfasst sind, vorher aus der Akte zu entfernen (vgl. insofern den Wortlaut des § 475 Abs. 1 StPO „soweit“). 127 KK-Gieg, § 475 Rn. 5; LR-Hilger, § 475 Rn. 12; Pfeiffer, StPO, § 475 Rn. 2 f. In der Regel dürfen Auskünfte aus den Akten eines Strafverfahrens an Privatpersonen, die nicht Be­ schuldigte, Privatkläger, Nebenkläger, Verletzte oder Einziehungsberechtigte sind, nach § 475 Abs. 1 StPO nur über einen Rechtsanwalt erteilt werden; BVerfG NJW 2002, 2307 f. 128 KK-Gieg, § 475 Rn. 2; LR-Hilger, § 475 Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, § 475 Rn. 7; Pfeiffer, StPO, § 475 Rn. 1. 129 In diese Sinne Lindner, StV 2008, 210 (211); Meyer-Goßner, StPO, § 475 Rn. 1; im Hin­ blick auf die Veröffentlichung anonymisierter Urteilsschriften auch Mensching, AfP 2007, 534 (537 f.); a. A. AE-EV-Meier, S. 90; Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (335). 130 Lindner, StV 2008, 210 (211). Auch nach Meier handelt es sich hierbei um eine Sonder­ regelung im Hinblick auf den Umgang mit Strafverfolgungsdaten; vgl. Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (335). 131 Vgl. hierzu Lindner, StV 2008, 210 (211).

E. § 475 Abs. 4 Alt. 2 StPO

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Abs. 1 Satz 2 StPO).132 Diese drei Bedingungen müssen kumulativ erfüllt sein, um eine Ermessensentscheidung133 auf Seiten der Staatsanwaltschaft auszulösen.134 Die erste Hürde ist noch ohne Weiteres zu überwinden, da die Pressever­treter i. S. d. § 475 Abs. 1 StPO einen Rechtsanwalt einschalten und über diesen Aus­ kunfts- und Akteneinsichtsrechte geltend machen könnten und der einzelne Pres­ severtreter zudem als Privatperson im Sinne dieser Regelung zu qualifizieren wäre.135 Schwerer fällt es hingegen, ein mediales Informationsinteresse unter Be­ rufung auf den Presseauftrag als ein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des § 475 Abs. 1 StPO anzusehen. Um ein „berechtigten Interesses“ im Sinne dieser Norm darzulegen, ist grundsätzlich der schlüssige Vortrag von Tatsachen erforderlich, aus denen sich Grund und Umfang der benötigten Informationen ergeben.136 Der Auftrag der Medien, die Bevölkerung mit Informationen zu versorgen, reicht für sich genommen nicht aus, um ein „berechtigtes Interesse“ i. S. d. § 475 Abs. 1 StPO anzunehmen. Das berechtigte Interesse im Sinne dieser Vorschrift muss zwar nicht auf die Wahrnehmung formeller Rechte abzielen, jedoch ist zu verlan­ gen, dass der Auskunftssuchende erkennen lässt, aufgrund welcher tatsächlichen Beziehung eine Auskunft oder Akteneinsicht begehrt wird und wofür er diese In­ formationen benötigt. Folglich sind formelhafte Behauptungen, die sich zunächst lediglich als Mutmaßungen darstellen, nicht ausreichend, um einen Informations­ anspruch zu begründen.137 Gegen die Annahme eines berechtigten Interesses spricht somit auch in prak­ tischer Hinsicht, dass die Medien gerade zum frühen Zeitpunkt der Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen in den seltensten Fällen über genügend Anhalts­ punkte verfügen, aus denen sich die Gründe für eine Informationserteilung (bzw. der Umfang der zu erteilenden Informationen) entnehmen lassen. Vielmehr wer­ den im frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens oftmals lediglich vage „Ver­ dachtsmoment“ für presserelevante Vorgänge auf Seiten der Medien vorherrschen. 132 AE-StuM-Meier, S. 89. Zudem muss eine Auskunftserteilung nach Meier auch dann ver­ weigert werden, wenn dieser nach § 477 Abs. 2 Satz 1 StPO Zwecke des Strafverfahrens oder besondere bundesgesetzliche oder landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. 133 Vgl. den Wortlaut von § 475 Abs. 4 StPO, wonach Auskünfte aus den Akten erteilt werden „können“. 134 So auch Lindner, StV 2008, 210 (211); Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (335). 135 Siehe Lindner, StV 2008, 210 (211). Auf der anderen Seite gilt es zu bedenken, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Vorschrift ersichtlich nicht das journalistische Informa­ tionsinteresse im Auge hatte, sondern vielmehr darum bemüht war, nicht am Verfahren be­ teiligte Dritte bei der Verfolgung oder Abwehr rechtlicher Ansprüche zu unterstützen (so soll diese Vorschrift beispielsweise auf nichtverletzte Zeugen und den Insolvenzverwalter Anwen­ dung finden oder für nicht am Verfahren beteiligte Antragssteller nach § 101 VII S. 2 StPO gel­ ten; siehe Meyer-Goßner, StPO, § 475 Rn. 1); vgl. BT-Drucks. 14/1484 S. 26 f. sowie AE-StuMWeigend. S. 35. 136 Eine Glaubhaftmachung ist hingegen nicht notwenig; vgl. LR-Hilger, § 406e Rn. 6, KKGieg, § 475 Rn. 2 sowie Meyer-Goßner, StPO, § 475 Rn. 2. 137 So auch KK-Gieg, § 475 Rn. 2.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Demnach wird es den Medien in aller Regel nicht möglich sein, ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 475 Abs. 1 StPO fundiert darzulegen.138 Meier betont zu­ dem zutreffend, dass im Zeitpunkt des Vorliegens erster „Verdachtsmomente“ oft­ mals noch gar keine Ermittlungsakten angelegt wurden, so dass die Norm bereits ihrem Wortlaut nach nicht richtig zu passen scheint.139 Weiterhin kann diese Ermächtigungsnorm mit Recht als konturlos bezeich­ net werden, da sie sämtliche Auskunftsverlangen von Privatpersonen und sonsti­ gen Stellen regelt, ohne hierbei nach den jeweiligen Interessen oder den mit einer Medienveröffentlichung naturgemäß verbundenen Gefahren zu differenzieren.140 Folglich ist diese Vorschrift nicht auf die zwischen den Medieninteressen und Per­ sönlichkeitsschutzinteressen bestehende Konfliktlage zugeschnitten.141 Ob sie fer­ ner den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Anforderungen im Hinblick auf Verständlichkeit und der Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebotes der Nor­ menklarheit142 zu genügen vermag, erscheint zudem mehr als fragwürdig. Letzt­ endlich ist jedoch bereits der praktische Wert dieser Norm, bezogen auf die hier zu beurteilenden Fragestellungen, als sehr gering einzustufen.143

F. § 24 KUG Weiterhin könnte eine Legitimierung der Herausgabe von Abbildungen des Be­ schuldigten sowie anderer Informationen auf eine direkte oder entsprechende An­ wendung144 des § 24 KUG gestützt werden.145 Nach dieser Vorschrift dürfen Be­ hörden zum Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit ohne die Einwilligung des Berechtigten Bildnisse des Abgebildeten oder seiner Angehöri­ gen verbreiten, vervielfältigen oder öffentlich zur Schau stellen.146 Was die in § 24 KUG genannten Zwecke betrifft, geht es dabei weder um das öffentliche Informa­ tionsinteresse, noch um die Freiheit der Berichterstattung, sondern in erster Linie um das öffentlich rechtliche Interesse an der Strafverfolgung sowie der Strafver­ 138

So auch Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (335). Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (335). 140 So auch Meier, der die Vorschrift insofern als „unbefriedigend“ bezeichnet; vgl. AEStuM-Meier, S. 90. 141 Siehe AE-StuM-Meier, S. 90. 142 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, in der Einleitung zum 5. Teil. 143 Meier, FS für Schreiber 2003, 331 (335). 144 Nach weit verbreiteter Auffassung ist § 24 KUG auch bei Eingriffen in andere Persön­ lichkeitsrechte analog heranzuziehen, so dass nicht nur die vom Wortlaut umfasste Veröffent­ lichung von Abbildungen durch diese Norm gerechtfertigt werden kann. Beispielsweise kön­ nen damit einhergehende Namensnennungen oder die Herausgabe anderer Details über den Betroffenen in dieser Regelung ihre gesetzliche Legitimierung finden; vgl. BVerfGE 35, 202 (224); Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 24 KUG Rn. 3; Marxen, GA 1980, 365 (370); Wandtke/ Bullinger-Fricke, UrhR, § 24 KUG Rn. 1. 145 Vgl. Ostendorf, GA 1980, 445 (452). 146 Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 24 KUG Rn. 1 ff. 139

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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hütung.147 Eine Rechtfertigung der Herausgabe zu informatorischen Zwecken ver­ bietet sich darüber hinaus unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 81 b StPO. § 81 b StPO rechtfertigt die Aufnahme von Lichtbildern und Fingerabdrücken des Beschuldigten auch gegen seinen Willen sowie die Vornahme von Messungen und anderen Maßnahmen nur insoweit, als es für die Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens oder solche des Erkennungsdienstes notwendig ist. Eine Rechtfer­ tigung gem. § 24 KUG kommt somit bereits aufgrund eines Umkehrschlusses aus § 81 b StPO nicht in Betracht. Wenn die Herstellung von Lichtbildern nach § 81 b StPO grundsätzlich von einer ausdrücklich erteilten Erlaubnis des Beschuldigten abhängt oder Zwecken der Strafverfolgung dienen muss, so kann eine Weitergabe von Abbildungen des Beschuldigten zu rein informativen Zwecken gegen dessen Willen keinesfalls nach § 24 KUG zulässig sein.148 Ferner hält eine auf § 24 KUG gestützte Informationsherausgabe nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maximen stand, denn die Vorraussetzun­ gen der Beschränkungen ergeben sich nicht in einer für den einzelnen Bürger ver­ ständlichen Form aus dieser Norm, so dass diese Vorschrift – was die Weitergabe von Informationen zu rein informatorischen Zwecken angeht – keinesfalls dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht.149 Folglich kann die Her­ ausgabe von Abbildungen des Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens zu rein informatorischen Zwecken, die weder der Verfolgung noch der Verhütung von Straftaten dient, nicht auf § 24 KUG gestützt werden, da diese Vorschrift – wenn in ihr eine allgemeiner Rechtsanspruch erblickt würde – insoweit verfassungs­ widrig wäre.

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge Der nun folgende Abschnitt soll sich mit weiteren Ansätzen und Reformvor­ schlägen befassen, die allesamt versuchen, die Informationsweitergabe zwischen der Staatsanwaltschaft und den Medien im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu regeln.

147 Vgl. Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 24 KUG Rn. 1; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 24 KUG Rn. 1 f. 148 So auch Ostendorf, GA 1980, 445 (453); im Hinblick auf die Veröffentlichung von Bild­ nissen aus der strafrechtlichen Hauptverhandlung kommt Eb. Schmidt, FS für W. Schmidt 1959, 339 (349) zu demselben Ergebnis. Nichts anderes kann und darf im Hinblick auf die im Ermittlungsverfahren angefertigten Abbildungen von anderen Verfahrensbeteiligten gelten. Ih­ nen gegenüber greift zwar das Wortlautargument des § 81 b StPO nicht unmittelbar, da sich diese Vorschrift lediglich auf den Beschuldigten bezieht. Die zuvor genannten Personen dürfen jedoch keinesfalls schlechter gestellt werden als der Beschuldigte. 149 Vgl. auch hier bereits die Einführung weiter oben, im 5. Teil.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

I. Die Einführung eines neuen § 475 a StPO Im Alternativ-Entwurf Strafjustiz und Medien propagiert Meier die Einführung eines neuen § 475 a StPO in die Strafprozessordnung.150 Diese Vorschrift soll fol­ gendermaßen lauten: § 475 a Zulässigkeit der Auskunftserteilung gegenüber den Medien (1) Auskünfte gegenüber den Medien sind grundsätzlich auf allgemeine Mitteilungen über die Tat, den Verfahrensstand und gesicherte Erkenntnisse aus den Ermittlungen beschränkt. Auskünfte, die das Ergebnis der Ermittlungen vorwegnehmen, sind unzulässig. Auskünfte dürfen nicht durch die Überlassung von Abschriften aus den Akten erteilt werden. (2) Über Umstände, die geeignet sind, allein oder im Zusammenhang mit anderen Umstän­ den die Identität des Beschuldigten, des Verletzten oder eines Zeugen aufzudecken, sowie über sonstige Umstände, die für die Beurteilung einer dieser Personen in der Öffentlichkeit von Bedeutung sind, dürfen Auskünfte nur dann erteilt werden, wenn der Betroffene einge­ willigt hat. Einer Einwilligung in Auskünfte über die Identität bedarf es dann nicht, wenn die Identität des Betroffenen in den Medien bereits veröffentlicht ist. (3) Über den Beschuldigten dürfen die in Absatz 2 Satz 1 genannten Auskünfte auch dann erteilt werden, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den betreffenden Um­ ständen das Geheimhaltungsinteresse des Beschuldigten überwiegt. Ein Überwiegen ist in der Regel dann anzunehmen, wenn a) es sich bei dem Beschuldigten unabhängig von der Tat um eine Person der Zeitgeschichte handelt, oder b) dem Beschuldigten eine rechtswidrige Tat zur Last gelegt wird, die aufgrund ihrer beson­ deren Umstände für die Öffentlichkeit von vorrangigem Interesse ist, und der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist. Über Beschuldigte, die zur Zeit der Tat jünger als 18 Jahre waren, dürfen die in Absatz 2 Satz 1 genannten Auskünfte nicht erteilt werden. Über die Identität eines solchen Beschuldigten dürfen Auskünfte erteilt werden, wenn sie in den Me­ dien bereits veröffentlicht ist. (4) Dem Betroffenen ist auf Antrag mitzuteilen, welche Auskünfte über seine personenbezo­ genen Daten den Vertretern der Medien erteilt worden sind. (5) Über die Identität eines Verstorbenen dürfen Auskünfte erteilt werden, wenn die Angehö­ rigen eingewilligt haben. Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 gelten sinngemäß.

Mit diesem Reformentwurf eines neuen § 475 a StPO sollte eine spezialge­ setzliche Befugnisnorm geschaffen werden, welche auf die Fragen nach der Zu­ lässigkeit und den Grenzen einer Auskunftserteilung der Strafverfolgungsorgane gegenüber den Medien zugeschnitten ist.151 Schon dieser Ansatz ist begrüßens­ wert und sinnvoll, denn nur eine spezialgesetzliche Bestimmung vermag es, die in dem Verhältnis zwischen der Staatsanwaltschaft und den Medien herrschende Re­ gelungslücke endgültig zu schließen. Im Zentrum dieser Norm steht nach Meier 150

Vgl. AE-StuM-Meier, S. 91 ff. AE-StuM-Meier, S. 91 ff.

151

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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das schutzwürdige und schutzbedürftige Interesse der Verfahrensbeteiligten, einer Weitergabe der sie betreffenden personenbezogenen Daten entgegen zu wirken.152 Weiterhin benennt die Vorschrift konkrete Voraussetzungen und Grenzen, inner­ halb derer eine Informationsweitergabe erfolgen darf, so dass auch den Anforde­ rungen an die Bestimmtheit und Verständlichkeit der Norm entsprochen wäre, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat. Erfreulich ist weiterhin, dass der Reformvorschlag im ersten Absatz die Infor­ mationsweitergabe grundsätzlich auf solche Mitteilungen beschränkt, die allge­ meiner Natur sind. Insofern wird gleich zu Beginn der Vorschrift klargestellt, dass Mitteilungen die Ausnahme bilden sollten, welche eine unmittelbare oder mit­ telbare Zuordnung zu einer bestimmten Person ermöglichen.153 Ferner trägt die­ ser Entwurf dem Umstand Rechnung, dass im Falle einer anonym und allgemein gehaltenen Mitteilung nicht in rechtlich geschützte Interessen Dritter eingegrif­ fen wird und auch das Abwägungserfordernis zwischen den einzelnen tangierten Rechtsgütern und Interessen entfällt.154 Im zweiten Satz des ersten Absatzes ma­ nifestiert sich das aus der Unschuldsvermutung und dem „fair trial“-Grundsatz re­ sultierende Gebot der Vermeidung vorverurteilender Berichterstattungen.155 Der zweite Absatz des Reformvorschlages bezieht sich zunächst auf das Ano­ nymitätsinteresse der Beteiligten sowie auf die „anderen Umstände“, an deren Ge­ heimhaltung den betroffenen Personen gelegen ist.156 Die Veröffentlichung dieser Details hängt grundsätzlich von der Einwilligung des Betroffenen ab, wobei die­ ses Erfordernis entfällt, wenn die Identität bereits zuvor veröffentlicht wurde.157 Im dritten Absatz dieser Norm werden zwei Regelvermutungen formuliert, bei de­ ren Vorliegen von einem Überwiegen des allgemeinen Informationsinteresses der Öffentlichkeit gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen auszu­ gehen ist.158 Nach der ersten Fallgruppe soll die Regelvermutung zugunsten eines über­ wiegenden öffentlichen Informationsinteresses greifen, wenn es sich beim Be­ 152

AE-StuM-Meier, S. 92. AE-StuM-Meier, S. 93 f. Diese Regelung korrespondiert zudem in Teilen mit der Ziffer 23. Abs. 1 RiStBV, nach der dem öffentlichen Informationsinteresse in der Regel ohne eine Na­ mensnennung entsprochen werden kann. 154 AE-StuM-Meier, S. 94. 155 Vgl. zu dem Thema der Vorverurteilung in den Medien Kohl, AfP 1985, 102 ff.; in diesem Zusammenhang kann wiederum auf die Ziffer 23 Abs. 1 RiStBV hingewiesen werden, nach der eine Unterrichtung nicht das Ergebnis der Hauptverhandlung vorwegnehmen darf; vgl. in die­ sem Zusammenhang auch den Art. 6 Abs. 2 EMRK. 156 Als Beispiele für solche „anderen Umstände“ führt Meier außereheliche Lebensverhält­ nisse, Homosexualität, Vorstrafen, frühere Viktimisierungserfahrungen sowie Details aus psy­ chologischen und psychiatrischen Gutachten an; vgl. AE-StuM-Meier, S. 96. 157 Dies soll nach Meier in begrüßenswerter Weise nicht für die sog. „anderen Umstände“ gel­ ten, da es für die Pressestellen der Staatsanwaltschaften kaum überschaubar sei, welche Details zu welchem Zeitpunkt bereits veröffentlicht worden sind; vgl. AE-StuM-Meier, S. 98. 158 AE-StuM-Meier, S. 98. 153

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

schuldigten um eine sog. „absolute Person der Zeitgeschichte“159 handelt. Die Verwendung dieses Begriffs in dem Reformvorschlag ist jedoch nicht unproble­ matisch. Unter die „absoluten Personen der Zeitgeschichte“ wurden all diejenigen Menschen gefasst, die aufgrund ihrer hervorgehobenen Stellung in Staat und Ge­ sellschaft oder durch ihre außergewöhnlichen Leistungen und Verhaltensweisen aus der Masse der Mitmenschen herausragen, und an denen aufgrund dieses Um­ standes, losgelöst von einem bestimmten Ereignis, ein öffentliches Interesse be­ steht.160 Im Hinblick auf die Veröffentlichung von Bildnissen gingen sowohl das Bundes­ verfassungsgericht, als auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass absolute Per­ sonen der Zeitgeschichte die Verbreitung ihrer Bildnisse grundsätzlich hinnehmen müssten, auch wenn sie auf diesen nicht bei der Wahrnehmung öffentlicher Funk­ tionen gezeigt werden, sondern die Bildnisse ihr Privatleben im weitesten Sinne betreffen.161 Bei der Einordnung einer Person als absolut zeitgeschichtlich sollte es nach dem Bundesgerichtshof darauf ankommen, ob die öffentliche Meinung einem Bildwerk allein aufgrund der Abbildung einer Person eine besondere Bedeutung beimisst und das Interesse der Allgemeinheit an der bildlichen Darstellung durch ein echtes Informationsbedürfnis untermauert wird.162 Dem Bundesverfassungs­ gericht zufolge gehört es hingegen zum Kern der Presse- und der Meinungsbil­ dungsfreiheit, dass die Medien innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen nach publizistischen Kriterien bestimmen können, was öffentliches Interesse be­ ansprucht und somit zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse wird.163 Demnach bleibt es weitgehend der Presse überlassen, einen zeitgeschichtlichen

159 Meier verweist diesbezüglich auf die zu § 23 Abs. 1 KUG ergangene Rechtsprechung und Literatur; vgl. AE-StuMMeier, S. 98. Die Begriffe der „absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte“ sind auf Neumann-Duesberg zurückzuführen; vgl. Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 ff. 160 Vgl. Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 3 Rn. 72; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 23 KUG Rn. 8; vgl. grundlegend zu diesem Begriff Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 ff. 161 BVerfG NJW 2000, 1021 (1024 f.); BGH NJW 1996, 1128 ff. 162 BGH NJW 1996, 1128 (1129). 163 BVerfG NJW 2000, 1021 (1025); vgl. auch Stark, JZ 2006, 76 (77). Das Bundesverfassungsgericht geht in der sog. „Caroline I-Entscheidung“ davon aus, dass prominente Personen für bestimmte Wertevorstellungen und Lebenshaltungen stehen und somit für die Öffentlich­ keit in bestimmten Lebenssituationen als Orientierungshilfe dienen können. Aufgrund dieser Umstände soll auch am Privatleben prominenter Personen ein öffentliches Interesse bestehen können. Des Weiteren bestätigt das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die ver­ fassungsrechtliche Unbedenklichkeit der zu den „absoluten Personen der Zeitgeschichte“ he­ rausgebildeten Kriterien, solange eine einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden In­ teressen vorgenommen werde. Eine Berichterstattung über Vorgänge aus dem privaten Bereich „absoluter Personen der Zeitgeschichte“ soll dabei nur in denjenigen Fällen ausgeschlossen sein, wenn sich die jeweilige Person objektiv erkennbar in die örtliche Abgeschiedenheit zu­ rückgezogen hat und sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie sie es in der breiten Öffentlichkeit nicht täte; vgl. BVerfG GRUR 2000, 446 ff.

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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Personen­bezug herzustellen.164 Jedoch gehen sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Abbildungen von „absolu­ ten Personen der Zeitgeschichte“ nicht schrankenlos ohne deren Einwilligung ver­ öffentlicht werden dürfen, sondern, dass stets eine Abwägung (i. S. d. § 23 Abs. 2 KUG) zwischen den beiderseitig betroffenen Rechtspositionen zu erfolgen hat.165 Im Hinblick auf die zuvor erörterte Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einer Entscheidung vom 24. Juni 2004 gerügt, dass die von den deutschen Gerichten entwickelten Kriterien zur „absolu­ ten Person der Zeitgeschichte“ nicht für den wirksamen Schutz der Privatsphäre von Personen des öffentlichen Lebens ausreichen und gegen das in Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens verstoßen würden.166 Bei Eingrif­ fen in die Privatsphäre müsse stets eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person vorgenommen werden, wo­ bei in Rechnung zu stellen sei, ob die Fotoaufnahmen oder Presseartikel zu einer Diskussion über Fragen von allgemeinem Interesse beitragen (dies wird immer dann verneint, wenn sich die Beiträge ausschließlich auf Aspekte des Privatlebens beziehen und mit der Berichterstattung lediglich Sensationsbedürfnisse befriedigt und kommerzielle Interessen verfolgt werden).167 Somit muss dem EGMR zufolge eine strikte Trennung zwischen Tatsachen, die einen Beitrag zur Diskussion in der demokratischen Gesellschaft leisten und Personen des politischen Lebens be­ treffen, und Berichten über private Einzelheiten von Personen, die keine entspre­ chenden Amtsgeschäfte wahrnehmen, vorgenommen werden.168 In den zuerst ge­ schilderten Fällen obliegt es der Presse ihre Kontrollfunktionen (als „Wachhund“) innerhalb der demokratischen Gesellschaft wahrzunehmen und dazu beizu­tragen, „Ideen und Informationen zu Fragen allgemeinen Interesses zu vermitteln“.169 Nach dieser Entscheidung des EGMR kann eine Zuordnung zur Gruppe der „ab­ soluten Personen der Zeitgeschichte“ folglich nicht mehr allein aufgrund des Be­ kanntheitsgrades einer Person vorgenommen werden, sondern es bedarf stets einer Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Einzelfall.170 164

So auch Stark, JZ 2006, 76 (77). BGH NJW 1996, 1128 (1129). 166 EGMR GRUR 2004, 1051 ff. 167 EGMR GRUR 2004, 1051 (1053 f.); Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 1a; Dreyer/Kotthoff/Meckel-Dreyer, UrhR, § 23 KUG Rn. 6; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 23 KUG Rn. 11. 168 Vgl. EGMR GRUR 2004, 1051 (1053). Ausnahmen sieht der EGMR in dieser Entschei­ dung allerdings nur für Personen des politischen Lebens vor, bei denen die Öffentlichkeit mit­ unter ein Recht darauf hat, auch über Informationen aus dem Privatleben unterrichtet zu wer­ den. 169 Siehe EGMR GRUR 2004, 1051 (1053). 170 So auch Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 3 Rn. 76. Inso­ fern käme die Einordnung unter die Kategorie der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ ledig­ lich bei Personen des politischen Lebens in Betracht, welche amtliche Funktionen wahrnehmen würden. Diese Rechtsfigur kann jedoch nach dieser Rechtsprechung des EGMR nicht ohne Weiteres auf andere Personen des öffentlichen Lebens übertragen werden (bei denen beispiels­ 165

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

In seiner neuesten Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof die Entschei­ dung des EGMR insofern berücksichtigt, als er den Begriff der „Person der Zeit­ geschichte“ nicht mehr verwendet. Stattdessen hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Frage, ob ein Bildnis mit zeitgeschichtlicher Bedeutung vor­ liegt, ein sog. „abgestuftes Schutzkonzept“ entwickelt.171 In Abkehr von der al­ ten Rechtsprechung soll nunmehr maßgeblich auf den Begriff des „Zeitgesche­ hens“ abgestellt werden. Um eine Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte172 zu ermöglichen, hat eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Rechten und Grundrechten der betroffenen Person sowie der Medien zu erfolgen, wobei ein normativer Maßstab die Grundlage bilden soll, der all diesen Rechtsgütern hinrei­ chend Rechnung trägt. Das Informationsinteresse wird dabei jedoch insoweit be­ grenzt, als Eingriffe in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Verhält­ nismäßigkeitsgrundsatz eingeschränkt werden.173 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung betont, dass hinsichtlich der Verwendung der Rechtsfigur „Person der Zeit­ geschichte“ keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, solange eine ein­ zelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlich­ keit und den berechtigten Interessen des Abgebildeten vorgenommen werde.174 Ergänzend dazu führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass auch ein Verzicht auf die Figuren der „absoluten und der relativen Person der Zeitgeschichte“ seiner bisherigen Rechtsprechung nicht widerspreche, und weist insofern darauf hin, dass es den Fachgerichten nunmehr freistehe, diese Begriffe nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zu verwenden.175 Teilweise wird vertreten, dass hierdurch der Figur der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ nahezu vollständig der Boden entzogen wurde.176 So führt Dreyer beispielsweise an, dass diese Rechtsfigur aufgrund der Tatsache, dass sie auf der Prämisse eines umfassenden Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit auf­ weise das öffentliche Interesse – wie im Fall von Caroline von Monaco – allein auf der Zuge­ hörigkeit zu einem regierenden Haus beruhe); vgl. insoweit Dreyer/Kotthoff/Meckel-Dreyer, UrhR, § 23 KUG Rn. 6. 171 Vgl. Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 3 Rn. 77. 172 Dieser Begriff wird traditionell weit ausgelegt, so dass zum Bereich der Zeitgeschichte das gesamte politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben zählt; vgl. Dreier/SchulzeDreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 3. 173 Vgl. BGH GRUR 2007, 527 (528 f.). 174 BVerfG GRUR 2008, 539 (544). Im Wesentlichen bestätigt das Bundesverfassungsgericht in der sog. „Caroline II-Entscheidung“ die bereits in der „Caroline I-Entscheidung“ aufgestell­ ten Grundsätze. Ferner betont das Bundesverfassungsgericht die Aufgabe der Zivilgerichte, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften des einfachen Rechts zum einen die tangierten Verfassungsrechtsgüter, aber auch die Vorgaben des EGMR zu beachten; BVerfG GRUR 2008, 539 ff. 175 BVerfG GRUR 2008, 539 (544). 176 Vgl. Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 5; Dreyer/Kotthoff/Meckel-Dreyer, UrhR, § 23 KUG Rn. 7.

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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baut, nicht weiter aufrecht erhalten werden könne.177 Andere halten wiederum an den zu dieser Rechtsfigur gebildeten Grundsätzen178 fest179 und begründen dies damit, dass die o. g. Entscheidung des EGMR keinesfalls dazu zwinge, sich von dieser bewährten Rechtsfigur zu verabschieden.180 Zudem besteht Uneinigkeit, ob die Entscheidung des EGMR für die deutschen Gerichte bindende Wirkung entfaltet.181 Ungeachtet der zuvor erörterten Differenzen ist die Begründung einer Regelver­ mutung zugunsten eines öffentlichen Informationsinteresses mithilfe des Begriffs „Person der Zeitgeschichte“ vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs kaum haltbar. Zum einen verzichtet der Bundesgerichtshof bewusst auf die Nennung dieses Begriffs und setzt an dessen Stelle eine umfassende Güter- und Interessenabwägung.182 Zum anderen muss auch dem Bundesverfassungsgericht zufolge stets eine ein­ zelfallbezogene Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses mit dem be­ rechtigten Interessen des Abgebildeten vorgenommen werden. Von daher würde es diesem höchstrichterlich vorgegebenen Erfordernis einer Einzelfallabwägung vehement widersprechen, wenn allein der Bekanntheitsgrad einer Person zur Be­ gründung der Zeitgeschichtlichkeit183 ausreichen und die Weitergabe sowie die Veröffentlichung von Ermittlungsinformationen rechtfertigen könnte. Letztend­ lich wäre sowohl der Verständlichkeit sowie der praktischen Handhabung des Re­ formvorschlages am ehesten mit der Schilderung eines schlichten Abwägungser­ fordernisses gedient. Mit dem Verweis in § 475 Abs. 3 Satz 2 b) des Reformentwurfs auf die „be­ sonderen Umstände“ der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat, welche „für die Öffentlichkeit von vorrangigem Interesse“ sein sollen, beabsichtigt Meier, eine Regelvermutung zugunsten eines überwiegenden öffentlichen Informations­ interesses bei den sog. „relativen Personen der Zeitgeschichte“ zu statuieren.184 Als weitere Voraussetzung verlangt diese Vorschrift, dass gegen den Beschuldigten ein 177

Dreyer/Kotthoff/Meckel-Dreyer, UrhR, § 23 KUG Rn. 7. Steffen bezeichnet die Rechtsfigur der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ insofern als eine praktische Faustformel für eine Grobwertung des schutzwürdigen Publikationsinteresses; vgl. Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 LPG Rn. 130. 179 Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 LPG Rn. 130; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 23 KUG Rn. 6 ff. 180 Siehe Schricker/Loewenheim-Götting, § 60/§ 23 KUG Rn. 67. 181 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 1a sowie bei Wandtke/Bullinger- Fricke, UrhR, § 23 KUG Rn. 12. 182 Vgl. Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 3 Rn. 77 f. 183 Es würde sich in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und den Wortlaut von § 23 Abs. 1 KUG anbieten, lediglich den Begriff der „Zeitgeschehens“ oder der „Zeitgeschichte“ zu verwenden. Allerdings muss in diesem Zusammenhang bedacht wer­ den, dass auch nach dem Bundesgerichtshof bei der Prüfung des Merkmals der „Zeitgeschicht­ lichkeit“ letztendlich eine Abwägung zwischen den betroffenen Rechtsgüter zu erfolgen hat. 184 Vgl. AE-StuM-Meier, S. 98 f. 178

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

„dringender Tatverdacht“ vorliegen muss. Die „besonderen Umstände“ der Tat können sich dabei nach Meier beispielsweise aus ihrer besonderen Schwere oder aus der ungewöhnlichen Art und Weise ihrer Begehung ergeben.185 Auch im Hinblick auf diese Fallgruppe sind erhebliche Zweifel anzumel­ den, ob die von Meier angeführten besonderen Tatumstände sowie das Erfor­ dernis eines dringenden Tatverdachts gerade im Stadium strafrechtlicher Ermitt­ lungen zu einer Regelvermutung zugunsten eines überwiegenden öffentlichen Informationsinteresses gegenüber den Geheimhaltungsinteressen des Beschul­ digten führen sollten. Zunächst verbietet sich die Heranziehung der begangenen Straftat als zeitgeschichtlicher Bezugspunkt beim Tatverdächtigen des strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahrens in Ansehung der zu seinen Gunsten streitenden Un­ schuldsvermutung.186 Die Einordnung des Beschuldigten als „relative Person der Zeitgeschichte“ im direkten Zusammenhang mit dem strafrechtlich relevanten Geschehen kann nur unter der Prämisse erfolgen, dass eine feststehende Verbin­ dung zwischen seiner Person bzw. seinem Verhalten und der ihm zur Last geleg­ ten Straftat unterstellt wird.187 Eine entsprechende Verknüpfung widerspricht je­ doch der Kernaussage der Unschuldsvermutung, nach welcher bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung des Beschuldigten von seiner Unschuld ausge­ gangen werden muss.188 Darüber hinaus stellt es sich als überaus problematisch dar, die besondere Schwere der Tat als Indiz für ein Überwiegen des allgemeinen Informationsinter­ esses gegenüber den Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu werten. Zwar ist das Argument, nach welchem das öffentliche Interesse an einer Unterrichtung über strafrechtlich relevante Vorgänge mit zunehmender Schwere der Tatvorwürfe proportional ansteigt, nicht ohne Weiteres zu entkräften, allerdings darf hierbei nicht ausgeblendet werden, dass dies spiegelbildlich auch im Hinblick auf die ne­ 185

AE-StuM-Meier, S. 99. In diesem Sinne auch Marxen, GA 1980, 365 (371 f.); Neuling, S. 232 f. sowie Bornkamm, S. 268, demzufolge das öffentliche Informationsinteresse sogar bis zum Zeitpunkt der erst­ instanzlichen Verurteilung gegenüber den Geheimhaltungsinteressen des Beschuldigten zu­ rückstehen muss; ähnlich auch Lampe, NJW 1973, 217 ff., der erst in der Verhaftung des Beschuldigten ein zeitgeschichtliches Ereignis erblickt und ab diesem Zeitpunkt eine Iden­ titätsoffenlegung „zugunsten“ des Beschuldigten (d. h. zur Kontrolle der Strafrechtspflege­ organe) für rechtes erachtet; a. A. v. Becker, S. 213 f. (demzufolge das Merkmal der Zeitge­ schichte als rein deskriptiver Begriff einer normativen Rechtsgüterabwägung nicht zugänglich sei) sowie Franke, S. 102 f. 187 Vgl. Marxen, GA 1980, 365 (371). An dieser Stelle soll noch nicht auf die umstrit­ tene Frage eingegangen werden, ob auch das Strafverfahren sowie einzelne Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahmen als taugliche zeitgeschichtliche Anknüpfungspunkt in Erwägung zu zie­ hen sind; vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 6. Teil, B. V. 188 So auch Marxen, GA 1980, 365 (375); a. A. Lampe, NJW 1973, 217 (219), der zwar grundsätzlich dafür plädiert, die Nennung des Namens des Angeklagten aus der Berichterstat­ tung herauszuhalten, jedoch von diesem Grundsatz Ausnahmen bei „Sensationsfällen“, Kapi­ talverbrechen sowie in Fällen, in denen eine Tat gerade aufgrund der Persönlichkeit eines Tat­ beteiligten als besonders gravierend erscheint, zulässt. 186

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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gativen Auswirkungen und Folgen beim Betroffenen zutrifft.189 Gerade im Bereich schwerer und schwerster Straftaten ist die sozialpsychologische Gefährdung für den Beschuldigten erheblich. Die Befürchtung, im persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld isoliert, bloßgestellt, vorverurteilt und schlimmstenfalls „medial hingerichtet“ zu werden, ist in diesen Fällen oftmals überaus berechtigt, so dass der Beschuldigte insoweit auf den Schutz der staatlichen Stellen angewiesen ist. Mitunter kann es dabei sogar zu Auswirkungen kommen, die das Maß der mit dem Strafverfahren verbundenen Repressalien und Sanktionen um ein Vielfaches übersteigen und dem Beschuldigten selbst im Falle einer später erfolgenden Ver­ fahrenseinstellung oder eines Freispruchs noch lange anhaften.190 Da die Schwere der Tat folglich beide Seiten der hier in Ansatz zu bringenden rechtlichen Interessen gleichermaßen betrifft und beeinflusst, stellt dieses Merkmal kein geeignetes Krite­ rium für ein vermutetes Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses dar.191 189

So dem Grunde nach auch das OLG Hamburg AfP 1994, 232 f. Vgl. hierzu die Ausführungen von Scholderer, ZRP 1991, 298 (300 f.) sowie bei Prantl, AnwBl. 2009, 421. In diesem Zusammenhang kann beispielhaft auf das gegen den deutschen TV-Moderator Andreas Türck geführte Strafverfahren hingewiesen werden. Ihm wurde vor­ geworfen, im Jahre 2002 eine junge Frau unter Anwendung von Gewalt zum Oralverkehr ge­ zwungen zu haben. Nachdem diese Vorwürfe publik geworden waren, wurde er vom Fern­ sehsender Pro-Sieben bis auf weiteres von der Moderation der TV-Sendung „Chart-Show“ beurlaubt. Trotz des im Jahre 2005 antragsgemäß erfolgten Freispruchs – zuvor hatte auch die Staatsanwalt aufgrund erheblicher Zweifel an der Glaubwürdigkeit der mutmaßlich Geschä­ digten einen Freispruch beantragt – trennte sich der TV-Sender Pro-Sieben von dem Mode­ rator, der sich in den darauf folgenden Jahren vollständig in das Privatleben zurückzog; vgl. http://bazonline.ch/panorama/vermischtes/Selbst-bei-einem-Freispruch-auf-ewigstigmatisiert/ story/29509112 sowie http://www.sueddeutsche.de/panorama/urteil-freispruch-fuer-andreastuerck-1.854080; zuletzt abgerufen am 14. 09. 2010) 191 A. A. OLG Celle NJW-RR 2001, 335 (336), nach dem etwa die Schwere der Tat, wegen der ermittelt wird, eine Verhaftung oder die öffentliche Stellung des Betroffenen als maßgeb­liche Bewertungsfaktoren bei der Einordnung des Täters als „relative Person der Zeitgeschichte“ herangezogen werden können. Allerdings hat auch nach dem OLG Celle bei einer Aufhebung der Personenanonymität im Ermittlungsverfahren eine besonders sorgfältige Prüfung zu er­ folgen. Zudem bedürfe es hierbei stets einer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls; OLG Celle NJW-RR 2001, 335 (336); vgl. ferner OLG Brandenburg NJW 1995, 886 (888); OLG Frankfurt a. M. AfP 1990, 229 f.; LG Halle AfP 2005, 188. Nach dem sog. „Lebach-Ur­ teil“ des Bundesverfassungsgerichts kann keinem der beiden Verfassungswerte (in dem dort zu entscheidenden Fall handelte es sich um die Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den Persönlichkeitsschutz gem. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden, sondern es muss „im Einzelfall die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit“ abgewogen werden; vgl. BVerfGE 35, 202 (203). Allerdings soll dem Bundesverfassungsgericht zufolge bei der Berichterstattung über schwere Straftaten das öffentliche Informationsinteresse im All­ gemeinen gegenüber dem Persönlichkeitsinteresse des Straftäters überwiegen, wenn dieser den Rechtsfrieden gebrochen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angegriffen oder verletzt hat; vgl. BVerfGE 35, 202 (203, 231). Insofern muss bedacht werden, dass es sich beim Beschuldigten gerade nicht um einen rechtskräftig verurteilten Täter handelt – wie in dem Fall, über den das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte –, so dass in Ansehung der Unschuldsvermu­ tung nicht davon ausgegangen werden kann und darf, dass zwischen ihm und der Tat ein fest­ stehender Zusammenhang besteht; vgl. hierzu auch Marxen, GA 1980, 365 (375). 190

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Ferner vermag auch das Erfordernis eines „dringenden Tatverdachts“ (i. S. d. § 112 StPO) diese „Schieflage“ nicht zu richten. Ein dringender Tatverdacht wird angenommen, wenn nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen eine hohe Wahr­ scheinlichkeit dafür spricht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist.192 Auch wenn der dringende Tatverdacht insofern auf den ersten Blick höheren Anforderungen unterliegt als der für die Anklageerhebung gem. § 170 Abs. 1 StPO und die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 203 StPO erforder­ liche „hinreichende Tatverdacht“, der lediglich die einfache Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung voraussetzt193, muss bedacht werden, dass der drin­ gende Tatverdacht durch eine gewisse Vorläufigkeit geprägt ist, die einer Offen­ legung der Beschuldigtenidentität im Stadium der Ermittlungen entgegensteht.194 Im Gegensatz zum dringenden Tatverdacht wird der hinreichende Tatverdacht auf der Grundlage abgeschlossener Ermittlungen und nicht anhand des jeweiligen Er­ mittlungsstandes zum Zeitpunkt der staatsanwaltschaftlichen Antragsstellung (auf richterliche Anordnung eines Haftbefehls gem. § 114 Abs. 1 StPO) oder der rich­ terlichen Anordnung einer Maßnahme i. S. d. §§ 81 Abs. 2, 138 a Abs. 1 StPO be­ stimmt.195 Die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung des Beschuldigten ist für das Vorliegen des dringenden Tatverdachts indes nicht erforderlich,196 da dies zum frühen Zeitpunkt des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens noch gar nicht abgesehen werden kann.197 192 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 210. Dabei muss es sich um eine rechtswidrige und schuld­ haft begangene Tat, oder wenn dieser strafbar ist, um den Versuch einer solchen Tat handeln; vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 112 Rn. 5. 193 BGH StV 2001, 579; Meyer-Goßner, StPO, § 170 Rn. 1. 194 In diesem Sinne auch Neuling, S. 233. v. Becker führt in diesem Zusammenhang hin­gegen an, dass ein dringender Tatverdacht nicht zu fordern sei, da bereits infolge der Annahme des „schwächeren“ hinreichenden Tatverdachts das Hauptverfahren eingeleitet werden könne, in dessen Rahmen eine Individualisierung des Beschuldigten in aller Regel ohne Weiteres mög­ lich sei; vgl. v. Becker, S. 212. 195 Demnach dürfte ein nach Abschluss der Ermittlungen vorliegender „hinreichender Tat­ verdacht“ ein tauglicheres Kriterium darstellen, da somit wenigstens sichergestellt würde, dass eine identifizierende Berichterstattung erst auf der Grundlage eines abgeschlossenen Ermitt­ lungsverfahrens und gesicherter Ermittlungserkenntnisse erfolgt (vgl. hierzu die Ausführun­ gen bei Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 339). Ferner spricht hierfür, dass im Falle des Vorliegens eines hinreichenden Tatverdachts im Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungen der weitere Verfahrensgang – wenn das Verfahren nicht aus Opportunitätsgründen nach den §§ 153 ff. StPO eingestellt oder im Wege des Strafbefehlsverfahrens i. S. d. §§ 407 ff. StPO entschieden wird – über das Zwischenverfahren in die zumeist öffentlich zugängliche Hauptverhandlung führt. Gerade dann, wenn zwischen der Beendigung des Ermittlungsverfahrens und dem Beginn der Hauptverhandlung keine große Zeitspanne liegt, ist die Berichterstattung über das strafrecht­ liche Ermittlungsverfahren von daher mit keinen wesentlichen, über die mediale Berichterstat­ tung aus der Hauptverhandlung hinausgehenden, negativen Auswirkungen für den Beschuldig­ ten verbunden. 196 Der dringende Tatverdacht muss hingegen verneint werden, wenn ein nicht beheb­bares Verfahrenshindernis besteht, selbst wenn die Beweislage ansonsten eindeutig ausfällt; vgl. Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 9 Rn. 7. 197 Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 9 Rn. 7.

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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An dieser Stelle setzt mit Blick auf die Unschuldsvermutung noch ein weiterer Kritikpunkt an. Dieser Verfahrensgrundsatz stellt einzig und allein auf den Zeit­ punkt einer rechtskräftigen Schuldfeststellung im Wege der Verurteilung ab.198 Von daher ist es kaum mit diesem Verfahrensprinzip in Einklang zu bringen, wenn es maßgeblich auf die hohe Wahrscheinlichkeit einer Tatbeteiligung ankommen soll, ohne dass hierbei eine Prognoseentscheidung über die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung getroffen wird. Dabei muss bedacht werden, dass auch sol­ che Personen am Schutz der Unschuldsvermutung teilhaben, die zwar mit großer Wahrscheinlichkeit als Täter oder Teilnehmer einer strafbaren Handlung in Be­ tracht kommen, zu deren Gunsten allerdings ein Verfahrenshindernis greift, wel­ ches einer rechtskräftigen Verurteilung dauerhaft im Wege steht. Der dritte Satz des dritten Absatzes des Reformvorschlages enthält sinnvoller­ weise eine Regelung, die das Geheimhaltungsinteresse von tatverdächtigen Perso­ nen, welche zum Zeitpunkt der Begehung der Tat unter 18 Jahre alt sind, unter be­ sonderen Schutz stellt. Im Großen und Ganzen kann der Versuch, das bestehende Regelungsdefizit mit­ hilfe eines neuen § 475 a StPO zu schließen, nur begrüßt und befürwortet wer­ den. Der erste Abschnitt des achten Buches der Strafprozessordnung ist zudem ein durchaus gelungener Ort, um eine solche Regelung unterzubringen, da sich dieser Abschnitt mit der Erteilung von Auskünften aus dem Strafverfahren befasst. Fer­ ner spricht für eine Aufnahme dieser Vorschrift in die Strafprozessordnung, dass es nicht um die Frage geht, wie die mediale Berichterstattung als solche ausgestal­ tet wird. Die mithilfe dieser Vorschrift zu lösenden Problemstellungen betreffen vielmehr die Informationsrechte der Medien und die damit korrespondierenden Pflichten auf Seiten der Ermittlungsbehörden, wobei stets auch die Rechte und In­ teressen der anderen verfahrensbeteiligten Personen sowie die staatlichen Geheim­ haltungsinteressen Berücksichtigung finden müssen. Andererseits erweisen sich die in diesem Gesetzesentwurf konkret aufgeführten Kriterien in Ansehung der vorhergehenden Ausführungen als ungeeignet, eine Regelvermutung zugunsten eines Überwiegens des öffentlichen Informationsinteresses gegenüber dem priva­ ten Geheimhaltungsinteresse zu begründen, so dass dieser Reformvorschlag keine wertvolle Hilfestellung für den behördlichen Abwägungsvorgang bietet.

II. Die Einführung eines neuen § 160 a StPO Von Neuling stammt der Entwurf eines neuen § 160 a StPO, durch den eine faire Öffentlichkeitsarbeit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewährleistet wer­ den soll.199 Dieser Paragraph soll folgendermaßen lauten: 198 Vgl. zum Grundsatz der Unschuldsvermutung auch die Ausführungen weiter unten, im 7. Teil, D. II. 199 Vgl. Neuling, S. 315.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren § 160a StPO (Faire Öffentlichkeitsarbeit im Ermittlungsverfahren) (1) Das Ermittlungsverfahren ist nichtöffentlich. Die Staatsanwaltschaft kann der Presse, dem Hörfunk und dem Fernsehen Auskünfte erteilen, wenn dadurch nicht der Ermittlungs­ zweck gefährdet wird. Die Polizei erteilt Auskünfte nur in Abstimmung mit der Staatsan­ waltschaft. (2) Die öffentliche Individualisierung des Beschuldigten oder Auskünfte, die eine öffentli­ che Individualisierung ermöglichen, sind vor Zulässigkeit der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens unzulässig. Dies gilt nicht, wenn der Beschuldigte zugestimmt hat oder dies zur Aufklärung von Straftaten erforderlich ist. (3) Objektiv-deskriptive Auskünfte über den äußeren Hergang des Ermittlungsverfahrens, insbesondere über 1. die ermittelnde Behörde, 2. den Inhalt des Vorwurfs, 3. die Durchführung von Zwangsmaßnahmen, 4. den Abschluss des Ermittlungsverfahrens, können erteilt werden. (4) Subjektiv-bewertende Auskünfte über innere Umstände des Ermittlungsverfahrens, die geeignet sind, schutzwürdige Interessen des Beschuldigten zu verletzen, indem sie insbe­ sondere 1. Ermittlungsmaßnahmen und -erkenntnisse einseitig bewerten, 2. den Beschuldigten als schuldig oder schon überführten Täter hinstellen und dadurch die Befangenheit der Verfahrensbeteiligten oder sonst wie die sachgerechte Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen, sind unzulässig.

Dieser Reformvorschlag soll Neuling zufolge eine Aufforderung an den Gesetz­ geber darstellen, dem Kern des „fair trial“-Grundsatzes durch konkrete Ge- und Verbote zur Geltung zu verhelfen.200 Ferner soll er an die durch die Verfassung ge­ schützte Verantwortung der Medien anknüpfen, die informationelle Daseinsvor­ sorge zu gewährleisten.201 Im ersten Absatz der Vorschrift wird nach Neuling das Spannungsfeld vorange­ stellt, in welchem sich der hiesige Problemkreis bewegt.202 Dabei stellt er fest, dass einer effektiven und geordneten Strafrechtspflege gegenüber dem öffentlichen In­ formationsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Positiv zu bewerten ist weiterhin der Umstand, dass Neuling hier den Versuch unternimmt, die Frage der Medienzu­

200

Neuling, S. 317. Vgl. Neuling, S. 315 f. 202 So die Intention von Neuling; vgl. Neuling, S. 316. 201

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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ständigkeit auf Seiten von Staatsanwaltschaft und Polizei gesetzlich festzu­legen.203 Im zweiten Absatz wird die unmittelbar oder mittelbar individualisierende Be­ richterstattung grundsätzlich204 für unzulässig erklärt, wenn diese den Zeitraum vor der Zulassung der Anklage betrifft. Ferner nimmt Neuling eine strikte Tren­ nung zwischen allgemein gehaltenen und die Personenanonymität wahrenden Be­ richterstattungen auf der einen Seite und identifizierenden Berichterstattungen auf der anderen Seite vor.205 Letztlich ist die Stringenz dieses Entwurfs zu begrüßen, da keine Zweifel mehr daran bestehen dürften, dass bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfah­ rens durch einen Beschluss nach § 207 StPO jedwede identifizierende Berichter­ stattung grundsätzlich unzulässig ist. Andererseits ist zweifelhaft, ob sich diese Regelung in all ihrer Konsequenz durchzusetzen vermag. Durch diese Vorschrift würden identifizierende Mitteilungen über Vorgänge des Ermittlungs- und Zwi­ schenverfahrens fast gänzlich unterbunden, da niemals vollkommen auszuschlie­ ßen ist, dass Berichte aus dem Ermittlungs- und Zwischenverfahren aufgrund weiterer hinzutretender Umstände zu einer Offenlegung der Identität des Beschul­ digten führen werden. So sehr eine entsprechend konsequente und beschuldigten­ freundliche Regelung zu befürworten ist, bleibt es auf der anderen Seite zu erwar­ ten, dass Stimmen laut werden, denen zufolge die Medien hierdurch nicht mehr die ihnen von der Verfassung übertragenen Aufgaben erfüllen könnten, was letzt­ lich zur Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift führen würde.206 In den Absätzen 3 und 4 differenziert Neuling ferner zwischen objektiv-deskrip­ tiven Auskünften über den äußeren Hergang des Ermittlungsverfahrens, deren Er­ teilung grundsätzlich zulässig sein und im Ermessen der Staatsanwaltschaft liegen soll, und Auskünften subjektiv-bewertender Natur über innere Umstände des Er­ mittlungsverfahrens, die geeignet sind, schutzwürdige Interessen des Beschuldig­ ten zu verletzen und deren Erteilung unzulässig ist. Diese Differenzierung ist über­ aus gelungen und würde einerseits zu einem erheblichen Gewinn an Klarheit auf Seiten aller Beteiligten führen. Ferner würde es sich anbieten, als weitere „Regel­ beispiele“ für subjektiv-bewertende Auskünfte im Sinne des vierten Absatzes des Reformvorschlages verfahrensfremde Details aus dem Intim- und Privatleben des 203 Wobei die Medienzuständigkeit nach Neuling grundsätzlich bei der Staatsanwaltschaft, bzw. ihrem Pressesprecher liegen soll; siehe Neuling, S. 316. 204 Ausnahmen hiervon sind für diejenigen Fälle vorgesehen, in denen entweder der Beschul­ digte zugestimmt hat, oder die öffentliche Individualisierung der Aufklärung von Straftaten dient. 205 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. I. 206 Auf der anderen Seite ist es äußerst fragwürdig, ob die Medien zur Erfüllung ihres Ver­ fassungsauftrages gerade auf identifizierende Berichterstattungen im Ermittlungsverfahren an­ gewiesen sind oder ob sie diesem Auftrag nicht auch unter Wahrung der Personenanonymität nachkommen können; vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 8. Teil, B. I. Aus Sicht der Medien könnte an dieser Stelle ein Regel-/Ausnahmeverhältnis sowie die Vorgabe von Abwä­ gungshilfen ein adäquater Weg sein, um ihren Rechten zur Geltung zu verhelfen.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Beschuldigten aufzuführen, um damit klarzustellen, dass entsprechende Informa­ tionen unter keinen Umständen herausgegeben werden dürften.207 Auch mit Blick auf diesen Reformvorschlag bleibt festzuhalten, dass die Schaf­ fung einer spezialgesetzlichen Vorschrift zur Behebung der bestehenden Rechts­ unsicherheiten bei der Weitergabe von Ermittlungsinformationen begrüßenswert ist. Für eine Einordnung dieser Regelung in den zweiten Abschnitt des zweiten Buches der Strafprozessordnung spricht zwar zunächst, dass sich dieser Abschnitt mit der Vorbereitung der öffentlichen Klage und dabei insbesondere mit den Rech­ ten und Pflichten der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren befasst. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich bei den Regelungen über die Vorbereitung der Hauptverhandlung keine Vorschriften finden, die im Besonderen auf die Wei­ tergabe von Verfahrensinformationen und die dabei aufgeworfenen Problemfelder zugeschnitten sind. Von daher erweist sich die zuvor erörterte Einführung eines neuen § 475 a StPO als vorteilhaft, da sich diese Vorschrift in einem Abschnitt der Strafprozessordnung befände, welcher sich explizit mit der Erteilung von Aus­ künften und Akteneinsicht sowie mit der sonstigen Verwendung von Daten des Strafverfahrens für verfahrensübergreifende Zwecke befasst.

III. Die Einführung eines neuen § 169 a GVG Dalbkermeyer schlägt die Einführung eines neuen § 169 a GVG208 vor: § 169 a GVG (1) Das Ermittlungsverfahren ist nichtöffentlich. Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit ist mit der Presse, Hörfunk und Fernsehen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Aufgaben und ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zusammenzuarbeiten. Diese Un­ terrichtung darf weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Haupt­ verhandlung vorgreifen. Sie soll sich orientieren an dem Grundsatz der Unschuldsvermu­ tung und dem Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren. Zu unterlassen sind daher einseitige, präjudizierende Äußerungen, die geeignet sind, die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten oder sonst die Findung der Wahrheit oder einer gerechten Entschei­ dung zu beeinträchtigen. Insbesondere darf nicht durch den Inhalt oder die sprachliche Dar­ stellung einer Mitteilung der Eindruck erweckt werden, dass der Beschuldigte schuldig oder bereits als Täter überführt sei. (2) Die Veröffentlichung der Identität des Beschuldigten hat ohne dessen Zustimmung bis zur Anklageerhebung zu unterbleiben, soweit dies nicht zur Aufklärung von Straftaten ge­ boten ist. Dasselbe gilt für Angaben, die die Identifizierung des Beschuldigten nahelegen. 207 Eine Interessenbeeinträchtigung auf Seiten der Verfahrensbeteiligten infolge der Weiter­ gabe intimer Details ist auch bei einer vorläufigen Wahrung der Personenanonymität denkbar, gerade wenn diese zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. im Rahmen der Hauptverhandlung) auf­ gehoben und hierdurch eine nachträgliche Zuordnung der zuvor veröffentlichten Informationen ermöglicht wird. 208 Vgl. Dalbkermeyer, S. 183 ff.

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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(3) Werden schriftliche Auskünfte oder Pressemitteilungen erteilt, so ist dem von ihnen Be­ troffenen, insbesondere dem Beschuldigten, soweit er anwaltlich vertreten wird, auch sei­ nem Rechtsanwalt, vorab, spätestens aber gleichzeitig eine Abschrift zu übermitteln. Zu Pressekonferenzen ist der Beschuldigte, bzw. sein Verteidiger rechtzeitig einzuladen. Im Verlauf der Pressekonferenz ist ihnen die Möglichkeit zu gewähren, Stellungnahmen/Erklä­ rungen abzugeben.

Auch dieser Entwurf von Dalbkermeyer ist im Grunde gelungen und begrüßens­ wert. Zunächst bezweckt Dalbkermeyer mithilfe der ausdrücklichen Verweise im ersten Absatz auf die Unschuldsvermutung und das Recht auf ein faires Verfah­ ren, der Staatsanwaltschaft eine Richtschnur zur Gestaltung ihrer Informationsar­ beit an die Hand zu geben und diese dabei zugleich zu Zurückhaltung und Sach­ lichkeit anzuhalten.209 Auch das sich daran anschließende Verbot präjudizierender Äußerungen ist durchweg zu befürworten.210 Sachdienlich ist es weiterhin, dass Dalbkermeyer den Versuch unternimmt, möglichst konkrete gesetzliche Vorga­ ben festzulegen. Vor allem in Anbetracht des Umstandes, dass die Mitteilung von Informationen aus dem Ermittlungsverfahren lediglich eine „Nebentätigkeit“ der Staatsanwaltschaften darstellt, ist eine möglichst präzise Fassung der an die Staats­ anwaltschaft gerichteten Regelung zu begrüßen.211 Im Hinblick auf den zweiten Absatz, der eine unmittelbar oder mittelbar identi­ fizierende Berichterstattung bis zum Zeitpunkt der Anklageerhebung für unzuläs­ sig erklärt, kann auf die zum Entwurf des § 160 a Abs. 2 StPO (von Neuling) ge­ machten Ausführungen verwiesen werden, da der Inhalt nahezu deckungsgleich ist. Allerdings ist anzumerken, dass der Entwurf von Neuling sich insofern als kon­ sequenter und beschuldigtenfreundlicher erweist, da als maßgeblicher Zeitpunkt, vor dem eine identifizierende Berichterstattung stets unzulässig sein soll, die Er­ öffnung des Hauptverfahrens gem. § 203 StPO durch den gerichtlichen Beschluss über die Zulassung der Anklage i. S. d. § 207 Abs. 1 StPO festgelegt wird. Dalbkermeyer hingegen verlagert diesen Zeitpunkt auf die Erhebung der öffent­ lichen Klage durch die Einreichung der Klageschrift beim zuständigen Gericht gem. § 170 Abs. 1 StPO. Damit besteht jedoch weiterhin das Risiko, dass die Per­ sonenanonymität bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Zwischenverfahrens aufgehoben wird und das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens durch Be­

209

Dalbkermeyer, S. 186. Eine vergleichbare Regelung existiert bereits im ersten Absatz der Ziffer 23 RiStBV, je­ doch fehlt den Richtlinien für das Strafverfahren und Bußgeldverfahren – wie weiter oben, im 5. Teil, C. erörtert wurde – jegliche Bindungswirkung im Außenverhältnis. 211 Dalbkermeyer spricht insoweit in plakativer Weise von einem „Abfallprodukt“, wenn die Berichterstattung nicht gerade zum Zwecke von Fahndungsaufrufen etc. erfolgt; Dalbkermeyer, S. 186. Natürlich müssen die gesetzlichen Vorgaben darüber hinaus in einem gewissen Maße allgemein gehalten werden, damit sie nicht in ein undurchsichtiges und überladenes Re­ gelungswerk ausufern (so auch die Intention Dalbkermeyers bei der Konzeption des Entwurfs zu § 169 a StPO; vgl. Dalbkermeyer, S.  184 f.). 210

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

schluss nach § 204 Abs. 1 StPO i. V. m. § 203 StPO ablehnt.212 In diesem Fall könn­ ten all die mit der Aufhebung der Personenanonymität verbunden Nachteile für den betroffenen Personenkreis eintreten, ohne dass es jemals zu einer Hauptver­ handlung kommt. Die im dritten Absatz dieses Entwurfs vorgeschlagene Gewährung von Teil­ nahme- und Mitwirkungsrechten des Beschuldigten und seines Verteidigers ver­ dient besondere Erörterung und zum Teil Widerspruch. Dalbkermeyer beabsich­ tigt mit dieser Regelung, den schützenswerten Belangen des Beschuldigten im Rahmen der Informationsweitergabe zum Tragen zu verhelfen, indem sie dem Be­ schuldigten und/oder seinem Verteidiger Kenntisnahme-,Teilnahme- und Mitwir­ kungsrechte im Zusammenhang mit schriftlichen Auskünften und Presseerklärun­ gen der Staatsanwaltschaft (bzw. der Polizei) einräumt.213 Dies ist dem Grunde nach sinnvoll und zu befürworten. Insbesondere bei schriftlichen Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei gegenüber der Presse spricht nichts dage­ gen, vorab oder spätestens gleichzeitig214 dem Beschuldigten bzw. seinem Vertei­ diger eine Abschrift zukommen zu lassen. Dies würde auch der in Ziffer 23 Abs. 2 RiStBV niedergelegten Maxime entsprechen, nach der die Unterrichtung der Öf­ fentlichkeit über die Anklageerhebung sowie über die weiteren Einzelheiten der Anklage erst erfolgen darf, nachdem die Anklageschrift dem Beschuldigten zuge­ stellt oder anderweitig bekannt gegeben wurde.215 Erhebliche Bedenken sind jedoch dagegen anzumelden, dem Beschuldigten das Recht einzuräumen, an Pressekonferenzen von Staatsanwaltschaft und Polizei teil­ zunehmen und ihm hierbei die Möglichkeit zuzugestehen, Erklärungen und Stel­ lungnahmen abzugeben. Diese Bedenken resultieren zum einen aus der Überle­ gung, dass es hierdurch zu einer Vorwegnahme der Hauptverhandlung (im Wege eines „medialen Showprozesses“) kommen könnte, womit keinem der Verfahrens­ beteiligten gedient wäre. Zum anderen liegt es nahe, dass alle Beteiligten im Rah­ men solcher Pressekonferenzen versuchen werden, in Frage stehende Vorgänge

212 Vgl. die Darstellung zur Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens bei Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 16 Rn. 24 ff. und Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 363. 213 Vgl. Dalbkermeyer, S.  187 ff. 214 An dieser Stelle ist anzumerken, dass bei einer zeitgleichen Übersendung der Mittei­ lung an die Medien und den Beschuldigten (sowie gegebenenfalls auch noch an seinen Ver­ teidiger) kaum noch eine Möglichkeit besteht, Einwände und Berichtigungsvorschläge ein­ zubringen. Insofern sollten die Ermittlungsbehörden verpflichtet werden, dem Beschuldigten (sowie gegebenenfalls seinem Verteidiger) entsprechende Mitteilungen frühstmöglich bzw. vorab zuzusenden, um ihm dadurch eine angemessene und effektive Reaktionsmöglichkeit zu eröffnen. 215 Vgl. die Ausführungen oben, im 5. Teil, C.; vgl. auch den Beschluss des VGH Kassel NJW 2001, 3802, nach dem der Verteidiger des Beschuldigten in komplexen Verfahren mit einer um­ fangreichen Anklage mindestens einen Arbeitstag, bevor eine staatsanwaltschaftliche Presse­ konferenz (auf der die Anklageschrift erörtert werden soll) abgehalten wird, über den Inhalt der Anklageschrift in Kenntnis gesetzt werden muss.

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aus ihrer subjektiven und einseitigen Sicht darzulegen und dadurch die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.216 Erschwerend kommt hinzu, dass solche Pressekonferenzen ungeachtet der aus­ gewogenen und detaillierten prozessualen Vorgaben der Strafprozessordnung ab­ gehalten werden, was nicht nur einen erheblichen negativen Effekt auf die Verfah­ rensrechte der beteiligten Personen befürchten lässt, sondern darüber hinaus zu chaotischen Zuständen führen könnte.217 Von daher bestehen erhebliche Bedenken im Hinblick auf den geregelten und die Rechte aller Beteiligten wahrenden Ab­ lauf entsprechender Pressekonferenzen.218 Der Beschuldigte könnte sich zudem aufgrund der ihm eingeräumten Äußerungsmöglichkeit gezwungenermaßen dazu veranlasst sehen, von seinem Anwesenheits- und Äußerungsrecht auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Hierzu könnte er sich zum Beispiel dann genötigt fühlen, wenn er befürchten müsste, dass sein Schweigen von der Öffentlichkeit gegen ihn gewertet wird.219 Es besteht folglich die große Gefahr, dass ein psychisch wirken­ der mittelbarer Aussagezwang, der sich aus dem Druck der geschilderten Situation ergibt, das Recht des Beschuldigten, sich nicht zur Sache zu äußern (ohne dadurch irgendwelche Nachteile befürchten zu müssen), untergräbt.220 216 Vgl. zu der sich in Teilen überschneidenden Problematik der „Litigation-PR“ BoehmeNeßler, ZRP 2009, 228 ff. Nach Boehme-Neßler geht es bei der „Litigation-PR“ auf Seiten des Beschuldigten im Kern darum, diesen in ein möglichst gutes Licht zu rücken, wobei es nicht selten vorkommt, dass im gleichen Zuge Opfer der Straftat und andere Zeugen verbal angegrif­ fen werden, um dieses Ziel zu erreichen; vgl. Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229). 217 Es liegt hierbei nicht allzu fern, dass im Rahmen solcher Pressekonferenzen, nachdem dem Beschuldigten ein Anwesenheitsrecht eingeräumt wurde, auch Geschädigte, Neben- oder Privatkläger Anwesenheits- und Äußerungsrechte beanspruchen könnten oder Forderungen da­ nach laut werden, Zeugen zu benennen und zu den Pressekonferenzen mitzubringen. 218 Die einzige denkbare Möglichkeit, einen geordneten Ablauf einer solchen Pressekonfe­ renz zu gewährleisten, wäre es, die Redezeit der einzelnen Beteiligten zu begrenzen und ihnen zudem die Möglichkeit zu eröffnen, zu Äußerungen der „Gegenseite“ Stellung zu beziehen. Je­ doch würden sich auch unter dieser Prämisse weitere Folgeprobleme anschließen. So müsste beispielsweise geklärt werden, ob eine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden soll (wie dies z. B. im Rahmen der Schlussplädoyers der Hauptverhandlung gem. § 258 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Hs. 1 StPO der Fall ist), dem Beschuldigen das letzte Wort gebührt (wie dies für die Hauptverhandlung von § 258 Abs. 2 Hs. 2 i. V. m. Abs. 3 StPO zwingend vorgesehen ist), usw. 219 Die Befürchtung, dass sowohl die Medien, als auch die Öffentlichkeit, aus einem Schwei­ gen des Beschuldigten auf Pressekonferenzen nachteilige Schlüsse ziehen könnten (z. B. indem sie darin einen Anhaltspunkt für seine Schuld sehen), ist durchaus berechtigt. Denn es dürfte keinesfalls zum gefestigten Allgemeinwissen zählen, dass dem Beschuldigten ein Schweige­ recht zusteht und ihm die Ausübung dieses Rechts nicht entgegen gehalten werden darf; so auch Lehr, NStZ 2009, 409 (414). 220 Dieses Recht findet unter anderem in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO; § 136 a StPO; § 163a Abs. 3 Satz 2 StPO i. V. m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO; § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i. V. m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO und § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO seine strafprozessuale Absicherung. Hierin kommt der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Grund­ satz – der zudem ein zentrales Element der „fair trial“-Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK dar­ stellt – „nemo tenetur se ipsem accusare“ („Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten“) zum Ausdruck; vgl. hierzu Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 125; Kindhäuser, Strafprozessrecht,

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

Zudem spricht gegen ein Anwesenheitsrecht des Beschuldigten, dass seine Prä­ senz bei Pressekonferenzen, verbunden mit der Möglichkeit, Stellungnahmen und Erklärungen gegenüber der Presse abzugeben, nicht nur von Geschädigten und Angehörigen, sondern auch von der Allgemeinheit als anstößig, verstörend, ein­ schüchternd oder verletzend empfunden werden könnte. Dies muss insbesondere dann befürchtet werden, wenn es sich bei den zur Last gelegten Tatvorwürfen um solche aus dem Bereich der Sexualstraftaten und der schweren Kriminalität (z. B. Gewaltverbrechen, organisierte Kriminalität usw.) handelt. Überdies bestünde die große Gefahr, dass die Beschuldigten eines Strafverfahrens ermittlungsbehördliche Pressekonferenzen als Öffentlichkeitsplattform zur media­ len Selbstinszenierung und zur Verbreitung ihrer Ideen und Thesen nutzen könnten. Die Problematik, inwieweit dem Beschuldigten mittels des Strafverfahrens über­ haupt eine „Bühne“ bereitgestellt werden sollte, tritt besonders deutlich in dem in Oslo geführten Strafprozess gegen den wegen 77-fachen Mordes angeklagten An­ ders Behring Breivik zutage. Bereits in dem vor den Taten verfassten und selber an die Öffentlichkeit herausgegebenen „Manifest“ gab er bekannt, dass für ihn mit dem Strafprozesses die „Phase der Propaganda“ beginne. Auch durch sein sonstiges Ver­ halten (z. B. die Veröffentlichung von Fotos in Uniform, seine Auftritte vor Gericht, die Liste der gewünschten Zeugen etc.) machte er deutlich, dass es ihm gerade um das Erreichen einer größtmöglichen öffentlichen Aufmerksamkeit geht. Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht nur die Frage, inwieweit die Medien möglicherweise aufgrund ihrer Berichterstattung zumindest mittelbar als „Erfüllungsgehilfen“ des Beschuldigten missbraucht werden könnten, sondern es erscheint in solchen Fäl­ len als geradezu unerträglich, dem Beschuldigten mithilfe eines Anwesenheits- und Rederechts auf ermittlungsbehördlichen Pressekonferenzen größere Aufmerksam­ keit zukommen zu lassen, als dies zur Wahrung seiner Rechte sowie zur Wahrneh­ mung öffentlicher Kontroll- und Überwachungsfunktionen zwingend notwendig ist. Anders stellt sich die Situation jedoch mit Blick auf das Anwesenheitsrecht des Verteidigers des Beschuldigten dar. Zum einen ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Verteidiger, neben seiner Funktion als Beistand des Beschuldigten, nach § 1 BRAO als ein Organ der Rechtspflege221 anzusehen ist.222 Ihm obliegt einerseits § 6 Rn. 14. Dieser zentrale Verfahrensgrundsatz kann gegebenenfalls sogar das Privileg der Be­ schuldigten begründen, zu lügen, ohne hierfür Sanktionen befürchten zu müssen; vgl. BGHSt 3, 149 (152); Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 125; Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 6 Rn. 14. 221 BVerfGE 34, 293 (300); 38, 105 (119); 53, 207 (214); BGHSt 9, 20 (22); 12, 367 (369); 46, 36 (43). 222 Die genaue Rechtsstellung des Strafverteidigers ist äußerst umstritten. Beulke unterschei­ det hierbei im Groben die Organtheorie, die Parteiinteressenvertretertheorie und die verfas­ sungsrechtlich-prozessualen Theorien; vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 150 ff. Letztendlich sprechen die besseren Argumente für die Anerkennung einer „Zwischenstellung“ des Straf­ verteidigers. Zum einen kann gegen seine Stellung als reiner Interessenvertreter die in Tei­ len bestehende Unabhängigkeit des Verteidigers gegenüber dem Beschuldigten ins Feld ge­ führt werden, die es ihm beispielsweise erlaubt, auch gegen den Willen des Beschuldigten einen Freispruch zu beantragen, oder entlastende Beweisanträge zu stellen (vgl. Kühne, Straf­

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die Aufgabe, die Rechte des Beschuldigten umfassend sowie unter Beachtung al­ ler diesem günstigen rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu wahren, indem er insbesondere die den Beschuldigten entlastenden Umstände hervorhebt.223 Auf der anderen Seite nimmt der Strafverteidiger jedoch auch eine öffentliche Funktion wahr, indem er im Interesse der Allgemeinheit darüber wacht, dass allen Verfah­ rensvorschriften Beachtung geschenkt wird. Somit trägt der Verteidiger mit dafür Sorge, dass eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege eingehalten wird. Nicht zuletzt diese besondere Rechtsstellung des Verteidigers spricht dafür, ihm ein Teilnahme- und Äußerungsrecht zuzugestehen. Ihm käme hierbei natür­ lich einerseits die Aufgabe zu, den Rechten des Beschuldigten bestmöglich zum Tragen zu verhelfen. Auf der anderen Seite eignet sich die Person des Verteidi­ gers aufgrund der vorhandenen juristischen Qualifikationen und seiner Stellung als Rechtspflegeorgan dazu, auf einen geordneten und „rechtmäßigen“ Ablauf ent­ sprechender Pressekonferenzen hinzuwirken.224 Eine Teilnahme des Verteidigers würde zudem mit seinen weitreichenden Anwesenheits- und Äußerungsrechten während des Strafverfahrens korrespondieren.225 Andererseits bestünde die Gefahr, prozessrecht, Rn. 178; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 19 Rn. 3; vgl. auch die Aus­ nahmen hierzu in § 297 StPO und § 302 Abs. 2 StPO). Des Weiteren ist der Verteidiger – im Gegensatz zum Beschuldigten – an die Wahrheitspflicht gebunden; vgl. Beulke, Strafprozess­ recht, Rn. 151. Ferner dient die Verteidigung insoweit auch öffentlichen Interessen, als sie dafür Sorge trägt, dass in einem fairen Prozess um die materielle Wahrheitsfindung gerungen wird. Gerade in Fällen der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO, in denen das Strafverfahren ohne die Mitwirkung eines Verteidigers nicht durchgeführt werden kann, ist dieser für den ord­ nungsgemäßen Verfahrensablauf sowie die rechtsstaatliche Strafrechtspflege unerlässlich; so auch Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 150; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 19 Rn. 1. Allerdings ist die Orientierung des Verteidigers am Ziel der Verwirklichung eines streng jus­ tizförmigen Strafverfahren wiederum im Sinne der Effektivität der Verteidigung auf der einen Seite und dem Kernbereich effektiver Rechtspflege auf der anderen Seite zu beschränken (sog. eingeschränkte Organtheorie; vgl. hierzu Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 150). 223 BGHSt 9, 20 (22); 12, 367 (369); 15, 326 (327). 224 Natürlich müsste auch der Verteidiger bei Pressekonferenzen zur Zurückhaltung angehal­ ten werden, damit er diese „Öffentlichkeitsplattform“ nicht zugunsten seines Mandanten über­ strapaziert und missbraucht. Vielmehr sollte die vornehmste Aufgabe des Verteidigers darin bestehen, auf eine die Anonymität wahrende, neutrale (d. h. wertungsfreie) und objektive Öf­ fentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei hinzuwirken. Insofern werden die Gren­ zen der Verteidigung durch das Gebot der Sachlichkeit und das Verbot anreisserischer Reklame (vgl. hierzu die §§ 43, 43a Abs. 3 und 43b BRAO) gezogen; siehe Dahs, Handbuch des Straf­ verteidigers, Rn. 95. 225 Vgl. in diesem Zusammenhang die in § 163 a Abs. 3 Satz 2 StPO und § 168 c Abs. 1 StPO geregelten Rechte des Verteidigers, bei allen richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Verneh­ mungen anwesend zu sein. Gleiches gilt nach § 168 c Abs. 2 StPO für die richterliche Zeugenver­ nehmung, nach § 168 d StPO für die richterliche Augenscheinnahme sowie während der gesam­ ten Hauptverhandlung. Zu beachten ist weiterhin, dass Verstöße gegen dieses Anwesenheitsrecht ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben; vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 156 sowie Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 7 Rn. 11. Ferner spricht auch das in § 137 StPO festgehaltene Recht des Verteidigers, sich in jeder Lage des Verfahrens für den Beschuldigten zu äußern, für die Gewährung eines Teilnahmerechts an staatsanwaltschaftlichen Pressekonferenzen.

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dass sich der Verteidiger des Beschuldigten bereits im Rahmen entsprechender Pressekonferenzen dazu veranlasst sehen könnte, zur „effektiven Verteidigung“ seines Mandanten besonders resolut aufzutreten und im Wege der Konfliktvertei­ digung Verfahrensbeteiligte oder Zeugen zu provozieren. Ein beiläufiger, aber ebenso wünschenswerter Effekt könnte darin bestehen, dass eine Teilnahme des Verteidigers an Pressekonferenzen, Interviews etc. der Er­ mittlungsbehörden eine mäßigende Wirkung auf die spätere Berichterstattung ha­ ben könnte, und sowohl die Medien, als auch die Staatsanwaltschaften hierdurch zu mehr Zurückhaltung angehalten würden.226 Durch die Teilnahme des Verteidi­ gers an Pressekonferenzen der Ermittlungsbehörden würde diesem die Möglich­ keit eingeräumt, die Öffentlichkeitsarbeit der staatlichen Stellen zu kontrollieren und gegebenenfalls Erklärungen, Stellungnahmen, aber auch Rügen oder Hin­ weise auf die Verletzung von Rechten des Beschuldigten zu geben. Als Reflex auf die Ausübung dieser Kontrollfunktion durch eine rechtskundige Person wäre mit einer ausgewogeneren und gemäßigteren Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbe­ hörden zu rechnen.227 Hinzu tritt, dass die Ermittlungsbehörden zu erhöhter Vor­ sicht angehalten würden, wenn sie im Falle eines Verstoßes gegen Rechte des Be­ schuldigten unmittelbar mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssten.228 Ferner würde durch die Mitwirkung des Verteidigers dem im Strafverfahren gel­ tenden Prinzip der „Waffengleichheit“229 auch im öffentlichkeitswirksamen Be­ reich von Pressekonferenzen während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Genüge getan, da der Verteidiger zum einen eine Wach- und Kontrollfunktion hin­ sichtlich der Informationsherausgabe einnehmen und der Beschuldigte zumindest mittelbar (über seinen Verteidiger) zu den Tatvorwürfen Stellung beziehen könnte. In diesem Zusammenhang könnte sich ein Teilnahmerecht des Verteidigers zudem positiv auf den Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör (i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG) auswirken. Auch wenn dieses Recht im Falle einer einseitigen poli­ zeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Darstellung eines Vorgangs im Rahmen einer Pressekonferenz nicht auf den ersten Blick tangiert zu sein scheint, da nach Art. 103 Abs. 1 GG nur das rechtliche Gehör gegenüber dem Gericht garantiert

226

BT-Drucks. 10/4608. S. 154; Dalbkermeyer, S. 188. Vgl. hierzu BT-Drucks. 10/4608. S. 154. 228 Vgl. im Hinblick auf die in Betracht kommenden strafrechtlichen Sanktionsnormen sowie die Ansprüche gegen die Ermittlungsbehörden die Ausführungen unten, im 6. Teil. Darüber hinaus würde es dem Verteidiger überhaupt erst durch eine frühzeitige Einbindung in die Öf­ fentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden ermöglicht, schnell und effektiv auf Äußerungen zu reagieren und mitunter sogar vorbeugend einer unzulässigen Informationsweitergabe entge­ genzuwirken (mit den Mitteln des materiellen Strafrechts oder mit Hilfe vorbeugender Unter­ lassungsansprüche). 229 Vgl. zum (zumindest dem Wortlaut nach missverständlichen) Prinzip der „Waffengleich­ heit“ die Darstellungen bei Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 174 ff. sowie bei Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 11 Rn. 7. 227

G. Weitere mögliche Ansatzpunkte und Reformvorschläge

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ist,230 so muss doch die Gefahr einer zumindest mittelbaren Beeinflussung des Ge­ richts über den Weg der Öffentlichkeit im heutigen „Medienzeitalter“ ernst ge­ nommen werden.231 Wenn jedoch nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann, dass die Nutzung zusätzlicher Kommunikationswege Auswirkungen auf die Ent­ scheidung des Gerichtes haben könnte, so ist die Gefahr einer Beeinträchtigung des Rechts des Beschuldigten aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht gänzlich von der Hand zu weisen.232 Mit der Teilnahme des Verteidigers an Pressekonferenzen der Ermitt­ lungsbehörden könnte zudem auch dem Umstand entgegengewirkt werden, dass das Prinzip der „Waffengleichheit“ im Ermittlungsverfahren weit weniger ausge­ prägt ist als im strafrechtlichen Hauptverfahren.233 Ein weiteres in diesem Zusam­ menhang auftauchendes Problem ergibt sich allerdings für all jene Fälle, in denen keine Pflichtverteidigung nach § 140 StPO angeordnet ist. Wenn der Beschuldigte nicht in eigener Person an Pressekonferenzen von Staatsanwaltschaft und Polizei teilnehmen darf, könnte er sich gezwungenermaßen dazu veranlasst sehen, nur für die Ausübung entsprechender Teilnahme- und Mitwirkungsrechte einen Verteidi­ ger zu bestellen.234 Für die Wahl des 14. Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes als Regelungsort dieses Reformentwurfes spricht zwar, dass hier Regelungen vorzufinden sind, wel­ che sich mit Fragen der (Gerichts-) Öffentlichkeit befassen.235 Dagegen ist jedoch vorzubringen, dass es in diesem Abschnitt nicht um Entscheidungen der Ermitt­ lungs- und Strafverfolgungsbehörden geht (mit Ausnahme von Entscheidungen des Ermittlungsrichters) und die Vorschriften in diesem Titel die Öffentlichkeit der strafrechtlichen Hauptverhandlung (und nicht diejenige des Ermittlungsver­ fahren) betreffen. 230 Vgl. Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229); v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, GG, Art. 103 Rn. 29. 231 Ähnlich hinsichtlich der Auswirkungen der „Litigation-PR“ auf das Prinzip der „Waffen­ gleichheit“: Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229). Boehme-Neßler sieht in diesem Zusam­ menhang die Gefahr begründet, dass infolge des Einsatzes von „Litigation-PR“ und der damit einhergehenden Nutzung anderer Kommunikationswege, die mediale Kommunikation so laut werden kann, „dass sie die üblichen Äußerungen der anderen Prozessbeteiligten „übertönt“ und damit die Waffengleichheit zunichte macht“. 232 Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229). 233 Kühne begründet die geringere Ausprägung des Prinzips der „Waffengleichheit“ im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahren damit, dass die schwache Position der einzelnen Ermitt­ lungsorgane, die aus dem unzureichenden Wissen über den Tathergang resultiere, durch die Einräumung weitreichender Befugnisse kompensiert werde, an denen der Beschuldigte oder sein Verteidiger in der Regel keine Teilhaberechte besäßen; vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rn.  175 ff. 234 Ein ähnliches Problem ergäbe sich zudem, wenn man dem Beschuldigten und/oder seinem Verteidiger ein Anwesenheitsrecht zugestünde. Denn gerade in Fällen, in denen keine notwen­ dige Verteidigung nach § 140 StPO angeordnet ist, könnte sich der Beschuldigte gleichermaßen genötigt fühlen, das Anwesenheits- und Äußerungsrecht durch einen Verteidiger auszuüben, um nicht selbst an einer solchen Pressekonferenz teilnehmen zu müssen und auf diesem Wege seine Identität zu offenbaren. 235 Dalbkermeyer, S. 183.

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5. Teil: Regelungen für die Informationsweitergabe im Ermittlungsverfahren

H. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass hinsichtlich der Weitergabe von Informationen durch die Staatsanwaltschaften und die Behörden des Polizeidienstes ein regelungstechnisches Defizit besteht, welches die zuvor er­ örterten Reformvorschläge zu lösen suchen. Unter Berücksichtigung dieses Miss­ standes wird man den Auskunftsanspruch der Medien gegenüber der Staatsan­ waltschaft nach der derzeitigen Gesetzeslage noch am ehesten auf die in den Landespressegesetzen befindlichen Informationsansprüche stützen können.236

236

Auch wenn diese Auskunftsansprüche, gerade was die Weitergabe von Informationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anbelangt, im Hinblick auf die Voraussetzungen und den Umfang der Beschränkungen sowie das Gebot der Normenklarheit erheblicher Kritik aus­ gesetzt sind; vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 5. Teil, A. II. 3.

6. Teil

Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts sowie die Möglichkeiten des Betroffenen gegen eine rechtswidrige Informationsweitergabe/ Berichterstattung vorzugehen In diesem Abschnitt soll zunächst erörtert werden, welche Normen des Strafund Nebenstrafrechts infolge einer rechtswidrigen Informationsweitergabe durch die Ermittlungsbehörden oder einer rechtswidrigen medialen Berichterstattung er­ füllt sein können. Ferner bleibt zu untersuchen, wie sich die Betroffenen gegen entsprechende Verhaltensweisen mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen können, welche Ansprüche ihnen insoweit zur Verfügung stehen, wie diese Ansprüche ge­ richtlich durchgesetzt werden und mit welchen Risiken eine prozessuale Verfol­ gung dieser Ansprüche verbunden sein könnte. Hierbei bietet es sich an, gedanklich zwischen den verschiedenen Arten der Informationsweitergabe/Berichterstattung zu differenzieren, da je nach Art und Weise der Informationsweitergabe/Berichterstattung unterschiedliche Tatbestände des Straf- und Nebenstrafrechts erfüllt sein können, und dem Betroffenen unter­ schiedliche zivil-/oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stehen werden, mithilfe derer er sich gegen eine Weitergabe von Informationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder eine hierüber erfolgende me­ diale Berichterstattung zur Wehr setzen oder Wiedergutmachung verlangen kann.

A. Die verschiedenen Arten der Informationsweitergabe/Berichterstattung Vorab soll eine kurze Erörterung der verschiedenen Arten der Informationswei­ tergabe/Berichterstattung erfolgen. Wie bereits in der Einleitung zum 5. Teil deut­ lich wurde, besteht ein maßgeblicher Unterschied zwischen identifizierenden und die Personenanonymität wahrenden Mitteilungen. Bei dieser Differenzierung bil­ den unzweifelhaft die identifizierenden Mitteilungen denjenigen Typus, der mit (zum Teil erheblichen) negativen Auswirkungen für den betroffenen Personenkreis verbunden sein kann, wohingegen anonymisierte Berichte grundsätzlich keine er­ wähnenswerten Nachteile nach sich ziehen.1 1

Vgl. die Ausführungen hierzu weiter oben, in der Einleitung zum 5. Teil.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Die Identifizierung eines Verfahrensbeteiligten kann auf vielerlei Arten erfol­ gen, die jedoch ähnliche bis identische Auswirkungen mit sich bringen.2 Die An­ onymität kann sowohl durch eine Veröffentlichung des Namens aufgehoben wer­ den als auch durch eine Abbildung des Betroffenen sowie infolge der Bekanntgabe sonstiger Merkmale, welche im Zusammenspiel die Identität des Betroffenen ge­ genüber einem größeren Kreis von Personen offen legen.3 Weiterhin kommt es bei der Behandlung dieser Problematik entscheidend auf den jeweiligen Inhalt der herausgegebenen Informationen an. Diesbezüglich ist zum einen darauf zu achten, ob die Rezipienten unter deutlicher Bezugnahme auf den Verfahrensstand darauf hingewiesen werden, dass gegen den Beschuldigten le­ diglich ein Tatverdacht besteht, oder ob der Beschuldigte bereits als schuldig, bzw. als überführter Täter dargestellt wird.4 Zum anderen wird bei der weiteren Unter­ suchung zu berücksichtigen sein, ob sich die weitergegebenen Informationen auf die Wiedergabe des konkreten Tatvorwurfs beschränken, oder ob darüber hinaus­ gehende Details offenbart werden.5

2

Vgl. wiederum die Einleitung zum 5. Teil. AE-StuM-Weigend, S. 41 (vgl. dort auch die Rn. 30). In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass es für den Betroffenen kaum einen Unterschied darstellt, wenn unter vorläu­ figer Wahrung der Personenanonymität intime Details aus dem Ermittlungsverfahren an die Öffentlichkeit dringen und ihm diese im Wege einer später erfolgenden Anonymitätsaufhebung (z. B. im Rahmen der strafrechtlichen Hauptverhandlung) nachträglich zugeordnet werden können. 4 Vgl. Lehr, NStZ 2009, 409 (412); Marxen, GA 1980, 365 (378 f.). 5 Ein weiteres Kriterium, das für die Intensität der Rechte- und Interessenverletzungen auf Seiten der Verfahrensbeteiligten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, ist die Art des für die Berichterstattung verwendeten Mediums. Schon in der „Lebach-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts führte der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger aus, dass die mediale Wirkung einer Fernsehsendung auf die Rezipienten sehr viel stärker sei – und folg­ lich auch die hiermit verbundenen negativen Auswirkungen für den betroffenen Personen­ kreis weitaus gravierender ausfallen würden –, als dies bei einer Wort-Bild-Darstellung in den Print­medien angenommen werden könne; BVerfGE 35, 202 (214). Vgl. in diesem Zusammen­ hang auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den erwarteten Einschaltquo­ ten des in dieser Entscheidung streitgegenständlichen Dokumentarspielfilms; BVerfGE 35, 202 (227 f.). Die vom Bundesverfassungsgericht prognostizierte Einschaltquote in Höhe von 30 % bis 80 % mag aufgrund der heutzutage vorherrschenden Vielfalt an privaten und staatlichen Fernsehsendern nicht mehr erreichbar erscheinen, jedoch ist die mediale Dominanz des Fern­ sehens sowie die mit der Kombination aus Wort und Bild verbundene Glaubwürdigkeit für die Rezipienten heutzutage kaum anders zu bewerten, als dies zum damaligen Zeitpunkt der Fall war (diese Erwägungen werden vom Bundesverfassungsgericht im sog. „Holzklotz-Fall“ wie­ der aufgegriffen; vgl. BVerfG NJW 2009, 350 [351 f.]). Ferner spielt auch die Art der Sendung eine entscheidende Rolle. So kann beispielsweise dem Sendeformat eines Dokumentarspiels ein erhöhter Anschein von Authentizität zugesprochen werden (vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 84). In diesem Zusammenhang muss jedoch auch die über das Internet erfolgende Berichterstattung erwähnt werden, da die digitalisierten Inhalte nahezu von jedem Ort der Welt aus und zu jeder beliebigen Zeit abrufbar und der Verbreitung von Informationen auf diesem Wege von daher kaum Grenzen gesetzt sind. 3

B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

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Nach Dalbkermeyer und Neuling muss, um eine differenzierte Behandlung der in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Rechtsnormen zu gewährleis­ ten, zwischen den individualisierenden und den vorverurteilenden Komponen­ ten der ermittlungsbehördlichen und medialen Öffentlichkeitsarbeit unterschieden werden.6 Insofern kann es angebracht sein, eine Differenzierung zwischen dem eigentlichen Akt der Anonymitätsaufhebung sowie dem jeweiligen Inhalt der wei­ tergegeben Informationen vorzunehmen.

B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts Bei der sich anschließenden Prüfung soll mit den in Betracht kommenden Sank­ tionsnormen aus dem Straf- und dem Nebenstrafrecht begonnen werden. Auf­ grund der mit diesen Vorschriften verbundenen Repressalien könnten sowohl die Medien als auch die Ermittlungsbehörden zu mehr Zurückhaltung angehalten werden.

I. §§ 185 ff. StGB Zu fragen ist zunächst, ob infolge einer Informationsweitergabe/Berichterstat­ tung einer der Straftatbestände der §§ 185 ff. StGB erfüllt sein könnte. Hierbei kommen die Tatbestände der Beleidigung gem. § 185 StGB7, der üblen Nachrede gem. § 186 StGB sowie der Verleumdung gem. § 187 StGB in Betracht.8 Diese Straftatbestände können sowohl von den Beamten der Ermittlungsbehörden als auch von den Vertretern der Medien verwirklicht werden. Der Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB ist offenkundig erfüllt, wenn der Beschuldigte in einer (reißerischen) medialen Berichterstattung beispiels­ 6

Vgl. Dalbkermeyer, S. 51 f. und Neuling, S. 221 f. Einer Auffassung folgend ist der Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB nur dann erfüllt, wenn es sich entweder um die kommunikative Vermittlung herabsetzender Wertur­ teile gegenüber dem Rechtsgutsträger oder einem Dritten handelt oder eine Tatsachenbehaup­ tung unmittelbar gegenüber dem Betroffenen selbst erfolgt, da die Kundgabe ehrverletzen­ der Tatsachen gegenüber Dritten bereits von den §§ 186, 187 StGB erfasst werde; vgl. Fischer, StGB, § 185 Rn. 5; Kindhäuser, BT 1, § 22 Rn. 23 u. § 25 Rn. 9; LK-Hilgendorf, Vor § 185 Rn. 42; S/S-Lenckner/Eisele, § 185 Rn. 6. Einer anderen Auffassung zufolge soll § 185 StGB auch bei der Kundgabe wahrer Tatsachen gegenüber Dritten zur Anwendung kommen (siehe § 192 StGB), da er als Auffangtatbestand für alle Beleidigungsdelikte diene; vgl. Eisele, BT 1, Rn. 561; Hohmann/Sander, BT 2, § 14 Rn. 2. Für die zuletzt geschilderte Ansicht sprechen da­ bei vor allem auch die zusätzlichen subjektiven Kriterien (sicheres Wissen um die Unwahrheit der Tatsache) des § 187 StGB. 8 So auch Braun, S. 84 ff. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kundgabe der Verwick­ lung in ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oftmals für sich genommen bereits ausreicht, um negative Resonanzen in der Öffentlichkeit hervorzurufen. Eine hierauf beschränkte Mittei­ lung wird jedoch keinen der Straftatbestände i. S. d. §§ 185 ff. StGB verwirklichen. 7

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

weise als „Bestie“, „Tier“ oder „Monster“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um die Kundgabe eines herabsetzenden Werturteils – d. h. um eine Äußerung, die ihrem Wesen nach durch subjektive Elemente der Stellungnahme, des Dafür­ haltens oder Meinens geprägt ist und dabei ausschließlich die persönliche Über­ zeugung des sich Äußernden wiedergibt9 – über den Achtungsanspruch des Be­ schuldigten.10 An die Tatbestände der üblen Nachrede gem. § 186 StGB und der Verleumdung gem. § 187 StGB muss insbesondere dann gedacht werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden oder die Medien identifizierende und vorverurtei­ lende Informationen über den Beschuldigten an die Öffentlichkeit herausgeben. Bei schuldantiziperenden Äußerungen handelt es sich um Tatsachenbehauptun­ gen, d. h. um konkrete Zustände oder Geschehnisse der Vergangenheit oder Ge­ genwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und dem Beweis zugänglich sind.11 Weiterhin können entsprechende Äußerungen dazu geeignet sein, den Beschuldigten verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Nichterweislichkeit der Wahrheit einer behaupteten Tatsa­ che i. S. d. § 186 StGB stellt eine objektive Bedingung der Strafbarkeit dar12 und muss somit nicht vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Bei der Verwirklichung des § 187 StGB ist die Unwahrheit der behaupteten Tatsache ein echtes Merkmal des objektiven Tatbestandes, wobei der Täter in subjektiver Hinsicht sichere Kennt­ nis von der Unwahrheit der Tatsache besessen haben muss („wider besseres Wissen“).13 Diese subjektive Voraus­setzung des § 187 StGB dürfte bei vorverur­ teilenden Äußerungen der Ermittlungsbehörden oder der Medien in den seltensten Fällen erfüllt sein, da hierfür erforderlich wäre, dass die Äußerung trotz sicherer Kenntnis um den Umstand getätigt wurde, dass es sich bei dem Betroffenen nicht um den Täter handelt. Auch wenn die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften erfüllt sind, gilt es zu bedenken, dass im Fall einer späteren rechtskräftigen Verurteilung des Be­ schuldigten der Wahrheitsbeweis durch Strafurteil nach § 190 StGB erbracht wird, wodurch die Strafbarkeit nach den §§ 185 ff. StGB grundsätzlich entfällt.14 An­

9

Vgl. OLG Köln NJW 1993, 1486 (1487). Bei entsprechenden Werturteilen kommt es nach einstimmiger Auffassung nicht darauf an, ob sich diese unmittelbar an den Betroffenen (dies wäre z. B. bei der Schlagzeile „Du Mons­ ter!“ der Fall) oder an die Rezipienten (als dritte Personen) richten. 11 Vgl. MüKoStGB-Regge/Pegel (2. Aufl.), § 186 Rn. 4. 12 Vgl. stellvertretend für die h. M. LK-Hilgendorf, § 186 Rn. 12; S/S-Lenckner/Eisele, § 186 Rn. 10; a. A. MüKoStGB-Regge/Pegel (2. Aufl.), § 186 Rn. 26. 13 Vgl. Fischer, StGB, § 187 Rn. 4; LK-Hilgendorf, § 187 Rn. 2; MüKoStGB-Regge/Pegel (2. Aufl.), § 187 Rn. 2. 14 So auch Schulz, S. 52 f. Die Beweisregelung des § 190 StGB findet unzweifelhaft für die §§ 186 und 187 StGB Anwendung. Jedoch ist diese Vorschrift auch auf die Beleidigung (i. S. d. § 185 StGB), welche mittels der Behauptung ehrenrühriger Tatsachen (z. B. der Begehung einer Straftat) gegenüber dem Beleidigten selbst erfolgt, anwendbar; vgl. BayObLG NJW 1961, 85 f.; Fischer, StGB, § 190 Rn. 2. 10

B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

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ders verhält sich nur, wenn die Beleidigung gerade aus der Form der Bericht­ erstattung hervorgeht (vgl. § 192 StGB). So muss bei einer medialen Bericht­ erstattung über den Beschuldigten stets an den sog. Publikationsexzess gedacht werden, insbesondere wenn die ehrenrührige wahre Tatsache in einer Form ver­ öffentlicht wird, die in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrer Bedeutung steht.15 Weiterhin kann die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB im Zusammenhang mit medialen Berichterstattungen über Strafverfahren eine ent­ scheidende Rolle spielen. Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei § 193 StGB um eine besondere Ausprägung des Grundrechts der Meinungsfrei­ heit, so dass eine einzelfallbezogene Abwägung der jeweils betroffenen Rechts­ güter im Rahmen des § 193 StGB zu erfolgen hat.16 Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zufolge nehmen die Medien berechtigte Interessen wahr, wenn sie im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben die Öffentlichkeit unterrichten und Kritik üben.17 Jedoch sind hierbei hohe Anforderungen an die Prüfungspflich­ ten bezüglich des Wahrheitsgehalts einer Behauptung zu stellen.18 Letztlich sind Kriminalberichterstattungen, in denen der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Beschuldigte sei der ihm zur Last gelegten Tat bereits überführt, stets unzu­ lässig, so dass es den Medienvertretern diesbezüglich verwehrt ist, sich auf Recht­ fertigungsgrund des § 193 StGB zu berufen.19 In diesem Sinne heben auch Riklin/

15

Vgl. LK-Hilgendorf, § 192 Rn. 7 f.; MüKoStGB-Regge/Pegel (2. Aufl.), § 192 Rn. 7. Eine Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises wird darüber hinaus beispielsweise dann angenom­ men, wenn veröffentlichte Vorgänge einen deutlichen Bezug zur Intimsphäre aufweisen, ent­ lastende Komponenten bewusst weggelassen werden, oder es sich um zeitlich weit zurück­ liegende oder geringfügige ehrenrührige Tatsachen handelt; siehe auch Fischer, StGB, § 192 Rn. 2. 16 Vgl. BVerfGE 42, 143 (152). Hierbei muss wiederum die „Wechselwirkungslehre“ des Bundesverfassungsgerichts in Ansatz gebracht werden, d. h. die verfassungsrechtlich geschütz­ ten Rechtspositionen des Beleidigten müssen – als das Grundrecht der Meinungsfreiheit be­ schränkende allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG – wiederum im Lichte der Meinungs­ freiheit ausgelegt werden; vgl. hierzu auch Fischer, StGB, § 193 Rn. 17. 17 EGMR NJW 2006, 1645 (1648). Nach dieser Entscheidung des EGMR können unter Um­ ständen auch Übertreibungen und Provokationen von Seiten der Medien legitime rhetorische und stilistische Mittel darstellen, so dass eine Rechtfertigung entsprechender Äußerungen nach § 193 StGB in Erwägung zu ziehen ist. 18 Vgl. auch BGH NJW 1963, 904 und BGH NJW 1977, 1288 (1289), wonach die Presse zunächst eigene Ermittlungen anstellen muss, bevor sie etwas veröffentlicht, um die Gefahr der Verbreitung falscher Tatsachen bereits im Vorfeld weitestgehend auszuräumen. Dabei sind die an die Presse zu stellenden Sorgfaltspflichten umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Berichterstattung beeinträchtigt werden könnte. 19 Vgl. BGH NJW 2000, 1036 f.; OLG Brandenburg NJW 1995, 886 (888). Unabhängig vom Eingreifen dieses Rechtfertigungsgrundes entfällt eine Strafbarkeit der Medienvertre­ ter nach den §§ 185 ff. StGB, wenn der Beschuldigte später tatsächlich verurteilt wird (vgl. § 190 StGB).

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Höpfel hervor, dass die Unschuldsvermutung in Ansehung der nicht unumstritte­ nen, aber von der Rechtsprechung sowie gewichtigen Teilen der Lehre anerkann­ ten indirekten Drittwirkung der Grundrechte bei der Auslegung von Regelungen des Ehren- und des Persönlichkeitsschutzes heranzuziehen ist.20

II. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB Eine Norm des materiellen Strafrechts, mittels derer in erster Linie die Weiter­ gabe von aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Informationen durch Be­ amte der Ermittlungsbehörden sanktioniert werden könnte, ist § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB. Zudem kommt eine Strafbarkeit der Medienvertreter aufgrund einer Teilnahme (d. h. einer Anstiftung gem. § 26 StGB oder einer Beihilfe gem. § 27 StGB) an der Verletzung von Privatgeheimnissen in Betracht. Eine täterschaft­liche Begehung des § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB durch Angehörige der Medien in Form einer mittel­baren Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB oder einer Mittäter­ schaft gem. § 25 Abs. 2 StGB ist hingegen ausgeschlossen, da als Täter des § 203 StGB nur eine nach den Absätzen 1 bis 3 schweigepflichtige Person in Betracht kommt.21 Nach § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, „wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, nament­ lich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis, oder ein Be­ triebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Amtsträger anvertraut oder sonst bekannt geworden ist“. Dem Geheimnisbegriff unterliegen solche Tatsachen, die sich auf die Person des Betroffenen sowie seine vergangenen und be­stehenden Lebensverhältnisse beziehen22, höchstens einem beschränkten Personenkreis be­ kannt sind und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein schutzwürdiges Inter­ esse hat.23 Weiterhin werden nach § 203 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 StGB „Einzel­angaben über sachliche oder persönliche Verhältnisse eines anderen, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung24 erfasst worden sind“, dem Geheimnis i. S. d. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB gleichgestellt.25 § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB bezweckt

20

AE-StuM-Riklin/Höpfel, S. 54. Es handelt sich hierbei um ein echtes Sonderdelikt; vgl. Fischer, StGB, § 203 Rn. 49; S/S-Lenckner/Eisele, § 203 Rn. 73. 22 Insofern muss die Mitteilung eine Identifizierung aus sich selbst heraus ermöglichen; vgl. OLG Karlsruhe NJW 1984, 676. 23 Vgl. Fischer, StGB, § 203 Rn. 4 f. u. § 93 Rn. 3 f.; Rogall, NStZ 1983, 1 (5). 24 Ob die im Ermittlungsverfahren gesammelten Informationen für „Aufgaben der öffent­ lichen Verwaltung“ erfasst werden, bzw. ob die Staatsanwaltschaften und Behörden des Polizei­ dienstes als Verwaltungsbehörden anzusehen sind, soll erst zu einem späteren Zeitpunkt näher untersucht werden; vgl. zu dieser Problematik die differenzierte Darstellung bei Dalbkermeyer, S. 56 ff. sowie Neuling, S. 223. 25 Vgl. Fischer, StGB, § 203 Rn. 10. 21

B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

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den individuellen Schutz des Einzelnen vor Indiskretionen der mit seinen Angele­ genheiten befassten staatlichen Stellen.26 Zunächst sind Staatsanwälte oder Polizisten unzweifelhaft als Beamte i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) Alt. 1 StGB und folglich auch als Amtsträger gem. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB zu qualifizieren27, so dass der persönliche Anwendungsbereich dieser Norm bei einer Weitergabe von Informationen aus dem Ermittlungsverfah­ ren durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei eröffnet ist. Ferner können aus dem Ermittlungsverfahren stammende Informationen (wie z. B. der Name, Abbil­ dungen, oder Details von verfahrensbeteiligten Personen sowie Angaben über den mutmaßlichen Tathergang etc.), wenn sie nicht schon als Geheimnisse i. S. d. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB einzustufen sind, unproblematisch unter die sachlichen oder persönlichen Verhältnisse i. S. d. § 203 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 StGB subsumiert werden.28 Dies ist zumindest in all denjenigen Fällen anzunehmen, in denen der Betroffene keine Zustimmung zur Weitergabe der ihn betreffenden Informa­tionen erteilt hat.29 Eine Rechtfertigung kommt ferner auch nicht nach den RiStBV, den 26

So auch Dalbkermeyer, S. 54; Fischer, StGB, § 203 Rn. 2; LK-Schünemann, § 203 Rn. 14; Neuling, S. 222. Insofern stellt der persönliche Lebens- und Geheimbereich das zu schützende Rechtsgut dar. Nach Fischer soll es gerade im Interesse des Betroffenen liegen, dass der per­ sönliche Lebens- und Geheimbereich von den in § 203 Abs. 2 StGB aufgezählten Trägern so­ zial bedeutsamer Berufe nicht verletzt wird, wenn er sich ihnen weitgehend anvertrauen muss; vgl. Fischer, StGB, § 203 Rn. 2. Ob darüber hinausgehend – oder einzig und allein – Allge­ meininteressen im Sinne eines allgemeinen Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit, die Funk­ tionsfähigkeit von Berufen und öffentlicher Verwaltung sowie die Interessen der in § 203 StGB genannten Berufsgruppen geschützt werden sollen, ist umstritten, soll hier jedoch nicht einge­ hend erörtert werden; vgl. zu dem diesbezüglichen Meinungsstand Fischer, StGB, § 203 Rn. 2; LK-Schünemann, § 203 Rn. 14 ff.; S/S-Lenckner/Eisele, § 203 Rn. 3. Mit dem Bundesverfassungsgericht ist beim Geheimnisschutz zu beachten, dass aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein durch die Verfassung abgesichertes Recht des Einzelnen folgt, grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte durch Dritte verlautbart werden; vgl. BVerfGE 65, 1 (41 ff.). Es handelt sich hierbei um das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht derivierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, in der Einführung zum 5. Teil). Insofern ist das individuelle Geheimhaltungsinteresse als primäres Schutzgut des § 203 StGB anzuerken­ nen; vgl. hierzu Fischer, StGB, § 203 Rn. 2; S/S-Lenckner/Eisele, § 203 Rn. 3. 27 Vgl. Fischer, StGB, § 203 Rn. 24 u. § 11 Rn. 13; Kettner, S. 182; Rogall, NStZ 1983, 1 (7). 28 In diesem Zusammenhang weisen Dalbkermeyer und Neuling zutreffend darauf hin, dass die Identität der Verfahrensbeteiligten im Ermittlungsverfahren nur solange ein Geheimnis dar­ stellt, wie diese noch nicht einem unbestimmten Personenkreis bekannt geworden ist; siehe Dalbkermeyer, S. 55; Neuling, S. 223. Da die Bestimmung des mit der Identität vertrauten Per­ sonenkreises sich in einem laufenden Ermittlungsverfahren als äußerst schwierig darstellen kann, wird diese Vorraussetzung oftmals nicht ohne Weiteres anzunehmen sein. 29 So auch Schulz, S. 53. Dalbkermeyer thematisiert in diesem Zusammenhang die Proble­ matik, ob dem Merkmal „unbefugt“ i. S. d. § 203 StGB, über die Funktion eines allgemei­ nen Deliktsmerkmals der Rechtswidrigkeit (vgl. OLG Hamm NJW 2000, 1278 [1279]; OLG Schleswig NJW 1985, 1090 [1091]; Fischer, StGB, § 203 Rn. 31; LK-Schünemann, § 203 Rn. 119; Rogall, NStZ 1983, 1 [6]) hinaus noch eine Bedeutung als tatbestandsbegrenzendes Merkmal zuzugestehen ist (d. h. ein Einverständnis des Berechtigten hätte bereits tatbestands­ ausschließende Wirkung; vgl. insofern S/S-Lenckner/Eisele, § 203 Rn. 21). Nach Dalbker-

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Landespressegesetzen, oder § 193 StGB in Betracht.30 Folglich kann die Vorschrift des § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB bei einer Informationsweitergabe durch die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden herangezogen werden, um entspre­ chende Verhaltensweisen mit den Mitteln des Strafrechts zu ahnden. Mit Blick auf die Teilnahmestrafbarkeit der Medienvertreter gilt es zunächst zu beachten, dass die bloße Anfrage bei den Ermittlungsbehörden, geheime De­ tails aus dem Ermittlungsverfahren zu offenbaren, für sich genommen noch keine strafbare Handlung (im Sinne einer versuchten Anstiftung zur Verletzung von Privatgeheimnissen) darstellt. § 23 Abs. 1 StGB legt fest, dass der Versuch eines Verbrechens stets strafbar ist, der Versuch eines Vergehens hingegen nur, wenn das Gesetz dies ausdrücklich anordnet. Da § 203 Abs. 2 StGB lediglich eine Frei­ heitsstrafe von bis zu einem Jahr (oder eine Geldstrafe) vorsieht, handelt es sich hierbei um ein Vergehen (vgl. § 12 Abs. 1 und 2 StGB). § 203 StGB schreibt wei­ terhin keine Versuchsstrafbarkeit vor, so dass die versuchte Anstiftung oder Bei­ hilfe zum Verrat von Privatgeheimnissen straffrei bleibt.31 Vollendet ist die Tat im Zeitpunkt der unbefugten Offenbarung.32 Folglich kommt eine Teilnahmestraf­ meyer kommt dem Merkmal „unbefugt“ im Rahmen des § 203 StGB eine doppelte Funktion zu, so dass eine Zustimmung bereits den Tatbestand des § 203 Abs. 2 StGB entfallen lässt; vgl. Dalbkermeyer, S. 59 ff. Ferner hebt Dalbkermeyer hervor, dass eine ausdrückliche Einver­ ständniserklärung des Betroffenen vorliegen muss. Insbesondere könne von einem im Verlauf des Ermittlungsverfahrens abgelegten Geständnis nicht auf ein konkludentes Einverständnis hinsichtlich der öffentlichen Identifizierung und Informationsweitergabe geschlossen werden. Dieser Gedankengang leuchtet insofern ein, als dass eine strikte Trennung zwischen diesen bei­ den Willensbekundungen vorzunehmen ist. Die Abgabe eines Geständnisses betrifft einzig und allein das Strafverfahren und zielt lediglich auf strafprozessuale Folgen ab, wohingegen eine auf die Informationsweitergabe bezogene Einverständniserklärung auf Vorgänge außerhalb des Strafverfahrens gerichtet ist und völlig andere Folgen nach sich zieht; vgl. Dalbkermeyer, S. 61. Ob dem Verlangen nach einer ausdrücklichen Einverständniserklärung zu folgen ist oder eine konkludente Erklärung ausreicht, kann dahinstehen, da mit Lenckner/Eisele zumindest gefordert werden muss, dass in dem Verhalten des Erklärungsberechtigten sein zustimmen­ der Wille hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, was im Falle eines schlichten Geständ­ nisses keinesfalls anzunehmen ist; vgl. S/S-Lenckner/Eisele, § 203 Rn. 24 b. Ferner müssen im Rahmen der Rechtswidrigkeit die einschlägigen gesetzlichen Befugnisnormen sowie die in Be­ tracht kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze geprüft werden. Im Rahmen eines Konflikts zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen und dem öffentlichen Informationsinteresse ist im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 203 Abs. 2 StGB dem Persönlichkeits­ recht stets der Vorrang einzuräumen, denn die Geheimhaltung ist durch § 203 StGB zwingend vorgeschrieben; vgl. Kettner, 183; a. A. OLG Hamm NJW 2000, 1278 (1279). 30 Den RiStBV ermangelt es insoweit an einer rechtlichen Bindungswirkung. Die Bestim­ mungen der Landespressegesetze stehen wiederum unter dem Vorbehalt der Geheimhaltungs­ vorschriften, so dass die Regelung des § 203 StGB insoweit vorgeht. Ferner kann auch für den Fall der Anerkennung des § 193 StGB als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, jedenfalls für die Variante des § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, keine Rechtfertigung nach dieser Norm angenom­ men werden, da ansonsten die strengen datenschutzrechtlichen Regelungen durch einen Ab­ wägungsvorgang ausgehöhlt würden; so auch Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 104.2. 31 Vgl. MüKoStGB-Cierniak/Pohlit (2. Aufl.), § 203 Rn. 142. Dies gilt auch für die Fälle der Qualifikationen i. S. d. § 203 Abs. 5 StGB. 32 Siehe wiederum MüKoStGB-Cierniak/Pohlit (2. Aufl.), § 203 Rn. 142.

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barkeit der Medienvertreter erst mit der tatsächlichen Erteilung der begehrten Aus­ künfte in Betracht. Dabei ist an eine Strafbarkeit nach den Grundsätzen der An­ stiftung zu denken, wenn die Ermittlungsbeamten infolge der „Anfrage“ zu einer wiederrechtlichen und vorsätzlichen Informationsweitergabe bestimmt wurden. Zur Bejahung der Anstiftungshandlung reicht jede kommunikative Einwirkung (z. B. in Form einer Anregung, Überredung, oder Verharmlosung) auf das Vorstel­ lungsbild des Täters aus, wenn sie auf die Herbeiführung eines konkreten Tatent­ schlusses abzielt.33 Der Vorsatz des Anstifters muss sich gem. § 26 StGB sowohl auf die eigene Anstiftungshandlung (das Bestimmen) sowie auf die vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat beziehen. Probleme könnten sich hierbei ergeben, wenn die Medienvertreter eine nicht oder nicht in dem entsprechenden Umfang ge­gebene Offenbarungsbefugnis annehmen, oder über die tatsächlichen Voraus­ setzungen einer rechtfertigenden Offenbarungsbefugnis irren. Insofern könnten sie einem nach § 17 StGB zu behandelnden Verbotsirrtum, oder einem Irrtum über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes34, der ebenso wie beim Haupttäter vorsätzlich begangenes Unrecht nach § 16 StGB in direkter oder analoger Anwendung ausschließen würde35, unterliegen. Die zuvor angestellten Überlegungen gelten spiegelbildlich für die Fälle der Beihilfe. Eine Beihilfe muss in Erwägung gezogen werden, wenn ein Ermittlungsbeamte bei der unmittelbaren Tathandlung von einem Medienangehörigen unterstützt wird. Ferner könnte in der medialen Veröffentlichung geheimer Informationen eine sukzessive Beihilfe zur Verletzung von Privatgeheimnissen erblickt werden.36 Letztlich wird jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Be­ deutung des § 203 StGB in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang nicht son­ derlich groß ist.37 Die geringe praktische Relevanz lässt sich zum einen damit er­ klären, dass infolge des zwingenden Strafantragserfordernisses nach § 205 Abs. 1 33

Vgl. Fischer, StGB, § 26 Rn. 3 u. 6. Die Differenzierung, ob z. B. die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung des Betrof­ fenen als Erlaubnistatbestandsirrtum oder als Tatbestandsirrtum zu bewerten ist, hängt davon ab, ob diese als tatbestandsausschließendes Einverständnis oder als die Rechtswidrigkeit aus­ schließende Einwilligung anzusehen ist. 35 Str.; so wie hier LK-Schünemann, § 203 Rn. 88; Roxin, Strafrecht AT II, § 23 Rn. 150 ff.; S/S-Heine, § 26 Rn. 19; a. A. Jescheck/Weigend, AT, S. 687, nach dem lediglich ein Tatbe­ standsirrtum beim Anstifter den Anstiftervorsatz entfallen lässt, ein Verbots- oder Erlaubnistat­ bestandsirrtum hingegen nur dessen Schuld berührt. 36 Auf die umstrittene Frage, inwiefern eine sukzessive Beihilfe zwischen den Zeitpunkten der Vollendung und der Beendigung der Haupttat überhaupt möglich ist, soll an dieser Stelle nicht in aller Tiefe eingegangen werden vgl. hierzu die äußerst differenzierte Darstellung bei Bott, S. 233 ff. Nach Bott ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit Gefährdungs­ delikten, bei denen der Realisierungszeitpunkt der umschriebenen Gefahr oftmals kaum zu er­ mitteln ist und folglich eine von dem Vollendungszeitpunkt klar abgrenzbare Beendigungsphase nicht bestimmt werden kann, erhebliche Probleme; vgl. Bott, S. 239 ff.; vgl. hierzu ferner auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der „CICERO-Entscheidung“ zur sukzes­ siven Beihilfe zum Straftatbestand des § 353b StGB in BVerfG NJW 2007, 1117 (1119 f.). 37 Vgl. Dalbkermeyer, S. 54; Neuling, S. 222 f.; Schulz, S. 54. 34

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Satz 1 StGB bei dem betroffenen Personenkreis Hemmungen hervorgerufen wer­ den könnten.38 Wenn sich der Strafantrag ausgerechnet gegen die mit den Er­ mittlungen betrauten Amtsträger richtet, liegt auf Seiten der Antragssteller die Befürchtung nahe, dass dies mit nachteiligen Auswirkungen für das gegen sie ge­ führte Verfahren verbunden sein könnte (so könnte ein Strafantrag die Ermittlungs­ beamten beispielsweise dazu veranlassen, von einer Verfahrenseinstellung oder einer Verständigung/Absprache abzusehen).39 Schulz zufolge sprechen noch zwei weitere Einwände gegen den praktischen Nutzen dieser Norm. Einerseits sei der Wirkungsbereich des § 203 Abs. 2 StGB äußerst begrenzt, da sich diese Vorschrift zunächst nur an die Beamten der Justizbehörden als Adressaten und nicht die Me­ dienvertreter als „Hauptakteure“ vorverurteilender Darstellungen richte.40 Zum an­ deren sei in vielen Fällen nicht mit einem Aufklärungserfolg zu rechnen, da sich die Medienvertreter bei Fragen nach der jeweiligen Informationsquelle auf das ih­ nen insoweit zustehende Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO berufen und hierdurch die Preisgabe der Identität des tatsächlich verantwort­ lichen Amtsträgers (bzw. Informanten) verhindern könnten.41 In diesem Zusammenhang gilt es zu bedenken, dass ein den Medienangehöri­ gen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO zustehendes Recht, das Zeugnis aus beruf­ lichen Gründen zu verweigern, sowie das Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 5 StPO (vgl. § 97 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 StPO) entfallen, wenn tatsäch­ liche Anhaltspunkte vorliegen, nach denen es möglich erscheint, dass der jeweili­ gen Medienvertreter an der Straftat beteiligt war, und ein entsprechender Willens­ akt der Strafverfolgungsbehörde vorliegt (wenn also die Beschuldigteneigenschaft des Medienvertreters begründet wird).42 Bevor die Beschuldigteneigenschaft auf Seiten eines Medienangehörigen begründet wurde, besteht das aus § 55 StPO re­ 38

So auch Dalbkermeyer, S. 54; Neuling, S. 222 sowie Schulz, S. 54. Vgl. Schulz, S. 54. Zumindest wird sich ein Strafantrag negativ auf das Klima der Ermitt­ lungen auswirken. 40 Vgl. Schulz, S. 54. 41 Vgl. wiederum Schulz, S. 54. Ferner wird von Dalbkermeyer, Neuling und Schulz die Be­ hauptung aufgestellt, dass mit einer besonders engagierten und nachdrücklichen Durchfüh­ rung der Ermittlungen von Seiten der Staatsanwaltschaft in diesen Fällen nicht zu rechnen sei (vgl. Dalbkermeyer, S. 55; Neuling, S. 222 f.; Schulz, S. 54 sowie die dortige Fn. 253). Weiter­ hin betonen Dalbkermeyer und Neuling, dass es kaum dem Interesse der staatlichen Stellen ent­ sprechen würde, den Bekanntheitsgrad des § 203 StGB zu steigern; vgl. Dalbkermeyer, S. 55 und Neuling, S. 222 f. 42 Bott weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, die Beschuldigteneigenschaft von Medienvertretern zu begründen – um das Zeugnisverweigerungsrecht und das Beschlagnahmeverbot entfallen zu lassen –, ein gewisses Missbrauchspotential innewohnt. Begründet wird dies zum einen mit den geringen Vorausset­ zungen, die an die Beschuldigteneigenschaft gestellt werden, sowie mit dem Umstand, dass der Staatsanwaltschaft hierbei ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht; siehe Bott, S. 216 ff.; vgl. zu dieser Problematik das zentrale „CICERO-Urteil“ des Bundes­ verfassungsgerichts (BVerfG NJW 2007, 1117 ff.; dieser Entscheidung lag die Frage nach einer Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen gem. §§ 353b, 27 StGB zugrunde) sowie die Entscheidung BVerfGE 20, 162 (191 ff.). 39

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sultierende Recht, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beant­ wortung ihn selbst oder einen Angehörigen i. S. d. § 52 Abs. 1 StPO in die Gefahr bringen könnte, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Sollte die Beschuldigteneigenschaft hingegen angenommen werden, gilt es ferner zu beachten, dass mit der Erlangung dieser Rechtsstellung weitere Aussa­ geverweigerungsrechte (vgl. z. B.§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) entstehen.

III. § 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB Eine weitere Vorschrift des materiellen Strafrechts, die bei der hier in Rede ste­ henden Problematik Erwähnung finden muss, ist § 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. Danach macht sich strafbar, „wer ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anver­ traut worden oder sonst bekannt geworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet“. Da als potentielle Täter des § 353 b StGB nur solche Personen in Betracht kom­ men, die zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung dem in § 353 b StGB genannten Personenkreis angehören, ist eine täterschaftliche Begehung des § 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der hier zu beurteilenden Konstellation nur durch Beamte der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden möglich. Jedoch kommt auch hier eine Strafbarkeit der Medienangehörigen nach den Grundsätzen der Teilnahme (d. h. als Anstifter oder Gehilfen) in Betracht.43 43 Vgl. die Ausführungen zur möglichen Teilnahme Medienangehöriger an der Verletzung von Privatgeheimnissen im vorhergehenden Gliederungsabschnitt sowie in der Fußnote 462; vgl. hierzu und im Folgenden auch die ausführliche Darstellung bei Schuldt, S. 209 ff. Unpro­ blematisch sind auch hier Fälle der Anstiftung und der kollusiven Beihilfe zu einer Verletzung von Dienstgeheimnissen durch Vertreter der Medien möglich. Erhebliche Bedenken ergeben sich jedoch dabei, eine Strafbarkeit der Medienvertreter nach den Grundsätzen der sukzessiven Beihilfe aufgrund der Veröffentlichung zuvor erlangter geheimer dienstlicher Informationen in den Medien zu begründen; vgl. LK-Vormbaum, § 353 b Rn. 40; S/S-Perron, § 353 b Rn. 23. In­ soweit soll es nach einem Teil der Rechtsprechung und der Literatur bei der Frage nach der Be­ endigung der Haupttat darauf ankommen, ob es dem Informationen herausgebenden Amtsträ­ ger gerade darum ging, dass diese Informationen – seinem Plan entsprechend – in den Medien veröffentlicht wurden. In solchen Fällen sei die Tat erst infolge der medialen Veröffentlichung beendet, so dass eine Strafbarkeit der veröffentlichenden Journalisten nach den Grundsätzen der sukzessiven Teilnahme bejaht werden müsse. Demnach soll eine Beendigung der Tat im Zeitpunkt der Offenbarung dann angenommen werden, wenn der Geheimnisträger dem Jour­ nalisten lediglich Hintergrundinformationen liefern wollte, obwohl es ihm gerade nicht darum ging, die Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses zu ermöglichen; offengelassen in der „Cicero“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfG NJW 2007, 1117 (1119); siehe auch BayObLGSt 49 (1999), 7 (13 ff.); LK-Träger, 10. Aufl. (1988), § 353 b Rn. 40; Möhrenschlager, JZ 1980, 161 (165 f.); MüKoStGB-Graf (1. Aufl.), § 353 b Rn. 82 f. Hiergegen wird vorgebracht, dass ein Abstellen auf die Motive des Haupttäters zu erheblichen Missstän­ den führe, da die Strafbarkeit des Teilnehmers lediglich vom Vorstellungsbild des Haupttäters abhängen würde. Dies führe nicht nur zu erheblichen Beweisschwierigkeiten, sondern darüber hinaus zu unbilligen Ergebnissen, da ein Teilnehmer, der absprachewidrig vertrauliche dienst­

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Was die Abgrenzung zu § 203 Abs. 1 und 2 StGB anbelangt, so liegt der maß­ gebliche Unterschied in dem Umstand begründet, dass der Täter bei § 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB durch seine Handlung die konkrete Gefahr eines Nachteils für öffentliche Interessen von Bedeutung verursacht haben muss.44 Durch das Erfor­ dernis einer Gefährdung „wichtiger öffentlicher Interessen“45 wird gleichermaßen der Gegenstand des Geheimnisbegriffs dieser Norm mitgeprägt. Demzufolge kann von einem Geheimnis i. S. d. § 353 b StGB nur dann gesprochen werden, wenn der Inhalt der geheimzuhaltenden Information sowie die Bedeutung ihrer Kennt­ nisnahme durch bestimmte Personen wichtige öffentliches Interessen berühren.46 Dieser Gedanke lässt sich auch auf den von § 353 b StGB bezweckten Rechtsgü­ terschutz übertragen. Da bereits das individuelle Interesse an der Amtsverschwie­ genheit durch § 203 Abs. 2 StGB geschützt wird47, kann dem § 353 b StGB nur die Aufgabe zukommen, gerade die im Tatbestand aufgeführten „wichtigen öf­ fentlichen Interessen“ an der Bewahrung der Amtsverschwiegenheit unter Schutz zu stellen.48 Folglich dient der Schutzzweck des § 353 b StGB diesen „wichtigen öffentlichen Interessen“.49 Insoweit ist mit Blick auf die hier zu beurteilende Kon­ stellation oftmals fraglich, ob mit der Weitergabe von aus dem Ermittlungsverfah­ ren stammenden Informationen gewichtige öffentliche Interessen verletzt werden. Eine Verletzung gewichtiger öffentlicher Interessen ist unzweifelhaft anzuneh­ men, wenn infolge einer pflichtwidrigen Information über laufende Ermittlungs­ maßnahmen (z. B. Fahndungsmaßnahmen, bevorstehende Durchsuchungen etc.) der Erfolg dieser Maßnahmen konkret beeinträchtigt wird.50 In diesen Fällen ge­ fährdet die Informationsweitergabe die Aufklärung der Tat in konkreter Weise (z. B. wenn die Gefahr besteht, dass sich die gesuchten Personen absetzen, Be­ weismittel beiseite geschafft werden etc.). Anders verhält es sich hingegen, wenn die weitergegebenen Informationen und die hierauf aufbauende Medienberichter­ liche Informationen veröffentlicht, gegenüber demjenigen, der dies absprachegemäß tut, privi­ legiert werde; vgl. Bott, S. 242; kritisch auch LK-Vormbaum, § 353 b Rn. 40. 44 Dalbkermeyer, S. 62; Neuling, S. 224; Schulz, S. 54. 45 Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal; vgl. BGHSt 10, 276 (277 f.); S/S-Perron, § 353 b Rn. 6. 46 Siehe Dalbkermeyer, S. 62 sowie S/S-Perron, § 353 b Rn. 3 und 6 f. 47 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 6.Teil, A. I. 2. 48 Vgl. Neuling, S. 225. 49 So auch Dalbkermeyer, S. 62; LK-Vormbaum, § 353 b Rn. 2; S/S-Perron, § 353 b Rn. 1; a. A. Fischer, StGB, § 353 b Rn. 2, nach dem § 353 b StGB die Geheimnisse, geheimen Gegen­ stände und Nachrichten sowie das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit amtlicher und anderer staatlicher Stellen schützen soll; anders wiederum Kühl, der hervorhebt, dass im Schutz des öffentlichen Dienstes vor Vertrauensverlusten ein weiterer (über die „öffentlichen Interes­ sen“ hinausgehender) Schutzzweck erblickt werden müsse; Lackner/Kühl, § 353 b Rn. 1; ähn­ lich auch SK-StGB-Hoyer, § 353 b Rn. 2. 50 Dies konnte beispielsweise für den Fall angenommen werden, in dem an einen Angehöri­ gen einer organisierten kriminellen Subkultur einschlägige Daten aus einem polizeilichen In­ formationssystem weitergegeben wurden und dieser zudem darüber informiert wurde, dass zu bestimmten Personalien keine Eintragungen vorlägen; vgl. BGHSt 46, 339 ff.

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stattung nicht geeignet sind, unmittelbar nachteilige Auswirkungen auf den Gang des Strafverfahrens mit sich zu bringen. Der weit überwiegenden Teil der aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren herausgegebenen Details tangiert in erster Linie die Rechte der verfahrensbeteiligten Personen und kann aufgrund des mit der medialen Berichterstattung einhergehenden gesteigerten „öffentlichen Drucks“ auf die Ermittlungsbehörden und Gerichte mittelbare Auswirkungen auf den Ab­ lauf des Strafverfahrens nach sich ziehen.51 Doch selbst wenn man unterstellt, dass der von den Medien und der Öffentlichkeit auf die Ermittlungs- und Strafverfol­ gungsbehörden ausgeübte Druck so groß werden sollte, dass die Arbeitsweise der staatlichen Stellen und der ordnungsgemäße Ablauf des Ermittlungsverfahrens hierdurch beeinträchtigt wird52, ergibt sich ein weiteres kaum zu überwindendes Folgeproblem. Für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 353 b StGB ist es nämlich erforderlich, dass eine konkrete Gefahr eingetreten sein muss.53 Demnach reicht es zur Annahme dieses Merkmals nicht aus, wenn eine nach allgemeinen Er­ fahrungssätzen heraufbeschworene abstrakte Gefahr besteht.54 Folglich kann die alleinige Sorge darum, dass das Ermittlungsverfahren aufgrund der an die Öffent­ lichkeit gelangten Informationen beeinträchtigt werden könnte, nicht ge­nügen, um eine Gefährdung im Sinne dieser Vorschrift anzunehmen. Die Informationsweiter­ gabe muss vielmehr eine tatsächliche Gefährdung des Ermittlungserfolges bewirkt haben. Dies nachzuweisen, wird sich jedoch – bis auf einige wenige Ausnahme­ fälle – als ein nahezu aussichtsloses Unterfangen darstellen, so dass der praktische Nutzen des § 353 b StGB hinsichtlich der hier zu beurteilenden Fallkonstellation als verschwindend gering einzustufen ist.55

IV. § 353 d Nr. 3 StGB Ferner soll der Blick auf den § 353 d Nr. 3 StGB gerichtet werden. Hierbei han­ delt es sich um eine Vorschrift des Strafgesetzbuches, mithilfe derer die Unvor­ eingenommenheit von Laienrichtern und Zeugen gesichert sowie einer Vorver­

51

So auch Dalbkermeyer, S. 63. Auch der Bundesgerichtshof hat dem ungestörten Ablauf des strafrechtlichen Ermittlungs­ verfahrens einen im öffentlichen Interesse liegenden gewichtigen Zweck beigemessen, vgl. BGHSt 10, 276 (277 f.). In dieser Entscheidung sah der Bundesgerichtshof die konkrete Ge­ fährdung erheblicher öffentlicher Interessen dadurch begründet, dass der vertrauliche Inhalt eines Fernschreibens eine fremde Einwirkung auf das Ermittlungsverfahren ermöglicht hatte und somit die Grundlage für die ordnungsgemäße Erfüllung der Ermittlungstätigkeit durch die Polizei nicht mehr gewährleistet werden konnte. 53 Allg. Meinung, vgl. BGHSt 20, 342 (348 f.); Fischer, StGB, § 353 b Rn. 21; Lackner/Kühl, § 353 b Rn. 11; SK-StGB-Hoyer, § 353 b Rn. 13; S/S-Perron, § 353 b Rn. 9. 54 BGHSt 20, 342 (348). 55 So auch Dalbkermeyer, S. 64; Neuling, S. 225 f.; Schulz, S. 55. 52

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urteilung des Beschuldigten entgegengewirkt werden soll.56 Diese Strafvorschrift kann im Gegensatz zu den vorhergehenden Sanktionsnormen sowohl durch Be­ amte der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden als auch durch die Medien­ angehörigen täterschaftlich erfüllt werden, da der Kreis der potentiell in Betracht kommenden Täter in § 353 d Nr. 3 StGB keiner Beschränkung unterliegt.57 Nach § 353 d Nr. 3 StGB wird „mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Straf-, Bußgeld-, oder Disziplinarverfahren ganz oder in wesentlichen Tei­ len, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist“. Diese Regelung ist angesichts der in ihr enthaltenen Beschränkung auf die wört­ liche Wiedergabe sowohl von der Rechtsprechung, als auch von Seiten der Lite­ ratur, heftiger Kritik ausgesetzt worden.58 Teilweise wird vorgebracht, ein Schutz des Beschuldigten vor einer vorverurteilenden Berichterstattung sei durch § 353 d Nr. 3 StGB in praktischer Hinsicht nicht zu erreichen, da die weitaus publizi­ 56 Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass dieser Regelung die Aufgabe zu­ zuschreiben sei, die Unbefangenheit von Laienrichtern und Zeugen zu gewährleisten sowie die Verfahrensbeteiligten vor einer vorzeitigen Bloßstellungen zu schützen (BVerfGE 71, 206 [207]; vgl. auch OLG Hamm NJW 1977, 967; LG Lüneburg NJW 1978, 117; BT-Drucksache 7/550 S. 282 f.; LK-Vormbaum, § 353 d Rn. 38 f.). Hassemer äußert sich kritisch zum Schutz­ zweck des § 353 d Nr. 3 StGB, indem er vorbringt, es widerspreche dem Schutz der verfahrens­ beteiligten Personen, dass diese Vorschrift ihnen gleichermaßen eine Strafe androhe, wenn sie entlastendes Material publizierten. Ferner könne es auch nicht um die Unvoreingenommenheit von Laienrichtern und Zeugen gehen, da die nichtöffentliche Versendung der Anklageschrift an alle Zeugen zugelassen sei. Dem Schutzgut der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten laufe es außerdem zuwider, dass zwar eine wortgetreue, jedoch nicht die sinngemäße oder sinn­ entstellende Wiedergabe sanktioniert würde; vgl. Hassemer, NJW 1985, 1921 (1923). Nach Hassemer kann der einzig in Betracht kommende legitime (sozialwissenschaftliche) Schutz­ zweck des § 353 d Nr. 3 StGB darin erblickt werden, den in der Öffentlichkeit herrschenden verheerenden Eindruck zu verhindern, es „sitze der interessierte Journalist neben dem inter­ essierten Staatsanwalt und tippe dessen Verfügungen unvermittelt ins Blatt“; vgl. Hassemer, NJW 1985, 1921 (1923). 57 Siehe MüKoStGB-Graf (1. Aufl.), § 353 d Rn. 63. Demnach kommen sowohl der An­ geklagte, der Betroffene sowie jeder Dritte, der ein entsprechendes Schriftstück erlangt hat, als potentielle Täter dieser Regelung in Betracht. 58 Vgl. BVerfGE 71, 206 (207); OLG Hamm NJW 1977, 967 f.; LK-Vormbaum, § 353 d Rn. 58; S/S-Perron, § 353 d Rn. 49; teilweise wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass auch geringfügige Abweichungen vom Wortlaut des „Urtextes“ den Tatbestand des § 353 d Nr. 3 StGB erfüllen könnten (so z. B. das OLG Hamburg StV 1990, 411; LK-Vormbaum, § 353 d Rn. 58; a. A. OLG Hamm NJW 1977, 967 f., das den Anwendungsbereich des § 353 d Nr. 3 StGB einschränkt, indem es annimmt, dass der Anklagesatz kein wesentlicher Teil der Anklageschrift sei und dessen Verlesung folglich nicht unter den Tatbestand dieser Norm ge­ fasst werden könne; vgl. auch S/S-Perron, § 353 d Rn. 49). Nach dem LG Lüneburg soll § 353 d Nr. 3 StGB einer weiteren Einschränkung unterzogen werden, da die Grundrechte der Presseund Meinungsfreiheit im Wege der gegenseitigen Wechselwirkung auf § 353 d Nr. 3 StGB (als allgemeine einschränkende Gesetze) ausstrahlen und den Anwendungsbereich dieser Norm so­ mit weiter zurückdrängen würden; vgl. LG Lüneburg NJW 1978, 117.

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tätswirksamere öffentliche Erörterung des sachlichen Inhalts der Anklageschrift (welcher zudem eine viel größere Gefahr im Hinblick auf die Bloßstellung des Beschuldigten anhafte) nicht sanktioniert werde.59 Gleiches gelte auch für sinn­ entstellende Wiedergaben des Inhalts einer Anklageschrift, welche, in Ermange­ lung einer Strafbarkeit, gegenüber den weit weniger belastenden wörtlichen Wie­ dergaben sogar noch privilegiert würden.60 Ferner sei es ohne Weiteres möglich, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 353 d Nr. 3 StGB zu umgehen, indem ge­ ringfügige Änderungen vorgenommen würden, was ein völliges Leerlaufen dieser gesetzlichen Regelung zur Folge habe.61 Nach Bornkamm ist an dieser Vorschrift zudem zu bemängeln, dass sie die Möglichkeit der Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen in der juristischen Fachliteratur zu sehr einschränke. Erschwerend komme hinzu, dass Gerichtsentscheidungen grundsätzlich in verschlüsselter Form veröffentlicht würden, so dass mit einer Beeinträchtigung der Unvoreingenom­ menheit juristischer Laien ohnehin kaum zu rechnen sei.62 Obwohl diese Norm explizit die wörtliche Wiedergabe wesentlicher Teile der Anklageschrift sowie anderer amtlicher Schriftstücke sanktioniert und von da­ her auch keine allzu großen Bedenken hinsichtlich ihrer Verfassungskonfor­ mität bestehen dürften63, spielt diese Regelung gerade mit Blick auf die Informa­ tionsweitergabe im Ermittlungsverfahren eine äußerst geringe Rolle, da fast nie damit zu rechnen ist, dass Schriftstücke wortlautgetreu (oder mit nur unwesent­ lichen Änderungen) von den Ermittlungsbehörden öffentlich bekannt gegeben werden.

V. §§ 33 Abs. 1 i. V. m. 23 Abs. 1 Nr. 1 und 22 Satz 1 KUG Als Sanktionsnormen des Nebenstrafrechts sind die §§ 33 Abs. 1 i. V. m. 23 Abs. 1 Nr. 1 und 22 Satz 1 KUG einer rechtlichen und praktischen Würdigung zu unterziehen. Nach § 33 Abs. 1 KUG wird mit einer bis zu einjährigen Freiheits­ strafe oder Geldstrafe bestraft, „wer entgegen den §§ 22 und 23 KUG ein Bildnis 59

Vgl. OLG Hamm NJW 1977, 967 (968). Vgl. AG Hamburg NStZ 1984, 265 f.; Bornkamm, S. 221; Schulz, S. 57. 61 So auch Schulz, S. 56 f. Insofern wurde diese Vorschrift bereits als ein „Schlag ins Wasser“ bezeichnet; siehe Dreher/Tröndle, StGB, 40. Aufl. (1980), § 353 d Rn. 6. 62 Bornkamm, S. 222 f. 63 Ebenso im Ergebnis Dalbkermeyer, S, 64 f. Anders wurde dies vom AG Hamburg be­ urteilt, das diese Norm sowohl in Ansehung ihrer mangelnden Eignung zur Erreichung der ge­ setzgeberischen Zielsetzung sowie der Privilegierung von entstellenden Wiedergaben als nicht verfassungskonform erachtete; vgl. AG Hamburg, NStZ 1984, 265 f. Das Bundesverfassungsgericht erkannte zwar an, dass der vom Gesetzgeber bezweckte Schutzumfang von dieser Norm nur in Teilen gewährleistet werde, bestätigte jedoch insgesamt die Verfassungskonformität des § 353 d Nr. 3 StGB, da es insofern allein dem Gesetzgeber obliege, eine bessere Regelung zu treffen; BVerfGE 71, 206 (221 f.); vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Roxin, NStZ 1991, 153 (155). 60

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verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt“.64 § 22 Satz 1 KUG zufolge dürfen Bild­ nisse grundsätzlich nur mit der Einwilligung des hiervon Betroffenen verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. 1. Ausnahme vom Einwilligungserfordernis § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG lässt von dem Einwilligungserfordernis nach § 22 Satz 1 KUG jedoch Ausnahmen zu, wenn es sich dabei um „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ handelt. Unter einem Bildnis i. S. d. §§ 22 ff. KUG ist zunächst nach allgemeiner Auffassung die Darstellung einer Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden, Erscheinung zu verstehen.65 Letztlich gilt es zu ermitteln, ob die Weitergabe von Abbildungen verfahrensbeteiligter Personen durch die Er­ mittlungsbehörden und/oder die Veröffentlichung solcher Abbildungen in den Me­ dien aufgrund einer (möglichen) Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte nach

64 Diese Sanktionsnorm des Nebenstrafrechts ist stets einschlägig, wenn ein Bildnis rechts­ widrig und schuldhaft entgegen den §§ 22 und 23 KUG veröffentlicht wird; vgl. Dalbkermeyer, S. 66. Demnach kann diese Vorschrift sowohl bei der Herausgabe von Abbildungen verfahrens­ beteiligter Personen durch die Ermittlungsbehörden als auch infolge einer medialen Wieder­ gabe durch die Vertreter der Medien erfüllt werden. 65 Vgl. v. Becker, S. 139 ff.; Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 22 Rn. 1; Götting/Schertz/ Seitz-Schertz, § 12 Rn. 5; Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 3 Rn. 12. Entscheidend für das Vorliegen eines Bildnisses ist die Erkennbarkeit der abgebilde­ ten Person. Diese kann sich auch aus den Begleitumständen, wie anderen Bildeinzelheiten, dem Begleittext, im Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen oder weiteren Veröffent­ lichungen in demselben Medium ergeben; vgl. Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 22 Rn. 3. Da­ bei kommt es weder auf die Herstellungsweise, die Art oder Form des Bildnisses noch auf das Medium der Publikation an, so dass gleichermaßen Fotografien, Fotomontagen, Zeichnun­ gen, Gemälde oder Karikaturen sowie dreidimensionale Darstellungen vom Bildnisschutz er­ fasst werden; vgl. Götting/Schertz/Seitz-Schertz, § 12 Rn. 5. Nicht unumstritten ist hingegen, ob auch die Darstellung oder Abbildungen einer Person durch einen Doppelgänger oder einen Schauspieler als Bildnis der verkörperten Person zu qualifizieren ist; siehe LG Stuttgart AfP 1983, 292 ff.; Götting/Schertz/Seitz-Schertz, § 12 Rn. 6. In der sog. „Lebach-Entscheidung“ statuierte das Bundesverfassungsgericht, dass die §§ 22 und 23 KUG sowohl auf Abbildun­ gen mit oder ohne Namensnennung sowie schauspielerische Darstellungen einer Person An­ wendung finden würden. Insofern habe sich das Gesamtverständnis dieser Normen im Wan­ del der Zeit dahingehend geändert, dass das Recht am eigenen Bild lediglich als Teilausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen sei; siehe BVerfGE 35, 202 (224); Marxen, GA 1980, 365 (370). Eine entsprechende Anwendung des § 33 KUG auf andere Darstellungs­ formen sowie auf weitere Eingriffe in das Recht auf Wahrung der Personenanonymität (vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 7. Teil, B. I.) verbietet sich in Ansehung des Analo­ gieverbotes zulasten des Beschuldigten im materiellen Strafrecht. Demnach kann § 33 KUG nur bei der Verbreitung oder Zurschaustellung von Bildnissen zur Anwendung kommen (fer­ ner kann das Verbot einer analogen Anwendung dieser Strafvorschrift auf andere Formen der Identifizierung auch damit begründet werden, dass die Folgen bei der Veröffentlichung be­ sonders gravierend sind); vgl. hierzu auch die Entscheidung OLG Oldenburg NJW 1963, 920 (922).

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§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ausnahmsweise auch ohne eine Zustimmung der Betroffe­ nen zulässig sein könnte.66 Wie bereits zuvor erörtert wurde, ist es in Anbetracht einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte67 sowie der darauf folgenden Re­ aktion der deutschen Gerichte überaus problematisch, die von der früheren Recht­ sprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zu den sog. „absoluten Personen der Zeitgeschichte“ unhinterfragt auf solche Tatverdächtige zu übertragen, die al­ lein aufgrund ihrer „Geburt, Stellung, Leistungen oder Taten oder Untaten im Be­ reich der Zeitgeschichte unter den Mitmenschen außergewöhnlich hervorragen und die deshalb im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen“.68 Sowohl nach der neu­ eren europäischen sowie der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung ver­ bietet sich die pauschale Bejahung eines öffentlichen Informationsinteresses im Hinblick auf Vorgänge, die der Privatsphäre solcher Personen entstammen, ohne dass zuvor eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete Einzelfallab­ wägung vorgenommen wurde (Ausnahmen hiervon sind nach der Auffassung des EGMR jedoch z. B. dann denkbar, wenn es sich um Personen des politischen Le­ bens bei der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäft handelt69).70 Ferner stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen Bildnisse von Be­ schuldigten oder anderen Verfahrensbeteiligten veröffentlicht werden dürfen, die erst im Zusammenhang mit bestimmten strafrechtlich relevanten Geschehnissen oder Verfahrensvorgängen in Erscheinung getreten sind (hierbei handelt es sich um diejenigen Personen, die in der Literatur und Rechtsprechung als „relative Personen der Zeitgeschichte“ bezeichnet wurden, da sie lediglich im Zusammen­ hang mit bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignissen öffentliches Interesse auf sich gezogen haben, und über die lediglich im Zusammenhang mit diesen Ereig­ nissen berichtet werden durfte71). Als zeitgeschichtliche Anknüpfungspunkte kommen zum einen die Straftat, das Strafverfahren (bzw. die einzelnen Verfahrensabschnitte) sowie die einzelnen Er­ mittlungs- und Zwangsmaßnahmen in Betracht.72 Demnach gilt es im Folgenden zu ermitteln, ob bestimmte Straftaten, einzelne Verfahrensabschnitte oder Ermitt­

66

Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. EGMR GRUR 2004, 1051 ff.; vgl. wiederum die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. 68 Vgl. zur Definition der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 5; vgl. auch hierzu Erörterung weiter oben, im 5. Teil, G. I. 69 EGMR GRUR 2004, 1051 (1053). 70 Laut dem Bundesgerichtshof muss ist in diesen Fällen nach einem sog. „abgestuften Schutzkonzept“ vorgegangen werden; vgl. BGH GRUR 2007, 523 ff.; BGH NJW 2008, 749 ff. sowie Wandtke-Heinrich, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 5, Kap. 5 Rn. 333. 71 Vgl. im Allgemeinen zu den relativen Personen der Zeitgeschichte die Ausführungen bei Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 (115 f.); Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (306 f.). 72 Vgl. Dalbkermeyer, S. 73 ff.; Kettner, S. 190 ff.; Marxen, GA 1980, 365 (375 ff.); Rehbock, Medien- und Presserecht, § 3 Rn. 299 sowie Stapper, S. 128 ff. 67

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lungs- und Zwangsmaßnahmen überhaupt zeitgeschichtlich relevante Ereignisse darstellen können und eine Herausgabe von Bildnissen des Beschuldigten oder an­ derer verfahrensbeteiligter Personen im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen auch ohne das Vorliegen einer Einwilligung gerechtfertigt ist. Teilweise wird in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass sich die zu den re­ lativen Personen der Zeitgeschichte herausgebildeten Kriterien gerade im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahren als problematisch erweisen.73 Zum Feld der Zeitgeschichte im weitesten Sinne gehört zunächst der gesamte Bereich des poli­ tischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens sowie alles, was da­ bei den Gegenstand der Aufmerksamkeit, Wissbegier oder der Anteilnahme bil­ det.74 Insofern ist es allgemein anerkannt, dass der Begriff des Zeitgeschehens nicht zu eng gefasst werden darf, da der öffentliche Informationsbedarf nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung erfasst, sondern sich auf alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse erstrecken kann.75 Dies soll gleichermaßen für rein unterhaltende Beiträge gelten, da sie die öffentliche Mei­ nungsbildung sogar noch nachhaltiger beeinflussen könnten als sachbezogene Informationen.76 Umstritten ist jedoch, welche Kriterien bei der Bestimmung der Zeitgeschicht­ lichkeit eines Ereignisses herangezogen werden dürfen und welche Aspekte hier­ bei unberücksichtigt bleiben müssen. Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass es sich beim Begriff der Zeitgeschichte um ein rein deskriptives Merkmal handelt, das allein auf die tatsächlichen Verhältnisse abstelle und normativen Er­ wägungen gegenüber verschlossen bleiben müsse.77 Infolgedessen dürften juris­ tische Kriterien, wie die zugunsten des Beschuldigten streitende Unschuldsver­ mutung, bei der Bestimmung dieses Begriffs keine Berücksichtigung finden.78 Weiterhin widerspreche die Substituierung des Begriffs der „Zeitgeschichte“ durch den des „berechtigten Informationsinteresses der Allgemeinheit“ nicht nur dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, sondern gehe darüber hinaus auch mit Blick auf die Systematik dieser Vorschrift fehl, da § 23 Abs. 2 KUG leerlaufe, wenn eine Interessenabwägung bereits zur Annahme eines zeitgeschichtlich be­ deutsamen Ereignisses im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG notwendig sei.79 Nach der im zweiten Absatz vorgesehenen Rückausnahme habe ohnehin eine um­ fassende Abwägung der sich widerstreitenden Interessen und konkreten Umstände zu erfolgen und eine Verbreitung und Zurschaustellung gegebenenfalls zu unter­

73

Vgl. Dalbkermeyer, S. 69 ff. und Lampe, NJW 1973, 217 (218). Vgl. Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 3. 75 Vgl. BGH NJW 2008, 749 (750). 76 Siehe BGH NJW 2008, 749 (750). 77 In diesem Sinne v. Becker, S. 213 und Franke, S. 95 ff. 78 Siehe v. Becker, S. 213 und Franke, S. 102 f.; vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Marxen, GA 1980, 365 (375 f.). 79 So vor allem Franke, S. 95 ff.; vgl. auch v. Becker, S. 158 ff. und Dalbkermeyer, S. 69 ff. 74

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bleiben. Folglich verlöre diese Regelung nicht nur ihre Existenzberechtigung, son­ dern es würde darüber hinaus eine unzulässige systemwidrige Vorverlagerung die­ ses Abwägungserfordernisses vorgenommen.80 Von den Vertretern der entgegengesetzten Auffassung wird vorgebracht, dass nicht jedes von Neugier und Sensationslust getriebene öffentliche Informations­ interesse die zeitgeschichtlich Bedeutung eines Ereignisses begründen könne, sondern ein darüber hinausgehendes sachentsprechendes Informationsinteresse verlangt werden müsse.81 Bereits zur Bejahung der Zeitgeschichtlichkeit eines Er­ eignisses sei ein Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses gegenüber dem persönlichkeitsrechtlichen Schutzinteressen des Betroffenen erforderlich.82 Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug, da sie einerseits die bes­ seren Argumente auf ihrer Seite hat und andererseits mit der Rechtsprechung des EGMR und der gewandelten Rechtsprechung der deutschen Gerichte im Einklang steht. So spricht für die Einbeziehung normativer Elemente bei der Auslegung des Begriffs der Zeitgeschichte bereits, dass jeder Begriff, der in einem juristischen Kontext verwendet wird, eine dem jeweiligen Regelungszweck entsprechende normative Prägung erhält.83 Schon die gesetzliche Fixierung verleiht dem Begriff der Zeitgeschichte eine juristische Dimension, die zu einer inhaltlichen Bestim­ mung „nach Maßgabe juristischer Auslegungsregeln“ zwingt.84 Des Weiteren ge­ bietet das gewandelte Verhältnis zwischen den Medien und der Öffentlichkeit eine Einbeziehung normativer Elemente bei der Bestimmung der Zeitgeschichtlichkeit eines bestimmten Ereignisses, denn oftmals sind es gerade die Medien, die das öf­ fentliche Interesse an bestimmten Vorgängen hervorrufen, kanalisieren und schü­ ren, so dass diese es vollständig in der Hand hätten, einem bestimmten Ereignis seine zeitgeschichtliche Bedeutung zu „verleihen“, wenn kein weiteres norma­tives Korrektiv eingreifen würde.85 Letztlich zwingt auch das systematische Argument der Gegenmeinung keinesfalls zu einer anderen Sichtweise. Dass innerhalb des zweiten Absatzes des § 23 KUG eine Abwägung der sich widerstreitenden Inter­

80 Franke, S. 96; siehe auch Dalbkermeyer, S. 70. Ferner kritisiert Franke in systematischer Hinsicht, dass das öffentliche Interesse gleichermaßen den Oberbegriff für alle in § 23 Abs. 1 KUG genannten Ziffern bilde. Insofern unterliege einem Zirkelschluss, wer das öffentliche In­ formationsinteresse bereits bei der Definition des Begriffs der Zeitgeschichte heranzieht. 81 Siehe OLG Oldenburg NJW 1963, 920 (922); Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 f.; vgl. auch Marxen, GA 1980, 365 (376). 82 So bereits BGH NJW 1966, 2353 (2354 f.); OLG Oldenburg NJW 1963, 920 (922); OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (48 f.); Koebel, JZ 1966, 389 (390); Marxen, GA 1980, 365 (376); Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 (115). Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (306); vgl. ferner auch Rüping, FS für Dünnebier 1982, 391 (401). 83 Vgl. Marxen, GA 1980, 365 (376 f.). 84 Dies wird auch von Franke (als Vertreter der Gegenauffassung) eingeräumt; vgl. Franke, S. 98. 85 So auch Marxen, der auf das hiermit verbundene Manipulationspotential hinweist; Marxen, GA 1980, 365 (376 f.).

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essen zu erfolgen hat, ist an sich unstreitig.86 Dabei bietet es sich an, im Rahmen des § 23 Abs. 1 KUG eine von den Umständen des Einzelfalls und der konkreten Verwendungsart unabhängige Prüfung der abstrakten Interessenkollision vorzu­ nehmen, um anschließend im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG eine Abwägung mit den einer Veröffentlichung entgegenstehenden konkreten Interessen des Betrof­ fenen vorzunehmen, wobei auch die Umstände bei der Bildniserstellung berück­ sichtigt werden können.87 Die Einbeziehung normativer Kriterien bei der Bestim­ mung des Begriffs der Zeitgeschichte entspricht darüber hinaus auch den Vorgaben des EGMR und der gewandelten deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Während in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2000 noch darauf hingewiesen wurde, dass § 23 Abs. 2 KUG den Gerichten ge­ nügend Möglichkeiten eröffne, persönlichkeitsrechtliche Belange des Betroffe­ nen zu berücksichtigen,88 geht das Gericht in seiner neueren Rechtsprechung da­ von aus, dass eine Abwägung der sich widerstreitenden Interessen bereits bei der Zuordnung zum zeitgeschichtlichen Bereich erfolgen müsse.89 Gleichermaßen legt auch der Bundesgerichtshof im Rahmen seines abgestuften Schutzkonzeptes der Prüfung der Zeitgeschichtlichkeit eines Ereignisse einen normativen Maßstab zu­ grunde und wägt hierbei zwischen den Rechten und Grundrechten der betroffenen Personen und denen der Medien ab.90 Demnach gilt es sowohl unter Einbeziehung normativer als auch empirischer Kriterien zu ermitteln, ob Straftaten, Strafverfah­ rensabschnitte und Maßnahmen im Strafverfahren zeitgeschichtliche Ereignisse darstellen und ob die Beschuldigten sowie die anderen Verfahrensbeteiligten im Zusammenhang mit diesen Ereignissen die Veröffentlichung von Abbildung hin­ nehmen müssen. a) Die Straftat als zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt Zunächst unterliegt es keinen grundsätzlichen Bedenken, bestimmten Strafta­ ten eine zeitgeschichtliche Bedeutung beizumessen.91 Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die realen Auswirkungen einer Tat auf die Gesellschaft, die Strafrechtspflege, oder die Kriminalpolitik eine entsprechende Relevanz besit­ zen.92 Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts fällt die zeitgeschicht­liche Bedeutung umso höher aus, je mehr sich die Tat durch die Besonderheit des 86 Vgl. Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 25; Dreyer/Kotthoff/Meckel-Dreyer, UrhR, § 23 KUG Rn. 23; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 23 Rn. 34. 87 Vgl. Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, § 23 KUG Rn. 25; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 23 Rn. 34. 88 Siehe BVerfG GRUR 2000, 446 (452 f.). 89 Vgl. BVerfG GRUR 2008, 539 (545); Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhR, § 23 Rn. 6. 90 Siehe BGH GRUR 2007, 523 (525); BGH GRUR 2007, 899 (900). 91 In diesem Sinne auch Bornkamm, S. 621 sowie Dalbkermeyer, S. 73; vgl. hierzu auch OLG Braunschweig NJW 1975, 651 (652). 92 Vgl. hierzu auch v. Becker, S. 170 f.

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Angriffsobjektes, die Art ihrer Begehung oder die Schwere ihrer Folgen gegen­ über der gewöhnlichen und alltäglichen Kriminalität abhebt. Besonders bei schwe­ ren Gewaltverbrechen bestünden neben der allgemeinen Neugier und Sensations­ lust gewichtige Gründe zu erfahren, wer die Täter waren, von welchen Motiven sie geleitet wurden und was konkret vorgefallen ist.93 Bei dieser Beurteilung sei entscheidend darauf abzustellen, ob die Ereignisse die Gesellschaft als Ganze betreffen.94 Auch wenn die zeitgeschichtliche Bedeutung bestimmter Straftaten keines­ wegs von der Hand gewiesen werden kann, drängen sich – wie bereits geschil­ dert wurde95 – die größten Bedenken bei der Verbindung des Tatverdächtigen mit den strafrechtlich relevanten Vorkommnissen auf. In diese Überlegungen muss mit einfließen, dass dem Ermittlungsverfahren erst die Aufgabe zukommt, den Sach­ verhalt mithilfe der Instrumentarien der Strafprozessordnung aufzuklären (wobei die Ermittlungsbehörden nach § 160 Abs. 2 StPO gleichermaßen verpflichtet sind, belastende sowie entlastende Umstände zu ermitteln).96 Insofern erscheint es als überaus problematisch, wenn in einem Verfahrensstadium, das primär der Aus­ forschung eines möglichen Tatvorgangs dient, bereits ein feststehender Zusam­ menhang zwischen dem Beschuldigten und der Tat fingiert wird.97 Darüber hinaus erweist sich die Annahme einer solchen Verknüpfung auch aufgrund der zugunsten des Beschuldigten streitenden Unschuldsvermutung als unhaltbar.98 Diese verbie­ tet es, dem Beschuldigten vor seiner rechtskräftigen Verurteilung eine bestimmte Tat zuzuschreiben. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte vor diesem Zeitpunkt selbst gesetzlich vorgesehenen Sanktionen nicht ausgesetzt werden darf, solange diese nicht der Sicherung des Verfahrens und der Aufklärung der Vorgänge dienen. Folglich ist es kaum nachvollziehbar, wenn ihm zugleich andere – außerhalb des Strafverfahrens liegende – Beeinträchtigungen zugemutet werden und diese zu­ mindest mittelbar auf ein Verhalten der mit den Ermittlungen betrauten staatlichen Stellen zurückzuführen sind.99 Letztendlich vermag auch das von der Rechtsprechung und der Literatur be­ mühte Argument nicht zu überzeugen, wonach das Bestehen eines erhöhten Ver­ 93

BVerfGE 35, 202 (231). Hierdurch wird unter anderem die sog. „Kleinkriminalität“ und die „alltägliche Delinquenz“ aus dem Bereich der Zeitgeschichte ausgeklammert; vgl. auch v. Becker, S. 173. 94 Vgl. Dalbkermeyer, S. 73; Franke, S. 102. 95 Vgl. insoweit die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. I. 96 Vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 349. 97 So auch Bornkamm, S. 261 und Dalbkermeyer, S. 74. 98 Vgl. Bornkamm, NStZ 1983, 102 (106) sowie Marxen, GA 1980, 365 (375), der eine ord­ nungsgemäße Verfahrensdurchführung als „Existenzbedingung der Straftat“ voraussetzt. Vgl. ferner die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. I. 99 Vgl. Zielemann, S. 95. Dies ist insbesondere mit Blick auf die bereits zuvor angespro­ chene Gefahr des Eintritts irreparabler Schäden auf Seiten des Beschuldigten (selbst im Fall eines später erfolgenden Freispruchs) infolge einer präjudizierender Berichterstattung zu be­ denken; siehe Rüping, FS für Dünnebier 1982, 391 (396).

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dachtsgrades eine hinreichend sichere Verbindung zwischen dem Beschuldigten und der begangenen Straftat schaffe und diese Zäsur zur Zulässigkeit identifizie­ render Mitteilungen über den Beschuldigten führen könne.100 Zwar ist es zu be­ grüßen, wenn die schlichte Verfahrenseinleitung noch keine ausreichende Grund­ lage zur Begründung der Zeitgeschichtlichkeit des Beschuldigten bildet, sondern hierfür zumindest eine gewisse Verfahrensfestigung aufgrund einer richterlichen Überprüfung des Tatvorwurfs (z. B. durch Erlass eines Haft- oder Unterbringungs­ befehls gem. §§ 112, 126 a StPO) sowie die Annahme des hierfür erforderlichen dringenden Tatverdachts gefordert wird.101 Die Veröffentlichung identifizierender Abbildungen im Ermittlungsverfahren kann hierdurch jedoch nicht gerechtfertigt werden. Im Gegensatz zu dem für die staatsanwaltschaftliche Anklageerhebung und die richterliche Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichen­ den Tatverdacht (vgl. §§ 170 Abs. 1, 230 StPO) zeichnet sich der dringende Tat­ verdacht, der lediglich auf dem vorläufigen Stand der Ermittlungsergebnisse be­ stimmt wird, durch eine gewisse Vorläufigkeit aus und kann von daher leicht wieder entfallen.102 Insofern vermag auch die der Anordnung der Untersuchungs­ haft zugrunde liegende summarische Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die sowohl die Schwere des Tatvorwurfs sowie die persönlichen und sozialen Verhältnisse auf Seiten des Beschuldigten mit einbezieht,103 nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die mit einer frühzeitigen Publikation der Beschuldigtenidentität verbundenen gra­ vierenden und kaum revidierbaren Folgen auf der unsicheren Grundlage vorläu­ figer Ermittlungsergebnisse basieren.104 Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass bestimmte Straftaten unzweifelhaft eine zeitgeschichtliche Bedeutung besitzen und diese somit zeit­ geschichtliche Ereignisse i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellen können. Aller­ dings verbietet sich im Unterschied zu den bereits rechtskräftig verurteilten Straf­ tätern die Annahme einer feststehenden Verbindung zwischen den tatverdächtigen Personen und den begangenen Straftaten sowohl aus tatsächlichen als auch aus normativen Gründen (insbesondere in Ansehung der Unschuldsvermutung).

100

OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (49); OLG Braunschweig NJW 1975, 651 (652); v. Becker, S.  212 ff.; Marxen, GA 1980, 365 (377 f.). 101 Siehe v. Becker, S. 214 ff.; Marxen, GA 1980, 365 (377 f.). Lampe stellt insoweit auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Verhaftung des Beschuldigten ab; vgl. Lampe, NJW 1973, 217 (218). Vgl. hierzu auch Braun, S. 75; Kettner, S.  192 f.; Stapper, S. 129. 102 So auch Dalbkermeyer, 75 f. und Neuling, S. 233. Vgl. ferner die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. I. 103 Vgl. hierzu v. Becker, S. 215 sowie Kettner, S. 193. 104 Vgl. wiederum die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. Aus demselben Grund verfängt die Argumentation Dalbkermeyers nicht, nach der ein notwendiger Zusammenhang zwischen dem Beschuldigten und dem gegen ihn geführten Verfahren erst beim Vorliegen eines hin­reichenden Tatverdachts anzunehmen sei; vgl. Dalbkermeyer, S. 76. Auch wenn die Verdachtsmomente im Zeitpunkt der Anklageerhebung eine gewisse Endgültigkeit besitzen, ist hiermit noch keine Aussage darüber getroffen, ob das entscheidende Gericht die Klage auch zulässt.

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b) Das Ermittlungsverfahren als zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt Auch wenn die tatsächliche Verwicklung eines Tatverdächtigen in das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren offenkundig ist, führt dies nicht zu einer Be­ freiung von dem Einwilligungserfordernis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, da das Er­ mittlungsverfahren für sich genommen nicht als ein zeitgeschichtliches Ereignis qualifiziert werden kann und keinen tauglichen Anknüpfungspunkt bildet.105 Un­ geachtet der herausragend wichtigen Bedeutung, die diesem Verfahrensabschnitt als Ausgangspunkt jedes Straf- und Bußgeldverfahrens bei der Aufklärung des Sachverhaltes und der Vorbereitung der darauf folgenden Verfahrensabschnitte beizumessen ist, muss das Ermittlungsverfahren stets vor dem Hintergrund seiner verfahrensvorbereitenden Funktion betrachtet werden. Dies ist auch dann nicht an­ ders zu beurteilen, wenn die Ermittlungen auf ein großes mediales und öffentliches Interesse stoßen (z. B. wenn eine Übernahme der Ermittlungen durch die Gene­ ralbundesanwaltschaft erfolgt, Sonderkommissionen gebildet werden oder Inter­ pol eingeschaltet wird etc.). In diesem Zusammenhang gilt es, sich einerseits vor Augen zu führen, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus guten Grün­ den als nichtöffentlicher Teil des Strafverfahrens ausgestaltet wurde,106 womit eine Qualifizierung dieses gesamten Verfahrensabschnitts als Bezugspunkt der Zeit­ geschichte bereits problematisch erscheint. Zudem fällt es schwer, vom Ermitt­ lungsverfahren überhaupt als einem Ereignis zu sprechen. Im Gegensatz zu der weitestgehend öffentlichen strafrechtlichen Hauptverhandlung (vgl. die §§ 169 ff. GVG107), bei der bestimmte Verhandlungstage vom Gericht anberaumt werden und die zudem einem gesetzgeberisch fest vorgeschriebenen Ablauf folgt (vgl. ins­ besondere die Vorschriften des 5. und 6. Abschnitts im zweiten Buch der StPO), gestaltet sich eine entsprechende Kategorisierung des Ermittlungsverfahrens als äußerst problematisch. Für den genauen Ablauf der Ermittlungen existieren keine Vorschriften, die eine mit den Vorgaben für die Hauptverhandlung vergleich­ bare Regelungsdichte aufweisen, sondern dieser Verfahrensabschnitt liegt nahezu vollständig im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Staatsanwaltschaf­

105

Ebenso im Ergebnis auch Bornkamm, NStZ 1983, 102 (106); a. A. Franke, S.  102 f.; Marxen, GA 1980, 365 (377 f.) sowie Rehbock, Medien- und Presserecht, § 3 Rn. 299. 106 Siehe hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 4. Teil. Vgl. hierzu auch Bornkamm, NStZ 1983, 102 (105) sowie v. Becker, S. 208 f., nach dem die nichtöffentliche Aus­ gestaltung des Ermittlungsverfahrens zum einen dem Interesse an der Aufklärung der Straftat, der Unbefangenheit von Zeugen und Sachverständigen sowie dem Schutz des Beschuldigten geschuldet ist. 107 Durch die Öffentlichkeitsmaxime im Rahmen der Hauptverhandlung wird unter anderem auch dem Umstand Rechnung getragen, dass einem allgemeinen gesellschaftlichen Informa­ tionsinteresse entsprochen werden muss. Dies kann hinsichtlich der anderen Verfahrensstadien (d. h. dem Ermittlungs-, Zwischen- und Vollstreckungsverfahren) zumindest nicht in dem glei­ chen Maße angenommen werden. Die entsprechende gesetzgeberische Zielsetzung wird da­ durch deutlich, dass für die anderen Verfahrensstadien keine den §§ 169 ff. GVG entsprechen­ den Regelungen bestehen.

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ten,108 die im Hinblick auf den genauen Ablauf, die Ausgestaltung und Durchfüh­ rung sowie den Abschluss der Ermittlungen weitreichende Freiheiten genießen.109 So kann es mitunter vorkommen, dass sich die strafrechtlichen Ermittlungen über mehrere Jahre hinziehen und auch die tatverdächtige Person zu keinem Zeitpunkt mitbekommt, dass überhaupt gegen sie ermittelt wurde.110 Ferner gilt es zu beach­ ten, dass der zeitgeschichtliche Charakter eines Ermittlungsverfahrens – falls die­ ser entgegen der hier vertretenen Auffassung anerkannt werden sollte – vor allem aus einer exponierten Bedeutung der zu ermittelnden Straftat resultiert.111 c) Die Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen als zeitgeschichtliche Anknüpfungspunkte Insofern wäre es lediglich möglich, den Fokus auf bestimmte Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahmen (z. B. besonders öffentlichkeitswirksame Festnahmen, Fahn­ dungen, Hausdurchsuchungen etc.) zu richten, und diesen eine zeitgeschichtliche Bedeutung zuzuschreiben.112 Zunächst erscheint die Loslösung einzelner Ermitt­ lungs- oder Zwangsmaßnahmen aus dem gesamten Verfahrenskontext, in welchem sie stehen und zu dessen Zweck sie vorgenommen werden, nur schwer nachvoll­ ziehbar. Diese Maßnahmen dienen einzig und allein der Sachverhaltsaufklärung, der Sicherung der Beweise, der Vorbereitung der Hauptverhandlung etc. und müs­ sen somit stets vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Von daher verbietet sich eine Isolierung gegenüber der aufzuklärenden Straftat oder dem Verfahren,

108

Die Staatsanwaltschaft wird insofern auch als „Herrin der Vorverfahrens“ bezeichnet. Natürlich sind auch die Ermittlungsbehörden bei der Sachverhaltsaufklärung und der Ver­ fahrenssicherung an die strengen Voraussetzungen der Strafprozessordnung gebunden, welche beispielsweise hohe Anforderung an die Vornahme bestimmter Ermittlungs- und Zwangsmaß­ nahmen stellen (vgl. insofern die §§ 94 ff. StPO sowie die §§ 112 StPO) oder unumgängliche Rechte der Verfahrensbeteiligten statuieren (vgl. beispielhaft die §§ 136 f. StPO). 110 Vgl. hierzu Müller, NJW 1976, 1063 (1067). Eine Mitteilung an den Beschuldigten über die Verfahrenseinstellung ist nur in den Fällen des § 170 Abs. 2 Satz 2 SPO zwingend vor­ geschrieben (d. h. wenn er zuvor als Beschuldigter vernommen wurde, ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war, er um einen entsprechenden Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist). Aus der gesetzlichen Konzeption des § 170 Abs. 2 StPO geht hervor, dass ein allgemeiner Mitteilungsanspruch des Beschuldigten gerade nicht bestehen soll. Demnach kann ein besonderes Interesse des Beschuldigten an der Bekanntgabe der Einstellung nicht aus dem bloßen Umstand resultieren, dass gegen ihn ein Ermittlungs­ verfahren durchgeführt wurde; vgl. SK-StPO-Wohlers, § 170 Rn. 52. Ob mit Blick auf daten­ schutzrechtliche Gesichtspunkte eigentlich etwas anderes gelten müsste oder ob die Vorschrif­ ten der StPO gegenüber den datenschutzrechtlichen Bestimmungen als lex spezialis Vorrang genießen, soll hier nicht weiter vertieft werden. 111 Vgl. Bornkamm, NStZ 1983, 102 (106). 112 Siehe Lampe, NJW 1973, 217 f., der insofern auf den Zeitpunkt der Festnahme des Beschuldigten abstellt; vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Braun, S. 75 und Stapper, S.  129 ff. 109

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in welches sie eingebettet sind.113 In letzter Konsequenz könnte dies zu der über­ aus widersprüchlichen und Rechtsunsicherheit stiftenden Situation führen, dass al­ lein aufgrund einer besonders spektakulären Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme die zeitgeschichtliche Relevanz angenommen würde, obwohl weder das zu er­ mittelnde strafrechtlich relevante Verhalten, noch die Person des Beschuldigten oder der jeweilige Verfahrensabschnitt für sich betrachtet eine solche Einstufung zulassen.114 d) Das Hauptverfahren als zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt Letztendlich kommt lediglich das strafrechtliche Hauptverfahren (bzw. in ers­ ter Linie die Hauptverhandlung), welches das „Kernstück des (Erkenntis-) Ver­ fahrens“ bildet115, als zeitgeschichtliches Ereignis und tauglicher Bezugspunkt in Betracht.116 Ungeachtet des Umstandes, dass gegen eine Anknüpfung an das Haupt­ verfahren ähnliche bis identische Bedenken wie bei der Heranziehung des straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahrens bestehen117, kommt es hierauf in der vorliegen­ den Untersuchung nicht an. Das Ermittlungsverfahren ist der Hauptverhandlung vorgelagert, so dass die Informationsweitergabe zu diesem früheren Zeitpunkt, in dem noch nicht einmal eine Entscheidung über die Eröffnung der Hauptverfahrens getroffen wurde, keinesfalls unter Berufung auf die zeitgeschichtlichen Relevanz eines später folgenden Verfahrensstadiums begründet werden kann.

113 A. A. Stapper, demzufolge eine Verhaftung unabhängig von der Person des Verhafteten oder der ihm zur Last gelegten Tat gesehen werden muss, soweit der Grundsatz der Verhältnis­ mäßigkeit dabei beachtet wurde; vgl. Stapper, S. 130. 114 Vgl. Stapper, S. 130. Ferner führt Stapper in diesem Zusammenhang an, dass dem öffent­ lichen Informationsinteresse bei der Berichterstattung über eine Verhaftung zumeist auch ohne eine Identifizierung des Beschuldigten entsprochen werden könne, da lediglich die begangene Straftat und nicht die Identität des Beschuldigten der Bevölkerung bekannt sein werde. 115 Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 3 Rn. 8. 116 Ähnlich auch Neuling, der erst ab dem Zeitpunkt der Zulassung der Anklage bzw. der Er­ öffnung des Hauptverfahrens eine hinreichend sichere Verknüpfung zwischen der Person des Beschuldigten und der ihm zur Last gelegten Straftat bzw. dem Strafverfahren als einem zeit­ geschichtliche Ereignis erblickt, um diesen als eine relative Person der Zeitgeschichte einzu­ stufen; vgl. Neuling, S. 237 f. Natürlich wird auch die Hauptverhandlung nicht um ihrer selbst Willen geführt, sondern bildet die Grundlage für die Entscheidungsfindung des Gerichts i. S. d. § 261 StPO sowie für das sich hieran anschließende Rechtsmittel- und Vollstreckungsverfahren; vgl. Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 3 Rn. 9 ff. 117 Auch in diesem Verfahrensstadium wird der Angeklagte durch die Unschuldsvermutung geschützt, so dass sich die Annahme eines feststehenden Zusammenhangs zwischen seiner Per­ son und der ihm zur Last gelegten Tat verbietet.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

2. Zwischenergebnis Nach den vorhergehenden Feststellungen dürfte eine auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KUG gestützte Legitimation der Informationsweitergabe oftmals zum Scheitern verurteilt sein, so dass es sich für den Betroffenen durchaus anbieten kann, nach § 33 Abs. 1 KUG vorzugehen.118 Hierbei ist wiederum das nach § 33 Abs. 2 KUG zwingende Strafantragserfordernis zu beachten.119

VI. §§ 43 und 44 BDSG Ferner ist daran zu denken, dass eine Weitergabe von Informationen durch die Staatsanwaltschaft eine Ordnungswidrigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG, oder eine Straftat nach § 44 Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG darstellen könnte.120 § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG zufolge handelt ordnungswidrig, wer „vorsätzlich oder fahrlässig unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugäng­ lich sind, erhebt oder verarbeitet“. Nach § 44 Abs. 1 BDSG wird die vorsätzliche Verwirklichung eines der in § 43 Abs. 2 BDSG genannten Bußgeldtat­bestände mit den schärferen Mitteln des Strafrechts sanktioniert, wenn der Täter die „Hand­ lung gegen ein Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht“.121 Unter personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimm­ ten oder bestimmbaren natürlichen Person zu verstehen. Unter die persönlichen 118

In diesem Sinne auch Dalbkermeyer, S. 235 f. Es handelt es sich hierbei gem. § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO um ein Privatklagedelikt. Hin­ sichtlich der aus dem Strafantragserfordernis möglicherweise resultierenden Hemmungen auf Seiten des Beschuldigten kann auf die zu § 203 StGB gemachten Ausführungen verwiesen werden. 120 Über längere Zeit herrschte Uneinigkeit, ob die bereichsspezifischen Regelungen der Strafprozessordnung die Datenschutzgesetze verdrängen würden, bzw. in welchem Umfang sie den datenschutzrechtlichen Vorschriften vorgehen sollten. Hierzu hat der Gesetzgeber in­ zwischen klargestellt, dass Rückgriffe auf die Datenschutzgesetze zulässig sind, soweit es sich nicht um spezifisch strafverfahrensrechtliche Regelungsbereiche (wie z. B. bei der Fahndung und Observation) handelt; vgl. Roßnagel-Dembowski, S. 1399. Als spezialgesetzliche Rege­ lungen gehen z. B. die §§ 12 ff. EGGVG dem BDSG vor, soweit es sich um eine Übermittlung personenbezogner Daten von Amts wegen durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften an öffentliche Stellen des Bundes oder eines Landes für andere Zwecke als die des Verfahrens, für das die Daten erhoben worden sind, handelt. 121 Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BDSG gilt dieses Gesetz für die öffentlichen Stellen des Bundes und nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG „für die öffentlichen Stellen der Länder, soweit der Daten­ schutz nicht durch Landesgesetze geregelt ist …“ Für die Staatsanwaltschaften der Länder ent­ halten die Landesdatenschutzgesetze entsprechende Regelungen; vgl. beispielsweise die §§ 40, 41 LDSG Baden-Württemberg (vom 18. September 2000; GBl. S. 43) Art. 37 LDSG Bayern (vom 23. Juli 1993; GVBl. S. 498); § 32 LDSG Berlin (vom 17. Dezember 1990; GVBl. 1991 S. 16, 54); § 38 LDSG Brandenburg (vom 15. Mai 2008; GVBl. I S. 114). 119

B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

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und sachlichen Verhältnisse werden dabei unterschiedliche Aspekte wie körper­ liche oder geistige Eigenschaften (z. B. Aussehen, Vorlieben, Gesundheit, Ein­ stellungen etc.), Verhaltensweisen und Beziehungen (beruflicher, wirtschaft­licher, sozialer oder rein privater Natur) oder identifizierende Angaben (z. B. Name, Aus­ weisnummer, Versicherungsnummer, Telefonnummer etc.) gefasst.122 Somit dürf­ ten keinerlei Bedenken bestehen, den Großteil der aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Informationen (welche in aller Regel Identifikationsmerkmale so­ wohl hinsichtlich der verfahrensbeteiligten Personen sowie am Verfahren unbe­ teiligter Dritter aufweisen und zudem oftmals tiefgreifende Einblicke in die Per­ sönlichkeit, die persönliche Historie, die persönlichen Verhältnisse etc. zulassen) als personenbezogene123 Daten124 im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG zu qualifizie­ 122

Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 2 ff.; Taeger/Gabel-Buchner, BDSG, § 3 Rn. 4. Letztendlich kommt es bei den Informationen maßgeblich darauf an, ob diese sich auf eine einzelne natürliche Person beziehen lassen, oder dazu geeignet sind, einen Bezug zu ihr her­ zustellen; vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 3. Die Bestimmbarkeit ist hierbei weit auszu­ legen. So reicht es beispielsweise aus, dass ein Personenbezug über mehrere Zwischenschritte hergestellt werden kann. Hingegen fehlt es an einem Personenbezug im Falle einer zuvor er­ folgten Anonymisierung; vgl. Däubler/Klebe-Weichert, § 3 Rn. 13. 124 Nach den Ausführungen von Dalbkermeyer und Schulz erfüllen die in den Ermittlungs­ akten enthaltenen Angaben nicht den Dateibegriff im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes. Diese Ausführungen bezogen sich jedoch auf die alte Fassung des § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG, nach der Akten- und Aktensammlungen, die nicht durch ein automatisiertes Verfahren ausge­ wertet werden konnten, aus dem Begriff der „Datei“ und somit aus dem Anwendungs­bereich der Datenschutzgesetze herausfielen; vgl. Dalbkermeyer, S. 78 und Schulz, S. 58. Dies hat sich jedoch mit der Novellierung des Datenschutzgesetzes insoweit geändert, als dass das Kriterium der „Datei“ für die Anwendung der Datenschutzgesetze nur noch von Bedeutung ist, wenn es sich um eine nichtautomatisierte Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten im nichtöffentlichen Bereich handelt; siehe Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 16. Da so­ wohl die Staatsanwaltschaften als auch die Polizeibehörden unzweifelhaft dem öffent­lichen Bereich zuzuordnen sind, bestehen nunmehr keine ernsthaften Zweifel an der Anwendbarkeit der Datenschutzgesetze auf die hier in Rede stehende Konstellation. Ferner beziehen einige der landesrechtlichen Datenschutzbestimmungen Aktenstücke ausdrücklich in ihren Anwendungs­ bereich mit ein (vgl. beispielsweise Art. 4 Abs. 4 LDSG Bayern; § 3 Abs. 7 LDSG Branden­ burg). Auf der anderen Seite werden in einigen Datenschutzgesetzen der Länder Regelungen getroffen, welche bestimmte Vorschriften in Bezug auf die bei den Gerichten und Staatsan­ waltschaften vorhandenen Akten für unanwendbar erklären (vgl. § 2 Abs. 5 Nr. 1 und 2 LDSG Hamburg; vom 5. Juli 1990; HmbGVBl. S. 133), oder die Anwendbarkeit des jeweiligen Daten­ schutzgesetzes auf die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben beschränken (vgl. § 2 Abs. 1 LDSG Hamburg). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Regelungen keinen Verweis auf die Behörden der Polizei enthalten, so dass bei einer Weitergabe von Informationen durch die Polizei ein Vorgehen nach den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen Aussicht auf Erfolg versprechen kann; vgl. insofern § 2 Abs. 1 Satz 2 LDSG Nordrhein-Westfalen (vom 9. Juni 2000; GV. NRW. S. 452), der lediglich Einschränkungen für den Landtag, die Gerichte und die Behörden der Staatsanwaltschaft vorsieht; so auch Dalbkermeyer, S. 78 f.). Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass auch die Polizeigesetze der Länder Regelungen hin­ sichtlich der Übermittlung von personenbezogenen Daten an nichtöffentliche Stellen enthal­ ten. Jedoch muss die Übermittlung hierbei entweder der Erfüllung polizeilicher Aufgaben (z. B. der Gefahrenabwehr) dienen, oder der die Auskunft Suchende muss ein berechtigtes Interesse nachweisen und es dürfen hierdurch keine Interessen des Betroffenen verletzt werden; vgl. z. B. 123

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

ren.125 Unter den Begriff „verarbeiten“ i. S. d. § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG fällt unter anderem auch das „Übermitteln“ personenbezogener Daten, worunter wiederum nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG das „Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener personenbezogener Daten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an einen Dritten weitergegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft“, zu ver­ stehen ist. Demnach ist in der Weitergabe von Informationen des Ermittlungsverfahrens unzweifelhaft ein „Übermitteln“ und folglich auch eine Datenverarbeitung zu er­ blicken. Als unbefugt i. S. d. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG stellt sich eine solche Hand­ lung dar, wenn sie weder nach dem Bundesdatenschutzgesetz noch nach einem an­ deren Gesetz erlaubt ist.126 § 4 Abs. 1 BDSG statuiert zudem, dass eine Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten nur dann zulässig ist, so­ weit das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt, anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Als anderweitige Rechtsvorschrif­ ten, nach denen eine Übermittlung der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Da­ ten legitimiert sein könnte, kommen insbesondere die in den landesrechtlichen Pressebestimmungen enthaltenen Auskunftsansprüche in Betracht.127 Daraus folgt, dass eine Datenweitergabe nur in demselben Umfang erfolgen kann und darf, in dem ein Informationsanspruch nach den jeweiligen Landespressegesetzen begrün­ det wäre.128 Um eine Verpflichtung zur Herausgabe behördlicher Informationen nach den presserechtlichen Auskunftsansprüchen zu begründen, müssten die erteilten Aus­ künfte den Medien zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, und es darf Art. 41 LDSG Bayern; § 44 LDSG Niedersachsen (vom 29. Januar 2002; GVBl. S. 22). Inso­ fern kann eine Weitergabe von aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Daten im überwie­ genden Teil der Fälle auch nicht nach den Polizeigesetzen der Länder gerechtfertigt werden. 125 So auch Roßnagel-Dembowski, S. 1401. 126 Vgl. Däubler/Klebe-Klebe, § 43 Rn. 15. 127 Ähnlich auch Wente, StV 1988, 216 (220), der die presserechtlichen Informationspflich­ ten im Rahmen der „Erforderlichkeit“ im Sinne der früheren Fassung des § 11 S. 1 BDSG prüft. Die „Erforderlichkeit“ ist dabei nach Wente zu bejahen, wenn die Behörde zur Weitergabe der Informationen verpflichtet ist. Die öffentlichen Stellen haben dieses Verbot mit Erlaubnisvor­ behalt ferner bei jeder Form der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu be­ achten; vgl. Taeger/Gabel-Mackenthun, BDSG, § 4 Rn. 2. Auch Dembowski hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Staatsanwaltschaft grundsätzlich befugt sei, dem Informa­ tionsanspruch der Presse nachzukommen. Jedoch stellt er diesbezüglich klar, dass angesichts des unantastbaren innersten Lebensbereichs des Betroffenen auf eine volle Namensnennung von Tätern und Opfern verzichtet werden sollte. Als Maßstab, an dem sich die Frage der weiter­ zugebenden Informationen zu orientieren habe, nennt er das Verhältnismäßigkeitsprinzip; Roß­ nagel-Dembowski, S. 1403. Auf die Frage, ob eine Weitergabe personenbezogener Daten auf­ grund der Informationsfreiheitsgesetze gerechtfertigt sein könnte, soll erst zu einem späteren Zeitpunkt – im Rahmen der ausführlichen Untersuchung der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder – eingegangen werden. 128 Siehe Wente, StV 1988, 216 (220).

B. Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

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keiner der in den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen genannten Aus­ schlussgründe vorliegen. Somit kommt es entscheidend darauf an, ob infolge der Informationsweitergabe die Durchführung eines schwebenden Verfahrens be­ einträchtigt werden könnte, Geheimhaltungsvorschriften einer Informationswei­ tergabe entgegenstehen, ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges Pri­ vatinteresse verletzt werden könnte, oder der Umfang der Auskunft das Maß des Zumutbaren überschreitet.129 Hierbei ist vor allem dem Versagungsgrund der ent­ gegenstehenden schutzwürdigen Privatinteressen eine gesteigerte Bedeutung bei­ zumessen, da infolge der Weitergabe aus dem Ermittlungsverfahren stammender Daten in aller Regel die Persönlichkeitsrechte der hiervon betroffenen Personen beeinträchtigt werden. Insofern obliegt es der herausgebenden Behörde, eine ein­ zelfallgerechte Abwägung zwischen dem allgemeinen Informationsinteresse und den entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Interessen vorzunehmen.130 Eine befugte Übermittlung von Daten durch öffentliche Stellen liegt zudem vor, wenn diese den §§ 15 bis 17 BDSG entspricht.131 Die Zulässigkeit der Datenüber­ mittlung durch die Behörden der Staatsanwaltschaft und Polizei an die Medien ist dabei an § 16 BDSG zu messen, da es sich in aller Regel um eine Datenübermitt­ lung an nichtöffentliche Stellen handeln wird.132 § 16 BDSG sieht in seinem ersten Absatz vor, dass eine Übermittlung personenbezogener Daten zulässig ist, wenn (Ziffer 1) „sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle lie­ genden Aufgaben erforderlich ist und die Voraussetzungen vorliegen, welche eine Nutzung nach § 14 BDSG zulassen würden“, oder (Ziffer 2) „der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu über­ mittelnden Daten glaubhaft darlegt und der Betroffene kein schutzwürdiges Inter­ esse an dem Ausschluss der Übermittlung hat“.133 129

Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen oben, im 5. Teil, A. II. 2. Vgl. wiederum die Schilderungen oben, im 5. Teil, A. II. 2. 131 Vgl. Taeger/Gabel-Mackenthun, BDSG, § 43 Rn. 51. 132 Diese Vorschrift ist gleichermaßen für die Datenübermittlung an natürliche und juristi­ sche Personen des Privatrechts sowie öffentliche Stellen, die am Wettbewerb teilnehmen, an­ zuwenden. Demnach ist diese Norm sowohl bei einer Datenweitergabe an den öffentlich-recht­ lich sowie die privatrechtlich strukturierten Teil der Medien einschlägig; vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 16 Rn. 4. 133 Ferner ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BDSG die Übermittlung besonderer Arten per­ sonenbezogener Daten (worunter nach § 3 Abs. 9 BDSG Angaben über die rassische oder eth­ nische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Ge­ werkschaftszugehörigkeit oder Sexualleben fallen) nur unter den Voraussetzungen zulässig, welche eine Nutzung nach § 14 Abs. 5 und Abs. 6 BDSG rechtfertigen würden. In diesem Zu­ sammenhang ist an den Fall „Kachelmann“ zu denken, bei dem ein Teil der weitergegebenen Informa­tionen explizit das Sexualverhalten des Beschuldigten betraf. Diese veröffentlichten In­ formationen wären unzweifelhaft (wenn sie von den Ermittlungsbehörden an die Medien wei­ tergegeben wurden) an den erhöhten Voraussetzungen von § 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i. V. m. § 14 Abs. 5 und 6 BDSG zu messen. Gleiches ist auch in Fällen politisch oder religiös motivierter Straftaten anzunehmen, in denen die Ermittlungsbehörden Informationen über die politische oder religiöse Gesinnung und Weltanschauung des Beschuldigten an die Medien weitertragen. 130

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten aus dem strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahren unterliegt, auch an den zuvor genannten Vorschriften gemessen, erheblichen Bedenken. Die Erforderlichkeit einer Datenübermittlung zur Erfüllung von Aufgaben der Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden als übermittelnde Stellen (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BDSG) kommt lediglich in Fällen der Öffentlichkeitsfahndung oder Identitätsfeststellung in Betracht, da nur unter die­ sen Umständen die Informationsweitergabe unmittelbar dem Ermittlungszweck zugute kommt.134 Die Datenübermittlung zu strafverfahrensrechtlichen Zwecken stellt jedoch gegenüber der Gesamtheit der von den Ermittlungsbehörden an die Medien weitergegeben Informationen eine eher zu vernachlässigende Rander­ scheinung dar. Den weit überwiegenden Teil der übermittelten Informationen bil­ den vielmehr die zu rein informatorischen Zwecken weitergegeben Daten. Um den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BDSG zu genügen, müssten die Medien ferner ein berechtigtes Interesse an der Informationsertei­ lung glaubhaft darlegen können. Für eine Glaubhaftmachung i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist erforderlich, dass der Empfänger in schlüssiger Form darlegt, wofür er die begehrten Informationen benötigt.135 Die glaubhafte Darlegung eines solchen Informationsinteresses wird den Vertretern der Medien jedoch nicht ohne Weiteres gelingen. Unter dieses berechtigte Interesse fällt zwar auch das schlichte Interesse der Medien am Erhalt von Informationen, jedoch sind gerade im frühen Stadium der Einleitung und Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen auf Seiten der Medien oftmals lediglich vage Verdachtsmomente vorherrschend, die keine hinreichende Substanz für eine schlüssige Darlegung des berechtig­ ten Interesses am Erhalt der aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Informa­ tionen bieten.136 In einem weiteren Schritt haben die Behörden der Staatsanwaltschaft und der Polizei eine Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Auch hierbei müssen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen und vor allem die zugunsten des Beschuldigten streitende Unschuldsvermutung berück­ sichtigt werden.137 Aufgrund der vorangegangenen Überlegungen kann es sich für den von einer Datenweitergabe betroffenen Personenkreis durchaus anbieten, ge­ gen die herausgebenden Stellen mithilfe der §§ 43 und 44 BDSG vorzugehen. Da­ 134

Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, im 2. Teil, A. 2. b) sowie im 5. Teil, D. Vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 16 Rn. 10. Ein berechtigtes Interesse des Empfängers ist bereits dann anzunehmen, wenn vernünftige Überlegungen hierfür sprechen und die beabsich­ tigte Verwendung der Daten sowie der hierbei verfolgte Zweck mit der Rechtsordnung in Ein­ klang stehen. Ein solches Interesse kann sowohl wirtschaftlicher als auch ideeller Natur sein. Wenn einem Auskunftsverlangen jedoch in erster Linie rein wirtschaftliche Interessen zu­ grunde liegen, wird sich dies bei der anschließenden Interessenabwägung zulasten des Aus­ kunftsersuchenden auswirken; vgl. Simitis-Dammann, BDSG, § 16 Rn. 17. 136 Vgl. insofern die Erwägungen oben, im 5. Teil, E. 137 Vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 16 Rn. 11; siehe auch Simitis-Dammann, BDSG, § 16 Rn. 24. 135

C. Die zivilrechtlichen Normen

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bei ist wiederum zu bedenken, dass die Tat gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 BDSG nur auf Antrag verfolgt wird.138

C. Die zivilrechtlichen Normen Im Folgenden soll die Betrachtung auf die zivilrechtlichen Anspruchsgrund­ lagen gerichtet werden. Mit Blick auf die begehrten Rechtsfolgen ist zwischen An­ sprüchen, mithilfe derer die Folgen einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung abgeschwächt oder kompensiert werden können sowie Ansprüchen auf Unter­ lassung (mit denen der Betroffene zum Teil bereits im Vorfeld eine Informations­ weitergabe oder Berichterstattung unterbinden kann) zu unterscheiden.139 Die erstgenannte Fallgruppe lässt sich unterteilen in Ansprüche auf Widerruf (die darauf abzielen, falsche Tatsachenbehauptungen mithilfe zutreffender Fak­ ten zu ersetzen), Ansprüche auf Richtigstellung oder Ergänzung (mit denen die behaupteten Tatsachen punktuell durch zutreffende Fakten korrigiert oder ergänzt werden können), Ansprüche auf den Schadensersatz (die auf den Ersatz erlittener materieller und immaterieller Schäden gerichtet sein können) sowie Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (mit denen die Herausgabe des durch die Infor­ mationsweitergabe oder Berichterstattung „Erlangten“ gefordert werden kann).140

I. Bisherige Reformbemühungen Der Ansatz, einer vorverurteilenden Berichterstattung (oder einem Vorfrei­ spruch) im Wege strafrechtlicher Sanktionen entgegenzutreten, ist nicht neu.141 So hat es bereits einige Bestrebungen gegeben, entsprechende Verhaltensweisen zu maßregeln.142 Allerdings zielten diese Reformbemühungen nicht auf eine Stär­ kung der Rechte des Tatverdächtigen ab, sondern sollten in erster Linie der Siche­ rung des Strafverfahrens dienen. Bereits im Jahr 1934 gab es einen Reformvorschlag, der die Antizipation der Schuldfeststellung zu regeln versuchte, indem er die unlautere öffentliche Erörte­ rung der Schuldfrage während eines schwebenden Verfahrens unter Strafe stellte.143 Ferner enthielt dieser Reformvorschlag einen Missachtungstatbestand, nach wel­ 138 Hinsichtlich der aus dem Strafantragserfordernis möglicherweise resultierenden Hem­ mungen auf Seiten des Beschuldigten kann auf die zu § 203 StGB gemachten Ausführungen verwiesen werden. 139 Siehe Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 99. 140 Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 99 ff.; Paschke, Medienrecht, Rn. 1049 ff. 141 Siehe Neuling, S. 252 sowie Roxin, NStZ 1991, 153 (154). 142 Vgl. Bornkamm, S. 225 ff.; Braun, S. 176 ff.; Neuling, S. 252 ff.; Roxin, NStZ 1991, 153 (154 f.); Schulz, S. 33 ff. 143 Vgl. hierzu die Niederschriften über die Sitzungen der großen Strafrechtskommission, Bd. 10 (1959), S. 513 sowie Schulz, S. 33.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

chem strafrechtlich sanktioniert werden sollte, wer die deutsche Rechtspflege, ein Gericht oder einen Richter wegen seiner amtlichen Tätigkeit beschimpfte oder bösartig verächtlich machte.144 Dieser in den Zeiten des Nationalsozialismus in der Diskussion stehende Reformvorschlag ging hinsichtlich seines Regelungsge­ halts auf das aus dem angloamerikanischen Raum stammende Rechtsinstitut des „Contempt of Court“ zurück.145 Mit diesem Rechtsinstitut sollen Störungen des Gerichtes durch äußere Einflussnahmen unterbunden werden.146 Hierdurch sollte zum einen der Schutz von Zeugen und Laienrichtern147 vor einer äußeren Beein­ flussung gewährleistet und zum anderen den Prozessparteien Schutz vor medialen Hetzkampagnen geboten werden.148 Daran anknüpfend enthielt der Entwurfs eines Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1936 zwei Vorschriften, die dem Ehrenschutz des Gerichts zu dienen bestimmt waren. Nach § 346 dieses Entwurfs sollte eine Ver­ höhnung und Verächtlichmachung des Gerichts mittels strafrechtlicher Sanktionen unterbunden werden, wobei der § 347 desselben Entwurfs die Einschüchterung von Verfahrensbeteiligten unter Strafe stellte.149 Nach einem weiteren, auf das Jahr 1950 datierenden Reformvorschlag150, wurde im Rahmen der großen Strafrechtsreform im Jahre 1962 der Entwurf eines 144

Bornkamm, S. 228; Schulz, S. 33. Siehe Bornkamm, S. 228; Neuling, S. 252; Schulz, S. 33 f.; eingehend hierzu Stürner, JZ 1978, 161 ff. 146 Vgl. Stürner, JZ 1978, 161. Ferner existiert ein weiterer „Contempt of Court“ Tatbestand im anglo-amerikanischen Recht („Scandalizing the Court“), nach dem sämtliche Vorgänge pöna­lisiert werden, welche das Gericht oder seine Richter in Misskredit bringen, ihre Autorität schmälern, oder den ordnungsgemäßen Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens stören. 147 Im Hinblick auf Berufsrichter und Sachverständige geht die anglo-amerikanische Rechts­ praxis hingegen davon aus, dass diese keiner wesentlichen Beeinflussung durch mediale Be­ richterstattungen unterliegen können, so dass sie vom Schutz dieses Rechtsinstituts ausgenom­ men wurden; vgl. Stürner, JZ 1978, 161. 148 Stürner, JZ 1978, 161. 149 Vgl. BReg. BT-Drucks. 10/4608 S. 13; Schulz, S. 33; bezüglich dieses Entwurfs lässt sich vermuten, dass die hinter der beabsichtigten Einführung dieser Vorschrift stehende Intention der Nationalsozialisten kaum auf die Sicherung einer unabhängigen und unbefangenen Arbeits­ weise der Gerichte abzielte, sondern vielmehr eine im Sinne der nationalsozialistischen Ideo­ logie geprägte Rechtsprechung absichern sollte. 150 Regierungsvorlage zum 1. Strafrechtsänderungsgesetz (1950), § 137 b, enthalten in Nieder­ schriften Bd. 10 (1959), S. 514 sowie in der BT-Drucks. 10/4608 S. 13. Nach dem Entwurf eines § 137 b Abs. 1 (E 1950) sollte mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer (1.)„mit Beziehung auf ein gerichtliches Verfahren ein Mitglied des Gerichts, einen Vertreter der Anklagebehörde oder in unlauterer Weise einen anderen Beteiligten oder dessen Vertreter einzuschüchtern sucht“; (2.) „vorsätzlich oder leichtfertig über den Gang eines gericht­ lichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahrens oder seine Ergebnisse gröblich entstellend be­ richtet“; (3.) „vor der Entscheidung des ersten Rechtszuges das noch ausstehende Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens öffentlich in einer Weise erörtert, die geeignet ist, die Unbefangenheit der Mitglieder des Gerichts, der Zeugen oder der Sachverständigen oder sonst die Findung der Wahrheit und einer gerechten Entscheidung ernsthaft zu gefährden“. Da im Jahre 1951 mehrere Vorschriften beschleunigt verabschiedet wurden, wurde diese Entwurfsvorschrift zunächst zu­ rückgestellt und blieb auch im Weiteren unerledigt; vgl. BT-Drucksache 10/4608 S. 14. 145

C. Die zivilrechtlichen Normen

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neuen § 452 als strafrechtlicher Anknüpfungspunkt zum Schutze der Strafrechts­ pflege diskutiert.151 Mithilfe dieser Vorschrift sollten die in dem Entwurf von 1950 enthaltenen und für zu ungenau befundenen Ansätze weitergehend präzi­ siert werden. Dem § 452 des Entwurfs von 1962 zufolge wird eine „Störung der Strafrechtspflege“152 angenommen, wenn jemand: 1. „den künftigen Ausgang eines Verfahrens oder den Wert eines Beweismittels in der Weise erörtert, die der amtlichen Entscheidung in dieser Sache vorgreift, oder 2. über das Ergebnis nichtamtlicher Ermittlungen, die sich auf die Sache beziehen, eine Mit­ teilung macht, die geeignet ist, die Unbefangenheit der Mitglieder des Gerichts, der Zeugen oder Sachverständigen oder sonst die Findung der Wahrheit oder einer gerechten Entschei­ dung zu beeinträchtigen …“

Dieser Entwurf der damaligen Bundesregierung war jedoch von Anfang an er­ heblicher Kritik aus-gesetzt und wurde nie verabschiedet. Roxin nimmt beispielsweise eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Ahndung vorverurteilender Berichterstattungen mit den Mitteln des materiellen Strafrechts ein.153 Er begründet dies zum einen damit, dass die Pressefreiheit in­ folge einer Pönalisierung zu sehr eingeengt und die Medien (insbesondere im Rahmen der richterlichen Hauptverhandlung) ihres Kontroll- und Überwachungs­ auftrages beraubt würden.154 Ferner könne die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG resultie­ rende Freiheit der medialen Berichterstattung zwar gem. Art. 5 Abs. 2 GG durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden, jedoch müsse ein solches Gesetz die Bedeutung der Medienfreiheiten berücksichtigen, woran es gerade bei diesem Reformentwurf mangeln würde.155 Auch an der praktischen Anwendbarkeit dieses Entwurfs wurde vielfach Kri­ tik geübt.156 Letztendlich spitzt sich diese Kritik dahingehend zu, dass die Me­ 151 Vgl. hierzu Bornkamm, S. 229 ff.; Braun, S. 177 ff.; Neuling, S. 252 ff.; Roxin, NStZ 1991, 153 (154 f.); Schulz, S. 35 ff.; Stürner, JZ 1978, 161 (163). 152 Dieser Entwurf findet sich in vollständig abgedruckter Fassung bei Braun, S. 177 und Neuling, S. 253 sowie in Auszügen bei Roxin, NStZ 1991, 153 (154). 153 Vgl. Roxin, NStZ 1991, 153 (155). 154 Roxin, NStZ 1991, 153 (155); vgl. hierzu auch Braun, S. 183. 155 Roxin, NStZ 1991, 153 (155); vgl. hierzu auch Braun, S. 183 sowie Schulz, S. 37, der darauf hinweist, dass eine Güterabwägung, bei der das beschränkende allgemeine Gesetz im Lichte der Medienfreiheiten auszulegen und seinerseits wiederum zu beschränken ist, gerade bei Normen des Strafrechts mit Blick auf den „nulla poene sine lege“ Grundsatz nicht möglich erscheint; vgl. zur „Wechselwirkungslehre“ ferner das „Lüth-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 7, 198 (202). 156 Vgl. diesbezüglich Bornkamm, S. 231 ff., der zu der Feststellung gelangt, dass es im Falle der Umsetzung des § 452 (E 1962) in geltendes Recht vor Beginn des über neun Jahre andau­ ernden deutschen „Contergan-Strafverfahrens“ möglich gewesen wäre, in medizinischen Fach­ zeitschriften veröffentlichte Berichte, welche einen möglichen Zusammenhang zwischen der Medikamenteneinnahme und den aufgetretenen Missbildungen erörterten, unter Strafe zu stel­ len (wie dies in Großbritannien tatsächlich in ähnlicher Form geschehen ist, vgl. hierzu S­ türner, JZ 1978, 161 [162]). Als weiteres Beispiel führt Bornkamm die historische Forschung über die

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

dien stets eine amtliche Informationsbekanntgabe abwarten müssten, da ansonsten zwangsläufig eine strafbare nichtamtliche Bekanntgabe i. S. d. § 452 Nr. 2 (E 1962) vorliegen würde. Aufgrund dieser Tatsache werde eine kritische Auseinanderset­ zung mit der Arbeit der Ermittlungsbehörden gänzlich unterbunden.157

II. Ansprüche aus dem Deliktsrecht Da es im Zusammenhang mit der Informationsweitergabe und der medialen Be­ richterstattung über Vorgänge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oftmals zu schwerwiegenden Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der verfah­ rensbeteiligten Personen kommt, ist den Ansprüchen des Deliktsrechts eine beson­ dere Bedeutung beizumessen.158 1. §§ 823 ff. BGB Dem von einer medialen Berichterstattung Betroffenen bieten die §§ 823 ff. BGB159 eine ganze Reihe verschiedenartiger Anspruchsgrundlagen und Vorgehens­ weisen, die zum Teil auf sehr unterschiedliche Rechtsfolgen gerichtet sind. Gewaltverbrechen des NS-Regimes an. Bei einer Sanktionierung der Berichterstattung über nichtamtliche Ermittlungsresultate wäre mit einer ungewollten Zurückhaltung historischer For­ schungsergebnisse zu rechnen gewesen (vgl. Bornkamm, S. 232 sowie Schulz, S. 38 f.). Wei­ terhin wird hinsichtlich des § 452 (E 1962) vorgebracht, dass die Medienberichterstattung mit­ unter auch positive Effekte für das Strafverfahren mit sich bringe, welche jedoch durch diesen Reformvorschlag gleichermaßen unterbunden würden (vgl. Schulz, S. 38). Ferner wird ange­ führt, dass dieser Tatbestand an erheblichen Mängeln leide. Zunächst seien hinsichtlich des objektiven Tatbestandes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nach der eine mediale Vorverurteilung in aller Regel keinen Grund darstellt, eine Beeinflus­ sung des Gerichts anzunehmen, vgl. BGHSt 22, 289) erhebliche Bedenken anzumelden, da das Rechtsgut der Rechtspflege in aller Regel durch die Berichterstattung nicht tangiert werde und somit auch die Eignung der medialen Berichterstattung, Einfluss auf das Urteil zu neh­ men, verneint werden müsse (vgl. Braun, S. 185 f., die jedoch auf die Inkonsequenz der Recht­ sprechung des BGH hinweist). Nach Braun bestehen zudem auf der subjektiven Seite des Tat­ bestandes erhebliche praktische Mängel, welche den Nachweis des Vorsatzes (bezogen auf die Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung) betreffen. Diesbezüglich bringt Braun vor, dass die Berichterstatter in aller Regel von der Richtigkeit ihrer Aussagen zur Schuld oder Unschuld des Beschuldigten, der Glaubwürdigkeit von Zeugen usw. ausgehen würden, so dass ein ent­ sprechender Vorsatz in den meisten Fällen verneint werden müsse oder zumindest kaum nach­ weisbar sei; Braun, S. 185. 157 Vgl. Bornkamm, S. 232 f.; Braun, S. 183; Schulz, S. 37 f. 158 So auch Schulz, S. 71 f. 159 Hierbei muss insbesondere an § 823 Abs. 1 BGB (i. V. m. Art 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG oder dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), § 823 Abs. 2 BGB in Ver­ bindung mit einem Schutzgesetz (z. B. §§ 185 ff. StGB; §§ 22, 23 KUG etc.; hinsichtlich des in Frage kommenden Schutzgesetzes ist zu beachten, dass es sich dabei um eine Rechtsnorm han­ deln muss, die den Schutz eines Anderen bezweckt; dies ist immer dann anzunehmen, wenn

C. Die zivilrechtlichen Normen

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Zum einen ist es möglich, mithilfe der §§ 823 ff. BGB den Anspruchsgegner zur Wiederherstellung des Zustandes zu verpflichten, der ohne das schädigende Er­ eignis bestehen würde.160 Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht muss zum einen an Ansprüche auf Wiederherstellung des guten Rufs durch Be­ richtigung (d. h. durch Widerruf, Richtigstellung oder Ergänzung) gedacht wer­ den.161 Da jedoch im Falle eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Herstellung des zuvor bestehenden Zustandes in vielen Fällen kaum möglich erscheint, wird der Geschädigte vom Schädiger anstatt der Wiederherstellung oft­ mals Geldersatz für die aufgrund der Rechtsgutsverletzung entstandenen Schä­ den verlangen.162 Zum anderen kommen bei gravierenden Rechtsgutsverletzungen nach gefestigter Rechtsprechung auch Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schä­ den in Betracht.163 Zunächst stellt das infolge einer identifizierenden und tendenziösen Bericht­ erstattungen regelmäßig beeinträchtigte Persönlichkeitsrecht des Betroffen nach allgemeiner Auffassung ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB die Norm zumindest auch dazu dient, den Einzelnen oder bestimmte Personenkreise gegen eine Rechtsgutsverletzung zu schützen; vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rn. 56a f.), § 824 BGB und § 826 BGB gedacht werden. Diese Ansprüche werden sich in erster Linie gegen die Presse richten, da bei einem Vorgehen gegen Beamte im staatsrechtlichen Sinne die Voraussetzungen der per­ sönlichen Haftung für unerlaubte Handlungen in § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG abschließend geregelt sind; vgl. Palandt-Sprau, § 839 Rn. 3. 160 Dieser Grundgedanke des Schadensersatzrechts hat sich in § 249 Abs. 1 BGB nieder­ geschlagen. 161 Vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 120 ff. Im Hinblick auf den Berichtigungs­ anspruch (der zudem aus dem Folgenbeseitigungsanspruch des § 1004 Abs. 1 BGB in analo­ ger Anwendung abgeleitet werden kann) ist anzumerken, dass dieser eine erweiterte Substan­ tiierungspflicht des Äußernden verlangt, da es ansonsten für den Anspruchssteller/Kläger in vielen Fällen kaum möglich wäre, die erweisliche Unwahrheit einer behaupteten Tatsache nachzuweisen, bzw. einen sogenannten Negativbeweis zu führen; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 123. Ein Berichtigungsanspruch in Form einer Ergänzung kommt im Hinblick auf die hier zu untersuchenden Problematik beispielsweise dann in Betracht, wenn die Medien zu­ nächst über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Beschul­ digten berichtet haben, und das Verfahren im weiteren Verlauf eingestellt wird. Unter diesen Umständen hat der Betroffene ein Recht darauf, dass die Öffentlichkeit im Wege der Ergänzung der früheren Informationen auch über die Verfahrenseinstellung in Kenntnis gesetzt wird; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 137. 162 Götting/Schertz/Seitz-Müller, § 50 Rn. 28. Die Verpflichtung zur Leistung eines Geld­ ersatzes folgt aus § 249 Abs. 2 BGB. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass tatsächlich ein materieller Schaden aufgrund einer Persönlichkeitsverletzung eingetreten ist. Ein materieller Schaden kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn der Beschuldigte infolge einer medialen Berichterstattung seinen Arbeitsplatz verloren hat. Ferner kann in diesem Zusammen­ hang auch der entgangene Gewinn gem. § 252 BGB oder der Ersatz getätigter Aufwendungen (die beispielsweise infolge einer aufgrund der medialen Berichterstattung erfolgten Kündigung ihren Zweck verfehlt haben) geltend gemacht werden; vgl. BGHZ 30, 7 (15) sowie Götting/ Schertz/Seitz-Müller, § 50 Rn. 29. 163 BGH, NJW 1995, 888; vgl. hierzu die weitergehenden Ausführungen im folgenden Gliederungs­abschnitt.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

dar.164 Das allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird dabei auf zivilrechtlicher Ebene als ein einheitliches, umfassendes subjektives Recht auf Achtung und Entfal­ tung der Persönlichkeit verstanden.165 Der Schutzgegenstand des Persönlichkeits­ rechts lässt sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Persönlichkeitssphären um­ reißen.166 Hierbei genießt die Intimsphäre, welche den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (insbesondere die Gedanken- und Gefühlswelt) ausmacht, den stärksten Schutz.167 Die Privatsphäre umfasst hingegen den Bereich des persön­ lichen Lebens, zu dem andere Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des jeweils Betroffenen Zugang haben, und hierbei insbesondere den häuslichen, familiären oder sonstigen, der Öffentlichkeit entzogenen Bereich.168 Der Sozialsphäre kommt der geringste Schutz zu, da diese die Beziehungen einer Person zu ihrer Umwelt, dem Beruf sowie ihr Auftreten in der Öffentlichkeit betrifft.169 Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB ist fer­ ner eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung einer durch § 823 BGB ge­ schützten Rechtsposition. Die mit einer Namensnennung, Abbildung oder der Preisgabe weiterer persönlicher Details verbundene Berichterstattung über den Beschuldigten führt regelmäßig zu Beeinträchtigungen in seinem Persönlich­ keitsbereich170 und stellt folglich eine taugliche Verletzungshandlung i. S. d. § 823 Abs. 1 StGB dar. Problematischer ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen von einer wider­ rechtlichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB ausgegangen werden kann.171 Dazu hat der Bundesgerichtshof eine Reihe von Kriterien erarbeitet, anhand derer die Rechtswidrigkeit zu bestimmen sei. In­ sofern soll es entscheidend darauf ankommen, ob bei einer Berichterstattung jour­ nalistische Sorgfaltspflichten eingehalten wurden, was nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der konkreten Situation ermittelt werden müsse.172 Im 164 Vgl. BGHZ 24, 72 (77); 27, 284 (286); 50, 133 (143); Götting/Schertz/Seitz-Müller, § 50 Rn. 4. 165 BGHZ 13, 334 (338 ff.). 166 Soergel-Beater, Anh IV § 823 Rn. 42 ff.; vgl. zu den Schutzbereichen des allgemeinen Persönlichkeitsrecht die ausführliche Darstellung bei Wandtke-Boksanyi, Medienrecht Pra­ xishandbuch, Bd. 4, Teil 3. Kap. 1 Rn. 35 ff sowie die Ausführungen weiter unten, im 8. Teil, D. I. 2. 167 Palandt-Sprau, § 823 Rn. 87; Soergel-Beater, Anh. IV § 823 Rn. 43. 168 Palandt-Sprau, § 823 Rn. 87; Soergel-Beater, Anh. IV § 823 Rn. 44. 169 Vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rn. 87; Soergel-Beater, Anh. IV § 823 Rn. 45. 170 BVerfGE 35, 202 (226). 171 Hierbei soll nicht weiter auf die umstrittene Frage eingegangen werden, ob bei der Be­ stimmung der Rechtswidrigkeit auf die Verletzungshandlung oder den Verletzungserfolg ab­ zustellen ist; vgl. hierzu Palandt-Sprau, § 823 Rn. 24. 172 Vgl. BGH NJW 1995, 886 (888). Die Erfüllung journalistischer Sorgfaltspflichten ist dem Bundesgerichtshof zufolge ferner bei der Frage, ob sich die Medien auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können und eine widerrechtliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht entfällt, von Bedeutung.

C. Die zivilrechtlichen Normen

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Konkreten ist die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung zu verneinen, so­ lange noch kein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt, der auf den Wahr­ heitsgehalt der Information schließen lässt und den Informationen überhaupt erst einen „Öffentlichkeitswert“ verleiht. Dieser „Öffentlichkeitswert“ der jeweili­ gen Informationen muss ferner mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Be­ schuldigten abgewogen werden.173 Die bei der Recherche an die Medien zu stel­ lenden Sorgfaltsanforderungen sind dabei umso höher anzusetzen, je gravierender die Beeinträchtigungen ausfallen, die durch die Veröffentlichung beim Betroffe­ nen zu erwarten sind.174 Zudem muss dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wer­ den, bevor ehrenrührige Tatsachen, die nicht durch eine hinreichende Informa­ tionsbasis verifiziert sind, den Medien oder der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.175 Insbesondere darf die Darstellung des Beschuldigten dabei keine Elemente enthal­ ten, durch die der falsche Eindruck hervorgerufen werden könnte, der Betroffene sei der ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe bereits überführt.176 Demnach ist gerade in Fällen identifizierender und tendenziöser Mitteilungen von deren Rechtswid­ rigkeit auszugehen, so dass entsprechende Berichte Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auslösen können.177 2. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG Ferner besteht für die von einer Informationsweitergabe betroffenen Verfahrens­ beteiligten die Möglichkeit, von den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden nach § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG Kompensation bereits eingetretener Be­ einträchtigungen zu fordern.178 Nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Beamter, der vorsätzlich oder fahr­lässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, verpflichtet, diesem den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.179 Artikel 34 GG bestimmt

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Siehe BGH NJW 1977, 1288 f.; BGH NJW 2000, 1036. BGH NJW 1972, 1658 (1659); BGH NJW 1977, 1288 (1289); BGH NJW 2000, 1036. 175 BGH NJW 1995, 886 (888). 176 BGH NJW 1995, 886 (888); BGH NJW 2000, 1036 f. 177 Hingegen kann dies bei zutreffenden und ausgewogenen Mitteilungen, die sich dadurch auszeichnen, dass ausdrücklich auf das Bestehen eines bloßen Tatverdachts hingewiesen wird, in aller Regel nicht angenommen werden, da in in diesen Fällen keine widerrechtliche Ver­ letzungshandlung vorliegt; vgl. Schulz, S. 73. Bezüglich der Problematik, dass ein Ersatz immaterieller Schäden nach ständiger Rechtsprechung lediglich in Fällen schwerwiegender persönlichkeitsrechtlicher Beeinträchtigungen anerkannt wird, soll auf die Ausführungen im folgenden Gliederungspunkt, im 6. Teil, C. I. 2. verwiesen werden. 178 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Dalbkermeyer, S. 233 ff. 179 § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt zudem, dass ein Beamter, der lediglich fahrläs­ sig gehandelt hat, nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht 174

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

hierbei (neben einer Ausweitung des personellen Regelungsbereichs von § 839 BGB auf den Beamten im haftungsrechtlichen Sinne180) eine Haftungsverlage­ rung, nach welcher der Staat anstelle des Beamten haftet, wenn dieser in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat.181 Dieser Amtshaftungs­ anspruch wird zumeist auf die Zahlung einer Geldentschädigung zur Kompensa­

anderweitig Ersatz zu erlangen vermag. Ferner enthält § 839 Abs. 3 BGB eine Regelung, nach der die Ersatzpflicht entfällt, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unter­ lassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Diesbezüg­ lich weist Dahs darauf hin, dass Schadensersatzforderungen aufgrund rechtswidriger Presse­ verlautbarungen den Betroffenen früher nur äußerst selten zugesprochen wurden; vgl. Dahs, NStZ 1986, 563. Der Anspruch scheiterte oftmals daran, dass die Beschuldigten es unterlas­ sen hatten, zuvor im Wege einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Mitteilungen der Staats­ anwaltschaften oder Polizeibehörden vorzugehen und die Ersatzpflicht nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen war (auch die teilweise Ursächlichkeit einer Rechtsmittelversäumung nach § 839 Abs. 3 BGB führte zu einem vollständigen Anspruchsausschluss), oder es wurde ein Verschulden des handelnden Amtsträgers verneint; siehe BGH VersR 1985, 358 (359); vgl. auch Dahs, NStZ 1986, 563 und Dalbkermeyer, S. 234. Die Rechtsposition der Betrof­ fenen wurden jedoch durch eine Entscheidung des dritten Zivilsenats des Bundesgerichts­ hofs vom 16. Januar 1986 erheblich gestärkt. Dabei stellte das Gericht fest, dass eine Er­ satzpflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nur dann entfällt, „soweit die schuldhafte Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs für den Schaden ursächlich geworden ist“. Ferner dürfe bei der Prüfung der Ursächlichkeit der Nichteinlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde nicht darauf abge­ stellt werden, wie richtigerweise hätte entscheiden werden müssen, sondern es sei die tat­ sächliche Behördenpraxis zu berücksichtigen; vgl. BGH NStZ 1986 562 f. Darüber hinaus wurden die Exkulpationsmöglichkeiten der Ermittlungsbehörden bei Verschuldensfragen er­ heblich eingeschränkt; in diesem Sinne auch Dahs, NStZ 1986, 563 (564) und Dalbkermeyer, S. 234. 180 Siehe Palandt-Sprau, § 839 Rn. 15. 181 Vgl. Palandt-Sprau, § 839 Rn. 12; Staudiger-Wurm, § 839 Rn. 20. Zu einer Haftungs­ verlagerung auf den Staat kommt es hingegen nicht, wenn die Informationsweitergabe ledig­ lich bei „Gelegenheit“ der Amtstätigkeit erfolgt, d. h. wenn kein innerer Zusammenhang zwi­ schen der Zielsetzung der hoheitlichen Tätigkeit und dem schädigenden Ereignis besteht; vgl. Palandt-Sprau, § 839 Rn. 19. Dies könnte z. B. angenommen werden, wenn Informationen aus dem Ermittlungsverfahren gegen Zahlung eines hierfür vereinbarten Betrages heimlich an die Medien weitergegeben werden, da entsprechende Handlungen zwar während des Diens­ tes, jedoch aus rein persönlichen und eigennützigen Motiven heraus vorgenommen würden. Probleme ergeben sich jedoch, wenn die Beeinträchtigung aus einer Tätigkeit resultiert, bei welcher der Amtsträger seine dienstlichen Befugnisse überschreitet; vgl. MüKoBGB-Papier (5.Aufl.), § 839 Rn. 188 ff. Insofern wäre an die Konstellation zu denken, in der einem Amtsträ­ ger die Aufgabe obliegt, die Medien über bestimmte Vorgänge des Ermittlungsverfahrens sach­ lich und objektiv zu unterrichten, dieser jedoch der Mitteilung eigenmächtig identifizierende und tendenziöse Elemente hinzufügt. Letztendlich ist auch insoweit ein Haftungsübergang auf den Staat anzunehmen, da es ansonsten stets möglich wäre, eine Haftungsverlagerung unter Verweis auf die Ziffer 23 RiStBV zu unterbinden. Dies hätte für den Betroffenen den Nach­ teil, dass er sich mithilfe des § 839 BGB nur an den handelnden Beamten wenden könnte, wo­ hingegen ein Vorgehen gegen den Rechtsträger lediglich nach den allgemeinen Vorschriften (wie z. B. § 831 BGB) möglich wäre. Somit würde der Betroffene in der Regel das Insolvenz­ risiko des handelnden Beamten tragen, ohne dass er den Rechtsträger als regelmäßig solvente­ ren Schuldner in Anspruch nehmen könnte.

C. Die zivilrechtlichen Normen

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tion immaterieller Schäden gerichtet sein.182 Es muss jedoch berücksichtigt wer­ den, dass bei einer rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Opfer lediglich ein Ersatz für immaterielle Schäden zuzusprechen ist, wenn es sich um einen besonders schwerwiegenden Eingriff handelt, der nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann.183 Bei der Beurteilung der Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist maßgebend abzustellen auf die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, die Nachhaltigkeit der hierdurch veranlassten Interessen 182 Da es für den Beschuldigten oftmals kaum möglich ist, einen konkret entstandenen ma­ teriellen Schaden nachzuweisen, wird mit dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG im Großteil der Fälle die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgel­ des begehrt (d. h. der Ersatz des immateriellen Schadens; so auch Bornkamm,NStZ 1983, 102 [107]; vgl. ferner BGH NJW 1994, 1950; BGH NJW 2003, 3693 [3697]; OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791 [1797]; LG Düsseldorf NJW 2003, 2536 [2537 ff.]; Neuling, StV 2008, 387). Diese Situation lag unter anderem (daneben wurde Ersatz der Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz aller weiterhin entstehenden Kosten beantragt) der Klage des früheren Vorstandsvorsitzenden der Mannesmann Demag AG Klaus Esser gegen das Land Nordrhein-Westfalen zugrunde. Mit Urteil des LG Düsseldorf vom 30. April 2003 (LG Düsseldorf NJW 2003, 2536 ff.) wurde das Land Nordrhein-Westfalen verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro (ursprünglich beantragt war ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro) aufgrund amtspflichtwidriger Mitteilungen zu zahlen, wobei die Klage im Übrigen abgewiesen wurde. Hierbei sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Klä­ ger infolge amtspflichtwidriger Mitteilungen der Bediensteten des beklagten Landes in rechts­ widriger Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Als pflichtwidrig erachtete das Gericht im Einzelnen die Mitteilung des Generalstaatsanwalts gegenüber Mitar­ beitern des Spiegel, er werde die Weisung erteilen, Ermittlungen aufzunehmen, bevor der Klä­ ger als Beschuldigter über diese Weisung und die Aufnahme der Ermittlungen in Kenntnis ge­ setzt wurde. Ferner wurde auch die Weitergabe von Informationen über eine umfangreiche und unmittelbar bevorstehende Durchsuchung (welche tatsächlich nie durchgeführt wurde) sowie über die Prüfung einer Vermögenssicherung vom Gericht als pflichtwidrig erachtet. Eine wei­ tere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers erblickte das Gericht in der Veröffent­ lichung eines Artikels auf dem Internet-Portal des Landesjustizministerium, in dem es unter an­ derem hieß: „Gangster in Nadelstreifen richten in Deutschland Jahr für Jahr mehr Schaden an als alle Ladendiebe, Einbrecher und Bankräuber zusammen“. Ferner wurden auch die über die­ ses Portal verbreiteten Mitteilungen, in denen vom „Selbstbedienungsladen Mannesmann“ und dem „Boss einer Selbstbedienungsbude“ die Rede war, von dem Gericht als pflichtwidrig er­ achtet. Zudem wurde eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers aufgrund des Um­ standes angenommen, dass der Leitende Oberstaatsanwalt im Rahmen einer Pressekonferenz wiederholt von der „Käuflichkeit“ des Klägers sprach und zudem äußerte, er sehe die „Version des Klägers von den Vorkommnisse als widerlegt an“ (vgl. auch die Zusammenfassung bei Becker-Toussaint, NJW 2004, 414 [415 ff.]). Sowohl die vom Kläger aufgrund der Teilabweisung eingelegte Berufung als auch die eingelegte Anschlussberufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage insgesamt beantragte, sah das OLG Düsseldorf als unbegründet an; vgl. OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791 ff. 183 Siehe BGHZ 78, 274 (280); BGH NJW 1971, 698; BGH NJW 1994, 1950 (1952); vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791 (1797) sowie Bornkamm, NStZ 1983, 102 (107). Da es in aller Regel nicht möglich sein wird, dem Beschuldigten im Wege des Widerrufs Genug­tuung zu verschaffen, wird die zweite Voraussetzung zumeist erfüllt sein; vgl. Bornkamm, NStZ 1983, 102 (107).

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

und Rufschädigung auf Seiten des Verletzten, den Anlass und die Beweggründe auf Seiten des Handelnden sowie den Grad seines Verschuldens.184 Ob eine Persönlichkeitsrechtsverletzung unter Zuhilfenahme der zuvor genann­ ten Kriterien die Anerkennung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld rechtfertigt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.185 Bornkamm und Dalbkermeyer weisen jedoch darauf hin, dass Schadensersatzansprüche von der Rechtsprechung im Falle einer späteren Verurteilung des Beschuldigten ab­ gelehnt186 und und bei einer Verflüchtigung der Verdachtsmomente im Verlauf des Strafverfahrens anerkannt187 wurden.188 Nach Auffassung der Gerichte müsse der Beschuldigte die Offenlegung seiner Identität ohnehin zu einem späteren Zeit­ punkt dulden. Ferner führe die nachträgliche gerichtliche Bestätigung der Vor­ würfe dazu, dass sich die im Laufe der Ermittlungen erhobenen Beschuldigungen bereits zum Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahr erwiesen hätten und keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegen könne.189 An dieser Stelle ist jedoch mit Bornkamm und Dalbkermeyer hervorzuheben, dass es für die Beurteilung der Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen keinen Unter­ schied macht, ob ein während des Ermittlungsverfahrens bestehender Tat­verdacht sich im weiteren Verfahrensverlauf als haltlos erweist oder sich er­härtet und zu einer Verurteilung des Beschuldigten führt.190 Sollte der Kern­gedanke der Un­ schuldsvermutung tatsächlich ernstgenommen werden, so könne es nur darauf an­ kommen, dass der Tatverdächtige der Öffentlichkeit in einem Verfahrensstadium als schuldig und überführter Straftäter präsentiert wurde, in welchem von seiner

184 Vgl. BGH NJW 1996, 985 f.; BGH NJW 1996, 1131 (1134); BGH NJW 2005, 215. Schwerwiegende Eingriffe in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurden im Fall von Klaus Esser zum einen in der Vorabinformation der Presse sowie in der Äußerung des leitenden Ober­ staatsanwalts auf der Pressekonferenz erblickt; vgl. OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791 (1797). Ferner sah das LG Düsseldorf in der Ausgangsentscheidung die Schwere der Rechtsgutsverlet­ zung in der über einen längeren Zeitraum erfolgenden Zahl von Rechtsgutsverletzungen, der Bedeutung der einzelnen Rechtsgutsverletzungen sowie in dem Umstand begründet, dass die Justizbediensteten des Landes diese Persönlichkeitsrechtsverletzungen ausgerechnet in einem besonders öffentlichkeitswirksamen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren begingen; vgl. LG Düsseldorf NJW 2003, 2536 (2542); Becker-Toussaint, NJW 2004, 414 (415). 185 BGH NJW 1996, 985; BGH NJW 2005, 215 (217 f.); OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791 (1797). 186 Siehe KG NJW 1968, 1969 f. 187 Vgl. BGH NJW 1963, 904 f. In dieser Entscheidung kam es nach dem Gericht jedoch in erster Linie darauf an, dass der von der Presse wiedergegebene Tatvorwurf nicht mit dem Stand der Ermittlungen korrespondierte und den Redakteuren insofern eine Vernachlässigung ihrer Prüfungspflichten vorzuwerfen sei. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs verließen sich die Redakteure lediglich auf die fernmündliche Durchsage eines freien Mitarbeiters, dem die Information zuvor von einem anderen Journalisten zugetragen worden war. 188 Siehe Bornkamm, NStZ 1983, 102 (107); Dalbkermeyer, S. 234 f. 189 Vgl. KG NJW 1968, 1969 f. sowie Dalbkermeyer, S. 234 f. 190 Vgl. Bornkamm, NStZ 1983, 102 (107); Dalbkermeyer, S. 235.

C. Die zivilrechtlichen Normen

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Unschuld auszugehen sei.191 Diese Ansicht überzeugt, da es bei der Beurteilung eines persönlichkeitsrechtlichen Eingriffs lediglich auf den Zeitpunkt seiner Vor­ nahme ankommen kann (insofern gilt eine ex ante-Betrachtung).192 Hingegen besteht die Möglichkeit, eine nachträgliche Verurteilung des Beschuldigten im Rahmen der Höhe des Schmerzensgeldes – die aus der ex post-Sichtweise zu be­ stimmen ist – zu berücksichtigen.193 Letztendlich bietet der aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG resul­ tierende Amtshaftungsanspruch zumindest in Fällen besonders schwerwiegender Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein durchaus adäquates Mittel für den Beschuldigten, gegen identifizierende und tendenziöse Mitteilungen der Er­ mittlungsbehörden mittels zivilrechtlicher Instrumentarien vorzugehen.194

III. § 1004 BGB Des Weiteren kann dem Betroffenen im Hinblick auf eine zukünftig drohende In­ formationsweitergabe/Berichterstattung ein vorbeugender Unterlassungs­anspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zur Verfügung stehen. Bei bereits erfolg­ 191 Vgl. insoweit die differenzierten Ausführungen bei Dalbkermeyer, S. 234 f. Dalbker­meyer schlägt indessen vor, dass sich eine gerichtliche Bestätigung des im Ermittlungsverfahren be­ stehenden Tatverdachts auf die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes auswirken sollte. Dieser Gedankengang liegt nicht fern, da die Höhe des entstandenen Schadens und demnach auch die Höhe des Schmerzensgeldes aus der „ex post“-Sichtweise zu beurteilen sind und inso­ fern ein durch ein rechtskräftiges Urteil festgestelltes eigenes Verschulden des Beschuldigten dabei in Ansatz gebracht werden könnte. 192 Vgl. hierzu Bornkamm, NStZ 1983, 102 (107), demzufolge der Eingriff bereits mit der identifizierenden oder präjudizierenden Veröffentlichung beendet ist. 193 Vgl. Bornkamm, NStZ 1983, 102 (107); Dalbkermeyer, S. 235. Hierin besteht auch kein Wertungswiderspruch zu § 190 StGB, nach dem eine Strafbarkeit i. S. d. §§ 185, 186, 187 StGB in aller Regel entfällt, wenn der Wahrheitsbeweis durch ein Strafurteil erbracht wurde. Bei § 190 StGB handelt es sich – trotz seiner Stellung im Strafgesetzbuch – um eine Norm des Strafprozessrechts, welche den Grundsatz der freien Beweiswürdigung i. S. d. § 261 StPO verdrängt und die Beweislastregel des § 186 StGB ergänzt; vgl. Fischer, StGB, § 190 Rn. 2 f.; LK-Hilgendorf, § 190 Rn. 6. Ferner entfalten Urteile der Strafgerichte gegenüber den Zivilge­ richten keine zwingende Bindungswirkung. 194 Um einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens auszulösen, könnte es sich für den Beschuldigten (oder seinen Verteidiger) anbieten, unmittelbar nach Kenntniserlangung von der Einleitung der Ermittlungen die ermittelnden Behörden dazu aufzufordern, ihnen sämtliche Pressemitteilung vor einer Veröffentlichung zukommen zu lassen (vgl. zu den Verteidigungs­ strategien gegenüber den Medien Hohmann, NJW 2009, 881 [883]). Verstöße gegen solche Ob­ liegenheiten können zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens über den Grad des Verschuldens des handelnden Beamten bei den Gesamtumständen in Ansatz gebracht werden und sich somit auf die Schwere des Verschuldens auswirken. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass auf Seiten des Beschuldigten oftmals dieselben Bedenken bestehen wer­ den, wie bei der Stellung eines Strafantrages gegen die ermittelnden Behörden, da auch in die­ sem Fall kaum mehr mit einem „wohlwollenden“ Verhalten der Strafverfolgungsbehörden zu rechnen ist.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

ten Beeinträchtigungen kommt zudem ein Anspruch auf Unterlassung weiterer Be­ einträchtigungen in entsprechender Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht.195 Hierdurch ist es möglich, eine bestimmte und näher bezeichnete Äuße­ rung bereits im Vorfeld zu unterbinden oder eine dahingehende Verpflichtung zu begründen, eine bestimmte Äußerung nicht erneut zu tätigen/zu veröffentlichen.196 In seiner direkten Anwendung schützt § 1004 BGB zunächst nur das Eigen­ tum197, jedoch ist es allgemein anerkannt, dass alle absoluten Rechte (zu denen auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gehört) unter die von § 1004 BGB ge­ schützten Rechtsgüter gefasst werden können.198 Voraussetzung für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 BGB ist zunächst eine bereits erfolgte oder bevorstehende Verletzung einer absoluten Rechtsposition.199 Wenn der Be­ schuldigte die Unterlassung einer erstmalig zukünftig drohenden Veröffentlichung begehrt, hat er das Vorliegen einer sog. Erstbegehungsgefahr darzulegen. Für die Annahme einer solchen Erstbegehungsgefahr ist es erforderlich, dass eine rechts­ verletzende Mitteilung ernstlich droht, d. h. es müssen konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden, welche für die Gefahr eines Eingriffs sprechen.200 Dieser Darlegungspflicht wird der Anspruchssteller in der Praxis nur in Aus­ nahmefällen nachkommen können, es sei denn, ihm sind bereits konkrete Anzei­ chen hinsichtlich einer bevorstehenden Informationsweitergabe oder Veröffent­ lichung zur Kenntnis gelangt.201 Wenn bereits ein rechtswidriger Eingriff erfolgt 195

Ferner kann aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Beseitigung eingetretener Folgen abgeleitet werden, der unter anderem auf Berichtigung einer bereits erfolgten Veröffent­ lichung in Form eines Widerrufs, einer Richtigstellung, oder einer Ergänzung abzielen kann; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 120 ff.; Palandt-Sprau, Einf. v. § 823 Rn. 28 u. PalandtBassenge, § 1004 Rn. 50. Bei dieser Differenzierung ist danach zu unterscheiden, ob auf Seiten des Schädigers ein Verschulden anzunehmen ist oder nicht (bei Verschulden ist einer der delik­ tischen Ansprüche i. S. d. §§ 823 ff. BGB und nicht der verschuldensunabhängige § 1004 BGB einschlägig; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 121). 196 Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 104. 197 Des Weiteren werden eine Vielzahl anderer dinglicher Rechte (vgl. z. B. die §§ 1027, 1065, 1090 Abs. 2 BGB) aufgrund von Verweisungen auf § 1004 BGB geschützt. 198 Vgl. MüKoBGB-Baldus (5.Aufl.), § 1004 Rn. 7; Palandt-Bassenge, § 1004 Rn. 4; Paschke, Medienrecht, Rn. 1096. Andere in diesem Zusammenhang möglicherweise tangierte und dem Schutzbereich von § 1004 BGB zuzuordnende absolute Rechte sind z. B. das Recht am eigenen Bild gem. § 22 KUG sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Fer­ ner umfasst § 1004 BGB auch den Schutz deliktisch geschützter Rechtsgüter i. S. d. §§ 823 ff. BGB; vgl. Palandt-Bassenge, § 1004 Rn. 4. Zudem unterliegen sowohl Tatsachenbehauptun­ gen wie auch reine Meinungsäußerungen dem Anwendungsbereich des § 1004 BGB; vgl. BGH GRUR 1975, 89 (90 ff.). 199 Paschke, Medienrecht, Rn. 1097. 200 Palandt-Bassenge, § 1004 Rn. 32. 201 Vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 105 u. 109. Dabei genügt es nicht, wenn in ähn­ lich gelagerten Fällen (z. B. bei Ermittlungsverfahren gegen Personen des öffentlichen Le­ bens, bei außergewöhnlichen oder schweren Straftaten etc.) mit der Weitergabe von Informa­ tionen und einer medialen Berichterstattung aufgrund gefestigter Erfahrungswerte regelmäßig zu rechnen ist. Die Rechtsprechung stellt an die Voraussetzungen eines vorbeugenden Unter­

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ist und sich das Unterlassungsbegehren gegen eine erneute Veröffentlichung rich­ tet, ist wiederum das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr erforderlich.202 Dieser Anspruch unterliegt insofern erleichterten Anforderungen, da das Bestehen einer Wiederholungsgefahr (d. h. die auf Tatsachen gründende objektive und ernstliche Besorgnis weiterer Störungen) infolge der vorangegangenen rechtswidrigen Be­ einträchtigung in tatsächlicher Hinsicht vermutet wird.203 Eine weitere Voraussetzung für die Annahme eines Unterlassungsanspruchs ist das Vorliegen eines objektiv widerrechtlichen Angriffs.204 Das Kriterium der Wie­ derrechtlichkeit bildet dabei das „Einfallstor“ für die Abwägung der verschiede­ nen beeinträchtigten Grundrechtspositionen.205 Letztendlich kann es sich für den von einer medialen Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfah­ ren Betroffenen – insbesondere bei einer bereits erfolgten Beeinträchtigung – anbieten, weiteren Eingriffen in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht durch die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs vorzubeugen.206

IV. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB Des Weiteren kann dem von einer medialen Berichterstattung betroffenen Per­ sonenkreis unter gewissen Umständen ein Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gegenüber den Medien zustehen (dieser Anspruch kann sich nicht an die Ermittlungsbehörden richten).207 Hiermit können zum einen die Materia­lien (z. B. Fotos), deren Veröffentlichung bereits nach § 1004 BGB zu un­

lassungsanspruchs hohe Anforderungen. Danach muss die ernsthafte Besorgnis bestehen, dass der Antragsgegner eine zu beanstandende Behauptung in nicht allzu naher Zukunft aufstellen oder verbreiten wird. Ob eine entsprechende Erstbegehungsgefahr vorliegt, ist dabei nach ob­ jektiven Kriterien zu bestimmen. Insofern wird es beispielsweise nicht als ausreichend erachtet, wenn lediglich Recherchemaßnahmen von einer Redaktion vorgenommen wurden; vgl. OLG Hamburg AfP 1992, 279 f. 202 Neuling, StV 2008, 387 (389). 203 Vgl. BGH NJW 1999, 356 (358); Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 105; PalandtBassenge, § 1004 Rn. 32, wonach an die Widerlegung dieser tatsächlichen Vermutung hohe An­ forderungen zu stellen sind; siehe auch Petersen, Medienrecht, § 5 Rn. 11. Die Wiederholungs­ gefahr kann jedoch dadurch ausgeräumt werden, dass der Anspruchsgegner eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 105. 204 Vgl. Palandt-Sprau, Einf v § 823 Rn. 19. 205 Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 1101. Insbesondere der Vorschrift des § 193 StGB kommt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Funktion zu; vgl. Soergel-Münch, § 1004 Rn. 261. Insofern kann auf die zu den §§ 823 ff. BGB und § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG gemach­ ten Ausführungen – weiter oben, im 6. Teil, C. I. – verwiesen werden. 206 Für den Betroffenen besteht dabei die Möglichkeit, diesem Begehren mit einer Unter­ lassungsklage oder aufgrund der oftmals gegebenen Dringlichkeit im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zum Tragen zu verhelfen; vgl. Dalbkermeyer, S. 210. 207 Vgl. hierzu die ausführliche Behandlung der bereicherungsrechtlichen Problematik bei Petersen, Medienrecht, § 6 Rn. 1 ff.

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terlassen ist, vom Betroffenen heraus verlangt werden.208 Ferner ist es mithilfe dieser Norm möglich, die Herausgabe des durch die unbefugte Benutzung per­ sönlichkeitsrechtlicher Befugnisse erzielten Gewinns zu fordern.209 Damit die tat­ bestandlichen Voraussetzungen dieses Kondiktionsanspruchs erfüllt sind, müssen die Medien zunächst etwas erlangt haben. Darunter fallen in dem hier zu untersu­ chenden Zusammenhang all diejenigen Vorteile, welche sich aus der Benutzung fremder persönlichkeitsrechtlicher Befugnisse ergeben.210 Ferner darf das Erlangte nicht auf der Leistung211 eines anderen beruhen, son­ dern muss aus dem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht resultieren. Weiterhin ist zur Annahme des Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB er­ 208

Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 1159. Nach Paschke dient der Herausgabeanspruch in­ sofern einer „Effektivierung“ des Unterlassungsanspruchs aus § 1004 BGB. 209 Siehe Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 158 f. Der Wert kann hierbei im Wege der Lizenz­ analogie geschätzt werden, d. h. er wird nach den üblichen Lizenzgebühren für eine entspre­ chende Nutzung festgesetzt; vgl. Peters, Medienrecht, § 6 Rn. 24 ff. 210 Hinsichtlich dieser Voraussetzung wird vorgebracht, dass ein Anspruch aus Eingriffskon­ diktion nur in Erwägung gezogen werden könne, wenn der Eingriff auf der Verletzung einer kommerziellen Verwertungsbefugnis beruhe; vgl. Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 320 so­ wie Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 773. Nach Prinz/Peters soll dies im Bereich des Medien­ rechts dort eine Rolle spielen, wo üblicherweise mit einer Vergütung für die Veröffentlichung zu rechnen ist, z. B. wenn der Name, eine Äußerung oder das Bild einer Person zu Werbezwe­ cken genutzt wird; vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 773. Es sind jedoch erhebliche Zwei­ fel dagegen anzumelden, eine Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten anhand des Kriteriums einer objektiven „Kommerzialisierbarkeit“ vorzunehmen. Unter dieser Bedin­ gung kann ein Lizenzanspruch lediglich solchen Personen zugesprochen werden, bei denen eine Vermarktung der sie betreffenden Informationen aufgrund ihres Bekanntheitsgrades nahe­ liegt, oder die bereits zuvor entsprechende Informationen erfolgreich vermarktet haben. Hier­ bei wird verkannt, dass die Medien gerade durch die Verwendung bestimmter Informationen ihrem Auswertungsinteresse Ausdruck verleihen, wobei sie selbst in aller Regel von der kom­ merziellen Nutzungsmöglichkeit ausgehen werden; vgl. Wandtke-Grassmann/Begemann, Pra­ xishandbuch Medienrecht, 1. Aufl. (2008), Teil 6, Kap. 3 Rn. 92. Im Hinblick auf die uner­ wünschte Verwendung von Bildnissen, Namen etc. der am Ermittlungsverfahren beteiligten Personen ist anzumerken, dass der Bundesgerichtshof in Abkehr zu seiner in der „Herrenrei­ ter-Entscheidung“ zum Ausdruck kommenden Rechtsprechung, inzwischen nicht mehr die Ge­ währung einer Lizenzgebühr davon abhängig macht, ob der Betroffene bereit oder in der Lage ist, gegen ein Entgelt Lizenzen für die Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe zu gewähren; vgl. zur alten Rechtsprechung BGHZ 26, 349 (353) sowie zu der inzwischen geänderten Auf­ fassung BGHZ 169, 340 (344). 211 In Anbetracht des Grundsatzes des Vorrangs der Leistungsbeziehungen ist stets zu prüfen, ob der Kondiktionsgegenstand nicht durch die Leistung (d. h. durch die „bewusste und zweck­ gerichtete Vermehrung fremden Vermögens“; vgl. BGHZ 40, 272 (277); 58, 184 (188); Pa­ landt-Sprau, § 812 Rn. 14) eines anderen erlangt wurde. Insofern könnten sich Probleme er­ geben, wenn die Informationen aus dem Ermittlungsverfahren den Medien durch die Behörden von Staatsanwaltschaft und Polizei (z. B. gegen Zahlung eines Entgelts) „zugespielt“ werden. Jedoch würde auch in solchen Fällen z. B. lediglich der körperliche Gegenstand eines Bildes, Fotos etc. geleistet, nicht jedoch die entsprechenden Verwertungsrechte, über die weder die Er­ mittlungsbehörden noch die Medien verfügen können. Demnach kann auch in der soeben ge­ nannten Fallkonstellation keine vorrangige Leistungsbeziehung angenommen werden.

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forderlich, dass der Eingriff auf Kosten des Anspruchsstellers erfolgt.212 An die­ ser Stelle ist zu fragen, ob die auf Seiten des Anspruchsgegners eingetretene Ver­ mögensmehrung unter Verstoß gegen den Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts erfolgte, was immer dann angenommen werden muss, wenn das verletzte Recht einen konkreten Zuweisungsgehalt aufweist und dieses Recht ausschließlich dem Anspruchssteller zugewiesen ist.213 Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die unter Ausnutzung des Persönlichkeitsrechts einer Person erfolgende mediale Be­ richterstattung zu einem vermögenswerten Vorteil auf Seiten des Antragsgegners führt.214 Des Weiteren darf dem Erwerb kein rechtlicher Grund zugrunde liegen.215 An dieser Stelle muss geprüft werden, ob die Nutzung (z. B. eines Bildnisses, Namens etc.) aufgrund berechtigter (öffentlicher) Interessen oder anderweitiger Vorschrif­ ten erlaubt sein könnte.216 Der nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB herauszuge­ bende Betrag wird ferner im Wege der Lizenzanalogie bestimmt. Dieser Wert wird im Bereicherungsrecht aus dem gesparten Honorar gebildet, das der Anspruchs­ steller für eine Erlaubniserteilung erhalten hätte.217 Letztendlich ist jedoch bei der Anwendung des bereicherungsrechtlichen An­ spruchs auf die hier in Rede stehende Konstellation zu bedenken, dass die Her­ ausgabe ersparter Aufwendungen im Wege der Lizenzanalogie bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach der bisherigen Rechtsprechung le­ diglich in Fällen von kommerziellen Bildnis-, oder Namensnutzungen zu Werbe­ zwecken zugestanden wurde, so dass ein Vorgehen nach § 812 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bei rein informativen oder „unterhaltenden“ Berichten über Vorgänge und Geschehnisse des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in den meisten Fäl­ len keine allzu große Aussicht auf Erfolg versprechen dürfte.218 212 Bei der Nichtleistungskondiktion ist im Gegensatz zur Leistungskondiktion nicht auf die Leistungsbeziehung und den hiermit verfolgten Zweck abzustellen, sondern es kommt ent­ scheidend auf den Widerspruch des Erwerbs zum Zuweisungsgehalt des verletzten Rechts an; vgl. Palandt-Sprau, § 812 Rn. 44. Ferner ist in Abgrenzung zu den Schadensersatzansprüchen nicht auf die Vermögenslage beim Anspruchssteller, sondern maßgeblich darauf abzustellen, ob beim Anspruchsgegner eine Vermögensmehrung eingetreten ist; vgl. Götting/Schertz/SeitzSeitz, § 52 Rn. 17. 213 Siehe Götting/Schertz/Seitz-Seitz, § 52 Rn. 19 f. 214 Vgl. hierzu Götting/Schertz/Seitz-Seitz, § 52 Rn. 20. 215 Es geht bei diesem Kriterium darum, zu ermitteln, ob das Gesetz aus bestimmten Grün­ den von einem Ausgleich der an sich ungerechtfertigten Vermögensverschiebung absieht oder sonst zu erkennen gibt, dass der Vermögensvorteil endgültig beim Empfänger verbleiben soll, also ein „Behaltensgrund“ besteht. D. h. es ist anhand dieses Merkmals zu untersuchen, ob ein Eingriff durch gegenläufige Normen oder Interessen gerechtfertigt sein könnte; vgl. Götting/ Schertz/Seitz-Seitz, § 52 Rn. 23 ff.; Palandt-Sprau, § 812 Rn. 44. 216 Hierbei kommen insbesondere die §§ 22, 23 KUG in Betracht. 217 Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 1162. 218 Vgl. insofern exemplarisch BGHZ 169, 340 ff. Insbesondere in Fällen, in denen es sich beim Beschuldigten nicht um eine prominente Persönlichkeit handelt, steht der mangelnde Be­ kanntheitsgrad einer kommerziellen Verwertung der Informationen regelmäßig entgegen.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

D. Normen des Medienrechts Ansprüche auf Gegendarstellung stehen dem von einer medialen Bericht­ erstattung betroffenen Personenkreis nach den jeweils einschlägigen landesrecht­ lichen Pressebestimmungen zur Verfügung.219 Diese landesrechtlichen Anspruchs­ grundlagen entsprechen sich in wesentlichen Zügen und sind in den jeweiligen §§/Art. 10, 11 oder 12 der Landespressegesetze bzw. Landesmediengesetze gere­ gelt.220 Ferner enthält § 56 RStV einen Gegendarstellungsanspruch hinsichtlich re­ daktionell ausgestalteter Angebote in den Telemedien.221 Der Gegendarstellungsanspruch entspringt aus dem verfassungsrechtlich abge­ sicherten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Das aus dem Persön­ lichkeitsrecht abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass es grundsätzlich jedem selbst überlassen bleiben soll, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmacht, und inwiefern Dritte in die Lage versetzt werden sollen, über seine Per­ sönlichkeit zu verfügen.222 Insofern muss dieses Recht durch die gesetzlich abgesi­ cherte Möglichkeit flankiert werden, eigene Sachverhaltsdarstellungen kundzutun und einer medialen Darstellung der eigenen Person entgegen zu wirken, damit der Betroffene nicht zum bloßen Objekt öffentlicher Erörterungen degradiert wird.223 219

Dieser Anspruch kann nur gegenüber den Massenmedien, die dem öffentlichen Dialog dienen, geltend gemacht werden; vgl. Beater, Medienrecht, Rn. 1810. Somit kann der Gegen­ darstellungsanspruch nicht unmittelbar im Anschluss an Pressemitteilungen der Ermittlungs­ behörden geltend gemacht werden, sondern es muss bereits eine mediale Berichterstattung er­ folgt sein, gegen die sich der hiervon Betroffene mithilfe des Gegendarstellungsanspruchs zur Wehr setzt. 220 Vgl. § 11 LPG Baden-Württemberg; Art. 10 LPG Bayern; § 10 LPG Berlin; § 12 LPG Brandenburg; § 11 LPG Bremen; § 11 LPG Hamburg; § 10 LPG Hessen; § 10 LPG Meck­ lenburg-Vorpommern; § 11 LPG Niedersachsen; § 11 LPG Nordrhein-Westfalen; § 11 LMG Rheinland-Pfalz; § 10 LMG Saarland; § 10 LPG Sachsen; § 10 LPG Sachsen-Anhalt; § 11 LPG Schleswig-Holstein; § 11 LPG Thüringen. Im Hinblick auf die Frage, welche landesrechtlichen Bestimmungen im konkreten Fall Anwendung finden sollen, ist auf das Landesrecht des Or­ tes abzustellen, an dem der Verleger des Presseerzeugnisses seinen Sitz hat; siehe Fechner, Me­ dienrecht, 4. Kap. Rn. 111. Dies ist der Ort, an dem das Medienerzeugnis nach dem Willen des Verfügungsberechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, d. h. bei Druckwerken re­ gelmäßig der Verlagsort und bei Sendungen der Ausstrahlungsort bzw. der Sitz des Unterneh­ mens; vgl. Löffler-Sedelmeier, Presserecht, § 11 Rn. 246; Paschke, Medienrecht, Rn. 1056. Für die Rundfunkanstalten gilt dies jedoch nur, soweit nicht durch Sonderbestimmungen (wie z. B. den NDR-Staatsvertrag, den ZDF-Staatsvertrag usw.) anderweitige Regelungen getroffen wurden; siehe Hahn/Vesting-Flechsig, § 10 Rn. 92 ff.; Paschke, Medienrecht, Rn. 1056. 221 Siehe Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 1, Kap. 3 Rn. 33. Im TMG ist kein Gegendarstellungsanspruch geregelt; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 111. 222 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, in der Einleitung zum 5. Teil. 223 Vgl. BVerfGE 63, 131 (142 f.); Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 110; Löffler-Sedelmeier, Presserecht, § 11 Rn. 22. Nach dem Bundesverfassungsgericht kommt dem Gegen­ darstellungsanspruch darüber hinaus auch noch die Funktion zu, dem allgemeinen Interesse an sachlich richtigen Informationen Geltung zu verschaffen; vgl. BVerfG NJW 1998, 1381 (1382); Paschke, Medienrecht, Rn. 1052; Petersen, Medienrecht, § 7 Rn. 1.

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§ 10 des Berliner Landespressegesetzes verpflichtet beispielsweise in seinem ersten Absatz die verantwortlichen Redakteure und Verleger eines periodischen Druckwerkes, „eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung be­ troffen ist“. Der zweite Absatz dieser Vorschrift bestimmt ferner, dass eine „Pflicht zum Abdruck der Gegendarstellung nicht besteht, wenn die betroffene Person oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung hat, wenn die Gegen­ darstellung ihrem Umfang nach nicht angemessen ist oder bei Anzeigen, die aus­ schließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen“. Folglich kommt es für das Vorliegen eines Anspruchs auf Gegendarstellung zu­ nächst darauf an, dass es sich bei dem Gegenstand der medialen Darstellung um eine Tatsachenbehauptung handelt.224 Dies ist immer dann anzunehmen, wenn die von den Medien aufgestellte Behauptung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit im Hinblick auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist.225 Auf die Wahrheit der geäußerten Tatsachen kommt es hingegen nicht an, da der Ge­ gendarstellungsanspruch dem Betroffenen lediglich die Möglichkeit eröffnen soll, die Öffentlichkeit über seine Sicht der Dinge zu informieren.226 Somit ist es hin­ 224 Vgl. Beater, Medienrecht, Rn. 1818; Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 114; Paschke, Medien­recht, Rn. 1064 f.; Petersen, Medienrecht, § 7 Rn. 9. 225 D. h. die Mitteilung muss sich unter die Kategorien „richtig oder falsch“, „wahr oder un­ wahr“ fassen lassen; siehe BGH NJW 1996, 1131 (1133); BGH NJW 1997, 1148 (1149); Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 114; Paschke, Medienrecht, Rn. 1064; Petersen, Medienrecht, § 7 Rn. 11. Durch diese Voraussetzung wird eine Abgrenzung zur medialen Äußerung bloßer Meinungen und Wertungen ermöglicht, die im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt keiner ent­ sprechenden Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Die Versagung eines Gegendarstellungsanspruchs gegenüber bloßen Meinungsäußerungen gründet auf dem Um­ stand, dass hierdurch die Meinungsfreiheit und die Medienfreiheiten über Gebühr beeinträch­ tigt würden; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 114. Teilweise wird die Beschränkung des Gegendarstellungsanspruchs auf Tatsachen kritisiert. Insofern wird von Beater vorgebracht, dass dies keinesfalls von der Verfassung zwingend vorgegeben sei und eine Einbeziehung von Meinungen den öffentlichen Diskurs durchaus fördern könnte; vgl. Beater, Medienrecht, Rn. 1819. 226 Insofern unterliegt der Anspruch auf Gegendarstellung weniger hohen Anforderungen als der Berichtigungsanspruch, welcher die Unwahrheit der geäußerten Tatsache voraussetzt. Dies ist sinnvoll, da Ansprüche auf Berichtigung einen größeren Eingriff in die Rechte der Medien beinhalten. Mit dem Gegendarstellungsanspruch soll dem Betroffenen lediglich die Möglich­ keit eingeräumt werden, kurz und knapp zu der jeweiligen Thematik Stellung zu nehmen (vgl. Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil. 1, Kap. 3 Rn. 32), wobei der Ein­ griff in die Rechte der Medien geringer ausfällt, da diese lediglich verpflichtet werden, eine fremde Darstellung wiederzugeben (hierbei können die Medien ausdrücklich auf die Fremd­ heit der Darstellung hinweisen und sich von dieser distanzieren). Im Gegensatz dazu zielen An­ sprüche auf Berichtigung darauf ab, dass die Medien eigene Erklärungen abgeben (siehe Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 113, nach dem die Berichtigung „eine Verbesserung aus dem Mund, bzw. der Feder des Äußernden beinhaltet“; vgl. auch Paschke, Medienrecht, Rn. 1093). Auch die Gegendarstellung wird dabei (u. a. im Interesse der Beschleunigung) von den Gerich­ ten nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft; Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishand­ buch, Bd. 4, Teil. 1, Kap. 3 Rn. 67. Ferner ist es für das Vorliegen eines Gegendarstellungsan­

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sichtlich der hier zu untersuchenden Problematik ohne Bedeutung, ob eine me­ diale Äußerung wertende oder präjudizierende Tendenzen enthält oder sich auf die Schilderung des Tatvorwurfes und des Verfahrensstandes beschränkt. Ferner muss der Anspruchsberechtigte von der medialen Berichterstattung be­ troffen sein.227 Hierbei wird keine ausdrückliche namentliche Nennung oder Ab­ bildung des Anspruchsberechtigten verlangt, sondern es reicht aus, wenn infolge der Berichterstattung eine Beziehung zu seiner Person hergestellt werden kann. Demnach kommt es auch nicht darauf an, ob die mediale Berichterstattung un­ mittelbar identifizierende Komponenten enthält. Ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Gegendarstellung ist jedoch zu verneinen, wenn der Inhalt der Gegendarstellung offen- oder gerichtskundig unwahr oder irreführend ist. Insofern soll der Gegendarstellungsanspruch kein Recht zur Lüge begründen.228 In diesem Zusammenhang muss jedoch die besondere Stellung des Beschul­ digten eines Strafverfahrens Berücksichtigung finden. Ihm darf es grundsätzlich nicht vorgehalten werden, wenn er sich zu seiner eigenen Entlastung falscher An­ gaben bedient. Es drängt sich somit der Gedanke auf, dass die Einschränkung des Gegendarstellungsanspruchs gerade im Rahmen des Strafverfahrens äußerst eng ausgelegt werden muss, da dem Beschuldigten ansonsten die Möglichkeit ge­ nommen würde, sich mithilfe des Gegendarstellungsanspruchs der öffent­lichen Erörterung seiner Verwicklung in ein strafrechtlich relevantes Geschehen zu erwehren.229 Weiterhin hat eine sachgerechte Anknüpfung an die Erstmitteilung dergestalt zu erfolgen, dass diese konkret und treffend in der Gegendarstellung bezeichnet und wiedergegeben wird und die Gegendarstellung einen gedanklichen Zusam­ menhang zur Erstmitteilung herstellt, indem sie sich thematisch mit dem streit­ gegenständlichen Teil der Erstmitteilung auseinandersetzt.230 Um dem Prinzip spruchs irrelevant, ob es sich um eine eigene Mitteilung des Mediums handelt, lediglich fremde Mitteilungen wiedergegeben werden, eine Behauptung ausdrücklich ausgesprochen wird, oder sich der negative Eindruck aus den Gesamtumständen ergibt, da ansonsten der Gegendarstel­ lungsanspruch leicht ausgehöhlt werden könnte; siehe Paschke, Medienrecht, Rn. 1064. 227 Beater, Medienrecht, Rn. 1826. 228 Vgl. Soehring, Presserecht, § 29 Rn. 20a. 229 Andererseits wird es auf dieses Kriterium gerade im Rahmen der Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren oftmals nicht ankommen, da es sich in Anbe­ tracht der Unschuldsvermutung bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung verbie­ tet, die Unwahrheit einer Aussage des Beschuldigten als gesicherte Erkenntnis anzusehen. Ein weiterer Grund, bei dessen Vorliegen ein berechtigtes Interesse an der Durchsetzung eines Ge­ gendarstellungsanspruchs verneint wird, liegt vor, wenn es sich bei der Erstmitteilung um eine reine Belanglosigkeit handelt, die in keiner nennenswerten Weise in das allgemeine Persön­ lichkeitsrecht des Betroffenen eingreift; vgl. BVerfG NJW 1998, 1381 (1383); Soehring, Pres­ serecht, § 29 Rn. 21a. 230 Soehring, Presserecht, § 29 Rn. 18 f. Die Gegendarstellung hat zudem schriftlich zu er­ folgen und bedarf darüber hinaus der Unterschrift des Betroffenen; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 118.

D. Normen des Medienrechts

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der gleichen publizistischen Wirkung („Waffengleichheit“) gegenüber den Medien zu genügen und die vom Betroffenen erstrebte Wirkung zu entfalten, müssen ihm dieselben Möglichkeiten der Einwirkung auf die Öffentlichkeit eröffnet werden, die auch dem Verfasser der Erstmitteilung zustanden.231 Somit soll eine Publikation der Gegendarstellung möglichst zeitnah zur Erst­ mitteilung vorgenommen werden (d. h. bestenfalls in der nächsten Ausgabe oder Sendung), da ansonsten die Gefahr besteht, dass sich der in der Erstberichterstat­ tung erzeugte Eindruck infolge des Zeitablaufs bei den Rezipienten festsetzt und für Gegendarstellungen des Betroffenen nicht mehr zugänglich ist.232 Ferner soll die Gegendarstellung grundsätzlich an derselben Stelle wie die Erstmitteilung veröffentlicht werden, damit ihr eine vergleichbare Öffentlichkeitswirkung zu­ kommt.233 Beispielhaft kann insofern auf den § 10 Abs. 3 LPG Berlin verwiesen werden, nach dem die Gegendarstellung in der nach dem Empfang der Einsen­ dung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer in dem glei­ chen Teil des Druckwerks und in der gleichen Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden muss. Somit hat die Gegendarstellung grundsätzlich in derselben Art und Aufmachung zu erfolgen wie die Erstberichterstattung.234 Der Umfang der Gegendarstellung muss ferner nach den landesrechtlichen Bestimmungen „angemessen sein“ und hat sich dabei an der Erstberichterstattung (bzw. den hierin beanstandeten Textpassagen) zu orientieren bzw. darf diese nicht wesentlich überschreiten.235 Nach den vorangegangenen Überlegungen bleibt festzuhalten, dass dem von einer medialen Berichterstattung Betroffenen in vielen Fällen ein Anspruch auf Gegendarstellung zusteht. Diesen Anspruch kann er nutzen, um seine persön­ liche Sicht der Dinge in einer der Ausgangsberichterstattung vergleichbaren Art und Weise darzustellen und hierdurch auf das in der Öffentlichkeit von seiner Per­ son erzeugte Bild einzuwirken. Ein solches Vorgehen kann sich für den Beschul­ digten insofern anbieten, als sein Schweigen in der Öffentlichkeit oftmals als Ein­ 231

Paschke, Medienrecht, Rn. 1083. Vgl. Löffler-Sedelmeier, Presserecht, § 11 Rn. 25. 233 Siehe Beater, Medienrecht, Rn. 1850. 234 BVerfGE 97, 125 (151 f.). In dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Fall hatte dies sogar zur Folge, dass die Gegendarstellung auf der Titelseite des Presseerzeugnis­ ses abgedruckt werden musste, da nur hierdurch mit einer vergleichbaren Aufmerksamkeit bei der breiten Leserschaft gerechnet werden konnte. Den davon ausgehenden erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit rechtfertigte das Bundesverfassungsgericht damit, dass die Ausgangsberichterstattung ebenfalls auf der Titelseite erfolgte und der Eingriff in das all­ gemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen weitaus schwerer wog als bei einer Mitteilung im Blattinneren. 235 Vgl. Löffler-Sedelmeier, Presserecht, § 11 Rn. 133 ff. Nach den landespresserechtlichen Bestimmungen zur Gegendarstellung (mit Ausnahme des § 10 Abs. 2 LPG Bayern) handelt es sich bei der Begrenzung des Gegendarstellungsanspruchs auf einen „angemessenen Umfang“ um zwingendes Recht. Die bayerische Regelung sieht insoweit jedoch eine „Sollvorschrift“ vor, bei deren Nichtbeachten lediglich Annoncengebühren ausgelöst werden. 232

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

geständnis angesehen wird.236 Auf der anderen Seite ist hierbei zu bedenken, dass es für den Beschuldigten nicht immer von Vorteil ist, sich zu den Tatvorwürfen öf­ fentlich zu äußern. Vielmehr kann es aus taktischen Gründen anzuraten sein, um­ fassend von dem ihm zustehenden Schweigerecht Gebrauch zu machen und ge­ gebenenfalls erst in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf Stellung zu beziehen.

E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche Im Folgenden soll geprüft werden, auf welchem Rechtsweg die zivil- und me­ dienrechtlichen Ansprüche durchzusetzen sind, und mit welchen prozessualen und tatsächlichen Problemen sich die Anspruchssteller hierbei konfrontiert sehen könnten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es den Betroffenen oft­ mals nicht leicht fallen wird, den Schritt vor die Gerichte zu wagen. Dies kann un­ ter anderem auf die Befürchtung zurückgeführt werden, ein prozessuales Vorgehen gegen die Ermittlungsbehörden könne zu einer Verschlechterung des „Klimas“ der Ermittlungen führen und nachteilige Folgen für die Verfahrensbeteiligten mit sich bringen. Ähnlich verhält es sich bei einem prozessualen Vorgehen gegen die Me­ dien, denn für den Fall der Einleitung gerichtlicher Schritte wird kaum noch mit wohlwollenden Berichterstattungen zu rechnen sein. Darüber hinaus wird die Tatsache, dass strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden, bereits für sich genommen zu einer erhöhten Belastung (sowohl in psy­ chischer sowie auch in tatsächlicher Hinsicht) auf Seiten der Beschuldigten füh­ ren. Hinzu tritt der erhebliche Druck, dem sich Beschuldigte ausgesetzt sehen, die in den Fokus der Medienöffentlichkeit geraten. Ferner wird die Vorbereitung der Verteidigung in diesem Stadium regelmäßig im Zentrum der Aufmerksamkeit ste­ hen und einen Großteil der zur Verfügung stehenden Zeit und Kraft des Beschul­ digten in Anspruch nehmen. Darüber hinaus kann die Vorbereitung der Verteidi­ gung auch mit einem erheblichen Aufwand an finanziellen Mitteln verbunden sein, welche für die Durchführung eines parallel laufenden zivil- oder verwaltungsge­ richtlichen Verfahrens mitunter fehlen können.237 Noch schwieriger stellt sich die 236 So auch Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, Rn. 98. Eine Erwiderung auf öffentliche Erklärungen der Staatsanwaltschaft sowie der Presse hält Dahs bei besonders medienwirk­ samen Ermittlungsverfahren für ratsam. Allerdings weist er berechtigterweise darauf hin, dass eine aktive Öffentlichkeitsarbeit des Beschuldigten oder seines Verteidigers vielerlei Gefahren in sich birgt; siehe Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, Rn. 96 ff. 237 Hierbei ist zu bedenken, dass zu den oftmals ohnehin schon anfallenden Kosten der Vertei­ digung zusätzliche Kosten für die Durchführung eines weiteren Verfahrens, in dem eine effek­ tive Rechtsdurchsetzung in vielen Fällen nur mithilfe eines Rechtsanwalts möglich ist (Dalbkermeyer führt in diesem Zusammenhang an, dass insbesondere bei der Vornahme presserechtlicher Schritte eine anwaltliche Vertretung vonnöten ist; vgl. Dalbkermeyer, S. 194), entstehen, wel­ che den Beschuldigten in erheblichem Maße finanziell beanspruchen, wenn nicht gar überlas­ ten können. Letztendlich besteht in dieser Situation stets das Risiko, dass der Beschuldigte in einem weiteren Prozess unterliegt und somit die Kosten eines weiteren Verfahrens zu tragen hat.

E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche

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Lage für diejenigen Beschuldigten dar, die sich im Zeitpunkt der drohenden oder bereits erfolgten Veröffentlichung in Untersuchungshaft befinden, da es ihnen auf­ grund der damit zwangsläufig verbundenen eingeschränkten Bewegungsfreiheit kaum möglich sein wird, ein zivil- oder verwaltungsgerichtliches Verfahren mit der nötigen Sorgfalt vorzubereiten und zu betreiben.238 All diese, mit der Betei­ ligung an einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verbundenen Belastungen werden sich im Zweifel zulasten eines parallel laufenden zivil- oder verwaltungs­ gerichtlichen Verfahrens auswirken und sind folglich dazu geeignet, die Betroffe­ nen dazu zu bewegen, zumindest vorläufig von entsprechenden Schritten Abstand zu nehmen.239 Dies bringt für die Betroffenen im Hinblick auf die Durchsetzung von Scha­ densersatzansprüchen keine größeren Nachteile mit sich, da entsprechende An­ sprüche regelmäßig auch noch nach Abschluss des Strafverfahrens innerhalb der gesetzlichen Fristen gerichtlich geltend gemacht werden können. Für Schadenser­ satzansprüche aufgrund von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten unstreitig die Verjährungsfristen des § 199 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB, die im Mindestmaß nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB – ohne Rücksicht auf die Kennt­ nis oder grob fahrlässige Unkenntnis – eine Verjährungsfrist von zehn Jahren ab der Entstehung des Anspruchs vorsehen.240 Anders verhält es sich hingegen bei 238

Nach der Nummer 41 UVollzO darf der Gefangene nur auf seinen Antrag und auf seine Kosten mit Zustimmung des Richters oder Staatsanwalts an Orte außerhalb der Anstalt aus­ geführt werden, wenn wichtige und unaufschiebbare Angelegenheiten persönlicher, geschäft­ licher oder rechtlicher Art seine persönliche Anwesenheit erforderlich machen. Nach dem zweiten Satz dieser Reglung sind die Kosten der Ausführung regelmäßig durch den Gefange­ nen vorzuschießen. In Anbetracht dieser Vorschrift ist nicht nur die Teilnahme des sich in Un­ tersuchungshaft befindlichen Beschuldigten an einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen Ver­ handlung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Auch mit Blick auf die Auferlegung der Ausführungskosten sowie die regelmäßig bestehende Verpflichtung, diese Kosten vorzustre­ cken, ist damit zu rechnen, dass sich der Beschuldigte oftmals dazu veranlasst sehen wird, von einer Geltendmachung seiner Rechte zumindest vorläufig abzusehen. Ferner könnte der in Un­ tersuchungshaft befindliche Beschuldigte befürchten, dass die für die Ausführung erforderliche Zustimmung im Falle eines prozessualen Vorgehens gegen die Öffentlichkeitsarbeit der Staats­ anwaltschaft nicht erteilt wird. 239 So auch Dalbkermeyer, S. 193 f. Dalbkermeyer führt in diesem Zusammenhang an, dass auch das Selbstbewusstsein des Beschuldigten aufgrund der Verwicklung in die strafrecht­ lichen Ermittlungen erheblich in Mitleidenschaft gezogen sein kann, so dass es ihm auch in An­ betracht dieses Umstandes schwer fallen wird, zivil- oder verwaltungsrechtliche Schritte in die Wege zu leiten. 240 Bei der Frage, ob die Frist bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts § 199 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung zu entnehmen ist (dem Wortlaut nach erfasst dieser Absatz nur Schadensersatzansprüche, die auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen), oder auf § 199 Abs. 3 BGB (der die sonstigen nicht unter den zweiten Absatz fallenden Schadensersatzansprüche erfasst) gestützt werden muss, herrscht Streit; für eine analoge Anwendung des § 199 Abs. 2 BGB auf das allgemeine Persön­ lichkeitsrecht: Staudinger-Peters/Jacoby, § 199 Rn. 95; für eine Anwendung des § 199 Abs. 3 BGB hingegen: MüKoBGB-Grothe (6. Aufl.), § 199 Rn. 47 u. 49 sowie Palandt-Ellenberger, § 199 Rn. 44 ff.). Die Entscheidung dieses Streits kann praktische Auswirkungen auf die Durch­

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Ansprüchen auf Unterlassung, Berichtigung, oder Gegendarstellung, da der Be­ troffene insofern naturgemäß auf eine besonders zeitnahe und zügige Durchset­ zung angewiesen ist.

I. Der richtige Rechtsweg Im Folgenden soll geprüft werden, welchen Rechtsweg der von der Informa­ tionsweitergabe oder Berichterstattung Betroffene einschlagen muss, um sich hier­ gegen zur Wehr zu setzen. 1. Vorgehen gegen die Ermittlungsbehörden Zunächst ist die Bestimmung des zu beschreitenden Rechtsweges bei einem Vorgehen gegen die Ermittlungsbehörden nicht unproblematisch, da keine Einig­ keit darüber besteht, ob er an die Zivil- oder die Verwaltungsgerichte führt.241 Das Kernstück dieser Problematik bildet die in § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG geregelte Rechtswegzuweisung. Nach dieser Vorschrift entscheiden auf Antrag die ordent­ lichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Ange­ legenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handels­ rechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechts­ pflege getroffen werden. Ursprünglich nahmen die Verwaltungsgerichte eine Zuständigkeit der Zivil­ gerichte (bzw. der Strafkammern der Oberlandesgerichte) an. Hierbei argumen­ tierten sie damit, dass es sich bei den Mitteilungen der Ermittlungsbehörden um Verwaltungsakte von Justizbehörden auf dem Gebiet der Strafrechtspflege han­ deln würde bzw. solche Mitteilungen unter die sonstigen Maßnahmen der Justiz­ behörden zur Regelung eigener Angelegenheiten zu fassen seien.242 Die Zivilge­ richte (bzw. die Strafsenate der jeweiligen Oberlandesgerichte) nahmen hingegen eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO an und führten diesbezüglich aus, dass die von den Ermittlungsbehörden getätigten

setzbarkeit von Schadensersatzansprüchen haben, da der zweite Absatz dieser Norm stets die Höchstfrist von dreißig Jahren ab dem Zeitpunkt der Erfüllung des haftungsbegründenden Tat­ bestandes (insoweit wird an die Vornahme der Verletzungshandlung angeknüpft) vorsieht, der dritte Absatz jedoch insoweit differenziert, als dass die Ziffer 1 an die Entstehung des Scha­ dens anknüpft und eine zehnjährige Frist gewährt, wobei die Ziffer 2 des dritten Absatzes eine mit dem zweiten Absatz identische Regelung enthält (d. h. mit dem Zeitpunkt der Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestandes beginnt wiederum eine dreißigjährige Frist). 241 Vgl. hierzu Dalbkermeyer, S. 193 ff. und Neuling, S. 260 ff. 242 Siehe VGH Mannheim NJW 1969, 1319; VGH Mannheim NJW 1973, 214; Böttcher/Grothe, NJW 1974, 1647 f.; Kissel/Mayer, GVG, § 12 Rn. 128a und § 23 EGGVG Rn. 36.

E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche

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Äußerungen reine Wissens- und keine Willensbekundung enthielten, so dass der für Justizverwaltungsakte erforderliche Regelungsgehalt fehle.243 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil vom 14. April 1988 erstma­ lig entschieden, dass für die Klage auf Widerruf einer von der Staatsanwaltschaft in amtlicher Funktion abgegebenen Presseerklärung nur der Rechtsweg zu den Ver­ waltungsgerichten gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO offensteht, da eine öffent­lichrechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegen soll.244 Begründet wird diese Rechtswegzuweisung zunächst damit, dass Berichte der Staatsanwalt­ schaft gegenüber der Presse keine Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechts­ pflege darstellten.245 Zur Strafrechtspflege gehörten neben der Strafverfolgung im Sinne der Durchführung von Strafverfahren und der Vollstreckung gericht­ licher Entscheidungen auch die hiermit im Zusammenhang stehenden Maßnah­ men zur Ermöglichung und geordneten Durchführung der Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungstätigkeit. Die Weitergabe von Informationen durch die Staats­ anwaltschaft diene jedoch gerade nicht dem Zweck, eine ihr zugewiesene Auf­ gabe auf dem Gebiet der Strafrechtspflege zu erfüllen.246 Vielmehr sei das streitge­ genständliche Verhältnis durch den öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch der Landespressegesetze geprägt.247 Insofern verbiete es sich, allein aufgrund des the­ matischen und inhaltlichen Bezuges zu einem konkreten strafrechtlichen Ermitt­ lungsverfahren von einem Justizverwaltungsakt i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG auszugehen.248

243 OLG Karlsruhe NJW 1965, 1545; OLG Hamm NJW 1972, 2145 f.; ebenso MüKoZPORauscher/Pabst, § 23 EGGVG Rn. 61. Die Gerichte müssen, wenn sie den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erachten, dies gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 EGGVG nach Anhörung der Parteien aussprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zuläs­ sigen Rechtsweges verweisen. Nach § 17a Abs. 2 Satz 3 EGGVG ist das Gericht, an welches der Rechtsstreit verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtsweges an den Verweisungsbeschluss gebunden. 244 BVerwG NJW 1989, 412 ff.; Neuling, StV 2008, 387. In einer neueren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird diese Rechtsprechung erneut bestätigt. Diese Streitigkeit sei ferner in Ermangelung einer Maßnahme auf dem Gebiet der Strafrechtspflege nicht den or­ dentlichen Gerichten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG zugewiesen; vgl. BVerwG NJW 2001, 3799. 245 BVerwG NJW 1989, 412 (414). 246 Dies muss auch vom Bundesverwaltungsgericht anders beurteilt werden, wenn die Wei­ tergabe von Informationen zu Fahndungszwecken oder zum Zwecke der Aufklärung von Straf­ taten oder der Identitätsfeststellung erfolgt, da insofern ein unmittelbarer Bezug zum Straf­ verfahren nicht von der Hand gewiesen werden kann. 247 Siehe BVerwG NJW 1989, 412 (414); vgl. auch BVerwG NJW 2001, 3799. 248 Hierbei weist auch das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft die Auswirkungen der weitergegebenen Informationen auf das strafrechtliche Ermittlungs­ verfahren zu berücksichtigen hat und zudem die Rechtssphäre des Beschuldigten in ihre Erwä­ gungen mit einbeziehen muss. Diese Gesichtspunkte sollen jedoch nicht für die Annahme aus­ reichen, dass es sich hierbei um Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege handelt; vgl. BVerwG NJW 1989, 412 (414).

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Dalbkermeyer und Neuling setzen sich kritisch mit dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auseinander und gelangen übereinstimmend zu der Überzeugung, dass die Rechtswegzuweisung zu den Verwaltungsgerichten auf­ grund der weitaus größeren Sachnähe der ordentlichen Gerichte weder praktikabel noch zu befürworten ist. Diesbezüglich heben sie hervor, dass infolge der Weiter­ gabe von Informationen durch die Staatsanwaltschaft die Bereiche des Presse­ rechts und der Strafrechtspflege gleichermaßen tangiert werden, so dass es bei der Einordnung entscheidend darauf ankommt, auf welchem Gebiet der Schwer­ punkt der behördlichen Informationsarbeit liegt. Sie gelangen dabei zu dem Er­ gebnis, dass der Kern der ermittlungsbehördlichen Informationsarbeit im Bereich der staatlichen Strafverfolgung anzusiedeln ist.249 Dem ist durchweg zuzustimmen. Zunächst ist § 23 EGGVG so zu verstehen, dass die Rechtswegzuweisung an die sachnähere Gerichtsbarkeit unabhängig von der Form des jeweiligen Verwaltungshandelns erfolgt.250 Bei einem Justizverwal­ tungsakt braucht es sich folglich nicht um einen Verwaltungsakt zu handeln, für den die strengen Voraussetzungen von § 35 VwVfG und § 42 VwGO gelten, son­ dern es genügt jedes hoheitliche Handeln einer Justizbehörde in einer einzelnen Angelegenheit auf einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Gebiete, das ge­ eignet ist, den Betroffenen in seinen subjektiven Rechten zu verletzen.251 Insofern bestehen keine Zweifel, dass auch Mitteilungen der Ermittlungsbehörden dem weiten Begriff des Justizverwaltungsaktes zuzurechnen sind.252 Die Information der Öffentlichkeit über den Gang der Ermittlungen muss primär als sog. „Annex­

249 Vgl. Dalbkermeyer, S. 200 und Neuling, S. 261. Neuling hebt hervor, dass eine öffent­ lich rechtliche Streitigkeit auch nach den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grund­ sätzen nicht angenommen werden könne. Danach soll es bei der Beurteilung der Natur des streitigen Rechtsverhältnisses – wie bereits dargestellt – maßgeblich auf die Prägung des dem Klage- oder Antragsanspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnisses ankommen. Bei einer Fallgestaltung, wie sie der in Rede stehenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag (in dieser ging es um den Schutz des Beschuldigten vor beeinträchtigenden Presseverlautbarungen der Staatsanwaltschaft) handle es sich nicht um ein leistungsorientier­ tes Rechtsverhältnis zwischen der Staatsanwaltschaft und der Presse, sondern in erster Linie um den Schutz des Beschuldigten vor Beeinträchtigungen von Seiten der Staatsanwaltschaft. Insofern dürfe nicht primär auf den Auskunftsanspruch abgestellt werden, sondern es stehe vielmehr das zu schützende allgemeine Persönlichkeitsrecht im Mittelpunkt; vgl. Neuling, StV 2008, 387 (388). 250 Vgl. MüKoZPO-Rauscher/Pabst, § 23 EGGVG Rn. 3. 251 Vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 23 f.; MüKoZPO-Rauscher/Pabst, § 23 EGGVG Rn. 3. Demnach sind auch schlicht hoheitliche Handlungen und Realakte als Justizverwal­ tungsakte zu qualifizieren. 252 Dies wird auch vom Bundesverwaltungsgericht nicht anders gesehen. In der Entschei­ dung vom 14. April 1988 führt es aus, dass einer hoheitlichen Tätigkeit immer dann eine Re­ gelungswirkung beizumessen sei, wenn sie eine unmittelbare Außenwirkung entfalte. Dies sei auch bei schlicht hoheitlichem Handeln anzunehmen, wenn hierdurch unmittelbar in recht­ lich geschützte Positionen des Betroffenen eingegriffen werde; vgl. BVerwG NJW 1989, 412 (413).

E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche

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kompetenz“ der Strafverfolgung (welche die ermittlungsbehördliche Kernverant­ wortung darstellt) betrachtet werden.253 Bei der Herausgabe von Informationen über den Verlauf und den Stand der Er­ mittlungen sowie über die am Verfahren beteiligten Personen ist stets darauf zu achten, welche (vorteilhaften oder nachteiligen) Folgen solche Erklärungen mit sich bringen können.254 Die Presseverlautbarungen der Ermittlungsbehörden be­ fassen sich nicht nur inhaltlich mit den Vorkommnissen des strafrechtlichen Er­ mittlungsverfahrens, sondern sie werden zumeist direkte oder zumindest indi­ rekte Auswirkungen auf die Rechte der verfahrensbeteiligten Personen haben und können den Gang der Ermittlungen in nicht unerheblichem Maße beeinflussen. Für die Erörterung der Rechtswidrigkeit einer Informationsweitergabe kann es mitunter von entscheidendem Gewicht sein, ob die weitergegebenen Informa­ tionen den Stand der Ermittlungen objektiv und wertungsfrei wiedergeben, iden­ tifizierende und präjudizierende Elemente enthalten, auf einer hinreichend ge­ sicherten Tatsachengrundlage aufbauen, auf einem hinreichenden Verdachtsgrad gründen, die Voraussetzungen angeordneter Zwangsmaßnahmen tatsächlich vor­ liegen etc.255 Angesichts dieser Umstände treten die presserechtlichen Aspekte weitgehend in den Hintergrund.256 Demnach ist die Erörterung und Beurteilung dieser Fragestellungen am besten bei den ohnehin mit der Materie befassten Straf­ senaten der obersten Landesgerichte257 aufgehoben.258 Letztendlich wird sich der Antrag des Betroffenen auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Informa­ tionsweitergabe und die Aufhebung der streitigen Mitteilung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG richten. Aufgrund der zuvor beschriebenen Unsicherheiten hinsichtlich der Wahl des richtigen Rechtsweges ist stets daran zu denken, dass das Gericht, wenn es zu dem Schluss gelangt, dass sich der beschrittene Rechtsweg als unzulässig erweist, nach § 17 a Abs. 2 GVG in den zulässigen Rechtsweg zu verweisen hat. Hierbei ist je­ doch die Kostenfolge des § 17 b Abs. 2 GVG zu beachten, nach welcher die Kosten des angegangenen Gerichts als Teil der Kosten zu behandeln sind, die bei dem Ge­ 253

Vgl. Neuling, S. 261. Siehe Dalbkermeyer, S. 202. 255 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Dalbkermeyer, S. 202. 256 A. A. BVerwG NJW 1989, 412 ff.; BVerwG NJW 1992, 62 f.; BVerwG NJW 2001, 3799. 257 Die sachliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte sowie die funktionelle Zuständigkeit der Strafsenate wird durch § 25 EGGVG begründet. Hierbei handelt es sich um eine ausschließ­ liche Zuständigkeit. In örtlicher Hinsicht sind grundsätzlich die jeweiligen Oberlandesgerichte zuständig, in deren Bezirk die Justiz- oder Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat; siehe Kissel/ Mayer, GVG, § 25 EGGVG Rn. 1 f. 258 Auch das Bundesverwaltungsgericht stellt darauf ab, dass die für bestimmte Sachgebiete geltende Generalklausel des § 23 Abs. 1 EGGVG die Kontrolle bestimmter Maßnahmen aus dem ansonsten nach § 40 Abs. 1 VwGO begründeten Zuständigkeitsbereich der Verwaltungs­ gerichte herausnehmen soll, um eine Überprüfung dieser Maßnahmen durch die sachnäheren Gerichte zu gewährleisten, da diese die für die Nachprüfung erforderlichen zivil- und straf­ rechtlichen Fachkenntnisse besitzen; vgl. BVerwG NJW 1975, 893. 254

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

richt erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Dabei hat der Kläger die entstehenden Mehrkosten auch im Fall eines Obsiegens in der Hauptsache zu tra­ gen.259 Folglich könnte es in Anbetracht der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durchaus ratsam sein, unter Kostengesichtspunkten unmittelbar Klage bei den Verwaltungsgerichten zu erheben. Mit Blick auf den aus § 839 BGB i .V. m. Art. 34 GG resultierenden Amts­ haftungsanspruch gilt es ferner zu beachten, dass der Rechtsweg zu den ordent­ lichen Gerichten gem. § 34 Satz 3 GG nicht ausgeschlossen werden darf (vgl. auch § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO).260 2. Vorgehen gegen die Medien Setzt sich der von einer medialen Veröffentlichung Betroffene gegen die Me­ dien mit Ansprüchen aus dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zur Wehr, so sind diese vor den ordentlichen Gerichten auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen. Dies gilt zunächst unproblematisch für Ansprüche auf Schadensersatz und Un­ terlassung, jedoch auch für den aus dem öffentlichen Recht stammenden Gegen­ darstellungsanspruch.261 Hinsichtlich der Ansprüche auf Gegendarstellung gilt es zu beachten, dass ein Großteil der landesrechtlichen Presse- und Mediengesetze ein besonders ausge­ staltetes Verfahren auf Anordnung des Abdrucks einer Gegendarstellung vorsehen, auf das die Regelungen der Zivilprozessordnung über den Erlass einstweiliger Ver­ fügungen entsprechende Anwendung finden.262

II. Die Durchsetzung der Ansprüche Im Folgenden soll erörtert werden, wie die einzelnen zuvor behandelten An­ sprüche gegen die Ermittlungsbehörden und die Medien am besten durchgesetzt werden können, und was hierbei bedacht werden muss.

259 Mehrkosten sind diejenigen Kosten, welche über die Kosten hinausgehen, die bei einer Klageerhebung vor dem anfänglich zuständigen Gericht entstanden wären; vgl. Kissel/Mayer, GVG, § 17 Rn. 44. Zu diesen Mehrkosten zählen beispielsweise die zusätzlich anfallenden Rechtsanwaltskosten, die durch die Beauftragung einer anderen Sozietät vor dem übernehmen­ den Gericht entstehen, oder die Mahngebühren des vor dem unzuständigen Gerichts tätig ge­ wordenen Rechtsanwalts; vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 281 Rn. 18. 260 Siehe Palandt-Sprau, § 839 Rn. 86. Hierbei handelt es sich um eine zivilrechtliche Zustän­ digkeit kraft besonderer Zuweisung; vgl. BK-GG-Dagtoglou, Art. 34 Rn. 357. 261 Vgl. zum Gegendarstellungsanspruch: Löffler-Sedelmeier, Presserecht, § 11 Rn. 186. 262 Siehe Löffler-Sedelmeier, Presserecht, § 11 Rn. 186.

E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche

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1. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber den Ermittlungsbehörden Ansprüche, mithilfe derer die Verfahrensbeteiligten Presseverlautbarungen der Ermittlungsbehörden verhindern sowie die Folgen einer Informations­weitergabe mindern oder aufgrund einer bereits bei ihnen eingetretenen Verletzung von Rechtsgütern Kompensation verlangen können, sind auf ein Leistungsbegehren gerichtet und in der Form einer Leistungsklage durchzusetzen.263 Des Weiteren kann es den Verfahrensbeteiligten darum gehen, die Rechtswid­ rigkeit einer Informationsweitergabe/Berichterstattung gerichtlich feststellen zu lassen, so dass die Feststellungsklage die statthafte Antragsart darstellt. § 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG sieht vor, dass das Gericht eine Maßnahme aufhebt, soweit sie rechtswidrig ist und der Antragssteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 EGGVG kann das Gericht darüber hinaus – wenn die Maßnahme schon vollzogen wurde – auf Antrag aussprechen, ob und wie die han­ delnde Justiz- oder Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Wenn das Strafverfahren abgeschlossen ist, kommt lediglich die Klage auf Fest­ stellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme nach § 23 Abs. 1 Satz 4 EGGVG in Betracht.264 Oft kommt es den betroffenen Personen auf eine möglichst zügige Durch­ setzung ihrer Ansprüche an. Um dies zu erreichen, kann es sich für die Betroffenen anbieten, ihre Ansprüche im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen. In diesem Zusammenhang wird jedoch vertreten, dass der Erlass einer einstwei­ ligen Anordnung in Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG unstatthaft sei.265 Be­ gründet wird dies in erster Linie damit, dass die Vorschriften der §§ 23 ff. EGGVG den Erlass einer einstweiligen Anordnung – im Gegensatz zu § 123 VwGO – nicht vorsehen.266 Dieser Auffassung ist nicht zu folgen, da es unter Gesichtspunkten des effektiven Rechtsschutzes durchaus geboten und erforderlich sein kann, der Schaf­ fung vollendeter Tatsachen vorzubeugen. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn die geschaffenen Tatsachen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr rück­ gängig zu machen wären, auch wenn sich die beanstandeten Maßnahmen bei einer richterlichen Prüfung als rechtswidrig erweisen würden.267 So reicht es zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht aus, dass die Möglichkeit besteht, die Gerichte im Falle einer durch die öffentliche Gewalt begangenen Rechtsgutsverletzung anzurufen, sondern Art. 19 263 Nach der hier vertretenen Auffassung sind auch bei einem Vorgehen gegen die Ermitt­ lungsbehörden die Zivilgerichte gem. § 23 Abs. 1 EGGVG zuständig. 264 Vgl. Dalbkermeyer, S. 205. 265 Vgl. OLG Hamm GA 1975, 150 (151); OLG Celle JR 1984, 297; Altenhain, DRiZ 1966, 361 (365). 266 OLG Hamm, GA 1975, 150 (151). 267 Siehe BVerfG NJW 2001, 3770.

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6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

Abs. 4 GG gibt dem Betroffenen ein Recht auf die Inanspruchnahme eines tat­ sächlich wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes.268 Dem kann auch nicht ent­ gegengehalten werden, dass eine dem § 123 VwGO entsprechende Regelung in den §§ 23 ff. EGGVG fehlt, da auch im Verwaltungsgerichtsverfahren in der Zeit vor der ausdrücklichen Anerkennung des Instrumentariums der einstweiligen An­ ordnung in der Verwaltungsgerichtsordnung, die einstweilige Anordnung bereits faktisch zugelassen war und praktiziert wurde.269 Folglich ist dem Antragssteller in Fällen drohender schwerer, unzumutbarer und anders nicht abwendbarer Nach­ teile auch in einem Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren.270 2. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber den Medien Bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche in äußerungsrechtlichen Strei­ tigkeiten ist ohne Ausnahme der Zivilrechtsweg eröffnet.271 Insbesondere wenn es dem Betroffenen um die zeitnahe Unterbindung bevorste­ hender oder weiterer drohender Beeinträchtigung geht, wird es sich für ihn anbieten, das in der Zivilprozessordnung geregelte Verfahren der einstweiligen Verfügung i. S. d. §§ 935 ff. ZPO zu bemühen. Grundsätzlich muss der Verletzte den Verletzer vor der Einleitung gerichtlicher Schritte abmahnen, wenn er nicht riskieren will, im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses (oder einer sofortigen Abgabe einer Un­ terlassungsverpflichtungserklärung), die Prozesskosten nach § 93 ZPO zu tragen.272 Nur wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei vorheriger Ab­ mahnung zu spät kommen würde, kann auf eine Abmahnung verzichtet werden.273 Umstritten ist wiederum, ob Berichtigungsansprüche (Widerruf, Richtig­ stellung, oder Ergänzung) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend ge­ macht werden können. Dem wohl überwiegenden Teil der Rechtsprechung fol­ gend, wird durch die Abgabe einer Berichtigungserklärung274 ein endgültiger Zustand geschaffen, der der Hauptsache vorgreift und seinerseits nicht abermals widerrufen werden kann.275 Diesbezüglich wird vorgebracht, die Berichtigung setze zum einen die Unwahrheit der behaupteten Tatsache voraus und verlange zu­ 268

BVerfG NJW 2001, 3770. Siehe Dalbkermeyer, S. 206. 270 So auch Neuling, StV 2008, 387 (389). 271 Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 1110; Soehring, Presserecht, § 30 Rn. 17 u. § 31 Rn. 17 ff. 272 OLG Düsseldorf AfP 1982, 44; OLG Köln AfP 1990, 51; OLG Celle AfP 1997, 819 f.; OLG Köln AfP 1997, 834 f. 273 OLG Düsseldorf AfP 1982, 44. Ferner soll das Erfordernis einer vorhergehenden Ab­ mahnung entfallen, wenn die Erstmitteilung eine offensichtliche Schmähkritik beinhaltet oder feststeht, dass die journalistische Sorgfaltspflicht bei der Erstmitteilung in erheblichem Um­ fang verletzt wurde; vgl. OLG Köln AfP 1990, 51 f. 274 Diese stellt eine Regelungsverfügung i. S. d. § 940 ZPO dar. 275 OLG Bremen AfP 1979, 355 ff.; OLG Köln AfP 1981, 358. 269

E. Die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche

161

dem, dass sie nach Abwägung der beiderseitigen Belange, insbesondere aufgrund der Schwere des Vorwurfs, zur Beseitigung der Beeinträchtigung erforderlich und dem Verletzer zumutbar sei.276 Vor allem der Beweis der Unwahrheit könne mit den beschränkten Möglichkeiten des summarischen einstweiligen Verfügungs­ verfahrens nicht mit der gebührenden Sicherheit geführt werden.277 Dagegen muss jedoch auch an dieser Stelle vorgebracht werden, dass sich diese hohen Verfahrensvoraussetzungen insbesondere bei schwerwiegenden und un­ zumutbaren Beeinträchtigungen, deren endgültige Aufklärung unverhältnismäßig viel Zeit beanspruchen würde, als unzulänglich erweisen, um einen ausreichen­ den Rechtsschutz des Verletzten sicherzustellen.278 Eine vorläufige Berichtigung wird, gerade wenn es um einen in den Medien geäußerten Strafbarkeitsvorwurf im Verlauf des strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geht, oftmals notwendig sein, da es dem Betroffenen bei der Geltendmachung zivilrechtlicher Berichtigungsan­ sprüche kaum zugemutet werden kann, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten. Durch ein langes Zuwarten würden diese Ansprüche einen Großteil ihrer Wirkung einbüßen.279 Einer Vorwegnahme in der Hauptsache kann damit begegnet werden, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache lediglich eine vor­ läufige Form des Widerrufs, der Richtigstellung oder der Ergänzung zugelassen wird.280 Folglich muss klargestellt werden, dass die Erstbehauptung vorerst nicht mehr aufrecht erhalten werden soll,281 was durch die Verwendung von Zusätzen wie, die Erklärung wird „vorläufig“, „gegenwärtig“, oder „einstweilen“ nicht mehr aufrecht erhalten, möglich ist.282 Hiergegen wendet sich Soehring, indem er darauf hinweist, dass auch eine vor­ läufige Berichtigung solange einen Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit darstelle, wie die Unwahrheit der behaupteten Tatsache nicht festgestellt sei.283 Dem ist grundsätzlich nicht zu widersprechen, jedoch müssen gerade bei der Be­ 276 BGH NJW 1987, 1400 (1401). Für die ausschließliche Geltendmachung von Berich­ tigungsansprüchen in der Hauptsache plädieren Damm/Kuner-Damm, Rn. 296 und Paschke, Medienrecht, Rn. 1130. 277 Vgl. Soehring, Presserecht, § 31 Rn. 19. 278 So wurde dies auch vom OLG Hamburg in einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit ge­ sehen; vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1996, 1449 (1451). 279 So kann sich eine ehrverletzende Behauptung bis zum Zeitpunkt einer Entscheidung in der Hauptsache dermaßen verbreitet und in den Köpfen der Rezipienten festgesetzt haben, dass sie einem Widerruf kaum noch zugänglich ist. 280 Siehe Dalbkermeyer, S. 207; Schneider, AfP 1984, 127 (130). Nach Dalbkermeyer kann z. B. ein vorläufiger Widerruf im Fall schwerwiegender Vorwürfe angebracht sein, bei denen erhebliche Anhaltspunkte für deren Unwahrheit sprechen und keine Möglichkeiten bestehen, hierüber Beweis zu erbringen; a. A. LG Dresden, BeckRS 2009, 25706; Wandtke-Renner, Me­ dienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil. 1, Kap. 3 Rn. 195. 281 Dalbkermeyer, S. 207; Schneider, AfP 1984, 127 (130). Vgl. hierzu zudem die Ausführun­ gen zur Durchsetzbarkeit von Berichtigungsansprüchen gegenüber den Medien im folgenden Gliederungsabschnitt. 282 Vgl. Wenzel-Gamer, 13. Kap. Rn. 85 f. 283 Soehring, Presserecht, § 31 Rn. 21.

162

6. Teil: Die Sanktionsnormen des Straf- und Nebenstrafrechts

urteilung vorverurteilender Berichterstattungen im Stadium strafrechtlicher Er­ mittlungen, die Verletzung presserechtlicher Sorgfaltspflichten als offensichtlich und die prinzipielle Geltung der Unschuldsvermutung als unumstößlich ange­ sehen werden, so dass zumindest Angaben, die bereits zu diesem Zeitpunkt von einer feststehenden Tatbeteiligung oder der Schuld des Beschuldigten ausgehen, als offenkundig unzutreffend zu bewerten sind. Aus diesem Grund kann der Be­ schuldigte auch nicht auf die Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs verwiesen werden, da dieser auf eine völlig andere Rechtsfolge abzielt. Dem Be­ schuldigten wird es hierbei in erster Linie um eine Korrektur der Veröffentlichung „aus der Feder“ des Verletzers gehen. Hinsichtlich des Gegendarstellungsanspruchs gegenüber den Medien ist zudem zu beachten, dass ein Großteil der landesrechtlichen Presse- und Mediengesetze – mit Ausnahme Bayerns – ein besonders ausgestaltetes Verfahren auf Anordnung des Abdrucks einer Gegendarstellung vorsehen, auf dass die Regelungen der Zivil­ prozessordnung über den Erlass einstweiliger Verfügungen entsprechende Anwen­ dung finden. Jedoch ergeben sich mit Blick auf Bayern hierbei in praktischer Hin­ sicht keinerlei Unterschiede, da die bayerische Rechtsprechung in ständiger Praxis die Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen im Wege der einst­weiligen Verfügung zulässt.284 Ferner ist bei der Geltendmachung von Gegendarstellungsansprüchen (ent­ weder nach den landesrechtlichen Bestimmungen oder nach der Rechtspraxis der Gerichte) die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens ausgeschlossen.285 Dies hat zur Folge, dass der Gegendarstellungsanspruch gegenüber der Verfolgung an­ derer zivilrechtlicher Ansprüche in der Hauptsache in einem gesonderten Verfah­ ren geltend gemacht werden muss. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich dabei nach dem jeweiligen Sitz des Verlages, Rundfunkveranstalters oder Telemedienan­ bieters, wenn dieser in Anspruch genommen wird. Richtet sich der Anspruch hin­ gegen lediglich gegen den verantwortlichen Redakteur, so ist dessen Wohnsitz für die örtliche Zuständigkeit entscheidend.286 3. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ersatzansprüche im Adhäsionsverfahren Wenn der Beschuldigte eines Strafverfahrens zugleich als mutmaßlich Ge­ schädigter eines weiteren Strafverfahrens gegen die Medien oder die Ermittlungs­ behörden auftritt (beispielsweise ist es denkbar, dass der Beschuldigte aufgrund bestimmter Äußerungen Strafantrag wegen Beleidigung gegen Angehörige der Medien oder der Ermittlungsbehörden stellt), ist weiterhin fraglich, ob es sich für 284

Soehring, Presserecht, § 29 Rn. 41. Soehring, Presserecht, § 29 Rn. 42. 286 Soehring, Presserecht, § 29 Rn. 44. 285

F. Zwischenergebnis

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ihn anbieten könnte, im Rahmen des gegen die Ermittlungsbehörden oder die Me­ dien geführten Strafverfahrens zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen. In­ sofern hat er grundsätzlich die Möglichkeit, vermögensrechtliche Ansprüche287 mithilfe des in den §§ 403 ff. StPO geregelten Adhäsionsverfahrens (sog. Anhangs­ verfahren) durchzusetzen. Dadurch kann vermieden werden, dass mehrere unter­ schiedliche Gerichte mit derselben Sache befasst werden und zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Die Praxisrelevanz des Adhäsionsverfahrens ist jedoch als eher gering einzu­ stufen. Die Bedenken gegen dieses Verfahren rühren aus der unterschiedlichen Verfahrensnatur des Straf- und Zivilprozesses. Es wird befürchtet, dass im Rah­ men des Strafverfahrens zivilrechtliche Fragestellungen nicht mit der gebührenden Genauigkeit bearbeitet und Verteidigungsposition sowie Verteidigungsmöglich­ keit des Angeklagten zu sehr eingeschränkt werden und die im Zivilprozess herr­ schende „Waffengleichheit“ beider Prozessparteien nicht in genügendem Maße gewahrt werden kann.288

F. Zwischenergebnis Mit Blick auf die in Betracht kommenden Sanktionsnormen des Straf- und Ne­ benstrafrechts bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die rechtswidrige Weiter­ gabe geheimer, aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stammender Infor­ mationen sowie die hierüber erfolgende mediale Berichterstattung nur ungenügend geahndet wird. So bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, Normen zu schaffen, welche zum einen die Rechte der am Strafverfahren Beteiligten, aber auch das öf­ fentliche Interesse an einer effektiven Durchführung des Strafverfahrens sowie die Rechte und Interessen der Medien in hinreichendem Maße berücksichtigen. Was die Möglichkeiten des von der Informationsweitergabe oder Bericht­ erstattung Betroffenen anbelangt, sich hiergegen mit den Mitteln des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts zur Wehr zu setzen, gilt es zu bedenken, dass die Gel­ tendmachung dieser Ansprüche zum Teil mit erheblichen tatsächlichen und recht­ lichen Schwierigkeiten behaftet und für die jeweiligen Anspruchssteller mit nicht zu unterschätzenden Risiken verbunden sein kann. Dabei wird es maßgeblich dar­ auf ankommen, inwieweit Behauptungen wertende und vorverurteilende Elemente enthalten und die Person des Anspruchsstellers dadurch über Gebühr in ihren Rechten verletzt wird. Letzten Endes hängt es stets von den Umständen des Ein­ zelfalls ab, ob ein gerichtliches Vorgehen Aussicht auf Erfolg verspricht. 287 Die vermögensrechtlichen Ansprüche müssen dabei aus der Straftat erwachsen sein, dür­ fen noch nicht anderweitig gerichtlich anhängig sein und müssen in die Zuständigkeit der or­ dentlichen Gerichte fallen; vgl. Vgl. Meyer-Goßner, StPO, Vor § 403 Rn. 10. Hierbei kommen insbesondere die aus einer rechtswidrigen Informationsweitergabe oder Berichterstattung er­ wachsenden Schadensersatzansprüche in Betracht. 288 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, Vor § 403 Rn. 3.

7. Teil 

Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, welche Rechtsgüter und Interessen typischerweise bei der Weitergabe von Informationen durch die Er­ mittlungsbehörden und die Medien tangiert werden. In erster Linie wird der Blick hierbei auf die Verfassung zu richten sein, da ein wesentlicher Teil der hier zu erörternden Rechtsgüter ihrem Schutz unter­ stehen. Zum einen muss das verfassungsrechtlich garantierte staatliche Interesse an einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege in diesem Zusam­ menhang Beachtung finden. Zum anderen sind die bei der ermittlungsbehörd­ lichen Informationsweitergabe und der daraufhin erfolgenden medialen Bericht­ erstattung regelmäßig tangierten Persönlichkeitsrechte der verfahrensbeteiligten Personen sowie deren verfassungsrechtlich abgesicherten Verfahrensrechte einer eingehenden rechtlichen Würdigung zu unterziehen. Bei dieser Untersuchung dür­ fen zudem die grundgesetzlich garantierten Rechte der Medien nicht unbeachtet bleiben.

A. Die Garantie einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege Dem Bundesverfassungsgericht zufolge verlangt der aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit die Aufrechterhaltung einer funk­ tionstüchtigen Strafrechtspflege. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Staatsbürger zu gewährleisten, ihr Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu schützen sowie die Gleichbehandlung der am Strafver­ fahren beteiligten Personen sicherzustellen. Es werden also sowohl mit der Schaf­ fung von Strafnormen als auch mit deren Anwendung im Rahmen eines rechts­ staatlichen Verfahrens Verfassungsaufgaben wahrgenommen.1 In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt be­ tont, dass eine wirksame Strafverfolgung und hierbei insbesondere die Aufklä­ rung schwerer Straftaten ein unabweisbares Bedürfnis eines auf rechtsstaatlichen

1

BVerfGE 113, 29 (54).

A. Garantie einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege

165

Grundsätzen basierenden Gemeinwesens darstellt.2 Gerade im Strafverfahren be­ steht ein erhebliches öffentliches Interesse an einer möglichst umfassenden Wahr­ heitsermittlung, das gleichermaßen der Überführung von Straftätern sowie der Entlastung unschuldiger Personen dient.3 Der Rechtsstaat kann sich letztendlich nur dann in vollem Umfang verwirklichen, wenn sichergestellt wird, dass Straf­ täter nach Maßgabe der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerech­ ten Strafe zugeführt werden.4 Daraus resultiert auch die Pflicht des Staates, nach gesetzlich festgelegten Voraussetzungen Strafverfahren einzuleiten, durchzufüh­ ren und rechtskräftig festgestellte Strafen zu vollstrecken.5 Das Ziel einer am Grundsatz der Effektivität ausgerichteten Strafverfolgung kommt in einer ganzen Reihe von Verfahrensprinzipen, die das Strafverfahren maßgeblich mitprägen, zum Ausdruck. Ein solcher verfahrensleitender Grund­ satz ist der Offizialmaxime (vgl. § 152 Abs. 1 StPO) zu entnehmen, wonach die Ahndung von Straftaten von Amts wegen (ex officio) erfolgt. Diesem Verfahrens­ grundsatz liegt der Gedanke zugrunde, dem im generalpräventiven Zweck des Strafrechts verankerten allgemeinen Interesse Geltung zu verschaffen, Straftaten nicht unverfolgt zu lassen.6 Ferner kann das rechtsstaatliche Erfordernis einer effizienten Strafrechtspflege auch aus dem Legalitätsprinzip (vgl. §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO) abgeleitet werden, nach dem die Staatsanwaltschaft7 beim Verdacht auf strafbare Handlun­ gen gesetzlich verpflichtet ist, Ermittlungen durchzuführen und Anklage zu er­ heben, wenn sich der Verdacht im weiteren Verlauf der Ermittlungen bestätigen sollte.8 Diese Verfahrensmaxime folgt in logischer Konsequenz aus dem im Offizi­ alprinzip verankerten staatlichen Anklagemonopol. Da die Durchsetzung des ma­ teriell-rechtlichen Strafanspruchs ausschließlich dem Staat obliegt, muss dieser gleichermaßen dafür Sorge tragen, dass seine Monopolstellung nicht leer läuft.9 2 BVerfGE 19, 342 (347); 20, 45 (49); 20, 144 (147); 29, 183 (194); 32, 373 (381); 33, 367 (383); 77, 65 (77); 80, 367 (375). 3 Vgl. BVerfGE 32, 373 (381); 33, 367 (383); 100, 313 (389). 4 BVerfGE 46, 214 (223). 51, 324 (343 f.). 5 BK-Robbers, Art. 20 Abs. 1 Rn. 1828. 6 Vgl. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 12 Rn. 7. Roxin/Schünemann führen in diesem Zusammenhang an, dass Privatpersonen in vielen Fällen nicht in der Lage oder nicht willens seien, von sich aus Straftaten zu verfolgen. Als Gründe für das Absehen von einer Straf­ anzeige kommen insbesondere die Angst vor Racheakten sowie anderweitiger, mit der Durch­ führung des Strafverfahrens in engem Zusammenhang stehender Unannehmlichkeiten (z. B. die belastende Erörterung des Tathergangs) in Betracht. 7 Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind gleichermaßen nach § 163 Abs. 1 StPO verpflichtet, beim Bestehen eines Anfangsverdachts Straftaten zu erforschen. 8 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 305. 9 Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 4 Rn. 19. Folglich ist der Staat verpflichtet, eine unpar­ teiische und willkürfreie Verfolgung von Straftaten beim Bestehen desselben Verdachtsgrades hinsichtlich aller in Betracht kommender tatverdächtiger Personen durchzuführen; vgl. BVerfG NStZ 1982, 430. Zudem kann das öffentliche Interesse an einer möglichst effektiv ausgestal­ teten Strafverfolgung dem Opportunitätsprinzip entnommen werden. Danach kann die Staats­

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Weiterhin manifestiert sich das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafver­ folgung im Ermittlungsgrundsatz10 (i. S. d. §§ 155 Abs. 2, 160 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO), nach dem die Strafverfolgungsorgane11 von Amts wegen verpflichtet sind, den Sachverhalt sowohl im Hinblick auf belastende sowie entlastende Umstände zu erforschen und aufzuklären.12 Ferner dient auch das Beschleunigungsgebot – neben dem berechtigten Interesse des Beschuldigten an einer angemessenen Ver­ fahrensdauer – dem Bedürfnis der Allgemeinheit, Strafverfahren binnen eines angemessenen Zeitraums zum Abschluss zu bringen. Mithilfe des Beschleuni­ gungsgrundsatzes kann zum Beispiel dem mit fortschreitendem Zeitablauf typi­ scherweise einhergehenden Verfall der Aussage- und Beweiskraft von Beweis­ mitteln entgegengewirkt werden.13 Das mit Verfassungsrang ausgestattete öffentliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung spielt ferner bei Fragen nach der Reichweite strafprozessualer Zeugnisverweigerungsrechte eine entscheidende Rolle. In dieser Beziehung hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass die Einräumung eines Zeugnisverwei­ gerungsrechts aus beruflichen Gründen mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz stets eine besondere gesetzliche Rechtfertigung erfordert, damit dieses Recht vor der Verfassung bestehen könne. Begründet wird dies damit, dass jede Erweiterung eines Zeugnisverweigerungsrechts die Möglichkeiten einer verfahrens­gemäßen Aufklärung des Sachverhaltes beschränken würde, was zwangsläufig eine Verkür­ zung des bezweckten strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes zur Folge hätte.14

anwaltschaft unter bestimmten Voraussetzungen aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Strafverfolgung absehen, wenn diese Möglichkeit gesetzlich vorgesehen ist (vgl. die §§ 153 ff. StPO). Beispielsweise ermöglicht es die Vorschrift des § 153 StPO, eine schnelle und effektive Verfolgung schwerer Straftaten zu sichern, indem die Strafjustiz vom Verfolgungszwang bei geringfügigen Verfehlungen befreit wird; vgl. BGHSt 16, 225 (229); LR-Beulke, § 153 Rn. 1 (diese Entlastung dient somit einer Sicherung und Konzentration der vorhandenen Kapazitäten auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte). 10 Diese Verfahrensmaxime wird auch als Instruktionsprinzip, Inquisition- oder Untersuchungs­ grundsatz bezeichnet; vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 299. 11 Die Staatsanwaltschaft wird unmittelbar durch § 160 Abs. 2 StPO in die Pflicht genom­ men. Für die Behörden und Beamten der Polizei gilt insofern § 163 StPO. 12 Vgl. hierzu Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 21 sowie Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 299. 13 In diesem Zusammenhang weisen Roxin/Schünemann zutreffend darauf hin, dass die Erinnerungskraft von Zeugen im Laufe der Zeit erheblich abnimmt, so dass dem Beschleu­ nigungsgrundsatz bei der Wahrheitsermittlung eine beachtliche Rolle beizumessen ist; vgl. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 16 Rn. 3. Das Beschleunigungs- gebot hat in vielen Normen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seinen Niederschlag gefunden (vgl. z. B. die §§ 115, 121, 128 ff., 161 a StPO). 14 Vgl. BVerfGE 33, 367 (383); 38, 312 (321 ff.). In vergleichbarer Weise argumentierte das Bundesverfassungsgericht, als es um die strafprozessuale Verwertbarkeit von Tagebuch­ aufzeichnungen ging. Wenn diese nicht dem absolut geschützten persönlichkeitsrechtlichen Kernbereich zuzuordnen seinen, habe eine Abwägung des öffentlichen Strafverfolgungsinter­ esses mit dem Persönlichkeitsrecht zu erfolgen; vgl. BVerfGE 80, 367 (374 ff.).

A. Garantie einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege

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Der staatliche Strafverfolgungsanspruch kann jedoch keinesfalls ungeachtet der Rechte des am Strafverfahren beteiligten Personenkreises durchgesetzt werden, da die Strafprozessordnung weder eine Wahrheitsermittlung „um jeden Preis“ ver­ langt noch eine solche erlaubt.15 Insofern betont das Bundesverfassungsgericht, dass gerade dem Grundrecht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit gegen­ über dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung eine hohe Bedeutung bei­ zumessen sei. Ein interessengerechter Ausgleich dieser Rechtsgüter ließe sich nur dadurch erreichen, dass den notwendig erscheinenden Eingriffen das Schutzge­ bot des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als ständiges Korrektiv entge­ gengehalten werde.16 So kann beispielsweise auch der Gesundheitszustand des Beschuldigten die Strafverfolgungsbehörden dazu zwingen, von der Durchfüh­ rung eines Verfahrens abzusehen, wenn sonst dauerhafte Schäden für das Leben oder die Gesundheit des Beschuldigten drohen.17 Insofern besteht eine schwerwie­ gende Konfliktlage zwischen der Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Straf­ rechtspflege zu ermöglichen, sowie der staatlichen Schutzpflichten für die Rechts­ güter des Beschuldigten. Beim Ausgleich dieser divergierenden Verfassungsgüter darf weder dem zwingenden Bedürfnis nach einer wirksamen Strafverfolgung und Ver­brechensbekämpfung noch den jeweils betroffenen Grundrechten des Beschul­ digten per se der Vorrang eingeräumt werden, sondern die Divergenz ist anhand des Einzelfalls nach den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu lösen.18

I. Negative Auswirkungen auf die Strafrechtspflege Nicht selten wird es sich zur Sicherung eines effektiven und ungestörten Ver­ fahrensablaufs anbieten, besonders vorsichtig und zurückhaltend mit den aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Informationen umzugehen. Die mit einer zu freizügigen Informationsherausgabe einhergehenden Nachteile für den Gang des Strafverfahrens sowie für die Person des Beschuldigten liegen zumeist auf der Hand. Zum einen kann die unreflektierte Weitergabe von Informationen durch die Er­ mittlungsbehörden bevorstehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder so­ gar vereiteln. So begründet eine voreilige Offenbarung von Ermittlungsdetails die große Gefahr, dass der betroffene Personenkreisen hierdurch gewarnt wird, beab­ sichtigte Ermittlungsmaßnahmen (z. B. nach den §§ 94 ff. StPO) ins Leere laufen, Beweismittel beiseite geschafft oder vernichtet werden und Zeugen ihre jeweiligen Aussagen abstimmen oder anpassen etc. Einer solchen potentiellen Gefährdung des Ermittlungserfolges tragen etliche Normen des materiellen sowie des pro­ zessualen Strafrechts Rechnung. So werden die schützenswerten staatlichen Ge­ 15

Vgl. BVerfGE 34, 238 (248 ff.) sowie BGHSt 14, 358 (365); 31, 304 (309); 38, 214 (220). Siehe BVerfGE 80, 367 (375). 17 BVerfGE 51, 324 (345). 18 BVerfGE 51, 324 (346 f.). 16

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

heimhaltungsinteressen beispielsweise in materiell-rechtlicher Hinsicht durch die §§ 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 353 d Nr. 3 StGB abgesichert. Ferner findet sich in § 477 Abs. 2 Satz 1, 1 Alt. StPO eine strafprozessuale Vorschrift, nach welcher Auskünfte aus den Akten oder eine Akteneinsicht zu versagen sind, wenn der In­ formationsübermittlung Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen. Zum anderen kann die Offenlegung geheimzuhaltender Informationen mit er­ heblichen Gefahren für die Verfahrensbeteiligten sowie für Zeugen (insbesondere für verdeckte Ermittler, Vertrauenspersonen und Informanten) verbunden sein.19 Nicht zuletzt bei der Inanspruchnahme von Vertrauenspersonen und Informan­ ten20 ist das Verhältnis zu den Ermittlungsbehörden in besonders hohem Maße von Vertraulichkeit geprägt, da es sich naturgemäß um solche Personen handelt, die außerhalb der ermittlungsbehördlichen Struktur stehen und nur gegen Zusicherung strenger Verschwiegenheit sowie einer strikten Identitätsgeheimhaltung bereit sein werden, den Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten behilf­ lich zu sein. Die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden begründet für sie oft­ mals ein beträchtliches Risiko, zum Ziel von Einschüchterungs- oder Vergeltungs­ taten zu werden. Folglich liegt es nahe, dass eine allzu offene Informationspolitik der Strafverfolgungsbehörden die Bereitschaft zur Zusammenarbeit solcher Perso­ nengruppen weitestgehend zunichte machen würde.21 Ähnliche Bedenken sprechen auch gegen die Offenlegung der Identität ande­ rer Zeugen und Verfahrensbeteiligter. Gerade im Bereich der organisierten Kri­ minalität sowie bei schweren Verbrechen kann eine ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben der betroffenen Personen nicht von der Hand gewiesen werden. Aus den zuvor genannten Gründen enthält die Strafprozessordnung eine Reihe von Vorschriften (wie z. B. die §§ 58 a, 68 Abs. 2 und 3, 200 Abs. 1 Satz 3 StPO), nach denen die Identität von Zeugen zu ihrem Schutz im Ermittlungsverfahren und in der strafrechtlichen Hauptverhandlung geheim gehalten werden kann.22 Ungeachtet des Umstandes, dass die infolge einer weitreichenden Informa­ tionsweitergabe tangierten Verfahrensrechte des am Strafverfahren beteiligten Per­ 19

Vgl. zur Zulässigkeit des Einsatzes verdeckter Ermittler die Regelung des § 110 a StPO. Vertrauenspersonen (V-Personen) und Informanten können insofern voneinander unter­ schieden werden, als dass die erste Gruppe die Strafverfolgungsbehörden über einen längeren Zeitraum unterstützt, während Informanten lediglich im Einzelfall bereit sind, den Strafverfol­ gungsbehörden Informationen mitzuteilen; vgl. KK-Nack, § 110 a Rn. 9. 21 Eine freizügig betriebene Informationspolitik würde zudem die Möglichkeit der Exeku­ tive, eine Enttarnung und Gefährdung verdeckter Ermittler mittels einer nach § 54 StPO i. V. m. den §§ 61, 62 BBG und 39 BRRG erfolgenden Genehmigungsverweigerung zu verhindern, un­ tergraben. Dem Schutz verdeckter Ermittler trägt z. B. die Vorschrift des § 110 a Abs. 3 StPO Rechnung, nach der Urkunden über erfundene Angaben hinsichtlich des Namens, Berufs, An­ schrift etc. ausgestellt werden können, wenn dies für den Aufbau oder die Aufrechterhaltung der Legende unerlässlich ist. 22 Weitere Vorschriften, die den berechtigten Zeugeninteressen Rechnung tragen, finden sich im Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen (ZSHG). 20

A. Garantie einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege

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sonenkreises eingehend unter einem gesonderten Gliederungspunkt23 behandelt werden, soll hier in aller Kürze festgehalten werden, dass ein medial angeheiztes Klima im Strafverfahren sowie der damit einhergehende Druck einer objektiven Wahrheitsfindung regelmäßig abträglich sein wird. So bestehen keine ernsthaf­ ten Zweifel, dass die in juristischen Dingen nicht geschulten Laienrichter bei ih­ rer Entscheidungsfindung in einem erhöhten Maße der außergerichtlichen Beein­ flussung zugänglich sind. Die Gefahr der Einflussnahme externer Faktoren auf die richterliche Entscheidungsfindung kann jedoch auch bei Berufsrichtern nicht voll­ kommen ausgeschlossen werden.24 Zudem werden sich selbst die Ermittlungsbe­ hörden regelmäßig äußerst schwer tun, von einer einmal öffentlich kundgetanen Einschätzung der Ermittlungsergebnisse nachträglich abzuweichen, so dass auch die der Wahrheitsfindung dienende Objektivität und Neutralität der Staatsanwalt­ schaft in Mitleidenschaft gezogen werden kann.25 Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass eine zu offen betriebene Informati­ onspolitik dem Streben nach einem einem geordneten und funktionstüchtigen Ab­ lauf des Strafverfahrens oftmals abträglich wäre.

II. Positive Auswirkungen auf die Strafrechtspflege Im Folgenden soll erörtert werden, ob und inwiefern sich eine freizügige be­ hördliche Informationspolitik im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren für den Ablauf und die Effektivität des Strafverfahrens auch als nützlich erweisen könnte. In einem zweiten Schritt muss dabei geklärt werden, ob mögliche verfahrens­ technische Vorteile durch anderweitige Nachteile relativiert oder völlig aufgeho­ ben werden. Folglich ist auch an dieser Stelle die grundsätzliche Frage zu stel­ len, wann mithilfe der ermittlungsbehördlichen Informationsweitergabe Aufgaben wahr­genommen werden, welche die Gewährleistung einer funktionstüchtigen und effektiven Strafrechtspflege ermöglichen und fördern könnten. Ermittlungsbehördliche Mitteilungen dienen der Strafrechtspflege, wenn sie die Öffentlichkeit in die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten einbeziehen. Dies ist der Fall, wenn die Öffentlichkeit zur Fahndung nach dem Beschuldigten i. S. d. §§ 131 f. StPO, zur Aufklärung einer Straftat und dabei insbesondere zur Feststellung der Identität eines unbekannten Täters gem. § 131 b Abs. 1 StPO oder zur Feststellung der Identität von Zeugen nach § 131 b Abs. 2 StPO eingeschaltet wird. Es bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die von der Strafprozess­ 23

Vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 7. Teil, D. Boehme-Neßler weist in diesem Zusammenhang zurecht auf die Gefahr für die faktische Unabhängigkeit der Richter in sachlicher und persönlicher Hinsicht hin. Je größer der durch die Öffentlichkeit und die Medien vermittelte psychische Druck ausfällt, desto wahrschein­licher wird es, dass außerhalb der Hauptverhandlung anzusiedelnde Aspekte Einzug in die richter­ liche Beweiswürdigung erhalten; siehe Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (230). 25 Vgl. Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (230). 24

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

ordnung vorgesehenen Möglichkeiten über die Einschaltung öffentlicher Kommu­ nikationsmittel adäquate und zulässige Wege zur Sicherung einer effektiven Straf­ verfolgung darstellen. Auch gegen die Verfassungskonformität dieser Regelungen sind keine ernsthaften Bedenken anzumelden, da diese Normen im Einzelnen sehr strengen Anforderungen unterliegen und nur dann zur Anwendung kommen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen weitaus geringeren Erfolg versprechen oder wesentlich erschwert wären.26 Diesbezüglich ist jedoch zu bedenken, dass ermitt­ lungsbehördliche Mitteilungen zu einem der in den §§ 131 ff. StPO genannten Zwecke in Relation zum Gesamtumfang der aus dem strafrechtlichen Ermittlungs­ verfahren herausdringenden Informationen einen zu vernachlässigenden Teil dar­ stellen. In Ansehung des Ausnahmecharakters und der unproblematischen Zuläs­ sigkeit27 solcher Mitteilungen sollen diese im weiteren Verlauf der Untersuchung weitgehend unberücksichtigt bleiben, da sie für die hier zu behandelnde Proble­ matik keinen größeren Erkenntniswert besitzen. Demgegenüber tragen ermittlungsbehördliche Öffentlichkeitsunterrichtungen zu general- oder spezialpräventiven Zwecken nicht zur Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege (im Sinne einer effektiven Aufklärung und Verfolgung von Straf­ taten) bei.28 Mithilfe entsprechender Maßnahmen wäre es lediglich möglich, die zukünftige Begehung von Straftaten zu verhindern, so dass diese dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen wären. Darüber hinaus ist es bereits mehr als nur zweifelhaft, ob eine Strafbericht­ erstattung im Sinne der positiven Spezialprävention überhaupt zur Besserung des Straftäters beitragen und diesen dazu anhalten kann, weiterhin ein straffreies Le­ ben zu führen, und ob es hierdurch möglich ist – entsprechend der negativen Spe­ zialprävention –, den Schutz der Gesellschaft vor einem nicht besserungsfähigen Täter zu gewährleisten. Auch eine Stärkung des in der Bevölkerung aufgrund der begangenen Straftat erschütterten Vertrauens in die Rechtsordnung („positive Ge­ neralprävention“) oder das Erzielen eines Abschreckungseffekts bei anderen tatge­ neigten Mitbürgern („negative Generalprävention“) erscheint zumindest mit Blick auf die Berichterstattung über das strafrechtliche Ermittlungsverfahren als na­ hezu ausgeschlossen.29 So existieren keine gesicherten Erkenntnisse, wonach von einer Kriminalberichterstattung stets positive Auswirkungen auf den Kreis poten­ tieller Straftäter oder die Allgemeinheit ausgehen würden. Vielmehr scheint es ebenso naheliegend, dass sich tatgeneigte Personen bei einer umfangreichen Dar­ stellung strafrechtlich relevanter Vorgänge in den Medien zu vergleichbaren oder ähnlich gelagerten Straftaten hinreißen lassen, Hemmschwellen abgebaut werden, Einschüchterungseffekte eintreten und Ängste bei den Rezipienten ausgelöst wer­ 26

Vgl. insofern beispielhaft den Wortlaut des § 131 Abs. 3 Satz 1 StPO. Dies setzt natürlich voraus, dass die Voraussetzungen der § 131 ff. StPO erfüllt sind. 28 D. h. entsprechende Maßnahmen wären nicht vom Strafverfolgungsauftrag i. S. d. §§ 160, 163 StPO gedeckt. 29 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 2. Teil, A. I. 2. b). 27

A. Garantie einer geordneten und funktionstüchtigen Strafrechtspflege

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den könnten.30 Auch aus einem weiteren Grund unterliegt es erheblichen Zweifeln, ob mithilfe der Strafberichterstattung Abschreckungseffekte bei den Rezipienten zu erzielen sind bzw. potentielle Täter von der Verübung gleich oder ähnlich gela­ gerter Taten abgehalten werden können. Eine Vielzahl von Straftaten werden aus dem Affekt heraus begangen (d. h. sie beruhen auf einem spontanen Tatentschluss) und bilden somit nicht das Ergebnis eines länger andauernden „Abwägungs­ vorgangs“, welcher einer medialen Beeinflussung zugänglich sein könnte.31 Dem­ nach kann weder der ermittlungsbehördlichen Öffentlichkeitsarbeit noch der me­ dialen Berichterstattung über strafrechtlich relevante Geschehnisse in den Medien ein wesentlicher Einfluss bei der Entschlussfassung dieses Täterkreises zur Tat­ begehung zugesprochen werden. Weiterhin verbieten es die Menschenwürde und die Unschuldsvermutung, mithilfe des Beschuldigten einen Abschreckungseffekt in der Gesellschaft zu erzielen oder eine Stärkung des allgemeinen Normvertrau­ ens dadurch zu bewirken, dass er der Öffentlichkeit als potentieller Täter präsen­ tiert wird. Diese öffentliche „Vorführung“ des Beschuldigten zu präventiven Straf­ zwecken macht ihn zum reinen Objekt staatlichen Handelns, was dem durch Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch auf Achtung der Menschenwürde zuwiderläuft.32 Zudem untersagt es die zugunsten des Beschuldigten streitende Unschuldsvermu­ 30 So können ausgiebige Kriminalberichterstattungen (auch wenn hierbei in erster Linie die Erfolge der Strafverfolgungsbehörden dargestellt werden) Ängste in der Bevölkerung hervor­ rufen oder schüren, selber Opfer einer Straftat zu werden. Kühl weist insofern zurecht darauf hin, dass die in der medialen Kriminalberichterstattung vorherrschende Konzentration auf Ge­ walt- und Tötungskriminalität kein naturgetreues Abbild des tatsächlichen Kriminalitätsauf­ kommens liefert, wodurch eine übertriebene Kriminalitätsfurcht kreiert und eine emotionsgela­ dene Einstellung gegenüber Straftätern begünstigt wird; vgl. Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (242). 31 Vgl. Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 17 f. Diese Erwägung kann gleichermaßen bei der weit­ gehend ungeklärten Frage ins Feld geführt werden, ob und inwieweit mithilfe von Strafmaß­ erhöhungen Abschreckungseffekte zu erzielen sind. So weist Meier darauf hin, dass in em­ pirischer Hinsicht ein „Zusammenhang zwischen der Schwere der Sanktionspraxis in einem Bezugsgebiet, z. B. der Vollstreckung der Todesstrafe, und dem Kriminalitätsaufkommen, nicht nachgewiesen werden konnte“. Eine abschreckende Wirkung kann hingegen nach Meier ledig­ lich von der „Verurteilungswahrscheinlichkeit“ sowie von der „subjektiv empfundenen Straf­ schwere“ ausgehen; vgl. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 27 f. 32 Vgl. BVerfGE 63, 332 (337 f.). Vgl. ferner Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 17 f. Der in Art. 1 Abs. 1 GG niedergelegte Achtungsanspruch verbietet es, den Einzelnen zum Objekt staatlichen Handelns zu degradieren, und verpflichtet gleichermaßen den Staat, positive resozialisierende Vorkehrungen zur Wiedereingliederung des Strafgefangenen in die Gesellschaft zu treffen (ohne dass hieraus jedoch ein Anspruch auf die Vornahme bestimmter Maßnahmen abgelei­ tet werden kann); vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 50 und Rn. 72. Wenn mithilfe des Beschuldigten eine abschreckende Wirkung in der Gesellschaft erzielt wird, führt dies zwangsläufig zu seiner gesellschaftlichen Ausgrenzung, so dass entsprechende Ver­ haltensweisen dem staatlichen Wiedereingliederungsauftrag zuwider laufen; vgl. Fink, S. 409. Das zwingende Gebot der Achtung der Menschenwürde des Beschuldigten durchzieht ferner das gesamte Strafverfahren, so dass sich die Verfolgung von Strafzwecken mittels einer öf­ fentlichen Zurschaustellung des Beschuldigten unter diesem Gesichtspunkt auch nach seiner rechtskräftigen Verurteilung verbietet.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

tung, ihn strafrechtlichen Sanktionen auszusetzen, bevor er nicht rechtskräftig ver­ urteilt und seine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Demgemäß dürfen auch die bei der Bestrafung verfolgten Strafzwecke keinesfalls vor dem Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung herangezogen werden.33 Dieser Aspekt wiegt umso schwerer, da die vorzeitige Aufdeckung der Beschuldigtenidentität nicht zuletzt im Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs zu schwerwiegenden Be­ einträchtigungen seines Rehabilitationsinteresses führen kann.

III. Zwischenfazit Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass eine frühzeitige und großzügige Informationspolitik der Ermittlungsbehörden sich in aller Regel negativ auf die Funktionstüchtigkeit und Effektivität der Strafrechtspflege auswirkt. Besonders deutlich wird dies, wenn es infolge der Veröffentlichung von Informationen über bevorstehende Verhaftungen, Durchsuchungen, Kontrollmaßnahmen etc. zu einer konkreten Gefährdung des Ermittlungserfolges kommt. Ferner kann die Weiter­ gabe von Ermittlungserkenntnissen konkrete Gefahren für hochrangige Rechts­ güter verfahrensbeteiligter Personen mit sich bringen, wobei insbesondere an Gefahren für Leib und Leben von Zeugen zu denken ist.34 Zudem begründen ex­ tensive öffentliche Berichterstattungen über laufende Ermittlungsverfahren kaum zu unterschätzende Gefahren für die Unbefangenheit von Richtern und Laienrich­ tern. Darüber hinaus sollte vermieden werden, dass die Verpflichtung der Ermitt­ lungs- und Strafverfolgungsbehörden zu Objektivität und Neutralität (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) aufgrund eines gesteigerten öffentlichen Drucks Schaden nimmt.35

33 Vgl. Franke, S. 63. Anders wird dies von Fink gesehen, nach dem eine solche Sichtweise den engen Zusammenhang zwischen dem materiellen und dem prozessualen Strafrecht ver­ nachlässigen würde. Fink führt an, dass der enge Zusammenhang zwischen dem materiellen und dem prozessualen Strafrecht verkannt werde, wenn die Strafzwecke nicht auch bei den Normen des Prozessrechts Berücksichtigung fänden. Fink begründet dies damit, dass sich die Regelungen des materiellen Strafrechts (und hierbei insbesondere das Strafmaß) stets an den Strafzwecken zu orientieren hätten, zugleich aber auch das Prinzip der Einheit des materiellen und prozessualen Strafrechts bestehe, so dass die Strafzwecke im gesamten Strafverfahren be­ achtet werden müssten; vgl. Fink, S. 398. 34 Vgl. insofern auch Branahl, Medienrecht, S. 25 sowie § 1 Abs. 1 ZSHG. 35 Insofern ist es durchaus möglich, dass ein Teil des öffentlichen Drucks auf das Verhalten der Ermittlungsbehörden zurückzuführen ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich die Ermittlungsbehörden zu voreiligen Bewertungen der Ermittlungserkenntnisse oder zu Aussagen über den möglichen Verfahrensausgang gegenüber der Öffentlichkeit hinreißen lassen und sich dadurch bereits gegenüber der Öffentlichkeit festgelegt haben und eine nach­ trägliche Abweichung dann umso schwerer fallen dürfte; siehe Kettner, S. 174 sowie die Aus­ führungen unten, im 7. Teil, D. I. 3.

B. Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen

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B. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen Das allgemeine Persönlichkeitsrecht leitet sich aus dem Recht auf eine „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ (Art. 2 Abs. 1 GG) ab und wird zusätzlich durch die mit oberstem Verfassungsrang ausgestattete Unverletzbarkeit menschlicher Würde (Art. 1 Abs.1 GG) abgesichert.36 Mit Blick auf die Verankerung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 1 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, dass es sich bei der Würde des Menschen um ein tragendes Prinzip der Verfassung handelt, das den Art. 2 Abs. 1 GG „mitbeherrscht“.37 Die Konzeption des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts als ein von der Verfassung gewährleistetes Grundrecht offenbart zu­ dem, dass die verfassungsrechtliche Werteordnung der freien Entfaltung des ein­ zelnen Individuums einen hohen Stellenwert beimisst, die von Seiten des Staates zu achten und zu schützen ist.38 Vom Bundesgerichtshof wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht in positiv­ rechtlicher Ausprägung erstmalig in einem Urteil vom 25. Mai 1954 als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.39 Zuvor hatte das Reichsgericht einen vom geschriebenen Recht unabhängigen Schutz der Persönlichkeit in Er­ mangelung gesetzlicher Bestimmungen abgelehnt.40 Um dennoch Persönlichkeits­ rechtsverletzungen in bestimmten Fällen entgegen zu treten, wurden Ansprüche unter anderem auf § 826 BGB gestützt, oder bereits existierende spezialgesetzlich ausgestaltete Persönlichkeitsrechte, wie das Recht am eigenen Bild oder das Recht am eigenen Namen, bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen aus­gedehnt.41 Nach heutigem Verständnis muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein „Rahmenrecht“42 verstanden werden.43 Diese Betrachtung folgt dem Umstand, dass der Persönlichkeitsschutz weder abschließend gesetzlich geregelt noch an­ hand feststehender Tatbestandsmerkmale eindeutig zu bestimmen ist.44 Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt vielmehr die gewichtige Funktion zu, 36

Vgl. BVerfGE 6, 32 (36 ff.); BGHZ 13, 334 (338). BVerfGE 6, 32 (36). 38 Leibholz/Rink, GG, Art. 2 Rn. 26; Neuling, S. 157. 39 BGHZ 13, 334 (338). Diese Rechtsprechung fand in zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1973 die ausdrückliche Billigung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfGE 34, 269 (281); 35, 202 (219 f.). 40 Vgl. RGZ 79, 397 (398); 107, 277 (281). 41 Wasserburg, S. 31 f. 42 Auf die Funktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als „Rahmenrecht“ weisen auch die sinngemäß verwandten Bezeichnungen „Quellrecht“, „Auffangtatbestand“ und „General­ klausel“ hin. 43 Vgl. BGHZ 13, S. 334 ff.; siehe auch v. Becker, S. 88; Dalbkermeyer, S. 14; Larenz, NJW 1955, 521 (525); Neuling, S. 158; Wanckel, S. 85 f. 44 Siehe Wandtke-Boksanyi, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil. 3, Kap. 1 Rn. 3. 37

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

bestehende Lücken im Persönlichkeitsschutz auszufüllen.45 Folglich muss der Schutzumfang46 dieses „Rahmenrechts“ stets im Einzelfall anhand der konkreten Umstände ermittelt und abgegrenzt werden. Dabei darf die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs nicht pauschal unterstellt werden, sondern es hat immer wieder eine ein­ zelfallbezogene Güterabwägung zu erfolgen.47 Neben dem allgemeinen Persön­ lichkeitsrecht haben sich eine Vielzahl spezialgesetzlich normierter Ausprägun­ gen des Persönlichkeitsschutzes herausgebildet, wie z. B. das Recht am eigenen Namen gem. § 12 BGB, die Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. d. § 12 ff. UrhG, das Recht am eigenen Bild nach den §§ 22 ff. KUG und der Ehrenschutz i. S. d. §§ 185 ff. StGB.48 Infolge der ermittlungsbehördlichen Informationsweitergabe und der hierüber erfolgenden medialen Berichterstattung können verschiedene Facetten des Per­ sönlichkeitsschutzes betroffen sein. So wird die Weitergabe oder Veröffentlichung von Abbildungen verfahrensbeteiligter Personen regelmäßig deren Recht am eige­ nen Bild i. S. d. §§ 22 ff. KUG tangieren. Bei Namensnennungen muss hingegen eine Verletzung des Rechts auf Namensanonymität in Erwägung gezogen wer­ den49, das in Ansehung einer bestehenden planwidrigen Regelungslücke jedoch gleichermaßen an den §§ 22 ff. KUG (in analoger Anwendung) zu messen ist.50 Ferner muss im Zusammenhang mit herabsetzenden oder ehrverletzender Bericht­ erstattungen an die Delikte zum Schutz der Ehre i. S. d. §§ 185 ff. StGB gedacht werden.51 Mit Blick auf die hier zu untersuchende Problemstellung unterscheiden v. Be­ cker, Dalbkermeyer und Neuling im Wesentlichen zwischen dem „Recht auf An­ onymität“ sowie dem „Recht auf Resozialisierung“ (bzw. dem Recht auf „NichtEntsozialisierung“).52 Bei diesem zweigliedrigen Persönlichkeitsrechtsschutz wird 45 Leibholz/Rink, GG, Art. 2 Rn. 26. Die lückenfüllende Funktion des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechts bietet die Möglichkeit, auf das mit der modernen technischen und wissenschaft­ lichen Entwicklung einhergehende Gefahrenpotential für den Persönlichkeitsschutz flexibel und adäquat zu reagieren; vgl. BVerfGE 101, 361 (380); 106, 28 (39) sowie Leibholz/Rink, GG, Art. 2 Rn. 27. 46 Vgl. zu den einzelnen Schutzbereichen bereits die Ausführungen weiter oben, im 6. Teil, C. I. 1. 47 Vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 51 und Wandtke-Boksanyi, Medienrecht Praxishand­ buch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 1 Rn. 3. 48 Siehe Dalbkermeyer, S. 14 f. 49 So auch Schulz, S. 7 f. 50 Vgl. hierzu die folgenden Ausführungen weiter unten, im 7. Teil, B. I. 51 Schulz, S. 7. Vgl. zu den möglichen tangierten strafrechtlichen Sanktionsnormen sowie den zivil- und öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen des Betroffenen die Ausführungen oben, im 6. Teil. 52 Siehe v. Becker, S. 88 ff.; Dalbkermeyer, S. 15 ff. und Neuling, S. 158 ff. Hierbei handelt es sich lediglich um eine „grobe“ Untergliederung des Schutzbereichs des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts. Diese nicht abschließenden Unterfälle des Persönlichkeitsschutzes sollen aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die hier zu behandelnde Problematik hervorgehoben werden. Des Weiteren werden die persönlichkeitsrechtlich relevanten Belange der Betroffenen

B. Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen

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zwischen einer statischen Komponente, welche dem Einzelnen einen gegenüber der Öffentlichkeit verschlossenen Bereich seiner persönlichen Existenz (bzw. pri­ vater Lebensgestaltung) zusichert, und einer dynamischen Komponente unter­ schieden, welche das Recht auf individuelle Entfaltung der Persönlichkeit sowie auf aktive Teilnahme am sozialen Geschehen einräumt.53 Im folgenden Abschnitt soll der Schwerpunkt der Untersuchung auf diese beiden Ausschnitte des Persön­ lichkeitsschutzes gerichtet werden.

I. Das Recht auf Anonymität Der Teilbereich des Persönlichkeitsrechtsschutzes, mit dessen Hilfe dem Ein­ zelnen gegenüber der Öffentlichkeit ein verschlossener Bereich privater Lebens­ führung zugesichert werden soll, kann in der Welt der moderner Massenmedien und Kommunikationsmöglichkeiten nur dann verwirklicht werden, wenn dem In­ dividuum gleichermaßen Möglichkeiten eingeräumt werden, mit denen es sich einer öffentlichen Darstellung der eigenen Person erwehren kann. Auf dieses grundlegende Bedürfnis nach selbstbestimmter Anonymität zielen die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in der „Lebach-Entscheidung“ ab, nach denen der Freiraum privater Lebensgestaltung auch das Recht des Einzel­ nen umfasst, „für sich zu sein“, „sich selbst zu gehören“ sowie diesen Bereich ge­ gen ein Eindringen oder Einblicke Dritter zu schützen.54 Insofern ist es durchaus überzeugend, mit den Worten Neumann-Duesbergs von einem „Persönlichkeits­ recht auf Namensanonymität“ zu sprechen.55 Dieses Anonymitätsrecht umfasst im Wesentlichen den durch die §§ 22 ff. KUG vermittelten Schutz vor unbefugten Bildnisveröffentlichungen sowie das Recht, unbefugte Namensveröffent­lichung zu unterbinden. Dabei ist nicht unumstritten, ob ein Anspruch auf Wahrung der Namensanonymität anzuerkennen ist und worauf ein entsprechender Rechts­ anspruch gestützt werden könnte.56 Nach vorzugswürdiger Ansicht sind Eingriffe in das Recht auf Wahrung der Per­ sonenanonymität im Wege einer analogen Anwendung an den Vorschriften über z. B. über spezialgesetzliche Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, des Kunsturheberrechts­ gesetzes (§§ 22 ff. KUG), den Schutz des Rechts am eigenen Namen (§ 12 BGB) sowie über die Vorschriften des Strafgesetzbuches zum Ehrenschutz (§§ 185 ff. StGB) geschützt. Allerdings können auch die spezialgesetzlich geschützten Rechtsgüter zum Teil einer der zuvor genannten Säulen des Persönlichkeitsrechts zugeordnet werden. So stärken die §§ 22 ff. KUG das Recht auf Anonymität, wohingegen mithilfe der Vorschriften zum Ehrenschutz gem. §§ 185 ff. StGB Verhaltensweisen geahndet werden können, aufgrund derer es auf Seiten des Beschuldigten zu Sozialisationsstörungen kommt. 53 Vgl. v. Becker, S. 88 f.; Dalbkermeyer, S. 15; Neuling, S. 158 f. 54 BVerfGE 35, 202 (220); vgl. auch BVerfGE 27, 1 (6); 33, 367 (376 ff.); vgl. ferner die Ausführungen in der Einleitung zum 5. Teil. 55 Vgl. Neumann-Duesberg, JZ 1970, 564 ff. 56 Siehe v. Becker, S. 146.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

den Bildnisschutz i. S. d. §§ 22 ff. KUG zu messen.57 In Ermangelung spezialge­ setzlicher Vorschriften ist von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen.58 Ein Recht auf Wahrung der Namensanonymität kann entgegen der Ansicht von Koch59 auch nicht § 12 BGB entnommen werden.60 Diese Vorschrift ist ihrem un­ missverständlichen Wortlaut nach nur dann anwendbar, wenn „das Recht zum Ge­ brauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt“ wird, „dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht“. Insofern ist Neumann-Duesberg beizupflichten, wenn er unter Berufung auf Coing61 hervorhebt, dass § 12 BGB in erster Linie das „Identitätsinteresse“ schützt.62 Von einem unbefugten Namensgebrauch ist dem­ nach auszugehen, wenn die Namensführung den unzutreffenden Anschein einer falschen Identität hervorruft.63 Eine Identifizierung des Beschuldigten im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahren, bei der sein richtiger Name genannt wird, ent­ hält jedoch gerade keine unzutreffenden Angaben über seine Identität, so dass solche Verhaltensweisen keinesfalls zu Beeinträchtigungen des „Identitätsinteres­ ses“ i. S. d. § 12 BGB führen können.64 Bei Bildnisveröffentlichungen und Namensnennungen bestehen zudem durch­ aus vergleichbare Interessenlagen. Die Wahrung der Personenanonymität im Straf­ verfahren stellt keine ausschließliche Spezialität des Bildnisschutzes dar.65 Der Name kann wie die Abbildung zur Unterscheidung einer Person von einer ande­ ren verwendet werden und eignet sich gleichermaßen zur Individualisierung. Da­ bei gilt es zu bedenken, dass Namensnennungen und Bildnisveröffentlichungen für den hiervon betroffenen Personenkreis vergleichbare Auswirkungen mit sich bringen können.66 Eine volle Namensnennung wird zur Personenidentifikation bisweilen sogar geeigneter sein, als die Veröffentlichung einer unscharfen, neutralen, oder unauf­ 57 Vgl. v. Becker, S. 144; Bornkamm, S. 250; Dalbkermeyer, S. 17; Neuling, S. 160; Neumann-Duesberg, JZ 1970, 564 (565 f.); Koebel, JZ 1966, 389 (390). 58 So auch Dalbkermeyer, S. 17. 59 Vgl. Koch, ZRP 1989, 401 (402). 60 Vgl. Bornkamm, S. 250; Dalbkermeyer, S. 17; Neuling, S. 160; Neumann-Duesberg, JZ 1970, 564 (565); vgl. insoweit aber auch die Entscheidung des OLG Frankfurt, in der es die namentliche Nennung des Beschuldigten im Fernsehen nach § 12 BGB beurteilt (OLG Frank­ furt NJW 1971, 47 [48]). 61 Vgl. insoweit Staudinger-Coing, 11. Aufl., § 12 Rn. 18 a. 62 Siehe Neumann-Duesberg, JZ 1970, 564 (565). Vgl. zu den weiteren Fällen, in denen eine Beeinträchtigung des Berechtigten in seinen Rechten aus § 12 BGB in Erwägung gezogen wer­ den kann: BGHZ 30, 7 (9). 63 Neumann-Duesberg, JZ 1970, 564 (565). 64 In diesem Sinne auch v. Becker, S. 144 und Neumann-Duesberg, JZ 1970, 564 (565). 65 Vgl. v. Becker, S. 145 sowie Dalbkermeyer, S. 17. 66 In diesem Sinne vor allem v. Becker, S. 144 f. und Dalbkermeyer, S. 17 f. Ferner kommt hinzu, dass nach der erstmalig erfolgten Aufhebung der Personenanonymität mit einer rasch folgenden Veröffentlichung weiterer Details, Abbildungen usw. zu rechnen ist. Die erste öffent­ liche Identifizierung ebnet sozusagen jedem weiteren Eingriff den Weg.

B. Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen

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fälligen Abbildung.67 Gerade unter Berücksichtigung der vorhandenen technischen Möglichkeiten ist zudem anzumerken, dass es durch die Veröffentlichung des vol­ len Namens einer Person für jedermann möglich ist, weitere Informationen über die gewünschte Person in Erfahrung zu bringen, indem der vollständige Name bei einer gängigen Internetsuchmaschine (wie z. B. „Google“) eingegeben wird. On­ linerecherchen, bei denen Inhalte von Bilddateien verglichen werden, sind hin­ gegen zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht in demselben Maße ver­ breitet.68 Hinzu tritt, dass der Name nicht auf seine bloße Unterscheidungsfunktion reduziert werden kann, sondern er verkörpert darüber hinaus die dahinter stehende Individualität und Persönlichkeit.69 Folglich besitzt der Name auch eine höchst­ persönliche Komponente, die eine rechtliche Gleichbehandlung mit dem Bildnis­ schutz nahelegt. Aus den zuvor geschilderten Gründen müssen all jene Mitteilungen, die un­ mittelbar oder mittelbar auf die Identität der Betroffenen schließen lassen, den­ selben rechtlichen Anforderungen, die auch bei Bildnisveröffentlichungen gel­ ten, unterstellt werden.70 Dies trifft gleichermaßen zu, wenn die Offenbarung der Beschuldigtenidentität weder aus der Veröffentlichung einer Abbildung noch des Namens resultiert, sondern sich aus der Mitteilung weiterer Details über den Be­ schuldigten speist, die für sich genommen oder in ihrem Zusammenspiel auf seine Identität schließen lassen.71 67

Siehe v. Becker, S. 145. v. Becker weist darauf hin, dass die Namensnennung Abbildun­ gen, auf denen der Betroffene nicht ohne Weiteres sofort zu erkennen ist, oftmals erst die iden­ tifizierende Qualität verleiht. 68 Eine Bildsuche mit den gängigen Internetsuchmaschinen (z. B. „Google“) richtet sich für gewöhnlich nach dem frei wählbaren Dateinamen oder Alternativtexten und nicht nach den je­ weiligen Bildinhalten. Die Suche nach identischen oder ähnlichen Inhalten ist gegenüber der Suche nach Schlagwörtern mit weitaus mehr Umständen verbunden, da hierfür die jeweilige Bilddatei z. B. eingescannt, hochgeladen und mittels eines speziellen Dienstanbieters oder einer Spezialsoftware mit den gewünschten Inhalten verglichen werden muss. Zum Vergleich können dabei Texturen, Farbbereiche, Silhouetten, Bildgrößen oder in der Umgebung des Bil­ des anzutreffende Überschriften herangezogen werden. Eine Suche nach anderen Abbildungen derselben Person mithilfe einer Bilderkennungssoftware ist mit den marktüblichen Mitteln und Möglichkeiten noch nicht ohne Weiteres durchführbar, was sich jedoch bald ändern könnte. 69 So auch Neuling, S. 160. 70 So z. B. wenn gegen den Chefarzt einer bestimmten Klinik, den Bürgermeister oder den Polizeipräsidenten einer bestimmten Stadt ermittelt wird. Gleichermaßen kann auch die voll­ ständige Veröffentlichung der Anschrift oder ähnlichem einen unmittelbaren Rückschluss auf die Identität einer Person zulassen; vgl. ferner die Beispiele für indirekte Personenkennzeich­ nungen bei v. Becker, S. 150 f. v. Becker macht deutlich, dass Namensabkürzungen sowie An­ gaben zu Alter, Beruf, Aussehen, Familienverhältnissen, akademischen Graden, Adelstiteln usw. ein erhebliches, die Anonymität gefährdendes Potential in sich tragen. 71 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, in der Einleitung zum 5. Teil. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Personenkreis, welcher in die Lage versetzt wird, den Täter zu iden­ tifizieren, zunächst überschaubar und begrenzt ist (sich z. B. auf die Nachbarn, Vereinsange­ hörigen etc. beschränkt). Auch in diesen Fällen muss bereits von einer vollständigen Anony­ mitätsaufhebung ausgegangen werden; vgl. v. Becker, S. 149.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

II. Das „Recht auf Resozialisierung“ Infolge von Mitteilungen über Strafverfahren kann zudem das aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf Wiedereingliederung in die Ge­ sellschaft (bzw. das Recht auf Resozialisierung) gefährdet werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit besonderem Nachdruck in der „Le­ bach-Entscheidung“ hervorgehoben.72 Hierbei stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das berechtigte Interesse eines Straftäters, nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wieder von der Gesellschaft aufgenommen zu werden, in­ folge der geplanten Ausstrahlung eines Dokumentarspielfilms, der sich explizit mit der Tat befasste, sowie zu Beginn Bilder des Täter zeigte und wiederholt des­ sen Namen nannte, beeinträchtigt werde. Für den Erfolg der gesellschaftlichen Re­ integration eines Täters sei neben der staatlichen Förderung und den Bemühungen des Täters, die Bereitschaft der Gemeinschaft, eine Wiedereingliederung zuzulas­ sen, von erheblicher Bedeutung.73 Das erneute Hervorrufen der Tatvorgänge im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft sowie die Verknüpfung dieser Gescheh­ nisse mit der Person des Täters werfe diesen auf den „Stand der Tatzeit zurück“, wobei ihm gleichzeitig die entmutigende Einsicht vermittelt werde, es komme auf seine Bemühungen zur Reintegration ohnehin nicht an, da seine Umwelt in ihm stets den „Täter von damals“ sehen würde.74 Aus dieser Aktualisierung der Vor­ gänge folge zudem eine negative Einflussnahme auf die Bereitwilligkeit der Ge­ sellschaft, den Täter wieder in ihren Reihen aufzunehmen, wobei gleichermaßen in der Bevölkerung vorherrschende Befangenheiten gegenüber ehemaligen Straf­ gefangenen verfestigt und ausgebaut würden.75 Die zuvor geschilderten Probleme lassen sich jedoch nicht unmittelbar auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren übertragen, da es in diesem Verfahrens­ abschnitt nicht darum geht, einem in Haft befindlichen oder aus der Haft entlas­ senen Straftäter die Wiedereingliederung in die Rechtsgemeinschaft zu ermög­ lichen.76 In diesem Verfahrensstadium besteht vielmehr zum ersten Mal die Gefahr, dass es zu Sozialisationsstörungen auf Seiten des Beschuldigten kommen und die­ ser längerfristig aus der sozialen Gemeinschaftsordnung ausgeschlossen werden könnte.77 Besondere Relevanz besitzt diese Problematik gerade für einen Beschul­ digten, dessen Ermittlungsverfahren zu einem späteren Zeitpunkt eingestellt wird, da er durch eine „frühe“ Medienberichterstattung erheblich gefährdet und beein­ 72

BVerfGE 35, 202 (235 ff.). Vgl. BVerfGE 35, 202 (236). 74 BVerfGE 35, 202 (237). 75 BVerfGE 35, 202 (237); vgl. ferner Cole, NJW 2001, 795 f. 76 Franke weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass einer Resozialisierung denknot­ wendig eine Entsozialisierung vorausgegangen sein muss, was im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung unproblematisch angenommen werden kann; Franke, S. 121; in diesem Sinne auch Dalbkermeyer, S. 19 und Neuling, S. 161. 77 Vgl. Franke, S. 119. 73

B. Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen

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trächtigt werden kann. Folglich ist es kaum nachvollziehbar, wenn ein rechtskräf­ tig verurteilter Straftäter besser gestellt wird als der Beschuldigte eines strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahrens. Dieser vermeintliche Wertungswiderspruch löst sich jedoch bei einer näheren Betrachtung der verfassungsgerichtlichen Entschei­ dung auf. Danach offenbart sich das berechtigte Interesse eines verurteilten Straf­ täters an seiner gesellschaftlichen Wiedereingliederung als Teilaspekt höherran­ giger Rechtsprinzipien, die in ihrer Gesamtheit eine dauerhafte Ausgrenzung des Individuums aus der Gemeinschaft verhindern sollen und dessen gesellschaftliche Einbindung zu fördern bezwecken.78 Dem Bundesverfassungsgericht zufolge gebieten es die gemeinschaftlichen In­ teressen, die aus dem Sozialstaatsprinzip resultierenden staatlichen Für- und Vor­ sorgepflichten gerade auch bei Gruppen und Teilen der Gesellschaft wahrzu­ nehmen, die „aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind“. Hierzu gehörten unter anderem Strafgefangene und aus der Haft entlassene Perso-nen.79 Diesen Ausführungen ist ein allgemeines Recht auf Sozi­ alisation80 zu entnehmen, das sowohl eine staatliche Pflicht zur Mitwirkung bei der Wiedereingliederung in die Rechtsgemeinschaft begründet und spiegelbildlich hierzu den Staat in die Verantwortung nimmt, alle Handlungen und Maßnahmen zu unterlassen, die zu Sozialisationsstörungen führen können und ihrerseits nicht gesetzlich legitimiert sind.81 78

BVerfGE 35, 202 (236). BVerfGE 35, 202 (236); vgl. hierzu auch Dalbkermeyer, S. 20 und Franke, S. 120. Ferner dient die Resozialisierung des Straftäters nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutz der Gemeinschaft, die ein großes Interesse daran habe, dass Straftäter nicht rückfällig werden und einen noch größeren Schaden für die Gemeinschaft anrichten; vgl. BVerfGE 35, 202 (236). Das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht zudem, dass Resozialisierung und So­ zialisation von Straftätern die wichtigsten Ziele des Vollzuges von Freiheitsstrafen darstellen; BVerfGE 35, 202 (235); in diesem Sinne bereits: BVerfGE 33, 1 (7 f.). 80 Im Hinblick auf den Begriff der Sozialisation verweist v. Becker auf die in der pädago­ gischen Psychologie vorherrschende Bedeutung, die den „Prozess der Integration des Einzel­ menschen in die Gesellschaft, in dessen Verlauf ein Individuum sich den kulturellen Normen und kommunikativen Prozessen seiner sozialen Umwelt gegenüber anpasst bzw. angepasst wird“, umfasst. Hierzu gehören gleichermaßen kindlich-familiäre wie auch in der Ausbildung, im Beruf und im Gemeinschaftsleben erfolgende Sozialisationsprozesse; vgl. v. Becker, S. 92. 81 So auch schon v. Becker, S. 99. Zu derselben Erkenntnis zwingt im Übrigen auch ein „Erst-recht-Schluss“. Wenn es dem Staat aufgrund der ihn treffenden Für- und Vorsorgepflich­ ten obliegt, entlassenen Straftätern die Wiedereingliederung in die Rechtsgemeinschaft zu er­ leichtern, verbietet es sich zwangsläufig, bereits im Vorfeld gesetzlich nicht legitimierte Hand­ lungen vorzunehmen oder zuzulassen, die diesen einforderbaren Bemühungen von vornherein zuwiderlaufen. Anders verhält es sich bei staatlich angeordneten Maßnahmen, die für die Durchführung des Strafverfahrens notwendig und zwangsläufig mit Belastungen verbunden sind. So steht es außer Frage, dass der rechtmäßige Vollzug einer Freiheitsstrafe zulässig ist, obwohl dieser naturgemäß eine vorübergehende Ausgrenzung des Individuums aus der Sozialgemeinschaft mit sich bringt. Gleiches gilt für die bestehende Konfliktlage zwischen der Öffentlichkeit der strafrechtlichen Hauptverhandlung und den Persönlichkeitsrechten der 79

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Das Recht auf Sozialisation ist zudem in persönlicher Hinsicht nicht auf den Kreis der Strafgefangenen und aus der Haft entlassener Straftäter beschränkt, son­ dern bietet all jenen Schutz, die auf die Hilfe staatlicher Institutionen angewiesen sind.82 Zu diesem Kreis der Schutzbedürftigen ist zweifelsfrei auch der Beschul­ digte des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu zählen. Es liegt geradezu in der Natur der Sache, dass dieser Verfahrensabschnitt für die Person des Beschul­ digten mit einer ganzen Vielzahl von Rechtsguts- und Interessenbeeinträchtigun­ gen verbunden ist, die er zugunsten der Wahrheitsermittlung über sich ergehen lassen muss.83 Die Strafverfolgungsbehörden bekommen hierbei oftmals weitrei­ chende Einblicke in die Persönlichkeit, das Leben, Umfeld etc. des Beschuldigten. Zudem üben sie bisweilen einen erheblichen Einfluss auf seine Person und seine Lebensumstände aus. Besonders deutlich wird dies, wenn der Fokus auf den in Untersuchungs­ haft befindlichen Beschuldigten gerichtet wird. Der Freiheitsentzug, als wohl schwerste rechtsstaatlich vorgesehene Einschränkung, lässt den Beschuldigten ge­ genüber den Ermittlungsbehörden zwar nicht schutzlos, jedoch ist er schon allein in Anbetracht seiner eingeschränkten Fortbewegungsfreiheit in erhöhtem Maße schutzbedürftig. Die mit Zunahme staatlicher Einflussnahme ansteigende Schutz­ bedürftigkeit auf Seiten des Beschuldigten verlangt, dass auch das Maß staatlicher Für- und Vorsorgepflichten proportional hierzu angehoben wird. Die Ermittlungs­ behörden treffen gleichermaßen Fürsorgepflichten, wenn sie lediglich Informatio­ nen über den Beschuldigten gesammelt haben. Denn auch in diesen Fällen besteht ein berechtigtes Interesse des Beschuldigten daran, dass diese Informationen nicht unkontrolliert an die Öffentlichkeit gelangen. Folglich steigt mit zunehmender Ak­ kumulation von Daten über den Beschuldigten auch die Verpflichtung der Ermitt­ lungsbehörden zu einem verantwortungsbewussten und diskreten Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen. Weiterhin kann das Schutzbedürfnis nicht auf einzelne Phasen des Straf­ verfahrens oder die Zeit nach der Haftentlassung begrenzt werden, da die fak­ tischen Auswirkungen für die Betroffenen sowohl im Erkenntnis- und Vollstre­ ckungsverfahren als auch in der Zeit nach der Haftentlassung nahezu identisch sind.84 Die Vorläufigkeit der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse

Verfahrens­beteiligten. Die persönlichkeitsrechtlichen Beeinträchtigungen sind zugunsten der Kontroll- und Informationsfunktion der Verfahrensöffentlichkeit hinzunehmen; vgl. hierzu LRWickern, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff. 82 Vgl. Neuling, S. 162. Folglich müssen auch Geschädigte, Zeugen, Angehörige oder an­ dere verfahrensbeteiligte oder verfahrensunbeteiligte Personen vor entsprechenden Störungen in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung geschützt werden. 83 Zur aktiven Mitwirkung an seiner eigenen Überführung kann der Beschuldigte des Straf­ verfahrens hingegen nicht angehalten werden („nemo tenetur se ipsum accusare“); vgl. MeyerGoßner, StPO, Einl Rn. 29 a. 84 Vgl. hierzu auch v. Becker, S. 99 f.

B. Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen

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gebietet es vielmehr, dem Beschuldigten einen erhöhten Schutz vor publizisti­ schen Bloßstellungen zukommen zu lassen.85 Ein weiteres erhebliches Gefährdungspotential für das Recht eines Straftäters auf Resozialisierung geht von der Archivierung digitalisierter Berichterstattungen über Strafverfahren im Internet aus. Problematisch ist dabei, dass mithilfe von On­ linearchiven eine zeitlich und örtlich nahezu unbegrenzte Speicherung und Abruf­ barkeit der jeweiligen Inhalte ermöglicht wird.86 Insofern haben sich eine ganze Reihe instanzgerichtlicher Entscheidungen87 mit Fragen zur Rechtmäßigkeit, der Speicherung und Bereitstellung von Informationen über Straftaten in Internet­ archiven befasst, wobei diese zum Teil zu überaus unterschiedlichen Ergebnissen gelangten.88 Den Kern dieser gerichtlichen Erörterungen bildete die Frage, ob mit fortschrei­ tendem Zeitablauf das Interesse des Betroffenen, mit der von ihm verübten Tat in der Öffentlichkeit nicht mehr in Verbindung gebracht zu werden, gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegt, wodurch die Bereitstellung der In­ formationen rechtswidrig würde.89 Für die Annahme einer Persönlichkeitsrechts­ verletzung hat sich beispielsweise das LG Hamburg ausgesprochen, indem es hervorhob, die archivierten Inhalte seien öffentlich zugänglich, wodurch die Täter­ schaft des Betroffenen ständig wiederkehrend aktualisiert werde.90 Auch das OLG Hamburg nahm in einem vergleichbaren Fall einen Unterlassungsanspruch gegen­ über der namentlichen Nennung eines verurteilten Mörders in einem Onlinearchiv an. Dabei hob das Gericht hervor, dass von Archivierungen im Internet gegenüber herkömmlichen Pressearchiven weitaus größere Gefahren potentieller Rechts­ güterbeeinträchtigungen ausgehen würden.91 85

So auch Dalbkermeyer, S. 20; Neuling, S. 162 sowie im Hinblick auf den Angeklagten in der strafrechtlichen Hauptverhandlung Franke, S. 121. 86 Vgl. hierzu den Aufsatz von v. Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 ff. Aufgrund der na­ hezu unbegrenzten zeitlichen Möglichkeit, Inhalte von Onlinearchiven abzurufen und zu spei­ chern, kommt eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten auch dann in Betracht, wenn von den jeweiligen Beiträgen im Zeitpunkt ihrer Einstellung keine Rechtsverletzung ausging. Insofern kann auf die Kernaussage der „Lebach-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts verwiesen werden, nach welcher der Täter mit Ablauf einer gewissen Zeitspanne ein Anrecht darauf hat, nicht mehr öffentlich mit der Tat konfrontiert zu werden; vgl. BVerfGE 35, 202 (203 u. 233 ff.). 87 Vgl. KG AfP 2006, 561 ff.; OLG Hamburg ZUM-RD 2007, 474 f.; LG Berlin AfP 2001, 337 ff.; LG Hamburg ZUM-RD 2007, 537 (538 ff.). 88 Problematisch ist an dieser Stelle insoweit nur, wie ursprünglich rechtmäßig veröffent­ lichte Beiträge in Online-Archiven zu behandeln sind. Da die Grenzen der Zulässigkeit einer Berichterstattung mit zunehmenden Zeitablauf immer enger zu ziehen sind, können ursprüng­ lich rechtswidrige Veröffentlichungen in Onlinearchiven hingegen nicht zu einem späteren Zeitpunkt zulässig werden; vgl. Hoecht, ZRP 2009, 342 (343) sowie v. Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 (103). 89 Vgl. v. Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 (103). 90 Vgl. LG Hamburg ZUM-RD 2007, 537 (538 ff.). 91 Siehe OLG Hamburg ZUM-RD 2007, 474 f. Das Hanseatische Oberlandesgericht betonte zudem die erleichterte Auffindbarkeit von Inhalten in Onlinearchiven. So sei bereits die Ein­

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Andere instanzgerichtliche Entscheidungen gingen hingegen von der Recht­ mäßigkeit einer dauerhaften Verfügbarkeit identifizierender Kriminalberichte im Onlinearchiven aus.92 So erkannten das LG Berlin93 sowie das Kammergericht94 in der Beschwerdeinstanz eine Rechtsverletzung unter den zuvor beschriebenen Umständen nicht an, da der betroffene Straftäter infolge der bloßen Aufbewah­ rung eines Berichtes nicht erneut in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt werde.95 Dieser Ansicht hat sich nunmehr auch der Bundesgerichtshof mit einem Urteil vom 15. Dezember 2009 angeschlossen, wobei die Entscheidung über die Zuläs­ sigkeit der dauerhaften Bereitstellung personalisierter Altmeldungen im Internet in einem erheblichen Maße davon abhängen soll, ob die ursprüngliche Veröffent­ lichung rechtmäßig erfolgt ist, nur mithilfe einer gezielten Suche aufgefunden werden kann, und ob aus ihr deutlich hervorgeht, dass es sich um eine ältere Be­ richterstattung handelt.96 Diese Kriterien können nicht ohne Weiteres entkräftet werden. So unterliegt es keinen ernsthaften Zweifeln, dass ein fundamentaler Unterscheid zu dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden „Lebach-Fall“ in der jeweili­ gen Breitenwirkung der bereitgestellten Informationen zu erblicken ist. Die be­ absichtigte Ausstrahlung des sog. „Soldatenmordes von Lebach“ sollte in dem überaus beliebten Sendeformat des Fernsehdokumentarspiels und zur besten Sen­ dezeit erfolgen, wodurch mit einer erheblichen Reichweite zu rechnen war.97 Hier­ gabe von Schlagwörtern oder Eckdaten ausreichend, um gewünschte Inhalte zu lokalisieren. Hinzu komme, dass die Artikel von jedem privaten Computer abrufbar seien, so dass letztend­ lich jede interessierte Person auf die Inhalte zugreifen könne. Von daher sprach sich das Ge­ richt für die Einrichtung von Kontrollmechanismen zur Löschung bzw. Sperrung rechtswidrig gewordener Inhalte in Onlinearchiven aus. 92 Siehe KG AfP 2006, 561 ff.; OLG Köln AfP 2007, 126 ff.; vgl. auch v. Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 (105 f.). 93 LG Berlin AfP 2001, 337 ff. In dieser Entscheidung ging es um die Verfügbarkeit eines ur­ sprünglich rechtmäßig veröffentlichten Berichtes über einen deutschen Straftäter, der während der Fussball-Weltmeisterschaft in Frankreich wegen eines sog. „Hooligan“-Angriffs auf einen französischen Polizisten verurteilt worden war. 94 KG AfP 2006, 561 ff. Das Kammergericht führte ergänzend zu der Entscheidung des Landgerichts aus, dass von einem erneuten Behaupten nur dann ausgegangen werden könne, wenn sich aus den Umständen ergebe, dass die archivierten Inhalte auch noch aktuell behaup­ tet werden sollen. Die Herausgabe rechtmäßig archivierten Materials sei stets zulässig, da es jedem Interessierten offen stehen müsse, sich einen historischen und kulturellen Überblick zu verschaffen. Ferner sei in Ermangelung eines übermäßigen Interesses ohnehin mit keinen gra­ vierenden Beeinträchtigungen auf Seiten des Betroffenen zu rechnen. 95 Auch das OLG Köln schloss sich dieser Rechtsprechung an und stellte heraus, dass die Online-Archivierung – im Gegensatz zur Fallgestaltung in der „Lebach-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts – keine wiederholte öffentliche Berichterstattung darstelle, da hier lediglich derselbe Bericht zu einem späteren Zeitpunkt abrufbar sei, wodurch auch eine ver­ gleichbare Breitenwirkung entfalle; vgl. OLG Köln AfP 2007, 126 f. 96 BGH MMR 2010, 438. 97 Vgl. hierzu die Ausführungen des Sachverständigen in BVerfGE 35, 202 (227 ff.), nach denen mit einer Einschaltquote von 30 % bis 80 % zu rechnen war; siehe auch Hoecht, AfP 2009, 342 (344).

B. Persönlichkeitsrecht der verfahrensbeteiligten Personen

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gegen kann zwar ins Feld geführt werden, dass mithilfe des Einsatzes moderner Such­maschinen Inhalte schnell und effizient aufgefunden und abgerufen werden können und die streitigen älteren Inhalte oftmals nahezu gleichberechtigt neben neuere und aktuelle Beiträge treten.98 Das Auffinden älterer Berichte in Online­ archiven erfordert jedoch eine gezielte Suche nach den jeweiligen Inhalten. Da hierfür auf Seiten der Suchenden Vorkenntnisse vorhanden sein müssen, wird es sich regelmäßig nur um einen kleinen Kreis von Personen handeln.99 Zudem kann in dem reinen Bereitstellen der jeweiligen Inhalte bereits begriffstechnisch keine erneute Veröffentlichung erblickt werden. Auch diesbezüglich kommt es nicht dar­ auf an, dass die jeweiligen Inhalte mit elektronischen Mitteln einfach und schnell von jedermann abgerufen werden können, sondern entscheidend ist vielmehr, dass die Inhalte nicht an die Rezipienten herangetragen werden, sondern diese sich die Informationen selber zusammensuchen müssen.100 Aus diesen Gründen wird das „Resozialisierungsinteresse“ des Straftäters bei einer Speicherung von Bericht­ erstattungen in Onlinearchiven weitaus weniger beeinträchtigt als im Fall der Erst­ veröffentlichung und jeder weiteren Veröffentlichung.101 Des Weiteren ist mit dem Bundesgerichtshof hervorzuheben, dass das Interesse des Betroffenen, mit der Tat „alleine gelassen zu werden“, zwar mit zunehmender zeitlicher Distanz zur Tat an Gewicht gewinnt, gleichwohl ein Anspruch des verurteilten Straftäters, gar nicht mehr mit seiner Tat in Verbindung gebracht zu werden, keinesfalls anzuerkennen ist.102 Auch wenn die Umstände des jeweiligen Einzelfalls über die persönlich­ keitsverletzende Wirkung identifizierender Beiträge in Onlinearchiven über Straf­ täter entscheiden, kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass entsprechende Inhalte in aller Regel zulässig sind. Die zuvor beschriebenen Auswirkungen von Onlinearchiven auf das Resozia­ lisierungsinteresse bereits rechtskräftig verurteilter Straftäter können weitgehend auf den Beschuldigten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren übertragen wer­ den. Dabei gilt es zu bedenken, dass dem Beschuldigten ein gesteigertes Inter­ esse daran zuzugestehen ist, sich im Falle eines Freispruchs oder einer Verfahren­ seinstellung von den Tatvorwürfen zu lösen. Aus diesem Grunde erkennt auch die Rechtsprechung das Recht des Beschuldigten an, über die Einstellung des Verfah­ rens oder einen Freispruch im erforderlichen Umfang zu berichten.103 98 Vgl. hierzu die Argumentation des LG Hamburg, ZUM-RD 2007, 540. Das Landgericht führt aus, dass jeder Inter- netnutzer, der den Namen des Mordopfers in eine Suchmaschine eingebe, binnen „Bruchteilen von Sekunden“ auf den identifizierenden Inhalt stoßen könne. 99 Hoecht, AfP 2009, 342 (347). 100 In diesem Sinne auch v. Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 (107). 101 Vgl. BGH GRUR 2010, 549 (551); KG AfP 2006, 561 (563); OLG Frankfurt a. M. AfP 2006, 569; OLG Köln AfP 2007, 126 (127). Dies ist zumindest solange anzunehmen, wie auf die streitigen Inhalte nicht im Wege einer konkreten Bezugnahme oder Verlinkung erneut hin­ gewiesen wird; vgl. LG Düsseldorf ZUM 2008, 156 sowie v. Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 (107). 102 Vgl. BGH MMR 2010, 571 (572). 103 Vgl. BVerfG NJW 1997, 2589 sowie Hoecht, AfP 2009, 342 (343).

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Ungeachtet der gerichtlichen Billigung eines solchen Anspruchs auf Abgabe er­ gänzender Mitteilungen stellt es sich für den Betroffenen oftmals gerade in prak­ tischer Hinsicht als problematisch dar, dass über einen Freispruch oder eine Ver­ fahrenseinstellung in aller Regel weniger intensiv berichtet wird, als dies beim Auftauchen belastender Umstände und Verfahrenswendungen der Fall ist. Inso­ fern bewahrheitet sich die These, nach der besonders skandalträchtige und vor al­ lem nega­tive Entwicklungen im Strafverfahren auf eine große Aufmerksamkeit auf Seiten des Rezipienten sowie auf ein erhöhtes mediales Interesse stoßen.104 Folg­ lich ist es nicht verwunderlich, wenn ein Großteil der Kriminalberichterstattungen in den Internetarchiven belastender Natur ist, was wiederum dazu führen kann, dass Überreste der Tatvorwürfe dem Betroffenen dauerhaft anhaften.105 Aus diesem Grund werden die Interessen des Beschuldigten auch durch die Anerkennung eines Anspruchs auf ergänzende Mitteilung nicht hinreichend geschützt. Mithilfe die­ ses Anspruchs ist es ihm nicht möglich, sich dagegen zur Wehr zu setzen, dass bei Dritten (die sich über bestimmte Vorgänge im Internet informieren) der Eindruck entsteht, gegen den Beschuldigten werde weiterhin ein Verfahren geführt oder es liege weiterhin ein entsprechender Tatverdacht vor. Aufgrund dieser Beden­ ken muss das Interesse des Betroffenen, nicht mehr in der Öffentlichkeit mit den Tatvorwürfen konfrontiert zu werden, höher angesetzt und durch einen Anspruch auf Löschung der identifizierenden und belastenden Berichte flankiert werden.

III. Zwischenfazit An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass mit der Herausgabe von Informa­ tionen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine Reihe unterschiedlicher Aspekte des allgemeinen sowie des spezialgesetzlich ausgeformten Persönlich­ keitsschutzes beeinträchtigt werden können. Wenn die ermittlungsbehördliche Öffentlichkeitsarbeit den Beschuldigten in seinem Anonymitätsrecht verletzt, ist diese – ganz gleich auf welche Art die Iden­ tifizierung erfolgt – an den Maßstäben des Bildnisschutzes (§§ 22 ff. KUG) entwe­ der direkt (bei Fotografien) oder im Wege einer Analogie zu messen. Ferner kann der Beschuldigte infolge der Informationsweitergabe in seinem, dem allgemeinen 104

Vgl. hierzu Hörisch, StV 2005, 151 ff. Koch weist in diesem Zusammenhang auf den bezeichnenden Satz des ehemaligen Präsi­ denten des Bundesverfassungsgerichts Herzog hin: „Es darf in einem Rechtsstaat doch eigent­ lich nicht vorkommen, dass ein Mensch, gegen den ein Strafverfahren anhängig war, am Ende gesellschaftlich und wirtschaftlich erledigt ist, obwohl ihn das Gericht nachher we­ gen er­wiesener Unschuld freigesprochen hat.“; vgl. Koch, ZRP 1989, 401 (402). Ferner hebt Koch zutreffend hervor, dass die Möglichkeit einer öffentlichkeitswirksame Erörterung laufen­ der Ermittlungen sowie der dauerhaften Schädigung des gesellschaftlichen Ansehens des Be­ schuldigten trotz einer späteren Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs, den potentiellen Missbrauch einer publizierten Strafanzeige als „Rufmordwerkzeug“ fördert (z. B. um sich wirt­ schaftlicher Konkurrenz zu entledigen, oder sich in Fällen privater Eifersucht zu rächen). 105

C. Art. 5 GG

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Persönlichkeitsrecht sowie dem Sozialstaatsprinzip entnommenen Recht auf So­ zialisation (bzw. dem Recht nicht „entsozialisiert“ zu werden) beeinträchtigt wer­ den. Je nach Art und Inhalt der herausgegebenen Informationen sind eine Fülle weiterer Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes denkbar, die eine im Einzelfall vorzunehmende Prüfung erfordern, wobei die tangierten rechtlichen Belange in einen interessengerechten Ausgleich zu bringen sind.106 Ferner begründet die Speicherung medialer Mitteilungen in Onlinearchiven im Stadium des Ermittlungsverfahrens eine besonders große Gefahr für die Rechte des Beschuldigten, vor allem wenn es im weiteren Verfahrensverlauf zu einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung kommt.107

C. Art. 5 GG Im Folgenden sollen die den Medien von der Verfassung eingeräumten Rechte näher untersucht werden.108 In Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG haben die Grundrechte der Medien ihre verfassungsrechtliche Verankerung gefunden. Diese Norm besitzt folglich eine zentrale Bedeutung für das gesamte Medienrecht einschließlich der Informationserlangung sowie der Berichterstattung über das strafrechtliche Er­ mittlungsverfahren. Die Medienfreiheiten stellen keinen Unterfall der Meinungsund Informationsfreiheit dar, da die Meinungsfreiheit stets einschlägig ist, wenn es um die Zulässigkeit der Äußerung einer bestimmten Meinung geht (bzw. um die Zulässigkeit eines bestimmten Inhalts). In diesem Fall wird die charakterisierende 106 Die zuvor erwähnten Fallgruppen sind zwar nicht abschließend, jedoch für die hier zu be­ urteilende Fallkonstellation geradezu typisch. Bei der Veröffentlichung einer heimlichen Auf­ nahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes des Beschuldigten oder einer anderen verfah­ rensbeteiligten oder -unbeteiligten Person käme beispielsweise eine Strafbarkeit nach § 201 StGB in Betracht (diese Strafnorm bezweckt den Schutz der Vertraulichkeitssphäre bzw. die Unbefangenheit menschlicher Kommunikation als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts; vgl. Fischer, StGB, § 201 Rn. 2). 107 Was die Problematik von Rechtsverletzungen auf Seiten anderer verfahrensbeteiligter und -unbeteiligter Personen betrifft, so ist zum einen anzumerken, dass diese im Wesentlichen mit den möglichen Beeinträchtigungen beim Tatverdächtigen vergleichbar sind (mit Ausnahme von Verletzungen z. B. der Unschuldsvermutung und der anderen Verfahrensrechte des Be­ schuldigten). Auf die Fragen, unter welchen Umständen identifizierende Berichterstattungen über diesen Personenkreis zulässig sind und welche zusätzlichen Informationen gegebenenfalls herausgegeben werden dürften, soll erst zu einem späteren Zeitpunkt näher eingegangen wer­ den; vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 8. Teil, C. II. 108 Hinsichtlich der Bestimmung des öffentlichen Informationsinteresses (als ein „Recht“ der Allgemeinheit auf Informationserteilung) kann auf die Ausführungen weiter oben, im 6. Teil, B. V. 1. verwiesen werden. Insofern gilt es vor allem, das „berechtigte“ öffentliches In­ formationsinteresse (als ein auf umfassende Unterrichtung und sachlichen Meinungsaustausch ausgerichtetes Interesse) gegenüber dem reinen Sensations- bzw. Unterhaltungsinteresse (als Verlangen nach angenehmer Beschäftigung ohne Konsequenzen für die realen Lebensverhält­ nisse) zu unterscheiden, da dies mit Auswirkungen auf die Gewichtung im Rahmen der vorzu­ nehmenden Güterabwägung verbunden ist; vgl. Fink, S.  160 ff.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Vermittlungsleistung der Medien nicht berührt. Hingegen sind die Medienfrei­ heiten betroffen, wenn die gegenüber einer einzelnen Meinungsäußerung über­ geordnete Bedeutung der Medien in Frage steht.109 Aufgrund des Umstandes, dass sich die Pressefreiheit bei der Beschaffung der Informationen nicht allein auf die allgemein zugänglichen Quellen beschränkt, sondern zugleich auch die Infor­ mationsgewinnung durch besondere Recherchen, Interviews und Beobachtungen etc. mit umfasst und darüber hinaus einen Informations- und Informantenschutz verlangt, ist sie als ein Spezialfall der Informationsfreiheit anzusehen.110 Da die Medien­freiheiten folglich einen engen Bezug zu den durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verbürgten Grundrechten aufweisen, soll an dieser Stelle mit den Grundrech­ ten der Meinungs- und der Informationsfreiheit begonnen werden. Überdies han­ delt es sich bei der genauen Abgrenzung zwischen den durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Grundrechten um einen rein akademischen Streit, da die Schranken­ regelungen des Art. 5 Abs. 2 GG für alle Rechte gleichermaßen gelten.111

I. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zufolge hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grundrecht umfasst in seiner ersten Alternative die sog. Äußerungsfreiheit.112 In der zweiten Alternative gewährt diese Regelung die sog. Informationsfreiheit.113 1. Die Äußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG Das von der Verfassung verbürgte Recht, die eigene Meinung in Wort, Bild und Schrift frei zu äußern beinhaltet einerseits eine individuelle Komponente, die es dem Einzelnen ermöglicht, seine Persönlichkeit frei zu entfalten, und andererseits eine politische Dimension, durch welche die geistige Auseinandersetzung zwi­ schen den Menschen gesichert und gefördert werden soll.114 Um sich die heraus­ ragende Bedeutung der ersten Alternative des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu verge­ genwärtigen, können die Worte des Bundesverfassungsgericht bemüht werden, nach denen das Grundrecht der freien Meinungsäußerung „für die freiheitlichdemokratische Rechtsordnung schlechthin konstituierend ist, denn es ermöglicht 109 Vgl. im Hinblick auf die Presse hierzu BVerfGE 62, 230 (243); 85, 1 (11 f.); 97, 391 (400); Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 5 Rn. 24; Pieroth/Schlink, Staatsrecht 2, Rn. 616. 110 Vgl. BVerfGE 36, 193 (204); 107, 299 (329 f.); 117, 244 (265 ff.); Pieroth/Schlink, Staats­ recht 2, Rn. 616. 111 Vgl. hierzu Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 218. 112 Siehe Wenzel-Burkhard, 1. Kap. Rn. 4 ff. 113 Wenzel-Burkhard, 1. Kap. Rn. 25 ff. 114 BVerfGE 42, 163 (170 f.); 61, 1 (7); Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 5 Rn. 2.

C. Art. 5 GG

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erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist“.115 Der Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit ist dabei nicht auf Meinun­ gen (d. h. auf Äußerungen, die durch Elemente der Stellungnahme, des Dafür­ haltens oder Meinens geprägt sind) beschränkt, sondern es können innerhalb ge­ wisser Grenzen ebenfalls Tatsachenbehauptungen am Schutz dieses Grundrechts teilhaben.116 Bei dieser Abgrenzung soll es nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich darauf ankommen, ob und inwieweit geäußerte Tat­ sachen das Fundament einer durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG geschützten Meinungsbildung begründen können.117 Als Konsequenz daraus müssen bewusst behauptete unwahre Tatsachen sowie falsche Zitate aus dem Schutzbereich der Äußerungsfreiheit herausgenommen werden, da diese keinesfalls zur Bildung zu­ treffender Meinungen beitragen.118 Im Gegensatz zu den zuvor geschilderten Aus­ nahmen, welche vom Schutz des Art. 5 Abs.1 Satz 1 Alt. 1 GG ausgenommen sind, kommt es nicht darauf an, ob eine Aussage „wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational“ begründet ist.119 Ferner untersteht nicht nur der Inhalt einer Äußerung dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG, sondern es werden gleichermaßen die verschiedenen Äußerungsformen mit umfasst, so dass grundsätzlich auch verletzende, satirische oder polemische Aussagen am Schutz dieser Norm teilhaben.120 Die Äußerungsfreiheit berührt den hier zu erörternden Prozess der Informa­ tionsweitergabe zwischen der Staatsanwaltschaft und den Medien sowie den Vor­ gang der Informationsbeschaffung durch die Medien jedoch nur am Rande. Die erste Alternative des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betrifft den Vorgang der Meinungs­ kundgabe bzw. die Informationsweitergabe. Die Ermittlungs- und Strafverfol­ gungsbehörden können sich als staatliche Stellen grundsätzlich nicht auf die Grundrechte berufen, da der Staat nicht zugleich als Adressat und Berechtigter der Grundrechte auftreten kann.121 Demnach könnte dieses Freiheitsgrundrecht ledig­ 115

BVerfGE 7, 198 (208). Vgl. BVerfGE 85, 1 (14 f.); Beater, Medienrecht,Rn. 93 f. 117 BVerfGE 54, 208 (219); 61, 1 (8); 85, 1 (15). 118 BVerfGE 54, 208 (219 f.); 85, 1 (15). Hierbei gilt es sich vor Augen zu führen, dass die An­ forderungen an die Wahrheitspflicht nicht so streng bemessen werden dürfen, dass hierdurch die freie Meinungsbildung, eine umfassende Information oder die öffentliche Kritik in unzu­ mutbarer Weise beeinträchtigt werden. Folglich bedarf es in unklaren Fällen stets einer diffe­ renzierten Untersuchung des Wahrheitsgehaltes einer Aussage; BVerfGE 61, 1 (8). 119 Siehe BVerfGE 33, 1 (14 f.); 61, 1 (7); Fechner, Medienrecht, 3. Kap. Rn. 50. 120 Nicht geschützt ist die reine Schmähkritik. Um eine solche handelt es sich, wenn die Ver­ letzungsabsicht im Vordergrund steht und die Absicht der eigenen Meinungskundgabe hinter dieser vollständig zurück tritt; vgl. BVerfG NJW 1974, 1762 (1763). 121 Vgl. BVerfGE 15, 256 (262); 21, 362 (370). Dies gilt gleichermaßen für juristische Per­ sonen des öffentlichen Rechts. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden lediglich dort an­ erkannt, wo die übertragenen Aufgaben unmittelbar einem grundrechtlich geschützten Be­ reich zugeordnet werden können oder einem solchen von vornherein angehören, d. h. wenn 116

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

lich bei der medialen Berichterstattung eine Rolle spielen, nicht jedoch bei dem hier maßgeblichen Akt der Informationsweitergabe durch die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden an die Medien oder die Öffentlichkeit. Eine Vorent­ haltung von Informationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kann hierbei nur auf die dem Prozess der Meinungsäußerung zwangsläufig vorgela­ gerte Meinungsbildung Auswirkungen haben. Insofern käme eine Verletzung des Grundrechts der Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG oder der Mediengrundrechte des Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht. 2. Die Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG Die in der zweiten Alternative des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geregelte Informa­ tionsfreiheit garantiert das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen selbst und ungehindert zu unterrichten und dient somit dem Schutz des einzelnen Indi­ viduums122 bei der Informationsentgegennahme und -beschaffung.123 Dieses Frei­ heitsgrundrecht steht in einem gleichrangigen Verhältnis zur Meinungsäußerungs­ freiheit und nimmt wie diese eine zentrale Rolle im Wesen der Demokratie ein, denn die Bildung eigener Meinungen sowie die Beteiligung am politischen Wil­ lensbildungsprozess setzt zwingend den Zugang des Einzelnen zu den begehrten Informationen voraus. Demnach handelt es sich bei der Informationsfreiheit um einen der Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung vorgelagerten Prozess, welcher die verantwortliche Meinungsbildung erst ermöglicht oder ergänzt.124 Geschützt wird die Möglichkeit des Einzelnen, sich aus den allgemein zugäng­ lichen Quellen zu unterrichten.125 Von der allgemeinen Zugänglichkeit einer Infor­ mationsquelle ist auszugehen, wenn diese „technisch dazu geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“.126 Die Eignung richtet sich ausschließlich nach eine grundrechtsspezifischen Gefährdungslage besteht; so wird z. B. die partielle Grundrechts­ fähigkeit von Universitäten, Fakultäten, Rundfunkanstalten und Kirchen angenommen; vgl. BVerfGE 68, 193 (207); 75, 192 (196). 122 Als Träger dieses Grundrechts kommen gleichermaßen natürliche sowie juristische Per­ sonen in Betracht; vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 5 Rn. 18. 123 Vgl. BVerfGE 27, 71 (82 f.); Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 5 Rn. 17. 124 Vgl. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 82; Wilms, Staatsrecht II, Rn. 588. 125 Hierbei wird gleichzeitig die Unterrichtung aus der Informationsquelle sowie die un­ mittelbare Informationsaufnahme an der Quelle geschützt (z. B. der Zugang zu Podiumsdiskus­ sionen, Pressekonferenzen etc.); siehe BVerfGE 103, 44 (60). 126 BVerfGE 27, 71 (83); 90, 27 (32); 103, 44 (160); Heinrich, FS für HU-Berlin 2010, 1241 (1250);. Letztendlich geht es im Kern darum, ob eine Informationsquelle im Sinne der juristi­ schen Terminologie als „öffentlich“ anzusehen ist; vgl. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 90 f. Somit fällt die Unterrichtung der Rezipienten aus den Massenkommunikations­mitteln problemlos unter den Schutzbereich dieses Grundrechts. Dies gilt klassischerweise für den Rundfunk und die Presse, aber auch für die modernen Kommunikationsmittel wie das Internet, das digitale Fernsehen usw.; vgl. Wilms, Staatsrecht II, Rn. 591.

C. Art. 5 GG

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den faktischen Begebenheiten, so dass der Schutzbereich der Informationsfreiheit nicht auf der Grundlage von Rechtsnormen eingeschränkt werden kann.127 Ferner kommt es bei der Ermittlung von Art und Umfang der öffentlichen Zugänglichkeit entscheidend auf die Zweckbestimmung des Bestimmungsberechtigten als „allge­ mein zugänglich“ an.128 Der Umfang des Bestimmungsrechts wird von der Rechts­ ordnung festgelegt (z. B. richtet sich dieser nach den Vorschriften über die Reich­ weite des Persönlichkeitsschutzes), wobei die beschränkenden Rechtsvorschriften ihrerseits an der Verfassung zu messen sind, da es dem Staat ansonsten möglich wäre, den Schutzbereich dieses Grundrechts auszuhöhlen.129 Letztlich wird auch die mediale Informationsgewinnung und -verbreitung aufgrund einer Reflexwir­ kung vom Grundrecht der Informationsfreiheit mit umfasst, da das Recht des Ein­ zelnen, sich aus den allgemein zugänglichen Quellen zu informieren, leerliefe, wenn keine entsprechenden Informationsquellen existierten.130 Aus der Informationsfreiheit kann des Weiteren kein Recht auf die Eröffnung neuer Informationsquellen abgeleitet werden.131 Die Vorschrift begründet nur in Ausnahmefällen ein aktives Zugangsrecht gegenüber staatlichen Stellen, na­ mentlich wenn die Informationsquelle im staatlichen Verantwortungsbereich liegt und eine rechtliche Regelung die öffentliche Zugänglichkeit anordnet.132 So hat das Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Zulässigkeit von Fernsehauf­ nahmen während einer Gerichtsverhandlung verneint.133 Gerichtsverhandlungen (einschließlich der Urteilsverkündung) gehörten zwar dem Grunde nach zu den öffentlich zugänglichen Informationsquellen (vgl. § 169 Satz 1 GVG), jedoch ob­ liege es dem Gesetzgeber, Einschränkungen dieses Grundsatzes vorzunehmen, wobei er die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Rechtsstaats- und Demokra­ tieprinzips zu beachten sowie Persönlichkeitsrechte zu berücksichtigen habe.134 Was den Zugang des Rundfunks (Hör- und Fernsehfunk) zu Gerichtsverhandlun­ gen betrifft, hat der Gesetzgeber mit § 169 Satz 2 GVG eine rechtliche Regelung 127 Vgl. BVerfGE 90, 27 (32). Die Beschränkungen der Informationsfreiheit richten sich (wie bei der Äußerungsfreiheit) nach Art. 5 Abs. 2 GG. Folglich findet auch die Informationsfreiheit ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen, den Bestimmungen zum Schutze der Jugend sowie im Recht der persönlichen Ehre. 128 Epping, Grundrechte, Rn. 225. Dem Bundesverfassungsgericht folgend handelt es sich hierbei nicht um eine Grundrechtsbeschränkung i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG. Wenn keine Bestim­ mung existiert, nach der die Informationsquelle öffentlich zugänglich ist, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Unterrichtung aus dieser Quelle nicht vom Schutzumfang der Informationsfreiheit erfasst wird; BVerfGE 103, 44 (60 f.). Das Bestimmungsrecht ist für Pri­ vatpersonen im bürgerlichen Recht und für öffentliche Stellen im öffentlichen Recht geregelt; siehe v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 45. 129 AK, GG-Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 104. 130 Vgl. Heinrich, FS für HU-Berlin 2010, 1241 (1251). 131 BVerfGE 103, 44 (59). 132 BVerfGE 103, 44 (60). 133 BVerfGE 103, 44 ff. 134 BVerfGE 103, 44 (61). Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich beispielsweise in den §§ 171 a ff. GVG sowie in § 48 JGG.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

geschaffen, derzufolge Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen im Rahmen gerichtlicher Hauptverhandlungen (sog. mittelbare Gerichtsöffentlichkeit) ausdrücklich für unzulässig erklärt werden. Unter den Be­ griff der „Öffentlichkeit“ im Sinne des § 169 GVG ist demnach nur die unmittel­ bare Saalöffentlichkeit135 zu verstehen.136 In Ansehung der zuvor geschilderten verfassungsgerichtlichen Entscheidung drängt sich die Schlussfolgerung auf, aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG könne kein Zugangsrecht zu den Informationen des strafrechtlichen Ermittlungsverfah­ rens abgeleitet werden. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit kein An­ spruch auf Einsichtnahme in die Akten einer Behörde oder auf Auskunft über einen Behördeninformanten abgeleitet werden kann.137 In Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat auch das Bundesverfassungs­ gericht die Ablehnung eines auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG gestützten Einsicht­ nahmebegehrens in Behördenakten zu Forschungszwecken als verfassungsgemäß erachtet.138 Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Behördenakten na­ turgemäß nicht als öffentlich zugängliche Quellen angesehen werden könnten. Von diesem Grundsatz sei lediglich dann eine Ausnahme möglich, wenn sich aus der konkreten Zweckbestimmung im Einzelfall etwas anderes ergebe.139 Folglich können die im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen angeleg­ ten Akten nicht als öffentlich zugängliche Quellen i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG verstanden werden. Die Ermittlungsakten enthalten regelmäßig eine große Fülle streng vertraulicher Daten und Informationen, deren Veröffentlichung ge­ wichtigen staatlichen Geheimhaltungsinteressen140 zuwiderläuft und die zudem zu empfindlichen Beeinträchtigungen auf Seiten der Verfahrensbeteiligten sowie un­ beteiligter Dritter führen können. Auch muss in diesem Zusammenhang beach­ tet werden, dass das Grundrecht auf Informationsgewinnung nicht dazu führen darf, dass im Rahmen der Recherchetätigkeit Rechte Dritter beeinträchtigt wer­ den. So ist es Journalisten unzweifelhaft verwehrt, sich auf das Grundrecht der Informa­tionsfreiheit zu berufen, wenn durch den Akt der Informationsbeschaffung einer der Tatbestände des Strafgesetzbuches erfüllt wird (z. B. die §§ 123 und 242 StGB).141 Letztendlich kann eine Weitergabe von Informationen durch die Ermitt­ 135

Diese wird auch als unmittelbare Gerichtsöffentlichkeit bezeichnet. So auch Fink, S. 130. 137 BVerwG NJW 1983, 2954. 138 BVerfG NJW 1986, 1243. 139 BVerfG NJW 1986, 1243. 140 Den zuvor angesprochenen berechtigten Geheimhaltungsinteressen tragen unter anderem die §§ 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 353 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 353 d Nr. 3 StGB Rechnung, nach de­ nen die unbefugte Informationsweitergabe mit den Instrumentarien des materiellen Strafrechts sanktioniert wird. 141 Wandtke-Heinrich, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 5, Kap. 5, Rn. 21. Anders ist dies im Hinblick auf die Weitergabe/Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen zu be­ urteilen, die in aller Regel gleichermaßen durch Art. 5 GG geschützt wird, wenn es sich um 136

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lungsbehörden an die Medien sowie die unmittelbare Unterrichtung der Öffent­ lichkeit durch die Ermittlungsbehörden nicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG gestützt werden, da es sich bei den im Ermittlungsverfahren gewonnenen und hier relevanten Erkenntnissen in aller Regel nicht um solche Informationen handelt, die aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen.142

II. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Wie bereits zu einem früheren Zeitpunkt143 dieser Untersuchung angesprochen wurde, ist den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Medienfreiheiten (Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit) im Rahmen des hier zu erörternden Spannungs­ verhältnisses eine große Bedeutung beizumessen. Auch an dieser Stelle gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass eine freie mediale Berichterstattung, die weder staat­lichen Zwängen noch einer Zensur unterworfen ist, dem Bundesverfassungsgericht zufolge ein unentbehrliches Wesenselement der modernen Demokratie darstellt. So sei eine umfassende Informationsmöglichkeit für die politische Ent­ scheidungsfindung der Bürger genauso unentbehrlich, wie dass die Bürger Mei­ nungen kennen und gegeneinander abwägen könnten, die sich andere zuvor gebil­ det hätten. Insofern halte die Presse eine ständige Diskussion in Gang, beschaffe Informationen, nehme selbst dazu Stellung und wirke als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung mit. Darüber hinaus bilde die Presse ein ständi­ ges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen Vertretern in Parlament und Regierung.144 Letztlich dienten die Medienfreiheiten dem Schutz des Informationsinteresses der Allgemeinheit als kollektive Form der Informa­ tionsfreiheit.145

eine „die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage“ handelt und dem Rechtsbruch demge­ genüber lediglich eine untergeordnete Bedeutung beizumessen ist; siehe Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 5 Rn. 27a und 80; vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung bei Heinrich, FS für HU-Berlin 2010, 1241 (1246 ff.). 142 Anders verhält es sich bei solchen Erkenntnissen, die im Rahmen der strafrechtlichen Hauptverhandlung zutage treten. § 169 Satz 1 GVG statuiert insoweit den gesetzgeberischen Willen, nach dem die Hauptverhandlung grundsätzlich für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Auch auf die Gefahr hin, dass infolge der Herausnahme von Ermittlungsinformationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG die Wechselwirkungslehre unterwandert werden könnte, gilt es an dieser Stelle zu bedenken, dass es sich hierbei oftmals um besonders sensible Informationen handelt und die Medien als Informationsmittler gerade nicht in demsel­ ben Umfang den Beschränkungen auf die allgemein zugänglichen Quellen unterliegen. 143 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, B. II. 144 BVerfGE 20, 162 (174 ff.); vgl. auch Paschke, Medienrecht, Rn. 201. 145 Vgl. Fechner, Medienrecht, 3. Kap. Rn. 104.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

1. Die Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG Unter den Begriff der Presse werden zunächst alle Druckerzeugnisse gefasst, die zur Verbreitung an die Allgemeinheit geeignet und bestimmt sind (z. B. Zei­ tungen und Zeitschriften jeglicher Art, Bücher, Handzettel, Plakate usw.). Ob­ gleich sich die Presse im Gegensatz zum Rundfunk und Film ursprünglich durch die Verkörperung und die Verbreitung im Wege herkömmlicher Druckverfahren oder moderner technischer Verfahren auszeichnete, haben diese klassischen Un­ terscheidungskriterien aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung zu­ nehmend an Aussagekraft verloren, so dass inzwischen darauf abgestellt werden sollte, welchen „traditionellen Medien“ das jeweilige Medienprodukt am nächs­ ten steht.146 Weiterhin ist der jeweilige Inhalt eines Presseerzeugnisses für den verfassungsrechtlichen Schutz irrelevant, so dass gleichermaßen die Boulevard­ presse und Anzeigenblätter dem Schutzbereich der Pressefreiheit unterstehen.147 In den persönlichen Schutzbereich der Pressefreiheit fallen weiterhin „alle im Presse­wesen tätigen Personen und Unternehmen“ (z. B. die Verleger, Herausgeber, Redakteure etc.).148 Die Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG besitzt einerseits eine ab­ wehrrechtliche Dimension, durch welche die Presse sowohl vor einer staatlichen Beeinflussung als auch vor einer Einflussnahme durch nichtstaatliche Kräfte ge­ schützt wird.149 Daraus resultiert beispielsweise das Recht von Personen, „die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksen­ dungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- oder Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitge­ wirkt haben“, das Zeugnis in einem Strafverfahren aus beruflichen Gründen zu verweigern (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO). Ferner regelt § 97 Abs. 5 StPO ein mit dem Zeugnisverweigerungsrecht der Medienmitarbeiter korrespondierendes Ver­ bot der Beschlagnahme „von Schriftstücken, Ton-, Bild-, und Dateiträgern, Abbil­ dungen und anderen Darstellungen, die sich im Gewahrsam dieser Personen, der Redaktionen, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden“.150 Dieses grundsätzliche151 Beschlagnahmeverbot spiegelt sich gleichermaßen im 146

Vgl. BVerfGE 36, 321 (338); Paschke, Medienrecht, Rn. 205. BVerfGE 21, 271 (287 f.); 64, 108 (114). 148 BVerfGE 20, 162 (175). 149 Vgl. im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit die Ausführungen bei Paschke, Medienrecht, Rn. 202 f. 150 Vgl. zu den strafprozessualen Ausprägungen der verfassungsrechtlich verankerten Ab­ wehrrechte der Medien: Paschke, Medienrecht, Rn. 203. 151 Eine Ausnahme von diesem Verbot ergibt sich aus § 97 Abs. 5 Satz 2 Hs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 StPO für den Fall, in dem die zeugnisverweigerungsberechtigte Person ihrerseits der Be­ gehung bestimmter Straftaten verdächtig ist, oder wenn es sich bei den zu beschlagnahmen­ den Gegenständen um Tatwerkzeuge, durch die Tat hervorgebrachte oder erlangte Gegenstände handelt; vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 18 ff. Jedoch ist eine Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2 StPO nur dann zulässig, wenn sich diese (unter Berücksichtigung des Art. 5 147

C. Art. 5 GG

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qualifizierten Richtervorbehalt des § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO wider, nach dem eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft zur Anordnung entsprechender Maßnahmen auch bei Gefahr im Verzuge ausgeschlossen ist.152 Der Schutzbereich der Presse­ freiheit erstreckt sich weiterhin auf alle wesentlichen Tätigkeitsgebiete der Presse, von der Informationsbeschaffung bis hin zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen, so dass auch das gegenüber privaten Informanten bestehende Ver­ trauensverhältnis geschützt wird.153 Ferner folgt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG ein Verbot des Staates, eigene staatliche Presseunternehmen zu gründen oder sich an privatrechtlich ausgestalteten Presseunternehmen zu beteiligen.154 Da­ durch ist es möglich, die freie Presse vor konkurrierender staatlicher Betätigung zu schützen.155 Neben den zuvor geschilderten abwehrrechtlichen Komponenten besitzt das Grundrecht der Pressefreiheit jedoch auch eine objektiv-rechtliche Dimension und vermittelt eine institutionelle Garantie, woraus die Verpflichtung des Staates re­ sultiert, „in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Pressefreiheit berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen“.156 Folg­ lich habe der Staat die freie Gründung von Presseorganen und den freien Zugang zu den Presseberufen zu gewährleisten und Gefahren vom Pressewesen abzuwen­ den, die diesem aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten. Ob sich hieraus auch Auskunftspflichten der öffentlichen Stellen gegenüber der Presse ergeben, oder ob diesbezüglich auf die landesrechtliche Regelungen zurückgegrif­ fen werden muss, ist überaus umstritten.157 2. Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG Mit Blick auf die hier zu beurteilende Problematik gilt es festzuhalten, dass die zur Pressefreiheit gemachten Ausführungen weitgehend auf die Rundfunk­freiheit übertragen werden können. So weist auch die Rundfunkfreiheit eine subjektivrechtliche Dimension in der Form von Abwehrrechten gegenüber staatlichen Ein­ Abs. 1 Satz 2 GG) am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert. Gänzlich verwehrt ist der Beschlagnahmeschutz hingegen, wenn nicht nur ein Tatverdacht gegen die Medienmitarbeiter besteht, sondern bereits die Beschuldigteneigenschaft begründet wurde. 152 Vgl. Pfeiffer, StPO, § 98 Rn. 2. Durchsuchungen bei anderen Personen als dem Tat­ verdächtigen unterliegen nach § 103 StPO nicht der Regelung des § 105 Abs. 1 StPO, wenn es sich hierbei um Räumlichkeiten der Presse handelt. Sie dürfen gem. § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO nur durch einen Richter angeordnet werden; vgl. Pfeiffer, StPO, § 105 Rn. 4. 153 BVerfGE 20, 162 (176). Der Informant kann und darf dem Bundesverfassungsgericht zu­ folge grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Redaktionsgeheimnis gewahrt bleibt. Andern­ falls würden diese für die Aufgabenerfüllung der Medien unverzichtbaren Informationsquellen in ihrer Ergiebigkeit erheblich beschränkt; BVerfGE 20, 162 (176). 154 Paschke, Medienrecht, Rn. 204. 155 Paschke, Medienrecht, Rn. 204. 156 BVerfGE 20, 162 (175). 157 BVerfGE 20, 162 (175 f.). Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, A. II. 1.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

griffen auf.158 Ferner ist der Staat in Ansehung der besonderen Situation des Rund­ funks objektiv-rechtlich dazu angehalten, eine positive Ordnung zu schaffen, damit eine die freie Meinungsbildung gewährleistende umfassende Information mithilfe des Rundfunks erfolgen kann.159 Vor allem entspricht der Schutzumfang der Rund­ funkfreiheit, was den Informationszugang sowie die publizistische Verwertung der Informationen betrifft, demjenigen der Pressefreiheit.160 3. Zwischenfazit Die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG werden regelmäßig berührt sein, wenn in Frage steht, ob und inwieweit die Medien Ansprüche auf Heraus­ gabe bestimmter Informationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ge­ genüber den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden geltend machen können (bzw. wenn ihnen der Informationszugang verwehrt wird). Der aus Art. 5 GG resultierende Verfassungsauftrag der Medien umfasst unzweifelhaft die Bericht­ erstattung über Verdachtsfälle von Straftaten sowie Ermittlungs- und Gerichtsver­ fahren.161 Neben dem Verwaltungshandeln bildet die staatliche Rechtspflege einen wesentlichen Teil staatlicher Machtausübung so dass sich das öffentliche und me­ diale Informationsinteresse zwangsläufig auf diese Vorgänge erstreckt.162 Die me­ diale Kriminalberichterstattung ist dabei in einem hohen Maße darauf angewiesen, dass Informationen von der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Justizbehörden herausgegeben werden.163 Des Weiteren gelten die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG festgelegten Be­ schränkungen auf die allgemein zugänglichen Quellen in weniger einschneiden­ dem Maße auch für die Medien. Ihnen kommt die wichtige Aufgabe zu, die einzel­ nen Bürger auch über solche Vorgänge und Geschehnisse zu informieren, auf die diese aufgrund der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG niedergelegten Beschränkung nicht ohne weiteres zugreifen können.164 Folglich sind die Mediengrundrechte bei der ermittlungsbehördlichen Entscheidung, ob bestimmte Informationen heraus­ 158

Siehe Franke, S. 352. Vgl. BVerfGE 57, 295 (320); 73, 118 (152 f.); 74, 297 (324); 83, 238 (296). 160 Siehe BVerfGE 91, 125 (134); Wilms, Staatsrecht II, Rn. 631. 161 Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 853. 162 Vgl. insofern Soehring, der hervorhebt, dass im Geheimen abgehaltene Prozesse geradezu charakteristisch für jedes totalitäre Regime seien und von daher nicht mit den Anforderungen eines demokratischen Rechtsstaates in Einklang gebracht werden könnten; Soehring, Presse­ recht, § 4 Rn. 53 a. 163 Siehe v. Becker, S. 57. 164 Neuling, S. 104. In diesem Zusammenhang weist Neuling zurecht darauf hin, dass dem einzelnen Bürger die Möglichkeit eröffnet wird, sich über den Umweg medial zugänglicher Quellen (bei den Massenkommunikationsmitteln handelt es sich zweifelsfrei um allgemein zu­ gängliche Quellen; vgl. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 91) auch über solche Ge­ schehnisse zu informieren, die ihm ansonsten nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG verschlossen wären. 159

C. Art. 5 GG

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gegeben werden dürfen oder zwingend herauszugeben sind, stets in angemesse­ nem Umfang zu berücksichtigen und mit den weiteren betroffenen Rechtsgütern und Interessen in einen gerechten Ausgleich zu bringen.165

III. Art. 5 Abs. 2 GG Die Grundfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG finden nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken „in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“ (sog. Schrankentrias). Dabei werden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts un­ ter den „allgemeinen Gesetze“ all jene Vorschriften verstanden, die „sich nicht ge­ gen das Grundrecht an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen“.166 Da eine Beschränkung der Medien­ freiheiten nur innerhalb gewisser Grenzen möglich ist, müssen die Schrankenbe­ stimmungen ihrerseits die besondere Bedeutung der Grund­freiheiten im freiheit­ lichen Rechtsstaat berücksichtigen. Folglich sind die beschränkenden Gesetze nach der sog. „Wechselwirkungslehre“ des Bundesverfassungsgerichts im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen und in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken.167 Des Weiteren ist mit dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen der kollidierenden Interessen im Bereich des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG eine konkrete Einzelfallabwägung vorzunehmen, wobei keines der tangierten Rechtsgüter grundsätzlichen Vorrang genießt.168 Letztlich muss die „Wechselwir­ kungslehre“ sowohl bei der Bestimmung des Schutzbereiches der in Art. 5 Abs. 1 GG manifestierten Grundrechte als auch bei der Auslegung der jeweiligen Schran­ kenregelung und bei ihrer konkreten Anwendung berücksichtigt werden.169 Ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein „allgemeines Gesetz“ i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG darstellt, ist nicht unproblematisch, da hierunter grundsätzlich nur posi­ tiv-normierte Regelungen zu verstehen sind, wohingegen das allgemeine Persön­ lichkeitsrecht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt wurde.170 Aller­ dings erkennt das Bundesverfassungsgericht das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB171 an und quali­fiziert diese zivil­ 165 Vgl. zu dem Prozess dieses Abwägungsvorgangs im Einzelnen die Ausführungen weiter unten, im folgenden 8. Teil. 166 BVerfGE 7, 198 (209 f.); 97, 125 (146); 113, 63 (79); vgl. ferner Heinrich, FS für HU-Ber­ lin 2010, 1241 (1250). 167 BVerfGE 7, 198 (208 f.). Vgl. zudem die Ausführungen im 5. Teil, B. II. 168 Vgl. BVerfGE 7, 198, (210 f.); 21, 239 (243 f.); 24, 278 (282); 35, 202 (224). 169 Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 280. 170 Siehe Stapper, S. 38. 171 Des Weiteren gehört das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch zu den durch § 1004 BGB geschützten Rechtsgütern. Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 6. Teil, C. I. 1. und II.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

rechtliche Vorschrift wiederum als ein „allgemeines Gesetz“ gem. Art. 5 Abs. 2 GG.172 Folglich entspreche es dem Willen der Verfassung, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Fähigkeit zuzusprechen, die Grundfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG zu begrenzen.173 Unter die „allgemeinen Gesetze“ fallen zudem auch die spezialgesetzlichen Ausprägungen des Persönlichkeitsschutzes (z. B. §§ 22 ff. KUG), die Unschuldsvermutung, die Vorschriften des materiellen Strafrechts (z. B. die §§ 185 ff., 201 ff., 353 b und 353 d StGB) und des Strafverfahrensrechts sowie die Begrenzungen der Auskunftsansprüche in den jeweiligen Regelungen der Presse- und Mediengesetze der einzelnen Bundesländer.174 Was die Schran­ kenregelung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend betrifft, muss im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Strafverfahren § 48 Abs. 1 und 3 JGG hervorgehoben werden, wonach die Nichtöffentlichkeit in Jugendge­ richtsverfahren angeordnet ist.175 Bei der dritten in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Einschränkung durch das „Recht der persönlichen Ehre“ ist wiederum an die zi­ vilrechtlichen (z. B. §§ 823, 826 BGB) und strafrechtlichen (§§ 185 ff. StGB) Vor­ schriften zum Ehrenschutz zu denken. Da diese Vorschriften jedoch – wie bereits dargelegt wurde – allgemeine Gesetze im Sinne der ersten Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG darstellen, liegt die Vermutung nahe, dass dem „Recht der per­ sönlichen Ehre“ keine eigenständige Bedeutung im Rahmen dieser Grundrechts­ beschränkungen zukommt.176

D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten Im weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen die durch die Informationsweitergabe tangierten Verfahrensrechte untersucht werden. Eine Vielzahl der das Ermittlungs­ verfahren wesentlich mitprägenden Verfahrensrechte haben in der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) eine positivrechtliche Ausprägung gefunden. Die Regelungen der EMRK sind hierbei unmittelbar geltendes nationales Recht und stehen auf nationaler Ebene im Rang eines einfachen Gesetzes.177 Die we­ sentlichen Verfahrensrechte werden jedoch gleichermaßen über die Verfassung ab­ gesichert, wobei dem in Art. 20 Art. GG verankerten Rechtsstaatsprinzip eine be­ 172

BVerfGE 34, 269 (282). Vgl. BVerfGE 34, 269 (282) sowie Stapper, S. 39. 174 Vgl. BVerfGE 20, 162 (176 ff.); 35, 202 (224); KG NJW 1968, 1970; v. Becker, S. 62; BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 512; Marxen, GA 1980, 365 (373); Stapper, S. 39. 175 Siehe v. Becker, S. 63. 176 In diesem Sinne Stapper, S. 40, demzufolge das „Recht der persönlichen Ehre“ einen Un­ terfall der „allgemeinen Gesetze“ darstellt. Epping bringt vor, dass entgegen des Gesetzes­ wortlauts auch beim „Recht der persönlichen Ehre“ der Gesetzesvorbehalt gelte; vgl. Epping, Grundrechte, Rn. 241. 177 Nach Art. II des Zustimmungsgesetzes vom 07. August 1952 ist die EMRK mit Gesetzes­ kraft veröffentlicht worden; vgl. Franke, S. 116; Meyer-Goßner, StPO, Vor Art. 1 MRK Rn. 3; Neuling, S. 163. 173

D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten

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deutende Rolle zukommt. Im Folgenden wird zum einen auf den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren einzugehen sein. Zum anderen spielt die Unschuldsvermutung bei der hier zu erörternden Problematik eine wichtige Rolle.

I. Das Recht auf ein faires Verfahren Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren (sog. „fair trial“-Grund­ satz) ist in Art. 6 EMRK positivrechtlich normiert worden.178 Dem Bundesver­ fassungsgericht zufolge ist das Recht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren als allgemeines Prozessgrundrecht dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit dem aus Art. 2 Abs.1 GG abgeleiteten allgemeinen Freiheits­ recht zu entnehmen.179 Was den Geltungsbereich des Art. 6 EMRK anbelangt, so gewährt dieser nach seinem Wortlaut lediglich Personen Schutz bei Streitigkeiten „in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen“ sowie bei einer „gegen sie er­ hobenen strafrechtlichen Anklage“ (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 GG). Der Anwen­ dungsbereich dieser Norm ist jedoch über ihren Wortlaut hinaus in sachlicher Hinsicht weder auf die Gebiete des Straf- und Zivilrechts noch auf den Verfah­ rensabschnitt nach Erhebung der Anklage beschränkt, sondern bezieht sich auf das gesamte Strafverfahren (demzufolge wird auch das strafrechtliche Ermitt­ lungsverfahren hiervon erfasst).180 In diesem Sinne erfolgt auch keine Begren­ zung des persönlichen Anwendungsbereichs auf den Angeklagten, sondern dieses Verfahrensrecht begründet gleichermaßen Ansprüche des Beschuldigten im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahren.181 Der Grundsatz des fairen Verfahrens i. S. d. 178

Die über diese europarechtliche Regelung hinausgehenden Ansprüche des Beschuldigten sind dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zu entnehmen; vgl. Meyer-Goßner, StPO, Art. 6 MRK Rn. 1 ff. 179 Vgl. BVerfGE 26, 66 (71); 38, 105 (111); 57, 250 (274 f.); 63, 380 (390); 66, 313 (318); Graf-Valerius, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 1.1; KK-Schädler, Art. 6 MRK Rn. 23. 180 Siehe LR-Esser, Art. 6 EMRK Rn. 178. 181 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, Art. 6 MRK Rn. 1; Frowein/Peukert-Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 43; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6 Rn. 5. Entgegen dem engen Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK durchzieht der „fair trial“-Grundsatz zugleich das Bußgeld-, Verwaltungs- und Disziplinarverfahren (zumindest solange es sich nicht um eine Regelung handelt, welche aus­ schließlich Personen betrifft, die in einem besonderen Statusverhältnis stehen, wie z. B. Solda­ ten oder Beamte; vgl. KK-Schädler, Art. 6 MRK Rn. 9) sowie eine große Anzahl öffentlichrechtlicher und sozialrechtlicher Streitigkeiten, da diese vom EGMR zivilrechtlich interpretiert werden; vgl. KK-Schädler, Art. 6 MRK Rn. 7; Pache, NVwZ 2001, 1342 (1343). In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass die Einordnung der Rechtsgebiete sich nicht nach nationalem Recht bemisst und der EGMR die Begriffe „zivilrechtliche Ansprüche und Ver­ pflichtungen“ sowie „strafrechtliche Anklage“ autonom auslegt und äußerst weit fasst; Radtke/ Hohmann-Ambos, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 8. Bei der Ermittlung der strafrechtlichen Na­ tur einer Streitigkeit ist darauf abzustellen, ob die in Rede stehende Norm alle Bürger glei­ chermaßen betrifft und ihr ein strafender oder abschreckender Charakter innewohnt; Radtke/ Hohmann-Ambos, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 8.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK bildet zugleich den „Kern“ sowie den „Oberbegriff“ einer ganzen Reihe unterschiedlicher Verfahrensrechte, die in ihrem Zusammen­ spiel einen wirksamen Rechtsschutz sowie eine faire Behandlung im Verfahren gewährleisten sollen.182 Insofern besitzen die in Art 6 EMRK aufgeführten Ver­ fahrensrechte keinen abschließenden Charakter, sondern stellen vielmehr beson­ dere Ausprägungen eines allgemeinen Gebotes der Verfahrensfairness dar.183 Im Zusammenhang mit den hier zu untersuchenden Problemen können eine ganze Reihe der durch Art. 6 EMRK abgesicherten Rechte verletzt werden. 1. Die Gewährung rechtlichen Gehörs Der dem allgemeinen „Fairness-Grundsatz“ entnommene und zudem in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs begründet das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich in einem gerichtlichen Verfahren zu den ge­ gen sie erhobenen Anschuldigungen zu äußern sowie Erklärungen zu allen erheb­ lichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen abzugeben und Beweise anzubieten.184 Wie bereits an anderer Stelle185 erörtert, ist die Verletzung dieses Verfahrens­ rechts infolge der Herausgabe von Informationen durch die Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden lediglich in Fällen der mittelbaren Beeinflussung des Gerichts durch die Medien oder die Öffentlichkeit vorstellbar. Mithilfe dieses Ver­ fahrensgrundsatzes wird hingegen nur die Gewährung rechtlichen Gehörs in einem gerichtlichen Verfahren gegenüber dem Gericht zugesichert (vgl. auch den Wort­ laut des Art. 103 Abs. 2 GG). In diesem Zusammenhang weist Boehme-Neßler jedoch zutreffend darauf hin, dass das Bestehen eines rein formalen Rechts, wel­ ches in tatsächlicher Hinsicht nicht realisierbar ist, nicht ausreicht, um diesem Ver­ fahrensanspruch zu genügen. So kann dieses Recht des Beschuldigten offenkun­ dig bereits dann beeinträchtigt sein, wenn ihm zusätzliche Kommunikationswege und -mittel, welche von den Ermittlungsbehörden genutzt werden, nicht offen­ stehen, oder er diese aus begründetem Anlass nicht für sich in Anspruch nehmen möchte.186 Zu einer entsprechenden Beeinträchtigung wird es beispielsweise kommen, wenn sich die Ermittlungsbehörden der Medien bedienen und deren Kommunika­ tionswege und -mittel zu eigenen Zwecken nutzen, der Beschuldigte jedoch aus rein tatsächlichen Gründen (beispielsweise, weil er nicht über die entsprechen­

182 Vgl. Radtke/Hohmann-Ambos, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 9 sowie Pache, NVwZ 2001, 1342 f. 183 Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6 Rn. 90; Radtke/Hohmann-Ambos, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 9. 184 Radtke/Hohmann-Ambos, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 10. 185 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. III. 186 Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229).

D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten

199

den Kontakte zu den Medienunternehmen verfügt) oder aus anderen rechtlichen oder pragmatischen Motiven heraus (beispielsweise weil er umfassend von dem ihm zustehenden Schweigerecht Gebrauch machen oder das bestehende öffentlich Interesse nicht durch weitere Informationen unterfüttern möchte), von einer Nut­ zung derselben Kommunikationsmöglichkeiten absieht. Solange jedoch die Mög­ lichkeit einer mittelbaren Beeinflussung gerichtlicher Entscheidungen infolge eines aufgeheizten medialen Klimas oder eines gesteigerten öffentlichen Drucks nicht ausgeschlossen werden kann, sind öffentlichkeitswirksame Handlungen der Ermittlungsbehörden potenziell dazu geeignet, die Verfahrensbeteiligten in ihren Äußerungsmöglichkeiten zu beschränken. Daher weist Boehme-Neßler zurecht darauf hin, dass eine formale Beschrän­ kung der Gewährung rechtlichen Gehörs auf die Kommunikation im Gerichtssaal in Anbetracht der stark angestiegenen außergerichtlichen Kommunikation in den Massenmedien als veraltet und reformbedürftig anzusehen ist.187 Schluss­endlich kann die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Rechts auf rechtliches Gehör (insbesondere in besonders medienwirksamen Gerichtsverfahren) nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden, so dass dieser Verfahrensgrundsatz in der ermitt­ lungsbehördlichen Interessenabwägung berücksichtigt werden muss. Die Verletzung dieses Grundsatzes ist ferner eng mit dem im folgenden Glie­ derungspunkt erörterten Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit verwoben. Dies folgt aus dem Umstand, dass eine Beschränkung der Kommunikationsmittel und -möglichkeiten des Beschuldigten, die zugleich von den Staatsanwaltschaften wahrgenommen werden, ihn in seinen Fähigkeiten limitiert, auf die gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. 2. Das Gebot der Waffengleichheit Die im vorhergehenden Gliederungspunkt erörterte Problematik betrifft – wie bereits angedeutet – zugleich das Prinzip der Waffengleichheit. In der deutschen Rechtsprechung wird dieser Verfahrensgrundsatz sowohl aus dem Rechtsstaats­ prinzip (Art 20 Abs. 3 GG) und dem allgemeinen Gleichheitsgrundrecht (Art 3 Abs. 1 GG) als auch aus dem Sozialstaatsprinzip188 abgeleitet.189 Der Grundsatz der Waffengleichheit soll den Beteiligten des Strafverfahrens190 im Wesentlichen

187

Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229). Beim Sozialstaatsprinzip handelt es sich um einen fundamentalen Verfassungsgrundsatz, der Eingang in Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gefunden hat; vgl. Jarass/ Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rn. 111. 189 Vgl. BVerfGE 38, 105 (111); BVerfG NJW 1979, 1925; BGH NJW 1984, 1907; vgl. aus­ führlich zum Grundsatz der Waffengleichheit: Safferling, NStZ 2004, 181 (183 ff.). 190 In erster Linie dient dieser Grundsatz der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen dem Beschuldigten, dem Verteidiger sowie der Staatsanwaltschaft. 188

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

gleichwertige Mittel und Möglichkeiten an die Hand geben, die gerichtliche Ent­ scheidungsfindung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.191 Im Gegensatz zu den zwingenden Vorgaben dieses Gebotes für die strafrecht­ liche Hauptverhandlung kann der Grundsatz der Waffengleichheit im Ermitt­ lungsverfahren nicht in demselben Ausmaß verwirklicht werden, da ein absolutes Gleichgewicht der Beteiligtenbefugnisse nicht mit der Offizialmaxime in Ein­ klang zu bringen ist.192 Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren werden den Er­ mittlungsbehörden naturgemäß weitreichendere Befugnisse zugestanden, als dies für die anderen Abschnitte des Strafverfahrens angenommen werden kann.193 Die Erweiterung der ermittlungsbehördlichen Kompetenzen und Befugnisse ist dabei in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass die Ermittlungsbehörden in diesem Verfahrensstadium die Möglichkeit erhalten müssen, den Tathergang aufzuklären und den „Wissensvorsprung“ des Straftäters zu kompensieren. Es geht also nicht darum, Gleichheit in einem absoluten Sinne herzustellen, sondern die Verfahrens­ gleichheit unter Berücksichtigung der jeweiligen Verfahrensrolle sowie der ver­ fassungsrechtlichen Vorgaben interessengerecht auszubalancieren.194 Müller weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Waffengleichheit gerade im Strafverfahren nicht im Sinne einer „mathematischen oder logischen Egalität“ verstanden werden kann, da die Verfahrensrollen im Gegensatz zum Zi­ vilprozess nicht austauschbar seien.195 Hierfür spreche unter anderem, dass der Beschuldigte durch die Staatsanwaltschaft vor Gericht gebracht werde, dem Be­ schuldigten das Recht zustehe, zu schweigen, den Sachverhalt zu verdunkeln und mitunter sogar zu lügen, sowie dass dem Beschuldigten weitreichende Rechte bei der Ablehnung von Richtern zugebilligt würden.196 An dieser Stelle könnte der Gedanke aufkommen, dass der Grundsatz der Waf­ fengleichheit infolge der ermittlungsbehördlichen Öffentlichkeitsarbeit nicht tan­ giert wird, da es dem Beschuldigten grundsätzlich offensteht, selbst prozess­ begleitende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Man könnte meinen, dass der Beschuldigte gegenüber den Ermittlungsbehörden so keinen Nachteil erleidet. Hierfür könnte zudem sprechen, dass die Ermittlungsbehörden aufgrund ihrer ge­ setzlichen Verpflichtung zur Wahrung eines hohen Maßes an Objektivität weitaus 191

BGHSt 12, 136 (139); Graf-Valerius, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 10. Graf-Valerius, StPO, Art. 6 EMRK Rn. 10. 193 Müller, NJW 1976, 1063 (1066). 194 Müller, NJW 1976, 1063. 195 Müller, NJW 1976, 1063 (1065). Bezogen auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hebt Müller hervor, dass den Vorgaben des Grundsatzes der Waffengleichheit nur dann entspro­ chen werden könne, wenn der Beschuldigte zu einem früheren Zeitpunkt über die gegen ihn laufenden Ermittlungen in Kenntnis gesetzt werde. Müller zufolge handelt es sich um einen für den Rechtsstaat „unerträglichen Zustand“, wenn das gesamte Vorverfahren gegen den Beschul­ digten durchgeführt werden kann, ohne dass dieser jemals davon erfährt (vgl. hierzu die Re­ gelung des § 170 Abs. 2 Satz 2 StPO); Müller, NJW 1976, 1063 (1067). 196 Müller, NJW 1976, 1063 (1065). 192

D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten

201

größeren Beschränkungen unterliegen als der Beschuldigte.197 Diese verkürzte Be­ trachtungsweise würde jedoch vollkommen ausblenden, dass sich der Beschul­ digte aufgrund einer ermittlungsbehördlichen Informationsweitergabe seinerseits genötigt fühlen könnte, an die Öffentlichkeit zu treten, um sich der Entstehung oder Verfestigung eines für ihn unvorteilhaften Bildes in der Öffentlichkeit zu er­ wehren. Dies könnte die unliebsame Folge haben, dass das von der Rechtsord­ nung vorgesehene Schweigerecht durch den inneren Konflikt ausgehebelt wird. Hinzu tritt, dass sich der Beschuldigte gezwungenermaßen dazu veranlasst sehen könnte, eigens für die öffentliche Darstellung seiner Sicht der Dinge einen Anwalt oder einen Medienexperten zu beauftragen, wodurch regelmäßig erhebliche Folge­ kosten entstehen würden.198 3. Die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zu Objektivität Ein weiterer Aspekt, welcher dem „fair-trial“-Grundsatz zuzurechnen ist und der infolge einer öffentlichen Kommunikation ermittlungsbehördlicher Erkennt­ nisse betroffen sein kann, ist die in § 160 Abs. 2 StPO niedergelegte Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zur Objektivität. Danach hat die Staatsanwaltschaft nicht nur die belastenden, sondern auch die der Entlastung des Beschuldigten dienenden Umstände zu ermitteln. Insoweit weist Kettner berechtigterweise auf die Gefahr hin, dass es der Staats­ anwaltschaft, wenn sie erst einmal präjudizierende Informationen über den Be­ schuldigen an die Öffentlichkeit getragen und die öffentliche Meinung dergestalt mitgeprägt hat, im weiteren Verlauf der Ermittlungen umso schwerer fallen wird, die zuvor kommunizierten Inhalte wieder zu revidieren. Die erstmalige Informati­ onsherausgabe setzt die Ermittlungsbehörden dahingehend unter Druck, dass die Öffentlichkeit alle folgenden Mitteilungen sowie den weiteren Verlauf der Ermitt­ lungen an den bereits herausgegebenen Informationen messen wird.199 Wenn die Staatsanwaltschaft sich gegenüber der Öffentlichkeit auf einen bestimmten Tat­ hergang, einen bestimmten Täter etc. festgelegt hat, kommt ein hiervon abwei­ chendes Ermittlungsergebnis regelmäßig einer öffentliche Blamage gleich.200 Ent­ sprechend ist zu befürchten, dass es den Ermittlungsbehörden sehr schwer fallen wird, ein gegenüber der Allgemeinheit kommuniziertes Ermittlungsergebnis rich­ tigzustellen oder an die Öffentlichkeit gelangte falsche Fakten durch richtige zu ersetzen.201 Demnach ist zumindest der gezielte Einsatz ermittlungsbehördlicher 197

Vgl. Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228. Vgl. hierzu die zum Teil gleichlaufende Problematik oben, im 5. Teil, G. III., bei der es um die Frage geht, ob dem Beschuldigten und/oder seinem Verteidiger im Rahmen ermittlungs­ behördlicher Pressekonferenzen Teilnahme- und Äußerungsrechte zugestanden werden sollten. 199 So auch Kettner, S. 174. 200 Siehe Kettner, S. 174. 201 Vgl. insoweit Kettner, S. 174. 198

202

7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

Öffentlichkeitsarbeit als verfahrenstaktisches Mittel dem Objektivitätsgebot des § 160 Abs. 2 StPO abträglich.202

II. Die Unschuldsvermutung Der in Art. 6 Abs. 2 EMRK positiv normierten Unschuldsvermutung kommt für die hier zu untersuchende Problematik – wie bereits mehrfach erwähnt wurde203 – eine große Bedeutung zu. Art. 6 Abs. 2 EMRK schreibt vor, dass jede Person bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig anzusehen ist. Dieser Ver­ fahrensgrundsatz wird nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Verfassung und hierbei vornehmlich auf das aus Art. 20 Abs. 3 GG derivierte Rechtsstaatsprinzip sowie die Menschenwürde gestützt.204 Nach überzeugender Auffassung ist die Unschuldsvermutung darüber hinaus zusätzlich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert, wodurch unab­ hängig von der Gewährung eines fairen Verfahrens sichergestellt wird, dass der Beschuldigte nicht zum Gegenstand einer unzulässigen Vorverurteilung gemacht werden darf.205 Dem Bundesverfassungsgericht zufolge bietet die Unschulds­ vermutung keine bis ins Detail reichenden Ge- und Verbote, sondern sie bedarf zu ihrer Entfaltung im Strafverfahren einer Konkretisierung anhand der jewei­ ligen sachlichen Gegebenheiten.206 Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt zudem nicht erst ab dem Zeitpunkt der Anklageerhebung, wie dies der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EMRK nahelegen könnte, sondern er bietet auch dem Beschul­ digten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Schutz.207 Ferner weist Marxen darauf hin, dass der Unschuldsvermutung „als ein übergreifendes, für die neu­ zeitliche Form des Zusammenlebens konstitutives Rechtsprinzip“ – neben ihrer Funktion als übergeordnetes Prinzip des Strafverfahrens – auch die wichtige Auf­

202 In diesem Sinne Kettner, S. 174; vgl. zudem die Ausführungen weiter oben, im 7. Teil, A. I. 203 Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. I. sowie im 6. Teil, B. V. 1. b). 204 BVerfGE 22, 254 (265); BVerfG NJW 1990, 2741; AE-StuM-Riklin/Höpfel, S. 53; Neuling, S. 163; vgl. eingehend zur Herleitung und Konzeption der Unschuldsvermutung: Stuckenberg, S. 46 ff. 205 Insofern behält die für den Beschuldigten streitende Unschuldsvermutung auch dann ihre Geltung, wenn eine unzulässige Beeinflussung der Justiz nahezu ausgeschlossen ist; vgl. AEStuM-Riklin/Höpfel, S. 54. Zudem wird der Grundsatz der Unschuldsvermutung als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips angesehen oder auf das Schuldprinzip gestützt; vgl. Stuckenberg, S. 50 ff. 206 BVerfG NJW 1990, 2741; Bornkamm, S. 254. 207 KK-Schädler, StPO, Art. 6 MRK Rn. 43. Auch der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 EMRK spricht für diese Interpretation, da ihm zufolge die Unschuldsvermutung „bis zum gesetzlichen Beweis“ der Schuld (d. h. bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung) zugunsten des Beschuldigten streitet.

D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten

203

gabe zukommt, einer öffentlichen und/oder medialen Vorverurteilung entgegenzu­ wirken und somit eine „Vorwegnahme des Schuldspruchs durch gesellschaftliche Nebengerichte gleich welcher Art“ zu unterbinden.208 Die ermittlungsbehördliche Öffentlichkeitsarbeit kann dieses tragende Verfah­ rensprinzip auf mannigfaltige Art und Weise verletzen. Eine unmittelbare Ver­ letzung muss unzweifelhaft dann angenommen werden, wenn der Beschuldigte der All­gemeinheit bereits im Verlauf der Ermittlungen als schuldig oder überführ­ ter Täter präsentiert wird.209 In gleicher Weise können über den Gang des Verfah­ rens getätigte Prognosen der Ermittlungsbehörden dazu geeignet sein, den Be­ schuldigten in diesem Verfahrensrecht zu beeinträchtigen. Des Weiteren kann es für die Geltung dieses Grundsatzes nicht darauf ankommen, ob eine erdrü­ ckende und eindeutige Beweislage gegen den Beschuldigten spricht oder ob er bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, da das Prinzip der Unschulds­ vermutung jede Form der Vorverurteilung vor dem Zeitpunkt einer rechtskräfti­ gen Schuldfest­stellung verhindern soll, unabhängig davon, auf welcher Grundlage diese erfolgt.210 Problematisch ist hingegen, ob identifizierende Mitteilungen, die lediglich den Tatvorwurf sowie den Stand des Verfahrens wiedergeben, gegen die Unschulds­ vermutung verstoßen können. Kühl geht davon aus, dass der Tatverdächtige stets einen „ungeschmälerten Anspruch auf die Achtung seiner Sozialstellung“ ha­ be.211 Demnach müsse die Unschuldsvermutung im Sinne eines allgemeinen Ver­ bots verstanden werden, jemanden staatlichen Maßnahmen mit sozialschädlicher oder strafähnlicher Wirkung auszusetzen, ohne dass der gesetzliche Nachweis sei­ ner Schuld zuvor geführt wurde.212 Allein das Bestehen eines Tatverdachts könne es nicht rechtfertigen, den Beschuldigten in seinem „sozialen Geltungsanspruch“ zu „schmälern“.213 Folglich stelle jede Identifizierung des Beschuldigten im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahren, ganz gleich auf welche Weise sie erfolgt, einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar, da sie beim Rezipienten den Eindruck hervorrufe, beim Tatverdächtigen handle es sich um einen verurteilten Straftäter.214 In eine vergleichbare Richtung geht die Argumentation Müllers, wenn dieser vor­ bringt, jede Maßnahme, die der Wahrheitsfindung im strafrechtlichen Ermittlungs­ verfahren diene, sei an der Möglichkeit eines später erfolgenden Freispruchs zu

208 Vgl. Marxen, GA 1980, 365 (373). Aus diesem Grunde beschränkt Marxen den Wirkungs­ bereich der Unschuldsvermutung nicht auf das Verhältnis zwischen dem Staat und dem einzel­ nen Bürger, sondern nimmt die Medien über Art. 5 Abs. 2 GG gleichermaßen in die Pflicht, so­ weit diese im „Einwirkungsbereich der staatlichen Strafgerichtsbarkeit tätig werden“. 209 Siehe Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228. 210 Vgl. Marxen, GA 1980, 365 (374); Schulz, S. 30. 211 Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (247). 212 Vgl. Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (247) sowie Ostendorf, GA 1980, 445 (456 f.). 213 Vgl. hierzu Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (250) sowie Lampe, NJW 1973, 217. 214 Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (253).

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

messen.215 Hieraus müsse die Schlussfolgerung gezogen werden, dass alle Ein­ griffe in die Sphäre des Beschuldigten daraufhin zu überprüfen seien, ob sie sich im Falle eines späteren Freispruchs (bei einer „ex post“-Betrachtung) als unzuläs­ sig erweisen würden.216 Gegen diese Ansätze richtet sich die Kritik von Dalbkermeyer. Ihrer Ansicht nach können identifizierende Mitteilungen, die sich darauf beschränken, in objek­ tiv und sachlich gehaltener Art und Weise den Tatvorwurf wiederzugeben, und da­ bei keinerlei präjudizierende Elemente enthalten, nicht gegen das Verbot der vor­ weggenommenen Schuldfeststellung verstoßen, da sie hierüber keinerlei Aussagen treffen.217 Ferner verbiete es die Unschuldsvermutung auch nicht, den Beschuldig­ ten im Verlauf der Tataufklärung Maßnahmen auszusetzen, die ihn nachhaltig be­ lasten könnten.218 So seien auch Instrumentarien wie die vorläufige Festnahme, die Anordnungen von Untersuchungshaft sowie die Erhebung der öffentlichen An­ klage unzweifelhaft zulässig, da der Unschuldsvermutung nicht die Funktion zu­ komme, den Beschuldigten vor allen mit der Strafverfolgung verbundenen Kon­ sequenzen zu schützen.219 Folglich gelangt Dalbkermeyer zu dem Schluss, dass die Unschuldsvermutung kein taugliches rechtliches Instrumentarium darstellt, den Beschuldigten vor stigmatisierenden Nebenfolgen zu schützen, „solange der Boden einer bloßen Verdächtigung nicht verlassen wird“.220 Die von Dalbkermeyer geäußerten Bedenken sind in dogmatischer Hinsicht nicht ohne Weiteres zu entkräften. Ihr ist darin beizupflichten, dass die Unschulds­ vermutung in ihrem Kern nur das Verbot einer vorweggenommenen Schuld­ feststellung regelt.221 Zudem belegen beispielsweise auch Normen des Strafver­ folgungsentschädigungsgesetzes (StrEG), dass die Möglichkeit einer zu Unrecht erfolgten Beeinträchtigung des Beschuldigten in seinen rechtlich geschützten In­ teressen im Verlauf des Strafverfahrens nicht vollständig ausgeschlossen werden kann und dass dieses Problem vom Gesetzgeber erkannt wurde.222 Auf der anderen Seite muss festgehalten werden, dass die Unschuldsvermu­ tung nicht nur das Verbot von Strafe oder strafähnlichen Sanktionen im recht­ lichen Sinne (worunter z. B. die Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB oder die Anordnung eines Berufsverbotes gem. § 70 StGB fällt) umfasst, sondern als ein generelles Verbot hinsichtlich staatlicher Reaktionen zu verstehen ist, auf de­ 215

Müller, NJW 1976, 1063 (1066). Müller, NJW 1976, 1063 (1066). 217 Dalbkermeyer, S. 111 ff. 218 Dalbkermeyer, S. 113 f. 219 Dalbkermeyer, S. 114. 220 Dalbkermeyer, S. 115. Zu demselben Ergebnis gelangt auch Stapper, S. 84. 221 Vgl. Dalbkermeyer, S. 112. 222 § 7 StrEG dokumentiert beispielsweise, dass dem zu Unrecht Verdächtigten in bestimmten Fällen Ansprüche auf Ersatz materieller sowie immaterieller Schäden zustehen können. 216

D. Die Verfahrensrechte des Beschuldigten

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ren Grundlage „sozialethisch deklassierende“223 Wirkungen hervorgerufen werden können.224 Dass entsprechende Auswirkungen zumindest mittelbar durch die er­ mittlungsbehördliche Informationsweitergabe hervorgerufen werden können, zei­ gen jedoch nicht nur die Eindrücke der jüngsten Vergangenheit. Die mediale und öffentliche Erörterung strafrechtlich relevanter Vorgänge ist oftmals weder neutral noch sachlich gehalten.225 So ist es für die Boulevardmedien geradezu typisch, dass sich die Kriminalberichterstattung durch eine reißerische Darstellung und Aufma­ chung auszeichnet. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass mit der bildlichen, namentlichen oder anderweitigen Identifizierung eine bestimmte Per­ son der Öffentlichkeit zumindest als potentiell in Betracht zu ziehender Straf­täter präsentiert wird.226 Dabei können in der Bevölkerung gegenüber Straftätern be­ stehende Ressentiments sowie der vermeintlich authentische Anschein amtlicher (oder amtlich bestätigter) Mitteilungen auch nicht durch die Verwendung von Be­ griffen wie „Beschuldigter“ oder „Tatverdacht“ ausgeräumt werden.227 Für den Kreis der Betroffenen drohen die mit der öffentlichen Erörterung ihrer Person ver­ bundenen negativen Konsequenzen gleichermaßen einzutreten, auch wenn sich die Informationen darauf beschränken, den gegenwärtigen Stand des Verfahrens in zu­ treffender Art und Weise wiedergeben.228 Zudem gilt es aus der Sicht der Ermittlungsbehörden zu bedenken, dass sie ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung identifizierender Informationen jegliche Kontrolle über diese Daten verlieren. In diesem Zusammenhang weist Kühl zutreffend darauf hin, dass die Pressestellen der Ermittlungsbehörden nach ihrer Herausgabe keinerlei Einfluss mehr darauf ausüben können, ob derartige In­ formationen weiterhin verantwortungsvoll behandelt werden.229 Ferner kann ein Großteil der mit der Anonymitätsaufhebung im Zusammenhang stehenden Beein­ trächtigungen keinesfalls als unabwendbare Nebenfolgen ermittlungsbehördlicher Strafverfolgungsmaßnahmen angesehen werden. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Identifizierung des Beschuldigten unmittelbar der Tataufklärung und der Strafverfolgung zugute kommt, nicht jedoch, wenn hierdurch in erster Linie das Informationsinteresse der Allgemeinheit genährt wird.230 Wenn man in diesen Fäl­ 223 Diese „sozialethisch deklassierenden“ Auswirkungen kann durchaus ein strafähnlicher Charakter zugesprochen werden; vgl. Kühl, Unschuldsvermutung, S. 16. 224 Kühl, Unschuldsvermutung, S. 16. 225 Auf die in den Medien bedauerlicherweise vorherrschende Praxis, den Beschuldigten be­ reits als Täter darzustellen, weist Marxen hin; vgl. Marxen, GA 1980, 365 (366). 226 In diesem Sinne auch Ostendorf, GA 1980, 445 (455). 227 Vgl. Ostendorf, GA 1980, 445 (455 f.). 228 So auch Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (253). 229 Vgl. Kühl, FS für Hubmann 1985, 241 (248). Im Ergebnis soll auch nach Bornkamm jede identifizierende Berichterstattung einen Eingriff in die Unschuldsvermutung (als beson­ dere Ausprägung des Persönlichkeitsschutzes) darstellen; vgl. Bornkamm, NStZ 1983, 102 (104 f.). 230 Dies kann unzweifelhaft bei der Einschaltung öffentlicher Kommunikationsmittel im Rah­ men von Maßnahmen zur Strafverfolgung und Strafvollstreckung i. S. d. §§ 131 ff. StPO ange­ nommen werden.

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7. Teil: Die typischerweise tangierten Rechtsgüter und Interessen

len von einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung absähe, wäre es letztend­ lich ein Leichtes für die Ermittlungsbehörden, das Strafverfahren mithilfe der Öf­ fentlichkeit zu beeinflussen und sich der eigenen Verantwortlichkeit unter Verweis auf die Medien zu entziehen, obwohl mit den präjudizierenden Auswirkungen be­ reits im Zeitpunkt der Informationsherausgabe zu rechnen war. Folglich überzeugt es schon aufgrund praktischer Erwägungen, identifizierende Mitteilungen der Er­ mittlungsbehörden, die den erhobenen Tatvorwurf und den Stand des Verfahrens korrekt wiedergeben, dem Regelungsbereich der Unschuldsvermutung zu unter­ stellen. Weiterhin ist problematisch, ob sich der Beschuldigte auch auf eine Verletzung der Unschuldsvermutung berufen kann, wenn eine Beeinträchtigung ausschließ­ lich auf das Verhalten der Medien zurückzuführen ist. Dem Anschein nach geht es hierbei um die Frage, ob diesem Verfahrensprinzip über das allgemeine Per­ sönlichkeitsrecht eine mittelbare (bzw. indirekte) Wirkung zwischen privaten Rechtssubjekten zuzusprechen ist.231 Diesbezüglich führt Marxen zutreffend an, dass es sich in dem hier zu erörternden Fall streng betrachtet nicht um ein Pro­ blem der Drittwirkung von Grundrechten handelt. Einerseits gehöre die Verhinde­ rung außergerichtlicher Schuldzuschreibungen gerade zu den wesentlichen Auf­ gaben der Unschuldsvermutung.232 Andererseits sei der Gedanke der Drittwirkung der Grundrechte in privatrechtlichen Rechtsbeziehungen vor dem Hintergrund der hier vorherrschenden Gleichrangigkeit der Rechtssubjekte entwickelt worden.233 Bei der medialen Erörterung des Strafverfahrens müsse das erhebliche Ungleich­ gewicht zwischen der Person des Beschuldigten auf der einen und den Medien auf der anderen Seite berücksichtigt werden. Der Beschuldigte sehe sich hier regel­ mäßig einer gewaltigen Übermacht ausgesetzt, welche für die auf dem Prinzip der Gleichrangigkeit der Rechtssubjekte aufbauende Drittwirkung der Grundrechte keinen Raum lasse.234 Auch Schulz macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass die Unschuldsvermutung im Verhältnis zwischen den Medien und dem Bür­ ger Geltung beanspruchen muss, damit die durch sie vermittelte Abwehrfunktion gegenüber voreiligen gesellschaftlichen Schuldzuschreibungen im vollen Ausmaß zum Tragen kommen kann.235 Demnach können Schutzpflichten der staatlichen Stellen gegenüber dem von einer medialen Berichterstattung Betroffenen auch

231 Eine unmittelbare Wirkung der Unschuldsvermutung zwischen Privaten wird weitgehend abgelehnt; vgl. AE-StuM-Weigend, S.45 f.; Danziger, S. 369; Roxin, NStZ 1991, 153 (156); Wohlers, StV 2005, 186 (189). 232 Siehe Marxen, GA 1980, 365 (374) sowie Schulz, S. 29; a. A. Meyer, FS für Tröndle 1989, 61 (63). 233 Vgl. BGHZ 14, 222 (225 ff.); Marxen, GA 1980, 365 (374). 234 Marxen, GA 1980, 365 (374). Als plastisches Beispiel für dieses ausgeprägte Macht­ gefälle weist Marxen auf das Ungleichgewicht zwischen einer millionenfach aufgelegten Illus­ trierten und dem Objekt ihrer Berichterstattung hin. 235 Schulz, S. 29; in diesem Sinne auch Grave, NJW 1981, 209 (210 f.) sowie Lampe, NJW 1973, 217.

E. Zwischenergebnis

207

dann begründet werden, wenn sie selber die öffentliche Meinungsbildung in kei­ nerlei Weise verursacht oder beeinflusst haben.236

E. Zwischenergebnis Es bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass sowohl durch die Weitergabe als auch durch die Vorenthaltung aus dem Ermittlungsverfahren stammender Infor­ mationen eine ganze Reihe rechtlich geschützter Interessen berührt und verletzt werden können. Die in diesem Zusammenhang regelmäßig tangierten Rechtsgüter und Interessen haben die Ermittlungsbehörden bei ihrer Entscheidung, welche In­ formationen sie aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren herausgeben dür­ fen, in angemessenem Umfang zu berücksichtigen und in einen gerechten Aus­ gleich zu bringen.

236 Vgl. zu den möglichen Auswirkungen, die eine vorverurteilende Berichterstattung für das Strafverfahren haben kann, die Ausführungen bei Wohlers, StV 2005, 186 (189 ff.). Es kommen verschiedene Ansatzpunkte in Betacht, wie solche Beeinträchtigungen der Verfahrensfairness kompensiert werden können. Die hierbei vertretenen Lösungsvorschläge reichen von der Ver­ fahrenseinstellung als ultima ratio über die Ablehnung und den Ausschluss von Richtern we­ gen Befangenheit bis hin zu Verwertungsverboten oder einer strafmildernden Berücksichtigung medialer Kampagnen. Bei einer Verletzung der Unschuldsvermutung infolge einer tendenziö­ ser Medienberichterstattung können sich Ansprüche des Beschuldigten gegenüber den Medien auf Schadensersatz aus den §§ 823 ff. BGB ergeben, wobei jedoch zu beachten ist, dass der Er­ satz immaterieller Schäden von der Rechtsprechung lediglich bei schweren Rechtsgutsverlet­ zungen anerkannt wird. Begehrt der Beschuldigte hingegen Schadensersatz aufgrund einer vor­ verurteilenden ermittlungsbehördlichen Mitteilung, so richtet sich dieser Anspruch nach § 839 Abs. 1 i. V. m. Art. 34 GG. Ferner kann der Betroffene mithilfe des aus § 1004 BGB resultie­ renden Unterlassungsanspruchs künftige Rechtsgutsverletzungen durch die Medien verhin­ dern. Weiterhin kann es sich für den Betroffenen anbieten, von den Medien eine Gegendarstel­ lung nach den jeweiligen Vorschriften der Landespresse- oder Landesmediengesetze oder eine Berichtigung durch Widerruf, Richtigstellung oder Ergänzung zu verlangen; vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 6. Teil, C. und D.

8. Teil

Die ermittlungsbehördliche Abwägung bei der Informationsherausgabe Es soll nunmehr der Frage nachgegangen werden, welche Abwägungskrite­ rien bei der ermittlungsbehördlichen Ermessensentscheidung eine Rolle spielen und wie die betroffenen Rechtsgüter und Interessen in einen gerechten Ausgleich gebracht werden können. Hierbei bietet es sich an, Fallgruppen zu bilden, bei denen zum einen unterschiedliche Abwägungskriterien zum Zuge kommen und die zum anderen eine divergierende Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter und Interessen erforderlich machen könnten. Im Wesentlichen muss dabei zwischen Mit­teilungen unterschieden werden, welche die Identität der betroffenen Person offenlegen (identifizierende Mitteilungen), und solchen, die anderweitige Infor­ mationen und Details über den Betroffenen preisgeben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob auch anonym gehaltene Informationen und Details stets an einer späteren Identifizierung des Betroffenen zu messen sind (d. h. bei der Be­ wertung der Informationen müsste immer von der Prämisse ausgegangen werden, dass die Öffentlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt von der Identität des Betrof­ fenen erfährt und ihm die bereits zuvor herausgegebenen Informationen nachträg­ lich zuordnen kann).1 Weiterhin bietet es sich an, bei der Bildung der Fallgruppen danach zu differen­ zieren, ob es sich um Mitteilungen über Beschuldigte, Geschädigte, Zeugen oder andere verfahrensbeteiligte oder -unbeteiligte Personen (z. B. Angehörige des Be­ schuldigten oder des Opfers) handelt. Die im Rahmen der behördlichen Entschei­ dung zu beachtenden Rechtspositionen wurden bereits in dem vorhergehenden Abschnitt behandelt. Insofern bleibt festzuhalten, dass das Anonymitätsinteresse des Beschuldigten, sein Interesse, nicht „entsozialisiert“ zu werden, seine Ver­ fahrensrechte und das ermittlungsbehördliche Geheimhaltungsinteresse in vie­ len Fällen gegen die Weitergabe und Veröffentlichung von Informationen aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sprechen. Auf der anderen Seite sind das In­ formationsinteresse der Allgemeinheit und das hiermit weitgehend korrespondie­ rende Interesse der Medien, die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig und umfassend über die Vorkommnisse und Vorgänge aus dem Ermittlungsverfahren zu informie­ 1

Aus diesem Grunde könnte es möglicherweise geboten sein, Mitteilungen im Hinblick auf Eingriffe in die einzelnen persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereiche (Intim-, Privat- und Sozial­sphäre) zu untersuchen, obwohl sie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung noch nieman­ dem konkret zugeordnet werden können.

A. Das behördliche Ermessen

209

ren sowie die Wahrnehmung medialer Kontrollaufgaben gegenüber den staatlichen Stellen in die behördlichen Erwägungen mit einzubeziehen.

A. Das behördliche Ermessen Vorab gilt es zu verdeutlichen, dass den Ermittlungsbehörden bei der Be­ urteilung der Frage, welche Informationen und Details sie aus dem strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahren herausgeben dürfen (bzw. inwiefern ein Anspruch der Medien auf Erteilung entsprechender Informationen besteht), im Grundsatz ein Ermessensspielraum zuzusprechen ist.2 Für die grundsätzliche Einräumung von Ermessen auf Seiten der Ermittlungsbehörden spricht zunächst die Nr. 23 ­RiStBV.3 Daraus geht unter anderem hervor, dass es den Ermittlungsbehörden ob­ liegt, im Wege einer Einzelfallprüfung zu bestimmen, „ob das Interesse der Öf­ fentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlich­ keitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter, insbesondere auch des Verletzten, überwiegt“. Diese Ziffer der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeld­verfahren setzt die Einräumung eines behördlichen Ermessens zwin­ gend voraus, da es den staatlichen Stellen ansonsten verwehrt wäre, eine Abwä­ gung zwischen den betroffenen Rechtsgütern vorzunehmen.4 Zudem räumen die Informationsansprüche der Landespresse- und Landesmediengesetze den Behör­ den einen Ermessensspielraum ein. Dies ist bereits dem Wortlaut der Mehrzahl der in den Landesmedien- und Landespressegesetzen geregelten Informations­ ansprüche zu entnehmen, demzufolge die Behörden unter bestimmten Vorausset­ zungen Auskünfte verweigern „können“.5 Selbst die insoweit missverständlichen Formulierungen in Bayern6 und Sachsen7 lassen keine anderen Schlussfolgerun­ gen zu. Zwar dürfen die Behörden nach diesen Vorschriften Auskünfte nur dann verweigern, wenn einer Informationserteilung bestimmte Gründe entgegenstehen, jedoch obliegt es den staatlichen Stellen nach allgemeiner und unstreitiger Auf­ fassung auch hier, im Wege einer Abwägung zwischen den sich widerstreitenden Rechtsgütern und Interessen eine Entscheidung über die Informationsherausgabe zu fällen8

2 Vgl. BGH NJW 1994, 1950 (1951); BVerwGE 70, 310 (315) und VG Berlin AfP 2000, 594. 3 Hierbei muss natürlich bedacht werden, dass es sich bei den RiStBV lediglich um Verwal­ tungsvorschriften handelt, denen der Charakter einer Rechtsnorm fehlt. 4 In diesem Sinne auch v. Becker, S. 211. 5 Vgl. beispielhaft § 4 Abs. 2 LPG Berlin; siehe OVG Bremen NJW 1989, 926; VG Berlin NJW 2001, 3799; VG Saarlouis NJW 2003, 3431 (3434 f.); Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90; siehe hierzu auch die Ausführungen oben, im 5. Teil, A. II. 2. d). 6 Vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 LPG Bayern. 7 Vgl. § 4 Abs. 2 LPG Sachsen. 8 Siehe VGH München NJW 2004, 3358; Löffler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 90 f.

210

8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

B. Zwingende Ausschlussgründe Wie bei anderen behördlichen Entscheidungen kann sich das den Ermittlungs­ behörden grundsätzlich eingeräumte Ermessen jedoch soweit verdichten, dass le­ diglich eine einzige Entscheidung ermessensfehlerfrei ist (sog. Ermessensreduzie­ rung auf Null). So wird das ermittlungsbehördliche Ermessen beispielsweise beim Eingreifen gesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften (wie z. B. der §§ 93 ff., 203, 353 b und 353 d StGB) soweit reduziert, dass eine Informationsweitergabe zwin­ gend zu unterbinden ist.9 In diesem Sinne darf dem Verlangen von Medienver­ tretern, Abschriften der Anklageschrift oder sonstige Teile der Ermittlungs­akten vor einer Erörterung in der öffentlichen Verhandlung herauszugeben, nicht ent­ sprochen werden, da ein solches Verhalten dem absoluten Veröffentlichungs­verbot des § 353 d Nr. 3 StGB zuwiderlaufen würde.10 Als weitere absolute Schranke eines medialen Auskunftsanspruchs kommt das durch § 30 AO geschützte Steu­ ergeheimnis in Betracht. Danach dürfen weder die Finanzämter noch die Staats­ anwaltschaften oder die Polizeibehörden gegenüber den Medien Auskünfte er­ teilen, soweit es hierbei um materiell-steuerrechtliche Angelegenheiten oder um Fragen geht, welche die Höhe der Einkünfte und Steuern der einzelnen Steuer­ pflichtigen betreffen.11

C. Preisgabe der Identität Im Verlauf der Untersuchung wurde festgestellt, dass schwerwiegende Be­ einträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange erst ab dem Zeitpunkt einer öffentlichkeitswirksamen Aufhebung der Personenanonymität eintreten. Aus die­ sem Grund befasst sich die erste Fallgruppe mit identifizierenden Mitteilungen (bei denen beispielsweise der Name des Betroffenen genannt wird, Abbildun­ gen seiner Person gezeigt werden oder anderweitige Informationen Rückschlüsse auf seine Identität zulassen). Wie bereits zuvor geschildert wurde, kann eine Of­ fenlegung der Identität des Betroffenen auf vielerlei Arten erfolgen.12 Um beson­ 9

Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, im 5. Teil, A. II. 2. d). Siehe Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 56. Die von § 353 d Nr. 3 StGB ausgehenden Be­ schränkungen medialer Berichterstattung ändert nach Auffassung des Bundesverfassungs­ gerichts nichts an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm, da sowohl die zugunsten des Be­ schuldigten streitende Unschuldsvermutung als auch sein Persönlichkeitsrecht eine äußerst zurückhaltende Berichterstattung gebieten und diese Vorschrift zumindest einen „gewissen Schutz vor vorzeitiger Bloßstellung zu gewähren“ vermag; BVerfGE 71, 206 (216 f.). Vgl. zu der berechtigten Kritik hinsichtlich der Eignung dieser Vorschrift für den von ihr angestrebten Rechtsgüterschutz die Ausführungen oben, im 6. Teil, B. IV. 11 Vgl. Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 50 f. Diese absolute Schranke des Auskunftsanspruchs gilt nach der Ansicht von Soehring in Steuerstrafverfahren allerdings nicht mehr, wenn das Ver­ fahren in die allgemein öffentliche Hautverhandlung führt, da hier das Öffentlichkeitsprinzip gem. § 169 GVG zu beachten ist. 12 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, in der Einleitung vom 5. Teil. 10

C. Preisgabe der Identität

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ders offensichtliche Fälle der Anonymitätsaufhebung handelt es sich, wenn der volle Name einer Person gegenüber der Öffentlichkeit bekannt gegeben wird oder Fotos gezeigt werden, welche die abgebildete Person deutlich erkennen lassen. Gleichermaßen kann sich die konkrete Identität des Betroffenen für die Rezipien­ ten aus den geschilderten Umständen ergeben. So liegt es auf der Hand, dass bei Ermittlungen gegen den Oberbürgermeister oder den Polizeipräsidenten einer be­ stimmten Stadt, den Leiter einer bestimmten Klinik oder Schule etc. allein die Mit­ teilung dieser Informationen ausreicht, um Rückschlüsse auf die konkrete Identität des Betroffenen zu ermöglichen. In demselben Maße ist es jedoch auch möglich, dass erst das Zusammentreffen mehrerer Details die Rezipienten in die Lage ver­ setzt, Kenntnis von der Identität des Betroffenen zu erlangen.13

I. Beschuldigte Da der Beschuldigte im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht, soll mit der Erörterung der Zulässigkeit identifizierender Berichterstattungen über seine Person begonnen werden. 1. Öffentliches Interesse an der Identität des Beschuldigten Es muss zunächst abstrakt geklärt werden, ob der konkreten Identität des Be­ schuldigten überhaupt ein öffentlicher Informationswert zuzusprechen ist (bzw. ob sich das öffentliche Informationsinteresse überhaupt auf die Identität des Be­ schuldigten erstreckt).14 Nur wenn ein schützenswertes öffentliches Interesse an der Kenntnis der konkreten Identität des Tatverdächtigen anerkannt wird, vermag dies nicht nur die Herausgabe von Informationen zum Tathergang, zu den Hinter­ gründen der Tat, zum Verfahrensverlauf etc. zu legitimieren, sondern dann könnte hierdurch auch die Offenlegung des Namens oder die Veröffentlichung von Ab­ bildungen des Beschuldigten etc. erforderlich werden.15 Die Identitätsoffenbarung spielt unzweifelhaft bei Warnungen der Bevölkerung vor bestimmten Personen und im Rahmen von Fahndungen nach möglichen Straf­ tätern eine wichtige Rolle, da solche Maßnahmen nicht ohne eine konkrete Per­ sonenbeschreibung und/oder die Veröffentlichung anderer persönlichkeitsrechtlich relevanter Details auskommen. Von daher sehen sowohl die Strafprozessord­

13 Angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten, wie es zur Offenlegung der Identität kom­ men kann, begegnet es großen Schwierigkeiten, diesbezüglich allgemeinverbindliche Kriterien heraus­zubilden. Vielmehr wird es regelmäßig eine Frage des Einzelfalls sein, ob die Identität des Betroffenen bereits anhand der herausgegebenen Informationen bestimmt werden kann. 14 Vgl. Dalbkermeyer, S. 98. 15 Vgl. Dalbkermeyer, S. 98.

212

8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

nung16, § 24 KUG, als auch die Polizeigesetze des Bundes und der Länder17 Re­ gelungen vor, nach denen im Ermittlungsverfahren gewonnene Daten unter engen Voraussetzungen an andere öffentliche und nichtöffentliche Stellen übermittelt werden dürfen. Einerseits dienen entsprechende Mitteilungen jedoch gerade nicht der Befriedigung rein informativer Interessen, sondern ihr einziger Zweck ist in der Ermöglichung einer effektiven Gefahrenabwehr und/oder Strafverfolgung zu erblicken. Andererseits kann den entsprechenden Vorschriften im Wege eines Um­ kehrschlusses entnommen werden, dass grundsätzlich kein berechtigtes öffent­ liches Interesse an der konkreten Identität des Beschuldigten im Stadium straf­ rechtlicher Ermittlungen besteht. Die Zulässigkeit einer Identitätsoffenbarung zu Fahndungszwecken oder zur Gefahrenabwehr hängt von hohen gesetzlichen Vor­ aussetzungen ab. So erlaubt beispielsweise § 131 Abs. 3 StPO eine Öffentlich­ keitsfahndung nach dem Beschuldigten nur dann, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt, einen Haftbefehl (§ 114 StPO) oder einen Un­ terbringungsbefehl (126 a StPO) handelt (oder die Voraussetzungen hierfür gege­ ben sind) und andere Formen der Aufenthaltsermittlung erheblich weniger Erfolg versprechen.18 Vor allem aus der zuletzt geschilderten „strengen Subsidiaritäts­ klausel“ geht hervor, dass die Strafverfolgungsbehörden zunächst prüfen müs­ sen, ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthalts ausreichen.19 Dabei sind mildere Formen der Aufenthaltsermittlung auch dann vorzugswürdig, wenn sie (nur) weniger Erfolg versprechen und/oder die Ermitt­ lung des Aufenthalts hierdurch (nicht wesentlich) erschwert wird.20 Mithilfe die­ ser strengen Voraussetzungen trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass eine Offenlegung der Beschuldigtenidentität zu Fahndungszwecken regelmäßig mit erheblichen persönlichkeitsrechtlichen Beeinträchtigungen verbunden ist, zu dauerhaften Rufschädigungen führen und der Unschuldsvermutung zuwider lau­ fen kann etc. Hierzu stünde es in einem erheblichen Wertungswiderspruch, wenn ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Offenlegung der Identität des Be­ schuldigten eines Strafverfahrens grundsätzlich angenommen würde, ohne dies von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Von diesen Ausnahmen einmal abgesehen, ist es dagegen kaum ersichtlich, warum dem öffentlichen Informationsinteresse nur mithilfe einer Identitätsoffen­ legung zu entsprechen sei. Zumeist reicht es zur Befriedigung des allgemeinen In­ formationsbedürfnisses aus, wenn sich Mitteilungen darauf beschränken, den ge­ 16

Vgl. insofern die §§ 131 ff. StPO. Beispielsweise erlaubt § 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG die Übermittlung personenbezogener Daten durch die Ordnungsbehörden oder die Polizei an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs, „soweit dies zur Erfüllung ordnungsbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben … erforder­lich ist“. Ein anerkannter Anwendungsfall dieser Vorschrift ist nach allgemeiner Auf­ fassung die Öffentlichkeitsfahndung mithilfe von Publikationsorganen (z. B. bei der Suche nach geistig verwirrten Personen); vgl. Knape/Kiworr, ASOG, S. 711 ff. 18 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 131 Rn. 1 ff. 19 Siehe LR-Hilger, § 131 Rn. 19. 20 Vgl. LR-Hilger, § 131 Rn. 19. 17

C. Preisgabe der Identität

213

genwärtigen Stand des Verfahrens sowie Details zum Tathergang und zur Person des mutmaßlichen Täters21 wiederzugeben, ohne zugleich die Identität des Betrof­ fenen preiszugeben.22 So wird es in aller Regel auch unter Wahrung der Anonymi­ tät möglich sein, in der Bevölkerung bestehende Verunsicherungen abzumildern, dem Verlangen nach Genugtuung zu entsprechen etc.23 Im Wesentlichen kommt es nämlich darauf an, dass die Allgemeinheit darüber in Kenntnis gesetzt wird, ob die Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung von Straftaten konkrete Erfolge verzeich­ nen können, gefährliche Personen gefasst werden, von diesen nunmehr keine wei­ teren Gefahren ausgehen usw. Ferner erscheint es keinesfalls zwingend, dass zur Erfüllung der von den Medien und der Öffentlichkeit wahrzunehmenden Kontrol­ laufgaben die Kenntnis der Beschuldigtenidentität erforderlich sein sollte. Freilich obliegt es den Medien und der Öffentlichkeit auch im strafrechtlichen Ermittlungs­ verfahren, die mit den Ermittlungen betrauten Behörden zu kontrollieren,24 wo­ bei das öffentliche Überwachungsinteresse auch die Ermittlungstätigkeit der staat­ lichen Stellen umfasst.25 Es bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass das Gebot demokratischer Transparenz und Öffentlichkeit staatlichen Handelns eine möglichst weitreichende Überwachung der mit der Durchführung des Strafverfah­ rens betrauten Behörden gebietet.26 Allerdings vermögen auch diese Erwägungen nicht zu erklären, warum sich das öffentliche Informationsinteresse ausgerechnet auf die Beschuldigtenidenti­ tät erstrecken sollte. Dies läge lediglich dann nahe, wenn es sich beim Tatverdäch­ tigen beispielsweise um einen Amtsträger handelt und das strafrechtlich relevante Verhalten Auswirkungen auf die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und Be­ fugnisse haben könnte. In solchen Fällen geht Dalbkermeyer davon aus, dass die berichtete Straftat gerade durch die Person des Beschuldigten ihre maßgebliche Prägung erhält.27 Hiergegen spricht jedoch, dass auch der Identität eines Amts­ trägers bei genauerer Betrachtung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu­

21 Die Informationen zur Tat und zur Person des Täters sind hierbei gegebenenfalls abstrakt zu halten, um eine Offenlegung der konkreten Identität des Beschuldigten zu verhindern. 22 In diesem Sinne auch Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 853. 23 Dies ist jedoch nicht für den Fall anzunehmen, in dem die Identität der jeweiligen Person zu einem früheren Zeitpunkt veröffentlicht wurde und sich der Fokus der Öffentlichkeit bereits auf diese Person gerichtet hat. Insofern wird es zur Beruhigung der Allgemeinheit oftmals er­ forderlich sein, zu erfahren, dass die konkret verdächtigte Person gefasst wurde. 24 Insoweit hebt Burkhardt zurecht hervor, dass es gerade die schwebenden Verfahren sind, welche auf eine gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit treffen. So wäre es der Presse bei einer Beschränkung der Berichterstattung auf bereits abgeschlossene Verfahren nicht mehr möglich, das ihr von der Verfassung eingeräumte Wächteramt zu erfüllen; vgl. Löffler-Burkhardt, Pres­ serecht, § 4 Rn. 94. 25 In diesem Sinne auch Dalbkermeyer, S. 103. 26 Dalbkermeyer, S. 103. Insofern unterliegen gerade auch die mit der Durchführung des Strafverfahrens betrauten Behörden der Staatsanwaltschaft und Polizei einer Überwachung durch die Medien. 27 Dalbkermeyer, S. 103.

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

kommt.28 Vielmehr besteht ein gesteigertes öffentliches Interesse zu erfahren, wel­ ches Amt der Tatverdächtige bekleidet, um welche konkreten Tatvorwürfe es sich handelt und inwiefern gerade die besonderen Befugnisse des Amtsträgers mit dem Tatvorgang in Verbindung stehen etc. Mit der Problematik, ob das öffentliche Informationsinteresse auch die Nen­ nung des Namens in der Presse umfasst, hat sich des Weiteren Stapper ausein­ andergesetzt, der dies im Ergebnis bejaht.29 Als Begründung führt er an, dass es nicht möglich sei, eine klare Trennlinie zwischen identifizierenden und anonym gehaltenen Berichten zu ziehen.30 So gebe es eine Vielzahl von Fällen, in denen zwar keine explizite Namensnennung erfolge, jedoch andere Umstände eindeu­ tige Rückschlüsse auf die Person des Beschuldigten zuließen.31 Wenn man den staat­lichen Stellen die Aufgabe zuspräche, Mitteilungen im Hinblick auf identi­ fizierende Komponenten zu untersuchen und die berechtigten Interessen der Re­ zipienten am Erhalt der Informationen zu bewerten, käme dies einer inhaltlichen Kontrolle der Presseerzeugnisse gleich, die in Ansehung des in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG statuierten Zensurverbots unzulässig sei.32 Zwar ist Stapper darin beizupflichten, dass Namensnennungen nicht von vorn­ herein aus dem Schutzbereich der Medienfreiheiten herausfallen.33 Auch unterliegt es keinen Zweifeln, dass das berechtigte öffentliche Informationsinteresse nicht allzu restriktiv ausgelegt werden darf, da dies auf eine unzulässige Ver­kürzung der grundgesetzlich geschützten Medienrechte hinausliefe. Weiterhin trifft es zu, dass eine Personenidentifikation nicht allein durch die Nennung des Namens oder das Zeigen einer Abbildung bewirkt werden kann. Wie bereits an anderer Stelle34 festgestellt wurde, kann die Identitätsoffenbarung auf vielerlei Arten erfolgen, die beim Beschuldigten zu ähnlichen bis identischen Auswirkungen führen. Al­ lerdings kommt es keiner mittelbaren Zensur gleich, wenn die Ermittlungsbehör­ den Mitteilungen daraufhin untersuchen, ob sie identifizierende Teile enthalten, und sie diese Elemente gegebenenfalls vor einer Informationsherausgabe entfer­ nen oder unkenntlich machen. Der Verzicht auf Elemente, welche direkte oder in­ direkte Hinweise auf die Identität des Betroffenen liefern, wird zumeist ohne Wei­ teres möglich sein. So können Details, die ohne größeren Aufwand Rückschlüsse auf die Person des Tatverdächtigen zulassen (wie z. B. konkrete Angaben über sei­ nen Wohnort, Arbeitsplatz oder sein unmittelbares Umfeld etc.) weggelassen oder 28 Die jeweilige Identität des Amtsträgers besitzt keinen hohen Informationswert, obwohl nicht vollständig von der Hand zu weisen ist, dass die Person in einer repräsentativen Demo­ kratie oftmals nicht ohne Weiteres von dem von ihr bekleideten Amt getrennt werden kann. 29 Stapper, S. 41 f. 30 Siehe Stapper, S. 41. 31 Vgl. Stapper, S. 41. 32 Stapper, S. 41. Stapper spricht in diesem Zusammenhang von der Gefahr einer „Zensur durch die Hintertür“. 33 Vgl. Stapper, S. 41. 34 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 7. Teil, B. I.

C. Preisgabe der Identität

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unter Verweis abgeändert werden. Sollten hingegen auf Seiten der Ermittlungs­ behörden Unsicherheiten bestehen, ob bestimmte Informationsteile im Zusam­ menspiel mit anderen Daten zu einer Aufhebung der Anonymität führen könnten, so ist ihnen anzuraten, zumindest für die Dauer der Ermittlungen auf die Veröffent­ lichung dieser Details zu verzichten. Zwar läuft dies im Ergebnis auch auf eine von den Ermittlungsbehörden im Einzelfall vorzunehmende Bewertung der Informa­ tionen hinaus, allerdings sind die staatlichen Stellen ohnehin dazu verpflichtet, eine umfassende Würdigung und Prognose hinsichtlich möglicher Rechtsgüterver­ letzungen und -gefährdungen vorzunehmen. Folglich kann es nicht als wesentliche zusätzliche Beeinträchtigung der Pressefreiheit angesehen werden, wenn Mittei­ lungen zunächst daraufhin überprüft werden, ob sie identifizierende Elemente ent­ halten. Vielmehr stellt die Anonymisierung identifizierender Teile der Mitteilun­ gen gegenüber einer vollständigen Vorenthaltung entsprechender Information den weitaus geringerer Eingriff in die Medienfreiheiten dar. Letztlich ist ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Kenntnis der Identi­ tät des Beschuldigten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach der hier vertretenen Auffassung nicht anzuerkennen. Im Folgenden soll jedoch weiter er­ örtert werden, unter welchen Umständen und anhand welcher Kriterien die Recht­ sprechung identifizierende Mitteilungen über den Beschuldigten zulässt bzw. ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse im Hinblick auf seine Identität anerkennt. a) Mindestbestand an Beweistatsachen Der Bundesgerichtshof machte die Zulässigkeit identifizierender Berichte aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in einigen Entscheidungen zunächst davon abhängig, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen müsse, der für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen spreche, wodurch die­ sen wiederum erst ein gewisser „Öffentlichkeitswert“ verliehen werden könne.35 Das Abstellen auf diese „Mindestvoraussetzung“ ist zunächst ein richtiger Ansatz. Würde hiervon abgesehen, wären mitunter schwerwiegende Eingriffe in Persön­ lichkeitsrechte auf der schlichten Grundlage unsubstantiierter Verdachtsmomente möglich. Allerdings bietet das vom Bundesgerichtshof geforderte Mindestmaß an Beweistatsachen keinesfalls eine hinreichende Orientierungsgrundlage, um die Zulässigkeit von Personenidentifizierungen mit der dafür notwendigen Sicherheit zu bestimmen. Selbst wenn die Beweislage nach dem Stand der Ermittlungen ein­ deutig erscheint und die Ermittlungsbehörden bei der Gewinnung und Überprü­ 35 BGH NJW 1977, 1288 (1289); BGH NJW 1997, 1148 (1149); BGH NJW 2000, 1036. Diese Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bezogen sich zwar auf die Anforderungen an zulässige Verdachtsberichterstattungen in der Presse, allerdings kann diese Mindestvoraus­ setzung gleichermaßen auf die Pressetätigkeit der Ermittlungsbehörden übertragen werden; vgl. Lehr, NStZ 2009, 409 (412).

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

fung der Beweismittel größtmögliche Sorgfalt haben walten lassen, kann das Ri­ siko einer dauerhaften Stigmatisierung des Beschuldigten – ohne dass es jemals zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt – nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grunde verbietet es sich erst recht, die Identifizierung des Beschuldigten bereits auf der Grundlage eines lediglich ungefestigten Mindestbestandes an Be­ weistatsachen zu ermöglichen. Des Weiteren muss auch in diesem Zusammen­ hang die zugunsten des Beschuldigten geltende Unschuldsvermutung berücksich­ tigt werden. 2. Kriterien der Rechtsprechung Ungeachtet der vorhergehenden grundsätzlichen Überlegungen wurden in der Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien/Voraussetzungen zu den Fragen ent­ wickelt, wann ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung der konkreten Identi­ tät des Tatverdächtigen überhaupt anzuerkennen sei und/oder wann das öffentliche Interesse an der Identifizierung gegenüber den entgegenstehenden Persönlichkeits­ rechten des Betroffenen überwiege. a) Besondere Bedeutung der Straftat (insbesondere die Schwere der Tat) In Bezug auf die Identitätsoffenbarung im strafrechtlichen Ermittlungsverfah­ ren wurden erstmals vom OLG Frankfurt in einer Entscheidung aus dem Jahre 1970 allgemeine Vorgaben aufgestellt.36 Dabei ging es um einen Antrag auf Unter­ lassung hinsichtlich der Darstellung eines schweren Raubes und einer Vergewal­ tigung unter namentlicher Nennung und Veröffentlichung von Abbildungen der Tatverdächtigen in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY – ungelöst“, verbun­ den mit der Aufforderung an das Publikum, Angaben zu den geraubten Gegen­ ständen zu machen, damit diese aufgefunden werden konnten.37 Das Gericht be­ gründete das Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Beschuldigten unter anderem damit, dass es sich bei der zur Last gelegten Tat um eine „Straftat von erheblicher Bedeutung“38 und nicht 36

Vgl. OLG Frankfurt NJW 1971, 47 ff. sowie Dalbkermeyer, S. 99. Letztlich hatte das Gericht über die Zulässigkeit einer auf § 131 StPO a. F. (sog. „Steck­ brief“) gestützten Fahndungsmaßnahme zu entscheiden. Allerdings hob das Gericht hervor, dass es sich bei den §§ 23 Nr. 1 und 24 KUG sowie bei § 131 StPO a. F. lediglich um Kon­ kretisierungen eines allgemeinen und übergeordneten Prinzips der Güter- und Interessenabwä­ gung handle. Die vom Gericht aufgestellten Kriterien bezogen sich ganz allgemein auf die bei der öffentlichen Darstellung einer Straftat – bzw. bei der bildlichen Darstellung oder nament­ lichen Nennung des Beschuldigten – vorzunehmenden Interessenabwägung; vgl. OLG Frank­ furt NJW 1975, 47 (49). 38 Ähnlich drückt sich auch der Bundesgerichtshof aus, wenn er für die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung einen „Vorgang von gravierendem Gewicht“ verlangt; vgl. BGH NJW 2000, 1036 (1037). 37

C. Preisgabe der Identität

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um eine bloße Bagatellsache handelte.39 Diesen Ausführungen schloss sich das OLG Braunschweig an, als es über die Zulässigkeit einer identifizierenden Zei­ tungsberichterstattung (welche sich auf die im Rahmen einer polizeilichen Pres­ sekonferenz erteilten Auskünfte stützte) über die Durchsuchung einer Gaststätte wegen des Verdachts der Hehlerei gegen den Gaststättenbetreiber zu entschei­ den hatte und dem Kriterium der besonderen Bedeutung der Tat (und dabei ins­ besondere der Tatschwere) einen hohen Stellenwert beimaß.40 Ergänzend führte das OLG Braunschweig aus, eine identifizierende Berichterstattung über den Tat­ verdächtigen dürfe nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn dem öffentlichen Informationsinteresse nicht auch ohne eine Namensnennung oder eine anderwei­ tige Identitätspreisgabe entsprochen werden könne (bzw. wenn gerade die Identi­ tät des Betroffenen einen hohen „Öffentlichkeitswert“ besitze).41 Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hob das Bundesverfassungsgericht bereits in der „LebachEntscheidung“42 hervor, dass das öffentliche Interesse an näheren Informationen über die Tat und den Täter umso stärker ausfalle, je mehr sich die Straftat infolge einer Besonderheit des Angriffsobjektes, der Art ihrer Begehung oder der Schwere ihrer Folgen von der gewöhnlichen Kriminalität abhebe. Gerade bei schweren Gewaltstraftaten bestünden neben allgemeiner Neugier und Sensationslust ernst­ zunehmende Gründe für die Öffentlichkeit zu erfahren, wer die Täter waren.43 Das Abstellen auf das Merkmal der besonderen Bedeutung einer Straftat (bzw. auf die besondere Tatschwere) ist jedoch von erheblichen Zweifeln begleitet. Wie bereits an anderer Stelle44 vertieft wurde, schlägt sich vor allem die Schwere des Tatvorwurfs spiegelbildlich im berechtigten Interesse des Tatverdächtigen nieder, in der Öffentlichkeit nicht mit der Tat in Verbindung gebracht zu werden.45 Gerade im Zusammenhang mit besonders schweren Verbrechen besteht die kaum zu un­ 39

Die erhebliche Bedeutung der Straftat wurde vom OLG Frankfurt als unproblematisch angenommen, da es sich nach der Auffassung des Gerichts um besonders schwere Verbrechen (schwerer Raub und Vergewaltigung) handelte; vgl. OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (48). 40 Vgl. OLG Braunschweig NJW 1975, 651 ff. Der gegen den Kläger bestehende Verdacht stellte sich als unbegründet heraus. Allerdings wurde dem Kläger ein Anspruch auf Schmer­ zensgeld gegenüber dem Beklagten nicht zuerkannt, da es an einem Verschulden des handeln­ den Journalisten fehlte. Dieser durfte sich nach der Auffassung des Gerichts auf die Richtigkeit der amtlichen Pressemitteilung verlassen, so dass ihm eine Verletzung journalistischer Sorg­ faltspflichten nicht vorgeworfen werden konnte. In diesem Fall besteht für den Betroffenen le­ diglich die Möglichkeit, einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) gegen­ über den Ermittlungsbehörden geltend zu machen. 41 OLG Braunschweig NJW 1975, 651 (652); in diesem Sinne auch Prinz/Peters, Medien­ recht, Rn. 853. 42 Dabei ging es jedoch nicht um die Zulässigkeit identifizierender Mitteilungen im Stadium strafrechtlicher Ermittlungen, sondern um die Berichterstattung über einen bereits rechts­kräftig verurteilten Straftäter. 43 Vgl. BVerfGE 35, 202 (230 f.). 44 Vgl. wiederum die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. 45 Vgl. hierzu auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts über die Gefahren einer identifizierenden Berichterstattung im sog. „Holzklotz-Fall“; BVerfG ZUM 2009, 216 (218).

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

terschätzende Gefahr für die Beschuldigten, dass es zu dauerhaften gesellschaft­ lichen Ausgrenzungen und Stigmatisierungen kommt und sie weitere Nachteile im privaten und beruflichen Bereich erleiden, selbst wenn sich die Tatvorwürfe zu einem späteren Zeitpunkt als haltlos erweisen sollten oder das Verfahren aus an­ deren Gründen eingestellt wird. Da die drohenden Beeinträchtigungen auf Seiten der Tatverdächtigen mit zunehmender Intensität der Tatvorwürfe gleichermaßen an Gewicht gewinnen, erweist sich das Merkmal der besonderen Tatschwere kei­ nesfalls als ein geeignetes Abwägungskriterium.46 Dies gilt zudem für nahezu alle Umstände, welche die Besonderheit der Vorgänge ausmachen und durch die sich die jeweilige Straftat gegenüber der „gewöhnlichen und alltäglichen Kriminalität“ abhebt, da ein großes öffentliches Interesse fast immer zu stärkeren Beeinträch­ tigungen auf Seiten des Betroffenen führen wird. Gegen ein Abstellen auf die Besonderheit der verübten Straftat (bzw. auf das außergewöhnliche Tatobjekt, die unübliche Begehung oder die schweren Tat­ folgen) bei der Begründung eines gesteigerten öffentlichen Interesses an der Iden­ tität des Beschuldigten spricht zudem, dass diese Erwägungen die Annahme eines gefestigten Zusammenhangs zwischen der Person des Tatverdächtigen und der ihm zur Last gelegten Tat voraussetzen, was sich – wie bereits mehrfach aus­ geführt wurde – im Stadium strafrechtlicher Ermittlungen in Ansehung der zu­ gunsten des Beschuldigten streitenden Unschuldsvermutung verbietet. Insoweit können die vom Bundesverfassungsgericht in der „Lebach- Entscheidung“ ange­ führten Argumente offenkundig nicht auf die Situation im Ermittlungsverfahren übertragen werden, da es hier gerade nicht um die Berichterstattung über einen be­ reits rechtskräftig verurteilten Straftäter geht, dessen Schuld in einem ordnungs­ gemäßen Verfahren festgestellt wurde und zu dessen Gunsten der Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht mehr eingreift.47 b) Wiederholungsgefahr Als ein weiteres Kriterium, welches der konkreten Identität des Tatverdächti­ gen einen gesteigerten Informationswert vermitteln könne, führte das OLG Frank­ furt in der bereits genannten Entscheidung das Merkmal der Wiederholungsgefahr

46 In diesem Sinne Bornkamm, NStZ 1983, 102 (105) und Dalbkermeyer, S. 99 f. Dies­ bezüglich hebt auch das Bundesverfassungsgericht in einer neueren Entscheidung aus dem Jahre 2008 hervor, dass die besondere Schwere der Tat und die als besonders verwerflich emp­ fundene Art ihrer Begehung nicht nur ein gesteigertes Informationsinteresse auf Seiten der Öffentlichkeit begründeten, sondern diesen Umständen zugleich ein erhebliches Stigmatisie­ rungspotential innewohne, das im Fall eines später erfolgenden Freispruchs oftmals nicht mehr vollständig beseitigt werden könne; vgl. BVerfG ZUM 2009, 216 (218). 47 So auch Dalbkermeyer, S. 101 f. Dalbkermeyer führt in dieser Beziehung zurecht an, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gerade erst der Aufklärung einer möglichen Tatbetei­ ligung des Verdächtigen dient.

C. Preisgabe der Identität

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an.48 Dabei sei das Informationsinteresse der Allgemeinheit umso höher anzu­ setzen, je mehr sich die Gefahr einer Tatwiederholung abzeichne.49 Ferner spielte es im Rahmen dieser Entscheidung eine wichtige Rolle, dass die öffentliche Mit­ teilung, welche den Verfahrensgegenstand bildete, dazu geeignet war, die Aufklä­ rung der begangenen Tat zu fördern.50 Auch das Merkmal der Wiederholungsge­ fahr vermag entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt ein besonderes Interesse an der Beschuldigtenidentität jedoch nicht zu begründen. Wenn die ermittlungs­ behördliche Öffentlichkeitsarbeit darauf ausgerichtet sein sollte, eine wirksame Strafverfolgung und -vollstreckung sicherzustellen und die Begehung weiterer Straftaten durch denselben Täter im Sinne der negativen Spezialprävention zu ver­ hindern, müssen sich die Ermittlungsbehörden insofern mit den von der Strafpro­ zessordnung vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten51 begnügen.52 So stehen den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straf­ taten und der Sicherstellung der Strafverfolgung und -vollstreckung die Maß­ nahmen der §§ 131 ff. StPO zur Verfügung. Sollte das Erfordernis einer sich ab­ zeichnenden Wiederholungsgefahr hingegen in einem negativ-generalpräventiven Sinne verstanden werden,53 würde dies in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Menschenwürde verstoßen, der den Beschuldigten davor bewahrt, zum Objekt staatlichen Handelns degradiert zu werden. Ungeachtet dieser schwerwiegenden Bedenken verbietet sich die Verfolgung von Strafzwecken im Ermittlungsverfah­ ren auch in Ansehung der Unschuldsvermutung, die sicherstellen soll, dass nie­ mand ohne eine rechtskräftige Verurteilung in einem ordnungsgemäßen Verfahren als schuldig dargestellt wird.54

48

OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (48). OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (48). Da das Gericht vermutete, dass es sich bei einem der Tatverdächtigen um einen Serientäter handelte, wurde auch das Merkmal der Wiederholungs­ gefahr bejaht. 50 OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (48 f.). 51 Insofern kommt die Einschaltung öffentlicher Kommunikationsmittel zur Fahndung nach dem Beschuldigten oder der Ermittlung von Zeugen i. S. d. §§ 131 ff. StPO in Betracht. 52 Folglich begründet das Merkmal der Wiederholungsgefahr lediglich insoweit ein öffent­ liches Interesse an der konkreten Identität des Betroffenen, als dies zur Erfüllung der jeweili­ gen Fahndungs- oder Gefahrenabwehrmaßnahme erforderlich ist. Darüber hinaus kann dieses Merkmal jedoch keinesfalls grundsätzlich die Offenlegung der Beschuldigtenidentität im Straf­ verfahren legitimieren. 53 Dies wäre der Fall, wenn mithilfe einer abschreckenden Berichterstattung über die Person des Beschuldigten die Begehung ähnlich gelagerter Straftaten verhindert werden soll. 54 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, Art. 6 MRK Rn. 12 sowie die Schilderungen oben, im 2. Teil, A. I. 2. b) und im 7. Teil, A. II. 49

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

c) Verdachtsgrad Weiterhin soll sich ein öffentliches Interesse an der Identität des Tatverdäch­ tigen (oder ein Überwiegen dieses Interesses gegenüber den rechtlich geschütz­ ten Geheimhaltungsinteressen des Beschuldigten) aus dem Grad des bestehen­ den Tatverdachts ergeben können.55 Diesbezüglich hebt das OLG Frankfurt in der bereits zuvor genannten Entscheidung hervor, dass das Geheimhaltungsinter­ esse des Beschuldigten zumindest dann zurücktrete, wenn ein dringender Tatver­ dacht gegen ihn vorliege.56 Hiergegen sprechen jedoch dieselben Bedenken wie bei der Heranziehung des Verdachtsgrades zur Begründung der Zeitgeschichtlichkeit des Beschuldigten. Selbst wenn gegen den Tatverdächtigen erhebliche Verdachts­ momente bestehen, so begründet dies in Ansehung der zu seinen Gunsten eingrei­ fenden Unschuldsvermutung noch keinen derart engen Zusammenhang zwischen seiner Person (bzw. seinem Verhalten) und den strafrechtlich relevanten Gescheh­ nissen, dass dies eine identifizierende Berichterstattung rechtfertigen könnte. Wie bereits an anderer Stelle57 vertieft wurde, ist der dringende Tatverdacht zudem durch ein hohes Maß an Vorläufigkeit geprägt, da er nicht auf der Basis abgeschlossener Ermittlungsergebnisse, sondern auf der Grundlage des gegenwär­ tigen Standes der Ermittlungen bestimmt wird.58 Mit der Offenlegung der Identi­ tät werden demgegenüber vollendete Tatsachen geschaffen, die oftmals mit erheb­ lichen Auswirkungen für die Betroffenen verbunden sind. Hinzu tritt, dass die Herausgabeentscheidung in einem hohen Maße vom Zufall abhinge, wenn es le­ diglich darauf ankäme, welcher Verdachtsgrad zum Zeitpunkt der Informations­ weitergabe vorherrscht. Darüber hinaus läge es in der Hand der Ermittlungs­ behörden, den „richtigen“ Zeitpunkt für die Informationsweitergabe eigenmächtig festzulegen, obwohl die Vorläufigkeit des Ermittlungsergebnisses keinerlei Ge­ währ für eine spätere Verurteilung bietet.59 55 Vgl. BGH NJW 1994, 1950 (1952); OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (49); OLG Braun­ schweig NJW 1975, 651 (652). Der im vorhergehenden Prüfungspunkt erörterte Mindest­bestand an Beweistatsachen hängt zwar hiermit zusammen, da er das Fundament für die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen bildet, allerdings sagt er noch nichts über den Grad des vorliegen­ den Tatverdachts aus (bzw. ob ein einfacher, dringender oder hinreichender Tatverdacht besteht). 56 OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (49). Das OLG Frankfurt nahm in dem zu entscheiden­ den Fall auch unterhalb der Schwelle des dringenden Tatverdachts ein öffentliches Interesse an der Identität der Beschuldigten an, da der Haftbefehl zwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf­ gehoben worden war, jedoch weitere erhebliche Verdachtsmomente bestanden (so befanden sich laut einem daktyloskopischen Gutachtens Fingerabdrücke der Beschuldigten am Tatort). 57 Vgl. hierzu wiederum die Erörterungen weiter oben, im 5. Teil, G. I. 58 Vgl. BGH, NStZ 1981, 94; Meyer-Goßner, StPO, § 112 Rn. 6. Siehe hierzu auch Dalbkermeyer, S. 100. 59 Vgl. Dalbkermeyer, S. 100 sowie die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. Aus diesem Grund erscheint es gleichermaßen ungeeignet, die Zulässigkeit identifizierender Mitteilungen über den Beschuldigten vom tatsächlichen Erlass eines Haftbefehls abhängig zu machen, auch wenn hierdurch eine staatsanwaltschaftliche und richterliche Überprüfung der Verdachtsgründe gewährleistet würde; vgl. hierzu die Ausführen bei v. Becker, S. 114.

C. Preisgabe der Identität

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3. Zwischenergebnis Wie die vorhergehenden Ausführungen gezeigt haben, bieten die von der Recht­ sprechung herausgebildeten Kriterien keine ausreichende Hilfe bei der Beant­ wortung der Frage, wann die Herausgabe identifizierender Mitteilungen über den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zulässig ist (bzw. wann das öffentliche In­ formationsinteresse gegenüber dem Interesse des Beschuldigten an der Wahrung seiner Anonymität überwiegt) und unter welchen Umständen überhaupt ein ge­ steigertes öffentliches Interesse an der konkreten Identität des Beschuldigten an­ genommen werden muss (bzw. wann die Beschuldigtenidentität überhaupt einen öffentlichen Informationswert besitzt). Insofern verbleibt es nach der hier vertre­ tenen Auffassung bei dem Grundsatz, dass die Offenlegung der Beschuldigten­ identität während der strafrechtlichen Ermittlungen – mit Ausnahme von Fahn­ dungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr – unzulässig ist, da kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Preisgabe seiner Identität besteht.

II. Tatopfer, Zeugen, Angehörige etc. Auch bei der ermittlungsbehördlichen Entscheidung bezüglich der Herausgabe identifizierender Informationen über andere verfahrensbeteiligte oder -unbetei­ ligte Personen erscheint es überaus fraglich, ob sich das berechtigte öffentliche Informationsinteresse auf ihre konkrete Identität erstreckt. Diesbezüglich führt Stapper zurecht an, dass mit der namentlichen Nennung von Angehörigen des Tat­ verdächtigen oder des Tatopfers vor allem Sensationsgelüste befriedigt werden, wohingegen anerkennenswerte Allgemeininteressen an solchen Informationen kaum vorstellbar seien.60 Vor einer Offenlegung der Identität des mutmaßlichen Opfers einer Straftat müsse zudem bedacht werden, dass dieses zumeist nicht nur ohne eigenes Zutun61 und unfreiwillig mit den strafbaren Geschehnissen in Verbin­ dung getreten sei, sondern bereits durch die strafbaren Handlungen erhebliche Be­ einträchtigungen (z. B. körperliche, psychische oder finanzielle Schäden) erlitten habe.62 Von daher erscheint es kaum vertretbar, wenn bereits geschädigte Perso­ nen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt werden, ohne dass dies zur Befriedigung eines berechtigten Informationsinteresses zwingend erforderlich wäre.63 Auch mit Blick auf die Zeugen eines Strafverfahrens sind keine ernsthaften Gründe ersicht­ lich, warum an der Kenntnis ihrer Identität im Stadium der Ermittlungen ein aner­ kennenswertes Interesse der Allgemeinheit bestehen sollte. Oftmals wird die na­ 60

Siehe Stapper, S. 148. Hierbei weist Stapper zurecht darauf hin, dass es grundsätzlich keinen Unterschied ma­ chen könne, ob das Opfer die strafbaren Geschehnisse durch eine gewisses eigenes Verschul­ den mitverursacht hat, da ein solches Verhalten nicht strafbar sei; vgl. Stapper, S. 150. 62 Vgl. hierzu OLG Frankfurt AfP 1976, 181 f.; Stapper, 149. 63 Siehe Stapper, S. 149 f. Vgl. hierzu ferner die ausführliche Darstellung bei AE-StuMSchöch, S. 79 ff. 61

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

mentliche Nennung oder die Veröffentlichung einer Fotografie eines Zeugen im Ermittlungsverfahren der späteren Wahrheitsfindung abträglich sein. So kann sich die öffentliche Identitätsoffenbarung negativ auf das spätere Aussageverhalten der Zeugen auswirken, insbesondere wenn diese befürchten müssen, aufgrund ihrer Aussage selber zum Opfer von Vergeltungstaten zu werden.64 Mit Blick auf Mittei­ lungen über Ermittlungsrichter, Staatsanwälte und Strafverteidiger ist weiterhin zu bedenken, dass sich diese zumeist auf die berufliche Tätigkeit der genannten Per­ sonen beziehen und folglich ihrer Sozialsphäre zuzuordnen sind.65 Mit der Bericht­ erstattung über Gerichte und die Staatsanwaltschaften gewährleisten die Medien zudem eine effektive Kontrolle der Straf­justiz, was bei der Bestimmung des öffent­ lichen Informationsinteresses mit einzubeziehen ist. Gegen die Annahme eines öf­ fentlichen Interesses an der Identität von Richtern und Staatsanwälten spricht hin­ gegen, dass die jeweilige Persönlichkeit in aller Regel gegenüber dem ausgeübten öffentlichen Amt zurücktritt. In diesem Sinne wird es selbst bei der Äußerung von Kritik an der jeweiligen Rechtsauffassung, Amtsausübung etc. dieser Personen in den seltensten Fällen auf die Offenlegung ihrer Identität ankommen.66 Letztlich bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass an der Bekanntgabe der kon­ kreten Identität anderer verfahrensbeteiligter und -unbeteiligter Personen regel­ mäßig kein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse besteht, so dass identi­ fizierende Mitteilungen über diesen Personenkreis zumeist unzulässig sind.

D. Herausgabe weiterer Informationen Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, anhand welcher Kriterien und Maßstäbe die Ermittlungsbehörden eine Entscheidung über die Herausgabe von Informationen treffen sollten, die sich nicht auf die Identität des Betroffenen beziehen bzw. diese offenlegen, sondern darüber hinausgehende persönlichkeits­ rechtlich relevante Details offenbaren.

I. Identität ist der Öffentlichkeit bereits bekannt Dem wird zumeist eine Situation zugrunde liegen, in welcher die konkrete Iden­ tität des Beschuldigten oder einer anderen verfahrensbeteiligten oder -unbeteilig­ ten Person der Öffentlichkeit bereits bekannt ist (z. B. weil in den Medien bereits in identifizierender Art und Weise über den Betroffenen berichtet wurde).

64

Vgl. Stapper, S. 152. Vgl. hierzu auch die Ausführungen weiter unten, im 8. Teil, D. I. 2. c) sowie bei Stapper, S. 34 f. und (bezogen auf die strafrechtliche Hauptverhandlung) bei Fink, S. 178 ff. 66 Vgl. insoweit die auf den Strafrichter bezogenen Ausführungen bei Stapper, S. 153. 65

D. Herausgabe weiterer Informationen

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1. Beachtung der Unschuldsvermutung und der weiteren Verfahrensrechte Nach nahezu unbestrittener Auffassung sind Mitteilungen über den Beschul­ digten immer dann unzulässig, wenn diese vorverurteilende Elemente enthalten, d. h. wenn durch sie der falsche Eindruck erweckt wird, der Beschuldigte sei der ihm zur Last gelegten Tat bereits überführt. In diesem Sinne erweist sich „eine auf Sensation ausgehende, bewusst einseitig oder verfälschende Darstellung“ sowohl nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs als auch dem Bundesverfassungsgericht zufolge stets als unstatthaft.67 Ferner müssten auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt wer­ den, wobei seine Stellungnahme vor jeder Veröffentlichung einzuholen sei.68 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde bereits mehrfach festgestellt, dass dem Grundsatz der Unschuldsvermutung sowohl bei der ermittlungsbehördlichen Öffentlichkeitsarbeit als auch bei der Kriminalberichterstattung in den Medien eine außerordentlich große Bedeutung zukommt. Dieses Prinzip wirkt nicht nur der Entstehung und Verfestigung eines öffentlichen Meinungsklimas entgegen,69 sondern stellt darüber hinaus eines der tragenden Verfahrensrechte des Beschul­ digten dar. Von daher liegt es auf der Hand, dass die Ermittlungsbehörden sich jeg­ licher Äußerungen zu enthalten haben, die infolge eines schuldantizipierenden In­ halts gegen diesen Grundsatz verstoßen könnten. Gleichermaßen wurde bereits hervorgehoben, dass es infolge der ermittlungs­ behördlichen Informationsweitergabe auf Seiten des Beschuldigten zu Beeinträch­ tigungen seines Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs und des Gebots der Waffengleichheit kommen kann.70 Eine Verletzung dieser Verfahrensgrundsätze liegt nahe, wenn die Ermittlungsbehörden neben den strafprozessual vorgesehe­ nen Möglichkeiten zusätzliche Kommunikationsmittel und -wege unter Einbe­ ziehung der Massenmedien und der Öffentlichkeit nutzen.71 Zwar ist die prozess­ begleitende ermittlungsbehördliche Öffentlichkeitsarbeit unmittelbar nur auf die öffentliche Meinungsbildung gerichtet, jedoch zielt sie bei realitätsnaher Betrach­ tung zumindest auch auf eine mittelbare Beeinflussung der Entscheidung des Ge­ richts ab.72 Wenn die ermittlungsbehördlichen Äußerungen durch den medialen und öffentlichen Druck auf das Gericht soweit verstärkt werden, dass diese die „Stimme“ des Beschuldigten übertönen, wird sowohl sein Recht auf rechtliches Gehör als auch der Grundsatz der Waffengleichheit in Mitleidenschaft gezogen. Hinzu tritt, dass Art. 103 Abs. 1 GG eine wirksame Garantie dieses Verfahrens­ grundsatzes bezweckt und nicht lediglich auf ein formal bestehendes, praktisch 67

Vgl. BGH NJW 2000, 1036 f. und BVerfGE 35, 202 (232). BGH NJW 2000, 1036 (1037). 69 Vgl. hierzu die Ausführungen bei v. Becker, S. 210 ff. und Neuling, S. 165. 70 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 7. Teil, D. I. 1. und 2. 71 In diesem Sinne auch Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229 f.). 72 Siehe Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229 f.). 68

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

aber unwirk­sames Recht beschränkt ist.73 Ferner steht es dem Beschuldigten offen, sich zu den Tatvorwürfen nicht zu äußern, ohne dass ihm sein Schweigen angelas­ tet werden darf. Bei einer ermittlungsbehördlichen öffentlichen Äußerung könnte er sich jedoch gezwungenermaßen dazu veranlasst sehen, auf sein Schweigerecht zu verzichten und selbst an die Öffentlichkeit zu treten, um die Waffengleichheit wieder herzustellen und sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Aus den zuvor ge­ nannten Gründen verbieten sich nicht nur präjudizierende Mitteilungen der ermit­ telnden Behörden, sondern es sollten zugleich jegliche Äußerungen unterbunden werden, die zu einem öffentlich aufgeheizten Klima führen und eine spätere Be­ einflussung der gerichtlichen Entscheidung zur Folge haben könnten. 2. Differenzierung nach den persönlichkeitsrechtlichen Sphären Ferner kann die Zuordnung der Informationen unter die jeweils betroffenen Persönlichkeitssphären eine entscheidende Hilfestellung bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Informationsherausgabe bieten. Bezüglich der Einordnung der jeweiligen Informationen unter die einzelnen persönlichkeitsrechtlichen Schutz­ bereiche ist allgemein anerkannt, dass nicht alle Lebensbereiche in gleichem Maße persönlichkeitsrechtlichen Schutz genießen, sondern der Schutz des Einzelnen ge­ genüber dem Staat und der Öffentlichkeit umso stärker ausgeprägt ist, je mehr die in Rede stehenden Vorgänge innere Lebensbereiche betreffen.74 Allerdings muss in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass sich derjenige seines persönlich­ keitsrechtlichen Schutzes begibt, der seine Intim- oder Privatsphäre von selbst ge­ genüber den Medien öffnet oder sich gegenüber der Öffentlichkeit inszeniert.75 So hängt es auch vom Verhalten des Betroffenen ab, welchen persönlichkeitsrecht­ lichen Schutz die ihn betreffenden Informationen genießen. Sein Anspruch auf Geheimhaltung entfällt offenkundig, wenn er selber zuvor entsprechende Infor­ mationen bereitwillig an die Öffentlichkeit getragen hat (z. B. im Rahmen von In­ terviews, Homestories oder bei Auftritten in Talkshows im Fernsehen).76 Gleicher­ maßen kann der Betroffene in die Veröffentlichung ihn betreffender Informationen einwilligen.77 Diesbezüglich ist jedoch zu bedenken, dass eine Einwilligung nur 73

Vgl. die Ausführungen weiter oben, im 7. Teil, D. I. 1.; siehe auch Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 (229 f.). 74 Vgl. insofern Paschke, Medienrecht, Rn. 932. Vgl. auch die Ausführungen zu den einzel­ nen Persönlichkeitssphären oben, im 6. Teil, C. I. 1. 75 Vgl. OLG Hamburg AfP 2006, 173 f.; LG Berlin AfP 2006, 190; Soehring, Presserecht, § 19 Rn. 12. 76 Vgl. Wandtke-Boksanyi, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 1 Rn. 39 und Widmaier-Lehr, MAH Strafverteidigung, § 20 Rn. 46. Gleichmaßen entfällt regelmäßig auch der Anonymitätsschutz des Beschuldigten, des Opfers einer Straftat oder einer anderen verfah­ rensbeteiligten oder -unbeteiligten Person, wenn diese sich gegenüber der Öffentlichkeit äußern. 77 Es stellt sich die Frage, ob die Ermittlungsbehörden den Betroffenen vor der Weitergabe von Ermittlungsinformationen stets um seine Einwilligung bitten müssen. Ein solches („anbie­ derndes“) Verhalten könnte sich jedoch für die staatlichen Stellen als unzumutbar darstellen.

D. Herausgabe weiterer Informationen

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hinsichtlich solcher Informationen erteilt werden kann, die sich ausschließlich auf den Betroffenen und nicht zugleich auf andere Personen – wie z. B. das (mutmaß­ liche) Opfer einer Straftat – beziehen. Des Weiteren kommt eine Einwilligung des Betroffenen nicht in Betracht, wenn infolge der ermittlungsbehördlichen Informa­ tionsweitergabe zugleich die Ermittlungen gefährdet würden. a) Die Intimsphäre Den stärksten Einschränkungen unterliegen Informationen aus dem Bereich der Intimsphäre. Dieser innerste Persönlichkeitsbereich schützt die Gefühls- und Gedankenwelt und soll einen unantastbaren Rückzugsort menschlicher Persön­ lichkeit sichern.78 Er umfasst dabei Themenkomplexe wie Sexualität, Krankheit und Tod sowie Teile des „normalen“ Familienlebens.79 Der Intimbereich bildet nach ganz überwiegender Auffassung einen gegenüber der medialen Berichterstat­ tung verschlossenen Raum, der einer Abwägung mit dem öffentlichen Informa­ tionsinteresse grundsätzlich nicht zugänglich ist.80 Insofern ist es den staatlichen Behörden in aller Regel verwehrt, Informationen, die dieser Sphäre entstammen, an die Medien oder die Öffentlichkeit weiterzugeben.81 Von diesem Grundsatz sind allerdings im Rahmen der hier zu beurteilenden Konstellation einige Ausnahmen denkbar.82 So liegt es auf der Hand, dass ge­ rade Verdachtsberichterstattungen über Sexualstraftaten enge Bezüge zu intimsten Lebensbereichen auf Seiten der Täter und Opfer aufweisen.83 Verallgemeinernd führt das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang an, dass der letzte unantastbare Bereich menschlicher Freiheit in dem Zeitpunkt verlassen werde, „wenn Handlungen des Menschen in den Bereich eines anderen einwirken, ohne dass besondere Umstände, wie etwa familienrechtliche Beziehungen, diese Ge­ meinschaftlichkeit des Handelns als noch in den engsten Intimbereich fallend er­ Zudem ist gerade im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Geschehnissen zu berück­ sichtigen, dass die Betroffenen (und dabei allen voran der Beschuldigte) nur in äußerst seltenen Fällen in die Informationsweitergabe einwilligen werden und von einer konkludenten Einwilli­ gung nur innerhalb enger Grenzen ausgegangen werden kann (zudem liegt die diesbezüg­liche Beweislast auf Seiten desjenigen, der sich auf das Vorliegen einer Einwilligung beruft, also i. d. R. bei den Ermittlungsbehörden oder den Medien); vgl. hierzu die allgemeinen Ausführun­ gen bei Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 127. 78 Vgl. BVerfGE 6, 32 (41); 27, 1 (6); 32, 373 (378 f.); Paschke, Medienrecht, Rn. 935. 79 Vgl. Wandtke-Heinrich, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 5, Kap. 5 Rn. 139. 80 Vgl. BVerfGE 6, 32 (41); 34, 238 (245); 54, 143 (146); 80, 367 (373); 90, 145 (171); Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 214 f, Paschke, Medienrecht, Rn. 935; Wenzel-Burkhardt, 5. Kap. Rn. 47 ff.; kritisch hingegen Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 18 sowie v. Becker, S. 91. 81 BVerfGE 6, 32 (41); 6, 389 (433); 54, 143 (146); 80, 367 (373). 82 In diesem Sinne auch Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 67; Soehring, Presserecht, § 19 Rn. 6 f.; a. A. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 54. 83 Vgl. BVerfG ZUM 2010, 247.

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

scheinen lassen“.84 Demzufolge müssten Vorgänge, die einen konkreten Bezug zu strafbarem Verhalten aufweisen, in aller Regel vom unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung ausgenommen werden.85 Letztlich folgt aus diesen verfassungs­ gerichtlichen Ausführungen, dass Informationen, die sich auf die konkrete Tat be­ ziehen, aus dem Intimbereich herausfallen, wohingegen diejenigen Informationen unter den Intimbereich gefasst werden, welche das sexuelle Vorleben des Beschul­ digten und des mutmaßlichen Opfers betreffen.86 Allerdings muss in diesem Zu­ sammenhang – wie bereits einleitend dargestellt wurde – berücksichtigt werden, ob die Betroffenen zu einem früheren Zeitpunkt von sich aus intime Details an die Öffentlichkeit getragen haben (z. B. im Rahmen eines Exklusivinterviews).87 Fer­ ner kommt es darauf an, wie intensiv und detailgetreu intime Vorgänge offengelegt und geschildert werden.88 Hinsichtlich der Weitergabe intimer Informationen über andere verfahrens­ beteiligte und -unbeteiligte Personen gelten grundsätzlich keine Unterschiede. Allerdings versteht es sich vor allem mit Blick auf die Opfer von Sexualstrafta­ ten von selbst, dass eine öffentliche Erörterung der Vorgänge während des Ermitt­ lungsverfahrens auf eine zusätzliche Beeinträchtigung gegenüber den ohnehin mit der Tat und ihrer strafprozessualen Aufklärung verbundenen Belastungen hinaus­ liefe. Dies würde nicht nur zu dem unerträglichen Zustand weiterer Rechtsgutsbe­ einträchtigungen auf Seiten der Geschädigten führen, sondern könnte darüber hin­ aus die rechtspolitisch unerwünschte Konsequenz haben, dass noch mehr Opfer von Sexualstraftaten von einer Anzeige absähen.89 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Ermittlungsbehörden in aller Regel keine Informationen weitergeben dürfen, die das Intimleben der verfahrensbetei­ 84

BVerfGE 6, 389 (433). Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Hesse, ZUM 2005, 432 (434). 85 BVerfGE 80, 367 (374 f.). Insofern fallen auch Tagebuchaufzeichnungen oder ähnliche private Aufzeichnungen, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten strafbaren Handlungen aufweisen, nicht unter den unantastbaren Bereich privater Lebensführung, so dass sie im Falle eines überwiegenden Allgemeininteresses im Strafverfahren verwertet werden können. 86 Nichts anderes gilt mit Blick auf Sexualstraftaten, die in der Öffentlichkeit begangen wer­ den. Beim Beschuldigten wäre es kaum nachvollziehbar, wenn die Tatvorwürfe in diesen Fällen seiner Intimsphäre zugeordnet würden. Auf Seiten der mutmaßlichen Opfer könnte sich jedoch die Frage stellen, ob die Vorgänge allein aufgrund der Tatsache, dass sie sich in der Öffentlich­ keit abspielten, ihrer Intimsphäre entzogen werden müssten. Dies wäre überaus unbillig, da die Opfer hierauf keinen Einfluss nehmen können und die Vorgänge ansonsten – zumindest was die Einzelheiten und Details betrifft – unzweifelhaft ihre Intimsphäre betreffen. 87 Wenzel-Burkhardt, 5. Kap. Rn. 51. 88 BVerfG NJW 2000, 2189; BGH AfP 1999, 350 f. In diesen Entscheidungen wird da­ nach differenziert, dass die pauschale Mitteilung eines formalen Scheidungsgrundes lediglich einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen soll, wohingegen eine Wortberichterstattung, wel­ che konkrete Einzelheiten zum Ehebruch preisgebe, der Intimsphäre zuzuordnen sei; vgl. auch Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 214. 89 Vgl. hierzu AE-StuM-Schöch, S. 83, der zurecht vor der naheliegenden Angst der Opfer vor einer „Sekundärviktimisierung“ warnt.

D. Herausgabe weiterer Informationen

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ligten und -unbeteiligten Personen betreffen. Hierunter fallen beispielsweise Mit­ teilungen über die sexuelle Orientierung (z. B. Homosexualität) und sexuelle Vor­ lieben (z. B. Sadomasochismus90) sowie über alle sonstigen Vorgänge aus dem Sexualbereich91, solange diese sich nicht auf die schlichte Schilderung eines Tat­ vorwurfs aus dem Bereich der Sexualdelikte beschränken. Weiterhin verbieten sich aus den zuvor genannten Gründen Berichte über schwere Krankheiten (z. B. eine HIV-Infektion) oder den psychischen Zustand des Betroffenen.92 b) Die Privatsphäre Zur Privatsphäre werden all diejenigen Lebensbereiche gerechnet, in denen der Einzelne unbehelligt vor Eingriffen Dritter für sich zu bleiben wünscht.93 Diese Sphäre umfasst das Leben des Menschen im häuslichen Kreis sowie das sonstige, der Öffentlichkeit entzogene Privatleben.94 Ferner unterstehen der Privatsphäre Vorgänge des ehelichen Lebens, des religiösen und familiären Bereichs sowie Tagebuchaufzeichnungen, private Gespräche und persönliche Briefe. Des Wei­ teren können hierunter auch kommunikative Beziehungen aus dem Berufsleben und dem geschäftlichen Tätigkeitsbereich gefasst werden, soweit diese vertrau­ lichen Charakter besitzen.95 Berichte über den Bereich der Privatsphäre sind nur dann zulässig, wenn der Öffentlichkeitswert der jeweiligen Informationen deut­ lich überwiegt.96 Insofern hat eine einzelfallbezogene umfassende Güter- und In­ teressenabwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse (bzw. den 90 Das soll jedoch dann gelten, wenn sich die Umstände aus dem persönlichen Lebens­ bereich in der konkreten Straftat auswirken (wie z. B. die Vorliebe für bestimmte Sexualprak­ tiken die sich bei der konkreten Begehung eines Sexualdeliktes ausgewirkt haben); vgl. LRWickern, § 171 b GVG Rn. 8. 91 Vgl. Soehring, Presserecht, § 19 Rn. 6. 92 Im Hinblick auf Krankheiten wird vertreten, dass sachliche Berichte der Privatsphäre zu­ zuordnen seien, wenn diese sich auf die Schilderung der Art der Leiden und ihre konkreten Auswirkungen beschränkten, wohingegen die Kundgabe weiterer (sensationsbetonter, Ekel und Mitleid erregender Details) der Intimsphäre unterstünden; vgl. Ricker/Weberling, Hand­ buch des Presserechts, 42. Kap. Rn. 18. 93 BVerfGE 27, 1 (6); 34, 269 (281). 94 Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 68; Paschke, Medienrecht, Rn. 937. 95 Vgl. BGHZ 73, 120 (121) sowie Paschke, Medienrecht, Rn. 938. Hierbei geht es maß­ geblich um Kommunikationsbeziehungen, bei denen die Äußernden in besonderem Maße auf Privatheit vertrauen dürfen, da der Weg der Mitteilung einen besonderen Geheimhaltungs­ willen signalisiert oder dieser gegenüber einer unerwünschten Kenntnisnahme durch Dritte (insbesondere durch eine Strafbewährung) abgesichert ist. Insofern spricht Steffen von der „Geheimsphäre“; vgl. Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 69. Auch dieser Begriff wird jedoch nicht einheitlich verwendet (Fechner gebraucht ihn beispielsweise als Synonym für die Sozial­ sphäre; vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 18). Ferner können die jeweiligen Inhalte auch den anderen Persönlichkeitssphären entstammen. 96 Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 216. Vgl. zum Problemkomplex der Bildbericht­ erstattung aus dem Privatleben absoluter Personen der Zeitgeschichte die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. und im 6. Teil, B. V.

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen zu erfolgen.97 In diesem Zusammenhang muss auch die Grundsatzentscheidung des EGMR98 beachtet werden, nach der die Bildberichterstattung über die Privatsphäre promi­ nenter Persönlichkeiten nicht mehr vorbehaltlos möglich ist. Fechner vertritt in­ sofern die Ansicht, dass prominente Personen, die bereits vor der Begehung einer Straftat im Lichte der Öffentlichkeit standen, eine Berichterstattung auch im Falle „leichter“ Kriminalität über sich ergehen lassen müssten, da sie insofern eine Vor­ bild- und Orientierungsfunktion besäßen und ein Informationsinteresse der Allge­ meinheit daran bestehe, zu erfahren, ob diesen Personen vor den Gerichten und im Strafvollzug dieselbe Behandlung zukomme, wie es bei anderen Personen der Fall sei.99 Dem ist jedoch mit den Argumenten des EGMR entgegenzutreten, wonach es zumindest im Hinblick auf die Veröffentlichungen von Bildnissen aus dem Be­ reich der Privatsphäre keinen Unterschied machen darf, ob jemand die zu den ab­ soluten Personen der Zeitgeschichte herausgebildeten Kriterien erfüllt.100 Es hat vielmehr stets eine Einzelfallabwägung zwischen dem Schutzinteresse des Betrof­ fenen und dem Informationsinteresse der Medien zu erfolgen. Bei der Gewichtung dieser Faktoren wird es zudem eine Rolle spielen, ob mittels der Informations­ weitergabe lediglich die Sensationslust und Neugier der Öffentlichkeit befriedigt werden soll und die Vorgänge einzig und allein einen Bezug zum Privat­leben des Betroffenen aufweisen, oder ob mittels der Berichterstattung ein Beitrag zur all­ gemeinen Diskussion für die Gesellschaft geleistet wird.101 Die Veröffentlichung von Informationen, die der Privatsphäre entstammen, erweist sich anhand der vor­ hergehenden Ausführungen in aller Regel als unzulässig. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge lediglich dann denkbar, wenn es sich beim Betroffenen um eine Person des politischen Lebens handelt.102 c) Die Sozialsphäre Als weiterer Bereich des Persönlichkeitsschutzes muss die Sozialsphäre Er­ wähnung finden. Diese umfasst den Teil des menschlichen Daseins, in dem das Individuum nach Außen tritt, mithin seine Interaktion als Teil der sozialen Ge­ meinschaft und dabei insbesondere seine berufliche und politische Tätigkeit.103 In 97

Vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 939. Vgl. hierzu wiederum die Ausführungen oben, im 5. Teil, G. I. 99 Vgl. Fechner, Medienrecht, 4. Kap. Rn. 82. 100 Vgl. Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 68a. 101 Vgl. insoweit Wandtke-Renner, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil. 3, Kap. 3 Rn. 75 f. 102 Vgl. EGMR GRUR 2004, 1051. 103 Vgl. BGH AfP 1995, 404 (407); Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 218 (Steffen spricht insofern von der „Öffentlichkeitssphäre“); Paschke, Medienrecht, Rn. 941; Soehring, Presse­ recht, § 19 Rn. 39 ff. (Soehring differenziert jedoch zwischen der Sozial- und der Öffentlich­ 98

D. Herausgabe weiterer Informationen

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diesem Wirkungskreis ist der Persönlichkeitsschutz am schwächsten ausgeprägt, da es grundsätzlich jedem möglich ist, Geschehnisse aus diesem Bereich wahrzu­ nehmen, ohne dass hierfür eine persönliche Beziehung zum Betroffenen bestehen muss.104 Gleichwohl gilt es auch hier zu bedenken, dass der Betroffene nicht in je­ dem Fall bewusst in das Licht der Öffentlichkeit tritt, selbst wenn die in Rede ste­ henden Vorgänge seinem Berufs- oder Erwerbsbereich zuzuordnen sind.105 Von daher verbietet es sich, die Veröffentlichung von Informationen aufgrund ihrer Zuordnung zum sozialen Lebensbereich per se einer Einzelfallprüfung vorzuent­ halten, da dem Betroffenen auch in diesem Bereich ein Bestimmungsrecht dar­ über zugestanden werden muss, ob und inwieweit er die ihn betreffenden Informa­ tionen der Öffentlichkeit preisgeben möchte.106 Letztlich ist die Veröffentlichung von Informationen aus dem Bereich der Sozialsphäre über am Ermittlungsverfah­ ren beteiligte und unbeteiligte Personen unter erleichterten Voraussetzungen mög­ lich. Der persönlichkeitsrechtliche Schutz ist insoweit eingeschränkt, wohinge­ gen dem öffentlichen Informationsinteresse eine gesteigerte Bedeutung zukommt. Folglich müssen es die verfahrensbeteiligten oder -unbeteiligten Personen in aller Regel hinnehmen, wenn im Verlauf der strafrechtlichen Ermittlungen Informatio­ nen an die Öffentlichkeit dringen, die ihre Berufs- oder Erwerbstätigkeit betreffen. Insofern wird die ermittlungsbehördliche Herausgabeentscheidung in aller Re­ gel positiv ausfallen, wenn es dabei um Angaben geht, die den ausgeübten Beruf eines bereits in der Öffentlichkeit bekannten Tatverdächtigen betreffen (wie z. B. die Angabe, dass es sich beim Tatverdächtigen um einen Polizeibeamten, Lehrer, Arzt oder den Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens handelt). Gleicherma­ ßen darf über öffentliche Äußerungen und Auftritte von Personen des öffentlichen Lebens sowie über ihre Funktionen und Leistungen im Zusammenhang mit einem bestehenden Tatverdacht berichtet werden, wenn die Anonymität des Betroffenen bereits zuvor aufgehoben wurde. d) Die Auswirkung der Zuordnung An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass die Differenzierung zwischen den ein­ zelnen persönlichkeitsrechtlichen Sphären den Ermittlungsbehörden im Rahmen ihrer Abwägung über die Herausgabe persönlichkeitsrechtlich relevanter Infor­ mationen eine Orientierungshilfe bietet. Die Herausgabeentscheidung muss hier­ bei umso restriktiver ausfallen, je eher die Informationen dem höchstpersönlichem Lebensbereich zuzuordnen sind. Ferner sinkt die Schutzintensität graduell ab, je keitssphäre); Wenzel-Burkhardt, 5. Kap. Rn. 71 ff. Insofern handelt es sich um ein nach außen gerichtetes Wirken, das nicht durch eine besondere Vertraulichkeit geprägt wird (ein durch Vertraulichkeit geprägtes Verhalten kann auch im beruflichen Bereich der Privatsphäre unter­ liegen). 104 Siehe Wandtke-Boksanyi, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 1 Rn. 53. 105 Vgl. Wandtke-Boksanyi, Medienrecht Praxishandbuch, Bd. 4, Teil 3, Kap. 1 Rn. 53. 106 BGH NJW 1981, 1366.

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

mehr sich eine Mitteilung inhaltlich mit dem Bereich der Privat- und der Sozial­ sphäre befasst. Die Zuordnung ist jedoch aufgrund zweier Umstände lediglich als eine grobe Richtschnur anzusehen. Zum einen kann – wie bereits dargestellt wurde – keinesfalls davon ausgegangen werden, dass Berichte aus dem Bereich der Intimsphäre in jedem Fall unzulässig sind107 oder dem Bereich der Sozial­ sphäre zugehörige Mitteilungen stets veröffentlichungsfähig wären.108 Hinzu tritt, dass eine klare und eindeutige Abgrenzung zwischen den einzelnen Lebensberei­ chen oftmals kaum möglich ist, was unter anderem daran liegt, dass bestimmte Informationen zugleich mehreren Lebensbereichen unterfallen oder sich keinem dieser Bereiche eindeutig zuordnen lassen.109 Zudem muss auch an dieser Stelle nochmals verdeutlicht werden, dass die Zu­ ordnung strafrechtlich relevanter Vorgänge unter eine der Persönlichkeitssphären des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund der Unschulds­ vermutung überaus problematisch erscheint, da dies nur unter der Prämisse einer feststehenden Verbindung zwischen seinem mutmaßlichen Verhalten und den Ge­ schehnissen möglich ist.110 3. Ausschlussgründe der §§ 171 a ff. GVG und der §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG Weitere, zum Teil eng mit den zuvor erörterten persönlichkeitsrechtlichen Schutzsphären zusammenhängende gewichtige Gründe für die Verweigerung der Herausgabe von Ermittlungsinformationen können sich aus den Vorschriften über den Ausschluss der Gerichtsöffentlichkeit nach den §§ 171 a ff. GVG sowie aus den §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG ergeben.111 a) § 171 a GVG Zunächst ermöglicht § 171 a GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit in Un­ terbringungssachen. Dies ist bereits dann möglich, wenn eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. § 63 StGB) oder in

107 Dies kann beispielsweise für den Bereich der Sexualdelikte keinesfalls mit bindender Wir­ kung angenommen werden. 108 BGH NJW 1981, 1366. 109 So im Ergebnis auch Steffen, der von einer „Hilfestellung für eine erste Grobzuordnung“ spricht und sich dabei auf die „Individualität und Komplexität des Personalen“ beruft, die einer exakten Einteilung entgegenstehe; vgl. Löffler-Steffen, Presserecht, § 6 Rn. 64; vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Amelung, NJW 1990, 1755 ff. und Soehring, Presserecht, § 19 Rn. 12. 110 Vgl. wiederum die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, G. I sowie im 6. Teil, B. V. 1. b). 111 Vgl. zu den einzelnen Ausschlussgründen die ausführliche Darstellung bei Stapper, S. 98 ff.

D. Herausgabe weiterer Informationen

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einer Erziehungsanstalt (vgl. § 64 StGB) im Straf- oder Sicherungsverfahren112 al­ lein oder neben der Strafe in Betracht kommt.113 Dieser Vorschrift liegt der Ge­ danke zugrunde, dass die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten in der Hauptver­ handlung geschützt werden müssen, wenn mit einer intensiven Erörterung seines psychischen Gesundheitszustandes zu rechnen ist, ohne dass es dabei einer wei­ teren Begründung oder eines Rückgriffs auf § 171 b GVG bedarf.114 Gerade in Unterbringungssachen werden in der Hauptverhandlung oftmals Sachverhalte er­ örtert, die einen höchstpersönlichen Bezug haben und tief in die Intimsphäre des Beschuldigten eindringen. Von daher soll verhindert werden, dass entsprechende persönlichkeitsbeeinträchtigende Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.115 Konsequenterweise verbietet sich die Weitergabe von Informationen im Ermitt­ lungsverfahren, welche den psychischen Gesundheitszustand des Beschuldigten zum Gegenstand haben und einen Ausschluss der Öffentlichkeit von der strafrecht­ lichen Hauptverhandlung rechtfertigen würden. b) § 171 b GVG Weiterhin kann die Öffentlichkeit nach § 171 b Abs. 1 GVG116 zum Schutz von Persönlichkeitsrechten ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem per­ sönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder Verletzten in der Hauptverhandlung zur Sprache kommen, deren Erörterung schutzwürdige Interes­ sen beeinträchtigen würde und das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände nicht überwiegt.117 Bei der Bestimmung des überwiegenden Interesses an der öffentlichen Erörterung gilt der Grundsatz, dass das Öffentlichkeitsprinzip immer weiter zurückgedrängt wird, je mehr die in Rede stehenden Vorgänge den Kernbereich des Persönlichkeitsschutzes betreffen und umso größer die Gefahr einer unzumutbaren öffentlichen Bloßstellung infolge der medialen Berichterstat­ tung ausfällt.118 Hintergrund dieser Vorschrift ist wiederum, dass das Strafprozess­ recht es ermöglicht, immer ausführlicher und tiefer in (höchst-) persönliche Le­ bensbereiche der zuvor genannten Personen einzudringen, und die Persönlichkeit der Betroffenen vor Übergriffen der Allgemeinheit gleichzeitig geschützt werden muss.119 Von daher wird die ermittlungsbehördliche Kundgabe von Informationen 112

Vgl. hierzu die §§ 413 ff. StPO. Siehe Graf-Allgayer, StPO, § 171 a GVG Rn. 1; Kissel/Mayer, GVG, § 171 a Rn. 4. 114 Siehe LR-Wickern, § 171 a GVG Rn. 1. 115 Vgl. hierzu Stapper, S. 101. 116 Hingegen muss die Öffentlichkeit nach § 171 b Abs. 2 GVG ausgeschlossen werden, wenn der Betroffene dies beantragt und die Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 1 vorliegen. 117 Hinsichtlich dieses Ausschlussgrundes gilt es jedoch zu bedenken, dass die betroffene Person einen entsprechenden Öffentlichkeitsausschluss gem. § 171 b Abs. 2 GVG beantragen muss. 118 Vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 171 b GVG Rn. 5. 119 Siehe Kissel/Mayer, GVG, § 171 b Rn. 1; LR-Wickern, § 171 b GVG Rn. 2; Stapper, S. 102. 113

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

aus dem persönlichen Lebensbereich (z. B. über den körperlichen und geistigen120 Gesundheitszustand der Betroffenen, familiäre Interna, Scheidungsabsichten etc.) auch nach dieser Vorschrift regelmäßig unzulässig sein (hier gelten dieselben Ab­ wägungsgrundsätze, die bereits bei den Eingriffen in die einzelnen persönlich­ keitsrechtlichen Schutzbereiche thematisiert wurden121). Ferner hebt Wickern in diesem Zusammenhang hervor, dass der Angeklagte im Hinblick auf die Erörterung der Tatumstände sowie hinsichtlich aller für die Tat­ frage wesentlicher Gesichtspunkte nicht schützenswert sei, da er selber durch die von ihm verübte Tat die Ursache für die öffentliche Erörterung gesetzt habe.122 Be­ zogen auf die sonstigen Prozessbeteiligten müsse dies anders beurteilt werden, da das „Verursacherprinzip“ auf sie keine Anwendung finde.123 Insbesondere bei Op­ fern von Sexualstraftaten sei zu berücksichtigen, dass diesen nicht zugemutet wer­ den könne, über die ihren intimsten Bereich verletzenden Straftaten (unter Einbe­ ziehung des eigentlichen Tatgeschehens sowie ganz allgemeiner Fragen zu ihrem Sexualleben) in einem öffentlich zugänglichen Hauptverfahren zu berichten.124 Die vorgenommene Differenzierung vermag jedoch bei genauerem Blick nicht zu überzeugen. Wie bereits mehrfach im Rahmen der vorliegenden Unter­suchung an­ geführt wurde, verbietet sich die Annahme einer festen Verbindung zwischen dem Beschuldigten (bzw. seinem Verhalten) und der ihm zur Last gelegten Tat bis zum Zeitpunkt seiner rechtskräftigen Verurteilung vor dem Hintergrund der Unschulds­ vermutung. Dieser Grundsatz gilt für das gesamte Strafverfahren und folglich auch für das Stadium strafrechtlicher Ermittlungen. Von daher darf nicht damit ar­ gumentiert werden, der Angeklagte (bzw. der Beschuldigte oder der Angeschul­ digte) genieße im Strafverfahren weniger Schutz als die anderen prozessbetei­ ligten oder -unbeteiligten Personen, da er selber mit der Tat die Ursache für die gerichtliche Erörterung gesetzt habe. c) § 172 GVG Weitere Gründe, aufgrund derer die Öffentlichkeit von einer Verhandlung oder einem Teil hiervon ausgeschlossen werden kann, enthält § 172 GVG. Zunächst er­ laubt § 172 Nr. 1 GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn mit einer Gefähr­ dung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu rech­ nen ist. Diese Voraussetzungen werden beispielsweise dann angenommen, wenn Staats- oder wichtige Amtsgeheimnisse im Rahmen der Hauptverhandlung zur Sprache kommen, die Funktionsfähigkeit demokratisch legitimierter Staatsorgane 120 § 171 a GVG bezieht sich nur auf den psychischen Gesundheitszustand des Beschuldigten und kann folglich nicht auf andere Prozessbeteiligte, Zeugen oder Verletzte übertragen werden. 121 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 8. Teil, D. I. 2. 122 LR-Wickern, § 171 b GVG Rn. 13. 123 LR-Wickern, § 171 b GVG Rn. 14. 124 LR-Wickern, § 171 b GVG Rn. 14.

D. Herausgabe weiterer Informationen

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betroffen ist, die Gefahr besteht, dass nicht allgemein bekannte Maßnahmen und Einrichtungen der Polizei sowie anderer mit der Verhütung und Aufklärung von Straftaten betrauter Stellen bekannt werden und ihre Wirksamkeit einbüßen könn­ ten.125 Des Weiteren kann ein Öffentlichkeitsausschluss damit gerechtfertigt wer­ den, dass andernfalls die Enttarnung einer Person zu befürchten wäre, die als Verdeckter Ermittler oder als V-Mann arbeitet.126 § 172 Nr. 1 a GVG sieht einen Ausschluss der Öffentlichkeit vor, wenn „eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist“. Dar­ über hinaus kann die Öffentlichkeit nach § 172 Nr. 2 GVG von der Hauptverhand­ lung ausgeschlossen werden, wenn dies zur Wahrung wichtiger Geschäfts-, Be­ triebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnisse erforderlich ist. Zudem werden nach § 172 Nr. 3 GVG – in Ergänzung zum Schutz des § 203 StGB sowie der §§ 53 und 53 a StPO – bestimmte Privatgeheimnisse127 vor einer unbefugten Weitergabe durch den Geheimnisträger im Falle seiner Vernehmung als Zeuge oder Sachver­ ständiger in einem Strafverfahren geschützt. Letztlich ist ein Ausschluss der Öf­ fentlichkeit nach § 172 Nr. 4 GVG bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jah­ ren möglich.128 d) §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG Des Weiteren sehen die §§ 48 Abs. 1, 109 Abs. 1 Satz 4 JGG einen Ausschluss der Öffentlichkeit bei Verhandlungen und Urteilsverkündungen gegen Jugendliche oder Heranwachsende vor. Dem liegen entwicklungspsychologische und jugend­ pädagogische Umstände zugrunde.129 Einerseits bezweckt der Öffentlichkeits­ ausschluss die Herstellung einer möglichst gelösten Atmosphäre im Gerichtssaal, die einer Wahrheitsermittlung zuträglich ist, und zudem besteht gerade bei Jugend­ lichen die besondere Gefahr, dass sie sich selber in der öffentlichen Hauptverhand­ lung im Fokus des allgemeinen Interesses sehen und dadurch dazu ver­leitet werden können, Aussagen zum eigenen Nachteil zu treffen.130 Auf der anderen Seite ver­ folgt der Öffentlichkeitsausschluss das Ziel, die Jugendlichen davor zu schützen, dass der Gegenstand der Verhandlung und/oder der Verurteilung publik wird und dem Jugendlichen daraus weitere soziale oder berufliche Nachteile ent­stehen.131 125

Vgl. hierzu die Ausführungen bei LR-Wickern, § 172 GVG Rn. 2 ff. LR-Wickern, § 172 GVG Rn. 7. 127 Vgl. zum Geheimnisbegriff die Ausführungen weiter oben, im 6. Teil, B. II. 128 Vgl. die Ausführungen im folgenden Gliederungspunkte [unten, im 8. Teil, D. I. 3. d)] hin­ sichtlich des Ausschlusses der Öffentlichkeit in Fällen, in denen es sich beim Angeklagten um einen Jugendlichen oder einen Heranwachsenden handelt. Die Vorschrift des § 172 Nr. 4 GVG findet jedoch beispielsweise dann Anwendung, wenn ein noch nicht achtzehnjähriger Zeuge vernommen werden soll. 129 Siehe Eisenberg, JGG, § 48 Rn. 8; Stapper, S. 98. 130 Vgl. Eisenberg, JGG, § 48 Rn. 9; Stapper, S. 99. 131 Siehe Stapper, S. 99. 126

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

Stapper weist darauf hin, dass der Vorsitzende Richter nach § 48 Abs. 2 Satz 2 JGG Pressevertreter zur Verhandlung zulassen kann, woraus auf die Zulässigkeit der Berichterstattung in Jugendsachen geschlossen wird.132 Allerdings obliege es dem Vorsitzenden in diesen Fällen, darauf hinzuwirken, dass keine identifizieren­ den Angaben zu den jugendlichen Angeklagten gemacht würden.133 Letztlich liefe der Schutzzweck des § 48 JGG leer, wenn bereits vor der regelmäßig nicht öffent­ lichen Hauptverhandlung gegen Jugendliche Informationen über die jugendlichen Beschuldigten an die Öffentlichkeit gelangten.134 Von daher verbietet sich die Wei­ tergabe jeglicher persönlichkeitsrechtlich relevanter Details über jugendliche (oder heranwachsende) Tatverdächtige. e) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften widerspräche, wenn bereits im Stadium nichtöffentlicher Ermittlungen Informa­ tionen über die Betroffenen herausgegeben werden dürften, die im Rahmen der grundsätzlich öffentlichen Hauptverhandlung zum Ausschluss der Öffentlichkeit berechtigten (die Entscheidung über die Zugänglichkeit der Informationen würde insofern vorweggenommen). Von daher können auch die Normen des Gerichts­ verfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes den Ermittlungsbehörden als Orientierungshilfe bei der Beantwortung der Frage dienen, welche weiteren In­ formationen sie über den Betroffenen aus dem Ermittlungsverfahren herausgeben dürfen (z. B. allgemein gehaltene Angaben über den Beruf, den Wohnort etc.) und welche Informationen sie aufgrund potentieller Rechtsverletzungen zurückhalten müssen (wie z. B. Details über das Intimleben und den Gesundheitszustand).

II. Mit einer Aufdeckung der Identität ist in näherer Zukunft zu rechnen Weiterhin bleibt zu erörtern, wie sich die Situation darstellt, wenn die Allge­ meinheit zum Zeitpunkt der Informationsveröffentlichung noch keine Kenntnis von der Identität des Betroffenen besitzt, jedoch in näherer Zukunft mit einer An­ onymitätsaufhebung zu rechnen ist. Dabei muss bedacht werden, dass es mit Blick auf die Beteiligten, Zeugen, Verteidiger etc. des Strafverfahrens spätestens im Rahmen der regelmäßig öffentlich zugänglichen Hauptverhandlung ohne Weiteres 132

Vgl. Stapper, S. 99 sowie Eisenberg, JGG, § 48 Rn. 19. Vgl. Stapper, S. 99 sowie Eisenberg, JGG, § 48 Rn. 19. 134 Dasselbe gilt auch mit Blick auf Heranwachsende gem. § 109 Abs. 1 Satz 4 JGG. So läge in der identifizierenden Berichterstattung vor der Eröffnung der Hauptverhandlung und/oder der Weitergabe weiterer Details eine Antizipation der gerichtlichen Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 109 Abs. 1 Satz 4 JGG; siehe Stapper, S. 100. 133

E. Zwischenergebnis

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möglich ist, von ihrer Identität Kenntnis zu nehmen und ihnen die zuvor veröffent­ lichten Informationen nachträglich zuzuordnen. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob auch solche Mitteilungen auf rechtsverletzende Inhalte überprüft werden müssen, die sich zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung noch nicht auf eine kon­ krete Person beziehen lassen. Für eine Gleichbehandlung mit der Konstellation, in welcher die Identität der Öffentlichkeit bereits bekannt ist, spricht, dass es für die Betroffenen kaum einen Unterschied macht, ob die Informationen ihnen unmittel­ bar im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung oder erst nachträglich zugeordnet werden. Aus ihrer Sicht kommt es vor allem auf das Ausmaß des öffentlichen Interesses135 an den Vorgängen zum Zeitpunkt der öffentlichen Identifizierung und die Inten­ sität der damit verbundenen Beeinträchtigungen an, was in beiden Fällen ähnlich bis identisch ausfallen kann. Somit erscheint eine unterschiedliche Behandlung als willkürlich, so dass alle Mitteilungen auf potentielle Persönlichkeitsrechtsverlet­ zungen überprüft werden müssen, ganz gleich, ob sie sich zum Zeitpunkt ihrer Ver­ öffentlichung auf eine bestimmte Person beziehen lassen oder nicht.

E. Zwischenergebnis Wie aus den vorhergehenden Überlegungen deutlich wurde, sollte mit der Veröf­ fentlichung der Identität des Beschuldigten und der anderen verfahrens­beteiligten und -unbeteiligten Personen zumindest solange zugewartet werden, bis die Ermitt­ lungen abgeschlossen sind und eine Entscheidung des Gerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens vorliegt. Des Weiteren müssen die Ermittlungsbehörden eine Entscheidung darüber tref­ fen, welche weiteren Informationen sie herausgeben. Dem kann zum einen eine Situation zugrunde liegen, bei der die Identität des Betroffenen bereits in der Öf­ fentlichkeit bekannt ist oder binnen absehbarer Zeit mit einer Aufhebung der An­ onymität gerechnet werden muss. Wenn einer Informationsweitergabe kein zwin­ gender Ausschlussgrund entgegensteht, obliegt es den Ermittlungsbehörden im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung, die jeweils betroffenen Rechtsgüter und Interessen in einen gerechten Einklang zu bringen, wobei sie alle tangierten ein­ fachgesetzlichen Regelungen und verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grund­ sätze einbeziehen müssen. Diesbezüglich werden die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie die in den Landespresse- und Landesmediengesetzen nie­ dergelegten Auskunftsansprüche eine tragende Rolle spielen.136 Auf der anderen Seite sind – wie bereits erörtert wurde – die Verfahrensrechte des am Strafverfah­ 135 Besonders groß fällt das öffentliche Interesse an strafrechtlich relevanten Vorgängen in der Regel zum Zeitpunkt des Auftauchens eines Tatverdachts (bzw. zum Beginn der Ermittlungen), zu Beginn der Hauptverhandlung (bzw. während der ersten Verhandlungstage) sowie zum Zeit­ punkt des erstinstanzlichen Urteilsspruchs aus; vgl. AE-StuM-Weigend, S. 33 sowie die Aus­ führungen weiter oben, im 4. Teil, B. 136 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil, A. II. 2. und im 7. Teil, C. II.

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8. Teil: Abwägung bei der Informationsherausgabe

ren beteiligten Personenkreises sowie die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu berücksichtigen. Ferner muss gerade im Zusammenhang mit Beschränkungen der Medienfreiheiten die Wechselwirkungslehre des Bundesverfassungsgerichts be­ rücksichtigt werden, wonach die einschränkenden Gesetze wiederum im Lichte der Bedeutung des Art. 5 GG ausgelegt werden müssen. Des Weiteren sind die Er­ mittlungsbehörden als staatliche Stellen im Rahmen ihrer Entscheidung stets dazu verpflichtet, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.

9. Teil

Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze Im folgenden Abschnitt gilt es zu untersuchen, ob und wie sich die auf Bun­ des- und Länderebene eingeführten Informationsfreiheitsgesetze auf die behörd­ liche Entscheidung über die Herausgabe von Informationen auswirken, die mit der Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren im Zusammenhang stehen. Nachdem bereits festgestellt wurde, dass den Ermittlungsbehörden bei ihrer Entscheidung über die Weitergabe von Ermittlungserkenntnissen oftmals ein Er­ messen eingeräumt wird,1 soll im Folgenden geklärt werden, ob die Informati­ onsfreiheitsgesetze den behördlichen Abwägungsprozess und die sich daran an­ schließende Entscheidung über die Informationsherausgabe in irgendeiner Weise beeinflussen und sich somit auf die Medienöffentlichkeit im strafrechtlichen Er­ mittlungsverfahren auswirken. Ferner soll erörtert werden, ob die Informationsfreiheitsgesetze Veränderungen im Hinblick auf den Zugang zu den amtlichen Informationen derjenigen staatli­ chen Stellen mit sich bringen, die zwar selber nicht mit den Ermittlungen betraut sind, jedoch gleichermaßen über ermittlungsrelevante Informationen verfügen können (z. B. Straßenverkehrsbehörden, Bau- und Gewerbeaufsichtsämter; Ord­ nungsämter, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht etc.), und ob je­ denfalls insofern mit einer Veränderung der Medienöffentlichkeit des Ermittlungs­ verfahrens zu rechnen ist.

A. Historie und Zielsetzung der Informationsfreiheitsgesetze Einleitend soll ein kurzer Überblick über die Vor- und Entstehungsgeschichte der Informationsfreiheitsgesetze gegeben werden. Darüber hinaus bietet es sich in diesem Zusammenhang an, einige Ausführungen über den Sinn und Zweck dieser Regelungen zu machen.

1

Die einzelnen betroffenen Rechtsgüter müssen gegeneinander abgewogen und in einen gerechten Ausgleich gebracht werden, solange der Informationsweitergabe keine zwingenden Gründe entgegenstehen, die das Ermessen der Behörden dahingehend reduzieren, die Erteilung der gewünschten Informationen zu versagen (sog. „Ermessensreduzierung auf Null“).

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

I. Historie der Informationsfreiheitsgesetze Als erstes deutsches Gesetz, das einen sektorspezifischen allgemeinen und in materieller Hinsicht voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu Behörden­ informationen vorsah, kann § 4 Abs. 1 des alten Umweltinformationsgesetzes (UIG) aus dem Jahr 1994 genannt werden.2 Dieses Gesetz basierte auf einer EGRichtlinie aus dem Jahr 1990 (90/313/EWG) und sollte den Zugang zu den im Be­ hördenbesitz befindlichen umweltbezogenen Informationen erleichtern.3 Bereits zuvor sah Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg ein allgemei­ nes, nicht auf den Umweltbereich beschränktes Recht auf Einsichtnahme in Be­ hördenakten vor.4 Weitere voraussetzungslose Bestimmungen über den Zugang zu behörd­lichen Informationen fanden sich (und finden sich weiterhin) in einer Viel­ zahl von Vorschriften zu den öffentlichen Registern.5 Grundsätzlich wurde der Zugang zu Informationen staatlicher Stellen jedoch von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht. Dies wird unter anderem durch § 29 VwVfG verdeutlicht, der den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens (vgl. § 13 VwVfG) ein Recht auf Einsichtnahme in die sie betreffenden Verfah­ rensakten zuspricht, „soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Vertei­ digung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist“.6 Außerhalb des Verwal­ tungsverfahrens wurde ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie behördliche 2

Vgl. das alte UIG vom 08. Juli 1994 (BGBl. I S. 1490). Diese Regelung entspricht der des § 3 Abs. 1 UIG in der aktuellen Fassung vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3704). Siehe auch Fluck, DVBl. 2006, 1406 (1407) sowie Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1278). 3 Fluck, DVBl. 2006, 1406 (1407); Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl Rn. 20. 4 Vgl. Raabe/Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641 (642). Zudem finden sich Informations- und Auskunftsansprüche in Beziehung auf Umweltdaten in Art. 34 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie in Art. 6 Abs. 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt; vgl. Fluck, DVBl. 2006, 1406 (1407), der jedoch in missverständlicher Weise von allgemeinen Akteneinsichts­ rechten spricht, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei lediglich um bereichsspezifische Ansprüche (aus dem Umweltbereich) handelt. 5 Vgl. insofern z. B. § 79 BGB (Vereinsregister), § 9 Abs. 1 HGB (Handelsregister), § 138 Abs. 4 UrhG (Urheberrolle), § 22 GeschmMG und § 8 Abs. 5 GebrMG (Musterregister). An­ dere Einsichtnahmerechte verlangen hingegen die Darlegung eines berechtigten Interesses (siehe § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO). Vgl. hierzu auch die Beispiele bei Rossi, IFG, Einl Rn. 2 und Schoch, IFG, Einl Rn. 19. 6 Siehe Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (985) und Wendt, AnwBl. 2005, 702. § 29 VwVfG ist Ausdruck des Grundsatzes der sog. „beschränk­ ten Aktenöffentlichkeit“; vgl. Battis/Ingold, DVBl. 2006, 735 (737) sowie Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl Rn. 13. Andere Rechtsgrundlagen, die unter eingeschränkten Voraussetzun­ gen Ansprüche auf Akteneinsichtnahme begründen, finden sich beispielsweise in den §§ 3, 12 ff. StUG, § 9 UmweltHG, § 15 BVerfSchG sowie in einigen Vorschriften der Strafprozess­ ordnung (§§ 406 e, 475, 491, 495 StPO); vgl. Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 f. Wei­ tere, auf Verfahrensbeteiligte beschränkte Informationszugangsrechte sind für den Bereich der öffentlichen Verwaltung in § 100 VwGO und in § 78 FGO, auf dem Gebiet des Strafrechts in § 147 StPO, im Zivilrecht in §§ 299, 299 a, 760 ZPO sowie in den §§ 72, 111 GWB enthalten; vgl. Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl Rn. 14.

A. Historie und Zielsetzung der Informationsfreiheitsgesetze

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Entscheidung von der Rechtsprechung lediglich dann anerkannt, wenn der Be­ troffene in der Lage war, ein „berechtigtes Interesse“ nachzuweisen.7 Dieser An­ spruch wurde aus dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ oder „allgemeinen rechtsstaatlichen Gründen“ abgeleitet.8 Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) trat, nachdem zuvor in vier Bundesländern9 Informationsfreiheitsgesetze erlassen worden waren, am 1. Ja­ nuar 2006 in Kraft (vgl. § 15 IFG).10 Zuvor war dieses Gesetz nach mehreren ge­ scheiterten Versuchen in seiner jetzigen Fassung von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 14. Dezember 2004 als Entwurf in den Bundestag ein­ gebracht und dort am 3. Juni 2005 von der SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie mit den Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP-Fraktion verabschiedet worden.11 Inzwischen haben die meisten Bundesländer Gesetze verabschiedet, die einen weitgehend voraussetzungslosen Zugang zu behördlichen Informationen vorse­ hen.12 Lediglich in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen fehlen entsprechende Landesgesetze, die den freien Informationszugang regeln.13 7 Vgl. BVerwGE 61, 15 (22 f.); 69, 278 (279 f.); OVG Münster NJW 1989, 544 f.; OVG Münster NJW 1999, 1802; Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl Rn. 13; vgl. zum Recht auf Aus­ kunft und Einsichtnahme in Verwaltungsakten auch die Ausführungen bei Zilkens, DÖV 2001, 374 ff. 8 Siehe Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, Einl Rn. 13. 9 Brandenburg, vom 10. März 1998 (GVBl. I S. 46); Berlin, vom 15. Oktober 1999 (GVBl. S. 561); Schleswig- Holstein, vom 09. Februar 2000 (GVOBl. S. 166) und Nordrhein-West­ falen, vom 27 November 2001 (GV. S.806); vgl. Fluck, DVBl. 2006, 1406 (1407); Kloepfer/ v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1278). Was den Zugang zu Akten und Informationen der Be­ hörden und anderen Einrichtungen der Länder betrifft, fällt diese Materie gem. Art. 70 i. V. m. Art. 30 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. 10 Siehe Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984; Zumpe, S. 213. Vgl. zur Motivation des Bundesgesetzgebers beim Erlass des IFG die Ausführun­gen im folgenden Gliederungsabschnitt weiter unten, im 9. Teil, A. II. 11 Siehe Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1278). 12 Neben den in Fn. 9 genannten Bundesländern: Mecklenburg-Vorpommern, vom 10. Juli 2006 (GVOBl. S. 556); Hamburg, zunächst mit einem Gesetz vom 11. April 2006, das weitest­ gehend auf das IFG des Bundes verwies (GVBl. S. 167) und dann mit einem neuen eigenstän­ digen Gesetz vom 17. Februar 2009 (GVBl. S. 29); Bremen, vom 16. Mai 2006 (GBl. S. 263); Saarland, vom 12. Juli 2006 (Amtsbl. S. 1624); Thüringen, vom 20. Dezember 2007 (GVBl. S. 256); Sachsen-Anhalt, vom 19. Juni 2008 (GVBl. S. 242) sowie Rheinland-Pfalz, vom 26 November 2008 (GVBl. S. 296). Vgl. ferner zur Entwicklung des deutschen Informations­ rechts: Sydow, NVwZ 2008, 481. 13 In Bayern wurden lediglich auf der kommunalen Ebene eine ganze Reihe von Informa­ tionsfreiheitssatzungen erlassen (so z. B. in den Städten München, Nürnberg und Würzburg). Hingegen wurden alle Anträge zur Schaffung eines landesweiten Informationsfreiheitsgeset­ zes abgelehnt http://www informationsfreiheit.org; zuletzt abgerufen am 4. November 2011). Ähnlich verhält es sich in Baden-Württemberg, wo die Anträge zur Einführung eines Informa­ tionsfreiheitsgesetzes aus den Reihen der Grünen in den Jahren 2005 und 2008 am Wieder­ stand der FDP und der CDU scheiterten. Allerdings existieren derzeit konkrete Pläne über die

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

Vor der Einführung des IFG auf Bundesebene war Kritik daran laut geworden, dass Deutschland neben Luxemburg zu den einzigen beiden Staaten innerhalb der europäischen Union gehörte, die noch keine Informationsfreiheitsgesetze erlassen hatten.14 Hinzu kam, dass weltweit bereits mehr als fünfzig Staaten über entspre­ chende Regelungen verfügten.15 Das älteste Recht auf Zugang zu Verwaltungsinformationen findet sich in der schwedischen Presseverordnung („Tryckfrihetsförordningen“ – Druckfreiheits­ verordnung) aus dem Jahre 1776.16 Das bekannteste Beispiel dürfte hingegen der in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1966 erlassene „Freedom of In­ formation Act“ sein, der infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 er­ heblichen Einschränkungen unterzogen wurde.17Auf europäischer Ebene wurde ein weitreichendes Recht eines jeden EU-Bürgers auf Akteneinsichtnahme – und folglich auch ein dementsprechendes Recht der Medien – gegenüber den Europä­ ischen Behörden durch die Transparenzverordnung der Europäischen Union18 be­ gründet.19

Einführung eines entsprechenden Gesetzes (vgl. http://www.informationsfreiheitsgesetz.net/ blog/2011/06/20/baden-wurttemberg-das-ende-der-geheimniskramerei/; zuletzt abgerufen am 4. November 2011). Ferner brachte die Fraktion der Grünen im Jahre 2009 einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz in den niedersächsischen Landtag ein (vgl. http://www. Informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2009/08/10/niedersachsens-gruene-wollen-informations freiheitsgesetz/; zuletzt abgerufen am 4. November 2011). Auch in Hessen wurde ein entspre­ chender Entwurf von den Fraktionen der Grünen und der SPD in den Landtag eingebracht, der jedoch wiederum von Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt wurde (siehe http://www. fr-online.de/rhein-main/kein-freier-zugang-zu-informationen-in-hessen-bleiben-behoerdenverschwiegen, 14727 96,3113780.html; zuletzt abgerufen am 4. November 2011). In Sachsen sieht der Koalitionsvertrag der CDU und der FDP keine entsprechende Gesetzesinitiative vor (vgl. www.informationsfreiheitsgesetz.net/blog/2009/09/21/sachsen-weiterhin-ohne-informations freiheitsgesetz/; zuletzt abgerufen am 4. November 2011). 14 Vgl. Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (986). 15 Vgl. Reinhart, DÖV 2007, 18 und Rössner, S. 51 f. Insofern wurde davon gesprochen, dass Deutschland als Schlusslicht dastehe und an internationale Standards anschließen müsse; vgl. Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 und Rossi, IFG, Einl Rn. 16. Auf der anderen Seite betonen Schmitz/Jastrow, dass dieser Befund weniger eindeutig ausfällt, als dies auf den ersten Blick erscheint, da auch Vergleiche mit Staaten vorgenommen würden, in denen nur der Zu­ gang zu den ohnehin allgemein zugänglichen Quellen gesetzlich geregelt sei, Regelungen in allgemeinen Gesetzen (z. B. § 29 VwVfG) und Fachgesetzen in viel zu geringem Umfang be­ rücksichtigt würden (da sich der Vergleich auf bereichsübergreifende Regelungen unter dem Titel Informationsfreiheit beschränke) und die Ausgestaltung des Begriffs der Informations­ freiheit in den verglichenen Staaten deutliche Unterschiede aufweise; siehe Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (986). 16 Siehe Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1278); Rossi, IFG, Einl Rn. 17. 17 Vgl. Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1278). 18 VO (EG) Nr. 1049/2201, abgedruckt in NJW 2001, 3172 ff. 19 Siehe Soehring, Presserecht, § 1 Rn. 10b.

B. Grundlegende Struktur der Informationsfreiheitsgesetze/Überblick

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II. Zielsetzung bei der Einführung des IFG Maßgeblicher Sinn und Zweck des IFG war die Ermöglichung eines weitest­ gehend voraussetzungslosen Zugangs zu staatlichen Informationen für jeder­ mann, unabhängig von der Darlegung besonderer Interessen oder einer speziel­ len Betroffenheit des Antragsstellers.20 Im Kern ging es um die Bereitstellung weitgreifender Kontrollmöglichkeiten sowie um die Stärkung der Verwaltungs­ transparenz, die eine Abkehr vom bisherigen Grundsatz der beschränkten Akten­ öffentlichkeit hin zum Regelfall des allgemeinen Zugangs zu behördlichen Infor­ mationen ermöglichen sollte.21 In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger mithilfe einer Verbesserung der Informationszugangsrechte gestärkt werden sollen, was vor allem dem de­ mokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zugute komme. Hierdurch werde die Kontrolle staatlichen Handelns gefördert und ein wirksames Mittel zur Korruptionsbekämpfung geschaffen.22 Weitere Vorteile des erleichterten Zugangs zu Behördeninformationen sehen Kloepfer/v. Lewinski in der Steigerung der Ver­ waltungseffizienz sowie in der Nutzbarmachung amtlicher Informationen für wirt­ schaftliche Zwecke.23

B. Grundlegende Struktur der Informationsfreiheitsgesetze/Überblick Die sich anschließende Erörterung der Struktur der Informationsfreiheitsge­ setze soll exemplarisch anhand des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes vor­ genommen werden. Auf die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen wird nur dann hingewiesen, wenn sie gegenüber dem IFG Besonderheiten aufweisen. Ausgenommen hiervon ist die Fragestellung, ob die Staatsanwaltschaften, Polizei­ behörden und Gerichte (soweit sie im Ermittlungsverfahren tätig wer­ 20

Fluck, DVBl. 2006, 1406; Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1278); Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (986). 21 Vgl. Fluck, DVBl. 2006, 1406; Husein, LKV 2010, 337; Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1279); Reinhart, DÖV 2007, 18 (19). Beachte hierzu auch die Ausführungen bei Schoch, IFG, Einl Rn. 12 ff. u. 37, der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass die Transparenz staatlichen Handelns letztlich eher ein Mittel zum Zweck darstelle, wohingegen das primäre Ziel der Informationsfreiheitsgesetze in der besonderen Form der Verwaltungs­ kontrolle zu erblicken sei, welche die staatlichen Kontrollmechanismen (wie z. B. die Aufsicht, gerichtliche Kontrolle und Rechnungshofkontrolle) ergänze, indem sie dem einzelnen Indivi­ duum – ohne Rücksicht auf seine subjektive Betroffenheit – einen Anspruch auf Informations­ zugang zubillige. 22 Siehe BT-Drucks. 15/4493 S. 1. u. 6 sowie Rossi, IFG, Einl Rn. 24 ff. 23 Vgl. Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1279). Insofern kann das IFG Kloepfer/ v. Lewinski zufolge dazu dienen, den „Schatz der amtlichen Informationen zu heben und ihn auch für die Volkswirtschaft zu nutzen“.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

den) der Länder als auskunftsverpflichtete Stellen im Sinne der einzelnen Landes­ gesetze anzusehen sind. Diese Feststellung ist für die Ermittlung des Umstands, ob die Vorschriften auf die Öffentlichkeitsarbeit der ermittelnden Stellen überhaupt anwendbar sind, von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus sollen die ein­ zelnen relevanten Ausschlusstatbestände der landesrechtlichen Bestimmungen ge­ sondert erörtert werden, da diese sich im Hinblick auf ihren Regelungsgehalt zum Teil deutlich voneinander unterscheiden und diese Unterschiede mit praktischen Konsequenzen für die Medienöffentlichkeit strafrechtlicher Ermittlungsverfahren verbunden sein könnten. Wie bereits aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hervorgeht, wurde mit dem IFG ein „for­ males“ subjektiv öffentliches „Jedermannrecht“ auf Zugang zu Behördeninfor­ mationen geschaffen, ohne dass es dabei auf die Darlegung eines rechtlichen oder sonstigen Interesses des Einzelnen ankommt.24 Insofern handelt es sich um einen grundsätzlich voraussetzungslosen Anspruch auf Informationszugang.25 Für die Anspruchsberechtigung des Antragstellers nach dem IFG ist es zu­ nächst ohne Bedeutung, ob dieser als Privatperson auftritt oder in einer beruf­ lichen Eigenschaft (z. B. als Journalist) handelt. Zudem können nach der Gesetzes­ begründung auch juristische Personen des Zivilrechts Ansprüche auf Zugang zu amtlichen Informationen nach diesem Gesetz geltend machen.26 § 1 Abs. 3 IFG bestimmt weiterhin das Konkurrenzverhältnis der Informationszugangsrechte nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu den entsprechenden Regelungen anderer Ge­ setze, wobei diese den Bestimmungen des IFG – mit Ausnahme des § 29 VwVfG und § 25 SGB X – vorgehen.27 Ungeachtet des Umstandes, dass der Anspruch auf Zugang zu behördlichen In­ formationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich nicht an bestimmte mate­ rielle Voraussetzungen geknüpft ist, kann er nicht ausnahmslos realisiert werden, da die von der Informationsoffenbarung tangierten Rechtsgüter und Interessen

24

Siehe Fluck, DVBl. 2006, 1406; Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (986). Im Gegensatz zu den Presse- und Mediengesetzen der Länder ermöglicht das IFG des Bundes dabei auch eine unmittelbare Einsichtnahme in Verwaltungs­ dokumente/Behördenakten. Zwar wird es dabei durch § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG in das Ermessen der auskunftsverpflichteten Stelle gestellt, in welcher Art und Weise sie dem Informations­ verlangen nachkommt (d. h. durch Auskunftserteilung, Akteneinsichtnahme oder in sonstiger Weise), allerdings darf die vom Antragssteller begehrte Art der Auskunftserteilung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 IFG nur aus einem wichtigen Grund in anderer Form gewährt werden. 25 Berger/Roth/Scheel-Scheel, IFG, § 1 Rn. 3 f. 26 Sowohl Deutsche als auch Ausländer im In- und Ausland sind nach dem IFG auskunfts­ berechtigt. Laut der gesetzgeberischen Begründung, die in § 1 Abs. 1 IFG keinen Niederschlag gefunden hat, ist dies mit Blick auf Bürgerinitiativen und Verbände anders zu beurteilen, wo­ bei jedoch jedes einzelne Verbandsmitglied eigene Auskunftsansprüche geltend machen könne; vgl. BT-Drucks. 15/4493 S. 7. 27 Vgl. zum Verhältnis der einzelnen Informationsansprüche Battis/Ingold, DVBl. 2006, 735 (737) sowie Raabe/Helle-Meyer, NVwZ 2004, 641 (642 ff.).

B. Grundlegende Struktur der Informationsfreiheitsgesetze/Überblick

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nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.28 Folglich werden sowohl die öffentlichen Belange (§ 3 IFG) als auch die behördlichen Entscheidungsprozesse (§ 4 IFG) und personenbezogene Daten (§ 5 IFG) sowie das geistige Eigentum und die Betriebsund Geschäftsgeheimnisse (§ 6 IFG) durch das IFG geschützt.29 Je nach Fallgruppe unterscheiden sich die Abwägungsmaßstäbe zum Teil deut­ lich voneinander. Die Verweigerungsgründe können dabei einem abgestuften Schutzsystem zugeordnet werden.30 Insofern kann unterschieden werden zwischen sog. absoluten Ausschlusstatbeständen, die den Zugang zu amtlichen Informatio­ nen zwingend unterbinden, ohne dass den Behörden dabei ein Ermessensspiel­ raum eingeräumt wird31 (vgl. §§ 3, 6 Satz 1 IFG), zwingenden Ausschlusstatbe­ ständen, die unter einem Einwilligungsvorbehalt stehen (vgl. § 6 Satz 2 IFG), Ausschlusstatbeständen mit intendiertem Ermessen, die einen Informations­zugang für den Regelfall nicht vorsehen, jedoch Raum für Ausnahmen von diesem Grund­ satz in atypischen Konstellationen lassen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG) und relativen Ausschlusstatbeständen, die unter einem Abwägungsvorbehalt und einem Einwil­ ligungsvorbehalt stehen (vgl. § 5 Abs. 1 IFG) und die Versagung des Informations­ zugangs zwingend anordnen, wenn das schutzwürdige Drittinteresse gegenüber dem Informationsinteresse überwiegt. Ferner findet sich in § 9 Abs. 3 IFG eine reine Ermessensvorschrift, bei deren Prüfung die allgemeinen Anforderungen an die Fehlerfreiheit behördlicher Entscheidungen32 gelten.33 Die §§ 7 bis 9 IFG regeln darüber hinaus den Antrag auf Informationszugang und das dadurch in die Wege geleitete eigenständige Verfahren. § 10 IFG normiert die Erhebung und Bemessung von Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen nach dem IFG.34 Des Weiteren statuiert § 11 IFG aktive Veröffentlichungspflich­ ten der Behörden.35

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Vgl. Schoch, IFG, Vorb. §§ 3 bis 6 Rn. 1. Vgl. Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (986). 30 Vgl. Schoch, IFG, Vorb. §§ 3 bis 6 Rn. 65. 31 Diese Ausschlusstatbestände stehen nicht unter einem Einwilligungsvorbehalt. 32 Vgl. § 40 VwVfG. 33 In diesem Sinne Schoch, IFG, Vorb. §§ 3 bis 6 Rn. 38 f. und 65 ff. Vgl. ferner zur allgemei­ nen Systematik der gesetzlichen Grenzen des Auskunftsanspruchs nach dem IFG: Scholz, BKR 2008, 485 (486 f.). Kloepfer/Lewinski zufolge weist die Systematik dieser Normen erhebliche Mängel auf, da die Regelungen weder im Hinblick auf ihre Gründe und Ziele geordnet seien, noch sich in die verwaltungsrechtlichen Kategorien von Zulässigkeit und Begründetheit ein­ ordnen ließen; vgl. Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1279). 34 Vgl. zum Aufbau des IFG Zumpe, S. 213 f. 35 Vgl. wiederum Zumpe, S. 213 f. 29

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen Bevor über das Eingreifen eines der zuvor geschilderten Ausschlussgründe ent­ schieden werden kann, muss zunächst geklärt werden, ob der Anwendungs- und Regelungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze bei einer Informationsweiter­ gabe durch die Ermittlungsbehörden eröffnet ist, d. h. ob die Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden und die Gerichte (soweit diese im strafrechtlichen Ermittlungs­ verfahren tätig werden) als anspruchsverpflichtete Stellen im Sinne dieser Ge­ setze anzusehen sind bzw. ob Ansprüche ihnen gegenüber geltend gemacht wer­ den können, die sich auf die Informationsfreiheitsgesetze stützen.36 In diesem Zusammenhang soll ferner geprüft werden, ob, und unter welchen Voraussetzun­ gen, entsprechende Auskunftsansprüche gegen sonstige Behörden gerichtet wer­ den können, die zwar nicht selber mit den Ermittlungen betraut sind, jedoch über Informationen verfügen, welche ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren betref­ fen (bzw. in einem solchen Verwendung finden).

I. Gesetzliche Bestimmungen Demnach soll im Folgenden geprüft werden, ob die Staatsanwaltschaften, Polizei­behörden und Gerichte im Hinblick auf die Weitergabe von Ermittlungs­ informationen als auskunftsverpflichtete Stellen im Sinne der jeweils einschlägi­ gen bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen anzusehen oder aus dem An­ wendungsbereich dieser Regelungen ausgenommen sind. 1. IFG37 Als anspruchsverpflichtete Stellen sieht § 1 Abs. 1 IFG Behörden des Bundes (Satz 1) sowie sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit diese öffent­ lich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (Satz 2), vor.38 Ferner ordnet § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG eine Gleichstellung natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts mit den Behörden im Sinne dieser Vorschrift an, soweit sie sich die­ ser Personen bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bedienen. In Erman­ gelung einer eigenständigen Bestimmung des Behördenbegriffs im IFG muss auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 4 VwVfG zurückgegriffen werden, wonach unter 36

Vgl. Schoch, IFG, § 1 Rn. 72. Erscheinungsdatum: 5. September 2005 (BGBl I S. 2722). 38 Jastrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 21 ff.; Rossi, IFG, § 1 Rn. 40 ff.; kritisch im Hinblick auf die für das IFG gewählte Formulierung äußert sich Schoch, IFG § 1 Rn. 91, der für die Verwen­ dung des Begriffs „öffentliche Aufgaben“ plädiert, da dieser auch den Bereich des fiskalischen Behördenhandelns erfassen würde. 37

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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„Behörden“ all jene Stellen zu verstehen sind, die Aufgaben der öffentlichen Ver­ waltung wahrnehmen.39 Sowohl die einzelnen Bundesministerien als auch die diesen angegliederten Ge­ schäftsbereiche sind Behörden des Bundes,40 so dass das Bundesministerium des Inneren, das diesem nachgeordnete Bundeskriminalamt sowie die Bundespolizei als auskunftspflichtige Stellen im Sinne dieses Gesetzes qualifiziert werden müs­ sen.41 Zu den sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen zählen beispielsweise der Bundesrat, der Bundestag, aber vor allem auch die Bundesgerichte sowie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof.42 Nach den vorhergehenden Ausführungen ist die Bundespolizei unzweifelhaft als Behörde des Bundes zu qualifizieren und demnach im Grundsatz verpflich­ tet, nach dem IFG Auskunft zu erteilen. Bei der Beantwortung der Frage, ob das formationsfreiheitsgesetz des Bundes auf Informationen der Bundesanwalt­ In­ schaft und die Bundesgerichte Anwendung findet und die im Ermittlungsverfah­ ren erfassten Informationen nach diesen Vorschriften heraus verlangt werden kön­ nen, kommt es hingegen entscheidend darauf an, ob und wann diese Stellen – in Abgrenzung zu den Aufgaben der Gesetzgebung und der Rechtsprechung – Ver­ waltungsaufgaben wahrnehmen. Bevor diese Frage geklärt wird,43 soll jedoch un­ tersucht werden, ob sich im Hinblick auf die landesrechtlichen Informations­ zugangsregelungen ähnliche Problemstellungen auftun. 2. Berliner Informationsfreiheitsgesetz (BlnIFG)44 § 2 BlnIFG macht zunächst deutlich, dass alle Stellen der öffentlichen Verwal­ tung nach diesem Gesetz auskunftsverpflichtet sind.45 § 2 Abs. 1 BlnIFG zufolge fallen hierunter die Behörden sowie die sonstigen öffentlichen Stellen des Landes Berlin (insbesondere nicht rechtsfähige Anstalten, Krankenhausbetriebe, Eigen­ 39

Vgl. BT-Drucks. 15/4493 S. 7; Jastrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 21; Rossi, IFG, § 1 Rn. 40; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (987); Schoch, IFG § 1 Rn. 72. Hierbei handelt es sich um den weit gefassten sog. „funktionalen Behördenbegriff“, der auch Maßnahmen von Organen der Legislative oder der Judikative umfasst, soweit diese als Verwaltungstätigkeit ein­ gestuft werden können. 40 Jastrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 22, Schoch, IFG § 1 Rn. 88. Vgl. auch die ausführ­ liche Auflistung anspruchs-verpflichteter Stellen der unmittelbaren Bundesverwaltung (oberste Bundesbehörden, Bundesoberbehörden, Bundesmittelbehörden, untere Bundesbehörden) bei Rossi, IFG, S. 211 ff. 41 Jastrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 22. Ferner ist auch das Bundesamt für Verfassungs­ schutz als Bundesoberbehörde eine auskunftsverpflichtete Stelle im Sinne dieses Gesetzes (vgl. § 2 Abs. 1 BVerfSchG). 42 Jastrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 33 ff. 43 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 9. Teil, C. II. 44 Vom 15. Oktober 1999 (GVBl. S. 561). 45 Siehe Zumpe, S. 235.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

betriebe und Gerichte), landesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stif­ tungen des öffentlichen Rechts sowie Private, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betraut sind. Ferner bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 BlnIFG, dass dieses Gesetz auf Gerichte und Behörden der Staatsanwaltschaft nur dann Anwendung findet, wenn diese Verwaltungsaufgaben erledigen. Demnach sind die Berliner Polizeibehörden grundsätzlich nach diesem Gesetz zur Auskunft verpflichtet. Bei den Behörden der Staatsanwaltschaft und den Ge­ richten kommt es hingegen entscheidend darauf an, ob diese im Ermittlungsver­ fahren Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. 3. Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg (AIG Bbg)46 § 2 Abs. 1 AIGBbg schreibt vor, dass ein Informationszugangsanspruch gegen­ über den im dritten Abschnitt des brandenburgischen Landesorganisationsgesetz (LOG) genannten Behörden und Einrichtungen sowie gegenüber den Gemeinden und Gemeindeverbänden besteht. Der in diesem Abschnitt des brandenburgischen Landesorganisationsgesetzes angesiedelte § 10 Abs. 2 LOG benennt das Landes­ kriminalamt, und § 11 Abs. 3 Nr. 1 LOG führt ferner als sonstige untere Landes­ behörden die Polizeipräsidien auf, so dass entsprechende Informationsansprüche gegenüber diesen Stellen im Grunde bestehen. Des Weiteren verdeutlicht § 2 Abs. 2 Satz 1 AIGBbg, dass ein Recht auf Akten­ einsichtnahme gegenüber den in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 LOG genannten Stellen nur dann in Betracht kommt, wenn diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.47 Da die Organe der Rechtspflege ausdrücklich in § 1 Abs. 3 Nr. 3 LOG aufgeführt werden, gilt es zunächst zu klären, ob und wann die Gerichte und die Staatsanwaltschaf­ ten als Organe der Rechtspflege zu qualifizieren sind. Ferner muss geprüft werden, unter welchen Umständen sich die staatsanwaltschaftlichen und gericht­lichen Tä­ tigkeiten im Ermittlungsverfahren als Aufgabenwahrnehmungen auf dem Gebiet der Verwaltung darstellen. Auch auf die soeben dargelegte Problematik soll erst zu einem späteren Zeit­ punkt näher eingegangen werden, wenn geklärt werden konnte, ob sich im Hin­ blick auf die weiteren landesrechtlichen Bestimmungen ähnliche oder identische Probleme auftun. 46

Vom 10. März 1998 (GVBl. I S. 46). § 2 Abs. 2 Satz 2 AIGBbg beschränkt die herauszugebenden Informationen in sachlicher Hinsicht auf solche, die nicht aus den Gebieten der Lehre, der Forschung und des Unterrichts stammen. Ferner werden nach dem vierten Absatz dieser Vorschrift auch private Stellen in den Regelungsbereich des Gesetzes mit aufgenommen, soweit sich die aktenführende Behörde bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben ihrer bedient. Folglich kommt ein Anspruch sowohl ge­ genüber Beliehenen als auch gegenüber Verwaltungshelfern in Betracht; vgl. Zumpe, S.  227 f. 47

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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4. Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Bremen (BremIFG)48 § 1 Abs. Satz 1 BremIFG gewährt jeder Person nach Maßgabe des Bremer Infor­ mationsfreiheitsgesetzes gegenüber Behörden des Landes, der Gemeinden und der sonstigen Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffent­ lichen Rechts und deren Vereinigungen einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. § 1 Abs. 1 Satz 2 BremIFG bestimmt ferner, dass diese Zugangs­ verpflichtung für die sonstigen Organe und Einrichtungen des Landes und der Ge­ meinden nur gilt, soweit diese öffentliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.49 Folglich weist auch diese Vorschrift – die sich inhaltlich in wesentlichen Zü­ gen am Informationsfreiheitsgesetz des Bundes orientiert50 – dieselben Fragen auf, die schon bei den zuvor behandelten landesrechtlichen Bestimmungen aufgewor­ fen wurden, d. h. es muss mit Blick auf die Staatsanwaltschaften und die Gerichte geklärt werden, ob und wann diese im Ermittlungsverfahren Verwaltungsauf­gaben wahrnehmen, wohingegen die Polizeibehörden im Grunde unzweifelhaft nach dem BremIFG auskunftsverpflichtet sind. 5. Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)51 Während im ersten Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz52 noch auf die bundesrechtlichen Vorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen ver­ wiesen wurde, schuf der Landesgesetzgeber am 17. Februar 2009 ein Informations­ freiheitsgesetz, das eigenständige Regelungen über den Zugang zu staatlichen Informationen enthielt.53 Dieses Gesetz wurde am 19. Juni 2012 durch das Ham­ burgische Transparenzgesetz abgelöst. 48

Vom 16. Mai 2006 (Brem. GBl. S. 263). Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BremIFG werden den Behörden im Sinne dieser Vorschrift wiede­ rum natürliche und juristische Personen des Privatrechts gleichgestellt, soweit sich die Behör­ den dieser Personen bei der Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedienen. 50 Vgl. Zumpe, S. 254. 51 Vom 19. Juni 2012 (HmbGVBl. S. 271). 52 Vom 11. April 2006 (HmbGVBl. S. 167). § 1 HmbIFG a. F. (2006) erklärte die Vorschrif­ ten des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – mit Ausnahme von § 10 Abs. 3 IFG sowie der §§ 12 bis 15 IFG – auf den Zugang zu amtlichen Informationen der Behörden sowie der sonstigen öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen der Freien und Hansestadt Hamburg nach Maßgabe der weiteren Vorschriften des HmbIFG a. F. (2006) für anwendbar. Ein gering­ fügiger Unterschied ergab sich jedoch für Einrichtungen, die keine Behörden waren. Das alte Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz aus dem Jahr 2006 stellte nicht auf die Wahrneh­ mung öffentlich-rechtlicher Aufgaben der Verwaltung ab, sondern es kam gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 HmbIFG a. F. (2006) auf das Merkmal der öffentlich-rechtlichen Organisationsform an; siehe Zumpe, S. 253. Allerdings ging aus dem § 1 Abs. 3 Nr. 1 HmbIFG a. F. (2006) hervor, dass Or­ gane der Rechtspflege vom Informationszugangsanspruch ausgenommen sein sollten. 53 Vom 17. Februar 2009 (HmbGVBl. S. 29). 49

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

§ 2 Abs. 5 HmbTG bestimmt zunächst, dass als auskunftspflichtige Stellen im Sinne dieses Gesetzes alle in § 2 Abs. 3 HmbTG bezeichneten Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die der Aufsicht der Freien und Hansestadt Ham­ burg unterstehenden Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, auch soweit diese Bundesrecht oder Recht der Europäischen Gemein­ schaft ausführen,54 in Betracht kommen. § 2 Abs. 3 HmbTG verweist hinsichtlich des Behördenbegriffs auf § 1 Abs. 2 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrens­ gesetzes vom 9. November 1977,55 worunter jede Stelle fällt, die Aufgaben der öf­ fentlichen Verwaltung wahrnimmt. Eine Ausnahme vom Grundsatz der allgemeine Zugänglichkeit behördlicher Informationen enthält jedoch § 5 Nr. 1 HmbTG, der eine Informationspflicht der Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungs­ behörden entfallen lässt, soweit diese sich als Organe der Rechtspflege betäti­ gen oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden. Folglich kommt es auch nach diesen landesrechtlichen Bestimmungen zum einen auf die Klärung der Frage an, ob die jeweiligen Polizeibehörden präventiv zur Gefahrenabwehr tätig werden oder repressiv im Rahmen der Strafverfolgung agieren. Zum anderen ist darauf abzustellen, unter welchen Umständen die Staats­ anwaltschaften, Polizeibehörden und Gerichte als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig wer­ den bzw. wann es sich bei den von ihnen im Ermittlungsverfahren wahrgenomme­ nen Tätigkeit um eine solche der Verwaltung handelt. 6. Gesetz über die Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern (IFG MV)56 Gemäß § 3 Abs. 1 IFG MV gelten die Vorschriften über den Zugang zu Infor­ mationen nach dem IFG MV „für die Behörden des Landes, der Landkreise, der ­Ämter und Gemeinden, für die sonstigen Körperschaften, rechtsfähigen Anstal­ ten und Stiftungen des öffentlichen Rechts […]“. Aufgrund des Verweises in § 3 Abs. 2 IFG MV auf § 1 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist als Behörde im Sinne dieses Gesetzes „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“, anzusehen. Allerdings statuiert § 3 Abs. 4 Nr. 1 IFG MV in aller Deutlichkeit, dass „Gerichte, Strafver­ folgungs- und Strafvollstreckungsbehörden, soweit sie als Organe der Rechts­ pflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängig­

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Insofern findet das HmbTG unzweifelhaft auf die zuvor bezeichneten Stellen Anwendung, solange diese Hamburger Landesrecht ausführen. 55 Vgl. HmbGVBl. S. 333, 402. 56 Vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 556).

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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keit tätig werden“, keine Behörden im Sinne dieses Gesetzes sind und somit vom Auskunftsanspruch ausgenommen werden.57 Folglich kommt es auch nach diesen Vorschriften mit Blick auf die Polizeibe­ hörden zunächst auf die Beantwortung der Frage an, ob sie im Einzelfall repres­ siv als Strafverfolgungsbehörden tätig werden oder ob sie im Rahmen der Gefah­ renabwehr präventive Ausgaben erledigen. Ferner gilt es zu untersuchen, ob und wann sich die Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden und Gerichte als Organe der Rechtspflege betätigen, aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden oder Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. 7. Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu amtlichen Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW)58 § 2 Abs. 1 IFG NRW zufolge sind alle öffentlichen Stellen des Landes, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, nach diesem Gesetz anspruchsverpflich­ tet. Hierzu zählen insbesondere Behörden, Einrichtungen und sonstige öffent­liche Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie alle sonsti­ gen, der Aufsicht des Landes unterstehenden juristische Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen.59 Ferner bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW, dass all jene Stellen als Behörden zu qualifizieren sind, die Aufgaben der öffentli­ chen Verwaltung wahrnehmen. Des Weiteren trifft § 2 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW für den Landtag, die Gerichte sowie die Behörden der Staatsanwaltschaft eine expli­ zite Regelung, nach welcher dieses Gesetz für die zuvor bezeichneten Stellen nur dann gelten soll, wenn diese Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Folglich sind die Polizeibehörden unzweifelhaft vom Anwendungsbereich die­ ser gesetzlichen Regelung erfasst. Mit Blick auf die Gerichte und die Behörden der Staatsanwaltschaft kommt es hingegen wiederum darauf an, ob sie Verwaltungs­ aufgaben wahrnehmen. 8. Landesinformationsfreiheitsgesetz Rheinland-Pfalz (LIFG RP)60 Nach § 2 Abs. 1 LIFG RP findet dieses Gesetz Anwendung auf „Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit 57

Siehe Neumann, LKV 2007, 1 (3). Vom 27. November 2001 (GV. NRW. S.806). 59 Vgl. Zumpe, S. 248 f. 60 Vom 26. November 2008 (GVBl. S. 296). 58

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

sie in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausüben“. Unter einer Behörde in dem zuvor genannten Sinne ist – infolge des Verweises in § 2 Abs. 2 LIFG RP auf § 2 des rheinland-pfälzischen Landesverwal­ tungsverfahrensgesetzes – jede Stelle zu verstehen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Ferner ordnet § 2 Abs. 4 LIFG RP an, dass das LIFG RP für die Gerichte und die Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden nur dann gilt, wenn diese Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Somit muss auch nach dem LIFG RP zum einen ermittelt werden, ob die Polizeibehörden repressiv im Rahmen der Strafverfolgung tätig werden. Zum anderen gilt es zu klä­ ren, ob die entsprechenden Informationen aus der Wahrnehmung öffentlicher Ver­ waltungsaufgaben stammen. 9. Saarländisches Informationsfreiheitsgesetz (SIFG)61 § 1 Satz 1 SIFG gesteht jedermann in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis 9 und 11 IFG gegenüber „Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeinde­ verbänden einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“ zu. Ferner gilt das Saarländische Informationsfreiheitsgesetz gem. § 1 Satz 2 SIFG für juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit diese als Grundrechtsträger handeln.62 Darüber hinaus kann sich der Informationszugangsanspruch auch an die sonstigen Organe und Einrichtungen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie den saarländischen Rundfunk richten, wobei es nach § 1 Satz 3 SIFG wie­ derum entscheidend darauf ankommt, dass diese Stellen öffentlich-rechtliche Ver­ waltungsaufgaben wahrnehmen. Die Polizeibehörden des Saarlandes sind als Landesbehörden im Grundsatz un­ problematisch auskunftsverpflichtete Stellen im Sinne des SIFG. Hinsichtlich der Staatsanwaltschaften und der im Ermittlungsverfahren tätigen Gerichte muss hin­ gegen entscheidend darauf abgestellt werden, ob diese öffentlich-rechtliche Ver­ waltungsaufgaben wahrnehmen. 10. Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG LSA)63 Auch das Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt geht in § 1 Abs. 1 IZG LSA davon aus, dass jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes einen An­ spruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat gegenüber den Behörden des Landes, den Kommunen und Gemeindeverbänden, den der Landesaufsicht unter­ stehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und 61

Vom 12. Juli 2006 (Amtsbl. S. 1624). Siehe Zumpe, S. 258. 63 Vom 19. Juni 2008 (GVBl. LSA S. 242). 62

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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den sonstigen Organen und Einrichtungen des Landes, soweit sie öffentlich-recht­ liche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Den Behörden werden wiederum natür­ liche und juristische Personen des öffentlichen Rechts gleichgestellt, soweit sich die Behörden ihrer bei der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben bedienen. Aufgrund der identischen Gesetzeslage kann hier auf die entsprechen­ den Ausführungen zum SIFG verwiesen werden. 11. Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu behördlichen Informationen des Landes Schleswig-Holstein (IFG SH)64 § 3 Abs. 1 IFG-SH bestimmt zunächst, dass die landesrechtlichen Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen für die Behörden des Landes, der Kreise, der Ämter und Gemeinden sowie der sonstigen Körperschaften des öffent­ lichen Rechts gelten (auch soweit diese Bundesrecht oder Recht der Europäischen Gemeinschaft ausführen). Nach § 1 Abs. 2 IFG-SH ist jede Stelle im Sinne des § 3 Abs. 2 des Landesverwaltungsgesetzes (d. h. „jede organisatorisch selbstän­ dige Stelle, die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ausübt“) als Behörde zu qualifizieren.65 Hiervon sind jedoch nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG SH Gerichte, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden ausgenommen, soweit sie sich als Rechtspflegeorgane betätigen.66 Demnach muss auch nach diesen landesrecht­ lichen Bestimmungen mit Blick auf die Polizeibehörden einerseits danach dif­ ferenziert werden, ob die jeweilige Tätigkeit der Strafverfolgung dient oder zu präventiven Zwecken erfolgt. Andererseits kommt es darauf an, ob die Staatsan­ waltschaften, Polizeibehörden oder Gerichte im konkreten Fall als Organe der Rechtspflege tätig werden.

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Vom 9. Februar 2000 (GVOBl. Schl.-H. S. 166). Unter den Behördenbegriff fällt nach § 3 Abs. 2 LVwG (Landesverwaltungsgesetz Schles­ wig-Holstein) jede organisatorisch selbstständige Einheit, die Verwaltungstätigkeit ausübt. 66 Zumpe zufolge soll hieraus hervorgehen, dass es dem gesetzgeberischen Willen entspre­ che, nur der Verwaltungstätigkeit entstammende Informationen zugänglich zu machen; vgl. Zumpe, S. 243. Dabei weist er auf die zusätzliche Problematik der Gerichte hin, die per se als Organe der Rechtspflege zu qualifizieren seien und von daher vollständig aus dem An­ wendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze herausfallen würden. Insofern soll diese Vorschrift dahingehend einschränkend ausgelegt werden, dass Justizverwaltungstätigkeit nicht vom Anwendungsbereich ausgenommen werde. Nach § 3 Abs. 4 IFG-SH werden natürliche und juristische Personen des Privatrechts den Behörden im Sinne dieser Vorschrift gleichge­ stellt, wenn sie sich dieser zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlicher Aufgaben bedienen, oder die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben auf diese Personen übertragen wird. 65

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

12. Thüringer Informationsfreiheitsgesetz (ThürIFG)67 Auch § 1 Abs. 1 ThürIFG erklärt die Vorschriften des Informationsfreiheits­ gesetzes des Bundes – mit Ausnahme von § 10 Abs. 1 und §§ 12 bis 15 IFG – auf den Zugang zu amtlichen Informationen der Behörden des Landes, der Körper­ schaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die unmittelbar oder mittelbar der Aufsicht des Landes unterstehen, für anwendbar, so dass auf die dort gemachten Ausführungen verwiesen werden kann.68 Allerdings ordnet § 1 Abs. 3 Nr. 1 ThürIFG an, dass der Anspruch auf Informationszugang unbeschadet der Be­ stimmung des § 3 IFG unter anderem nicht gegenüber „den Organen der Rechts­ pflege, insbesondere Gerichten, Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehör­ den“ besteht.

II. Staatsanwaltschaften und Gerichte Nach den vorhergehenden Ausführungen bestehen vor allem bezüglich der Ge­ richte und Staatsanwaltschaften ernstzunehmende Zweifel, ob sie als auskunfts­ pflichtige Stellen im Sinne der Informationsfreiheitsgesetze angesehen werden und entsprechende Auskunftsverlangen ihnen gegenüber auf diese Vorschriften ge­ stützt werden können. So statuiert ein Teil der zuvor erörterten Regelungen, dass Gerichte, Strafverfol­ gungs- und Strafvollstreckungsbehörden nicht als Behörden im Sinne der Informa­ tionsfreiheitsgesetze zu qualifizieren sind, soweit sie sich als Rechtspflegeorgane oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit be­ tätigen.69 Das Hamburgische Transparenzgesetz enthält wiederum eine Regelung, welche einen Auskunftsanspruch gegenüber Gerichten, Straf­ verfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden ausschließt, solange diese als Organe der Rechts­ pflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhän­ gigkeit tätig werden.70 Die entsprechende Vorschrift des Thüringischen Infor­ mationsfreiheitsgesetzes nimmt hingegen die Organe der Rechtspflege aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes heraus, wobei sie exemplarisch die Gerichte sowie die Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden aufführt.71

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Vom 20. Dezember 2007 (GVBl. S. 256). Auch in Thüringen sind die Gemeinden und Gemeindeverbände nach dem gesetzgebe­ rischen Willen zur Auskunft verpflichtet, obwohl dies aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht hervorgeht; vgl. Husein, LKV 2010, 337 (338). § 1 Abs. 1 Satz 3 ThürIFG stellt ferner natür­ liche und juristische Personen des Privatrechts den zuvor genannten öffentlichen Stellen gleich, soweit sie sich dieser Personen bei der Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedienen. 69 Vgl. insofern die Regelungen in § 3 Abs. 4 Nr. 1 IFG MV und in § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG SH. 70 Siehe § 5 Nr. 1 HmbTG. 71 Vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 ThürIFG. 68

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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Andere Vorschriften erkennen Auskunftsansprüche nach den Informationsfrei­ heitsgesetzen gegenüber den Gerichten und den Behörden der Staatsanwaltschaf­ ten – oder verallgemeinernd gegenüber Rechtspflegeorganen, Strafverfolgungs-, Strafvollstreckungs- und Disziplinarbehörden – nur dann an, wenn diese Auf­gaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.72 Auch nach den weiteren Informations­ freiheitsgesetzen werden Ansprüche auf Informationszugang gegenüber den sons­ tigen Organen und Einrichtungen lediglich dann zugestanden, wenn die in Rede stehenden Informationen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Verwaltungsaufgaben gewonnen wurden.73 Folglich steht der Behördenbegriff im materiellen Sinne74 (sog. funktioneller Behördenbegriff; vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG) im Rahmen der meisten Informations­ freiheitsgesetze im Vordergrund, der maßgebend auf die jeweilige Tätigkeit der öffentlichen Stelle abstellt und demzufolge auch Organe der Legislative und der Judikative als Behörden anzusehen sind, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Ver­ waltung erfüllen (d. h. wenn die wahrgenommenen Aufgaben und Zuständigkei­ ten in sachlicher Hinsicht der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind und ihre Grundlage im öffentlichen Recht finden).75 72 Vgl. hierzu die Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 BlnIFG, § 2 Abs. 2 Satz 1 AIGBbg i.V.m § 1 Abs. 3 Nr. 3 LOG, § 2 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW und § 2 Abs. 4 LIFG RP. 73 Vgl. hierzu auch die Regelungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, § 1 Abs. 1 Satz 2 BremIFG, § 1 Satz 1 SIFG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG sowie § 1 Abs. 1 Nr. 2 IZG LSA. Letztlich handelt es sich um eine Abgrenzung anhand des jeweiligen Informationsgegenstands (d. h. in sachlicher Hinsicht) und nicht nach dem Kreis der anspruchsverpflichteten Stellen; in diesem Sinne auch Rossi, IFG, § 1 Rn. 57. 74 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 1 Rn. 56. Hiervon ist der formell-organisatorische Be­ hördenbegriff zu unterscheiden, unter den alle organisatorischen Einheiten gefasst werden, durch welche die juristischen Personen des öffentlichen Rechts Verwaltungsaufgaben erfül­ len; siehe Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 202; vgl. auch die frühere Defini­ tion des Bundesverfassungsgericht, wonach unter einer Behörde „eine in den Organismus der Staats­verwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sachlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autori­ tät für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein“ zu verstehen ist; BVerfGE 10, 20, 48. 75 Siehe Jatrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 21; Schoch, IFG, § 1 Rn. 78. Dies entspricht im Grunde auch der Ansicht Rossis, der im Hinblick auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bun­ des hervorhebt, dass Bundesorgane und Bundeseinrichtungen unter den Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fallen würden, soweit sie nicht die ihnen von der Verfassung zugewie­ senen Aufgaben, sondern solche der öffentlichen Verwaltung erfüllen. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, nach der das IFG auch auf sonstige Bundesorgane und -einrichtungen An­ wendung findet, sei demnach in erster Linie deklaratorischer Natur und stelle klar, dass die Be­ reiche der Rechtsprechung, der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten sowie alle sonstigen unabhängigen Tätigkeiten vom Informationsanspruch nach diesem Gesetz ausge­ nommen seien. Demnach würden auch die sonstigen Bundesorgane und -einrichtungen als an­ spruchsverpflichtete Stellen in Betracht kommen, jedoch nur, soweit es sich um Informationen handelt, die diese im Zusammenhang mit ihrer Verwaltungstätigkeit erhoben und zusammen­ getragen hätten. Ferner werde durch die Formulierung „Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben“ verdeutlicht, dass als Grundlage der Verpflichtung nur eine öffentlich-

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

Demnach muss zum einen geklärt werden, wann die Gerichte und Staatsanwalt­ schaften als Organe der Rechtspflege zu qualifizieren sind, wann sie aufgrund be­ sonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden, und unter welchen Vorraussetzungen sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr­ nehmen. 1. Organe der Rechtspflege/Tätigwerden aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit Es bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Gerichte auch im straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahrens als Rechtspflegeorgane anzusehen sind, da sie in allen Stadien des Strafverfahrens aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden.76 Die richterliche Unabhängigkeit wird verfassungsrechtlich durch Art. 97 Abs. 1 GG („Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“) und einfachgesetzlich durch § 1 GVG77 sowie durch die §§ 25 und 45 Abs. 1 DRiG untermauert. Bezüglich der Staatsanwaltschaften gestaltet sich diese Zuordnung jedoch schwieriger. Dabei bietet es sich an, die rechtliche Stellung der Staatsanwaltschaft näher zu beleuchten. Einerseits wird vertreten, die Staatsanwaltschaft sei Teil der Judikative.78 Als tragende Argumente werden die besondere Bedeutung der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Strafprozessordnung sowie ihre richterliche Arbeitsweise hervorge­ hoben.79 Nach Görcke sollen die Staatsanwaltschaften und Gerichte gleicherma­ ßen dafür Verantwortung tragen, dass sich in allen Abschnitten des Verfahrens der rechtliche Norm in Betracht kommen könne, da es dem Gesetzgeber andernfalls freigestanden hätte, eine weiter gefasste Formulierungen wie z. B. „Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben“ zu wählen. Letzten Endes soll die Erstreckung des Anwendungsbereichs des IFG auf die sons­ tigen Bundesorgane und Einrichtungen nach Rossi jedoch keine allzu große Rolle spielen, da der überwiegende Teil der von diesen Stellen ausgeübten Verwaltungstätigkeiten aus Bereichen stamme, die durch die Ausschlusstatbestände der §§ 3 und 4 IFG eingeschränkt würden; Rossi, IFG, § 1 Rn. 56 ff. 76 So hat das Gericht beispielsweise vor dem Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 Abs. 1 StPO im Wege einer auf den Einzelfall bezogenen Gesamtabwägung zu prüfen, ob ein dringen­ der Tatverdacht anzunehmen ist, ein Haftgrund vorliegt und der Grundsatz der Verhältnismä­ ßigkeit eingehalten wurde; vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 209 ff. 77 „Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt“. 78 Der Bundesgerichtshof spricht insofern vom Staatsanwalt als „ein dem Gericht gleich­ geordnetes Organ der Straf-rechtspflege“, BGHSt 24, 170 (171); vgl. auch Arndt, NJW 1961, 1615 (1617); Göbel, NJW 1961, 856 (857); Görcke, ZStW 73 (1961), 561 ff; Hoberg, DRiZ 1953, 136 (137); Kaiser, NJW 1961, 200 (201). Schoch hebt hervor, dass die Bundesanwalt­ schaft zwar organisationsrechtlich wie eine Verwaltungsbehörde aufgebaut sei, funktional je­ doch wie ein Organ der Rechtspflege behandelt werden müsse; siehe Schoch, IFG, § 1 Rn. 105. 79 Hoberg, DRiZ 1953, 136 ff. Vgl. ferner Hund, ZRP 1994, 470 (471) und Kettner, S. 16 so­ wie die ausführliche Darstellung bei Koller, S.  35 ff.

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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„Rechtsgeist und der Rechtswille des Staates“ behaupten kann.80 Sowohl die Ge­ richte als auch die Staatsanwaltschaften wirkten in einem wechselseitigen Ab­ hängigkeitsverhältnis auf die Herbeiführung gerechter Urteile hin, wobei sie im gleichen Umfang an die Grundsätze von Objektivität, Unparteilichkeit und Ge­ rechtigkeit gebunden seien.81 Zudem berufen sich die Vertreter dieser Auffassung darauf, dass die enge Verzahnung beider Organe durch das Anklagemonopol do­ kumentiert werde, welches die Rechtsprechung im Strafprozess überhaupt erst er­ mögliche.82 Von der Rechtsprechung83 sowie von Teilen der Literatur84 wird hiergegen ein­ gewandt, dass es sich bei der Staatsanwaltschaft nur um eine Institution der voll­ ziehenden Gewalt handeln könne. Argumentativ stützen sich die Vertreter dieser Auffassung auf den hierarchischen Behördenaufbau und die Weisungsgebunden­ heit85 der Staatsanwaltschaft (vgl. die §§ 146 und 147 GVG), die der richter­lichen Unabhängigkeit (vgl. Art. 97 Abs. 1 GG und § 1 GVG) zuwider laufe, sowie auf den Umstand, dass der Staatsanwaltschaft keine rechtskräftige Entscheidungs­ macht zukomme.86 Auch die Tatsache, dass das Anklagen von Straftaten bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts vornehmlich den Gerichten vorbehalten war, lasse kei­ nesfalls auf eine Wesensähnlichkeit in der Arbeitsweise beider Organe schließen. Der Gesetzgeber habe sich vielmehr bewusst dafür entschieden, die Ermittlungs-, Anklage- und Urteilstätigkeit nicht in ein und derselben Hand zu belassen.87 Gegen 80 Görcke, ZStW 73 (1961), 561 (582). Vgl. auch Hoberg, nach dem die Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren dafür Sorge zu tragen hat, dass das gesamte Strafverfahren von Beginn an auf den „Geist der Justiz“ eingeschworen wird; Hoberg, DRiZ 1953, 136 (138). 81 Göbel, NJW 1961, 856 (857); Görcke, ZStW 73 (1961), 561 (578); vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Kausch, S. 226 und Koller, S. 38. In diesem Zusammenhang weist Roxin zutreffend darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft unter keinen Umständen als schlichte Exe­ kutivbehörde angesehen werden kann, da sie sich „allein am Recht und nicht an den sonstigen exekutiven Interessen zu orientieren“ hat; Roxin, DRiZ 1997, 109 (114). 82 Görcke, ZStW 73 (1961), 561 (575); vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Koller, S. 39 f. 83 Vgl. BVerfGE 32, 199 (216 f.); BVerfGE 103, 142 (156); BVerfG NJW 2002, 815; BGH NJW 1960, 2346 (2348). 84 Vgl. insoweit KK-Pfeiffer/Hannich, Einl Rn. 61 und Sarstedt, NJW 1964, 1752 (1753 ff.). 85 Ferner sollen auch das Devolutions- und Substitutionsrecht des Vorgesetzten (vgl. § 145 GVG) dafür sprechen, dass es sich bei der Staatsanwaltschaft um ein Organ der Exekutive han­ delt; vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 88. 86 Vgl. KK-Pfeiffer/Hannich, Einl Rn. 61. Gegen das Argument, nach dem es der Staats­ anwaltschaft nicht möglich sein soll, rechtskräftige Entscheidungen zu treffen, müssen jedoch die §§ 153 a ff. StPO ins Feld geführt werden, die es der Staatsanwaltschaft durchaus erlau­ ben, Verfahren mit rechtskräftiger Wirkung zu beenden. Gem. § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO kann eine Straftat beispielsweise dann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, wenn der Beschul­ digte die ihm erteilten Weisungen erfüllt hat (dagegen tritt bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO kein Strafklageverbrauch ein; vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 153 Rn. 37). Diese Ent­ scheidung ist bei nachträglichen Änderungen auch ohne eine Mitwirkung des Gerichtes mög­ lich; siehe Kettner, S. 17. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen bei Kausch, der von einem Richter neben dem Richter spricht und darin einen Verstoß gegen Art. 92 GG so­ wie das Rechtsstaatsprinzip erblickt; Kausch, 235 f. 87 Vgl. Gössel, GA 1980, 325 (335) sowie Kausch, S.  227 f.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

die organisatorische Zugehörigkeit der Staatsanwaltschaft zur Rechtsprechung, wie sie die Zuständigkeitsbestimmungen der §§ 142, 142 a, 143 GVG vermeintlich nahe legen könnten, sprächen ferner die Vorschriften der §§ 150 und 151 Satz 1 GVG, welche die Unabhängigkeit beider Stellen anordnen, Staatsanwälte von der Ausübung richterlicher Geschäfte ausschließen und eine Übertragung der Dienst­ aufsicht über die Richter auf die Staatsanwaltschaft für unzulässig erklären.88 Os­ tendorf89 führt zudem an, dass im Stadium des Ermittlungsverfahrens regelmäßig noch gar keine judikative Gewalt ausgeübt wurde, die vom Bereich der Verwaltung abgegrenzt werden könne.90 Es stehe weder die Antrags- und Entscheidungskom­ petenz im Rahmen der Hauptverhandlung noch eine Entscheidung über die An­ klageerhebung oder die Einstellung des Verfahrens zur Debatte, sondern es handle sich in diesen Konstellationen lediglich um „vorbereitende, ermittelnde bzw. be­ gleitende, informatorische Aufgabenstellungen“.91 In Anbetracht der vorhergehenden Ausführungen bleibt festzuhalten, dass eine generelle und eindeutige Zuordnung der Staatsanwaltschaft unter einen dieser bei­ den Bereiche kaum möglich erscheint. Insofern ist Roxin92 und der wohl herr­ schenden Meinung93 beizupflichten, die eine vermittelnde Position zwischen den soeben geschilderten Ansichten einnehmen und zu dem Schluss gelangen, dass die Staatsanwaltschaft als „selbständiges Organ der Strafrechtspflege“94 eine Brü­ cke zwischen der Exekutiven und der Judikativen bildet und somit zwischen die­ sen beiden Gewalten steht. Letztlich kommt es bei der Qualifizierung der Staatsanwaltschaft als Rechts­ pflegeorgan jedoch weniger auf ihre generelle Zugehörigkeit zur Judikative an, als vielmehr auf die Zuordnung des in Rede stehenden konkreten Betätigungsfeldes unter den Bereich des Rechtspflege. So müssen als öffentliche Stellen gerade die Staatsanwaltschaften und die Gerichte unter die rechtliche Kategorie der Rechts­ pflegeorgane gefasst werden, soweit sie sich nicht auf dem Gebiet der Justizver­ waltung betätigten. Die Staatsanwaltschaft ist folglich, wie auch die Gerichte, der 88

Koller, S. 56. Den Überlegungen von Ostendorf liegt die Fragestellung zugrunde, ob die Strafverfol­ gungsbehörden Einzelangaben über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse eines ande­ ren i. S. d. § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfassen, die den Geheimnissen i. S. d. § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB gleichgesetzt werden; vgl. Ostendorf, GA 1980, 445 (446). 90 Ostendorf, GA 1980, 445 (446). 91 Ostendorf, GA 1980, 445 (446 f.). 92 Roxin, DRiZ 1997, 109 (114). 93 Vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 88 („Zwitterstellung“); Hellmann, Strafprozessrecht, Rn. 28; Kelker, ZStW 118 (2006), 389 (392); Kettner, S. 18; Kindhäuser, Strafprozessecht, § 5 Rn. 1; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 133 ff.; Meyer-Goßner, StPO, Vor. § 141 GVG Rn. 7; ­Rüping, GA 1980, 147 (151) („Niemandsland zwischen Exekutive und Judikative“); vgl. zu­ dem die ausführliche Darstellung bei Koller, S. 116 ff. 94 Vgl. zu dieser Bezeichnung der Staatsanwaltschaft bereits die Entscheidung BGHSt 24, 170 (171). 89

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

257

Strafverteidiger, der Urkundsbeamte und die Gerichtshilfe – soweit sie sich nicht mit Verwaltungsaufgaben befasst – als ein Organ der Rechtspflege zu qualifizie­ ren.95 Somit ist bei der vorliegenden Untersuchung maßgeblich darauf abzustel­ len, ob die von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren herausgegebenen Informationen mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im Zusammen­ hang stehen, oder ob diese Informationen solche Themenbereiche betreffen, die eine enge Beziehung zu ihrer Stellung als Rechtspflegeorgan aufweisen.96 Diese Fragen sollen in dem folgenden Gliederungspunkt erörtert werden.97 2. Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben In Ansehung der zuvor erörterten Schwierigkeiten stellt sich somit die Frage, ob und wann die Gerichte und Staatsanwaltschaften Aufgaben der öffentlichen Ver­ waltung wahrnehmen.98 Dabei ist der Schwerpunkt der Betrachtung auf die­jenigen ermittlungsbehördlichen Betätigungen zu richten, in deren Rahmen die in Rede stehenden Informationen gewonnen wurden (oder mit denen diese in einem engen Zusammenhang stehen).99

95

Vgl. hierzu die Ausführungen von Pfeiffer/Hannich, die darauf hinweisen, dass der Staats­ anwalt gleich dem Richter Recht und Gesetz unterworfen ist; vgl. KK-Pfeffer/Hannich, Einl Rn. 61. 96 Ob die Staatsanwaltschaften hingegen aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richter­ licher Unabhängigkeit tätig werden, erscheint als fragwürdig aufgrund ihrer Weisungsgebun­ denheit und der mangelnden Existenz von Vorschriften, welche Art. 97 Abs. 1 GG und § 1 GVG entsprechen; vgl. hierzu KK-Pfeffer/Hannich, Einl Rn. 61. 97 Vgl. die Ausführungen weiter unten, im 9. Teil, C. II. 2. 98 In diesem Sinne bezüglich der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG auch Schoch, IFG, § 1 Rn. 95. An anderer Stelle führt Schoch hingegen mit Blick auf die Bundesgerichte an, dass diese, soweit sie sich als Organe der Rechtspflege betätigten und rechtsprechende Gewalt i. S. d. § Art. 92 GG ausübten, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des IFG fielen. Öf­ fentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben könnten die Gerichte lediglich im Bereich der Justiz­ verwaltung wahrnehmen; Schoch, IFG, § 1 Rn. 103. Die Bundesanwaltschaft (d. h. der Gene­ ralbundesanwalt und die Bundesanwälte) müsse ferner nach dem IFG informationsrechtlich den Gerichten gleichgestellt werden (obgleich sie organisationsrechtlich als Verwaltungsbehör­ den zu qualifizieren sei), so dass für sie die vorhergehenden Ausführungen entsprechend gelten würden; vgl. Schoch, IFG, § 1 105. 99 An dieser Stelle soll nochmals auf die Argumentation Ostendorfs hingewiesen werden, nach welcher im frühen Stadium strafrechtlicher Ermittlungen regelmäßig noch gar keine ju­ dikative Gewalt durch die Ermittlungsbehörden ausgeübt wurde; Ostendorf, GA 1980, 445 (446 f.). Einen vergleichbaren argumentativen Ansatz vertritt Göbel, demzufolge die justi­ zielle Funktion der Staatsanwaltschaft erst nach Abschluss der Ermittlungstätigkeit („wenn das Forschen nach den Tatsachen beendet ist“) beginnen soll. Die Wirkungsbereiche vor diesem Zeitpunkt müssten in logischer Konsequenz zum „Kraftfelde der Exekutive“ gezählt werden; ­Göbel, NJW 1961, 856 (858); vgl. auch Koller, S. 116. Diese Ausführungen legen den Schluss nahe, dass das gesamte Ermittlungsverfahren sowie die in seinem Verlauf gesammelten Infor­ mationen dem Exekutivbereich zuzurechnen sind.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

a) Abgrenzung mithilfe des § 23 EGGVG Bei der Differenzierung nach den einzelnen Aufgabenbereichen könnte es sich anbieten, einen näheren Blick auf die Ausführungen zu § 23 EGGVG zu richten. Die §§ 23 ff. EGGVG regeln den Rechtsschutz gegenüber Verwaltungsmaßnahmen auf einzelnen enumerativ aufgezählten Rechtsgebieten und erweitern insofern die Entscheidungsbefugnis der ordentlichen Gerichte aus Gründen der Sachnähe.100 Eine grundlegende Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG ist dabei, dass es sich um die Tätigkeit einer Justizbehörde handeln muss. Die einzelnen Richter und Gerichte können nach allgemeiner Auffassung im Rahmen ihrer rechtsprechenden Tätigkeit – d. h. soweit sie in richterlicher Un­ abhängigkeit handeln – nicht als Justizbehörden im Sinne der §§ 23 EGGVG qua­ lifiziert werden.101 Demgegenüber wird die Staatsanwaltschaft sowohl im Rahmen ihrer Betätigung als Strafverfolgungsbehörde als auch bei der Wahrnehmung ih­ rer Funktionen als Vertreterin der Anklage (Anklagebehörde) im gerichtlichen Ver­ fahren, in der Vollstreckung und im Strafvollzug als Justizbehörde im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG angesehen.102 Dies gilt gleichermaßen auch für die Er­ mittlungspersonen der Staatsanwaltschaften (i. S. d. § 152 GVG), da diese ledig­ lich an ihrer Stelle handeln.103 Die Entscheidung, ob Ermittlungshandlungen als Justizverwaltungsakte zu qualifizieren sind, wird ferner davon abhängig gemacht, ob sie unmittelbare Wirkung entfalten und mit Eingriffen verbunden sind.104 In Konsequenz sollen beispielsweise Zeugenvernehmungen, Einholungen von Sach­ verständigengutachten, schriftliche Zeugenaussagen sowie polizeiliche Beobach­ tungen etc. im Ermittlungsverfahren keine Justizverwaltungsakte darstellen und einer gerichtlichen Überprüfung nach den § 23 ff. EGGVG entzogen sein. Eine Differenzierung nach der repressiven oder präventiven Natur oder nach dem Eingriffscharakter einer Maßnahme erweist sich jedoch hinsichtlich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit nicht als zielführend, da die Staats­ anwaltschaften im Rahmen ihrer Ermittlungen gerade keine präventiven Aufgaben wahrnehmen.105

100

Vgl. BVerwG NJW 1975, 893 sowie Kissel/Meyer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 6. Vgl. Kissel/Meyer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 16; KK-Schoreit, § 23 EGGVG Rn. 12; MeyerGoßner, StPO, § 23 EGGVG Rn. 2 und Radtke/Hohmann-Hagemeier, StPO, § 23 EGGVG Rn. 3, wo darauf hingewiesen wird, dass die ordentlichen Gerichte nur unter die Kategorie der Justizbehörden fallen, soweit sie sich in ihrer Eigenschaft als Organe der Justizverwaltung be­ tätigen. Es handle sich hierbei um einen „Schutz durch den Richter, nicht gegen ihn“. 102 Siehe Kissel/Meyer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 17. 103 Kissel/Meyer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 18. Vgl. zur Einordnung der Polizei die Ausführun­ gen weiter unten, im 9. Teil, C. III. 1. 104 Kissel/Meyer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 30. 105 Diese Maßnahmen sind ausschließlich repressiver Natur. 101

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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b) Abgrenzung anhand bestimmter Tätigkeiten oder generelle Betrachtung Unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Schwierigkeiten bei einer gene­ rellen Zuordnung der staatsanwaltschaftlichen Betätigung und in Ermangelung konkreter gesetzlicher Anknüpfungspunkte, an denen eine entsprechende Katego­ risierung festgemacht werden könnte, drängt sich wiederum die Schlussfolgerung auf, dass eine solche Einordnung nur anhand der jeweiligen Begebenheiten des Einzelfalls vorgenommen werden kann. Hierbei muss einerseits bedacht werden, dass weder die ermittlungsbehörd­liche Arbeit, noch die sonstigen staatlichen oder privaten Geheimhaltungsinteressen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren infolge einer Offenbarung von Informatio­ nen beeinträchtigt werden, welche allein die behördliche Verwaltungstätigkeit be­ treffen.106 Vielmehr werden diejenigen Informationen und Details, auf denen der weit überwiegende Teil der Kriminalberichterstattungen beruht, im Rahmen von Strafverfolgungsaufgaben gewonnen107 oder stehen mit diesen zumindest in einem engen Zusammenhang. Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, dass sich das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit in Strafsachen auf solche Informa­ tionen und Details beschränkt, die mit der Verfolgung und Aufklärung von Straf­ taten in Verbindung stehen (wie z. B. die Biografie, das Umfeld, die Persönlichkeit des Täters und des Opfers, Informationen zur Tatausführung, zum Verfahrensgang etc.). So liegt es geradezu in der Natur der Kriminalberichterstattung, dass sich diese mit dem strafrechtlich relevanten Geschehen befasst, wohingegen es kaum vorstellbar ist, dass sich das öffentliche und mediale Interesse in diesem Zusam­ menhang auf reine Verwaltungsvorgänge bezieht.108 Diesen Umständen trägt auch die gesetzgeberische Begründung Rechnung, nach der § 3 Nr. 1 g) IFG nur auf Akten der „Ausgangsbehörde“ Anwendung finden soll, wohingegen eine Informationsweitergabe durch die verfahrensführende Be­ hörde an den jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschriften zu messen sei.109 Aus der Begründung des Gesetzgebers geht zunächst hervor, dass es sich bei der „Aus­ 106

Vgl. Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 728. Ermittlungen dienen an erster Stelle der Vorbereitung einer Entscheidung darüber, ob der Einzelne bestraft werden soll oder nicht. Nur aus diesem Grunde werden den staatliche Stellen Auskunfts- und Informationsrechte zugebilligt und dem Einzelnen entsprechende Verpflichtun­ gen auferlegt, die notfalls sogar mit den Mitteln des Zwangs durchgesetzt werden können; vgl. Kettner, S. 32. Allerdings stehen nicht nur die Erkenntnisse und Informationen, die im Rahmen von Strafverfolgungsmaßnahmen gewonnen wurden, mit dem staatlichen Strafverfolgungsauf­ trag in einem engen Zusammenhang. Auch die aus eigener Ermittlungstätigkeit gewonnenen Erkenntnisse der staatlichen Stellen sowie reine „Zufallsfunde“ oder durch Dritte übermittelte Informationen können einen engen Zusammenhang zum Strafverfolgungsauftrag aufweisen, sobald sich die Ermittlungen auf diese Erkenntnisse stützen. 108 Anders ist dies natürlich zu beurteilen, wenn sich der eigentliche Tatvorwurf auf die Ver­ waltungstätigkeit einer Strafverfolgungsbehörde bezieht. 109 BT-Drucks. 15/4493 S. 10. 107

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

gangsbehörde“ gerade nicht um diejenige Behörde handeln kann, die mit der Durchführung der Ermittlungen betraut ist (bzw. die Staatsanwaltschaften, Ermitt­ lungsrichter und Polizeibehörden). Vielmehr kommen als „Ausgangs­behörden“ im zuvor genannten Sinn all diejenigen Behörden in Betracht, welche die ihnen vor­ liegenden Informationen beim Verdacht einer Straftat an die zustän­digen Ermitt­ lungsbehörden übermitteln (z. B. die Straßenverkehrsbehörden, Bau- und Gewerbe­ aufsichtsämter; Ordnungsämter, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs­aufsicht etc.). Während die spezialgesetzlichen Vorschriften (z. B. der Strafprozessordnung oder des Ordnungswidrigkeitengesetzes) nach der Auf­fassung des Gesetzgebers dazu dienten, in dem jeweiligen Ermittlungs-, Gerichts- oder ordnungsbehörd­ lichen Verfahren die Verfügbarkeit der erforderlichen Akten sicherzustellen, be­ treffe diese Vorschrift lediglich diejenigen Akten, welche der „Ausgangsbehörde“ vor­lägen. Nach Abschluss des Verfahrens stünden diese Akten einem Informa­ tionsanspruch – vorbehaltlich anderer Ausschlusstatbestände – wieder offen.110 § 3 Nr. 1 g) IFG statuiert ferner, dass ein Anspruch auf Informationszugang nicht be­ steht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf „die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Per­ son auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswid­ rigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen“ haben kann.111 Demnach darf die Auskunftserteilung und Akteneinsicht im Strafverfah­ ren nur nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (z. B. § 147 StPO und §§ 474 ff StPO) oder gegebenenfalls nach den jeweils einschlägigen Presse- und Mediengesetze gewährt werden, die sich jedoch nach der vorliegenden Unter­ suchung als ungeeignet und ungenügend erwiesen haben, was die Weitergabe von Ermittlungs­informationen durch die Ermittlungsbehörden an die Medien oder die Öffentlichkeit anbelangt.112 Aus den zuvor genannten Gründen bleibt festzuhalten, dass mit Blick auf die Tätigkeiten der Gerichte und der Staatsanwaltschaften im strafrechtlichen Ermitt­ lungsverfahren wiederum von einer Einzelbetrachtung abgewichen werden und die generalisierende These aufgestellt werden kann, dass diese Stellen im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit nicht nach den Informationsfreiheitsgesetzen auskunfts­ verpflichtet sind, da die begehrten Informationen gerade nicht im Zusammen­ hang mit der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben gewon­ nen wurden. Da der Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze folglich für die Staatsanwaltschaften und Gerichte regelmäßig nicht eröffnet ist (bzw. diese nicht als auskunftsverpflichtete Stellen im Sinne der Informationsfreiheitsgesetze qualifiziert werden können) haben die Regelungen keine Auswirkung auf die Öf­ fentlichkeitsarbeit dieser Stellen. 110

Siehe BT-Drucks. 15/4493 S. 10. Vgl. zum konkreten Regelungsbereich dieser Vorschrift die Ausführungen weiter unten, im 9. Teil, D. I. 1. a). 112 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 5. Teil. 111

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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III. Polizeibehörden und sonstige staatliche Stellen 1. Polizeibehörden Weiterhin gilt es zu erörtern, ob möglicherweise die Polizeibehörden als aus­ kunftsverpflichtete Stellen im Sinne der Informationsfreiheitsgesetze anzusehen sind. Dies liegt nahe, da Bundes- und Landesbehörden nach dem weit überwiegen­ den Teil der Informationsfreiheitsgesetze grundsätzlich vom Anwendungsbereich dieser Bestimmungen erfasst werden.113 Problematischer könnte die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Gesetze lediglich bei denjenigen landesrecht­lichen Re­ gelungen sein, welche die Strafverfolgungsbehörden vom Anspruch auf Informa­ tionszugang ausnehmen, soweit diese als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit tätig werden, oder solange sie keine öffentlichen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.114 In diesem Zusammenhang muss – wie bereits bei den einzelnen Bestimmungen der Informationsfreiheitsgesetze erörtert wurde – zunächst geklärt werden, unter welchen Umständen die Polizei als Strafverfolgungsbehörde zu qualifizieren ist. Folglich sollte danach differenziert werden, ob es sich bei der jeweiligen Tätigkeit um eine repressive Maßnahme zur Strafverfolgung handelt, oder ob diese rein prä­ ventiv auf die Abwehr bestimmter Gefahren gerichtet ist.115 Als dritter Aufgaben­ bereich polizeilicher Arbeit wird die vorbeugende Verbrechensbekämpfung (sog. Vorfeldermittlung) angeführt, der eine zweifache Zwecksetzung anhafte.116 Zum einen könnten Vorfeldermittlungen repressiver Natur sein, da sie Ermittlungshand­ lungen im Hinblick auf noch nicht begangene Straftaten darstellten. Zum anderen könnte es sich hierbei um die präventive Verhütung von Straftaten (bzw. um schä­ digende Ereignisse und damit gleichermaßen um Gefahren für die öffent­liche Si­ cherheit und Ordnung) als genuine Aufgabe der Gefahrenabwehr handeln.117 Maß­ nahmen der Polizeibehörden im Stadium strafrechtlicher Ermittlungen dienen primär der Aufklärung und Verfolgung strafbaren Verhaltens und sind von daher in aller Regel repressiver Natur.118 Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Poli­ 113

Vgl. insofern beispielhaft die Regelungen in § 1 Abs. 1 IFG Bund sowie in § 2 Abs. 1 BlnIFG. Vgl. hierzu die Vorschriften § 5 Nr. 1 HmbTG, § 3 Abs. 4 Nr. 1 IFG MV, § 2 Abs. 4 LIFG RP und § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG SH. Dieselbe Frage stellt sich auch bei anderen staatlichen Stel­ len, die als Strafverfolgungsbehörden tätig werden können (z. B. die Zollverwaltung sowie die Finanzverwaltung im Bereich des Abgabenrechts). 115 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen weiter oben, im 9. Teil, C. I. 5, 6, 8 und 11. 116 Vgl. Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 5 Rn. 31; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 371 ff. 117 Siehe Kindhäuser, Strafprozessrecht, § 5 Rn. 31. 118 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen bei Pieroth/Schlink/Kniesel, die darauf hinweisen, dass der Begriff der Gefahrenabwehr auch dem Strafrecht nicht vollkom­ men fremd sei, da Strafen unter anderem auch spezial- oder generalpräventiv wirken könnten. Im selben Zuge heben sie jedoch hervor, dass es sich hierbei lediglich um die rein hypotheti­ sche Gefahr zukünftiger Straftaten handeln würde, wohingegen die polizei- und ordnungsrecht­ liche Gefahrenabwehr stets auf die Beseitigung konkreter Gefahren abziele. Ferner sei es be­ 114

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

zei aufgrund eines konkreten Ersuchens der Staatsanwaltschaft für diese tätig wird (vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO), oder ob sie die Ermittlungen selbstständig aus­ führt und der Staatsanwaltschaft lediglich die Ermittlungsergebnisse übermittelt, da auch solche Maßnahmen strafrechtliche Ermittlungshandlungen darstellen.119 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im Bereich der sogenannten „doppelfunktionalen“ Maßnahmen (d. h. bei Maßnahmen, die zugleich präventiv polizei­ lichen Zwecken sowie Zielen der Strafverfolgung dienen).120 Diese Abgrenzung orientiert sich am Schwerpunkt der Tätigkeit und stellt dabei auf den jeweiligen Gesamteindruck ab, so dass beispielsweise bei einer polizeilichen Festnahme un­ tersucht werden muss, ob diese ihren Schwerpunkt auf dem Gebiet der präven­ tiven Gefahrenabwehr (z. B. nach § 30 ASOG Bln) oder der Strafverfolgung (gem. § 127 StPO) hat.121 Demzufolge muss mit Blick auf die vorliegende Untersuchung zunächst da­ nach unterschieden werden, ob die jeweiligen Informationen ursprünglich im Zusammenhang mit Aufgabenwahrnehmungen auf dem Gebiet der Gefahren­ abwehr erhoben wurden (und erst zu einem späteren Zeitpunkt in einem strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahren Verwendung finden122) oder im Rahmen laufender Er­mittlungen (bzw. während einer repressiven Tätigkeit) gewonnen wurden. Im erstgenannten Fall wären die Polizeibehörden grundsätzlich als auskunftspflich­ tige Stellen im Sinne der Informationsfreiheitsgesetze (d. h. bei denjenigen Lan­ desgesetzen, die entsprechende Vorschriften enthalten123) anzusehen,124 wohin­ reits überaus zweifelhaft, ob Strafen überhaupt eine präventive Wirkung zugesprochen werden könne; vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, § 2 Rn. 7. 119 Vgl. die Entscheidung des BVerwG NJW 1975, 893, in der deutlich wird, dass ein Tä­ tigwerden der Polizei auf eigene Initiative hin die Regel darstellt; siehe ferner OVG Hamburg NJW 1970, 1699 (1700) sowie OLG Hamburg NJW 1970, 1811. 120 Siehe Kissel/Meyer, GVG, § 23 EGGVG Rn. 19. 121 Kissel/Meyer, GVG, § 13 Rn. 427 und § 23 EGGVG Rn. 19. 122 Die Rechtslage beim Informationsfluss von „präventiv“ hin zu „repressiv“ ist bislang noch nicht endgültig geklärt. Daten der Behörden des Verfassungsschutzes sowie der Nachrichten­ dienste dürfen an die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden nur dann übermittelt wer­ den, wenn dies zum Zweck der Verfolgung von Staatsschutzdelikten geschieht (vgl. §§ 20, 21 BVerfSchG; § 9 BNDG; § 11 MADG); siehe Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 393.2. 123 Vgl. § 5 Nr. 1 HmbTG, § 3 Abs. 4 Nr. 1 IFG MV, § 2 Abs. 4 LIFG RP und § 3 Abs. 3 Nr. 2 IFG SH. 124 Die Frage, ob und unter welche Umständen die im Rahmen nicht strafprozessual-hoheit­ licher Maßnahmen gewonnenen personenbezogenen Daten in einem späteren Strafverfahren zu Beweiszwecken verwendet werden dürfen, ist durch den Gesetzgeber mit der Einführung des neuen § 161 Abs. 2 StPO geklärt worden (vgl. bezüglich der Wohnraumüberwachung auch § 161 Abs. 3 StPO); siehe BGBl. 2007 I S. 3198. Nach dieser Vorschrift dürfen auch Daten, die durch Maßnahmen auf der Grundlage anderer Gesetze (und dabei vor allem auf der Grundlage der Polizeigesetze und der Gesetze über die Nachrichtendienste) gewonnen wurden, im Straf­ verfahren zu Beweiszwecken genutzt werden, wenn dies dem Nachweis einer Straftat dient, aufgrund derer auch eine Anordnung der Maßnahme nach der StPO zulässig gewesen wäre (Grundsatz des hypothetischen Ersatzeingriffs); vgl. Graf-Patzak, StPO, § 161 Rn. 12; MeyerGoßner, StPO, § 161 Rn. 18; SK-StPO-Wohlers, § 161 Rn. 53.

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gegen im letzteren Fall ermittelt werden müsste, ob und wann die Polizeibehörden als Rechtspflegeorgane zu qualifizieren sind, sich aufgrund besonderer Rechtsvor­ schriften in richterlicher Unabhängigkeit betätigen oder Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.125 Die Polizei wird auch im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen offenkundig nicht aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher Unabhängigkeit tä­ tig. Weder übt sie rechtsprechende Gewalt aus, noch wird sie i. S. d. Art. 97 Abs. 1 GG und § 1 GVG unabhängig tätig. Die Polizei ist organisatorisch dem jeweili­ gen Innenministerium unterstellt und unterliegt zudem der Kontrolle bzw. dem Weisungsrecht der Staatsanwaltschaften (vgl. § 161 Abs. 1 StPO und § 152 Abs. 1 GVG). Somit bleibt lediglich zu prüfen, ob die Polizei im Rahmen ihrer Ermitt­ lungstätigkeit als Rechtspflegeorgan angesehen werden kann. Dagegen spricht, dass sich die Polizeibehörden im Gegensatz zu den anderen Rechtspflegeorganen (bzw. den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Strafvertei­digern usw.) nicht mit der rechtlichen Würdigung von Vorgängen befassen, sondern rein tatsächliche Aufgaben erledigen (wie die Ermittlung des Sachverhalts, die Er­ hebung der Beweise etc.). Zur rechtlichen Würdigung sind die Ermittlungsergeb­ nisse vielmehr ohne Verzug der zuständigen Staatsanwaltschaft zu übermitteln (vgl. § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO), die darüber entscheidet, wie weiter verfahren wer­ den soll. Weiterhin ist die Teilnahme der Staatsanwaltschaft in der strafrecht­lichen Hauptverhandlung zwingend vorgeschrieben (vgl. § 226 Abs. 1 StPO), womit ihr – wie auch dem Gericht und dem Strafverteidiger in Fällen der notwendigen Vertei­ digung gem. §§ 140, 231 a IV StPO – die Aufgabe zukommt, ein prozessordnungs­ gemäßes Verfahren zu ermöglichen. Eine solche zwingende Mitwirkungspflicht der Polizei existiert demgegenüber nicht. Für die Zugehörigkeit der Polizei zu den Rechtspflegeorganen kann dagegen angeführt werden, dass diese – gleich der Staatsanwaltschaft (vgl. §§ 160 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 1 StPO) – verpflichtet ist, sowohl die belastenden als auch die ent­ lastenden Umstände zu ermitteln und entsprechende Beweise zu erheben.126 Des Weiteren wird das Ermittlungsverfahren zwar in der Theorie von der Staatsan­ waltschaft geleitet und durchgeführt (vgl. § 160 StPO), jedoch liegt die tatsächli­ che Herrschaft über diesen Verfahrensabschnitt in der Praxis (mit Ausnahme be­ 125 Für die von der Informationsweitergabe betroffenen Personen macht es hingegen keinen Unterschied, ob die Erkenntnisse ursprünglich auf der Basis präventiv-polizeilicher Gefahren­ abwehrmaßnahmen gewonnen wurden, oder ob die zugrunde liegenden Maßnahmen im Zu­ sammenhang mit dem Strafverfolgungsauftrag standen. Aus Sicht der Betroffenen kommt es nur darauf an, welche Informationen herausgegeben und veröffentlicht werden, ganz gleich, ob diese auf schlichter Recherchetätigkeit, eigenen Beobachtungen, Anfragen bei anderen Be­ hörden etc., oder auf Maßnahmen i. S. d. §§ 94 ff. StPO beruhen. Die Frage nach der Recht­ mäßigkeit der ermittlungsbehördlicher Maßnahmen, bei denen die jeweiligen Informationen gewonnen wurden, kann sich jedoch im Rahmen der Prüfung von Beweiserhebungs- und Ver­ wertungsverboten oder bei Ansprüchen auf Schadensersatz, Berichtigung etc. auswirken. 126 Graf-Patzak, StPO, § 163 Rn. 5.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

sonders bedeutender Strafverfahren) zumeist in den Händen der Polizei.127 Dies folgt daraus, dass die Staatsanwaltschaften keine eigenen ausführenden Organe besitzen128 und allein die Polizei über die notwendige kriminalistische Erfahrung sowie die sachlichen und personellen Mittel und Möglichkeiten verfügt, um (ge­ rade im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität) die Ermittlungen effektiv durchzuführen.129 Andererseits gilt es in diesem Zusammenhang zu beachten, dass es sich bei der Tätigkeit der Polizei im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren unter rechtlichen Gesichtspunkten um eine Tätigkeit der Staatsanwaltschaft handelt, so dass sich die Voraussetzungen, unter denen eine Informationsweitergabe zu­lässig ist, nach den für die Staatsanwaltschaften geltenden Maßstäben und Vorschriften richtet.130 Letztlich sprechen in rechtlicher Hinsicht die besseren Argumente da­ für, die Polizei mit Blick auf ihre Ermittlungstätigkeit den Staatsanwaltschaften gleichzusetzen und als Rechtspflegeorgan zu behandeln. Von daher erstrecken sich die Auskunftsansprüche der in Rede stehenden Informationsfreiheitsgesetze auch nicht auf solche Informationen, die im Rahmen polizeilicher Ermittlungstätigkeit gewonnen wurden. 2. Sonstige Behörden Weiterhin ist zu klären, ob die Informationsfreiheitsgesetze Auswirkungen auf den Zugang zu Informationen bei anderen Behörden haben könnten, die zwar über Informationen verfügen, welche ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren betref­ fen, selber jedoch nicht mit den Ermittlungen betraut sind. Wie bereits einleitend geschildert wurde, können nahezu alle öffentlichen Stellen (z. B. Straßenverkehrs­ behörden, Bau- und Gewerbeaufsichtsämter; Ordnungsämter, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht etc.) im Rahmen ihrer behördlichen Arbeit auf Informationen stoßen, welche den Verdacht einer Straftat nahelegen. Gleicher­ maßen verdeutlicht § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO, dass die Staatsanwaltschaften nicht nur berechtigt sind, von sämtlichen Behörden Auskunft zu verlangen, sondern dass diese Behörden gleichermaßen dazu verpflichtet sind, dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft nachzukommen.131 Dies ist auch (als „argumentum a maiore ad minus“) § 96 StPO zu entnehmen, demzufolge eine grundsätzliche Verpflich­ tung besteht, den Staatsanwaltschaften alle Akten oder andere in amtlicher Ver­ wahrung befindliche Schriftstücke vorzulegen oder auszuliefern. In demselben Umfang müssen die Verwaltungsbehörden erst recht dazu angehalten sein, dem 127

Vgl. Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 722; KK-Pfeiffer/Hannich, Einl Rn. 77. Siehe KK-Pfeiffer/Hannich, Einl Rn. 77. 129 Vgl. LR-Erb, Vor § 158 Rn. 34 f. 130 So im Hinblick auf das IFG NRW Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 721 f. 131 Vgl. hierzu BVerfG NJW 1981, 1719 (1723) sowie KK-Griesbaum, § 161 Rn. 2, der be­ tont, dass sich diese Verpflichtung aller Behörden nicht nur aus Art. 35 Abs. 1 GG ergebe, wo­ nach alle Behörden des Bundes und der Länder sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten, sondern unmittelbar aus § 161 StPO resultiere. 128

C. Auskunftsverpflichtete Stellen nach den Informationsfreiheitsgesetzen

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einfacher zu erfüllenden staatsanwaltschaftlichen Auskunftsersuchen nachzukom­ men.132 Zudem bestimmt § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO, dass eine entsprechende Be­ fugnis der Behörden und Beamten der Polizei besteht, soweit diese aufgrund eines Ersuchens oder im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig werden. Wenn die Verwaltungsbehörden von sich aus (aufgrund eigener Verdachts­ momente) oder veranlasst durch die Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden Auskünfte erteilen oder Akten oder andere in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke übermitteln, stellt sich nunmehr die Frage, ob die in Rede stehenden Informationen über die Informationsfreiheitsgesetze von den nicht mit den Ermitt­ lungen betrauten Verwaltungsbehörden herausgefordert werden können.133 Dass diese Behörden grundsätzlich als auskunftsverpflichtete Stellen im Sinne der Informationsfreiheitsgesetzen in Betracht kommen, ging bereits aus der gesetz­ geberischen Begründung zu § 3 Nr. 1 g) IFG hervor.134 Diese machte deutlich, dass es Aufgabe der spezialgesetzlichen Vorschriften (z. B. der Strafprozess­ordnung oder des Ordnungswidrigkeitengesetzes) sei, die Verfügbarkeit der erforderlichen Akten im Ermittlungs-, Gerichts-, oder ordnungsbehördlichen Verfahren sicher­ zustellen, wohingegen § 3 Nr. 1 g) IFG nur auf diejenigen Akten Anwendung fin­ den soll, welche der „Ausgangsbehörde“ vorlägen.135 Da es sich bei den sog. „Aus­ gangsbehörden“ gerade nicht um die mit den Ermittlungen betrauten Behörden handeln kann, kommen diesbezüglich all diejenigen Behörden in Betracht, welche ermittlungsrelevante Informationen, Akten und Schriftstücke etc. an die Ermitt­ lungsbehörden übermitteln. Aufgrund der weit gefassten Formulierungen in den Informationsfreiheitsgesetzen ist ferner davon auszugehen, dass nahezu alle Be­ hörden, Körperschaften, Stiftungen, Anstalten, Gemeinden etc. grundsätzlich zur Auskunft nach diesen Gesetzen verpflichtet sein sollen, solange kein Auskunfts­ verweigerungstatbestand greift.136

132

Siehe KK-Griesbaum, § 161 Rn. 2. Vgl. hierzu LR-Franke, § 152 GVG Rn. 25. In diesem Sinne hebt Seidel mit Blick auf die Gesetzessystematik des IFG NRW hervor, dass es sich bei der Behörde, von der die beein­ trächtigenden Informationen verlangt werden, um eine andere öffentliche Stelle als die Staats­ anwaltschaft handeln muss; vgl. Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 728. 134 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter oben, im 9. Teil, C. II. 2. b). 135 BT-Drucks. 15/4493 S. 10. Ferner erstreckt sich der Verweigerungsgrund des § 3 Nr. 1 g) IFG im Falle eines behördlichen Vorverfahrens auch auf die Informationen der Widerspruchs­ behörde; vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 78. 136 Vgl. zu den einzelnen Auskunftsverweigerungsgründen die Ausführungen im folgenden Abschnitt weiter unten, im 9. Teil, D. 133

266

9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

D. Versagungsgründe Da im Grunde alle Verwaltungsbehörden nach den Informationsfreiheitsgesetzen auskunftsverpflichtet sind, soll nunmehr untersucht werden, wie sich die in den je­ weiligen Gesetzen geregelten Ausschlusstatbestände auf die hier zu untersuchende Problematik auswirken. Da der überwiegende Teil der Strafver­folgungsbehörden bereits von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsge­ setze herausfällt – zumindest soweit keine Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden – richten sich die nun zu erörternden Ausschlusstatbestände in erster Linie an diejenigen Behörden (z. B. Ordnungsämter, Straßenverkehrsbehörden etc.), die selber nicht zur Strafverfolgung tätig werden, jedoch über Informationen verfügen, welche für die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen von Bedeutung sind.

I. Versagungsgründe des IFG Zunächst sollen die Ausnahmetatbestände der §§ 3 ff. IFG137 behandelt werden, die bei der hier zu untersuchende Problematik – d. h. bei der Weitergabe von In­ formationen während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens – relevant sein könnten.138 1. § 3 IFG (Schutz der besonderen öffentlichen Belange) Nach § 3 IFG ist ein Anspruch auf Informationszugang ausgeschlossen, wenn die Informationsgewährung dem Schutz besonderer öffentlicher Belange zuwider laufen würde. a) § 3 Nr. 1 g) IFG Für die hier zu erörternde Problemstellung könnte die Ausnahmeregelung des § 3 Nr. 1 g) IFG eine hohe Relevanz besitzen. Danach ist der Zugang zu behörd­ lichen Informationen zwingend zu unterbinden, wenn das Bekanntwerden der In­ formationen nachteilige Auswirkungen auf „die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher […] Ermittlungen“ haben kann.139 137 Nach Püschel handelt es sich bei den §§ 3 ff. IFG um Ausprägungen der weitgehend ver­ fassungsrechtlich vorgezeichneten Grenzen der Informationsfreiheit; siehe Püschel, AfP 2006, 401 (405). 138 Vgl. zur grundlegenden Systematik der §§ 3 ff. IFG bereits die Ausführungen oben, im 9. Teil, B. 139 Siehe Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 12; Schoch, IFG, Vorb. §§ 3 bis 6 Rn. 66 und § 3 Rn. 3. Rossi spricht von den „negativen Voraussetzungen des Zugangsanspruchs“, bei deren

D. Versagungsgründe

267

aa) Laufende Gerichtsverfahren Der Begriff des Gerichtsverfahrens erfährt durch diese Vorschrift keinerlei Ein­ schränkungen, so dass auch Verfahren der Strafgerichtsbarkeit darunter fallen.140 Nach dem unmissverständlichen Wortlaut dieser Regelung ist die Informations­ verweigerung jedoch auf laufende Gerichtsverfahren begrenzt. Unabhängig davon, ob das gerichtliche Verfahren im Strafverfahren bereits mit der Anklage­erhebung gem. § 151 StPO beginnen soll141 oder ob der Beginn des gerichtlichen Verfahrens­ abschnitts von einem förmlichen Eröffnungsbeschluss des Gerichts i. S. d. § 203 StPO abhängig gemacht wird,142 kann das zeitlich vorgelagerte Ermittlungsverfah­ ren unter keinen Umständen als Teil des laufenden Gerichtsverfahrens angesehen werden, so dass diese Alternative des § 3 Nr. 1 g) IFG im Rahmen der hier zu be­ urteilenden Konstellation keinesfalls einschlägig ist.143 bb) Anspruch auf ein faires Verfahren Der Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren im Sinne der zweiten Alter­ native des § 3 Nr. 1 g) IFG stellt – wie bereits zuvor erörtert wurde144 – eine der zen­ tralen Verfahrensgarantien für den Beschuldigten des Strafverfahrens dar.145 Jast­ row/Schlatmann heben hervor, dass dieser Verfahrensgrundsatz auslegungs­fähig und vergleichsweise unbestimmt sei und von daher eine Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen erfasse, wodurch die Anwendung des Informationsfreiheitsgeset­

Vorliegen der Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schon auf tatbestandlicher Ebene aus­ geschlossen sei, ohne dass der Behörde auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eingeräumt werde; vgl. Rossi, IFG § 3 Rn. 1; in diesem Sinne auch Kugelmann, IFG, § 3 Rn. 1. 140 Vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 80. 141 So Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 53, denen zufolge es bei der Begründung der Rechts­ hängigkeit durch die Erhebung der öffentlichen Klage i. S. d. § 151 StPO irrelevant sei, dass eine gerichtliche Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch ausstehe. Gleich­ zusetzen mit der staatsanwaltschaftlichen Anklageerhebung ist der Antrag der Staatsanwalt­ schaft auf Erlass eines Strafbefehls nach § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO; vgl. Berger/Roth/ScheelRoth, IFG, § 3 Rn. 75. 142 In diesem Sinne Meyer-Goßner, StPO, § 151 Rn. 2. 143 Letztlich sprechen die besseren Argumente dafür, den Beginn des gerichtlichen Verfah­ rens auf den Zeitpunkt der Anklageerhebung nach § 151 StPO oder den Zeitpunkt des staats­ anwaltschaftlichen Antrags auf Erlass eines Strafbefehls nach § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO zu le­ gen, da die Zuständigkeit über den weiteren Verfahrensverlauf in diesem Moment auf den Richter übergeht (vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 608) und andernfalls während des Zwi­ schenverfahrens Regelungslücken bestehen würden; i.d.S. auch Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 75. 144 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 7. Teil, D. I. 145 Vgl. hierzu Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 60 sowie Schoch, IFG, § 3 Rn. 86, der von einem „Fremdkörper“ im IFG spricht. Vgl. auch hierzu wiederum die Erörterungen oben, im 7. Teil, D. I.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

zes nicht unbedingt erleichtert werde.146 Jedoch lasse sich der Grundsatz des fairen Verfahrens dahingehend konkretisieren, dass durch ihn ein rechtsstaatliches Ver­ fahren gewährleistet sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör abgesichert werde und er zudem zum Schutz vor Vorverurteilungen beitrage.147 Gegenüber den bei­ den anderen Alternativen des § 3 Nr. 1 g) IFG besitzt der Ausschlussgrund der Beeinträchtigungen des Rechts auf ein faires Verfahren eine eigenständige Be­ deutung, da dieser nicht auf die Gefahren für die tatsächliche Durchführung eines Gerichts- oder Ermittlungsverfahrens abstellt, sondern in erster Linie die Verfah­ rensrechte des Beschuldigten im Blick hat. cc) Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren beginnt gem. § 160 StPO mit der Auf­ nahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft148 auf der Grundlage eines Anfangsverdachts149 und endet mit der Erhebung der öffentlichen Klage (vgl. § 170 Abs. 1 StPO) oder der Einstellung des Verfahrens (vgl. §§ 153 ff. StPO und § 170 Abs. 2 StPO). Nach der Gesetzesbegründung wird auch die polizeiliche Er­ mittlungstätigkeit von den „strafrechtlichen Ermittlungen“ erfasst.150 In diesem Sinne hatte das VG Frankfurt a. M. in einigen Fällen darüber zu ent­ scheiden, ob die Verweigerung des Zugangs zu amtlichen Informationen unter Be­ rufung auf den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 1 g) IFG zulässig war.151 Diesen Entscheidungen war ein erstes Urteil des VG Frankfurt a. M. vom 23. Januar 2008 vorausgegangen, in welchem sich das Gericht mit einem auf das IFG gestützten und an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)152 gerichteten Antrag einer klagenden Rechtsanwaltskanzlei auf Informationsherausgabe ausein­

146

Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 60. Vgl. Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 60. Gegen die von Jastrow/Schlatmann vertretene Ansicht, nach der § 3 Nr. 1 g) IFG den Beschuldigten unter anderem auch vor Vorverurteilun­ gen schützen soll, spricht der Wortlaut dieser Vorschrift, der lediglich den Anspruch auf ein fai­ res Verfahren erfasst. Gleichgültig, ob man diesen Grundsatz aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG oder aus Art. 6 Abs. 2 EMRK ableitet, deckt er sich nicht mit der zugunsten des Beschuldigten streitenden Unschuldsvermutung. 148 Schoch, IFG, § 3 Rn. 83. In Eilfällen kann das Ermittlungsverfahren auch von der Polizei gem. § 163 StPO oder dem Ermittlungsrichter gem. § 165 StPO initiiert werden; vgl. Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 310. 149 Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die nach den kriminalistischen Erfahrungen die Beteiligung des Betroffenen an einer verfolgbaren straf­ baren Handlung als möglich erscheinen lassen, vgl. § 152 Abs. 2 StPO. 150 Vgl. BT-Drucks. 15/4493 S. 10 und Schoch, IFG, § 3 Rn. 83. 151 Vgl. insofern die Beschlüsse des VG Frankfurt a. M. vom 10.07.2009 – 7 L 1556/09.F, vom 28.07.2009 – 7 L 1553/09.F und vom 30.08.2010 – 7 L 1957/10.F sowie die Urteile des VG Frankfurt a. M. vom 11.11.2008 – 7 E 1675/07 (2) und vom 26.03.2010 – 7 K 243/09.F. 152 In dem Prozess befand sich die BaFin in der Rolle der Beklagten. 147

D. Versagungsgründe

269

andersetzen musste.153 Die Klägerin, die hinsichtlich des Beteiligungserwerbs der Porsche AG bei der Volkswagen AG zivilrechtliche Ansprüche verfolgte, begehrte von der beklagten BaFin Auskunft darüber, ob diese ein Verfahren gegen Porsche oder Volkswagen wegen Verstoßes gegen Insiderhandelsverbote oder aufgrund von Verstößen gegen Publizitätsvorschriften führe.154 Dabei wurde der Ausschluss­ grund des § 3 Nr. 1 g) IFG von dem Gericht jedoch nur kurz angesprochen, da des­ sen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorlagen.155 In den eingangs erwähnten Entscheidungen des VG Frankfurt a. M. hatte sich das Gericht hingegen damit auseinanderzusetzen, ob die Gewährung von Akten­ auskunft und Akteneinsicht durch die BaFin nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines anhängigen Ermittlungsverfahrens haben könnte und die entsprechenden Anträge von daher nach § 3 Nr. 1 g) IFG abschlägig zu beschei­ den waren.156 Nach der Auffassung des Gerichts soll der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 g) IFG immer dann eingreifen, wenn eine Verfahrensbeeinträchtigung in­ folge der Informationsoffenbarung zumindest möglich erscheint.157 Infolgedessen sei der Informationsanspruch zumeist für die gesamte Dauer des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen, so dass die Auskunftsverweigerungen der ­BaFin vom VG Frankfurt a. M. in den angesprochenen Entscheidungen durchweg für rechtmäßig erachtet wurden, zumal die zuständigen Staatsanwaltschaften auf Nachfrage angaben, dass im Falle einer Informationsweitergabe eine Gefährdung des Untersuchungszwecks der Ermittlungen zu befürchten sei.158 dd) Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 3 Nr. 1 g) IFG Fraglich ist weiterhin, ob und inwieweit die in § 3 Nr. 1g) IFG angeführten Schutzgüter/besonderen öffentlichen Belange infolge eines Auskunftsersuchens bei den auskunftspflichtigen Stellen der nicht an den Ermittlungen beteiligten Ver­ waltungsbehörden tatsächlich beeinträchtigt werden können.

153

VG Frankfurt a. M. NVwZ 2008, 1384 ff. Siehe VG Frankfurt a. M. NVwZ 2008, 1384. 155 Vgl. VG Frankfurt a. M. NVwZ 2008, 1384 (1387). 156 Siehe die Beschlüsse des VG Frankfurt a. M. vom 10.07.2009 – 7 L 1556/09.F, vom 28.07.2009 – 7 L 1553/09.F und vom 30.08.2010 – 7 L 1957/10.F sowie die Urteile des VG Frankfurt a. M. vom 11.11.2008 – 7 E 1675/07 (2) und vom 26.03.2010 – 7 K 243/09.F. 157 Vgl. insofern auch Rossi, IFG, § 3 Rn. 31 sowie Schoch/Kloepfer, IFG-ProfE, § 5 Rn. 13. Diese Ansicht wird durch den Wortlaut des § 3 Nr. 1 g) IFG gestützt, nach dem es ausreicht, wenn die Bekanntgabe von Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben „könnte“. 158 Vgl. hierzu wiederum die Beschlüsse des VG Frankfurt a. M. vom 10.07.2009 – 7 L 1556/09.F, vom 28.07.2009 – 7 L 1553/09.F und vom 30.08.2010 – 7 L 1957/10.F sowie die Urteile des VG Frankfurt a. M. vom 11.11.2008 – 7 E 1675/07 (2) und vom 26.03.2010 – 7 K 243/09.F. 154

270

9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

Die Veröffentlichung von Ermittlungserkenntnissen und -informationen kann unzweifelhaft konkrete nachteilige Auswirkungen auf den weiteren Fortgang der Ermittlungen haben, wenn hierdurch der Erfolg bestimmter Ermittlungsmaß­ nahmen (i. S. d. §§ ff. 94 StPO) beeinträchtigt wird.159 Als weitaus problemati­ scher erweist sich die Frage, wann die Herausgabe von Ermittlungsinformationen nach­teilige Auswirkungen auf den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Ver­ fahren160 sowie die generelle Durchführungen der Ermittlungen haben kann, und welcher Maßstab bei dieser Beurteilung zugrunde zu legen ist. Dabei muss geklärt werden, ob eine abstrakte Gefährdungslage für die in § 3 Nr. 1 g) IFG genannten Schutzgüter ausreicht oder ob diesbezüglich eine konkrete Gefährdung zu fordern ist. Gerade in Fällen mittelbarer Beeinflussungen (so z. B. wenn sich der öffent­ liche Druck auf das Strafmaß, die Aussetzung der Strafe zur Bewährung oder die Anordnung einer Sicherungsverwahrung auswirkt161) lässt sich ein konkreter Zu­ sammenhang zu der behördlichen Informationsweitergabe und der medialen Be­ richterstattung nur äußerst schwer nachweisen.162 Schoch zufolge kann der Zweck dieser Bestimmung nicht darin erblickt wer­ den, die Entscheidungsorgane oder die Verfahrensbeteiligten vor dem Druck der Öffentlichkeit, am Verfahrensausgang interessierten Dritten oder der Person des Antragsstellers selbst zu schützen.163 Das Interesse der Öffentlichkeit am Aus­ gang eines Verfahrens sei in einem demokratischen Rechtsstaat mit funktionieren­ dem Grundrechtsschutz und einer freien öffentlichen Meinungsbildung vielmehr als überaus legitim zu erachten.164 Die Unabhängigkeit sowie die Entscheidungs­ freiheit der jeweiligen Entscheidungsträger könnten dabei nur durch ihre eigene innere Haltung gewahrt werden.165 Diese Ansicht erscheint jedoch problematisch angesichts des oftmals beträcht­ lichen öffentlichen Drucks, der bereits im Ermittlungsverfahren auf den Ver­ fahrensbeteiligten, Entscheidungsorganen oder unbeteiligten Dritten lastet. Nicht nur die Vorkommnisse der jüngeren Vergangenheit166 haben gezeigt, dass das me­ diale Interesse und der hierdurch vermittelte öffentliche Druck in besonders spek­ takulären Strafverfahren so erheblich sein können, dass ernstzunehmende Gefah­ ren für den ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs, den „fair-trial“ Grundsatz und die zugunsten des Beschuldigten streitende Unschuldsvermutung drohen.167 In die­ 159

Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben, im 7.Teil, A. I. Vgl. auch hierzu die Ausführungen oben, im 7. Teil, D. I. 161 Vgl. insofern Gerhardt, ZRP 2009, 247 ff. 162 Gerhardt macht auf die Probleme aufmerksam, die sich hinsichtlich des Nachweises einer konkreten Einflussnahme stellen, vgl. Gerhardt, ZRP 2009, 247 ff. 163 Schoch, IFG, § 3 Rn. 76. 164 Schoch, IFG, § 3 Rn. 76. 165 Schoch, IFG, § 3 Rn. 76. 166 Vgl. hierzu die Beispiele bei Schrag, AnwBl. 2011, 526. 167 Vgl. zu den möglichen Auswirkungen einer medialen Berichterstattung auf den Grundsatz des fairen Verfahrens bereits die Ausführungen oben, im 7. Teil, D. I. Vgl. ferner zum Einfluss der medialen Gerichtsberichterstattung auf das Strafverfahren: Gerhardt, ZRP 2009, 247 ff., 160

D. Versagungsgründe

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sem Sinne führte auch das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung zum ähnlich formulierten Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 2 des alten Umwelt­ informationsgesetzes168 aus, dass diese Vorschrift zumindest auch dem Schutz der Strafrechtspflege vor Beeinträchtigungen durch die Veröffentlichung verfah­ rensrelevanter Informationen diene.169 Nach Überzeugung der Verwaltungs­richter sei nicht nur zu befürchten, dass der freie Informationszugang zu Veränderungen der Verfahrenspositionen, mittelbaren Einwirkungen auf die Beweislage sowie zu Vereitelungen bestehender Aufklärungsmöglichkeiten und damit letztendlich zu Beeinträchtigungen des gesamten ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs führen werde. Vielmehr könnten die erlangten Informationen gleichermaßen dazu genutzt werden, Druck auf die jeweiligen Entscheidungsträger auszuüben.170 Demzufolge diene diese Vorschrift nicht nur der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfah­ rensablaufs, sondern darüber hinaus auch dem Schutz der Unabhängigkeit und der Entscheidungsfreiheit der Rechtspflegeorgane.171 Dagegen wird eingewandt, dass sich die von § 3 Nr. 1 g) IFG geforderte Gefähr­ dungslage deutlich von derjenigen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG 1994 unterscheide.172 Während das Bundesverwaltungsgericht für die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG 1994 das schlichte Bekanntwerden von Informationen genügen ließ, sei für die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 g) IFG die ernsthafte Möglichkeit einer Verfahrensbeeinträchtigung notwendig.173

sowie Boehme-Neßler, ZRP 2009, 228 ff. Trüg hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass in Strafverfahren gegen Personen des öffentlichen Lebens Fragen nach der Reichweite und den Grenzen der Medienarbeit zunehmend an Bedeutung gewonnen hätten, da auch die Öffentlich­ keitsarbeit der Strafverfolgungsbehörden immer offensiver geworden sei; Trüg, NJW 2011, 1040 (1041). 168 Diese Vorschrift entspricht dem jetzigen § 8 Abs. 1 Nr. 3 UIG. 169 BVerwG NVwZ 2000, 436 (438). 170 BVerwG NVwZ 2000, 436 (438); so auch VG Frankfurt a. M. NVwZ 2006, 1321 (1325); a. A. VGH Mannheim, nach dem es dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widerspreche, Straf­ verfahren vor dem öffentlichen Meinungsdruck zu schützen, da eine entsprechend weite In­ terpretation nicht mit dem System der Gewährung von Umweltinformationsansprüchen zu vereinbaren sei. Wenn diese Regelung vor jeglichen „denkmöglichen äußeren Einflüssen auf ein Ermittlungs- oder Strafverfahren durch die Veröffentlichung von Umweltinformationen“ Schutz bieten würde, wäre der Grundsatz des freien Zugangs zu umweltbezogenen Informatio­ nen infolge dieser Ausnahmevorschrift weitgehend untergraben. Ferner soll gerade in Umwelt­ strafverfahren ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit bestehen, auch vor dem Abschluss des Verfahrens die entsprechenden Umweltdaten zu erlangen; vgl. VGH Mannheim NVwZ 1998, 987 (988). Diese Argumentation des VGH Mannheim vermag jedoch bei dem mate­riell voraussetzungslosen Informationszugangsanspruchs nach dem IFG nicht zu überzeugen, da dieser Anspruch gerade nicht auf einen bestimmten sachlichen Bereich (der die Allgemeinheit zudem in besonderem Maße betrifft) beschränkt ist. 171 BVerwG NVwZ 2000, 436 (438). 172 Schoch, IFG, § 3 Rn. 87. 173 Schoch, IFG, § 3 Rn. 87; in diesem Sinne auch Kloepfer, K&R 2006, 19 (21 f.) und Rossi, IFG, § 3 Rn. 31.

272

9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

Hiergegen spricht jedoch der weit gefasste Wortlaut dieser Norm, nach dem der Informationszugang zu versagen ist, wenn dieser nachteilige Auswirkungen für ein Schutzgut i. S. d. § 3 Nr. 1 IFG haben „kann“. Der Wortlaut legt es nahe, die schlichte Möglichkeit eines „irgendwie gearteten geringfügigen Nachteils“ für eines der dort genannten Rechtsgüter genügen zu lassen.174 In diesem Sinne hebt auch Rossi hervor, dass der Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 1 g) IFG fast immer einschlägig sei, wenn der Auskunftsanspruch gegenüber staatlichen Stellen gel­ tend gemacht werde, die nicht selber mit der Durchführung strafrechtlicher Ermitt­ lungen betraut sind und die nachgefragten Informationen einen Bezug zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren aufweisen.175 Es könne nur in den seltensten Fällen ausgeschlossen werden, dass es infolge der Veröffentlichung von Ermitt­ lungsdetails und einer damit einhergehenden Zunahme des öffentlichen Drucks auf das Strafverfahren zu Verfahrensbeeinflussung komme.176 Die Auffassung von Rossi erscheint vorzugswürdig. Als Argumente hierfür sprechen nicht nur der weit gefasste Wortlaut der Regelung, sondern vor allem der Umstand, dass es kaum Sinn und Zweck dieser Vorschrift sein kann, wenn Infor­ mationen aus dem Ermittlungsverfahren heraus verlangt werden könnten, welche die Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden nicht offenbaren dürfen. Die Ge­ fahr einer Verfahrensbeeinflussung beschränkt sich zudem keinesfalls auf die mit der Entscheidung betrauten Spruchkörper der Gerichte, sondern kann sich glei­ chermaßen in der Entscheidung der Staatsanwaltschaft realisieren, ob Anklage erhoben oder das Verfahren in Ermangelung eines hinreichenden Tatverdachts oder aus Opportunitätsgründen eingestellt werden soll.177 Demnach ist zumin­ dest mit Blick auf diejenigen Ausschlusstatbestände, deren Wortlaut („nachtei­ lige Auswirkungen […] haben kann/könnte“)178 bereits die abstrakte Möglichkeit einer Verfahrensbeeinträchtigung genügen lässt, festzuhalten, dass diese zu kei­ ner nennenswerten Erweiterung des medialen und öffentlichen Zugangs zu sol­ chen Informationen führen werden, die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren betreffen. 174

Siehe Sokol, CR 2005, 835 (839), nach der mindestens eine konkret absehbare Gefähr­ dung verlangt werden sollte; vgl. ferner Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (952); vgl. im Hinblick auf den weit gefassten Wortlaut auch die kritischen Anmerkungen von Wendt, AnwBl. 2005, 702 (703), der die Formulierung „Nachteil hat“ bevorzugen würde. 175 Siehe Rossi, IFG, § 3 Rn. 31. 176 Vgl. Rossi, IFG, § 3 Rn. 31. Anders ist dies nach der Auffassung von Burkhardt und Soehring mit Blick auf die Auskunftsverweigerungsgründe der Landespresse- und Landes­ mediengesetzen zu beurteilen, wo aufgrund des zu weit gefassten Wortlautes im Wege einer re­ striktiven Auslegung eine konkrete Verfahrensgefährdung gefordert werden müsse; vgl. Löff­ ler-Burkhardt, Presserecht, § 4 Rn. 97 sowie Soehring, Presserecht, § 4 Rn. 58. 177 Siehe auch Rossi, IFG, § 3 Rn. 31, demzufolge die Möglichkeit einer Beeinflussung ge­ richtlicher Entscheidungen durch den öffentlichen Meinungsdruck fast niemals vollkommen ausgeschlossen werden kann. 178 Vgl. § 3 Nr. 1 g) IFG sowie die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen in § 9 Abs. 1 Satz 2 BlnIFG, § 4 Abs. 1 Nr. 4 AIG Bbg, § 3 Nr. 1 d) Brem IFG, 3 Abs. 1 Nr. 1 e) IZG LSA, § 9 Nr. 3 IFG SH.

D. Versagungsgründe

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Anders verhält es sich hingegen bei denjenigen Ausschlusstatbeständen, deren Wortlaut das Erfordernis einer konkreten Gefahr der Beeinträchtigung des straf­ rechtlichen Ermittlungsverfahrens nahe legt (vgl. insofern die Formulierungen „[…] nachteilige Auswirkungen […] haben würde/hätte“).179 Im Geltungsbereich dieser noch zu erörternden landesrechtlichen Bestimmungen180 ist es durchaus denkbar, dass es zu einer Erweiterung der Informationspolitik staatlicher Stel­ len auch bei solchen Informationen kommen kann, die einen Zusammenhang zu strafrechtlichen Ermittlungen aufweisen. Dabei muss jedoch weiter geprüft wer­ den, ob ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nicht bereits auf­ grund eines anderen landesrechtlichen Ausschlusstatbestandes abschlägig zu be­ scheiden ist (z. B. nach den Regelungen zum Schutz anderer öffentlicher Belange, zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder zum Schutz personen­ bezogener Daten). b) § 3 Nr. 4 IFG Eine weitere Regelung, die in dem hier zu erörternden Zusammenhang ein­ schlägig sein könnte, ist § 3 Nr. 4 IFG. Diese Vorschrift besagt, dass der Zu­ gang zu amtlichen Informationen ausgeschlossen ist, „wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum ma­ teriellen oder organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheim­ haltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amts­ geheimnis unterliegt“. Wie viele Alternativen vom Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 4 IFG geregelt werden, wird unterschiedlich beurteilt. Nach Roth lässt sich diese Vorschrift in drei Alternativen untergliedern, bei denen es sich zum einen um die „gesetz­lichen Geheimhaltungsvorschriften“ (Alt. 1), den „Anwendungsbereich der Verwaltungs­ vorschriften zum Geheimnisschutz“ (Alt. 2) und die „Berufs- und Amtsgeheim­ nisse“ (Alt. 3) handeln soll.181 Auch Schoch zufolge soll diese Vorschrift drei Va­ rianten umfassen, wobei er jedoch zwischen dem „Schutz als geheim eingestufter Informationen“ (Alt. 1), der „Wahrung der Berufsgeheimnisse“ (Alt. 2) sowie der „Wahrung besonderer Amtsgeheimnisse“ (Alt. 3) differenziert.182 Jastrow/Schlat­ mann und Rossi verorten in diesem Tatbestand lediglich zwei Alternativen, wo­ bei die Erstgenannten zwischen dem „Schutz eingestufter Dokumente“ und dem Schutz „besonderer, oft berufsbezogener Amtsgeheimnisse“ unterscheiden und Rossi den durch diese Vorschrift vermittelten Schutz einerseits „auf in anderen

179 Vgl. insofern die Bestimmungen der § 5 Nr. 2 IFG MV, § 6 Satz 1 b) IFG NRW, § 9 Abs. 1 Nr. 2 IFG RP. 180 Vgl. hierzu die Ausführungen weiter unten, im 9. Teil, D. II. 181 Vgl. Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 110. 182 Schoch, IFG, § 3 Rn. 131.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

Rechtsvorschriften enthaltene Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflichten“ sowie andererseits „auf Berufs- und Amtsgeheimnisse“ erstreckt.183 Der Gesetzesbegründung zufolge soll der Geheimnisschutz auch nach Ein­ führung des Informationsfreiheitsgesetzes im Zusammenhang mit dem betreffen­ den Geheimnis durch die materiell-rechtlichen Regelungen der jeweiligen Spezi­ algesetze gewährleistet werden.184 Letzten Endes handelt es sich bei § 3 Nr. 4 IFG um eine deklaratorische „Rezeptionsnorm“, welche all jene Informationen vom Zugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG ausnimmt, die aufgrund von Fachgesetzen oder einer Ausgestaltung als Geheimnis der Geheimhaltung unterworfen sind.185 aa) Gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften Als bedeutende Geheimhaltungstatbestände nennt die gesetzgeberische Begrün­ dung das Steuer-, Statistik- und Adoptionsgeheimnis sowie die ärztliche und an­ waltliche Schweigepflicht. Ferner enthalten das Bundesverfassungsschutz­gesetz, das Bundesnachrichtendienstgesetz, das Sicherheitsüberprüfungsgesetz sowie die Strafprozessordnung und das Ordnungswidrigkeitengesetz weitere wichtige Ge­ heimhaltungsvorschriften.186 Darüber hinaus ist der Zugang zu amtlichen Infor­ mationen nach der gesetzgeberischen Begründung ausgeschlossen, wenn dies aus wichtigen Gründen des Geheimnisschutzes oder zur Wahrung von Fabrikations-, Geschäfts-, oder Betriebsgeheimnissen geboten erscheint.187 Ferner ist die Regelung des § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (SÜG) in praktischer Hinsicht relevant. Nach § 4 Abs. 2 SÜG können Informationen entsprechend ih­ rer Schutzbedürftigkeit eingestuft werden in die Geheimhaltungsgrade STRENG ­GEHEIM (wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebens­ wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder ge­ fährden kann), GEHEIM (wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Inter­ essen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen einen schweren Schaden zufügen kann), VS-VERTRAULICH (wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein kann) und VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH (wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Inter­ essen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann).188 183

Vgl. hierzu Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 79 sowie Rossi, IFG, § 3 Rn. 48. BT-Drucks. 15/4493 S. 11; Schoch, IFG, § 3 Rn. 134. 185 Schoch, IFG, § 3 Rn. 135. 186 Siehe BT-Drucks. 15/4493 S. 11. 187 BT-Drucks. 15/4493 S. 11; vgl. zu den einzelnen Geheimhaltungstatbeständen und -grün­ den auch Schoch, IFG, § 3 Rn. 139. 188 Vgl. hierzu Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 114 ff. 184

D. Versagungsgründe

275

Keine eigenständigen Geheimhaltungsvorschriften enthalten hingegen die Nor­ men des materiellen Strafrechts.189 Dies trifft insbesondere zu auf die Straftat­ bestände der Verletzung von Privatgeheimnissen gem. § 203 StGB sowie der Verletzung von Dienstgeheimnissen und besonderen Geheimhaltungsvorschriften i. S. d. § 353 b StGB. Diese Vorschriften treffen keine eigenen Regelungen im Hin­ blick auf den materiellen Geheimnisschutz, sondern setzen eine Vorentscheidung der jeweiligen Fachgesetze voraus und sanktionieren lediglich die entsprechenden Verstöße mit strafrechtlichen Mitteln.190 Von daher kommen lediglich die jeweili­ gen Fachgesetze als Geheimhaltungsvorschriften im Sinne des Informationsfrei­ heitsgesetzes in Betracht, auf welche die Vorschriften des Strafgesetzbuches Be­ zug nehmen. Schoch weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einordnung straf­ prozessualer Normen (z. B. § 96 StPO und § 54 StPO i. V. m. den jeweiligen Be­ amtengesetzen191) unter die Geheimhaltungsvorschriften i. S. d. § 3 Nr. 4 IFG besondere Schwierigkeiten bereite, da viele dieser Bestimmungen dem Schutz staatlicher Geheimhaltungsinteressen dienten. Eine Informationsverweigerung könne nicht allein unter Berufung auf staatliche Geheimhaltungsinteressen erfol­ gen, sondern es müsse stets eine Abwägung der entgegengesetzten Interessen vor­ genommen werden.192 Insofern habe im Rahmen von § 1 Abs. 1 IFG und § 3 Nr. 4 IFG in bestimmten Fällen eine inzidente Prüfung strafprozessualer Vorschriften zu erfolgen.193 Zudem problematisiert Schoch, dass Informationen, die ohnehin in der strafrechtlichen Hauptverhandlung offenbart würden, nicht zugleich mit­ hilfe des IFG dem Zugang der Allgemeinheit entzogen werden dürften.194 Dies ist jedoch mit Blick auf das Ermittlungsverfahren anders zu beurteilen, da dieses Verfahrensstadium – im Gegensatz zur strafrechtlichen Hauptverhandlung – im Grundsatz nicht öffentlich ausgestaltet ist.195

189

Siehe Schoch, IFG, § 3 Rn. 141. Schoch, IFG, § 3 Rn. 141. 191 Vgl. hierzu die Entscheidung BGH NJW 2004, 1259 (1261 f.). 192 Schoch, IFG, § 3 Rn. 141. 193 Schoch, IFG, § 3 Rn. 141. Ferner besteht Einigkeit, dass § 3 Nr. 4 IFG den Geheimnis­ schutz – unabhängig von § 1 Abs. 3 IFG – unangetastet lässt und den Vorrang der materiel­ len Vorschriften über den Geheimnisschutz gegenüber dem in materieller Hinsicht voraus­ setzungslosen Informationsanspruch nach Art. 1 Abs. 1 IFG bekräftigt; vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 134. 194 Schoch, IFG, § 3 Rn. 141. 195 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 4. Teil. Überdies legt es die Regelung des § 3 Nr. 1 g) IFG nahe, dass die im Ermittlungsverfahren gesammelten Informationen nicht über einen auf § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gestützten Informationsanspruch heraus verlangt werden können. 190

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

bb) Verwaltungsvorschriften zum Geheimnisschutz Ferner wird durch den Verweis auf die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift“ in § 3 Nr. 4 IFG ein Bezug zur Verschlusssachen-Anweisung des Bundesministeriums des Innern (VSA) hergestellt.196 Hierdurch wird der herausgebenden Stelle – und damit auch der Verwaltung nach den §§ 8 und 9 VSA – die Möglichkeit eröffnet, eine Entscheidung über die Einstufung von Informationen als Verschlusssachen sowie über die Zuteilung eines bestimmten Geheimhaltungsgrades (vgl. § 3 VSA) zu treffen.197 Diese Vorschrift ist erheblicher Kritik ausgesetzt gewesen. Zum einen wird vor­ gebracht, dass es befremdlich anmute, wenn der gesetzlich verankerte und voraus­ setzungslose Informationsanspruch des § 1 Abs. 1 IFG unter den Vorbehalt einer Verwaltungsvorschrift gestellt werde.198 Dadurch bestehe für die Verwaltung die Möglichkeit, über den durch § 1 Abs. 1 IFG verbürgten Anspruch auf Informa­ tionszugang zu entscheiden.199 Zum anderen sei auch der Anwendungsbereich die­ ser Regelung unklar. Die Pflicht zur Geheimhaltung von Informationen nach der Verschlusssachen-Anweisung werde bereits durch § 4 Abs. 1 SÜG – und folglich aufgrund einer gesetzlichen Geheimhaltungsvorschrift – gewährleistet, so dass kein eigenständiger Regelungsbereich für diese Variante verbleiben würde.200 cc) Berufs- und besondere Amtsgeheimnisse Die in der Vorschrift weiterhin angeführten Berufsgeheimnisse sehen als Be­ zugsobjekt zunächst das Vertrauensverhältnis zwischen Angehörigen einer be­ stimmten Berufsgruppe (z. B. Arzt und Patient) vor. Diese Geheimnisse sind vor­ nehmlich als Verschwiegenheitspflichten ausgestaltet und werden strafprozessual durch entsprechende Zeugnisverweigerungsrechte untermauert (vgl. § 53 StPO).201 Als Berufsgeheimnisse werden zudem nur solche Informationen geschützt, die 196

Vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 142 sowie BT-Drucks. 15/4493 S. 11. Siehe Schoch, IFG, § 3 Rn. 142. Die Entscheidung über die Notwendig einer Einstufung als Verschlusssache sowie über den jeweiligen Geheimhaltungsgrad wird gem. § 8 Abs. 1 VSA von der herausgebenden Stelle getroffen. 198 Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 121. 199 Schoch, IFG, § 3 142. Gegen dieses Argument wird wiederum vorgebracht, dass eine Ein­ stufung als Verschlusssache von bestimmten Voraussetzungen abhänge und gegen die Ein­ stufung Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden; vgl. Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 81 ff. Auch sei der mit der Einstufung zwangsläufig verbundene Mehraufwand im Verwaltungs­ alltag dazu geeignet, die Verwaltung zu einem restriktiven Umgang mit dieser Möglichkeit an­ zuhalten (hiervon soll jedoch der niedrigste Einstufungsgrad „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ ausgenommen sein, da hierdurch nur die Pflicht ausgelöst werde, eine dement­ sprechende Kennzeichnung an den Dokumenten anzubringen); vgl. Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 121. 200 Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 121. 201 Schoch, IFG, § 3 Rn. 145. 197

D. Versagungsgründe

277

den Berufsträgern202 im Rahmen der Berufsausübung bekannt gegeben wurden oder die mit dieser in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.203 Im Hinblick auf den Schutz von Amtsgeheimnissen macht das Gesetz mithilfe der Formulierung „besondere Amtsgeheimnisse“ deutlich, dass die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nicht zur Begründung des Schutzes nach § 3 Nr. 4 IFG ausreicht, da dies den Anwendungsbereich dieser Regelung nahezu voll­ ständig aushöhlen würde.204 Dies entspricht auch der Rechtslage im Presserecht, wo bereits entschieden wurde, dass die Verpflichtungen der einzelnen Beamten und sonstigen Bediensteten zur Dienstverschwiegenheit keine Geheimhaltungs­ vorschriften im Sinne der presserechtlichen Regelungen darstellen.205 Ferner wird vorgebracht, dass der Regelungsbereich dieser Vorschrift erheb­liche Überschneidungen zu dem des § 5 Abs. 2 IFG aufweisen würde.206 Die Alternative des § 3 Nr. 4 IFG soll dabei nicht nur den objektiven Schutz der genannten Ge­ heimhaltungspflichten gewährleisten, sondern diene zugleich auch den Interessen betroffener Dritter, so dass für die Regelung des § 5 Abs. 2 IFG in Beziehung auf Berufs- oder Amtsgeheimnisse kein Raum bleibe.207 Hiergegen bringt Roth wiede­ rum vor, dass sich der Anwendungsbereich beider Normen nur dann überschneide, wenn es sich bei den nach § 5 Abs. 2 IFG geschützten personen­bezogenen Daten zugleich um öffentliche Belange handeln würde.208 Diesbezüglich weist Roth zu­ recht darauf hin, dass § 5 Abs. 2 IFG hinsichtlich der personenbezogenen Informa­ tionsteile der Regelung des § 3 Nr. 4 IFG vorgeht.209 Schoch ist der Ansicht, dass die Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnisse, soweit sie auf einer gesetzlichen Regelung beruhen, bereits durch die besonderen Geheimhaltungsvorschriften ge­ schützt werden, so dass dem Schutz von Berufs- und besonderen Amtsgeheimnis­ sen i. S. d. § 3 Nr. 4 Alt. 2 IFG nur dann eine Bedeutung zuzusprechen ist, wenn der Geheimnisschutz beispielsweise auf einem Vertrag beruht.210

202

Als Berufsgeheimnisträger kommen dabei die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 StGB ge­ nannten Personengruppen in Betracht. Amtsgeheimnisse stellen beispielsweise das Sozial­ geheimnis des § 35 SGB I sowie das Steuergeheimnis gem. § 30 AO dar; vgl. Berger/Roth/ Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 126. 203 OLG Frankfurt a. M. NJW 2002, 1135 (1136); vgl. auch Schoch, IFG, § 3 Rn. 148. 204 Siehe BT-Drucks. 15/4493 S. 13; Jastrow/Schlatmann, IFG, § 3 Rn. 86; Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1281); Rossi, IFG, § 3 Rn. 49 und Schoch, IFG, § 3 Rn. 149. 205 Schoch, § 3 Rn. 150. 206 Vgl. insoweit Kugelmann, IFG, § 3 Rn. 7 und Rossi, IFG, § 3 Rn. 48. 207 Siehe Kugelmann, IFG, § 3 Rn. 7 und Rossi, IFG, § 3 Rn. 48. 208 Vgl. Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 125. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die „Personalien einer sog. nachrichtendienstlichen Quelle“ in Rede stünden. 209 Vgl. Berger/Roth/Scheel-Roth, IFG, § 3 Rn. 125. 210 Vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 138 sowie Kloepfer, Informationsrecht, § 9 Rn. 8.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

c) § 4 Abs. 1 IFG Laut der gesetzgeberischen Begründung wird der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 1 g) IFG durch den Soll-Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 IFG ergänzt, in­ dem diese Regelung – zusätzlich zu den Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten­ gesetzes und der Strafprozessordnung – das operative Verhalten der Polizei bereits im Vorfeld bußgeldrechtlicher oder strafrechtlicher Ermittlungen erfasst.211 Dem­ entsprechend soll der Antrag auf Informationserteilung abschlägig beschieden werden „für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde“. Was die hier zu beurteilenden Konstellationen be­ trifft, sind Ansprüche auf Informationszugang gleichermaßen zu verwehren, wenn hierdurch operative polizeiliche Maßnahmen im Vorfeld strafrechtlicher oder buß­ geldrechtlicher Ermittlungen vereitelt werden könnten. d) § 5 IFG Ein weiterer Verweigerungsgrund, der im Rahmen der hiesigen Untersuchung eine Rolle spielen kann, ist § 5 Abs. 1 IFG. Diese Vorschrift ordnet an, dass der Zu­ gang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden darf, „soweit das Informa­ tionsinteresse des Antragsstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Aus­ schluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat“. Dem Schutz personenbezogener Daten wird also ein grundsätzlicher Vorrang gegen­ über den Interessen des Antragsstellers an der Herausgabe der Informationen ein­ geräumt.212 Darüber hinaus muss der Antragssteller – entgegen der grundlegenden Systematik des IFG213 – sein Informationsbegehren bei Anfragen, die Dritte be­ treffen, gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 IFG begründen. Mithilfe des § 5 IFG soll der naturgemäß zwischen der Informationsfreiheit und dem Datenschutz bestehende Konflikt aufgegriffen und einer Lösung zugeführt werden.214 § 5 IFG stellt gegenüber § 16 BDSG (der die Übermittlung personen­ bezogener Daten an nichtöffentliche Stellen nach dem Bundesdatenschutzgesetz regelt) eine Spezialvorschrift dar.215 Der Begriff der personenbezogenen Daten 211

BT-Drucks. 15/4493 S. 10; Rossi, IFG, § 3 Rn. 30. BT-Drucks. 15/4493 S. 13; Wendt, AnwBl. 2005, 702 (703). 213 Vgl. Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (953); Sokol, CR 2005, 835 (839). 214 Schoch, IFG, § 5 Rn. 1. Kugelmann führt hingegen an, dass Datenschutz und Informations­ freiheit keine Gegensätze darstellen würden, sondern gleichermaßen Teile der „informato­ rischen Rechtsstellung des Bürgers und des Informationsmanagements der Verwaltung“ seien; Kugelmann, IFG, § 5 Rn. 1; vgl. hierzu auch Kloepfer, DÖV 2003, 221 ff.; Kloepfer, K&R 2006, 19 (22) sowie Kloepfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1283), wo von einem „Spannungsver­ hältnis“ die Rede ist. 215 Vgl. BT-Drucks. 15/4493 S. 13 sowie die Ausführungen zu § 16 BDSG oben, im 6. Teil, B. VI. 212

D. Versagungsgründe

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i. S. d. § 5 IFG entspricht der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BDSG, worunter Ein­ zelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen sind.216 Die persönlichen Verhältnisse wei­ sen dabei einen direkten Bezug zu der betreffenden Person auf.217 Hierbei kann es sich um identifizierende sowie um alle sonstigen individuellen Merkmale einer Person, wie z. B. Name, Anschrift, Geburtsdatum, Familienstand, Beruf etc. han­ deln.218 Sachliche Umstände betreffen hingegen Sachverhalte, die sich auf die Per­ son beziehen, wie beispielsweise Eigentumsverhältnisse, Verträge mit Dritten, aber auch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.219 Diese Daten werden darüber hinaus durch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Grund­ recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt, welches die Befugnis des Einzelnen umfasst, selbst über die Preisgabe und Verwendung ihn betreffender Da­ ten zu bestimmen.220 Letztlich bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die im Ermittlungsverfahren gewonnenen identifizierenden Daten sowie die sonstigen Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Tatverdächtigen, anderer Verfah­ rensbeteiligter, oder Dritter als personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG zu qualifizieren sind und der Regelung des § 5 IFG unterfallen.221 Folglich muss ein näheres Augenmerk auf die im Rahmen dieser Rechts­ vorschrift vorzunehmende Rechtsgüterabwägung gelegt werden. Wie bereits aus­ geführt wurde, ist dem Schutz der personenbezogenen Daten gegenüber dem In­ formationsinteresse des Antragsstellers grundsätzlich der Vorrang einzuräumen.222 Des Weiteren enthält § 5 Abs. 2 und 3 IFG Leitlinien für die vorzunehmende Ab­ wägung.223 Ungewissheit besteht hingegen bei der Frage, welche Maßstäbe im Rahmen dieser Abwägung gelten sollen und welche Interessen vom Antragsstel­ 216 Jastrow/Schlatmann, IFG, § 5 Rn. 5; Kugelmann, IFG, § 5 Rn. 1; Rossi, IFG, § 5 Rn. 7; Schoch, IFG, § 5 Rn. 16 ff. Vgl. wiederum die Darstellung oben, im 6. Teil, B. VI. 217 Siehe Schoch, IFG, § 5 Rn. 18. 218 Vgl. die Beispiele bei Jastrow/Schlatmann, IFG, § 5 Rn. 8 und Schoch, IFG, § 5 Rn. 18. 219 Jastrow/Schlatmann, IFG, § 5 Rn. 9; Schoch, IFG, § 5 Rn. 18. 220 Rossi, IFG, § 5 Rn. 7. 221 Selbst die schlichte Mitteilung, dass gegen eine bestimmte Person ein Ermittlungsverfah­ ren betrieben wird, muss nach den vorhergehenden Ausführungen zumindest als Einzelangabe über die sachlichen Verhältnisse einer Person angesehen werden. 222 BT-Drucks. 15/4493 S. 13; Wendt, AnwBl. 2005, 702 (703). Gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 IFG stehen die Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG (hierunter fallen Angaben über die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit oder Sexualleben) unter einem strengen Einwilligungsvorbehalt und sind einer Abwägung nicht zugänglich. 223 Falls die in Rede stehenden Unterlagen mit einem Dienst- oder Amtsverhältnis, oder dem Mandat eines Dritten im Zusammenhang stehen, oder einem Berufs- oder Amtsgeheimnis un­ terfallen, tritt das Interesse des Antragsstellers gem. § 5 Abs. 2 IFG hinter den schützenswerten Drittinteressen zurück. Ferner ordnet § 5 Abs. 3 IFG ein Überwiegen des Informationsinteres­ ses des Antragsstellers an, wenn sich dieses auf die Angabe des Namens, Titels, akademischen Grades, der Berufs- oder Funktionsbezeichnung, Büroanschrift oder -telekommunikations­ nummer beschränkt und der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

ler im Zuge der Begründung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 IFG vorzubringen sind.224 Zur Begründung könnten dabei sowohl die individuellen Interessen des Antragsstellers als auch die Interessen der Allgemeinheit am Erhalt der jeweiligen Informationen herangezogen werden.225 Diesbezüglich führt Bräutigam an, dass es dem Gesetz­ geber offenbar um eine Kombination beider Positionen gegangen sei, so dass sich der Antragssteller gleichermaßen auf eigene sowie auf Belange der Allgemeinheit berufen könne.226 Von daher müsse es auch den einzelnen Medienvertretern mög­ lich sein, sich bei der Begründung ihres Auskunftsersuchens auf das Informations­ interesse der Allgemeinheit zu beziehen.

II. Versagungsgründe der landesrechtlichen Bestimmungen Im Folgenden soll erörtert werden, ob sich die landesrechtlichen Bestimmun­ gen über den Zugang zu amtlichen Informationen hinsichtlich ihrer Ausschluss­ tatbestände von den soeben erörterten Regelungen des Bundes unterscheiden, und welche Konsequenzen dies für die Öffentlichkeitsarbeit der staatlichen Stellen auf der Länderebene im Ermittlungsverfahren haben könnte. 1. BlnIFG Beschränkungen des Informationsanspruchs finden sich im Berliner Informa­ tionsfreiheitsgesetz in den §§ 6 bis 11 BlnIFG. § 6 Abs. 1 BlnIFG bezweckt den Schutz personenbezogener Daten und schließt das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenzugang aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass haupt­ sächlich Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige In­ teressen des Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse (vgl. § 1 BlnIFG) das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt.227 Mit Blick auf die hier zu erörternde Problematik könnte zudem § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a) BlnIFG Relevanz besitzen, nach dem einer Offenbarung personenbezo­ gener Daten schutzwürdige Belange des Betroffenen in der Regel dann nicht ent­ gegenstehen, wenn „sich aus einer Akte ergibt, dass die Betroffenen an einem Ver­ waltungsverfahren oder einem sonstigen Verfahren beteiligt sind, […] und durch diese Angaben mit Ausnahme von Namen, Titel, akademischem Grad, Geburts­ 224

Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (953). Bräutigam weist darauf hin, dass der Gesetzeswortlaut („Informationsinteresse des An­ tragsstellers“) auf das Erfordernis eines eigenen Interesses schließen lässt, wohingegen in der gesetzgeberischen Begründung davon ausgegangen wird, dass die Interessen der Allgemeinheit Berücksichtigung finden müssten; vgl. Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (953) sowie BT-Drucks. 15/4493 S. 13. 226 Vgl. Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (953). 227 Vgl. Zumpe, S. 236. 225

D. Versagungsgründe

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datum, Beruf, […] nicht zugleich weitere personenbezogene Daten offenbart wer­ den“. Demnach drängt sich mit Blick auf die hier zu behandelnde Problematik die Frage auf, ob auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren als sonstige Verfahren im zuvor genannten Sinn zu qualifizieren sind, was zur Folge haben könnte, dass die schutzwürdigen Belange des Betroffenen zurückstehen müssten, solange sich die Offenbarung auf die in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BlnIFG aufgeführten personenbezo­ genen Daten (wie Name, Beruf etc.) beschränkt. Dieses Ergebnis erscheint jedoch gerade in Bezug auf strafrechtliche Ermittlungsverfahren als unbillig, da hier be­ reits die an die Öffentlichkeit getragene Verwicklung einer bestimmten Person in das Verfahren zu erheblichen Beeinträchtigungen – und dabei insbesondere zu Ver­ stößen gegen die Unschuldsvermutung – führen kann. § 9 BlnIFG regelt wiederum den Schutz besonderer öffentlicher Belange der Rechtsdurchsetzung sowie der Strafverfolgung und lässt das Recht auf Aktenein­ sicht oder -auskunft entfallen, soweit und solange228 durch das vorzeitige Bekannt­ werden des Akteninhalts der Erfolg bevorstehender behördlicher Maßnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BlnIFG) vereitelt wird, oder der Erfolg eines Ermittlungsverfah­ rens wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit gefährdet werden „kann“ (9 Abs. 1 Satz 2 BlnIFG). Konkrete Beeinträchtigungen des Erfolgs ermittlungsbe­ hördlicher Maßnahmen i. S. d. §§ 94 ff. StPO aufgrund der Weitergabe von Ermitt­ lungsdetails sind ohne Weiteres denkbar, jedoch stellt sich auch an dieser Stelle die Frage, welcher Gefährdungsgrad für die Annahme einer Beeinträchtigung des Er­ folges des Ermittlungsverfahrens zu verlangen ist. 2. AIGBbg Im brandenburgischen Landesrecht finden sich in den §§ 4 und 5 AIGBbg Ge­ heimhaltungsbestimmungen zum Schutz öffentlicher und privater Belange.229 Im Rahmen des hier zu untersuchenden Zusammenhangs könnte einerseits die Rege­ lung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AIGBbg von Bedeutung sein, nach welcher der Antrag auf Akteneinsicht abzulehnen ist, „wenn durch das Bekanntwerden des Aktenin­ halts Angaben oder Mitteilungen öffentlicher Stellen, die nicht unter den Anwen­ dungsbereich dieses Gesetzes fallen, ohne deren Zustimmung offenbart würden“. Da der Geltungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Landes Brandenburg sich – wie bereits gezeigt wurde – nicht auf die Ermitt­ lungstätigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften erstreckt, könnte mithilfe 228 Aus der Ergänzung dieser Vorschrift um die Formulierung „solange“ (durch die Ände­ rung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes vom 11. Juli 2006, GVBl. S. 819) wird deut­ lich, dass der Grund der Geheimhaltung nur vorübergehender Natur sein kann. Nach § 9 Abs. 2 BlnIFG können Akteneinsicht und -auskunft – mit Ausnahme von Gerichtsverfahren – nur für die Dauer von drei Monaten verweigert werden; vgl. Zumpe, S. 237. 229 Vgl. zu den praktischen Erfahrungen mit dem AIGBbg die Ausführungen bei Hartge, LKV 2007, 7 ff.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

dieser Vorschrift verhindert werden, dass ermittlungsrelevante Informationen mit­ tels einer Nachfrage bei anderen Behörden (z. B. Straßenverkehrsbehörden, Bau­ ämtern etc.) an die Öffentlichkeit gelangen.230 Darüber hinaus ist der Antrag auf Akteneinsicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 AIGBbg abzulehnen, wenn das Bekanntwerden des Akteninhalts Belange der Strafverfol­ gung und Strafvollstreckung beeinträchtigen „könnte“ oder gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIGBbg „durch die Gewährung von Akteneinsicht Inhalte von Akten offenbart würden, die eine Behörde zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens, eines straf­ rechtlichen oder disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens […] erstellt hat oder die ihr aufgrund des Verfahrens zugehen […]“. Ferner schreibt § 4 Abs. 2 Nr. 2 AIGBbg vor, dass ein Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt werden soll, „wenn durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akten­ inhalts der Erfolg einer bevorstehenden behördlichen Maßnahme gefährdet wer­ den könnte“, „es sei denn, dass das Interesse an der Einsichtnahme das entgegen­ stehende öffentliche Interesse im Einzelfall überwiegt“. 3. BremIFG Das Bremer Informationsfreiheitsgesetz enthält zwar keinen Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, jedoch diente das Bundesgesetz als Vor­ lage für die landesrechtlichen Regelungen, so dass die Gesetze sowohl inhaltlich als auch von der Struktur her fast identisch sind.231 So kann an dieser Stelle auf die Ausführungen zu den Ausschlusstatbeständen des Informationsfreiheitsgeset­ zes des Bundes verwiesen werden.232 4. HmbTG Einschränkungen der Informationspflicht finden sich im Hamburgischen Trans­ parenzgesetz in den §§ 4 bis 7 und 9. Mit Blick auf die hier zu erörternde Pro­ blematik besitzt § 6 Abs. 3 Nr. 2 HmbTG eine besondere Relevanz, da diese Vor­ schrift anordnet, dass zum Schutz öffentlicher Belange solche Informationen von der Informationspflicht ausgenommen werden sollen, deren Bekanntgabe ein Gerichtsverfahren, ein Ermittlungsverfahren, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder ein Disziplinarverfahren beeinträchtigen würde. Ferner trifft § 4 HmbTG Re­ gelungen zum Schutz der personenbezogenen Daten der Betroffenen.

230

Vgl. hierzu die Anmerkungen unten, im 9. Teil, C. III. 2. Vgl. insofern die Darstellung oben, im 9. Teil, C. I. 4. 232 Vgl. die Ausführungen oben, im 9. Teil, D. I. 231

D. Versagungsgründe

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5. IFG MV Informationszugangsbeschränkungen sind im Informationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern in den §§ 5 bis 8 geregelt.233 Durch § 5 IFG MV wird die Ablehnung des Zugangs zu amtlichen Informationen unter anderem dann zwingend angeordnet, wenn die Bekanntgabe den Erfolg eines strafrecht­lichen Er­ mittlungs- oder Vollstreckungsverfahrens gefährden, der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichts-, Ordnungswidrigkeiten- oder Disziplinarverfahrens erheb­ lich beeinträchtigt würde (Nr. 2) oder Angaben und Mitteilungen von Behörden, die nicht dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterfallen, offenbart würden und die Behörden in die Offenbarung nicht eingewilligt haben oder von einer Einwilli­ gung nicht auszugehen ist (Nr. 3234). Mit Blick auf den Ablehnungsgrund des § 5 Nr. 2 IFG MV hebt Neumann her­ vor, dass für die Annahme einer Gefahr für den Erfolg strafrechtlicher Ermitt­ lungen oder der Strafvollstreckung eine (einfache) konkrete Feststellung der Gefährdung erforderlich sei. Bei der „zweiten Alternative“ dieser Vorschrift (Ver­ fahrensablauf eines anhängigen Gerichts-, Ordnungswidrigkeiten- und Diszip­ linarverfahrens) werde hingegen eine erhebliche Beeinträchtigung des Verfah­ rensablaufs vorausgesetzt. Demnach bedürfe es einer konkreten Feststellung im Einzelfall, „dass durch die Freigabe der Informationen der Ablauf des jeweiligen Verfahrens, also die zeitliche Abfolge im Rahmen der speziellen verfahrensrecht­ lichen Vorschriften, tatsächlich erheblich beeinträchtigt würde“.235 Des Weiteren ist der Antrag nach § 6 Abs. 6 IFG MV abzulehnen, wenn zu be­ fürchten ist, dass durch das Bekanntwerden der Informationen der „Erfolg behörd­ licher Maßnahmen […] gefährdet oder vereitelt sowie die ordnungsgemäße Er­ füllung der Aufgaben der betroffenen Behörde erheblich beeinträchtigt würde“. Neumann hebt auch an dieser Stelle hervor, dass die Prognose auf konkrete Tat­ sachen gestützt werden muss und sich keinesfalls auf eine generelle Geeignetheit beschränken darf.236 Dem Informationszugangsersuchen darf ferner gem. § 7 Abs. 1 IFG MV nicht entsprochen werden, wenn durch das Bekanntwerden der Informationen perso­ nenbezogene Daten offenbart würden, und keine der Ausnahmeregelungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 IFG MV eingreift.237 Für die hier in Rede stehende Proble­ matik könnte insbesondere § 7 Abs. 1 Nr. 5 IFG MV bedeutsam sein, wonach die begehrten Informationen herauszugeben sind, wenn der Antragssteller ein recht­

233

Vgl. hierzu die ausführliche Abhandlung bei Neumann, LKV 2007, 1 (5 ff.). Vgl. die Ausführungen zum nahezu identischen Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AIGBbg oben, im 9. Teil, D. II. 2. 235 Neumann, LKV 2007, 1 (6). 236 Siehe Neumann, LKV 2007, 1 (7). 237 Neumann, LKV 2007, 1 (5). 234

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

liches Interesse an der Kenntnis der begehrten Informationen geltend macht und überwiegende schutzwürdige Belange der oder des Betroffenen einer Offenbarung nicht entgegenstehen.238 6. IFG NRW Das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz schränkt den Informa­ tionsanspruch mithilfe der §§ 6 bis 10 IFG NRW ein. § 6 IFG NRW dient dabei dem Schutz öffentlicher Belange sowie der Rechtsdurchsetzung und ordnet un­ ter anderem an, dass der Antrag auf Informationserteilung zwingend abzuleh­ nen ist, falls das Bekanntwerden der Informationen die Tätigkeit der Polizei sowie der Staatsanwaltschaften beeinträchtigen (vgl. Satz 1 a) oder den Erfolg einer bevorstehenden behördlichen Maßnahme erheblich beeinträchtigen würde (siehe Satz 1 b). Gemäß § 9 IFG NRW ist der Antrag auf Informationsgewährung abzulehnen, wenn durch das Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Daten of­ fenbart würden. Hiervon ist nach § 9 Abs. 1 e) IFG NRW jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn die Antragsstellerin oder der Antragssteller ein rechtliches Inter­ esse an der Kenntnis der begehrten Information geltend macht, und überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Personen einer Offenbarung nicht entge­ genstehen.239 In diesem Zusammenhang betont Seidel, dass nicht jedes allgemeine oder wirtschaftlich motivierte Interesse des Antragsstellers ausreichen soll, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu überwinden, sondern es müsse ein subjektives Recht im Zusammenhang mit der Informations­erteilung geltend gemacht werden.240 Beispielhaft hierfür sei ein Herausgabeverlangen, wel­ ches der Geltendmachung zivilrechtlicher Abwehransprüche diene.241 Ein schüt­ zenswertes Interesse soll ferner gegeben sein, wenn Informationen über den Infor­ manten einer Ordnungsbehörde (bzw. einen Anzeigenerstatter) zum Zwecke eines strafrechtlichen Vorgehens des Betroffenen benötigt würden und der Betroffene zugleich geltend macht, dass die vom Informanten geschilderten Umstände nicht den Tatsachen entsprechen.242

238 Im Rahmen der hiesigen Untersuchung könnte es problematisch sein, ob auch das öffent­ liche Informationsinteresse ein rechtliches Interesse im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Seidel betont im Hinblick auf den nahezu gleichlautenden § 9 Abs. 1 e) IFG NRW, dass ein Interesse vorausgesetzt werde, welches dem Antragssteller eine qualifizierte Rechtsposition verschafft, d. h. dieser muss „ein gerade ihm zustehendes subjektives Recht geltend machen“ Franßen/ Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 989. Vgl. hierzu auch die Ausführungen im folgenden Gliede­ rungspunkt unten, im 9. Teil, D. II. 6. 239 Vgl. insofern die nahezu gleichlautende Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 5 IFG MV. 240 Vgl. Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 986. 241 Siehe Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 987; VG Köln NWVBl. 2006, 308. 242 Vgl. Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 987.

D. Versagungsgründe

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7. IFG RP Vorschriften, nach denen der Zugang zu amtlichen Informationen zwingend zu untersagen ist, oder denen zufolge hierüber im Wege einer behördlichen Ab­ wägung entschieden werden muss, finden sich in den §§ 9 bis 12 IFG RP. Die Ablehnung des Antrags auf Informationszugang ist zwingend vorgegeben, wenn öffentliche Belange diesem entgegenstehen und dabei insbesondere, wenn das Be­ kanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf den Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hätte (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 IFG RP) oder das Bekanntwerden amtlicher Informationen die öffentliche Sicherheit, insbeson­ dere die Tätigkeit der Polizei oder der Staatsanwaltschaften beeinträchtigen würde (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 IFG RP). § 9 Abs. 1 Nr. 4 IFG RP sieht eine dem § 3 Nr. 4 IFG ver­ gleichbare Regelung vor.243 In § 12 IFG RP findet sich wiederum eine Vorschrift, die dem Schutz personenbezogener Daten dient. 8. SIFG Das Saarländische Informationsfreiheitsgesetz verweist auf die Normen des In­ formationsfreiheitsgesetzes des Bundes, so dass sich diesbezüglich keine Beson­ derheiten ergeben und auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.244 9. IZG LSA Das Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt enthält in seinen §§ 3 bis 6 Vor­ schriften, denen zufolge der Zugang zu amtlichen Informationen bei entgegenste­ henden öffentlichen Belangen, zum Schutz des behördlichen Entscheidungspro­ zesses, personenbezogener Daten sowie zugunsten des geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu untersagen ist oder untersagt wer­ den kann. Für diese Untersuchung könnte insbesondere § 3 Abs. 1 Nr. 1 g) IZG LSA von Bedeutung sein, der den Zugang zu amtlichen Informationen ausschließt, wenn das Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf den Anspruch einer Per­ son auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben könnte.245 Ferner könnten auch die Nummern 4 und 5 des ersten Absatzes des § 3 IFG LSA in diesem Zusammenhang relevant sein.246 Darüber hinaus exis­

243

Vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 9. Teil, D. I. 1. b). Vgl. hierzu die Darstellung oben, im 9. Teil, D. I. 245 Diese Regelung entspricht der des § 3 Nr. 1 g) IFG, so dass auf die dortigen Ausführungen, oben im 9. Teil, D. I. 1. a) verwiesen werden kann. 246 § 3 Abs. 1 Nr. 4 IZG LSA entspricht weitestgehend der Vorschrift des § 3 Nr. 4 IFG des Bundes, so dass auf die dortigen Ausführungen, im 9. Teil, D. I. 1. b), zu verweisen ist. 244

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

tiert mit dem § 5 IZG LSA eine Vorschrift, welche den Schutz personenbezogener Daten bezweckt.247 10. IFG-SH Ausschlusstatbestände finden sich im Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu behördlichen Informationen des Landes Schleswig-Holstein in den §§ 9 bis 12. So ist der Antrag auf Informationszugang gem. § 9 Nr. 3 IFG-SH zwingend ab­ zulehnen, soweit und solange hierdurch der Erfolg eines strafrechtlichen Ermitt­ lungsverfahrens gefährdet „würde“. Des Weiteren werden durch die Vorschrift des § 12 IFG-SH personenbezogene Daten geschützt.248 11. ThürIFG Das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz verweist – entsprechend der gesetz­ lichen Regelung über den Zugang zu behördlichen Informationen im Saarland – auf die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes in der jeweils geltenden Fassung, so dass diesem gegenüber kaum Besonderheiten bestehen.

E. Zwischenergebnis An dieser Stelle gilt es sich noch einmal zu verdeutlichen, dass Ansprüche auf Zugang zu amtlichen Informationen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegenüber den Staatsanwaltschaften und Gerichten in aller Regel nicht auf die In­ formationsfreiheitsgesetze gestützt werden können. Dies ist nur dann anders zu beurteilen, wenn sich die Auskunftsanträge ausschließlich auf solche Vorgänge beziehen, die Verwaltungsangelegenheiten betreffen.249 Da das mediale und öffent­ liche Interesse jedoch gerade im Rahmen der Kriminalberichterstattung nicht auf reine Verwaltungsvorgänge gerichtet ist, kann nicht damit gerechnet werden, dass sich die Informationsfreiheitsgesetze auf die Medienöffentlichkeit im strafrecht­ lichen Ermittlungsverfahren auswirken werden. Anders kann dies jedoch zu beurteilen sein, wenn auf die Informationsfreiheits­ gesetze gestützte Auskunftsersuchen an die nicht mit den strafrechtlichen Ermitt­ lungen betrauten staatlichen Stellen gerichtet werden und dies zugleich in Bundes­ 247

Diese Vorschrift entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 5 IFG. § 12 Abs. 1 Nr. 4 IFG-SH beinhaltet wiederum eine Ausnahme, wenn der Antragssteller ein rechtliches Interesse an der Kenntnisnahme geltend macht, und überwiegende schutzwür­ dige Belange des Betroffenen nicht entgegenstehen; vgl. hierzu die Ausführungen oben, im 9. Teil, D. II. 6. 249 So auch Franßen/Seidel-Seidel, IFG NRW, Rn. 728. 248

E. Zwischenergebnis

287

ländern geschieht, in denen die Informationsweitergabe lediglich beim Vorliegen einer konkreten Gefahr der Beeinträchtigung des Ermittlungsverfahrens aus­ geschlossen ist. Letztlich wäre es jedoch bedenklich, wenn so die Möglichkeit er­ öffnet würde, den Vorrang besonderer Vorschriften über den Zugang zu Informa­ tionen (vgl. § 1 Abs. 3 IFG MV, § 4 Abs. 2 IFG NRW sowie § 4 Abs. 2 IFG RP) zu umgehen. Um solche spezialgesetzlichen Vorschriften, welche den Zugang zu den Informationen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens regeln, handelt es sich beispielsweise bei den §§ 147, 406e und 475 StPO.250 Es kann nicht Sinn und Zweck dieser landesrechtlichen Regelungen sein, wenn Informationen, welche die Medien nicht von den mit den Ermittlungen betrauten Behörden erhalten dürf­ ten, auf einem möglichen Umweg über andere staatliche Stellen, welche die In­ formationen ursprünglich gesammelt und weitergeleitet haben, nach den Informa­ tionsgesetzen herausfordern könnten. Zudem hinge die Eröffnung des Zugangs zu den begehrten Informationen vom Zufall ab, da die Entscheidung anders ausfallen müsste, je nachdem welche Behörde die Informationen erhoben hat, an welche Be­ hörde die Daten übermittelt wurden, und wo diese Informationen zum Zeitpunkt der Antragsstellung (noch) vorhanden sind.251 Darüber hinaus werden Ansprüche auf Zugang zu amtlichen Informationen, welche das strafrechtliche Ermittlungsverfahren betreffen, auch in diesen Bun­ desländern oft aufgrund weiterer Ausnahmeregelungen ausgeschlossen sein. Ge­ rade wenn mithilfe eines Anspruchs auf Grundlage der Informationsfreiheits­ gesetze konkrete Auskünfte über eine am Ermittlungsverfahren beteiligte Person begehrt werden, wird mehrheitlich zugleich die jeweilige landesrechtliche Rege­ lung zum Schutz ihrer personenbezogenen Daten tangiert sein. Da die gewünsch­ ten Informationen auch in diesen Fällen nur dann herausgegeben werden dürfen, wenn der Antragssteller ein rechtliches Interesse an ihrer Kenntnisnahme geltend macht, und überwiegende schutzwürdige Belange der oder des Betroffenen einer Offenbarung nicht entgegenstehen (vgl. insofern § 7 Abs. 1 Nr. 5 IFG MV sowie § 9 Abs. 1 e) IFG NRW252), könnte danach zu fragen sein, ob die bei der Ab­wägung 250

Diese Vorschriften reichen jedoch für sich genommen in keinem Fall aus, um die Heraus­ gabe von Informationen aus dem Ermittlungsverfahren umfassend sowie mit hinreichender Be­ stimmtheit zu regeln. 251 Dies hätte beispielsweise zur Folge, dass es für den Betroffenen einen erheblichen Unter­ schied bedeuten würde, ob eine Information aufgrund eigener Ermittlungstätigkeit zur Kennt­ nis der Staatsanwaltschaft gelangt ist, oder ob sie an diese z. B. durch die BaFin übermittelt wurde, da die begehrten Auskünfte im letztgenannten Fall über die BaFin heraus verlangt wer­ den könnten. 252 § 12 IFG RP schließt eine Informationsherausgabe zum Schutz personenbezogener Da­ ten hingegen nicht aus, wenn der Betroffene eingewilligt hat, die Offenbarung durch eine an­ dere Rechtsvorschrift erlaubt ist, oder wenn der Dritte als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise in einem Verfahren tätig war und sich die Angabe auf seinen Na­ men, Titel etc. beschränkt. Da auch diese engen Voraussetzungen im Rahmen der medialen Strafberichterstattung in aller Regel nicht erfüllt sein werden, kann und muss dem Antrag auf Informa­tionszugang nach dieser Vorschrift grundsätzlich das Bekanntwerden personenbezoge­ ner Daten Dritter entgegengehalten werden.

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9. Teil: Die Auswirkung der Informationsfreiheitsgesetze

des öffentlichen Informationsinteresses mit dem privaten Geheimhaltungsinter­ esse herausgebildeten Kriterien heranzuziehen sind oder insoweit andere Maß­ stäbe gelten. An dieser Stelle ist jedoch eine wertende Gesamtschau vorzunehmen, bei der in Rechnung gestellt werden muss, dass es sich beim Ermittlungsverfahren um einen im Grundsatz nicht öffentlich ausgestalteten Teil des Strafverfahrens handelt. Da­ bei gilt es zu bedenken, dass die Informationsfreiheitsgesetze mit Blick auf die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden gerade keine Anwendung fin­ den, wenn es dabei um Informationen geht, welche die Ermittlungsarbeit dieser Stellen betreffen. Diese Umstände müssen auch in die Gewichtung der Rechte der Betroffenen (insbesondere bei dem Recht auf Wahrung der Anonymität bis zur Er­ öffnung der Hauptverhandlung) mit einfließen, so dass die vorzunehmende Abwä­ gung mit dem öffentlichen Informationsinteresse regelmäßig zugunsten der priva­ ten Geheimhaltungsinteressen ausfallen wird.

10. Teil 

Ergebnis Aufgrund aller vorangegangenen Ausführungen bleibt zusammenfassend fest­ zuhalten, dass keine konkreten gesetzlichen Regelungen existieren, welche die ermittlungsbehördlichen Rechte und Pflichten bei der Weitergabe von aus dem Ermittlungsverfahren stammender Daten und Informationen (und solcher Daten und Informationen, die hiermit in einem engen Zusammenhang stehen) eindeutig, zweifelsfrei und rechtsverbindlich festlegen und dabei alle in diesem Zusammen­ hang betroffenen Rechte und Interessen berücksichtigen und in einen gerechten Ausgleich bringen. Um die damit verbundenen Rechtsunsicherheiten auf Seiten der staatlichen Stellen, der Medien sowie des betroffenen Personenkreises zu be­ seitigen, wurden eine Vielzahl von Normen aus den Gebieten der Grundrechte, des Presserechts, der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, des Kunsturhebergesetzes sowie aus der Strafprozessordnung herangezogen. Letzt­ endlich vermag jedoch keine dieser Rechtsgrundlagen, die zuvor beschriebene Re­ gelungslücke auszufüllen und zugleich den vom Bundesverfassungsgericht auf­ gestellten Vorgaben an das Gebot der Normenklarheit zu genügen, da sich weder die konkreten Voraussetzungen, unter denen eine Weitergabe von Ermittlungs­ informationen zulässig sein soll, noch der Umfang der Beschränkung aus diesen Vorschriften deutlich erkennbar ergeben. In der jüngeren Vergangenheit wurden eine Reihe von Reformvorschlägen un­ terbreitet, um diese Regelungslücke zu schließen. Angesichts des beschriebenen Missstandes und der erheblichen grundrechtlichen Relevanz dieser Problema­ tik kann es für den von der Informationsweitergabe/Berichterstattung betroffenen Personenkreis lediglich als reine „Schadensbegrenzung“ bezeichnet werden, dass für ihn eine Reihe von Möglichkeiten besteht, sich mit rechtlichen Mitteln gegen entsprechende Verhaltensweisen zur Wehr zu setzen, Kompensation für eingetre­ tene Rechtsverletzungen zu verlangen usw. So ist auf die eingangs aufgeworfene Frage zurückzukommen, ob nicht die In­ formationsfreiheitsgesetze zu einer Veränderung der Medienöffentlichkeit des Er­ mittlungsverfahrens führen könnten. Eine entsprechende Entwicklung erscheint jedoch in Ansehung der vorhergehenden Ausführungen nahezu ausgeschlossen, was auch durch die Analyse der wenigen zu dieser Problematik ergangenen ge­ richtlichen Entscheidungen bestätigt wurde. Insofern mag es auf den ersten Blick verwundern, dass im Zuge der neu geschaffenen Informationsfreiheitsgesetze nicht die Gelegenheit ergriffen wurde, die Regelungslücke zu schließen und eine auf die ermittlungsbehördliche Informationsweitergabe zugeschnittene Rechts­

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10. Teil: Ergebnis

grundlage zu schaffen. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass die Informa­ tionsfreiheitsgesetze keinen geeigneten Ort für eine entsprechende Regelung bie­ ten. Den Anträgen nach diesen Gesetzen liegt ein allgemein gehaltener Anspruch zugrunde, der einen weitreichenden Zugriff auf Verwaltungsinformationen für je­ dermann ermöglichen soll. Diese Informationsansprüche sind folglich weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, die diffizilen und komplexen Problemstellungen, welche sich bei der Weitergabe von Ermittlungsinformationen durch die staatlichen Stellen an die Medien oder die Öffentlichkeit auftun, in angemessener Form zu berücksich­ tigen und in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. Weiterhin sind nach dem überwiegenden Teil dieser Gesetze die Staatsanwaltschaften und Gerichte von einem Anspruch auf Informationserteilung ausgenommen, soweit es sich bei den nachgefragten Informationen nicht um solche handelt, die sich aus­ schließlich mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben befassen. Auch mit Blick auf die sonstigen Behörden, welche über ermittlungsrelevante Informatio­ nen verfügen, müssen die jeweiligen Ausschlusstatbestände der einschlägigen Informationsfreiheits­gesetze bedacht werden, welche vorgeben, dass eine Infor­ mationserteilung zu unterbleiben hat, wenn diese mit negativen Auswirkungen für ein laufendes Ermittlungsverfahren verbunden sein könnte oder Persönlich­ keitsrechte der Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen. So ist die tatsächliche Anwendbarkeit der Informationsfreiheitsge­ setze des Bundes und der Länder auf die hier betrachtete Problematik weitgehend eingeschränkt. Zur Behebung dieses Regelungslücke ist letztendlich die Schaffung einer spe­ zialgesetzlichen Bestimmung notwendig. Nur eine solche Vorschrift vermag es, die divergierenden rechtlichen Interessen in hinreichendem Maße zu berücksich­ tigen und zugleich den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber auf diesen regelungs­ technischen Missstand und die damit verbundenen Rechtsunsicherheiten reagie­ ren wird. Abschließend soll ein eigener Entwurf eines spezialgesetzlichen Regelungs­ vorschlages präsentiert werden, mit dessen Hilfe die Regelungslücke, die bei der Weitergabe von aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Informationen be­ steht, endgültig geschlossen werden könnte: § 475 a StPO: Rechte und Pflichten bei der Herausgabe von aus dem Ermittlungsverfahren stammenden Informationen durch die Staatsanwaltschaft an die Medien. (1) Bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss des Gerichts nach § 207 StPO hat die Staatsanwaltschaft jede Form der unmittelbar identifizierenden Be­ richterstattung sowie jede Form der Berichterstattung, die zu einer Aufhebung der Anony­ mität verfahrensbeteiligter Personen führen könnte, zu unterlassen. Dies gilt nicht, wenn eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person vorliegt oder die Informationswei­ tergabe zu einem der in den §§ 131 ff. StPO genannten Zwecke erfolgt. Mitteilungen der

10. Teil: Ergebnis

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Staatsanwaltschaft sind allgemein und objektiv zu halten sowie auf den Verfahrensstand und den Kern des Tatvorwurfes zu beschränken. Insbesondere zu unterlassen sind Mitteilungen, die geeignet sind, 1. zu einer Vorverurteilung beizutragen, die Unschuldsvermutung oder das Recht des Be­ schuldigten auf ein faires Verfahren zu beeinträchtigen, 2. verfahrensbeteiligte Personen in der Öffentlichkeit bloßzustellen oder auf Dauer zu stig­ matisieren. Bei der Beurteilung, ob Informationen weitergegeben werden dürfen, hat die Staatsanwalt­ schaft alle privaten und öffentlichen Geheimhaltungsinteressen und Rechtsgüter zu berück­ sichtigen und mit dem öffentlichen Informationsinteresse in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. (2) Vor einer Auskunftserteilung gegenüber den Medien haben die Staatsanwaltschaften den Beschuldigten sowie seinen Verteidiger so frühzeitig über den jeweiligen Inhalt der Mit­ teilung in Kenntnis zu setzen, dass ihnen hierdurch die Möglichkeit gegeben wird, Einwände geltend zu machen und Stellungnahmen abzugeben. Bei Pressekonferenzen der Staatsan­ waltschaften sind dem Verteidiger des Beschuldigten Teilnahme- und Mitwirkungsrechte einzuräumen. Über die Möglichkeit der Ausübung dieser Rechte sind der Beschuldigte so­ wie sein Verteidiger möglichst frühzeitig zu informieren. (3) Eine Benachrichtigung des Beschuldigten und seines Verteidigers im Sinne des Absat­ zes 2 darf nur dann unterbleiben, wenn dadurch der Ermittlungszweck gefährdet wird. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für die Beamten und Behörden des Polizeidienstes sowie die Gerichte im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit entsprechend. Auskünfte gegenüber den Me­ dien sind mit den Pressestellen der zuständigen Staatsanwaltschaft abzusprechen. Die Be­ amten und Behörden des Polizeidienstes unterliegen hierbei den Weisungen der zustän­digen Staatsanwaltschaft.

Zunächst scheint es konsequent, einen Paragraphen, der die Weitergabe von In­ formationen während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens behandelt, in der Strafprozessordnung anzusiedeln, da es hierbei im Wesentlichen um die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Strafverfahrens geht und zu­ dem auch die Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten bei den entscheidenden Erwägungen Berücksichtigung finden müssen. Außerdem bietet sich gerade das achte Buch, 1. Abschnitt der StPO hierfür an, da dieser Gesetzesabschnitt die Er­ teilung von Auskünften zu verfahrensübergreifenden Zwecken regelt.1 Weiterhin soll gleich zu Beginn dieses Entwurfs deutlich hervorgehoben wer­ den, dass im Grunde jede Form einer Aufhebung der Personenanonymität2 wäh­ rend des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens unzulässig ist, denn nur durch eine eindeutige Regelung können bestehende Unsicherheiten ausgeräumt und die 1

Vgl. diesbezüglich die Ausführungen zum Reformentwurf von Meier, oben im 5. Teil, G. I. Anerkannte Ausnahmen hiervon bilden diejenigen Fälle, in denen einer Mitteilung eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen zugrunde liegt, oder wenn die Mitteilung einer der in den §§ 131 StPO genannten Zwecke dient. 2

292

10. Teil: Ergebnis

Rechte der betroffenen Personen in hinreichendem Maße gewahrt werden. Zudem kann dem öffentlichen Informationsinteresse zumindest bis zum Beginn der straf­ rechtlichen Hauptverhandlung in gleichem Maße Genüge getan werden, wenn le­ diglich Mitteilungen herausgegeben werden, welche die Personenanonymität des Beschuldigten wahren. Mit den im dritten Satz des ersten Absatzes aufgestellten Vorgaben an die Staats­ anwaltschaft, nach denen Mitteilungen allgemein und objektiv zu halten sind und die Staatsanwaltschaft sich dabei auf den Verfahrensstand und den Kern des Tat­ vorwurfes zu beschränken hat, soll zum einen verhindert werden, dass wertende Tendenzen und Meinungen Einzug in die herausgegebenen Informationen erhal­ ten. Zum anderen bezweckt diese Regelung, der Staatsanwaltschaft auch in Be­ zug auf die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Medienstellen ihre Stellung als ein zu Ge­ rechtigkeit und Objektivität verpflichtetes Rechtspflegeorgan im Sinne des § 160 Abs. 2 StPO vor Augen zu führen.3 Dieser Forderung wird die Staatsanwaltschaft am ehesten gerecht, wenn sie die Weitergabe solcher Details vermeidet, die weder mit dem Stand des Verfah­ rens noch mit dem konkreten Tatvorwurf in einem unmittelbaren Zusammen­ hang stehen. Die sich im vierten Satz des ersten Absatzes daran anschließenden Regel­beispiele (für das Vorliegen unzulässiger Mitteilung) sollen den Staatsan­ waltschaften Entscheidungshilfen an die Hand geben, um ihnen die Differenzie­ rung zwischen einer zulässigen und einer unzulässigen Öffentlichkeitsarbeit zu er­ leichtern.4 Die Regelungen im dritten Absatz dienen dazu, die Informations- und Mitwir­ kungsrechte der verfahrensbeteiligten Personen zu stärken. Diese Rechte können nur im Falle einer möglichst frühzeitigen Kenntnisnahme des genauen Inhalts der jeweiligen Informationen ausgeübt werden, wodurch den Betroffenen die Mög­ lichkeit eingeräumt wird, Einwände vorzubringen, Kritik zu äußern und auf eine Richtigstellung oder ein Unterlassen hinzuwirken.5 3 Ein solcher Hinweis ist gerade in Anbetracht des Umstandes, dass es sich bei der Öffent­ lichkeitsarbeit nicht um eine originäre Aufgabe der Staatsanwaltschaft handelt, nicht als ver­ messen anzusehen; vgl. die Ausführungen zum Entwurf von Dalbkermeyer, oben im 5. Teil, G. III. 4 Ferner könnte eine entsprechende Regelung für die von der Informationsweitergabe Be­ troffenen den wichtigen Vorteil haben, dass eine Zuwiderhandlung (im Gegensatz zu einem Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinien über das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren) über § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. dieser Rechtsnorm (als Schutzgesetz) mit zivilrechtlichen Mit­ teln geahndet werden könnte. 5 Auch Hohmann befürwortet es, dem Beschuldigten vor der medialen Veröffentlichung die jeweiligen Informationen zukommen zu lassen, um diesem die Möglichkeit einzuräumen, eine Stellungnahme hierzu abzugeben. Wenn sich nunmehr ernsthafte Zweifel an der Richtig­ keit des Tatverdachts ergeben, so hat die Veröffentlichung nach Hohmann zu unterbleiben; vgl. Hohmann, NJW 2009, 881 (883, 885); vgl. hierzu auch die Entscheidung BGH NJW 1997, 1948 (1149 f.).

10. Teil: Ergebnis

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Ferner soll mit dem Absatz 4 eine Regelung vorgeschlagen werden, nach der sich die soeben beschriebenen Vorgaben ausdrücklich auch auf die Beamten und Behörden des Polizeidienstes sowie die Gerichte (im Rahmen ihrer Ermittlungs­ tätigkeit) beziehen. Die letzte Entscheidungskompetenz soll hierbei allein der Staatsanwaltschaft zukommen, da ihr die Leitung das Ermittlungsverfahren ob­ liegt und sie für diesen Verfahrensabschnitt somit maßgeblich verantwortlich ist.6 Eine entsprechende Kompetenzzuordnung – verbunden mit einer Weisungsbefug­ nis – ist ferner erforderlich, da § 152 GVG, der eine ausdrückliche Weisungsbe­ fugnis der Staatsanwaltsschaft gegenüber den Polizeidienststellen oder den einzel­ nen Beamten des Polizeidienstes7 festlegt, nur einschlägig ist, wenn die Beamten und Behörden des Polizeidienstes in ihrer Eigenschaft als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft auftreten. Dies ist jedoch gerade im Bereich der reinen Öf­ fentlichkeitsarbeit häufig nicht der Fall. Genauso verhält es sich mit Blick auf den § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO, da es sich auch bei dieser Ermittlungsgeneralklau­ sel (vgl. den Verweis in § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO auf § 160 Abs. 1 bis 3 StPO) um Zwecke des Strafverfahrens handeln muss, was bei der rein informatorischen Öf­ fentlichkeitsarbeit zu verneinen ist.

6 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 131. Diese Funktion der Staatsanwaltschaft, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu leiten, kommt in der Bezeich­ nung der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Vorverfahrens“ zum Ausdruck. 7 Ob die Staatsanwaltschaft die Weisung einer Polizeidienststelle oder dem einzelnen Hilfs­ beamten erteilt, ist (wenn sie nicht die persönliche Ausführung durch eine Ermittlungsperson ihres Bezirks fordert, oder bereits ein bestimmter Beamter mit der Bearbeitung des konkreten Falles befasst ist) streitig. Dies soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden; vgl. hierzu MeyerGoßner, StPO, § 152 GVG Rn. 2.

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Sachverzeichnis Abschreckung siehe Relative Straftheorien absolute Straftheorien  31 f. Adhäsionsverfahren  162 f. Aktenzeichen XY  216 allgemeine Gesetze  196 allgemeines Persönlichkeitsrecht  57 f., 173 ff., 195 f., 202, 206, 224 ff., 231 f. –– Recht auf Anonymität  175 ff. –– Recht auf Resozialisierung  178 ff. Amtshaftungsanspruch  139 ff., 158 Amtsträger  108 ff., 113, 213 f. Angehörige  98, 113, 208, 221 f. Anklageerhebung  90, 95 f., 124, 202, 267 Anklagemonopol  165, 255 Anstiftung  108, 110 f. Ausgangsbehörde  259 f., 265 Auslegung  56, 61, 66 f., 108, 121, 195 Äußerungsfreiheit  40 f., 186 ff. Beihilfe  108, 110 f. Beleidigung  105 ff., 162 Berufsverbot 204 Beschleunigungsgebot 166 Bestimmtheitsgebot  58, 63, 71 f., 80, 83, 289 Bildnis  80 ff., 84, 86, 117 ff., 120, 122, 147, 175 ff., 184, 228 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf­ sicht  237, 260, 264, 268 contempt of court  134 Demokratieprinzip 189 Deutscher Presserat  38 f. Durchsuchung  114, 126, 172, 217 effektive Strafrechtspflege/Strafverfolgung 164 ff. effektiver Rechtsschutz  159 f. einstweilige Verfügung  158 ff. Entziehung der Fahrerlaubnis  204 Ergänzungsanspruch  133, 137, 160 f. Ermittlungsgrundsatz 166

Fahndung siehe Öffentlichkeitsfahndung Fair-trial-Grundsatz 75, 94 f., 197 ff., 260, 266, 267 ff., 270, 285, 291 Feststellungsklage 159 Freedom of Information Act  240 f. funktioneller Behördenbegriff  253 f. Gefahrenabwehr  33, 77, 170, 212, 221, 248 f., 261 f. Gegendarstellungsanspruch  148 ff., 154, 158, 162 Gerichtsöffentlichkeit –– mittelbare  49, 189 f. –– unmittelbare  52, 230 ff. Geschädigte  98, 137, 162, 208, 221, 226 Haftbefehl  23, 90, 212 Informationsfreiheit  73, 185 f., 188 ff. Inquisitionsverfahren  45 ff., 51 Justizverwaltungsakt  155 ff., 258 Kontrollfunktion  48, 64, 85, 100 Laienrichter  24, 115, 134, 169, 172 Lebach-Entscheidung  175, 178 f., 182, 217 f. Legalitätsprinzip 165 Leistungsklage 159 Litigation-PR  22, 200 f. Medienfreiheiten/Mediengrundrechte  72 f., 135, 185 f., 191, 194 f., 214 f., 228, 235 f. Meinungsfreiheit siehe Äußerungsfreiheit Menschenwürde  34, 58, 171 Öffentlichkeit –– des Ermittlungsverfahrens  27 ff. –– des Strafverfahrens  51 ff. Öffentlichkeitsfahndung  30, 77, 132, 212 Offizialmaxime  165, 200

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Sachverzeichnis

Online-Archive/Onlinerecherchen  177, 181 ff., 185 Opfer siehe Geschädigte Organ der Rechtspflege 36, 98  f., 246  ff., 251 ff., 256 f., 261, 263 f., 271, 292 Personen der Zeitgeschichte –– absolute  84 ff., 119, 228 –– relative  87 ff., 119 ff. personenbezogene Daten 128 ff., 243, 279, 281, 283 f., 286 Pflichtverteidigung 101 Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit siehe Medienfreiheiten/Mediengrundrechte Pressekonferenzen/Pressemitteilungen  22, 32, 40, 42, 95 ff., 291 prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit siehe Litigation-PR rechtliches Gehör  100, 199, 223 f., 268 Relative Straftheorien  32 ff., 170 ff., 219 richterliche Unabhängigkeit 248  f., 252, 254 ff., 258, 261, 263, 270 f. Richtervorbehalt 193 Richtigstellung  133, 137, 160 f., 292 Sachverständige  53, 135, 233, 258 Schadensersatz  133, 142, 153, 158 Sexualstraftaten  98, 225 f., 232 Sphären (des Persönlichkeitsrechtsschutzes) –– Intimsphäre  138, 225 ff., 230 f. –– Privatsphäre 48, 58, 85, 119, 138, 224, 227 f. –– Sozialsphäre  69, 138, 222, 228 ff. Tatverdacht –– dringender  23, 67, 87 f., 90, 124, 220 –– hinreichender  90, 124, 272

üble Nachrede  105 ff. ungerechtfertigte Bereicherung  133, 145 ff. Unschuldsvermutung 32, 34, 83, 88, 91, 94 f., 108, 120, 123 f., 132, 142, 162, 171, 196 f., 202 ff., 212, 216, 218 ff., 223 f., 230, 232, 270, 281, 291 Unterbringung in einem psychiatrischen Kran­ kenhaus 204 Unterlassungsanspruch  143 ff., 181 Untersuchungszweck  75, 94, 269 Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhand­ lungen  115 ff., 168, 210 verdeckte Ermittler/Vertrauenspersonen  168 Verfahrenseinstellung  21, 55, 89, 112, 172, 183 ff. Verletzung von Dienstgeheimnissen 113 ff., 275 Verletzung von Privatgeheimnissen 108 ff., 275 Verleumdung  105 ff. Verteidiger  22, 24, 51, 95 f., 98 f., 100 f., 222, 234, 257, 263, 291 Vorverurteilung  24, 42, 50, 202 f., 268, 291 Waffengleichheit 100 f., 151, 163, 199 ff., 223 f. Wahrnehmung berechtigter Interessen  107 Wechselwirkungslehre  74, 195, 236 Weisungsrecht der Staatsanwaltschaften  263 Widerruf  133, 137, 155, 160 f. Wiederholungsgefahr  145, 218 f. Zeugen  24, 52 f., 77, 82, 98, 100, 115, 134 f., 167 ff., 172, 208, 221 f., 231, 233 f., 258 Zeugnisverweigerungsrecht 112, 166, 192, 176 Zustimmung  109, 118 f., 138, 281