Die Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive 9783161546761, 3161546768

Die Rechtsnatur der Insolvenzanfechtung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind seit jeher umstritten. In Abkeh

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Die Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive
 9783161546761, 3161546768

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
§ 2 Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien
§ 3 Zum Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit anfechtbarer Rechtshandlungen
§ 4 Untersuchung vergleichbarer zivilrechtlicher Rückgewähr-, Rückgabeund Herausgabeansprüche
§ 5 Vergleich der Insolvenzanfechtung mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen
§ 6 Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung
§ 7 Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen
§ 8 Vereinbarkeit der Nichtigkeitsfolge mit den Normen bezüglich der übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung
§ 9 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 52

Ralph Zenger

Die Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive

Mohr Siebeck

Ralph Zenger, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Insolvenzrecht und Freiwillige Gerichtsbarkeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; derzeit Rechtsreferendar im Oberlandesgerichtsbezirk Bamberg.

Zugl.: Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, 2015.

ISBN 978-3-16-154676-1 ISSN  1867-4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jürgen Stamm, für die hervorragende Betreuung der Arbeit. Stets stand er mir mit Rat und ertragreichen Anregungen hilfreich zur Seite. Dass er mir gleichzeitig nahezu grenzen­ losen kreativen Freiraum beließ, gleicht fast schon einem Kunststück. Seine Be­ treuung hat maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Herzlich danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Robert Freitag für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. In Dankbarkeit gewidmet ist dieses Buch meiner Verlobten Sarah sowie meiner Familie, die mir jederzeit zur Seite standen. Insbesondere meinen lieben Eltern, deren liebevolle Förderung und stetes Vertrauen den Grundstein dieser Arbeit bilden, sei an dieser Stelle von Herzen gedankt. Erlangen, März 2016

Ralph Zenger

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

§  1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien . . . 4 I. Materielles Insolvenzrecht und Insolvenzverfahrensrecht . . . . . 4 II. Der dienende Charakter des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . 6

§  3 Zum Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit anfechtbarer Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Begriff der „Rechtshandlung“ im Sinne von §  129 Abs.  1 InsO . . 12 II. Auffassungen der klassischen Anfechtungstheorien . . . . . . . . 14 III. Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . 21

§  4 Untersuchung vergleichbarer zivilrechtlicher Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Primäre Rückgewähr-, Rückgabe und Herausgabeansprüche als Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Potentieller Einwand gegen einen Vergleich aufgrund der Möglichkeit der Anfechtung bloßer Schuldbegründungen . . . . . 43 III. Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche . . 44 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 V. Auswirkungen auf die Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . 80

§  5 Vergleich der Insolvenzanfechtung mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . 82

VIII

Inhaltsübersicht

I. Die Vergleichsnormen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Die Vergleichsnormen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 IV. Folgen der Wesensverwandtschaft für die Wirkungen der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

§  6 Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . 168 I. Bezugspunkt der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 II. Auswirkung der Anfechtung auf vollstreckbare Titel . . . . . . . 178 III. Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 184

§  7 Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen . . . . . 188 I. Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen . . . . 188 II. Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle . . . . . . 217

§  8 Vereinbarkeit der Nichtigkeitsfolge mit den Normen bezüglich der übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung . . 241 I. Die sekundäre Wertersatzpflicht gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO . . 241 II. Die Ansprüche des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . 246 III. Die Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §  145 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 IV. Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

§  9 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

§  1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien . . . 4 I. Materielles Insolvenzrecht und Insolvenzverfahrensrecht . . . . . 4 II. Der dienende Charakter des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . 6

§  3 Zum Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit anfechtbarer Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Begriff der „Rechtshandlung“ im Sinne von §  129 Abs.  1 InsO . . 12 II. Auffassungen der klassischen Anfechtungstheorien . . . . . . . . 14 1. Dingliche Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 a) Rechtsgestaltungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Theorie der relativen Unwirksamkeit kraft Gesetzes . . . . . . 15 c) Theorie der sachlich-relativen Unwirksamkeit . . . . . . . . . 16 2. Schuldrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Haftungsrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

III. Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . 21 1. Gesetzeswortlaut von §  129 Abs.  1 InsO und §  143 Abs.  1 S.  1 InsO 22 2. Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Insolvenzanfechtung und Bewertung von §  29 KO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) Der Wortlaut der Regelung des §  29 KO . . . . . . . . . . . . 23 b) Gesetzesmaterialien zur Konkursordnung . . . . . . . . . . . 26

X

Inhaltsverzeichnis

aa) Konkursordnung vom 10.02.1877 . . . . . . . . . . . . . 26 (1) Hinweise für eine dingliche Unwirksamkeit . . . . . . 26 (2) Hinweise für einen obligatorischen Anspruch . . . . . 27 (3) Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 bb) Konkursrechtsnovelle vom 17.05.1898 . . . . . . . . . . . 29 (1) Hinweise für eine dingliche Unwirksamkeit . . . . . . 30 (2) Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (3) Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Änderungen durch die Insolvenzrechtsreform vom 01.01.1999 . . 34 a) Geänderter Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . 34 b) Gesetzesmaterialien zu §  129 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 35 c) Die Einführung einer Verjährungsregelung in §  146 Abs.  1 InsO 36 4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

§  4 Untersuchung vergleichbarer zivilrechtlicher Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Primäre Rückgewähr-, Rückgabe und Herausgabeansprüche als Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung als gemeinsame Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Eingrenzung der Untersuchung auf Primäransprüche . . . . . . . 42 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

II. Potentieller Einwand gegen einen Vergleich aufgrund der Möglichkeit der Anfechtung bloßer Schuldbegründungen . . . 43 III. Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche . . 44 1. Vertragliche Rückgewähr- und Rückgabeansprüche . . . . . . . . 45 a) Rückgabe nach Beendigung von Dauerschuldverhältnissen . . 45 b) Rückabwicklung aufgrund von Rücktritt und Widerruf . . . . 47 2. Herausgabeansprüche aus Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag und Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Vorbemerkung: §  667, 1. Fall BGB als alleinige Vergleichsnorm 50 b) Rechtliche Beschaffenheit des Auftrages/der Geschäftsbesorgung im Zeitpunkt der Entstehung der Herausgabepflicht 51 3. Bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . 52 a) Vorbemerkung zur Terminologie „Rechtshandlung“ im Rahmen des Bereicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Fehlen des rechtlichen Grundes als Rechtfertigung der Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Inhaltsverzeichnis

XI

aa) Situation bei der condictio indebiti und der condictio ob causam finitam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Situation bei der Nichtleistungskondiktion, §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Situation bei der condictio ob rem . . . . . . . . . . . . . 57 dd) Situation bei §  816 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (1) §  816 Abs.  1 S.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (2) §  816 Abs.  1 S.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (3) §  816 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ee) Situation bei der condictio ob turpem vel iniustam causam . 66 ff) Situation bei §  822 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Dingliche Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Herausgabeanspruch des Eigentümers aus §  985 BGB . . . . . 72 b) Herausgabeanspruch des Pfandgläubigers aus §§  1227, 985 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 c) Herausgabeanspruch des Besitzers aus §  861 Abs.  1 BGB . . . 75 d) Herausgabeansprüche des früheren Besitzers aus §  1007 Abs.  1, 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Herausgabeanspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer aus §  2018 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 V. Auswirkungen auf die Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . 80

§  5 Vergleich der Insolvenzanfechtung mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . 82 I. Die Vergleichsnormen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Die Vergleichsnormen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Die Geschäftsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Umkehrschluss aus §  80 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Tatbestandliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 d) Maßgeblicher Zeitpunkt der Geschäftsunfähigkeit . . . . . . . 88 e) Reichweite in personeller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . 88 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Die zivilrechtliche Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Die Begriffsbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Die zivilrechtliche Anfechtung als Gestaltungsrecht . . . . . . 91

XII

Inhaltsverzeichnis

aa) Verjährungsregelung in §  146 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . 91 bb) Fehlende Normierung einer Ausschlussfrist . . . . . . . . 92 cc) Insolvenzanfechtung: Wertungen gegen Gestaltungsrecht . 93 (1) Vertrauensschutz des Anfechtungsgegners . . . . . . . 93 (2) Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (a) Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzschuldners . 94 (b) Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzverwalters . 95 (i) Kein Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzverwalters unter Zugrundelegung der Amtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (ii) Gestaltungsrecht auch bei Anerkennung eines Selbstbestimmungsrechts unnötig . . . . . . . 96 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Schutz- und Zielrichtung der zivilrechtlichen Anfechtung . . . 97 aa) Normzweck der Irrtumsanfechtung gemäß §  119 BGB . . . 97 (1) §  119 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) §  119 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Normzweck der Täuschungs- und Drohungsanfechtung gemäß §  123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Normzweck der erbrechtlichen Anfechtungstatbestände . . 101 dd) Zusammenfassung und Vergleich mit dem Normzweck der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Die Existenz von §  122 BGB und §  144 BGB als Ausdruck divergierender Normzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) §  122 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) §  144 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Die zivilrechtlichen Rücktrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Der Rücktritt vom Vertrag als Gestaltungsrecht . . . . . . . . 106 b) Die Normzwecke der Rücktrittsregeln . . . . . . . . . . . . . 108 aa) §§  323, 324 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Widerrufsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Vergleich hinsichtlich des Normzwecks der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Möglichkeit eines Rückgewährschuldverhältnisses trotz fehlender Vergleichbarkeit mit dem Rücktritt . . . . . 111 4. Die zivilrechtliche Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Die ipso iure eintretende Wirkung des §  138 Abs.  1 BGB . . . 114 b) Vergleich der Normzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Normzweck von §  138 Abs.  1 BGB und geschützter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Inhaltsverzeichnis

XIII

(a) Die Sittenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (b) Die Wertentscheidungen der Gesamtrechtsordnung 118 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Der Kreis der geschützten Personen . . . . . . . . . . 119 (a) Die unterlegene Vertragspartei . . . . . . . . . . . 120 (b) Dritte und die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . 120 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Normzweck der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . 122 (1) Die par conditio creditorum . . . . . . . . . . . . . . 122 (a) Die verfahrensgeleitete gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung unter Zurückdrängung des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (b) Die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (i) §§  130, 131 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (ii) §  132 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (2) Die par conditio creditorum unter dem Blickwinkel von Art 3 Abs.  1 GG und Art 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (a) Die Risikogemeinschaft der Gläubiger . . . . . . . 126 (b) Notwendigkeit der Zurückdrängung des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (c) Fehlender Vertrauensschutz beim Anfechtungsgegner und Notwendigkeit einer rückwirkenden Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . 129 (i) Fehlender Vertrauensschutz beim Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (ii) Notwendigkeit einer rückwirkenden Gläubigergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . 133 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (3) Mögliche weitere Normzwecke der Insolvenzanfechtung neben der Sicherstellung der par conditio creditorum . 134 (a) Kein abweichender Normzweck in §  133 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (b) Sanierungsgedanke kein eigenständiger Normzweck 136 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc) Die par conditio creditorum als Ausformung der guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

III. Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Tatbestand der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung . . . . . 140

XIV

Inhaltsverzeichnis

a) Tatbestandsvoraussetzungen der Sittenwidrigkeit in Fällen der Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Sittenwidrige Sicherungsabtretungen . . . . . . . . . . . 141 (1) Objektive Voraussetzung Gläubigerbenachteiligung . . 141 (2) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 141 (a) Vorbemerkung zum Terminus „Täuschung“ . . . . 142 (b) Gläubigerbenachteiligendes Zusammenwirken . . . 142 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen . . . 145 (1) Objektive Voraussetzung Gläubigerbenachteiligung . . 145 (2) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Planmäßige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit . . . 146 (1) Objektive Voraussetzung Gläubigerbenachteiligung . . 146 (2) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Anfechtungstatbetände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Grundvoraussetzung Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . 147 b) Weitere Voraussetzungen der einzelnen Anfechtungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Vorsätzliche Benachteiligung, §  133 Abs.  1 InsO . . . . . . 148 bb) Deckungsanfechtung, §§  130, 131 InsO . . . . . . . . . . 150 (1) Kongruente Deckung, §  130 InsO . . . . . . . . . . . 151 (a) §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 151 (i) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 151 (ii) Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 152 (b) §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 153 (i) Eröffnungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . 153 (ii) Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags . . . . . . . . . . . . . 153 (c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (2) Inkongruente Deckung, §  131 InsO . . . . . . . . . . 154 (a) §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 154 (b) §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 155 (c) §  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 157 (d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 cc) Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen, §  132 InsO . . 158 dd) Unentgeltliche Leistungen, §  134 InsO . . . . . . . . . . . 158 3. Gemeinsames Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Tatsächliches Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung . . . . 159 b) Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung . . . . . 161 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Inhaltsverzeichnis

XV

IV. Folgen der Wesensverwandtschaft für die Wirkungen der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Divergierende Rechtsfolgen von §§  129 ff. InsO und §  138 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

§  6 Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . 168 I. Bezugspunkt der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Vorüberlegung: Dogmatische Überforderung des Insolvenzanfechtungsrechts durch den Begriff „Rechtshandlung“ . . . . . . 169 a) Wortlaut und Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Fehlende Differenzierung als Grund dogamtischer Überforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 c) Überlegungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Bezugspunkt der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Getrennte Betrachtung von Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Prozesshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4. Akte der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Realakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

II. Auswirkung der Anfechtung auf vollstreckbare Titel . . . . . . . 178 1. Unwirksamkeit des vollstreckbaren Titels . . . . . . . . . . . . . 178 2. Vereinbarkeit mit zivilprozessualen Grundsätzen . . . . . . . . . 180 a) Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung und Wirkung des Eröffnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) §  141 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) §  141 InsO als Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Unwirksamkeit als Umsetzung der Wertentscheidung . . . 183

III. Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Schwebende Unwirksamkeit bis Verfahrenseröffnung . . . . . . . 185 2. Vertrauensschutz und Verkehrsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 186

§  7 Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen . . . . . 188 I. Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen . . . . 188

XVI

Inhaltsverzeichnis

1. Anfechtbare Übertragung von Sachen und Rechten . . . . . . . . 189 a) Übereignung beweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . 189 bb) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . 191 cc) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . 192 b) Übereignung unbeweglicher Sachen . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . 193 bb) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . 193 cc) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . 194 c) Die Forderungsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . 194 bb) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . 195 cc) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . 196 d) Exkurs: Die Möglichkeit einer Haftungsklage . . . . . . . . . 197 aa) Rückgewähr in Natur als Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Keine Differenzierung hinsichtlich Beweglichkeit/ Unbeweglichkeit der Sache möglich . . . . . . . . . . . . 199 cc) §§  883 ff. ZPO als einschlägige vollstreckungsrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Anfechtbare schuldrechtliche Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . 201 a) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . . . 203 c) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . . . 204 3. Anfechtbare Aufhebung von Rechten . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Der Schulderlass gemäß §  397 BGB . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . 206 bb) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . 207 cc) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . 208 b) Verzicht auf dingliche Rechte und deren Aufhebung . . . . . . 210 aa) Verzicht auf eine Hypothek gemäß §  1168 Abs.  1 BGB . . . 211 (1) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . 211 (2) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . 212 (3) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . 213 bb) Aufhebung der Hypothek gemäß §  1183 BGB . . . . . . . 213 (1) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . 214 (2) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . 215 (3) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . 216 4. Ergebnis: §  143 Abs.  1 S.  1 InsO als Verweisungsnorm . . . . . . 216

II. Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle . . . . . . 217 1. Insolvenz des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . 219

Inhaltsverzeichnis

XVII

aa) Aussonderungsrecht des Insolvenzverwalters . . . . . . . 219 bb) Bestätigung durch Wertungsgesichtspunkte . . . . . . . . 220 b) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . . . 222 c) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . . . 224 aa) Vergleich mit der Situation der Insolvenz des Treuhänders . 226 bb) Vergleich mit schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen . . 228 cc) Vergleich mit §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG . . . . . . . . . . . 229 dd) Wertungen des §  145 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . 230 ee) Aussonderungsrecht aufgrund der Interessenlagen . . . . . 231 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Zwangsvollstreckungszugriff von Eigengläubigern des Anfechtungsgegners auf den Anfechtungsgegenstand . . . . . 232 a) Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie . . . . . . . . 235 c) Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie . . . . . . . . . 236 d) Exkurs: Besondere Problematik des §  145 Abs.  2 InsO . . . . . 237 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

§  8 Vereinbarkeit der Nichtigkeitsfolge mit den Normen bezüglich der übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . 241 I. Die sekundäre Wertersatzpflicht gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO . . 241 1. Sekundäranspruch als Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . 241 2. §  143 Abs.  1 S.  2 InsO als einzelfallunabhängiger Anwendungsgarant für §§  989, 990 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Direkte Anwendbarkeit von §§  989, 990 BGB als vermeintlicher Widerspruch zu §  143 Abs.  1 S.  2 InsO . . . . . . . . . . . . . 243 b) Praktisches Bedürfnis nach einzelfallunabhängiger Anwendbarkeit von §§  989, 990 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Möglichkeit der Anwendung von §§  989, 990 BGB bei fehlender Rechtshändgigkeit oder Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . 245 3. Gesetzestechnisch missglückte Umsetzung . . . . . . . . . . . . 245

II. Die Ansprüche des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Das „Wiederaufleben“ der Forderung des Anfechtungsgegners gemäß §  144 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Scheinbarer Widerspruch zwischen „Wiederaufleben“ der Forderung und deren Fortbestehen aufgrund mangelnder Erfüllungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) §  144 Abs.  1 InsO als dilatorische Einrede des Verwalters und Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

XVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Erstattung der Gegenleistung gemäß §  144 Abs.  2 InsO . . . . . . 249

III. Die Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §  145 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Anfechtung gegenüber dem Erben oder einem anderen Gesamtrechtsnachfolger gemäß §  145 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . 252 2. Anfechtung gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger gemäß §  145 Abs.  2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Grundlegender Regelungsgehalt von §  145 Abs.  2 InsO . . . . 254 b) §  145 Abs.  2 InsO als Erweiterung der Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 c) Vereinbarkeit mit zivilrechtlichen Prinzipien . . . . . . . . . . 256 aa) §  145 Abs.  2 Nr.  1 und 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) §  145 Abs.  1 Nr.  3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (1) Durchbrechung des zivilrechtlichen Prinzips der Möglichkeit des unentgeltlichen gutgläubigen Erwerbs 257 (2) Rechtfertigung der Durchbrechung . . . . . . . . . . . 258

IV. Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Keine Verjährung bezüglich der Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . 260 a) Anfechtungsanspruch als Bezugspunkt der Verjährung gemäß §  146 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Keine abweichende Beurteilung durch Einführung einer Verjährungsfrist in §  146 Abs.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . 261 c) Parallele im Zivilrecht zur Unverjährbarkeit der Nichtigkeit . . 261 2. Verjährungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Regelmäßige Verjährungsfrist als Widerspruch zur Nichtigkeitsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Normierung der regelmäßigen Verjährungsfrist als gesetzgeberischer Fehlgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

§  9 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Abkürzungsverzeichnis Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen wird auf folgende Werke Bezug genommen: Kirchner, Hildebert: –  Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage, Berlin/Boston 2013 Scholze-Stubenrecht, Werner: –  Duden, die deutsche Rechtschreibung, 26. Auflage, Berlin 2013

§  1  Einleitung Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist das Recht der Insolvenzanfechtung, das in §§  129 bis 147 InsO normiert ist. Im Gegensatz zu den Regelungen der §§  80 ff. InsO, die eine gläubigerbenachteiligende Verkürzung der Insolvenzmasse durch den Schuldner nach Verfahrenseröffnung vermeiden sollen, knüpft die Insolvenz­ anfechtung an gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen an, die bereits vor Ver­ fahrenseröffnung vorgenommen worden sind.1 Durch Rechtshandlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen werden und durch die in negativer Weise auf das Vermögen des späteren Insolvenzschuld­ ners eingewirkt wird, können Insolvenzgläubiger mindestens ebenso benachteiligt werden wie durch Eingriffe in die Masse nach Verfahrenseröffnung. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass es gerade in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfah­ rens zu Handlungen kommt, durch die einzelne Gläubiger des späteren Insolvenz­ schuldners hinsichtlich ihrer Forderungen befriedigt werden, wohingegen andere Gläubiger aufgrund der im Verfahren erreichten niedrigen Quote das Nachsehen haben.2 Das Recht der Insolvenzanfechtung verfolgt den Zweck, Vermögensverschiebun­ gen, die aufgrund solcher Handlungen zustande gekommen sind, rückgängig zu machen.3 Hierdurch soll das den Gläubigern haftende Schuldnervermögen, die In­ solvenzmasse, wieder in den Zustand zurückgeführt werden, den es ohne diese Handlung aufgewiesen hätte.4 Zugleich soll die Insolvenzmasse von Verbindlich­ keiten befreit werden, die vor Verfahrenseröffnung in missbilligenswerter Weise begründet wurden.5 Durch die Einwirkungsmöglichkeit auf bestimmte Rechthand­ lungen, deren Voraussetzungen in den einzelnen Anfechtungstatbeständen der §§  130 ff. InsO näher bestimmt werden, soll die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger, die sogenannte par conditio creditorum, sichergestellt werden.6 1  Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  5. 2  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129– 147 Rn.  2; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  1. 3  BT-Drucks. 12/2443, S.  156, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  335; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  1. 4  Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2. 5  Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2. 6  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1;

2

§  1  Einleitung

Das Recht der Insolvenzanfechtung weist zahlreiche Detailprobleme auf, die zu juristischen Streitigkeiten geführt haben und auch in Zukunft führen werden und die dazu in der Lage sind, ganze juristische Bibliotheken zu füllen. Die hier durch­ geführte Untersuchung widmet sich indes nicht solchen Detailproblemen, sondern befasst sich mit dem juristischen „Urproblem“ der Insolvenzanfechtung, deren Wir­ kungsweise. Seit jeher ist die konkrete Wirkung der Insolvenzanfechtung, also deren systema­ tische7 beziehungsweise dogmatische8 Einordnung respektive Rechtsnatur,9 um­ stritten.10 Es geht dabei um die Frage, welchen Einfluss die Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit einer anfechtbaren Rechtshandlung hat und daraus resultierend, welche rechtliche Qualität dem primären Rechtsfolgenanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zuzugestehen ist. Je nachdem, wie man die Rechtswirkung der Insolvenz­ anfechtung bestimmt, resultieren daraus weitreichende Folgen für bestimmte Fall­ konstellationen. Die weitreichendsten Folgen ergeben sich in den sogennanten „Kollisionsfällen“,11 in denen es darum geht, dass das Anfechtungsrecht des Insol­ venzverwalters mit möglichen Ansprüchen von Eigengläubigern des Anfechtungs­ gegners konkurriert. Zur Beantwortung der Frage nach der Rechtsnatur der Insolvenzanfechtung ha­ ben sich im Laufe der Zeit verschiedene Theorien entwickelt, die sich in die drei Kategorien der dinglichen, schuldrechtlichen und haftungsrechtlichen Theorien einordnen lassen. Dabei stehen sich die dingliche Theorie und die schuldrechtliche Theorie bei der Bestimmung der Wirkung der Insolvenzanfechtung konträr gegen­ über, während die haftungsrechtliche Theorie eine Art Mittelposition einnimmt. Bei der Auseinandersetzung mit diesen Theorien fällt auf, dass oftmals rein in­ solvenzrechtsspezifische Erwägungen zur Begründung angestellt werden. Diese Arbeit verfolgt demgegenüber einen anderen Ansatz. Es wird versucht, die Wir­ kung der Insolvenzanfechtung stärker an zivilrechtliche Grundprinzipien anzu­ knüpfen. Es soll dadurch ein nachvollziehbares Lösungsmodell entwickelt werden, das sich so weit wie möglich in Einklang mit Grundwertungen des Zivilrechts be­ findet. Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §  129–147 Rn.  1 f. 7  So lautet der Titel der Habilitationsschrift von Gerhardt „Die systematische Einordnung der Gläubigeranfechtung“. 8  So die Bezeichnung unter anderem von Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  9; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  3. 9  So die Bezeichnung unter anderem von Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme, Rn.  845; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  5; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  3; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  11; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  11; Nerlich in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  143 Rn.  3; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, Vorbem. zu §§  129 ff. Rn.  1; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4. 10  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  8. 11  So die treffende Bezeichnung von Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  157.

§  1  Einleitung

3

Der Gang der Untersuchung stellt sich wie folgt dar: Zunächst wird geklärt, in­ wiefern eine Anknüpfung des Insolvenzanfechtungsrechts an zivilrechtliche Prinzi­ pien überhaupt nötig und möglich ist.12 Daran anschließend werden grundlegende Betrachtungen hinsichtlich des Einflusses der Insolvenzanfechtung auf die Wirk­ samkeit einer anfechtbaren Rechtshandlung angestellt.13 Im Rahmen dieses Unter­ suchungspunkts wird zunächst der Frage nachgegangen, wie sich die verschiedenen Anfechtungstheorien zu dem Grundproblem der Wirkungen der Insolvenzanfech­ tung verhalten. Weiterhin ist zu untersuchen, inwiefern der Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO und §  143 Abs.  1 S.  1 InsO als Zentralnormen des Insolvenzanfech­ tungsrechts Rückschlüsse auf die Wirkungsweise zulässt. Auch die rechtsgeschicht­ liche Entwicklung des Insolvenzanfechtungsrechts sowie die einschlägigen Geset­ zesbegründungen werden auf ihren möglichen Einfluss hin untersucht. Um dem Ziel dieser Arbeit, zivilrechtlichen Prinzipien größeren Raum bei der Bestimmung der Wirkungsweise der Insolvenzanfechtung einzuräumen, Rechnung zu tragen, werden in einem weiteren Schritt Rückgewähr-, Rückgabe-, und Heraus­ gabeansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch auf eine mögliche gemeinsame Grundstruktur hin untersucht, da auch §  143 Abs.  1 S.  1 InsO eine auf Rückgewähr gerichtete Rechtsfolge bereithält.14 Anschließend wird die Insolvenzanfechtung ei­ nem Vergleich mit zivilrechtlichen Normen unterzogen, die Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Rechtshandlungen haben.15 Das infolge dieser Untersuchung entwickelte Modell16 wird anschließend im Ein­ zelnen hinsichtlich seines Einflusses auf ausgewählte anfechtbare Rechtshandlun­ gen sowie den Auswirkungen auf problematische Kollisionsfälle untersucht.17 Da­ bei soll herausgefunden werden, ob praxistaugliche Ergebnisse erzielt werden kön­ nen. In einem letzten Schritt muss das gefundene Modell zeigen, ob es sich mit dem Inhalt derjenigen Vorschriften vereinbaren lässt, welche die übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung regeln.18

12 

Siehe §  2, S.  4 ff. Siehe §  3, S.  11 ff. 14  Siehe §  4, S.  41 ff. 15  Siehe §  5, S.  82 ff. 16  Siehe §  6, S.  168 ff. 17  Siehe §  7, S.  188 ff. 18  Siehe §  8, S.  241 ff. 13 

§  2  Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien I.  Materielles Insolvenzrecht und Insolvenzverfahrensrecht In §  1 S.  1 InsO heißt es: „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unterneh­ mens getroffen wird.“

Das Insolvenzverfahren ist ein Zivilverfahren.1 Es handelt sich nach allgemeiner Meinung nicht um ein Erkenntnisverfahren,2 sondern vielmehr um ein Gesamtvoll­ streckungsverfahren.3 Auch wenn der Bundesgerichtshof die Insolvenzverfahrens­ eröffnung aufgrund des Ziels und Zwecks des Insolvenzverfahrens in die Nähe der Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerückt sieht,4 hat der Gesetzgeber durch die Regelung des §  4 InsO hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschriften der Zivilprozessordnung entschieden, dass das Insolvenzverfahren kein Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist.5 Das Insolvenzrecht enthält „[…] die Summe aller Rechtsvorschriften, die den existenzbedrohenden Zustand eines Schuldners oder Schuldnerunternehmens re­ geln“.6 Die Vorschriften setzen sich aus verfahrensrechtlichen sowie materiell-recht­ lichen Regelungen zusammen,7 deren Trennung im Bereich des Insolvenzrechts 1 

Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  3.03. Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, §  38 Rn.  3; Pape in: Uhlen­ bruck, InsO, §  1 Rn.  2. 3  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  1.9; Jauernig/Berger, Zwangsvollstre­ ckungs- und Insolvenzrecht, §  38 Rn.  3; Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2; im Ergebnis auch Schmerbach in: FK-InsO, §  1 Rn.  2, auch wenn dieser unter anderem mit Verweis auf das Antrags­ recht des Schuldners sowie die Verteilung der Masse, die nicht durch staatliche Organe erfolgt sondern durch einen eigenverantwortlich handelnden Insolvenzverwalter, einer Einordnung des Insolvenzrechts als reinem Vollstreckungsrecht widerspricht, siehe §  1 Rn.  3. 4  BGHZ 95, 256 (265); ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  3.05. 5  BayObLG NJW 1989, 44 (44); Bork, Einführung, Rn.  55; Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2. 6  Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2. 7  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.05, 3.01 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, Einleitung Rn.  69; Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2; Schmerbach in: FK-InsO, §  1 Rn.  15. 2 

I.  Materielles Insolvenzrecht und Insolvenzverfahrensrecht

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bisweilen als „unausführbar erscheinen“ mag.8 Die ersten beiden Teile der Insolvenz­ ordnung beinhalten verfahrensrechtliche Vorschriften, die sich mit den allgemeinen Bestimmungen über das Insolvenzverfahren (§§  1–10 InsO), dem Eröffnungsver­ fahren und den Eröffnungsgründen (§§  11–34 InsO), der Definition der Insolvenz­ masse (§§  35–37 InsO), der Klassifizierung der verschiedenen Gläubigergruppen (§§  38–55 InsO), der Stellung des Insolvenzverwalters (§§  56–66 InsO) und den Organen der Gläubigerselbstverwaltung (§§  67–79 InsO) beschäftigen. Erst der drit­ te Teil der Insolvenzordnung, in dem die hier behandelte Insolvenzanfechtung gere­ gelt ist, enthält unter der amtlichen Überschrift „Wirkungen der Eröffnung des In­ solvenzverfahrens“ materielles Insolvenzrecht.9 Durch die Insolvenzanfechtung sollen Vermögensverschiebungen, die aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zur Verfahrenseröffnung oder unter Bedingungen, die eine Rückgewähr zur Insolvenzmasse rechtfertigen, vorgenommen worden sind, rück­ gängig gemacht werden.10 Hierdurch wird auf die durch bestimmte rechtliche Hand­ lungen wie Übereignungen, Forderungsabtretungen oder Vertragsschlüsse herbei­ geführte Vermögenszuordnung eingewirkt, um den status quo ante wiederherzu­ stellen. Es geht also darum, auf die Insolvenzmasse Einfluss zu nehmen, indem vorrangig11 materiell-rechtliches Handeln seiner Wirkungen beraubt wird. Es stellt sich dabei die Frage, ob die Regelungen über die Insolvenzanfechtung formelles Recht darstellen oder materiell-rechtlichen Gehalt besitzen. Die Abgren­ zung hinsichtlich der Zugehörigkeit einer Norm zum Verfahrensrecht oder zum ma­ teriellen Privatrecht erfolgt funktional.12 Sollten die Regelungen bezüglich der In­ solvenzanfechtung solche mit materiell-rechtlichem Gehalt sein, können sie auf zi­ vilrechtliche Grundprinzipien zurückgeführt werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt die zentrale Rechtsquelle hinsichtlich des materiellen Zivilrechts dar,13 wes­ halb seine Prinzipien und Grundstrukturen sämtliche Normen mit materiell-rechtli­ chem Gehalt durchdringen. Das Zivilverfahrensrecht ist dazu geschaffen, ein „[…] geregelte[s] Verfahren, das der Erkenntnis und Durchsetzung privater Rechte durch gerichtliche Entschei­ dung dient“,14 bereitzustellen,15 etwa durch Regelungen hinsichtlich des Verfah­ rensgangs oder der Verfahrensbeteiligten. Diese Normen sind jedoch grundsätzlich 8  So schon der Gesetzgeber der Konkursordnung von 1877 in der Entwurfsbegründung, Hahn/ Mugdan, Band 4, S.  37; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  3.01. 9  Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2. 10  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1. 11  Zur Anfechtung von Prozesshandlungen und Akten der Zwangsvollstreckung siehe S.  174 ff. 12  Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  33; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  26. 13  MüKo-BGB, Vorwort. 14  Säcker in: MüKo-BGB, Einl. Rn.  6. 15  Ebenso BGHZ 161, 138 (143); Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  5; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  3; Musielak in: Musielak/Voit, ZPO, Einl. Rn.  5; Rauscher in: MüKoZPO, Einleitung Rn.  8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  7; Saenger in: Saenger, ZPO, Einführung Rn.  3; Stamm, KTS 2011, 421 (422); Volkommer in: Zöller, ZPO, Einlei­ tung Rn.  39.

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§  2  Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien

nicht dazu geeignet, materiell-rechtliche Folgen herbeizuführen. Folgen für das ma­ terielle Recht werden alleine durch Normen mit materiell-rechtlichem Inhalt her­ beigeführt. Dies zeigt ein Blick auf die Vorschriften der §§  103 ff. InsO, die das Wahlrecht des Insolvenzverwalters und die Erfüllung von vor Verfahrenseröffnung begründeten Rechtsgeschäften behandeln. Auch hier wird nicht nur rein verfah­ renstechnisch, sondern in materiell-rechtlicher Weise auf Rechtsverhältnisse einge­ wirkt, sei dies durch Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters oder automatisch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Als Beispiele seien hier nur das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach §  103 Abs.  1 InsO, die Sonderkündigungs­ rechte nach §§  109 Abs.  1, 113 InsO sowie das Erlöschen von Aufträgen und Ge­ schäftsbesorgungsverträgen gemäß §§  115, 116 InsO genannt. Nur Regelungen mit ihrerseits eigenem materiell-rechtlichem Gehalt vermögen es, einen derartigen Einfluss auf die durch materiell-rechtliches Handeln gestaltete Vermögenszuordnung auszuüben. Es erscheint rechtstechnisch kaum vorstellbar, materiell-rechtliche Vorgänge und die durch sie geschaffenen Zustände lediglich durch rein verfahrensrechtliche Vorschriften ohne zumindest materiellen Kern der­ art stark zu beeinflussen. Die von der Insolvenzanfechtung bezweckten Folgen können deshalb aus funkti­ onaler Sicht ausschließlich durch materiell-rechtliche Regelungen herbeigeführt werden. Aus diesem Grund beinhalten die §§  129–147 InsO Regelungen, die sich mit den Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung, ihren Rechtsfolgen und Wir­ kungen auseinandersetzen, mithin Vorschriften mit materiell-rechtlichem Inhalt.16 Rein verfahrensrechtliche Vorschriften gibt es in diesem Bereich der Insolvenzord­ nung hingegen nicht. Auch wenn damit festgestellt ist, dass die Regeln über die Insolvenzanfechtung solche mit materiell-rechtlichem Gehalt sind, gehören sie systematisch doch zum Insolvenzverfahren. Sie sind mit dem Gesamtvollstreckungsverfahren untrennbar verbunden. Zwischen den materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vor­ schriften der Insolvenzordnung bestehen „enge Wechselwirkungen“.17 Das ist fol­ gerichtig, da eine Insolvenzanfechtung naturgemäß nur im eröffneten Insolvenzver­ fahren möglich ist, die Insolvenzanfechtung also von dem nach den Regeln der In­ solvenzordnung eröffneten Verfahren abhängig ist.

II.  Der dienende Charakter des Verfahrensrechts Aufgrund des materiell-rechtlichen Gehalts der Regelungen der Insolvenzanfech­ tung und deren Einbettung in das Insolvenzverfahren gilt es, das Verhältnis von materiellem Zivilrecht und Verfahrensrecht zu bestimmen. Möglicherweise können 16  17 

Ganter/Lohmann in: MüKo-InsO, Vor §§  2 bis 10 Rn.  2 a. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  3.02.

II.  Der dienende Charakter des Verfahrensrechts

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zivilrechtliche Prinzipien für das Recht der Insolvenzanfechtung fruchtbar gemacht werden, wodurch für die dogmatische Einordnung hinsichtlich der Wirkungen der Insolvenzanfechtung eine Richtungsentscheidung vorgezeichnet sein kann. Es ist deshalb eine Untersuchung des Verhältnisses von materiellem Zivilrecht und Ver­ fahrensrecht angezeigt. Das materielle Zivilrecht beinhaltet „Regelungen für die in Selbstbestimmung und Selbstverantwortung getroffenen Entscheidungen gleichberechtigter Bürger“.18 Es hat die Entstehung und den Inhalt von Rechtsverhältnissen und den Erwerb von subjektiven Rechten zum Gegenstand.19 Die Verwirklichung dieser Rechte hat das Zivilrecht jedoch grundsätzlich – zu beachten ist die Selbsthilfe (§§  229, 859 BGB) – nicht zum Ziel.20 Die Normen des materiellen Zivilrechts beinhalten folglich die­ jenigen Grundlagen, zusammengesetzt aus Anspruchsgrundlagen und Gegennor­ men, die im Streitfall letztlich den Richter zu einem Urteil führen.21 Demgegenüber hat das Verfahrensrecht den Zweck, das aus dem Zivilrecht flie­ ßende Recht des Einzelnen festzustellen und notfalls auch durchzusetzen.22 Da dies notwendigerweise unter Mitwirkung hoheitlich handelnder Staatsorgane geschieht, stellt das Verfahrensrecht anders als das materielle Zivilrecht ein Teilgebiet des öf­ fentlichen Rechts dar.23 Es lässt sich somit eine gewisse Zweigliedrigkeit zwischen materiellem Zivil­ recht einerseits und Verfahrensrecht andererseits konstatieren. Das materielle Zivil­ recht, aus dem der Einzelne seine Ansprüche ableitet, wird mit Hilfe des Verfah­ rensrechts verwirklicht.24 Aus diesen Überlegungen wird weithin der sogenannte dienende Charakter des Verfahrensrechts abgeleitet.25 Gemeint ist damit jedoch 18  So Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.05; ähnlich Köhler, BGB AT, §  2 Rn.  2; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  1 Rn.  1. 19  Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, §  2 Rn.  12; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozess­ recht, §  1 Rn.  21. 20  Säcker in MüKo-BGB, Einl. Rn.  5. 21  Schellhammer, Zivilprozess, Einleitung Rn.  3. 22  BGHZ 161, 138 (143); Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  5; Jauernig/Hess, Zivilprozess­ recht, §  1 Rn.  3; Musielak in: Musielak/Voit, ZPO, Einl. Rn.  5; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einlei­ tung Rn.  8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  7; Säcker in: MüKo-BGB, Einl. Rn.  6; Saenger in: Saenger, ZPO, Einführung Rn.  3; Stamm, KTS 2011, 421 (422); Volkommer in: Zöller, ZPO, Einleitung Rn.  39. 23  Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  118; Brox/Walker, BGB AT, §  1 Rn.  12; Jauernig/ Hess, Zivilprozessrecht, §  2 Rn.  13; Köhler, BGB AT, §  2 Rn.  12, 15; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  23; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  23; Larenz/Wolf, All­ gemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  1 Rn.  34 f., sehen das Prozessrecht zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht angesiedelt. 24  Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  5; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  25. 25  Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  5, 92; Klein, Vorlesungen über die Praxis des Civil­ processes, S.  10; Krüger, NJW 1990, 1208 (1208); Rauscher in MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  25; Säcker in: MüKo-BGB, Einl. Rn.  7; Stamm, KTS 2011, 421 (422); a. A. Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (486); ebenso wohl Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 (152), der einen substantiellen Unterschied zwischen materiellem Privatrecht und Verfahrensrecht sieht, der es verbiete, die Materien mit

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§  2  Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien

nicht, dass das Verfahrensrecht nur eine Art unselbstständiges Anhängsel des mate­ riellen Rechts ist. Dies kann deshalb nicht der Fall sein, da das Verfahrensrecht einer eigenen Dog­ matik folgt und insofern gegenüber dem Zivilrecht eigenständig ist.26 So kennt das Zivilverfahrensrecht eigene Begrifflichkeiten, die zwar dem Namen nach auch im materiellen Zivilrecht vorkommen wie Einrede, Anerkenntnis und Verzicht, die al­ lerdings im Verfahrensrecht aufgrund von dessen Besonderheiten einen anderen Inhalt haben.27 Auch der Begriff „Anspruch“ wird sowohl in der Zivilprozessord­ nung (§  322 ZPO) als auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (§  194 BGB) scheinbar sy­ nonym verwendet, ist jedoch in seiner Bedeutung jeweils unterschiedlich zu beur­ teilen.28 Ein Grund hierfür ist die mangelhafte gesetzgeberische Abstimmung bei der Kodifizierung der Zivilprozessordnung von 1877 und des Bürgerlichen Gesetz­ buchs von 1896 und die sich daran anschließende wesentlich stärkere Ausdifferen­ zierung der zivilrechtlichen Dogmatik.29 Zudem stellt sich das Problem der Wil­ lensmängel im materiellen Zivilrecht anders als im Prozessrecht,30 um nur einige Beispiele für die Eigenständigkeit des Verfahrensrechts zu nennen. Der dienende Charakter des Verfahrensrechts muss folglich etwas anderes be­ deuten. Schon der geistige Vater der österreichischen Zivilprozessordnung, Franz Klein (1854–1926), stellte im Zusammenhang mit der dienenden Funktion des Pro­ zessrechts fest: „Der Proceß [sic!] ist ein Mittel zur Feststellung des materiellen Rechts und muß es bleiben.“31 Aus der Überlegung, dass das Verfahrensrecht nicht reines Zweckmäßigkeitsrecht für ein geordnetes Verfahren ist32 und auch kein „l’art pour l’art“ darstellt,33 sondern letztlich materiell-rechtliche Ansprüche feststellen soll beziehungsweise im Falle des Insolvenzverfahrens ein Verfahren zur „best­ mögliche[n] Befriedigung der Gläubiger“34 bereitstellen soll, folgt etwas Anderes: Das Insolvenzverfahrensrecht wird wie jedes andere Verfahrensrecht auch durch das materielle Recht geprägt und strukturiert, da es dessen Schutz und Verwirkli­ chung sicherstellen soll.35 Gleichzeitig betrifft das Insolvenzrecht seinerseits das Regelungszwecken aus dem jeweils anderen Bereich zu betrauen und formelle und materielle Rechtssätze auszutauschen. 26  Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  26 f. 27  Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  68; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  27; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  23. 28  Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  1 Rn.  68; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, §  2 Rn.  12; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  27; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  23. 29  Säcker in: MüKo-BGB, Einl. Rn.  6; ähnlich Brehm in: Stein/Jonas, vor §  1 Rn.  67. 30  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  1 Rn.  23. 31  Klein, Vorlesungen über die Praxis des Civilprocesses, S.  11. 32  Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  28. 33  Säcker in: MüKo-BGB, Einl. Rn.  7; in diese Richtung auch Klein, Vorlesungen über die Praxis des Civilprocesses, S.  11. 34  BT-Drucks. 12/2443 S.  108, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  153. 35  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.05.

II.  Der dienende Charakter des Verfahrensrechts

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materielle Zivilrecht, da es dieses prägt und formt, teilweise sogar gegenüber den herkömmlichen Regeln „deformiert“.36 Diese „Wechselwirkungen“37 respektive „Wechselbeziehungen“38 werden deutlich bei der Aussonderungsmöglichkeit ge­ mäß §  47 S.  1 InsO hinsichtlich einzelner materiell-rechtlicher Rechtspositionen. Hier wird durch §  47 S.  2 InsO auf die außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetze verwiesen, vornehmlich also auf das Bürgerliche Gesetzbuch, welches die Hauptregelungsquelle für Aussonderungsrechte wie das Eigentum ist. Im Gegen­ satz zur Dogmatik des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird jedoch das Sicherungseigen­ tum anders behandelt als das reguläre Eigentum, indem dieses nicht der Aussonde­ rung, sondern der abgesonderten Befriedigung unterstellt wird, §  51 Nr.  1 InsO.39 Ebenso können die Regelungen der §§  103 ff. InsO in diesem Zusammenhang ge­ nannt werden. Hierdurch wird der dem Zivilrecht grundlegende Satz pacta sunt servanda durchbrochen.40 Auch das Insolvenzanfechtungsrecht beinhaltet Sonder­ regelungen hinsichtlich der Verfügungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Anforderungen an deren Wirksamkeit.41 All diese insolvenzrechtlichen Rege­ lungen mit materiell-rechtlichem Gehalt knüpfen an zivilrechtliche Regelungen und den diesen zugrunde liegenden Strukturen und Prinzipien an.42 Folglich wird das Insolvenzrecht von zivilrechtlichen Strukturen beherrscht.43 Die vom Bürgerlichen Gesetzbuch ausgehenden Impulse prägen das Insolvenz­ recht.44 In Fällen, in denen das Verfahrensrecht nicht nur rein verfahrensmäßig dem materiellen Zivilrecht zur Geltung verhelfen soll, etwa indem es Regelungen hin­ sichtlich des Prozessganges bereit hält, sondern in materiell-rechtlicher Weise auf rechtliche Vorgänge einwirkt, wie dies die Insolvenzanfechtung tut, ist es daher angebracht, diese Wirkungen an zivilrechtliche Normen und Wertungen rückanzu­ knüpfen, soweit dies möglich ist.45 Nur so kann verhindert werden, dass das Verfah­ rensrecht tatsächlich zu einem l’art pour l’art wird und dabei das materielle Zivil­ recht, um dessen Feststellung und Durchsetzung es letztlich im Verfahrensrecht geht, zusehends aus dem Blick gerät. Die Gebote der Rechtseinheit und Rechtssi­ cherheit verlangen, dass das Verfahrensrecht sich nicht soweit verselbstständigt, dass dabei die Basis des Zivilrechts verlassen wird.46 So hat schon der Gesetzgeber der Konkursordnung von 1877 das Verhältnis von materiellem und formellem Recht auf dem Gebiet des Konkursrechts wie folgt beschrieben: 36 

Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 (427); ähnlich Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.06. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  3.02. 38  Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 (427). 39  Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 (427, 431); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.06. 40  Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 (430); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.06. 41  Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 (431). 42  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.06. 43  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  1.05. 44  Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 (427). 45  a. A.: Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.7. 46  Stamm, KTS 2011, 421 (422). 37 

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§  2  Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien

„Die Form ist ein Erzeugnis des materiellen Rechts, nicht blos [sic!] eine äußere Zutat des letzterem, welche mit einer anderen willkürlich vertauscht werden kann; sie ist aus dem ma­ teriellen Rechte innerlich hervorgetrieben.“47

Es erscheint deshalb angebracht, zivilrechtlichen Grundprinzipien stärkeren Ein­ fluss in Fällen zuzugestehen, in denen das Verfahrensrecht durch Regelungen mit materiell-rechtlichem Gehalt auf materielles Zivilrecht unmittelbar einwirkt, wie dies bei der Insolvenzanfechtung als Bestandteil des Insolvenzverfahrensrechts der Fall ist.48 Demgemäß wird im weiteren Verlauf der Arbeit zu untersuchen sein, inwiefern das Institut der Insolvenzanfechtung Parallelen zu bekannten Instituten des Bürger­ lichen Gesetzbuchs aufweist und auf welche Art und Weise diese Übereinstimmun­ gen Rückschlüsse auf die dogmatische Einordnung der Rechtswirkungen der Insol­ venzanfechtung zulassen.

47 

Hahn/Mugdan, Band 4, S.  37 f. Allgemein in diesem Sinne auch Stamm, KTS 2011, 421 (422 ff.); a. A.: Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  55. 48 

§  3  Zum Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit anfechtbarer Rechtshandlungen Die Insolvenzanfechtung hat den Zweck, die Wirkungen von gläubigerbenachteili­ genden Handlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind, rückgängig zu machen.1 Dabei stellt sich die grundlegende Frage, ob die Anfech­ tung Auswirkungen auf die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlungen hat. Für die Beantwortung dieser Frage soll als Arbeitsgrundlage die vorangestellte Prämisse fungieren: Der Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien und Rechts­ institute soll verstärkte Bedeutung beigemessen werden. Durch eine solche Rückbe­ sinnung kann möglicherweise ein schlüssiges Konzept der Insolvenzanfechtung herausgearbeitet werden, das ohne eine sich verselbstständigende, rein insolvenz­ rechtsimmanente Dogmatik auskommt. Die Herleitung der Rechtsfolgen der Insol­ venzanfechtung soll durch ein solches Vorgehen wieder verstärkt auf die Grundlage zivilrechtlicher Wertungen bezogen werden. Das trägt dem Grundsatz des dienen­ den Verfahrensrechts Rechnung. Sollte die Untersuchung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Insolvenzanfech­ tung keine Auswirkungen auf die anfechtbare Rechtshandlung haben kann, müsste eine sogenannte „dingliche“ Wirkung von vornherein ausscheiden. Dort, wo die anfechtbare Rechtshandlung in Form eines rechtlichen Übertragungsaktes wie ei­ ner Übereignung oder Forderungsabtretung trotz Anfechtung wirksam bestehen bleibt, kann eine Rückgängigmachung der eingetretenen Wirkungen nur mit Hilfe einer schuldrechtlich oder haftungsrechtlich begründeten Rückübertragung be­ wirkt werden. Gleiches gilt für die Eingehung von Verbindlichkeiten durch den Schuldner vor Verfahrenseröffnung, durch welche die Passivmasse erhöht wird. De­ ren Verringerung als weiteres Ziel der Insolvenzanfechtung2 neben der Rückgän­ gigmachung gläubigerbenachteiligender Vermögensverschiebungen3 kann bei un­ eingeschränkter Wirksamkeit des anfechtbaren Vertrages zumindest nach der 1  So schon die Regierungsbegründung, BT-Drucks. 12/2443, S.  156, abgedruckt in: Kübler/ Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  335. 2  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Gerhlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  2; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1. 3  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  2; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Hen­ ckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  2; Hess in: Hess, InsO, Vor §  129 ff. Rn.  1; Hirte/Ede in: Uhlen­ bruck, InsO, Vor §  129 ff. Rn.  1.

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

schuldrechtlichen Theorie nur mittels eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Forde­ rungsverzicht, Vertragsaufhebung oder Unterlassen der Forderungsanmeldung (§  174 InsO) im Verfahren4 erreicht werden. Um der Frage der Wirksamkeit der angefochtenen Handlung näher nachzugehen, wird zunächst dargestellt, wie sich die klassischen Theorien zur dogmatischen Ein­ ordnung der Insolvenzanfechtung positionieren. Zusätzlich werden der Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO und §  143 Abs.  1 S.  1 InsO sowie die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Insolvenzanfechtungsrechts untersucht.

I.  Begriff der „Rechtshandlung“ im Sinne von §  129 Abs.  1 InsO Grundlegender Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die Frage um die Aus­ wirkungen der Insolvenzanfechtung auf die anfechtbare Rechtshandlung. Um diese Untersuchung durchführen zu können, muss zunächst geklärt werden, was man un­ ter dem Terminus „Rechtshandlungen“ im Sinne von §  129 Abs.  1 InsO zu verste­ hen hat. Der Begriff „Rechtshandlungen“, die gemäß §  129 Abs.  1 InsO angefochten wer­ den können, wird im Gesetz in den §§  129–131, 133, 135–136, 138, 140–141 und 147 InsO einheitlich verwendet5 und weit ausgelegt.6 Eine anfechtungsrechtlich rele­ vante Rechtshandlung ist grundsätzlich jede bewusste Willensbetätigung, die eine Rechtswirkung auslöst7 und das Vermögen des Insolvenzschuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann8 unabhängig davon, ob diese Rechtswir­ kung gezielt herbeigeführt wird.9 4  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  664; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  20.5; Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  5; Jauernig, Zwangs­ vollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  241; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  38; Kilger/K.Schmidt, Insolvenzgesetze, §  37 KO Anm.  2; Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungswei­ se der Gläubigeranfechtung, S.  196. 5  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10. 6  BT-Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  337; BGH ZIP 2011, 1324 (1325); BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); BGH NZI 2004, 374 (374); Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  36; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  86; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11; Ner­ lich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  34; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  3. 7  BGH ZIP 2011, 1324 (1325); BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); BGH NJW 2004, 1660 (1660 f.); BGH NZI 2004, 374 (374); OLG Karlsruhe ZInsO 2004, 1036 (1037); Dauern­ heim in: FK-InsO, §  129 Rn.  21; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  36; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  7; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11; Rogge/Leptien in: Hamburger Kom­ mentar, InsO, §  129 Rn.  3; Ulmer ZIP 1984, 1163 (1169); Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 8  BGH ZIP 2011, 1324 (1325); BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); BGHZ 170, 196 (199 f.); BGH NZI 2004, 374 (374); Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11; Nerlich in: Nerlich/Rö­ mermann, InsO, §  129 Rn.  34; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  3. 9  BGH NJW 2004, 1660 (1660 f.); OLG Karlsruhe ZInsO 2004, 1036 (1037); Dauernheim in:

I.  Begriff der „Rechtshandlung“ im Sinne von §  129 Abs.  1 InsO

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Losgelöst vom jeweils einschlägigen Anfechtungstatbestand werden unter dem Begriff der „Rechtshandlung“ zunächst alle Rechtsgeschäfte verstanden (auch die von einem Dritten vorgenommenen),10 also Verpflichtungs- und Verfügungsge­ schäfte,11 ebenso Grundschuldzweckerklärungen,12 Zahlungen mittels Lastschrift13 sowie Beschlüsse eines Gesellschaftsorgans.14 Nach herrschender Meinung sind dabei die anfechtbaren Rechtshandlungen jedoch nicht die Rechtsgeschäfte als sol­ che, sondern die diesen zugrunde liegenden Willenserklärungen.15 Auch Realak­ te16, Parteiprozesshandlungen17 und Akte der Zwangsvollstreckung18 stellen an­ fechtbare Rechtshandlungen dar. Die Tatsache, dass in §§  132, 133 Abs.  2, 134 InsO die gegenüber „Rechtshandlungen“ engeren Begriffe „Rechtsgeschäft“, „Vertrag“ und „unentgeltliche Leistung“ gewählt werden,19 hat mit der Besonderheit dieser Anfechtungstatbestände zu tun. Durch den Verweis auf die Vorschriften der §§  130 bis 146 InsO in §  129 Abs.  1 InsO wird klargestellt, dass auch diese engeren Begriff­ lichkeiten „Rechtshandlungen“ darstellen, die von der Anfechtbarkeit des §  129 FK-InsO, §  129 Rn.  21; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  36; Kayser in: MüKoInsO, §  129 Rn.  7. 10  BT Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  337; BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  41. 11  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  23, 24; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  103; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  11, 14; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  12; Nerlich in: Nerlich/ Römermann, InsO, §  129 Rn.  34, 38; Ulmer ZIP 1984, 1163 (1169); Zeuner in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 12  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  16; LG Potsdam ZIP 1997, 1383 (1383), stellt dies für die Anfechtung nach der GesO fest, verweist dabei jedoch auf die Prinzipien der KO. 13  BGH NZI 2003, 253 (257); Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10. 14  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  19; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11. 15  BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  99; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11; Ner­ lich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  34, 38; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  5 ff.; Ulmer ZIP 1984, 1163 (1169); Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 16  BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  22; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  39; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  10; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 17  Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  20; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  12; Rogge/Leptien in: Hambur­ ger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  11; Ulmer ZIP 1984, 1163 (1169); Zeuner in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 18  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  27; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  32; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  17; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  343 f.; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  42; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  11. 19  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10.

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

Abs.  1 InsO umfasst sind. Zu beachten ist, dass gemäß §  129 Abs.  2 InsO auch ein Unterlassen einer Rechtshandlung gleichsteht. Der im weiteren Verlauf dieser Ar­ beit verwendete Begriff der „Rechtshandlung“ respektive „rechtlichen Handlung“ umfasst deshalb alle dargestellten Handlungen.20 Aufgrund der Vielgestaltigkeit der möglichen anfechtbaren Rechtshandlungen hätte eine Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung unterschiedliche Auswir­ kungen. Je nachdem, welche konkrete Rechtshandlung der Anfechtung unterliegt und ob diese Rechtshandlung zu einer Übertragung eines Vermögenswertes führt, ist zu unterscheiden, welche Auswirkungen die Unwirksamkeit im Einzelnen hat. Insbesondere ist zu untersuchen, ob ein Rückgewähranspruch notwendig ist, um einen gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO „veräußerten, weggegebenen oder aufgegebe­ nen“ Vermögenswert der Masse wieder zuzuführen. Eine solche Untersuchung macht jedoch erst dann Sinn, wenn feststeht, ob die Insolvenzanfechtung tatsäch­ lich zu einer Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung führt.

II.  Auffassungen der klassischen Anfechtungstheorien Die Frage hinsichtlich der Auswirkungen der Insolvenzanfechtung auf die Wirk­ samkeit der anfechtbaren beziehungsweise angefochtenen Rechtshandlung21 wird von den Vertretern der dinglichen, schuldrechtlichen und haftungsrechtlichen The­ orien nicht einheitlich beantwortet. Gerade die dinglichen und die schuldrechtlichen Theorien beantworten diese Frage konträr.22

1.  Dingliche Theorien Nach den dinglichen Theorien ist die anfechtbare Rechtshandlung unwirksam,23 wobei verschiedene Spielarten vertreten werden respektive wurden.24 20  Zur Konturlosigkeit des Begriffs „Rechtshandlung“ und den sich daraus ergebenden dogma­ tischen Problemen siehe S.  169 ff. 21  In dieser Arbeit werden die Begriffe synonym verwendet. Eine unterschiedliche Bedeutung dieser Begriffe kann sich ergeben, wenn man die Insolvenzanfechtung als Gestaltungsrecht be­ greift; siehe hierzu Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  253 ff., sowie Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  55 f. 22  Siehe hierzu schon Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  10 ff. 23  Crome, System, Band 1, S.  352 ff.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  217 ff.; Hellmann, Kon­ kursrecht, S.  353 ff.; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (406 ff.); Hellwig, Anspruch und Klage­ recht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (477 ff.); Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (177 ff., 197, 207 ff.); Lenhard, LZ 1909, 905 (909); Marotz­ ke, KTS 1987, 1 (5, 22); Schulin, LZ 1922, 601 (601); v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S.  324 ff.; Wind­ scheid/Kipp, Pandekten, S.  1020 ff.; Geib, AcP 113 (1915), 335 (362 f.); Geib, AcP 115 (1917), 58 (65); Geib, AcP 119 (1921), 157 (159), behandelt vornehmlich die Anfechtung nach dem AnfG, nennt jedoch dabei auch §  29 KO. 24  Soweit ersichtlich, wurde eine dingliche Theorie zuletzt von Marotzke, KTS 1987, 1 (5, 22), vertreten.

II.  Auffassungen der klassischen Anfechtungstheorien

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a) Rechtsgestaltungstheorie Die Rechtsgestaltungstheorie geht auf Hellwig 25 zurück und misst der Anfechtungs­ erklärung rechtsgestaltende Kraft bei, was zur Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung führen soll.26 Die Unwirksamkeit sei jedoch keine absolute, son­ dern lediglich eine relative, vergleichbar derjenigen in §  135 Abs.  1 BGB.27 Begrün­ det wird diese Annahme mit einer angeblich deutlichen Parallele der Insolvenzan­ fechtung zur zivilrechtlichen Anfechtung gemäß §  142 BGB, die sich insbesondere in der Begriffsbezeichnung „Anfechtung“ zeige.28 Durch die Worte „als den Kon­ kursgläubigern gegenüber unwirksam“ in §  29 KO werde die Rechtsfolge der Insol­ venzanfechtung als relative Unwirksamkeit gegenüber den Konkursgläubigern durch das Gesetz ausgesprochen.29 Die nachfolgende Frage, ob die Wirkung der Insolvenzanfechtung eintritt mittels privater Willenserklärung des Verwalters,30 gerichtlicher Geltendmachung31 oder richterlichem Urteil,32 ist für die hier durchzuführende Untersuchung nicht von Re­ levanz, da jedenfalls Einigkeit darüber herrscht, dass die angefochtene rechtliche Handlung rückwirkend unwirksam wird. b)  Theorie der relativen Unwirksamkeit kraft Gesetzes Eine andere Variante der dinglichen Theorien besagt, dass die angefochtene rechtli­ che Handlung kraft Gesetzes unwirksam sei.33 Anders als die Rechtsgestaltungs­ theorie geht diese Ansicht davon aus, dass es nicht der Ausübung eines Gestal­ tungsrechts bedürfe, um die Unwirksamkeitsfolge der Anfechtung herbeizuführen, 25  Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 ff.). 26  Ebenso Crome, System, Band 1, S.  352 ff.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  217 ff.; Hell­ mann, Konkursrecht, S.  353 ff.; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (406); v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S.  324 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1020 ff. 27  Crome, System, Band 1, S.  354; Hellmann, Konkursrecht, S.  353; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (406); Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  381 Fn.  798; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (478); Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1021. 28  Crome, System, Band 1, S.  354; Hellmann, Konkursrecht, S.  373; Hellwig, Verträge auf Leis­ tung an Dritte, S.  380 f.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 f.); Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1021. 29  Crome, System, Band 1, S.  354; Hellmann, Konkursrecht, S.  373; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (477 f.); für eine absolute Unwirksamkeit hingegen v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S.  333. 30  Crome, System, Band 1, S.  354; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  215 f.; Hellmann, Konkurs­ recht, S.  347; Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  381; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (478). 31  v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Band 2, 1. Hälfte, S.  326; Walsmann, Jherings Jahrbuch 49 (1905), 297 (315 f.). 32  Hellwig, DJZ 1905, 249 (250). 33  Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (165 f., 197, 207 ff.); Lenhard, LZ 1909, 905 (909); Schulin, LZ 1922, 601 (601); Geib, AcP 113 (1915), 335 (362 f.); Geib, AcP 115 (1917), 58 (65); Geib, AcP 119 (1921), 157 (159), behandelt vornehmlich die Anfechtung nach dem AnfG, nennt jedoch dabei auch §  29 KO.

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

sondern dass die Insolvenzanfechtung vielmehr eine ipso iure eintretende Unwirk­ samkeit zur Folge habe.34 Hiernach sei die Unwirksamkeit gerade die Vorausset­ zung respektive Ursache der Anfechtung und nicht deren Folge.35 Allerdings sei die Unwirksamkeit aufschiebend durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens be­ dingt.36 Wie bei der Rechtsgestaltungstheorie wird die Unwirksamkeit auch hier als relative im Sinne von §  135 Abs.  1 BGB angesehen.37 Eine weitere Spielart dieser Theorie ist die sogenannte Vollstreckungserweite­ rungstheorie.38 Nach dieser Ansicht bleibt bei einer Verfügung des Schuldners der dingliche Rechtserwerb des Anfechtungsgegners unberücksichtigt, weshalb der Schuldner für die Vollstreckung noch als Eigentümer angesehen wird. Das Anfech­ tungsrecht sei „eine Erstreckung des Vollstreckungsanspruchs“.39 c)  Theorie der sachlich-relativen Unwirksamkeit Die von Marotzke40 entwickelte Theorie der sachlich-relativen Unwirksamkeit ist der bis dato jüngste Versuch, die Wirkungen der Insolvenzanfechtung im Sinne ei­ ner dinglichen Unwirksamkeit zu deuten. Marotzke sieht die anfechtbare Rechts­ handlung ebenfalls als relativ unwirksam an, weshalb eine Einordnung innerhalb der dinglichen Theorien erfolgt.41 Im Gegensatz zu den bisher vertretenen dingli­ chen Theorien wird die Relativität der Unwirksamkeit jedoch nicht in personaler Hinsicht, also nur den Insolvenzgläubigern gegenüber, gesehen, sondern in sachli­ cher Hinsicht.42 Sachlich-relative Unwirksamkeit bedeute, dass „[…] die Unwirk­ samkeitsfolge in personaler Hinsicht ‚inter omnes‘, in sachlicher Hinsicht aber gleichwohl nur insoweit eintritt, wie dies durch das Befriedigungsinteresse […] der Konkursgläubiger geboten ist […]“.43 Der sachliche Umfang der Unwirksamkeit 34  Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (165 f.); für die Einzelgläubigeranfechtung nach dem AnfG Geib, AcP 113, 335 (362), wobei zuvor auch §  29 KO genannt wird. 35  Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (174 f., 197); für die Einzelgläubigeranfechtung nach dem AnfG Geib, AcP 113 (1915), 335 (362), wobei zuvor auch §  29 KO genannt wird. 36  Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (165 f.). 37  Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (189 f.); Lenhard, LZ 1909, 905 (909); für die Einzelgläubiger­ anfechtung nach dem AnfG Geib, AcP 115 (1917), 58 (65); Geib, AcP 113 (1915), 335 (362), wobei zuvor auch §  29 KO genannt wird. 38  Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S.  468 Fn.  2482; Goldschmidt, Zivilprozessrecht, S.  328; Lippmann, Jherings Jahrbuch 36 (1896), 145 (147 ff.); Walsmann, Jherings Jahrbuch 49 (1905), 297 (301 ff.). 39  Goldschmidt, Zivilprozessrecht, S.  328. 40  Marotzke, KTS 1987, 1 (5, 22); im Sinne einer dinglichen Wirkung, allerdings noch nicht so ausdifferenziert, Marotzke, Gegenseitige Verträge, 1.  Aufl., S.  299 Fn.  18, S.  304 f.; ob Marotzke nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung noch an einer dinglichen Wirkung festhält ist unklar; siehe hierzu Marotzke, Gegenseitige Verträge, 3.  Aufl., S.  353 Fn.  334, S.  358 f., S.  454 Fn.  9. 41  Anders jedoch Henckel in Jaeger, InsO, §  143 Rn.  13, der Marotzke als Vertreter der haf­ tungsrechtlichen Lehren ansieht; ähnlich Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  19. 42  Marotzke, KTS 1987, 1 (5, 22). 43  Marotzke, KTS 1987, 1 (5).

II.  Auffassungen der klassischen Anfechtungstheorien

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wird folglich insoweit begrenzt, als er bis zur vollständigen Befriedigung der Insol­ venzgläubiger notwendig sei.44 Begründet wird diese Ansicht mit dem Argument, dass die rechtliche und faktische Möglichkeit einer Verwertung durch den Insol­ venz­verwalter mit Wirksamkeit gegenüber jedermann bei einer personell-relativen Unwirksamkeit kaum gegeben sei.45 Zudem wird die Gesetzesbegründung zur Kon­ kursordnung für die Theorie ins Feld geführt.46 Für die Praxis der Insolvenzanfechtung bedeutet das unbeschadet der theoreti­ schen Möglichkeit einer nur sachlich-relativen Unwirksamkeit in der Regel wohl dennoch in den meisten Fällen, dass eine vollständige Unwirksamkeit eintreten wird. Denn selbst durch eine erfolgreiche Anfechtung wird das Befriedigungsinte­ resse der Insolvenzgläubiger selten abgedeckt sein, da der Wert der durch die An­ fechtung in die Masse zurückgelangten Gegenstände zumeist nicht zur Befriedi­ gung aller Gläubiger ausreichen wird. Für eine nur sachlich-relative Unwirksam­ keit, die dem Interesse des Anfechtungsgegners Rechnung tragen soll, wird in diesen Fällen praktisch kein Raum verbleiben.

2.  Schuldrechtliche Theorie Die Vertreter der schuldrechtliche Theorie gehen davon aus, dass die Folge der In­ solvenzanfechtung ein lediglich obligatorischer Verschaffungsanspruch in Form einer privatrechtlichen Rückgewährpflicht ist.47 Insbesondere die Rechtsprechung vertritt diese Auffassung,48 auch wenn sich in der neueren Rechtsprechung des Bun­

44 

Marotzke, KTS 1987, 1 (22). Marotzke, KTS 1987, 1 (5). 46  Marotzke, KTS 1987 1 (17 ff.). 47  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.12 ff.; Baur/ Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  26.6; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  6, 9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4, §  143 Rn.  2; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  11, 68; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  238 f.; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  49, 160 f.; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, Vorbem. zu §§  129 ff. Rn.  2, §  143 Rn.  2; Zeuner, Anfechtung, Rn.  5; Zeuner in: Leonhardt/Smid/ Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4; Kreft in HK-InsO, §  129 Rn.  71 f., sieht die Insolvenzanfechtung zwar als „Rechtsinstitut besonderer Art“, kann jedoch wohl zur schuldrechtlichen Theorie gezählt wer­ den; Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  93 ff., ergänzt die schuldrechtliche Deutung um haftungsrechtliche Komponenten; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  224 sieht trotz schuldrechtlicher Deutung in dem Anfechtungsanspruch „keinen ‚einfachen‘ Verschaffungs­ anspruch“. 48  BGH NZI 2011, 486 (487); BGH NZI 2007, 42 (43); BGHZ 128, 184 (194); BGHZ 106, 127 (129); BGHZ 101, 286 (288); BGHZ 71, 61 (63); BGHZ 22, 128 (134); RGZ 70, 112 (113 ff.); RGZ 58, 44 (47); RGZ 13, 5 (6); OLG Thüringen OLG-NL 2004, 59 (60); für die Anfechtung nach dem AnfG: BGHZ 130, 314 (321 f.); BGHZ 100, 36 (42); RGZ 131, 340 (342); RGZ 103, 113 (121); RGZ 91, 367 (369 f.); RGZ 71, 176 (176). 45 

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

desgerichtshofs bezüglich der mit dieser Einordnung verbundenen weiteren Folgen Tendenzen hinsichtlich einer haftungsrechtlichen Deutung zeigen.49 Die anfechtbaren Rechtshandlungen wie etwa eine Übereignung, ein Erlass oder ein schuldrechtlicher Vertrag sollen voll wirksam bestehen bleiben,50 weshalb eine dingliche Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung nicht in Frage komme.51 Nach der schuldrechtlichen Theorie sei die anfechtbare Rechtshandlung nicht mit einem Mangel behaftet, der zu einer Nichtigkeit dieser Rechtshandlung führe.52 Begründet wird diese Ansicht insbesondere durch Bezugnahme auf die Ände­ rung des Wortlauts von §  129 Abs.  1 InsO, bei dem im Vergleich zu §  29 KO die Wörter „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ nicht übernommen worden sind. Die wesentliche Stütze der alten dinglichen Theorien53 sei damit weg­ gebrochen, weshalb das Ergebnis der dinglichen Theorien im Sinne einer wie auch immer gearteten Unwirksamkeit der rechtlichen Handlung nicht mehr aufrechter­ halten werden könne. In dieser Bewertung sind sich Vertreter der schuldrechtlichen und der haftungsrechtlichen Theorien im Wesentlichen einig.54 Zudem könne eine Unwirksamkeit der rechtlichen Handlung nicht mit den Prinzipien der Rechtssicher­ heit und des Vertrauensschutzes in Einklang gebracht werden,55 da grundsätzlich von der Beständigkeit rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Gegenständen aus dem Vermögen des zukünftigen Insolvenzschuldners ausgegangen werden dürfe.56 Auch die Auswirkungen einer Unwirksamkeit auf entfernte Rechtsbeziehungen zu nicht unmittelbar beteiligten Dritten stünden einer Unwirksamkeit entgegen.57 49  BGHZ 156, 350 (359 ff.); daran anschließend BGHZ 178, 171 (176); BGH NZI 2009, 429 (432); siehe hierzu S.  225 f. 50  BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); BGH WM 2012, 2340 (2342); BGH NZI 2012, 562 (564); BGH NZI 2007, 42 (43); Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  2; Rogge/ Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  2; Zeuner, Anfechtung, Rn.  30. 51  BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); Bork/Gehrlein, Aktuelle Probleme, Rn.  849; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  3 f., §  143 Rn.  2; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  11, 69. Bei Hess bleibt hier jedoch unklar, ob nicht doch eine Un­ wirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung die Folge der Insolvenzanfechtung ist. Dies liegt an der inkonsequenten Terminologie, die er bei Rn.  69 im Anschluss an die Kritik der dinglichen Theorie verwendet: „Die angefochtene Rechtshandlung ist gegenüber dem anfechtungsberechtig­ ten Gläubiger bzw. Insolvenzverwalter unwirksam“. 52  Hess in: InsO, §  143 Rn.  69. 53  Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  26. 54  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  188, 196; Baur/Stürner, Zwangsvollstre­ ckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.56; Bork, Einführung, Rn.  267 Fn.  132; Dauerheim in: FK-InsO, §  129, Rn.  9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  2; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  1, §  143 Rn.  18; Kindl, NZG 1998, 321 (322 f.); Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  26; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  67 f.; Zeuner, Anfech­ tung, Rn.  5; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4; Mesch, Rechtsnatur der Gläu­ bigeranfechtung, S.  133 f., ist in seiner Beurteilung etwas zurückhaltender und sieht die Unwirk­ samkeitslehren nur eines wichtigen Arguments beraubt. 55  Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  30; Zeuner, Anfechtung, Rn.  2. 56  Zeuner, Anfechtung, Rn.  2. 57  Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  30.

II.  Auffassungen der klassischen Anfechtungstheorien

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Aus diesen Gründen diene im Falle der Anfechtung einer Verfügung der Rückge­ währanspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht der faktischen Herstellung einer rechtlich bereits bestehenden Zugehörigkeit des auf den Anfechtungsgegner über­ tragenen Gegenstandes zum haftenden Vermögen des Schuldners.58 Vielmehr wür­ den die nachteiligen Folgen, die sich für die Gläubiger aus der anfechtbaren Rechts­ handlung ergeben, mit den sich aus dem Anfechtungsschuldverhältnis ergebenden schuldrechtlichen Ansprüchen beseitigt.59 Da der Gegenstand dem Haftungsver­ mögen voll wirksam entzogen worden sei, bedürfe es der Insolvenzanfechtung um diese Entziehung rückgängig zu machen.60

3.  Haftungsrechtliche Theorie Nach der haftungsrechtlichen Theorie,61 die man mittlerweile wohl als herrschende Auffassung ansehen darf, ist die anfechtbare Rechtshandlung haftungsrechtlich un­ wirksam. Hiernach lasse sich ein Recht in verschiedene Funktionsweisen wie die Verfügungs-, Nutzungs- und Ausschließungsfunktion sowie die Haftungsfunktion aufspalten.62 Diese Aufspaltung habe zur Folge, dass die einzelnen Funktionen auch verschiedenen Personen zugeordnet werden können.63 Für den Fall einer anfechtba­ ren Übereignung bedeute dies, dass der erwerbende Anfechtungsgegner Eigentü­ mer der Sache werde und trotz erfolgter Anfechtung bleibe, die Sache selbst auf­ grund der Anfechtung aber nach wie vor zum haftenden Vermögen des Insolvenz­ schuldners gehöre.64 58 

Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  9. Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  41. 60  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  9. 61  Auch wenn zuvor schon haftungsrechtliche Ansätze vertreten worden sind, kann Paulus mit seiner grundlegenden Untersuchung „Sinn und Formen der Gläubigeranfechtung“, AcP 155 (1956), 277 ff., als Begründer dieser Sichtweise gesehen werden. Im Anschluss an Paulus wird die haftungsrechtliche Theorie unter anderem vertreten von Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  514 ff.; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  9; de Bra in: Braun, InsO, §  129 Rn.  9; Eckardt, Anfechtungsklage, S.  40 ff.; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  326 ff.; Häse­ meyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.15; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  23 ff.; Hirte/Ede in: Uhlen­ bruck, InsO, §  129 Rn.  7 ff.; Kindl, NZG 1998, 321 (324); Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  10; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  31, 37 ff., sieht in der Insolvenzan­ fechtung ein Rechtsinstitut eigener Art, das von keiner Theorie uneingeschränkt erklärt werden kann. Gleichwohl sind bei Kirchhof deutliche haftungsrechtliche Ansätze zu erkennen; für die Einzel­gläubigeranfechtung nach dem AnfG: K. Schmidt, JuS 1970, 545 (548); K. Schmidt, JZ 1987, 889 (889). 62  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  27 ff.; Kindl, NZG 1998, 321 (324). 63  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  32; Henckel, JuS 1985, 836 (842); Kindl, NZG 1998, 321 (324); siehe auch Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  23 f., S.  37; kritisch Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  56, sowie Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  97 f. 64  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52 f. 59 

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

Wie sich hieran feststellen lässt, ist die anfechtbare Verfügung als Rechtshand­ lung und die hiermit angestrebte Änderung in der Rechtszuständigkeit und Vermö­ genszuordnung trotz Anfechtung grundsätzlich wirksam. Lediglich in Bezug auf die Gläubiger des bisherigen Inhabers wird die Wirksamkeit der anfechtbaren Handlung versagt.65 Nach Paulus soll die Unwirksamkeit jedoch nicht die rechtli­ che Handlung als solche tangieren, sondern nur die durch sie geschaffene Lage im Sinne einer benachteiligenden Folge betreffen.66 So soll eine anfechtbare Schuldbe­ gründung in ihrem Bestand unangetastet bleiben. Die haftungsrechtliche Unwirk­ samkeit mache sich nur dergestalt bemerkbar, dass die Forderung im Konkurs nicht berücksichtigt werde.67 Das heißt im Umkehrschluss, dass die der Schuldbegrün­ dung zugrunde liegenden anfechtbaren Rechtshandlungen in Form der entsprechen­ den Willenserklärungen wirksam bestehen bleiben. Andererseits spricht Henckel als Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie von der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts im Rahmen einer anfechtbaren Schuldbegründung und einem daraus folgendem Leistungsbereicherungsan­ spruch.68 Wie dies mit der bei ihm zuvor dargestellten rein haftungsrechtlichen Un­ wirksamkeit69 zusammenpassen soll, wird nicht ersichtlich. Henckel erklärt nicht, ob die haftungsrechtliche Unwirksamkeit wie bei den dinglichen Theorien eine Un­ wirksamkeit der Willenserklärungen, die dem Vertrag zugrunde liegen, zur Folge haben soll. Eine solche Unwirksamkeit ist aber Voraussetzung für einen Anspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB (fehlender rechtlicher Grund). Man könnte zwar annehmen, dass die bloß haftungsrechtliche Unwirksamkeit eines schuldrechtlichen Vertrages ebenfalls zu einem fehlenden rechtlichen Grund im Sinne von §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB führt, allerdings würde dann kein Unterschied mehr zu einer vollständigen Unwirksamkeit bestehen, wie sie die dinglichen Theorien zur Folge haben. Es ist schwer anzunehmen, dass Henckel diese Konsequenz tatsächlich zie­ hen will, zumal stets nur von einer haftungsrechtlichen Unwirksamkeit die Rede ist. Eine eindeutige und übereinstimmende Stellungnahme der Vertreter der haf­ tungsrechtlichen Theorie hinsichtlich des Einflusses der Anfechtung auf die Wirk­ samkeit der anfechtbaren rechtlichen Handlung wird somit nicht gegeben. Aus Sicht dieser Theorie ist indes eine absolute Unwirksamkeit nicht notwendig, da eben nur die Haftungsfunktion beim Insolvenzschuldner und damit in der Masse 65  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  31; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (300); in diesem Ab­ schnitt behandelt Paulus die Folgen der Einzelgläubigeranfechtung nach dem AnfG. Die hier ge­ fundenen Ergebnisse werden allerdings in einem späteren Abschnitt seiner Abhandlung für die Erörterung der Wirkungen der Insolvenzanfechtung verwendet und fruchtbar gemacht, sodass die getroffenen Aussagen auch für die Insolvenzanfechtung Gültigkeit beanspruchen; siehe hierzu Paulus, AcP 155 (1956), 277 (284, 299, 319 ff.; 323). 66  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (300). 67  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (312). 68  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  39; ebenso im Hinblick auf den Bereicherungsanspruch Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  186. 69  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  23 ff.

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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verbleiben soll, die übrigen Funktionen eines Rechts jedoch beim Anfechtungsgeg­ ner verbleiben können,70 ohne dass der Zweck der Insolvenzanfechtung gefährdet wird. Konsequent zu Ende gedacht dürfte sich an der Wirksamkeit der anfechtbaren rechtlichen Handlung nichts ändern, da die Unwirksamkeit, wie gezeigt, erst an der haftungsmäßigen Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu einer Vermögensmasse an­ setzt und nicht an der Rechtshandlung, die der Vermögenverschiebung zugrunde liegt. Deswegen erkennt Henckel als Bezugspunkt der Anfechtung auch nicht die anfechtbare Rechtshandlung, sondern ausschließlich die hierdurch herbeigeführten Wirkungen.71

4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass nur nach den dinglichen The­ orien die Insolvenzanfechtung zu einer Unwirksamkeit der anfechtbaren rechtli­ chen Handlung führt. Nach der schuldrechtlichen Theorie kann die Unwirksamkeit der Rechtshandlung dagegen nicht Folge der Anfechtung sein, da ein schuldrechtli­ cher Anspruch auf Rückgewähr nur bei vollständiger Wirksamkeit der rechtlichen Handlung in Betracht kommt. Die haftungsrechtliche Theorie verhält sich nicht gänzlich klar zu dieser Frage. Es ist jedoch festzustellen, dass eine absolute Un­ wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung trotz manch widersprüchlicher Aus­ sagen auch nach der haftungsrechtlichen Theorie nicht die Folge der Insolvenzan­ fechtung ist.

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung Hinsichtlich der Bestimmung der Wirkungen der Insolvenzanfechtung muss zu­ nächst der Wortlaut des Gesetzes in den Blick genommen werden. Der Gesetzes­ wortlaut ist das primäre Auslegungskriterium und daher vorrangig zu beachten.72 Sollte der Gesetzeswortlaut keine klare Schlussfolgerung zulassen, sind zusätzlich 70  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  27 ff.; Henckel, JuS 1985, 836 (842); Kindl, NZG 1998, 321 (324); kritisch hierzu Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  56, sowie Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  97. 71  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  108; ebenso Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  21; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  35; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  124 ff.; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  99; Zenker in: Handbuch Insolvenzrecht, Kapitel 9 Rn.  20, 38; Zeuner, Anfechtung, Rn.  30; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  31; inkonsequent ist diesbezüglich der BGH: Einerseits soll Gegenstand der Anfechtung sein „[…] die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung verursacht wird“, BGHZ 147, 233 (236); BGH NZI 1999, 152 (153); andererseits wird davon gesprochen, dass „[…] eine auf Ab­ schluss eines gegenseitigen Vertrages gerichtete Willenserklärung […] angefochten“ wird, BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); BGH WM 2012, 2340 (2342); BGH NZI 2012, 562 (564). 72  BVerfGE 105, 135 (157); BVerfGE 11, 126 (130 f.); BVerfGE 1, 299 (312).

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Insolvenzanfechtungsrechts sowie die einschlägigen Aussagen in den Gesetzesmaterialien zu begutachten.

1.  Gesetzeswortlaut von §  129 Abs.  1 InsO und §  143 Abs.  1 S.  1 InsO §  129 Abs.  1 InsO, der nach seiner amtlichen Überschrift die Grundsatznorm des Insolvenzanfechtungsrechts darstellt und die grundlegenden Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung beinhaltet, normiert: „Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§  130 bis 146 anfechten.“

Die Vorschrift gibt dem Rechtsanwender keinen Hinweis in Bezug auf die konkre­ ten Wirkungen der Insolvenzanfechtung, insbesondere hinsichtlich der Auswirkun­ gen auf die Wirksamkeit der angefochtenen rechtlichen Handlung. Wie jedoch All­ gayer feststellt sind die Voraussetzungen und Wirkungen der Insolvenzanfechtung nicht isoliert zu betrachten, sondern in einem Zusammenhang zu sehen.73 Deshalb muss neben §  129 Abs.  1 InsO auch die Rechtsfolgennorm des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in den Blick genommen werden, die folgende Regelung beinhaltet: „Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, wegge­ geben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.“

Auch durch die Lektüre des Wortlauts von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO erhält man keinen Hinweis darauf, ob die angefochtene Rechtshandlung unwirksam ist. Es wird nur die Rechtsfolge der Rückgewähr ausgesprochen. Die direkten Auswirkungen der Anfechtung auf die angefochtene Rechtshandlung, die Aufschluss über die rechtli­ che Qualität des Anspruchs geben können, werden nicht ersichtlich. Ob dieses Schweigen vom Gesetzgeber bewusst vorgenommen worden ist mit dem Ziel, die angefochtene rechtliche Handlung in ihrem Bestand unberührt zu lassen, oder ob sich der Gesetzgeber hierüber keine Gedanken gemacht hat, kann alleine am Wort­ laut der beiden Vorschriften nicht abgelesen werden. Es erscheint daher angebracht, in einem weiteren Schritt den rechtshistorischen Entstehungsweg von §§  129 ff. InsO und die ihn begleitenden Gesetzesmaterialien zu untersuchen. Möglicherwei­ se kann diese Untersuchung Anhaltspunkte dafür liefern, wie die dogmatische Ein­ ordnung der heutigen Insolvenzanfechtung mit Blick auf die Wirksamkeit der an­ fechtbaren rechtlichen Handlung zu bestimmen ist.

73 

Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  2.

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

23

2.  Rechtsgeschichtliche Entwicklung der Insolvenzanfechtung und Bewertung von §  29 KO Die derzeitige gesetzliche Regelung der Insolvenzanfechtung, wie sie in den §§  129– 147 InsO niedergelegt ist, ist Teil der am 17.06.1994 verabschiedeten und am 01.01.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung, die unter anderem die Konkurs­ ordnung vom 10.02.1877, welche ihrerseits durch das „Gesetz betreffend Aenderun­ gen der Konkursordnung“ vom 17.05.1898 reformiert worden ist, abgelöst hat. Somit schließen die §§  129 ff. InsO direkt an die über hundertjährige gesetzliche Regelung der Konkursanfechtung an, was dazu führt, dass die hierzu in Rechtsprechung und Lehre herausgearbeiteten Grundlagen weiter zu berücksichtigen sind.74 Die Rege­ lung der Konkursanfechtung als Bestandteil der allgemeinen Gläubigeranfechtung, die im Zuge der Reichsjustizgesetzgebung Eingang in die Konkursordnung gefun­ den hat, war selbst nicht ohne Vorbilder, die ihrerseits von der preußischen Konkur­ sordnung bis zur römisch-rechtlichen actio Pauliana zurückreichen,75 sodass die Wurzeln der heutigen Insolvenzanfechtung sehr weit in der Vergangenheit liegen. a)  Der Wortlaut der Regelung des §  29 KO §  29 KO besagte zum Grundsatz der Konkursanfechtung: „Rechtshandlungen, welche vor der Eröffnung des Konkursverfahrens vorgenommen sind, können als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam nach Maßgabe der folgenden Be­ stimmungen angefochten werden.“

Im Gegensatz zu §  129 Abs.  1 InsO, bei dem eine vergleichbare Formulierung fehlt, besagte §  29 KO, dass Rechtshandlungen „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ angefochten werden konnten. Die verwendete Terminologie scheint geeignet zu sein, eine eindeutige Antwort auf die Frage nach der Wirksamkeit der angefochtenen rechtlichen Handlung zu geben. Rein vom Wortlaut her betrachtet wird durch diese Formulierung nichts anderes ausgesagt, als dass die rechtliche Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung die Folge der Konkursanfechtung sein sollte. Gleichwohl wurde trotz des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes eine Auslegung mit dem Ergebnis der Unwirksamkeit der anfechtbaren rechtlichen Handlung – sei diese relativ oder absolut, ipso iure eintretend oder erst mittels Ge­ staltungsrecht herbeiführbar – nur von den Vertretern der dinglichen Theorien ver­ treten.76 74 

Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  10. Ausführlich zum rechtshistorischen Hintergrund siehe Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  45 ff. 76  Crome, System, Band 1, S.  352 ff.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  217 ff.; Hellmann, Kon­ kursrecht, S.  353 ff.; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (406 ff.); Hellwig, Anspruch und Klage­ recht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (477 ff.); Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (177 ff., 197, 207 ff.); Lenhard, LZ 1909, 905 (909); Marotz­ 75 

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

Die Gegner der dinglichen Theorien, insbesondere diejenigen aus dem Lager der schuldrechtlichen Theorie, stützten ihre Ablehnung der Unwirksamkeitsfolge vor allem auf den Wortlaut des §  37 Satz  1 KO, der die Vorgängerregelung des heutigen §  143 Abs.  1 S.  1 InsO beinhaltete:77 „Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Konkursmasse zurückgewährt werden.“

Es wurde der Rechtsfolge der Rückgewähr somit der Vorrang vor dem Wortlaut des §  29 KO eingeräumt, wobei dem Satz „als den Konkursgläubigern gegenüber un­ wirksam“ in §  29 KO nicht die Bedeutung zugemessen wurde, die ihm nach dem Wortlaut eigentlich zukommen musste.78 Vielmehr beschränke sich nach dieser An­ sicht die Anfechtung „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ auf die Geltendmachung des schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs. Die Bezeichnung „unwirksam“ bedeute nur, dass „[…] das Gesetz dem Erwerbstatbestande die ihm sonst innewohnende Kraft aus den besonderen Gründen der §§  30–32 [KO] um der Konkursgläubiger willen aberkennt“.79 Begründet wird dies von Jaeger, dem maßgeblichen Vertreter der schuldrechtli­ chen Theorie jener Zeit,80 damit, dass der Terminus „Unwirksamkeit“ vor Inkraft­ treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahre 1900 eine allgemeine Umschreibung für eine geminderte Wirksamkeit gewesen sei, die nicht nur die Nichtigkeit und Anfechtung mit „dinglicher“ Wirkung umfasse, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch vorsieht, sondern auch eine solche mit nur schuldrechtlichen Wirkungen, durch die der Schuldner zur Rückgängigmachung der Rechtsänderung angehalten war.81 Dies werde auch durch den Wortlaut von §  29 KO, der eine Anfechtung „nach Maß­ gabe der folgenden Bestimmungen“ vorsieht, verdeutlicht, da hierdurch insbesonde­ re auf die Rechtsfolgennorm des §  37 S.  1 KO Bezug genommen werde. Der Sprachgebrauch des neu eingeführten Bürgerlichen Gesetzbuchs, der in §  135 BGB den Terminus „unwirksam“ beinhaltet, sowie das Institut der zivilrecht­ lichen Anfechtung des §  142 BGB mit Nichtigkeitsfolge sollen dahingegen keinen Einfluss auf das Konkursanfechtungsrecht haben. Deshalb solle trotz der Wendung „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ sowie des Begriffs „Kon­ kursanfechtung“ weiterhin nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr

ke, KTS 1987, 1 (5, 22); Schulin, LZ 1922, 601 (601); v. Tuhr, Allgemeiner Teil, S.  324 ff.; Wind­ scheid/Kipp, Pandekten, S.  1020 ff.; Geib, AcP 113 (1915), 335 (362 f.); Geib, AcP 115 (1917), 58 (65); Geib, AcP 119 (1921), 157 (159), behandelt vornehmlich die Anfechtung nach dem AnfG, nennt jedoch dabei auch §  29 KO. 77  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  10 f.; Kleinfeller, Konkursrecht, S.  55; Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (14, 29); Warneyer, KO, §  29 Anm. II, IV. 78  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (286 f.). 79  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  22. 80  Weber, KTS 1961, 49 (52). 81  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  11.

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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ohne Unwirksamkeit der angefochtenen Handlung die Rechtsfolge der Konkursan­ fechtung sein.82 Jaeger bemüht zur Unterstreichung seiner These ein sprachliches Argument: So weise der Richter eine Klage dann als unzulässig oder unbegründet ab, wenn diese auch tatsächlich unzulässig respektive unbegründet sei, sodass nicht erst durch den Richterspruch die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit eintrete. Aus diesem Grund werde auch die anfechtbare Rechtshandlung nicht erst durch die Konkursanfech­ tung unwirksam, vielmehr sei die Unwirksamkeit im Sinne einer geminderten Wirksamkeit gerade der Grund der Anfechtung. Der Wortlaut von §  29 KO („als unwirksam anfechten“) spreche deshalb nicht für, sondern gegen die Anwendbar­ keit von §§  142, 143 BGB.83 Diesem sprachlichen Argument kann jedoch der Ein­ wand entgegengehalten werden, dass auch Jaeger erkennt, dass eine Unwirksam­ keit der anfechtbaren Handlung („als unwirksam anfechten“) Grund der Kon­ kursanfechtung ist, was im Ergebnis jedoch schlecht mit der propagierten Folge eines obligatorischen Rückgewähranspruchs zusammenpasst. Dieses Ergebnis kann Jaeger nur retten, indem er dem Wort „Unwirksamkeit“ wiederum den ihm nach dem Wortsinn eigentlich zukommenden Sinngehalt abzusprechen versucht, indem er „Unwirksamkeit“ nur als eine Art „geminderte Wirksamkeit“ betrach­ tet.84 Im Übrigen erscheint es zweifelhaft, die Wirkungen der Insolvenzanfechtung durch einen sprachlichen Vergleich mit den nach zivilprozessualen Regelungen zu beurteilenden Handlungen des Richters zu vergleichen. Gerade hierdurch wird der materiell-rechtliche Gehalt des Insolvenzanfechtungsrechts verkannt. Es wird ersichtlich, dass auch der Wortlaut der Anfechtungsvorschriften der Konkursordnung keine definitive Entscheidung hinsichtlich der Unwirksamkeits­ folge zuließ, obwohl gerade der Wortlaut des §  29 KO stark in Richtung einer Un­ wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung wies. Da sich die beiden antagonis­ tischen Ansichten aber jeweils einer bestimmten Vorschrift bedienten, um ihre Lö­ sung zu rechtfertigen, war auch eine Entscheidung gegen eine Unwirksamkeitsfolge dogmatisch nicht unvertretbar. Paulus merkt diesbezüglich treffend an: „Die naheliegende Tendenz, die dogmatische Kennzeichnung eines Rechtsinstituts an den Wortlaut des Gesetzes anzuklammern, sieht sich im Falle des Rechts der Gläubigeranfech­ tung einem fatalen Dilemma ausgesetzt. Sie findet nämlich zwei Klammern vor, die an ver­ schiedenen Seilen hängen.“85

82  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  10 ff.; Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53; Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (13 ff.); Warneyer, KO, §  29 Anm. II. 83  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  11. 84  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  11. 85  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (286).

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

b)  Gesetzesmaterialien zur Konkursordnung Möglicherweise können die Gesetzesmaterialien zur Konkursordnung nähere Hin­ weise zur rechtlichen Einordnung der Konkursanfechtung und somit auch mittelbar zur Einordnung der Nachfolgeregelung in Form der Insolvenzanfechtung hinsicht­ lich des Einflusses auf die Wirksamkeit der anfechtbaren rechtlichen Handlung ge­ ben. Weiterhin könnte der Umgang der damals herrschenden Meinung mit den Vor­ gaben der Gesetzesmaterialien einen Anhaltspunkt dafür geben, welchen Einfluss den Gesetzesmaterialien zur Insolvenzordnung auf die heutige Insolvenzanfech­ tung zugestanden werden sollte. Hierbei muss zwischen den Materialien zur Kon­ kursordnung von 1877 und denjenigen zur Novelle der Konkursordnung von 1898 differenziert werden. aa)  Konkursordnung vom 10.02.1877 Der Gesetzgeber der Reichsjustizgesetze von 1877, der mit der Konkursordnung erstmals ein Konkursrecht für das gesamte Gebiet des Deutschen Reichs geschaf­ fen hat,86 legt an verschiedenen Stellen seine Ansicht zur rechtlichen Wirkung der Konkursanfechtung in Bezug auf die anfechtbare rechtliche Handlung dar, wobei diese Stellungnahmen durchaus ambivalent bis unklar sind.87 Insbesondere sind die Vorschriften der §§  22 und 30 KO als Vorgängerregelung von §§  29 und 37 KO be­ troffen. (1)  Hinweise für eine dingliche Unwirksamkeit Auf der einen Seite stehen Äußerungen, die auf eine Unwirksamkeit der anfechtba­ ren rechtlichen Handlung hindeuten, was die Vertreter der dinglichen Theorien zu stützen scheint.88 So wird in der Begründung zu §  22 KO ausgeführt: „Die Veräußerung ist den Gläubigern gegenüber wirkungslos, sie steht ihren Ansprüchen nicht entgegen. Das ist der Inhalt des Anfechtungsrechts, und darin liegt der Zweck und die Wirkung desselben: das vom Gemeinschuldner aufgegebene Objekt als noch zur Konkurs­ masse gehörig zu betrachten und ihr zurückzuführen.“89

Mit Blick auf die Anfechtung von Unterlassungen und entsprechenden Regelungen hierzu im Römischen Recht wird erklärt: 86 

Hahn/Mugdan, Band 4, S.  37. Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  84; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  218; Ger­ hardt, Gläubigeranfechtung, S.  98, 104; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (320 ff.). 88  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (321). 89  Hahn/Mugdan, Band 4, S.  122; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (321), sieht in dieser Formulie­ rung einen Hinweis auf die haftungsrechtliche Theorie: „Wäre den Redaktoren bereits die Vorstel­ lung einer haftungsrechtlichen Unwirksamkeit geläufig gewesen, so dürfte man gewiß annehmen, daß sie sie mit diesem Satz in klarer Weise verlautbart hätten.“ Eine solche Unterstellung hypothe­ tischer Kenntnisse erscheint sehr gewagt. 87 

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

27

„Die Anfechtung soll das Geschehene ungeschehen machen […], sie setzt voraus, daß das Vermögensstück durch eine bestimmte Handlung und durch sie allein aufgegeben sei, daß es ohne diese Handlung dem Vermögen noch angehören würde, und mit Beseitigung derselben ihm wieder zufalle.“90

Schließlich ist im Rahmen der Begründung zu §§  30–32 KO hinsichtlich der Rechts­ folge der Konkursanfechtung noch Folgendes zu lesen: „Die angefochtene Handlung übt gegen die Konkursgläubiger keine Wirkung; hinsichtlich der Gläubiger wird es so angesehen, als ob die Handlung nicht geschehen wäre. Insofern könnte man als die allgemeine Folge der begründeten Anfechtung bezeichnen: Wiederher­ stellung des vor der Handlung bestandenen Rechtszustandes.“91

Die eben aufgezeigten Formulierungen in der Gesetzesbegründung, die in der Tat auf eine Unwirksamkeit der rechtlichen Handlung hinzudeuten scheinen,92 haben wenig überraschend Vertreter der dinglichen Theorien zu der Annahme bewogen, den Willen des Gesetzgebers auf ihrer Seite zu haben.93 (2)  Hinweise für einen obligatorischen Anspruch Auf der anderen Seite werden in der Gesetzesbegründung Äußerungen getroffen, die in die entgegengesetzte Richtung weisen und gegen eine Unwirksamkeit der anfechtbaren rechtlichen Handlung sprechen.94 So stellt insbesondere Jaeger95 als Gegner der Unwirksamkeitslehren und Vertreter der schuldrechtlichen Theorie auf folgende Passage in der Gesetzesbegründung ab: „Juristisch lässt eine Nichtigkeit sich nur begründen, wenn dem Geschäft selbst ein rechtli­ cher Mangel innewohnte. Daß durch das Geschäft des Gemeinschuldners der persönliche Anspruch seiner Gläubiger verletzt wird, macht das Geschäft selbst nicht ungültig. […] Die Gläubiger haben das Recht, die Verfügung des Gemeinschuldners in ihrem Erfolg anzufech­ ten. Durch das an sich gültige Rechtsgeschäft ist von dem Gemeinschuldner ein Werthsobjekt [sic!], eine Sache oder ein Recht aus seinem Vermögen aufgegeben worden […]. […] Die Anfechtbarkeit ist noch weniger als eine relative Nichtigkeit. Das Rechtsgeschäft bleibt, selbst wenn dessen Anfechtbarkeit richterlich ausgesprochen wird, als an sich gültig bestehen und behält seine Wirkung unter den handelnden Theilen [sic!] nach dem Inhalt des Geschäfts.

90 

Hahn/Mugdan, Band 4, S.  125. Hahn/Mugdan, Band 4, S.  151. 92  Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476). Gleichwohl sieht Hellwig die Wirkungen der Konkursan­ fechtung vor der Konkursrechtsnovelle von 1898 nur als obligatorischen Anspruch, Hellwig, Ver­ träge auf Leistung an Dritte, S.  380. 93  Crome, System, Band 1, S.  353 f.; Hellmann, Konkursrecht, S.  372 ff.; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (406 ff.); siehe auch Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  98; Marotzke, KTS 1987, 1 (17 f.). 94  So auch Marotzke, KTS 1987, 1 (18), als Vertreter der dinglichen Theorien unter Verweis auf eine Passage in der Gesetzesbegründung, wonach der Anfechtungsgegner eine Verpflichtung auf­ heben solle, siehe Hahn/Mugdan, Band 4, S.  124. 95  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  11. 91 

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

Ihm werden die Wirkungen nur nach der oben angegebenen Richtung für die Konkursgläu­ biger entzogen.“96

(3)  Eigene Bewertung Durch die dargestellten Auszüge aus der Gesetzesbegründung zur Konkursordnung von 1877 wird ersichtlich, dass hierdurch eine große Hilfe in Bezug auf die Bestim­ mung der konkreten Rechtsfolgen der Konkursanfechtung, was die Wirksamkeit der rechtlichen Handlung betrifft, nicht zu erwarten ist.97 Es werden mehr oder weniger entscheidende Stellen der Gesetzesbegründung von den jeweiligen Vertre­ tern der sich gegenüberstehenden Theorien zur Stützung der eigenen Ansicht ver­ wendet,98 was nicht selten den Charakterzug einer „Rosinenpickerei“ offenbart. Zwar kann man der Gesetzesbegründung eine gewisse Tendenz hinsichtlich der dinglichen Lehre nicht abstreiten.99 Die Quantität der Textstellen, die auf eine dingliche Unwirksamkeit hindeuten, spricht hierfür. Zudem verfängt die Bezug­ nahme von Jaeger100 auf die genannte Stelle101 in der Gesetzesbegründung102 nicht. Diese Stellungnahme diente zur Rechtfertigung des bisherigen Anfechtungssys­ tems, das sich gegen die Nichtigkeitsfolge des damaligen französischen Rechts stell­ te, wie Paulus103 feststellt. Ein gleichzeitiger Ausschluss einer Unwirksamkeitsfolge für die Zukunft war damit also nicht verbunden. Auch kann die einleitende Passage in der Gesetzesbegründung zu §§  30–32 KO, die die konkreten Rechtsfolgen der Konkursanfechtung beinhalten, gegen die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie, die vornehmlich auf die Rechtsfolgennorm des §  30 KO (ab 1898 §  37 KO) abstel­ len104, in Stellung gebracht werden. Dort heißt es: „Die Folge des Anfechtungsrechts ist im Prinzip schon durch §  22 [KO] ausgesprochen […] worden.“105

Wenn bereits in §  22 KO eine dingliche Unwirksamkeit der rechtlichen Handlung angelegt ist, kann §  30 KO nicht nur zu einem schuldrechtlichen Rückgewähran­ 96 

Hahn/Mugdan, Band 4, S.  122 f. Als Beleg hierfür kann unter anderem Cosack, Anfechtungsrecht, S.  15 f., angeführt wer­ den, der den Materialien sogar eine „Dolustheorie“ entnimmt, bei der die Anfechtungsschuld auf eine arglistige Handlung oder ein Delikt des Anfechtungsgegners gegründet sei; ebenso Lipp­ mann, Jherings Jahrbuch 36 (1896), 145 (146); siehe hierzu auch Gerhardt, Gläubigeranfechtung S.  98 Fn.  305. 98  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  84; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  98. 99  So auch Weber, KTS 1961, 49 (50). 100  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  11. 101  Siehe S.  27 f. 102  Hahn/Mugdan, Band 4, S.  122 f. 103  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (321). 104  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  10 f.; Kleinfeller, Konkursrecht, S.  55; Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (29); Warneyer, KO, §  29 Anm. II, IV. 105  Hahn/Mugdan, Band 4, S.  151. 97 

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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spruch führen, wie es die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie, die §  30 KO als entscheidende Norm des Konkursanfechtungsrechts ansehen, propagieren. Allerdings wird anhand dieser Art der Argumentation mit einzelnen Passagen aus der Gesetzesbegründung ersichtlich, dass man sich in einem argumentativen Zirkel bewegt, der kaum zu durchbrechen ist. Entweder man räumt den dinglichen oder eben den obligatorischen Anklängen mehr Raum ein. Da die Gesetzesbegrün­ dung mindestens genauso ambivalent wie der Wortlaut des Gesetzes selbst ist, kann eine Entscheidungshilfe in die eine oder andere Richtung der Begründung zur Kon­ kursordnung von 1877 letztlich nicht entnommen werden.106 Letzten Endes kann auch die Begründung des Gesetzgebers nur als Indiz für die Auslegung des Gesetzeswortlauts herangezogen werden.107 Es sind eben nicht der historische Wille und damit die Motive der Gesetzesverfasser Gegenstand der Aus­ legung und somit ausschlaggebend, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem systematischen Gesamtzusammenhang ergibt.108 Da der Wortlaut des Konkursanfechtungsrechts nicht eindeutig ist, kommen die Motive zwar prinzipiell als Auslegungshilfe in Betracht. Da diese jedoch selbst nicht eindeutig sind, eignen sich die Motive zur Auslegung der Wirkung der Kon­ kursanfechtung kaum.109 bb)  Konkursrechtsnovelle vom 17.05.1898 Das „Gesetz betreffend Aenderungen der Konkursordnung“ vom 17.05.1898 brachte inhaltlich keine Änderungen hinsichtlich der einschlägigen Normen der §§  22 und 30 KO. Lediglich die Nummerierung wurde geändert, sodass aus §  22 KO der §  29 KO und aus §  30 KO der §  37 KO wurden.110 Diese Nummerierung blieb bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 unverändert. Dem Wortlaut der durch die Konkursrechtsnovelle numerisch geänderten Normen sind aufgrund des gleichgebliebenen Inhalts im Vergleich zu §§  22, 30 KO keine weitergehenden An­ haltspunkte zur Wirkungsweise der Konkursanfechtung zu entnehmen.

106  Anders Marotzke, KTS 1987, 1 (19), der davon ausgeht, dass die Gesetzesmaterialien trotz vereinzelter Äußerungen, die auf einen obligatorischen Anspruch hindeuten, „[…] ersichtlich von der dinglichen Theorie ausgehen […]“. 107  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  98; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  73 f. 108  BVerfGE 105, 135 (157); BVerfGE 11, 126 (130 f.); BVerfGE 1, 299 (312); Sieber, Rechtsna­ tur der Gläubigeranfechtung, S.  73 f. 109  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  98, 104; in diese Richtung auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  73 f. 110  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  99.

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

(1)  Hinweise für eine dingliche Unwirksamkeit Eine wichtige Änderung erfuhr jedoch das bis dato in §  34 KO a. F. geregelte Ver­ jährungsrecht. §  34 KO a. F. besagte, dass das Anfechtungsrecht innerhalb eines Jahres seit der Eröffnung des Verfahrens verjährt. Die in §  41 KO geregelte Neufas­ sung bestimmte demgegenüber, dass die Anfechtung nur binnen Jahresfrist seit der Eröffnung des Verfahrens erfolgen kann. Die bisherige Verjährungsregelung wurde somit in eine Ausschlussfrist umgewandelt. Der Gesetzgeber der Konkursrechtsnovelle begründete diesen Schritt folgender­ maßen: „Der §  34 [KO] bestimmt in seiner jetzigen Fassung, daß das Anfechtungsrecht in einem Jahre seit der Eröffnung des Verfahrens verjährt. Nach dem BGB unterliegen nur Ansprüche der Verjährung, das Anfechtungsrecht ist aber nicht als ein Anspruch im Sinne des Gesetz­ buchs anzusehen (§  194 Abs.  1). Der Entwurf hat daher im Anschluss an den §  124 Abs.  1 BGB, der von der Anfechtung einer Willenserklärung wegen Täuschung und Drohung han­ delt, die Fassung dahin geändert, daß die Anfechtung nur binnen Jahresfrist seit der Eröff­ nung des Verfahrens erfolgen kann.“111

Diese Änderung führte dazu, dass Vertreter der dinglichen Theorien sich in ihrer Auffassung bestätigt sahen, dass die Konkursanfechtung ein Gestaltungsrecht mit dinglicher Wirkung sei.112 Speziell der Zusammenhang der Konkursordnung mit dem am 01.01.1900 in Kraft getretenen Bürgerliche Gesetzbuch und der dort eben­ falls verwendeten Bezeichnung „Anfechtung“, bei der nach erfolgter Anfechtungs­ erklärung die von einem Rechtsgeschäft beabsichtigten Rechtswirkungen als nicht eingetreten anzusehen sind, lässt insbesondere Hellwig zu dem Ergebnis gelangen, dass die Konkursanfechtung die gleiche Nichtigkeitsfolge haben müsse wie die An­ fechtung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.113 Es seien keine durchschlagenden Gründe ersichtlich, weshalb die synonym verwendeten Begriffe der Konkursan­ fechtung und der zivilrechtlichen Anfechtung einen unterschiedlichen Sinngehalt haben sollen.114 Durch die vom Gesetzgeber der Konkursrechtsnovelle beabsichtig­ te Ausgestaltung der Konkursanfechtung als Gestaltungsrecht und die hierdurch eingetretene Übereinstimmung mit der zivilrechtlichen Anfechtung, auch was die 111 

Hahn/Mugdan, Band 7, S.  241 f. Crome, System, Band 1, S.  352 ff.; Hellmann, Konkursrecht, S.  373; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (411 f.); Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1020 ff.; siehe auch Gerhardt, Gläubigeranfech­ tung, S.  100; Weber KTS 1961, 49 (50 ff.). 113  Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 f.). Ebenso Crome, System, Band 1, S.  353 f.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  218 ff.; Hellmann, SeuffBl. 70 (1905), 401 (411); Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1021; Weber, KTS 1961, 49 (51), geht ebenfalls davon aus, dass der Gesetzgeber der Konkursnovelle in der Konkursanfechtung ein Gestaltungsrecht erblickt hat. Er befasst sich jedoch nicht näher mit den konkreten Wirkungen hinsichtlich einer etwaigen Unwirksamkeitsfolge. 114  Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  381; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 f.); eben­ so Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1021. 112 

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

31

Namensgebung anbelangt, sieht Hellwig einen inhaltlichen Gleichlauf als „geradezu zwingend geboten“.115 (2)  Gegenargumente Gegen die Annahme, die Konkursanfechtung stelle spätestens seit der Konkurs­ rechtsnovelle von 1898 ein Gestaltungsrecht mit dinglicher Wirkung dar, wurde von verschiedener Seite angegangen. So legen unter anderem Weber116 und ihm folgend Gerhardt117 unter Verweis auf die Gesetzesauslegung durch das Reichsgericht118 anschaulich dar, dass die in §  41 KO neu eingeführte Ausschlussfrist119 nicht zwangsläufig ein Gestaltungsrecht zur Folge habe. So sei zwar unbestritten, dass nur ein Anspruch der Verjährung unter­ liege, ein Gestaltungsrecht dagegen aber nicht. Umgekehrt könne diese Regel je­ doch nicht angewendet werden, da es durchaus gesetzlich geregelte Fälle gebe, bei denen auch ein Anspruch einer Ausschlussfrist und eben nicht der Verjährung un­ terliege.120 Als Beispiele werden unter anderem angeführt der Anspruch des Gläu­ bigers auf den hinterlegten Betrag bei der Hinterlegung, welcher gemäß §  382 BGB nach 30 Jahren erlischt sowie der Anspruch aus einer Schuldverschreibung, der ge­ mäß §  801 BGB einer Ausschlussfrist unterliegt.121 Auch die Besitzschutzansprüche der §§  861, 862 BGB unterliegen nicht der Verjährung, sondern einer Ausschluss­ frist gemäß §  864 BGB,122 ebenso wie Verwendungsersatzansprüche aus dem Ei­ gentümer-Besitzer-Verhältnis, §  1002 BGB123. Dieser Auffassung, die der dingli­ chen Theorie das Fundament in Form des von ihr angenommenen Gestaltungsrechts zu entziehen versucht, ist zuzugestehen, dass durch die Einführung einer Aus­

115  Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  381. Die konkrete Unwirksamkeitsfolge sieht Hellwig jedoch nur als relative Nichtigkeit, S.  381 Fn.  798; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (477 f.); ihm folgend: Crome, System, Band 1, S.  354; Hellmann, Konkursrecht, S.  373; Windscheid/Kipp, Pan­ dekten, S.  1020 ff. 116  Weber, KTS 1961, 49 (52), geht trotz dieser Argumentation davon aus, dass der Gesetzgeber der Konkursnovelle die Konkursanfechtung als Gestaltungsrecht gesehen hat. 117  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101 f. 118  RGZ 58, 44 (45); das Reichsgericht vermochte im Gesetz selbst keine Anhaltspunkte zu entdecken, die auf ein Gestaltungsrecht hinweisen, auch wenn es zugesteht, dass in den Gesetzes­ materialien Anhaltspunkte hierfür bestehen; zur Einzelgläubigeranfechtung nach dem AnfG ebenso RGZ 52, 334 (340 ff.); in einer später ergangenen Entscheidung bestreitet das Reichsgericht mit ähnlicher Argumentation einen Einfluss der Novelle auf die Rechtsnatur der Gläubigeranfech­ tung vehement, RG LZ 1907, 837 (838). 119  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  13, geißelt dies als eine „verhängnisvolle Ersetzung der Verjährungsfristen durch Ausschlussfristen“. 120  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101; Weber, KTS 1961, 49 (52); siehe auch SchmidtRäntsch in: Erman, BGB, Vor §  194 Rn.  11. 121  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101. 122  RGZ 58, 44 (47); Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101; Weber, KTS 1961, 49 (52). 123  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101 f.; Weber, KTS 1961, 49 (52).

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

schlussfrist in §  41 KO nicht zwingend zu folgern ist, dass die Konkursanfechtung ein Gestaltungsrecht darstellen soll.124 Gegen die Argumentation, dass seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Gleichlauf zwischen der Konkursanfechtung und der zivilrechtlichen Anfech­ tung herrschen müsse, da „Anfechtung“ ein einheitlicher, für das gesamte Zivil­ recht maßgebender Begriff sei,125 wendet Jaeger ein, dies sei hinsichtlich der Kon­ kursanfechtung „eine Sklaverei des Wortes, die schon deshalb unerträglich ist, weil ja die anfechtbare Rechtshandlung keineswegs ein Rechtsgeschäft oder sonst ein juristischer Tatbestand des bürgerlichen Rechts zu sein braucht […].“126 Auch Pau­ lus hält einen solchen Gleichlauf nicht für überzeugend und schreibt die vorgenom­ menen Bemühungen der Vertreter der dinglichen Theorien dem durch die Kodifika­ tion des Bürgerlichen Gesetzbuchs in den nachfolgenden Jahren ausgelösten „Assi­ milationseifer“ zu.127 (3)  Eigene Bewertung Die Begründung zum „Gesetz betreffend Aenderungen der Konkursordnung“ von 1898 eignet sich im Ergebnis nicht als definitive Entscheidungshilfe für oder wider die dingliche oder schuldrechtliche Theorie.128 Wie gezeigt worden ist, nimmt die Gesetzesbegründung keine direkte Stellung zur Frage der konkreten Wirkungsweise der Konkursanfechtung. Die Änderung, die §  34 KO a. F. durch die Neufassung von §  41 KO n. F. erfahren hat, lässt nicht zwingend den Schluss darauf zu, dass die Gläubigeranfechtung nun ein Gestal­ tungsrecht vergleichbar der zivilrechtlichen Anfechtung sein soll, wie der Vergleich mit manchen ebenfalls durch Ausschlussfristen begrenzten Ansprüchen zeigt.129 Allerdings macht Weber unter Verweis auf den Kommissionsbericht zur Konkurs­ rechtsnovelle durchaus zu Recht deutlich, dass der Gesetzgeber wohl doch die Um­ gestaltung der Konkursanfechtung zu einem Gestaltungsrecht beabsichtigt hatte:130 Ein Abänderungsantrag, der in der Kommission zur Abstimmung stand und der die ursprüngliche Fassung beibehalten wollte, da ansonsten nach erfolgter Anfech­ tungserklärung der Rückgewähranspruch des §  37 KO der regelmäßigen Verjäh­ rung unterliegen würde, wurde abgelehnt mit der Begründung, das Anfechtungs­

124  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101 f.; Weber, KTS 1961, 49 (52); siehe auch SchmidtRäntsch in: Erman, BGB, Vor §  194 Rn.  11. 125  Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  219. 126  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  12. 127  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (287 f.); ebenfalls ablehnend Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (13 ff.); siehe auch Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  4. 128  So auch Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  104 f. 129  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  101 f.; Weber, KTS 1961, 49 (52); siehe auch SchmidtRäntsch in: Erman, BGB, Vor §  194 Rn.  11. 130  Weber, KTS 1961, 49 (51); ihm folgend Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  102.

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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recht sei kein Anspruch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern begründe erst durch seine Ausübung solche Ansprüche.131 Es erscheint zudem zumindest ungewöhnlich, dass die Konkursanfechtung auch nach der Einführung von §  41 KO ein Anspruch sein sollte, der nur in Ausnahme­ fällen einer Ausschlussfrist und nicht der Verjährung unterliegt. Ohne entsprechen­ den eindeutigen Anhaltspunkt in den Gesetzesmaterialien erscheint eine solche Annahme aufgrund der Gesetzgebungsgeschichte eher fernliegend. Da auch weiterhin die Rechtsfolge der Konkursanfechtung mehrheitlich als ein rein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch angesehen worden ist,132 stellt Weber fest: „Denn wir stehen vor dem erstaunlichen Phänomen, daß auf Grund der Rechtsprechung des Reichsgerichts und gewichtiger Stimmen der Rechtslehre, vor allem der von Ernst Jaeger, §  41 KO heute in wohl schon zum Gewohnheitsrecht gewordener praktischer Übung genau so angewendet wird, wie wenn die seinerzeit in der Kommission abgelehnte Fassung Gesetz geworden und die geltende Fassung nicht der Ausdruck bestimmter, und zwar abweichender konstruktiver Vorstellungen der Verfasser des Gesetzes wäre.“133

Hieran zeigt sich, dass auch relativ eindeutige Formulierungen in den Gesetzesma­ terialien und ihr Niederschlag im Gesetzeswortlaut bisweilen recht wenig Beach­ tung in Rechtsprechung und Lehre finden.134 Gesetzestext und Materialien der Kon­ kursrechtsnovelle von 1898 werden dementsprechend zur Bestimmung der dogma­ tischen Einordnung der Konkursanfechtung in der Literatur für wenig geeignet erachtet.135 Für die Frage hinsichtlich der konkreten Rechtsfolgen bezüglich der Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung gilt dies zu Recht selbst dann, wenn man dem Gesetz eindeutig entnehmen könnte, dass die Konkursanfechtung ein Ge­ staltungsrecht sein soll. Denn dem Gesetz oder den Materialien sind letztlich keine zweifelsfreien Hinweise zu entnehmen, die darauf hindeuten, ob dem Gestaltungs­ recht der Konkursanfechtung dingliche Wirkungen wie der zivilrechtlichen An­ fechtung oder nur obligatorische Wirkungen vergleichbar der Rücktrittserklärung gemäß §  349 BGB mit der Folge des §  346 BGB beizumessen sind.136

131 

Hahn/Mugdan, Band 7, S.  293 ff. RGZ 70, 112 (113 ff.); RGZ 58, 44 (47); Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  10 ff.; Kohler, Leitfaden, S.  138; Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53, 55; Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (14, 29); Warn­ eyer, KO, §  29 Anm. II, IV; für die Anfechtung nach dem AnfG: RGZ 131, 340 (342); RGZ 103, 113 (119 ff.); RGZ 91, 367 (369 f.); RGZ 71, 176 (176). 133  Weber, KTS 1961, 49 (52). 134  So etwa RGZ 58, 44 (45): Die Annahme eines Gestaltungsrechts sei laut Reichsgericht im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck gekommen. 135  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  84, 90 f.; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  105. 136  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  104 f. 132 

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

c) Zwischenergebnis Sowohl der Wortlaut der Vorgängvorschrift von §  129 Abs.  1 InsO als Grundsatz­ norm des heutigen Insolvenzanfechtungsrechts als auch die dazugehörigen Geset­ zesmaterialien können nicht eindeutig zur Beantwortung der Frage, inwiefern sich die erfolgte Anfechtung auf die Wirksamkeit der anfechtbaren rechtlichen Hand­ lung auswirkt, beitragen.137

3.  Änderungen durch die Insolvenzrechtsreform vom 01.01.1999 Es ist daher zu untersuchen, ob die umfassende Reform des Insolvenzanfechtungs­ rechts durch die Einführung der Insolvenzordnung am 01.01.1999 etwas an der rechtlichen Einordnung der Wirkungen der Insolvenzanfechtung geändert hat oder ob die Dogmatik hinsichtlich der grundsätzlichen Rechtsfolgen von den Änderun­ gen unberührt blieb. Hierzu sind der im Vergleich zu §  29 KO geänderte Gesetzes­ wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO, die Wiedereinführung einer Verjährungsregel in §  146 Abs.  1 InsO, die Gesetzesbegründung sowie die hierzu in der Literatur vertre­ tenen Ansichten zu untersuchen. a)  Geänderter Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO In der Vorschrift des §  129 Abs.  1 InsO fehlen die im alten Recht bedeutsamen Wor­ te „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“.138 Den Vertretern der ding­ lichen Theorien ist somit eine wichtige Argumentationsstütze weggebrochen,139 weshalb es nicht verwundert, dass viele und gewichtige Stimmen in der Literatur eine Interpretation der Insolvenzanfechtung im Sinne einer dinglichen Unwirksam­ keit für nicht mehr vertretbar halten.140 Auch in der Rechtsprechung wird diese Ar­ gumentation verwendet.141

137  So auch mit Bezug auf die Folgerungen des Gesetzestexts hinsichtlich des Theorienstreits allgemein Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  6. 138  Siehe hierzu schon S.  18. 139  So auch Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  133 f. 140  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  188, 196; Baur/Stürner, Zwangsvollstre­ ckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.56; Bork, Einführung, Rn.  267 Fn.  132; Dauerheim in: FK-InsO, §  129, Rn.  9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  1, §  143 Rn.  18; Kindl, NZG 1998, 321 (322 f.); Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  26; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  67 f.; Zeuner, Anfech­ tung, Rn.  5; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4; Mesch, Rechtsnatur der Gläu­ bigeranfechtung, S.  133 f., ist in seiner Beurteilung etwas zurückhaltender und sieht die Unwirk­ samkeitslehren nur eines wichtigen Arguments beraubt. 141  BGH NZI 2007, 42 (43).

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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b)  Gesetzesmaterialien zu §  129 InsO Der bewusste Verzicht auf diesen Zusatz ist in sämtlichen Gesetzesmaterialien be­ stätigt worden.142 Allerdings divergieren die abgegebenen Stellungnahmen hin­ sichtlich der rechtlichen Einordnung der Insolvenzanfechtung. So heißt es noch im Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht aus dem Jahre 1985, dass durch den Wegfall der Worte „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ ein Ver­ zicht auf eine Stellungnahme bezüglich der Rechtsnatur der Insolvenzanfechtung beabsichtigt sei, da diese Entscheidung der Wissenschaft und der Rechtsprechung überlassen werden solle.143 Im Gegensatz hierzu heißt es im Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums von 1988, dass sich bereits zum Recht der Kon­ kursanfechtung die Auffassung durchgesetzt habe, dass die Folge der Anfechtung nicht eine relative Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung sei, sondern nur ein obligatorischer Rückgewähranspruch begründet werde.144 Das wird im Re­ ferentenentwurf des Bundesjustizministeriums von 1989 wörtlich wiederholt.145 Im Regierungsentwurf aus dem Jahre 1993 findet sich die Passage ebenfalls wieder, inhaltlich jedoch etwas anders ausgestaltet, wenn es dort heißt: „Schon zum gelten­ den Recht hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nicht als relative Unwirksamkeit aufzufassen ist, sondern im Re­ gelfall einen obligatorischen Rückgewähranspruch begründet“. Sodann wird aller­ dings ein gutes Stück zurückgerudert, wenn es heißt: „Eine weitergehende Stel­ lungnahme zum Streit um die dogmatische Einordnung der Anfechtung ergibt sich aus dem Entwurf nicht.“146 Es nimmt nicht wunder, dass viele Stimmen in der Literatur147 und der Rechtspre­ chung148 dem neuen Wortlaut des Gesetzes und in noch viel stärkerem Maße den zugehörigen Gesetzesmaterialien eine völlige Abkehr von einer dinglichen Deutung der Insolvenzanfechtung entnehmen, zumal zum Zeitpunkt der Gesetzesentste­ hung, soweit ersichtlich, nur noch Marotzke eine Spielart der dinglichen Theorien (sachlich-relative Unwirksamkeit) vertreten hat,149 und die Schar ihrer Verteidiger somit gering war. 142  Erster Bericht, S.  402; Diskussionsentwurf, S. B 116; Referentenentwurf, S. B 144; BTDrucks. 12/2422, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, Band I, S.  336 f. 143  Erster Bericht, S.  402. 144  Diskussionsentwurf, S. B 116. 145  Referentenentwurf, S. B 144. 146  BT-Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  336 f. 147  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  188, 196; Baur/Stürner, Zwangsvollstre­ ckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.56; Bork, Einführung, Rn.  267 Fn.  132; Dauerheim in: FK-InsO, §  129, Rn.  9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  18; Kindl, NZG 1998, 321 (322 f.); Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129– 147 Rn.  26; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  67 f.; Zeuner, Anfechtung, Rn.  5; Zeu­ ner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4. 148  BGH NZI 2007, 42 (43). 149  Marotzke, KTS 1987, 1 (5, 22).

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

c)  Die Einführung einer Verjährungsregelung in §  146 Abs.  1 InsO Darüber hinaus veranlasste die Rückkehr des Gesetzgebers zu einer Verjährungsre­ gel in §  146 Abs.  1 InsO wie zu Zeiten vor der Konkursrechtsnovelle von 1898 die Gegner der dinglichen Theorien dazu, die dinglichen Unwirksamkeitslehren für überholt zu halten.150 Dem Regierungsentwurf lässt sich diesbezüglich entnehmen, dass der Rückkehr zur Verjährungsregelung eine Ablehnung der Annahme eines Gestaltungsrechts mit dinglicher Wirkung zugrunde liegt.151 Zuzugeben ist dieser Ansicht, dass die wesentlichen Anhaltspunkte, die dazu geführt haben, in der Kon­ kursanfechtung ein Gestaltungsrecht mit dinglicher Wirkung zu erblicken, in der Insolvenzordnung nicht mehr zu finden sind und dass sich hier Gesetzeswortlaut und Gesetzesmaterialien inhaltlich decken.

4.  Eigene Stellungnahme Es stellt sich die Frage, ob der veränderte Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO, die Ein­ führung einer Verjährungsregel in §  146 Abs.  1 InsO sowie die entsprechenden Stellungnahmen der Gesetzesbegründungen tatsächlich zur Unvertretbarkeit einer dinglichen Unwirksamkeitsfolge führen oder ob dieses Postulat nicht vielmehr ei­ ner Art „Gewohnheitsrecht“152 in Literatur und Rechtsprechung entspricht, welches schlichtweg nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt wird.153 Möglicherweise war der Gesetzgeber der Insolvenzrechtsreform hinsichtlich der Wirkungen der Insolven­ zanfechtung aber ergebnisoffen, sodass keine diesbezüglich in Betracht kommende Deutung von vornherein auszuschließen ist. In der Tat gibt es mehrere Gründe, die gegen eine generelle Unvertretbarkeit dinglicher Theorien sprechen. Die Begründungen zur Konkursordnung von 1877154 und in noch viel stärkerem Maße diejenigen zur Konkursrechtsnovelle von 1898155 enthielten verschiedenste Formulierungen, die auf eine Unwirksamkeitsfolge der Konkursanfechtung hindeu­ 150  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  194; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und In­ solvenzrecht, 21. Auflage, S.  238; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  78 ff. 151  BT-Drucks. 12/2443, S.  168 f., abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  362. 152  So schon die Bezeichnung von Weber, KTS 1961, 49 (52), für die herrschende Meinung, die in der Konkursanfechtung trotz anderslautender, recht eindeutiger Indizien kein Gestaltungsrecht erblickt hat. 153  Seit der Insolvenzrechtsreform ist die dingliche Theorie, soweit ersichtlich, von keinem Au­ tor mehr vertreten worden. Selbst Marotzke, Gegenseitige Verträge, 3.  Aufl., S.  454 Fn.  9, als einer der letzten aktiven Vertreter der dinglichen Theorien zur Konkursanfechtung enthält sich einer definitiven Stellungnahme zum neuen Recht der Insolvenzanfechtung, obwohl er die Streichung der Worte „als den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“ für einen „rechtspolitischen Feh­ ler“ hält, Marotzke, Gegenseitige Verträge, 3.  Aufl., S.  353 Fn.  334. 154  Siehe S.  26 ff. 155  Siehe S.  29 ff.

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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teten. Im Zusammenspiel mit der Umformung der Verjährungsregel in eine Aus­ schlussfrist gingen viele Stimmen in der Literatur156 – insbesondere unter dem Ein­ druck des jungen Bürgerlichen Gesetzbuchs und der darin enthaltenden zivilrecht­ lichen Anfechtung – nicht zu Unrecht von einer dinglichen Einordnung aus. Nichtsdestotrotz behauptete sich die schuldrechtliche Deutung in der Folgezeit so­ wohl in der Rechtsprechung157 als auch in der Literatur158 als herrschende Meinung, bis sie ab der grundlegenden Schrift von Paulus159 aus dem Jahre 1956 Konkurrenz von der erstarkenden haftungsrechtlichen Theorie bekam,160 deren Inhalt in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Aussonderungs­ kraft des Anfechtungsanspruchs in der Insolvenz des Anfechtungsgegners ihren Niederschlag gefunden hat.161 Der Argumentationsaufwand, der seinerzeit betrieben wurde, um die schuld­ rechtliche Theorie entgegen den einschlägigen Passagen in den Begründungen und 156  Crome, System, Band 1, S.  352 ff.; Hellmann, Konkursrecht, S.  373; Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 ff.); Windscheid/Kipp, Pandekten, S.  1020 ff. 157  BGH NZI 2011, 486 (487); BGH NZI 2007, 42 (43); BGHZ 128, 184 (194); BGHZ 106, 127 (129); BGHZ 101, 286 (288); BGHZ 71, 61 (63); BGHZ 22, 128 (134); RGZ 70, 112 (113 ff.); RGZ 58, 44 (47); für die Anfechtung nach dem AnfG: BGHZ 130, 314 (321 f.); BGHZ 100, 36 (42); RGZ 131, 340 (342); RGZ 103, 113 (119 ff.); RGZ 91, 367 (369 f.); RGZ 71, 176 (176). 158  Früher wurde die schuldrechtliche Theorie insbesondere vertreten von Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  10 ff.; Kohler, Leitfaden, S.  138; Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53, 55; Oert­ mann, ZZP 33 (1904), 1 (14, 29); Warneyer, KO, §  29 Anm. II, IV. Heute vertreten die schuldrecht­ liche Theorie noch Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.12 ff.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  26.6; Dauernheim in: FKInsO, §  129 Rn.  6, 9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4, §  143 Rn.  2; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  11, 68; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  238 f.; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  49, 160 f.; Rogge/Leptien in: Ham­ burger Kommentar, InsO, Vorbem. zu §§  129 ff. Rn.  2, §  143 Rn.  2; Sieber, Rechtsnatur der Gläu­ bigeranfechtung, S.  224 ff.; Zeuner, Anfechtung, Rn.  5; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4; Kreft in HK-InsO, §  129 Rn.  71 ff., sieht die Insolvenzanfechtung als „Rechtsinstitut besonderer Art“, kann jedoch wohl dennoch zur schuldrechtlichen Theorie gezählt werden; Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  93 ff., ergänzt die schuldrechtliche Deutung um haf­ tungsrechtliche Komponenten. 159  Paulus, AcP 155 (1956), 277. 160  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  514 ff.; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  9; de Bra in: Braun, InsO, §  129 Rn.  9; Eckardt, Anfechtungsklage, S.  40 ff.; Ger­ hardt, Gläubigeranfechtung, S.  326 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.15; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  23 ff.; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  7 ff.; Kindl, NZG 1998, 321 (324); Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  10; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  31, 37 ff., sieht in der Insolvenzanfechtung ein Rechtsinstitut eigener Art, das von keiner Theo­ rie uneingeschränkt erklärt werden kann. Gleichwohl sind bei Kirchhof deutliche haftungsrecht­ liche Ansätze zu erkennen; für die Einzelgläubigeranfechtung nach dem AnfG: K. Schmidt, JuS 1970, 545 (548); K. Schmidt, JZ 1987, 889 (889). 161  BGHZ 156, 350 (359 ff.); daran anschließend BGHZ 178, 171 (176); BGH NZI 2009, 429 (432). Die Frage, ob damit eine Abkehr von der bisher vertretenen schuldrechtlichen Theorie ein­ hergeht, soll an dieser Stelle nicht untersucht werden. Eingehend mit dieser Thematik hat sich Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  89 ff., befasst.

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

im Gesetzeswortlaut zu rechtfertigen,162 zeigt, wie wenig Wert den gesetzgeberi­ schen Vorgaben beigemessen worden ist.163 Im Ergebnis ist dies auch nicht verwun­ derlich, da es dem Gesetzgeber kaum möglich ist, dogmatische Streitigkeiten letzt­ gültig durch Gesetzesbegründungen zu entscheiden,164 wenn der zugehörige Geset­ zeswortlaut nicht eindeutig ist. Die Lösung dogmatischer Streitigkeiten ist vorrangige Aufgabe der Rechtswissenschaft,165 die sich hierzu ihrer allgemeinen Auslegungsmethoden zu bedienen hat, wozu in erster Linie die Auslegung des Ge­ setzeswortlauts zählt.166 Da die damaligen Vertreter der schuldrechtlichen Theorie den Fokus insbesondere auf den Wortlaut von §  37 S.  1 KO zur Begründung ihrer Ansicht gerichtet haben und zudem auch Passagen in den Gesetzesmaterialien zu finden waren, welche eine schuldrechtliche Deutung zuließen, kann ihnen diesbe­ züglich nicht den Vorwurf gemacht werden, dogmatisch unsauber zu arbeiten. Im Umkehrschluss ist es jedoch insbesondere aus schuldrechtlicher Sicht nicht angebracht, nach Wegfall der Wörter „als den Konkursgläubigern gegenüber un­ wirksam“ und unter Verweis auf entsprechende Äußerungen in den Gesetzesmate­ rialien zur Insolvenzordnung, der dinglichen Einordnung im Sinne einer Unwirk­ samkeitsfolge eine generelle Unvertretbarkeit zu attestieren. Dies ist zumal deshalb unlauter, weil es in der Begründung des letztlich entscheidenden167 Regierungsent­ wurfs heißt, dass sich hierdurch „eine weitergehende Stellungnahme zum Streit um die dogmatische Einordnung der Anfechtung […]“ nicht ergibt.168 Der geänderte Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO und insbesondere die Abkehr von der Ausschlussfrist in §  41 KO hin zur Verjährungsregelung in §  146 Abs.  1 InsO vermögen zwar möglicherweise einer dinglichen Wirkung gerade aufgrund eines ausgeübten Gestaltungsrechts widersprechen, da Anklänge im Gesetzeswortlaut, die auf eine Verwandtschaft zum Gestaltungsrecht der zivilrechtlichen Anfechtung hindeuten, gestrichen worden sind.169 Zudem führt der Wegfall der Ausschlussfrist auch zwingend zum Wegfall eines Gestaltungsrechts. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung nicht auf andere Art und Weise dogmatisch zu begründen wäre, da insoweit der Gesetzeswortlaut keine 162 

Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  105. Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  105; so auch Weber, KTS 1961, 49 (52). 164  Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  76, meint sogar, dass dogmatische Prämis­ sen und Einordnungen durch den Gesetzgeber bei der Bildung eines dogmatischen Konzepts durch die Wissenschaft keine maßgebliche Rolle spielen. 165  So auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  74, 76. 166  BVerfGE 105, 135 (167); BVerfGE 11, 126 (130 f.); BVerfGE 1, 299 (312); Honsell in: Stau­ dinger, BGB, Einl zum BGB, Rn.  139 ff. 167  So auch Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  196: Diskussions- und Referentenent­ wurf haben hinsichtlich der dogmatischen Festlegung kein großes Gewicht. 168  BT-Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  337; Gerhardt, FS Brandner, S.  605 (607), spricht deshalb auch von einem „Neutralitätsgebot“ gegenüber dem Theorienstreit; a. A.: Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  65; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  67 ff. 169  So auch Gerhardt, FS Brandner, S.  605 (607). 163 

III.  Bewertung im Wege der Gesetzesauslegung

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Vorgaben enthält. Alleine die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen sind nicht mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen.170 Deshalb ist ein vorzeiti­ ger Ausschluss dieser Theorie aus dem Bündel vertretbarer Möglichkeiten aufgrund des Wortlauts von §  129 Abs.  1 InsO und den dazugehörigen Gesetzesmaterialien nicht angezeigt. Der Gesetzgeber stellt durch gesetzliche Regelungen Wertungen für bestimmte Fälle auf, die von der Rechtswissenschaft im Sinne einer dogmatischen Einordnung systematisiert werden müssen, um für zukünftige, vom Gesetzgeber ursprünglich nicht bedachte aber ähnlich gelagerte Fälle eine interessengerechte Lösung zu fin­ den.171 Der Gesetzgeber kann auf eine solche dogmatische Systematisierung nur durch klare gesetzliche Vorgaben einwirken. Die Gesetzesmaterialien können nur unterstützend herangezogen werden.172 Das ist sinnvollerweise nur dann möglich, wenn die zugrunde liegenden Gesetzesmaterialien in ihren Aussagen selbst eindeu­ tig sind, was bei der Insolvenzanfechtung jedoch nicht der Fall ist. Der Gegenstand einer jeden dogmatischen Einordnung ist das Gesetz selbst, nicht aber der in den Materialien niedergelegte historische Wille des Gesetzgebers.173 Im Gegenteil wäre es kontraproduktiv, wenn unklare und widersprüchliche Aussagen des Gesetzge­ bers in den Gesetzesmaterialien dazu verwendet werden würden, eine aus Norm­ zweckgesichtspunkten begründbare und in ihren Rechtsfolgen vernünftige dogma­ tische Einordnung des Rechts zu behindern oder zu verhindern. Ein anschauliches Beispiel für den nicht zu hoch zu veranschlagenden Wert ge­ setzgeberischer Vorgaben in Gestalt von Gesetzesmaterialien liefert Sieber174 mit der Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesell­ schaft:175 Die BGB-Gesellschaft ist sowohl nach den gesetzlichen Regelungen als auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von 1900 als reines Schuldverhältnis zwischen den Gesellschaftern ausgestaltet.176 Nichtsdestotrotz ist die Rechtsfähig­ keit der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts mittlerweile allgemein anerkannt.177 170 

Kreft, FS Gerhardt, S.  515 (518); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  73. Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  74 f. 172  BVerfGE 11, 126 (130 f.); BVerfGE 1, 299 (312); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfech­ tung, S.  73 f. 173  BVerfGE 11, 126 (130 f.); BVerfGE 1, 299 (312); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfech­ tung, S.  74. 174  Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  75 f. 175  BGHZ 146, 341 (343 ff.). 176  Motive, Mugdan, Band 2, S.  330 ff.; siehe auch Habermeier in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  705–740, Rn.  9; K. Schmidt, NJW 2001, 993 (994); Stürner in: Jauernig, BGB, §  705 Rn.  1; Ul­ mer/Schäfer in: MüKo-BGB, §  705 Rn.  296; Westermann, NZG 2001, 289 (291). 177  BGHZ 146, 341 (343 ff.), hat diese damals schon weitgehend herrschende Meinung zum Inhalt der Rechtsprechung gemacht; das Urteil wird weithin begrüßt, so unter anderem von Haber­ meier in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  705–740, Rn.  9; K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1003); Schöne in: BeckOK-BGB, §  705 Rn.  142; Ulmer/Schäfer in: MüKo-BGB, §  705 Rn.  302; Wester­ mann, NZG 2001, 289 (295); kritisch hingegen Stürner in: Jauernig, BGB, §  705 Rn.  1, der einen „verfassungsrechtlich bedenklichen Akt richterlicher Rechtsfortbildung contra legem“ erkennt. 171 

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§  3  Einfluss der Insolvenzanfechtung auf anfechtbare Rechtshandlungen

Zwar wendet Koss ein, dass mit dem Wegfall der Ausschlussfrist alle dinglichen Implikationen entfallen seien,178 allerdings kann dies in dieser Deutlichkeit ohne eingehendere Prüfung nicht bestätigt werden. Man wird sich somit auch weiterhin mit der Möglichkeit der dinglichen Unwirksamkeit auseinanderzusetzen haben, freilich unter der Prämisse, dass nicht andere Gründe entgegenstehen. Der Geset­ zeswortlaut sowie die rechtshistorische Entwicklung von §  129 Abs.  1 InsO sind jedenfalls keine tauglichen Werkzeuge um einer Unvertretbarkeit dinglicher Theo­ rien von vornherein das Wort zu reden. So stellt auch Gerhardt fest, „[…] dass auf der Grundlage der InsO der Theorienstreit zur Rechtsnatur des Anfechtungsrechts nicht legislatorisch geklärt und damit beendet worden ist“.179

178  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  80; ähnlich Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  238. 179  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1675 f.).

§  4  Untersuchung vergleichbarer zivilrechtlicher Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche Die vorstehende Untersuchung konnte die Frage um die Auswirkungen der Insol­ venzanfechtung auf die anfechtbare Rechtshandlung nicht beantworten. Möglich­ weise kann aber ein anderer Ansatz zu einer Lösung beitragen. Diese Herangehens­ weise soll aufgrund des materiell-rechtlichen Gehalts der Insolvenzanfechtung1 von einem Blickwinkel aus erfolgen, der zivilrechtlichen Prinzipien verpflichtet ist. Hierzu ist zunächst die Rechtsfolgennorm des Insolvenzanfechtungsrechts, §  143 InsO, in den Blick zu nehmen, die in Absatz 1 Satz  1 Folgendes bestimmt: „Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, wegge­ geben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.“

I.  Primäre Rückgewähr-, Rückgabe und Herausgabeansprüche als Untersuchungsgegenstände 1.  Rückgängigmachung einer Vermögensverschiebung als gemeinsame Zielsetzung §  143 Abs.  1 S.  1 InsO gibt somit vor, dass das durch eine anfechtbare Rechtshand­ lung aus dem Vermögen des Schuldners an den Anfechtungsgegner Gelangte zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden muss. Durch die Verwendung der Worte „veräußert“, „weggegeben“ und „aufgegeben“ wird zusätzlich verdeutlicht, dass der zum Anfechtungsgegner gelangte Gegenstand oder das zum Anfechtungsgegner gelangte Recht zuvor im Vermögen des Insolvenzschuldners gestanden haben muss. Nicht anfechtbar und damit Gegenstand der Insolvenzanfechtung kann infolgedes­ sen die Unterlassung eines Erwerbs, mithin die Nichtrealisierung von Erwerbschan­ cen, sein.2 Hier passt die Rechtsfolge der Rückgewähr nicht, denn was niemals im

1 

Siehe S.  4 ff. BGH NZI 2007, 403 (404); Ehricke in: Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts, Kap.  3 Rn.  17; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  24; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  121; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  26; Zeuner, Anfechtung, Rn.  47; a. A.: Windel, KTS 1995, 367 (385 ff.; 408). 2 

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Vermögen des Insolvenzschuldners gestanden hat, kann auch nicht an die Insol­ venzmasse zurückgewährt werden. Es erscheint somit zur Untersuchung der genauen Wirkungsweise der von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO angeordneten Rückgewähr angebracht, den Blick auf diejenigen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu richten, welche ebenfalls eine Rückge­ währ zur Folge haben. Hierbei werden nicht nur diejenigen Normen berücksichtigt, deren Rechtsfolge auf eine Rückgewähr im engen Wortlautsinn gerichtet ist, wie dies bei dem Anspruch aus §  346 Abs.  1 BGB der Fall ist. Vielmehr werden auch Rückgabe- und Herausgabeansprüche, die eine Rückkehr zur vormaligen Vermö­ genszuordnung zum Ziel haben, untersucht. Dies sind unter anderem die bereiche­ rungsrechtlichen Herausgabeansprüche aus §§  812 ff. BGB sowie der dingliche He­ rausgabeanspruch aus §  985 BGB. Die Unterscheidung im Wortlaut zwischen Rück­ gewähr, Rückgabe und Herausgabe ist nicht dazu geeignet, eine Eingrenzung nur auf Rückgewähransprüche im strengen Sinne zu rechtfertigen. Unabhängig von der Wortlautunterscheidung haben sowohl Rückgewähransprüche als auch Rückgabe- und Herausgabeansprüche eine gemeinsame Zielsetzung. Es soll jeweils eine Ver­ mögensverschiebung dadurch rückgängig gemacht werden, dass das aus dem Ver­ mögen des Anspruchsinhabers Geschiedene durch eine Rückführung wieder des­ sen Vermögen einverleibt wird. Diese Zielsetzung verbindet die zu untersuchenden Anspruchsgrundlagen mit der Insolvenzanfechtung.

2.  Eingrenzung der Untersuchung auf Primäransprüche Vergleichsnormen zu §  143 Abs.  1 S.  1 InsO können hierbei jedoch nur primäre Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche sein. Das sind solche Ansprü­ che, die unmittelbar auf die Rückführung des aus dem Vermögen ausgeschiedenen Gegenstands selbst gerichtet sind. Sekundäre Wertersatzansprüche als Folge sol­ cher Ansprüche stellen demgegenüber keine tauglichen Vergleichsnormen dar. Sie setzen einen bereits bestehenden Anspruch auf Rückgewähr, Rückgabe oder Her­ ausgabe voraus, wobei das Schicksal der rechtlichen Handlung bereits im Rahmen des primären Rückführungsanspruchs entschieden ist. Das zeigt sich auch im Rahmen der Insolvenzanfechtung: Der sekundäre Ersatz­ anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO, der einen schuldrechtlichen Schadensersatzan­ spruch darstellt,3 setzt das grundsätzliche Bestehen des anfechtungsrechtlichen Primäranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO voraus.4 Ebenso ist dies bei den zu prüfenden zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. So setzt die Wertersatzpflicht ge­ 3  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  17, 23; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  107 ff.; Jaco­ by in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  59; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  20; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  57. 4  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  105, 110; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  59; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  15.

II.  Potentieller Einwand gegen einen Vergleich

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mäß §  346 Abs.  2 BGB den Rückgewähranspruch aus §  346 Abs.  1 BGB voraus. Gleich verhält es sich mit §  818 Abs.  2 BGB, der einen Kondiktionsanspruch aus §§  812 ff. BGB voraussetzt. Die Frage, inwiefern die Wirksamkeit der einer Vermö­ gensverschiebung zugrunde liegenden Rechtshandlung im Zusammenhang mit dem Primäranspruch zu beurteilen ist, ist an dieser Stelle jedoch schon entschieden. Se­ kundäransprüche können daher zur Beantwortung dieser Frage nicht fruchtbar ge­ macht werden.

3. Zwischenergebnis Als Vergleichsnormen kommen somit nur die Vorschriften bezüglich primärer Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche in Betracht, die zum Ziel ha­ ben, einen aus dem Vermögen des Anspruchsstellers in das Vermögen des An­ spruchsgegners gelangten Gegenstand selbst zurückzuführen. Die Untersuchung dieser Normen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann mögli­ cherweise aufzeigen, welches Schicksal die einer Vermögensübertragung zugrunde liegende Rechtshandlung nehmen muss, damit eine Rückführung des Gegenstandes in das Vermögen des vormaligen Inhabers gerechtfertigt ist. Wenn hier ein eindeu­ tiges Ergebnis gefunden wird, kann das Rückschlüsse auf die Wirkungsweise der Insolvenzanfechtung in Bezug auf die angefochtene rechtliche Handlung zulassen.

II.  Potentieller Einwand gegen einen Vergleich aufgrund der Möglichkeit der Anfechtung bloßer Schuldbegründungen Wenn man die klassischen Fälle betrachtet, die zu einer Gläubigerbenachteiligung führen und denen mithilfe der Rückgewährfolge der Insolvenzanfechtung begegnet werden soll, so werden in der Kommentarliteratur vor allem die Folgenden behan­ delt: Anfechtbare Übertragung von Sachen und Rechten,5 anfechtbare Belastung von Gegenständen und Rechten6 sowie anfechtbare Aufgabe und Aufhebung von Rechten.7 Diese Arten von Rechtshandlungen, denen allesamt eine Güterübertra­ gung oder Güteraufgabe zugrunde liegt, lassen sich problemlos unter die in §  143 Abs.  1 S.  1 InsO verwendeten Begriffe „veräußert“, „weggegeben“ und „aufgege­ ben“ subsumieren.

5  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6 ff.; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  187 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52 ff.; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  28 ff. 6  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  5; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  206 f.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  69 ff.; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  43 ff. 7  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  9 f.; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  203; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  41 ff.; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  46 ff.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Man könnte dem beschriebenen Vergleich aber entgegenhalten, dass von der In­ solvenzanfechtung auch bloße Schuldbegründungen, das heißt gläubigerschädigen­ de schuldrechtliche Vertragsabschlüsse ohne nachfolgenden Übertragungs-, Belas­ tungs- oder Aufhebungsakt, betroffen sind. Man denke in diesem Zusammenhang nur an §  132 Abs.  1 InsO. In diesem Fall erscheint eine auf Rückgewähr gerichtete Rechtsfolge wie die von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht recht passend zu sein. Alleine durch den Abschluss eines die Masse belastenden schuldrechtlichen Vertrages fin­ det noch kein direkter Vermögensabfluss statt, der zurückzugewähren wäre. Man könnte deshalb einwenden, dass ein Vergleich mit zivilrechtlichen Rückgewähr-, Rückgabe und Herausgabeansprüchen nicht zielführend sein könne, da nicht in je­ dem Fall einer anfechtbaren Rechtshandlung etwas aus dem Vermögen des Schuld­ ners „veräußert“, „weggeben“ oder „aufgegeben“ werde. Gerade im Fall der An­ fechtung eines schuldrechtlichen Vertrages sei dies nicht der Fall.8 Diesem Einwand kann jedoch widersprochen werden: In der Literatur ist man sich weitgehend einig, dass bei anfechtbaren Schuldbegründungen die Rechtsfolge einer Rückgewähr generell nicht angebracht erscheint und die Lösungsmöglichkei­ ten somit dogmatisch nicht unbedingt mit dem Wortlaut von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO kompatibel sind.9 Diese Fallgruppe passt sich dementsprechend nicht oder zumin­ dest konstruktiv nur sehr schwierig in das Rückgewährsystem des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ein.10 Wenn aber das gesetzlich angeordnete Rechtsfolgensystem des Insol­ venzanfechtungsrechts an dieser Stelle per se nicht recht schlüssig ist, lässt sich dieser konstruktive Makel nicht als Argument gegen den Versuch einer Kategorisie­ rung im Sinne eines Vergleichs mit zivilrechtlichen Vorschriften anbringen. Nur weil das System insgesamt nicht an allen Stellen stimmig ist, darf man die größten Unstimmigkeiten nicht dazu verwenden, um eine mögliche Systematisierung von vornherein zu verhindern.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückga­ be- und Herausgabeansprüche eine Rückführung des betreffenden Gegenstandes an den vormaligen Eigentümer, Besitzer oder Rechteinhaber anordnen. 8 

Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  675. Henckel in: Jaeger, InsO, §  143, Rn.  37; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  154 f.; Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  675, schlägt hier eine analoge Anwendung von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO vor. 10  So auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  155. Erstaunlich ist, dass diese dogmatischen Schwierigkeiten bisweilen überhaupt nicht erwähnt werden und wie selbstverständ­ lich von einer (wie auch immer gearteten) Rückgewähr ausgegangen wird, so etwa Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  5; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  34, §  143 Rn.  54 f.; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  4. 9 

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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Im Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuchs führen bestimmte Rechtshandlungen zu einer Vermögensverschiebung. Diese Rechtshandlungen können unterschiedli­ cher Natur sein, umfassen aber wie im Bereich der Insolvenzanfechtung auch ins­ besondere Verfügungs- oder Verpflichtungsgeschäfte sowie Realakte. Es stellt sich die Frage, ob die durch diese Rechtshandlungen herbeigeführte Vermögenzuord­ nung auch dann beständig ist, wenn den Rechtshandlungen ein Wirksamkeitsman­ gel innewohnt. Gegenstand der Untersuchung bildet deshalb die Wirksamkeit der jeweiligen rechtlichen Grundlage, die der durch die entsprechende Anspruchsgrundlage zu ne­ gierenden Vermögensverschiebung zugrunde liegt. Abhängig von den Tatbestands­ merkmalen der jeweiligen Anspruchsgrundlage können diese rechtlichen Grundla­ gen ein zweiseitiger Vertrag oder nur eine einseitige rechtliche Handlung im Sinne einer Willenserklärung oder tatsächlichen Handlung sein. Um den Bezug zur Insol­ venzanfechtung nicht aus den Augen zu verlieren, werden die rechtlichen Grundla­ gen, auf denen die Vermögensverschiebungen basieren, als „Rechtshandlungen“ bezeichnet, obwohl diese Terminologie bei der gewöhnlichen Auseinandersetzung mit diesen Anspruchsgrundlagen nicht verwendet wird. Um die gewohnte zivilrechtliche Ordnung zu beachten, wird bei der Untersu­ chung nach vertraglichen Rückgewähr- beziehunsgweise Rückgabeansprüchen, Herausgabeansprüchen aus Auftrag sowie aus Geschäftsführung ohne Auftrag, dinglichen Herausgabeansprüchen und Herausgabeansprüchen aus ungerechtfertig­ ter Bereicherung differenziert.

1.  Vertragliche Rückgewähr- und Rückgabeansprüche Bei den vertraglichen Rückgewähr- und Rückgabeansprüchen ist zwischen denjeni­ gen Anspruchsgrundlagen zu unterscheiden, die eine Rückabwicklung von Verträ­ gen nach Zeitablauf oder Kündigung behandeln und solchen, die eine Rückabwick­ lung von Verträgen aufgrund von Rücktritt oder Widerruf regeln. a)  Rückgabe nach Beendigung von Dauerschuldverhältnissen Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind mit dem Mietvertrag (§§  535 ff. BGB), dem Pacht­ vertrag (§§  581 ff. BGB) und dem Leihvertrag (§§  598 ff. BGB) mehrere Arten von sogenannten Gestattungsverträgen geregelt, die die Vornahme einer an sich verbo­ tenen Tätigkeit, den zeitweisen Gebrauch einer fremden Sache, erlauben.11 Diese Vertragsarten sind als Dauerschuldverhältnisse12 ausgestaltet und dadurch geprägt, 11 

Emmerich in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §  535 Rn.  30. Für den Mietvertrag: Emmerich in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §  535 Rn.  17; Gaier in: MüKo-BGB, §  314 Rn.  6; für den Pachtvertrag: Gaier in: MüKo-BGB, §  314 Rn.  6; Schaub in: Staudinger, BGB, §  581 Rn.  2; Für den Leihvertrag: Gaier in: MüKo-BGB, §  314 Rn.  6. 12 

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

dass während ihrer Laufzeit ständig neue Leistungs-, Nebenleistungs- und Rück­ sichtsnahmepflichten entstehen und diese Verhältnisse zeitlich nicht begrenzt sind.13 Die durch diese Verträge intendierte Nutzungsgestattung geht mit einer Besitzüber­ tragung an der betroffenen Sache einher. Der Verbleib des Besitzes an der Sache im Vermögen des „nehmenden“ Vertragsteils wird durch den Bestand des Vertrages gerechtfertigt. Man kann das Dauerschuldverhältnis daher als diejenige Rechts­ handlung einordnen, die der Besitzübertragung rechtfertigend zugrunde liegt. Um eine dauerhafte Inbesitzhaltung zu vermeiden und eine Beendigung des Ver­ tragsverhältnisses zu ermöglichen, wird eine zeitliche Begrenzung des Vertrages durch die Parteien entweder mittels Befristung, Kündigung oder Aufhebungsver­ trag gesetzt.14 Eine Besonderheit ist dabei im Recht des Leihvertrages zu beachten, bei dem das Leihverhältnis auch dann endet, wenn der Leihzweck erfüllt worden ist (§  604 Abs.  2 S.  1 BGB). Die Erfüllung des Leihzwecks ist somit dem Ablauf der Leihzeit hinsichtlich der Beendigung des Leihverhältnisses gleichgestellt. Für den Fall der Vertragsbeendigung sehen das Mietvertragsrecht in §  546 BGB, das Pachtvertragsrecht in §§  581 Abs.  2, 546 BGB und das Leihvertragsrecht in §  604 BGB jeweils Regelungen vor, die eine Rückgabe der Sache vom „nehmenden“ Vertragsteil an den „gebenden“ Vertragspartner anordnen. Da bei allen drei Vertragsarten keine dauerhafte Güterübertragung beabsichtigt ist, stellt die Anordnung einer Rückgabepflicht eine juristische und wirtschaftliche Notwendigkeit dar. Wie man jedoch aus den gesetzlichen Regelungen ersehen kann, tritt die Rückgabepflicht nicht ohne besonderen Anlass ein. Vielmehr muss das zu­ grunde liegende Dauerschuldverhältnis tatsächlich beendet worden sein, um ein Ende der auf Zeit angelegten Gebrauchsüberlassung und die hiermit erneut einher­ gehende Änderung in der Vermögenszuordnung zu rechtfertigen.15 Das durch die Willenserklärungen der Parteien zustande gekommene Vertragsverhältnis darf als solches nicht mehr existieren. Andernfalls würde eine Wiederinbesitznahme durch den „gebenden“ Vertragsteil eine Vertragsverletzung und eine zum Schadensersatz führende unerlaubte Handlung im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB darstellen.16 Nur die Beendigung und die damit eintretende Wirkungslosigkeit des Vertragsverhält­ nisses führen zu einer Legitimation des Eingriffs in die bestehende Vermögenszu­ ordnung durch die Rechtsfolge der Rückgabe. Man kann also konstatieren: Erst die Beendigung des Dauerschuldverhältnisses und seine damit eintretende Unwirksam­ keit führen zur Entstehung des Rückgabeanspruchs. Das Dauerschuldverhältnis als die der zeitweisen Besitzübertragung zugrunde liegende und diese rechtfertigende 13  Gaier in: MüKo-BGB, §  314 Rn.  6; Olzen in: Staudinger, BGB, §  241 Rn.  362; grundsätzlich zu den Dauerschuldverhältnissen v. Gierke, Jherings Jahrbuch 64 (1914), 355. 14  Olzen in: Staudinger, BGB, §  241 Rn.  352. 15  Für den Mietvertrag: Bieber in: MüKo-BGB, §  546 Rn.  1, 14 ff.; Rolf in: Staudinger, BGB, §  546 Rn.  3, 6; für den Pachtvertrag: Schaub in: Staudinger, BGB, §  581 Rn.  328; für den Leihver­ trag: Häublein in: MüKo-BGB, §  604 Rn.  1; Reuter in: Staudinger, BGB, §  604 Rn.  3. 16  Ausführlich zum Schutz des Besitzers im Rahmen von §  823 Abs.  1 BGB siehe Wagner in: MüKo-BGB, §  823 Rn.  220 ff.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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„Rechtshandlung“ muss folglich durch Beendigung unwirksam werden, damit eine Rückgabe gemäß §§  546, 604 BGB gerechtfertigt ist. b)  Rückabwicklung aufgrund von Rücktritt und Widerruf Erfolgt ein endgültiger Leistungsaustausch aufgrund eines verpflichtenden Vertra­ ges, stellt der verpflichtende Vertrag die Rechtfertigung für die dauerhafte Neuord­ nung in der Vermögenszuordnung dar. Der verpflichtende Vertrag ist damit die rechtfertigende „Rechtshandlung“ für diese Zuordnung. Durch einen Rücktritt vom Vertrag soll indes die vor dem Leistungsaustausch bestehende Rechtslage wiederhergestellt werden,17 weshalb §  346 Abs.  1 BGB für den Fall des Rücktritts einen Rückgewähranspruch hinsichtlich bereits ausge­ tauschter Leistungen anordnet. Der Rücktritt vom Vertrag erfolgt gemäß §  349 BGB durch eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung des Rücktrittsbe­ rechtigten gegenüber dem anderen Teil. Das erklärt, dass es sich bei einem Rück­ tritt nicht um einen Anspruch im Sinne von §  194 Abs.  1 BGB handelt, sondern um ein Gestaltungsrecht.18 Der aus dem Gestaltungsrecht „Rücktritt“ resultierende Rückgewähranspruch ist in §  346 Abs.  1 BGB normiert und statuiert für den Fall der Ausübung eines gesetzlichen oder vertraglichen Rücktrittsrechts die Pflicht der Vertragsparteien, die Leistungen, die aufgrund des Vertrages empfangen wurden, zurückzugewähren. Die Rückgewährpflicht stellt eine lediglich obligatorisch wir­ kende Pflicht dar. Eine dingliche Wirkung dergestalt, dass die dem Leistungsaus­ tausch zugrunde liegenden Verfügungen unwirksam werden, besteht dagegen nicht.19 Im Gegensatz zur dargestellten Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen durch Zeitablauf und Kündigung ist der Anspruch aus §  346 Abs.  1 BGB nicht die Folge einer Beendigung des Vertragsverhältnisses als solchem. Nach heute ganz herrschender Meinung vernichtet der Rücktritt den Vertrag nicht im Sinne einer extunc-Wirkung,20 wie dies früher vertreten worden ist21 mit der Folge, dass die §§  346 ff. BGB als Sondervorschriften zu §§  812 ff. BGB aufgefasst wurden.22 17  BGHZ 174, 290 (293); Kaiser in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  1; Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  1. 18  Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  8; Kaiser in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  2, §  346 Rn.  1. 19  Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6; Kaiser in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  1, §  346 Rn.  70. 20  BGHZ 174, 290 (293); Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  35; Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  69; so auch der Gesetzentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S.  191, abgedruckt in: SchmidtRäntsch/Maifeld/Meier-Göring/Röcken, Das neue Schuldrecht, S.  374. 21  RGZ 107, 345 (348); RGZ 50, 255 (266 f.); Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, §  38 II; Siber in: Planck, Vorbm. §  346 Anm.  1 b. 22  Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, §  38 II 1; Siber in: Planck, Vor §  346 Anm.  1 b; Schwenn, AcP 152 (1952–1953), 138 (149); neuerdings sieht Lobinger in: Soergel, BGB, Vor §  346

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Auch eine Aufhebung des Vertrages mit ex-nunc-Wirkung ist nicht Folge des Rück­ tritts.23 Vielmehr ist Grundlage des Rückgewähranspruchs aus §  346 Abs.  1 BGB eine inhaltliche Veränderung des Vertrages. Diese vollzieht sich dergestalt, dass die primären Leistungspflichten des Vertrages ex nunc durch die Rücktrittserklärung entfallen und gleichzeitig eine Verwandlung des Vertrages in ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis stattfindet, aufgrund dessen die erbrachten Leistun­ gen zurückzugewähren sind.24 Um in der Sprache der Insolvenzanfechtung zu bleiben: Die „Rechtshandlung“, etwa ein Kaufvertrag zwischen den Parteien, der als Causa dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, und welcher gemäß §  346 Abs.  1 BGB rückgängig gemacht werden soll, bleibt im Falle des Rücktritts grundsätzlich wirksam bestehen. Um jedoch das Ziel des Rücktritts, die Wiederherstellung des „status quo ante contractum“25 im Sinne einer Rückkehr zu dem Zustand, der ohne diese Rechtshandlung bestanden hätte,26 zu rechtfertigen, kann die Rechtshandlung nicht unverändert bestehen blei­ ben. Wäre das der Fall, würde also das Vertragsverhältnis trotz Rücktritts unverän­ dert bestehen bleiben, hätte dieses Verhältnis nach wie vor rechtfertigende Kraft hinsichtlich des Leistungsaustausches, was der Rechtsfolge Rückgewähr entgegen­ stehen würde. So wird ersichtlich, dass eine Einwirkung auf die „rechtliche Hand­ lung“ in Form des schuldrechtlichen Vertrages, der dem Leistungsaustausch seine Causa gibt, notwendig ist. Diese Einwirkung wird im Falle des Rücktritts durch die Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis vollzogen. Nur durch eine Transformation des die derzeitige Vermögenszuordnung rechtfertigen­ den Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis kann eine Rückgewähr der emp­ fangenen Leistungen legitimiert werden. Für den Fall des Widerrufs bestimmt §  357 Abs.  1 BGB n. F., dass die empfange­ nen Leistungen spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren sind. In §  357 Abs.  1 S.  1 BGB a. F. wurde noch explizit auf die Vorschriften über den gesetzlichen Rück­ tritt und damit auch auf §  346 Abs.  1 BGB verwiesen. Das bedeutet, dass nach alter Gesetzeslage hinsichtlich eines aufgrund eines Verbrauchervertrages durchgeführ­ ten Leistungsaustauschs die Rückgewährrechtsfolge des §  346 Abs.  1 BGB im Falle Rn.  19, bei gesetzlichen Rücktrittsrechten, die mit einer Leistungsstörung zusammenhängen, eine Leistung „sine causa“ und den Rückgewähranspruch „[…] nicht nur formal als Kondiktionsan­ spruch im Sinne von §  812 Abs.  1 Satz  2 Fall 1 […]“. Hierzu auch Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  69. 23  Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  69. 24  BGHZ 174, 290 (293); Gaier in: MüKo-BGB, §  346 Rn.  15; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  69; Röthel in: Erman, BGB, Vor §§  346–354 Rn.  1; der Gesetzentwurf zum Schuld­ rechtsmodernisierungsgesetz spricht an einer Stelle auch von einem „Abwicklungsverhältnis mit vertraglicher Grundlage“, BT-Drucks. 14/6040, S.  191, abgedruckt in: Schmidt-Räntsch/Maifeld/ Meier-Göring/Röcken, Das neue Schuldrecht, S.  374.; ähnlich Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6; Stürner/Medicus in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, Vorbem. vor §§  346 ff. Rn.  1. 25  Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  1; kritisch hierzu Lobinger in: Soergel, BGB, Vor §  346 Rn.  18. 26  BGHZ 81, 298 (307); Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  5.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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eines erfolgten Widerrufs eintrat. Die Rechtsfolge war somit die gleiche wie beim Rücktritt, weshalb sich auch hier der Verbrauchervertrag in ein Rückgewährschuld­ verhältnis umwandelte.27 Was die Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewähr­ schuldverhältnis als Rechtfertigung der Rückgewähr der ausgetauschten Leistungen anbelangt, ergibt sich indes durch die Neufassung der Widerrufsrechtsfolgen 28 kein Unterschied zur früheren Rechtslage. Nach wie vor wandelt sich der widerrufene Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis um.29 Es lässt sich somit für die Rückgewährfolge aus §  346 Abs.  1 BGB im Falle des Rücktritts sowie für diejenige aus §  357 Abs.  1 BGB im Falle des Widerrufs ab­ schließend feststellen: Die Rückkehr zur Vermögenszuordnung, wie sie vor dem Leistungsaustausch herrschte, ist nur gerechtfertigt, wenn das rechtfertigende Ver­ tragsverhältnis seine ursprüngliche Natur verändert und zu einem Rückgewähr­ schuldverhältnis umgewandelt wird. Auch in diesem Fall der Rückgewähr bleibt die der Vermögensverschiebung zugrunde liegende „Rechtshandlung“ also nicht unbe­ rührt von dem zur Rechtsfolge führenden Ereignis in Form des Rücktritts oder Wi­ derrufs.

2.  Herausgabeansprüche aus Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag und Geschäftsbesorgung §  667 BGB hält zwei Anspruchsgrundlagen bezüglich einer Herausgabepflicht zu­ lasten des Beauftragten bereit, die durch Verweisungen im Recht der Geschäftsfüh­ rung ohne Auftrag auch den auftragslosen Geschäftsführer trifft (§  681 S.  2 BGB in Verbindung mit §  667 BGB für die berechtigte und unberechtigte30 Geschäftsfüh­ rung ohne Auftrag, §§  687 II S.  2, 681 BGB in Verbindung mit §  667 BGB für die angemaßte Eigengeschäftsführung). Gleiches gilt durch die Verweisung auf §  667 BGB in §  675 Abs.  1 BGB für den Geschäftsführer bei einer entgeltlichen Ge­ schäftsbesorgung: „Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auf­ trags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.“

27  BGHZ 189, 196 (206); BGH NJW 2011, 1063 (1064); BGHZ 180, 123 (131); Kaiser in: Stau­ dinger, BGB, §  357 Rn.  5. 28  Die Widerrufsfolgen wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechtericht­ linie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013 reformiert. 29  Grüneberg in: Palandt, BGB, §  355 Rn.  12; Hönninger in: jurisPK-BGB, §  357 Rn.  11; Koch in: Erman, BGB, §  355 Rn.  5. 30  Die Anwendung von §  667 BGB im Rahmen der unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist nicht unumstritten; siehe Beuthien in: Soergel, BGB, §  681 Rn.  1.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

a)  Vorbemerkung: §  667, 1. Fall BGB als alleinige Vergleichsnorm Wie eingangs beschrieben wurde, bezieht sich die in diesem Abschnitt durchge­ führte Gegenüberstellung des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähran­ spruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO mit zivilrechtlichen Rückgewähr, Rückgabe- und Herausgabeansprüchen aufgrund der Wörter „veräußert, weggegeben oder aufgege­ ben“ in §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nur auf Vorschriften, welche die Rückführung von Vermögenswerten zum Ziel haben, die vormals in der Vermögenssphäre des An­ spruchsinhabers gestanden haben.31 Das ist im Rahmen des Herausgabeanspruchs aus §  667 BGB insofern zu berück­ sichtigen, als dass die Norm zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen hinsichtlich zweier voneinander divergierenden Arten von Vermögenswerten umfasst. Zum ei­ nen ordnet die Vorschrift eine Rückgabe hinsichtlich des zur Auftragserfüllung vom Geschäftsherrn Erhaltenen an, §  667, 1. Fall BGB. Zum anderen ist auch dasje­ nige herauszugeben, was aus der Geschäftsbesorgung erlangt worden ist, §  667, 2. Fall BGB. Die Rückgabepflicht beider Arten von Vermögenswerten resultiert aus der Fremdnützigkeit des Auftrages,32 der Geschäftsbesorgung33 und der Ge­ schäftsführung ohne Auftrag.34 Da der Geschäftsführer das zur Auftragserfüllung Erhaltene ohne eigenes Vermögensinteresse verwaltet, hat er dem Geschäftsherrn alles zurückzugeben, was er für die Ausführung des Auftrages erhalten hat und nicht mehr benötigt.35 Zugleich soll eine Vermögensmehrung, die von dritter Seite erfolgt ist, nicht bei dem Geschäftsführer verbleiben, da die fremdnützig erlangten Vorteile dem Geschäftsherrn gebühren.36 Die Unterscheidung zwischen Vermögenswerten, die einstmals in der Vermö­ genssphäre des Geschäftsherrn standen und diesem zurückgewährt werden sollen, und Vorteilen, die aus der Ausführung des Geschäfts selbst erwachsen sind und dem Geschäftsherrn erstmals zugeführt werden sollen, zeigt, dass sich nur die Her­ ausgabepflicht von ersteren Vermögenswerten, sprich diejenige des §  667, 1. Fall BGB, als eine mit dem Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO vergleich­ bare Norm darstellt. Nur hier geht es darum, dass etwas, das aus dem Vermögen des Geschäftsherrn „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ wurde, in dessen Vermö­ genssphäre zurückgeführt werden soll. Die Pflicht aus §  667, 2. Fall BGB, wonach auch das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben ist, kann demgegen­ über kein Vergleichsmaßstab sein, da es hier im Gegensatz zur Insolvenzanfechtung um eine Anreicherung des Vermögens über den früheren Stand hinaus geht. 31 

Siehe S.  48 f. Beuthien in: Soergel, BGB, §  667 Rn.  1; Martinek in: Staudinger, BGB, §  667 Rn.  1. 33  Benicke in: Soergel, BGB, §  675 Rn.  15; Heermann in: MüKo-BGB, §  675 Rn.  18; Martinek in: Staudinger, BGB, §  675 Rn. A 34. 34  Martinek in: Staudinger, BGB, §  681 Rn.  10. 35  Martinek in: Staudinger, BGB, §  667 Rn.  1. 36  Martinek in: Staudinger, BGB, §  667 Rn.  1. 32 

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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b)  Rechtliche Beschaffenheit des Auftrages/der Geschäftsbesorgung im Zeitpunkt der Entstehung der Herausgabepflicht Der schuldrechtliche Anspruch auf Herausgabe des Erhaltenen entsteht und wird regelmäßig fällig, wenn das Auftragsverhältnis oder die Geschäftsbesorgung been­ det ist.37 Der Beauftragte bedarf dann der erhaltenen Mittel nicht mehr zur Erfül­ lung des Auftrages.38 Auch im Rahmen der Herausgabepflicht des §  667, 1. Fall BGB ist somit zu konstatieren, dass das rechtfertigende Fundament der zwischen­ zeitlichen Vermögensverschiebung, das Auftragsverhältnis, weggefallen ist und erst hierdurch eine Rückkehr zum ursprünglichen Vermögensstand eingeleitet wird. Verschiedentlich wird vertreten, dass bereits vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Auftrages ein Herausgabeverlangen möglich sein soll, etwa wenn der Zweck der Überlassung erreicht oder verfehlt worden ist39 oder wenn ein einzelner Auftrag eines Auftragsverhältnisses erfüllt wurde.40 Das mag gegen die These vom zwin­ genden Wegfall des Vertragsverhältnisses sprechen. Dem ist insofern zuzustim­ men, als dass das Auftragsverhältnis nicht zwingend durch Kündigung oder Wider­ ruf beendet und komplett abgewickelt sein muss. Seiler sieht es so, dass zumindest der Anspruch auf Geschäftsbesorgung aus §  662 BGB als zentrales Element des Auftrages erloschen sein müsse, daneben aber das Auftragsverhältnis noch zum Zwecke der restlichen Abwicklung (man denke an §  670 BGB) bestehen bleiben könne.41 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass die Erreichung des Auftragsziels zum Wegfall der Geschäftsbesorgungspflicht führt. Daneben kann man aber nicht davon sprechen, dass das Auftragsverhältnis weiter bestehen bleibt, bis es zu einer Komplettabwicklung möglicher Folgeansprüche aus §§  667, 670 BGB oder von Schadensersatzansprüchen kommt. Das Auftragsverhältnis erlischt durch die Erfül­ lung oder Zweckerreichung42 und bleibt nicht als leere Hülle zum Zwecke einer Abwicklung möglicher Folgeansprüche bestehen. Dies ist nicht nötig, da möglicher­ weise entstandene Ansprüche aus §§  667, 670 BGB von der Beendigung des Ver­ tragsverhältnisses unberührt bleiben.43 Zudem spricht das Bestehen von §  674 BGB mit seiner Fortbestehensfiktion gegen eine solche Annahme. Es wird deutlich ge­ macht, dass der Auftrag als Ganzes auch in anderer Weise als durch Widerruf, sprich durch die Zweckerreichung, erlöschen kann. Wäre dies anders, hätte es der Norm des §  674 nicht bedurft. Es bleibt damit festzuhalten, dass die Wirksamkeit des Auftrages oder der Ge­ schäftsbesorgung entfallen muss, damit die durch sie gerechtfertigte Überlassung 37  BGHZ 109, 260 (264); Berger in: Erman, BGB, §  667 Rn.  11; Mansel in: Jauernig, BGB, §  667 Rn.  5; Schulze in: Schulze, BGB, §  667 Rn.  4; Seiler in: MüKo-BGB, §  667 Rn.  20. 38  Martinek in: Staudinger, BGB, §  667 Rn.  5. 39  BGH NZI 2005, 681 (681); Fischer in: BeckOK-BGB, §  667 Rn.  4. 40  BGHZ 109, 260 (264); Steffen in: BGB-RGRK, §  667 Rn.  21. 41  Seiler in: MüKo-BGB, §  662 Rn.  63. 42  Berger in: Erman, BGB, §  671 Rn.  6; Sprau in: Palandt, BGB, §  671 Rn.  4. 43  Fischer in: BeckOK-BGB, §  671 Rn.  7.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

eines Vermögensgegenstandes an den Beauftragten respektive Geschäftsführer rückgängig gemacht werden kann.

3.  Bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche Das Bereicherungsrecht der §§  812 ff. BGB dient der „[…] Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen, die nach dem Gesamturteil der Rechtsordnung ‚ohne rechtlichen Grund‘ und daher missbilligt sind.“44 Um dieses Ziel zu erreichen, be­ stimmt §  812 BGB, welcher die zentrale Norm des Bereicherungsrechts darstellt,45 in Absatz 1 Satz  1 Folgendes: „Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.“

Für die in diesem Teil der Arbeit relevante Frage nach dem rechtlichen Schicksal einer Handlung, welche einer rückgängig zu machenden Vermögensverschiebung zugrunde liegt, gibt die Norm den entscheidenden Anhaltspunkt: Die in Frage ste­ hende Vermögensverschiebung muss ohne rechtlichen Grund erfolgt sein, damit eine Herausgabe des vom Bereicherungsschuldner Erlangten gerechtfertigt ist. a)  Vorbemerkung zur Terminologie „Rechtshandlung“ im Rahmen des Bereicherungsrechts Wenn auch an dieser Stelle die Rede ist von einer „Rechtshandlung“, die der Vermö­ gensverschiebung zugrunde liegt, ist Folgendes dabei zu beachten: Im Rahmen des Bereicherungsrechts, insbesondere bei der Leistungskondiktion, geht es nicht um die Unwirksamkeit des dinglichen Vollzugsakts. Der dingliche Akt wie die Eigen­ tumsübertragung gemäß §  929 S.  1 BGB im Rahmen der Erfüllung eines Kaufver­ trages mag rechtlich wirksam sein und dennoch kann es zu einer bereicherungs­ rechtlichen Herausgabepflicht zulasten des neuen Eigentümers der Kaufsache kom­ men, wenn der schuldrechtliche Behaltensgrund, der Kaufvertrag, unwirksam ist. Das liegt daran, dass im Bereicherungsrecht alleine die Wirksamkeit des schuld­ rechtlichen Behaltensgrundes von Interesse ist und die Wirksamkeit der dinglichen Zuordnung, die erst aufgrund dieses Vertrages vorgenommen wurde, nicht von Be­ lang ist. Das Bereicherungsrecht stellt somit das Korrektiv des Abstraktionsprin­ zips auf schuldrechtlicher Ebene dar.46 Ist neben dem Kaufvertrag zusätzlich auch die Übereignung unwirksam, steht neben dem Anspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB auf Herausgabe des Besitzes der Sache der dingliche Herausgabeanspruch aus §  985 BGB, wenn dessen übrige Voraussetzungen erfüllt sind. Beide Ansprüche 44 

Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  3. Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  2. 46  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  2; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  78. 45 

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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stehen sich gleichberechtigt gegenüber, soweit es um die Herausgabe der Sache selbst geht.47 Demgegenüber besteht bei Unwirksamkeit der Übereignung und gleichzeitiger Wirksamkeit des Kaufvertrages dem Grunde nach nur ein Anspruch aus §  985 BGB, auch wenn hier der Käufer möglicherweise die Einwendung des §  986 Abs.  1 BGB geltend machen kann, da er durch den wirksamen Kaufvertrag zum Besitz der Sache berechtigt sein kann.48 Ein Bereicherungsanspruch auf Her­ ausgabe der Sache gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB ist demgegenüber nicht ge­ geben, da der wirksame Kaufvertrag einen rechtlichen Grund für das Behaltendür­ fen darstellt. Ist hier also von einer „der Vermögensverschiebung zugrunde liegenden Rechts­ handlung“ die Rede, ist die den Behaltensgrund schaffende rechtliche Handlung gemeint, nicht jedoch der dingliche Übertragungsakt selbst. b)  Fehlen des rechtlichen Grundes als Rechtfertigung der Herausgabe Das Fehlen des rechtlichen Grundes als begründendes Element für die vorgenom­ mene Vermögensverschiebung ist die Rechtfertigung für den durch das Bereiche­ rungsrecht angeordneten Herausgabeanspruch. Das wird durch den Tatbestand von §  812 Abs.  1 S.  1 BGB klarstellt. Durch das Bereicherungsrecht wurde eine „[…] Ausgleichsordnung für die Fälle geschaffen, in denen jemand etwas ohne rechtli­ chen Grund aus dem Vermögen eines anderen erlangt hat“.49 Die gesetzliche Systematisierung des Bereicherungsrechts in einzelne An­ spruchsgrundlagen folgt dem nachklassischen System und lässt sich in die beiden Gruppen Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion aufteilen.50 Hierbei teilt sich die Leistungskondiktion dem Justinianischen Recht folgend in die ver­ schiedenen Kondiktionsarten der condictio indebiti (Rückforderung einer im ent­ schuldbaren Irrtum über das Bestehen einer Verpflichtung gezahlten Nichtschuld, §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB), condictio ob causam finitam (Rückforderung einer Leistung, deren Rechtsgrund zur Leistungszeit bestand, aber später wegfällt, §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  1 BGB), condictio ob rem (Rückforderung einer Leistung, mit der nicht die Tilgung einer Verbindlichkeit bezweckt wurde, die aber in der Erwartung eines Erfolges erbracht wurde, der dann ausbleibt, §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB) sowie condictio ob turpem vel iniustam causam (Rückforderung des aus sittenwid­ rigem oder verbotenem Grund Geleisteten, §  817 S.  1 BGB) ein.51 Der Nichtleis­ 47  Bassenge in: Palandt, BGB, §  985 Rn.  1; Gursky in: Staudinger, BGB, §  985 Rn.  35; Wende­ horst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  75. 48  Baldus in: MüKo-BGB, §  986 Rn.  23; Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  986 Rn.  7; Gursky in: Staudinger, BGB, §  986 Rn.  14. 49  Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  812 ff. Rn.  1. 50  Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §  812 ff. Rn.  2. 51  Zu weitergehenden Ausführungen siehe Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §  812 ff. Rn.  2.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

tungskondiktion gehören die Herausgabeansprüche des §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB sowie des §  816 BGB an. aa)  Situation bei der condictio indebiti und der condictio ob causam finitam Die der Leistungskondiktion zuzuordnenden Tatbestände der condictio indebiti (812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB) sowie condictio ob causam finitam (§  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  1 BGB) haben die Gemeinsamkeit, dass der rechtliche Grund für das Behalten­ dürfen der Leistung fehlt.52 Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass nach dem Wortlaut die Leistung „ohne rechtlichen Grund“ erbracht worden sein muss oder dieser rechtliche Grund später weggefallen sein muss. Der rechtliche Grund als Recht auf den Empfang und das Behaltendürfen der Leistung besteht im Rahmen der condictio indebiti und der condictio ob causam finitam in einem kausalen Schuldverhältnis.53 Diese Leistungskondiktionen, die im rechtsgeschäftlichen Zu­ sammenhang auftreten54 und der Restitution fehlgeschlagener Güterbewegungen dienen,55 haben zum Zweck, gescheiterte Verträge rückabzuwickeln und andere Leistungen, für die überhaupt keine schuldrechtliche Grundlage bestand (Zuviel­ leistungen, Leistung an den falschen Empfänger), an den Leistenden zurückzufüh­ ren.56 Es mangelt damit an einer die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Rechtshandlung im Sinne eines kausalen Schuldverhältnisses. Überwiegend wird dieses sogenannte objektive Rechtgrundverständnis vertre­ ten.57 Das subjektive Rechtsgrundverständnis, welches als Rechtsgrund nicht das schuldrechtliche Kausalverhältnis als solches versteht, sondern vielmehr die mit der Leistung verbundene Zweckbestimmung,58 erscheint demgegenüber nicht über­ zeugend.59 Ein solches Verständnis entfernt sich zu weit vom gesetzlichen Sinn der Bereicherungsregeln, da eine Verfehlung der Zweckbestimmung und somit ein Feh­ len des rechtlichen Grundes nur Folge eines fehlenden Kausalverhältnisses im Sin­ ne eines Anspruchs auf die Leistung sein kann.60 Die Frage nach einer Verfehlung der Zweckbestimmung spielt sich somit erst eine gedankliche Stufe später ab. Auch wird gegen die subjektive Theorie zu Recht eingewendet, dass eine einseitige Inten­ tion des Leistenden nicht den tragenden Grund dafür bilden kann, dass der Empfän­ 52 

Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  338; Stadler in: Jauernig, BGB, §  812 Rn.  12. Stadler in: Jauernig, BGB, §  812 Rn.  12 ff.; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  59, 79. 54  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  19. 55  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  67 I 2 b; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  76. 56  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  21. 57  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  67 III 1 a; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  76; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  337; Wendehorst in BeckOK-BGB, §  812 Rn.  59 f. 58  BGHZ 50, 227 (231 f.); Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  1; Ehmann, JZ 2003, 702 (709); Ehmann, NJW 1969, 398 (400); Schnauder, AcP 187 (1987), 142 (150); Schnauder, JZ 2002, 1080 (1082); Weitnauer, FS v. Caemmerer, S.  255 (263 f.). 59  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  67 III 1 a; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  76; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  337; Wendehorst in BeckOK-BGB, §  812 Rn.  60. 60  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  60. 53 

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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ger eine Leistung behalten können soll oder nicht.61 Zudem beweist die Existenz der condictio ob rem (§  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB), dass eine Verfehlung des Leis­ tungszwecks in den übrigen Fällen der Leistungskondiktion nicht als Fehlen des rechtlichen Grundes gemeint sein kann.62 Die tatbestandliche Unterscheidung hinsichtlich der fehlenden schuldrechtlichen Verpflichtung als Rechtsgrund zum Behaltendürfen ist bei der condictio indebiti und der condictio ob causam finitam der zeitliche Aspekt63: Während bei der con­ dictio indebiti der rechtliche Grund von Anfang an, also bereits im Zeitpunkt der Leistung, fehlt,64 weil etwa der ursprüngliche Kaufvertrag von Anfang an nichtig ist,65 ist die condictio ob causam finitam in denjenigen Fällen einschlägig, in denen der rechtliche Grund erst nach der Leistung weggefallen ist.66 Das ist unter ande­ rem der Fall bei Eintritt einer auflösenden Bedingung oder Befristung des kausalen Schuldverhältnisses.67 bb)  Situation bei der Nichtleistungskondiktion, §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB Anders als bei den dargestellten Anspruchsgrundlagen aus Leistungskondiktion geht es bei der Nichtleistungskondiktion (§  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB) nicht um die Rückführung rechtsgrundloser Leistungen.68 Vielmehr hat die Nichtleistungskon­ diktion die Rückforderung eines Erwerbs zum Ziel, der nicht aus einer Leistung des Anspruchsstellers herrührt, sondern aus der Inanspruchnahme eines fremden, vermögenswerten Gutes resultiert.69 Es werden also aus einem fremden Recht Vor­ teile gezogen, ohne dass hieran der Rechtsinhaber durch eine Leistungshandlung mitwirkt.70 Unabhängig von der Frage der Einteilung der Nichtleistungskondiktion in ver­ schiedene Unterkategorien wie Eingriffskondiktion, Aufwendungskondiktion, Rückgriffskondiktion und möglicherweise noch weitere Nichtleistungskondiktions­ 61 

Larenz/Canaris, SchuldrechtII/2, §  67 III 1 a. Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  337. 63  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  78. 64  Schulze in: Schulze, BGB, §  812 Rn.  7, 10; Stadler in: Jauernig, BGB, §  812 Rn.  13; Wende­ horst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  36. 65  Umstritten ist die rechtliche Einordnung im Falle der zivilrechtlichen Anfechtung. Die h. M. erblickt einen Fall des anfänglichen Fehlens des Rechtsgrundes (condictio indebiti), da der An­ fechtung gemäß §  142 Abs.  1 BGB ex-tunc-Wirkung zukommt; siehe nur Larenz/Canaris, Schuld­ recht II/2, §  68 I 1; Lorenz in: Staudiner, §  812 Rn.  88; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  812 Rn.  34; Schulze in: Schulze, BGB, §  812 Rn.  7; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  63; für die condictio ob causam finitam dagegen Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  26. 66  Schulze in: Schulze, BGB, §  812 Rn.  10; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  78. 67  BGH MDR 1959, 658 (659); BGH NJW 1952, 1171 (1171); Schulze in: Schulze, BGB, §  812 Rn.  10; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  352; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  79. 68  Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  36. 69  Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  31. 70  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  67 I 2 b. 62 

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

arten71 liegt hinsichtlich des Grundes der von §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB ange­ ordneten Rückgewährpflicht eine gemeinsame Basis zugrunde: Die Rechtsordnung, sprich die Gesamtheit der rechtlichen Normen, stellt keinen Behaltensgrund für die aktuelle Güterzuordnung zur Verfügung.72 Man spricht in diesem Zusammenhang, insbesondere bei der Eingriffskondiktion, von dem Zuweisungsgehalt eines Rechts, der von gesetzlichen Behaltensgründen begrenzt wird.73 Wann das Gesetz einen rechtlichen Behaltensgrund bildet, kann nicht pauschal beantwortet werden. Es kommt darauf an, ob die Güterzuordnung, die durch einen bestimmten Vorgang herbeigeführt worden ist, von Gesetzes wegen als endgültige Neuordnung anerkannt wird oder nicht.74 Eine solche endgültige Neuzuordnung der Vermögensordnung und somit ein Ausschluss der Nichtleistungskondiktion ge­ gen den Erwerber ist unter anderem anerkannt im Falle des gutgläubigen Erwerbs einer beweglichen Sache gemäß §§  932 ff. BGB.75 Hier ist eine endgültige Neuord­ nung aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes des guten Glaubens gebo­ ten.76 Daneben schließt auch der Vorrang der Leistungsbeziehungen eine Nichtleis­ tungskondiktion im Verhältnis des Altberechtigten zum gutgläubigen Erwerber aus.77 Um dem gutgläubig Erwerbenden ein dauerhaftes Behaltendürfen der Leis­ tung auch im Verhältnis zum nichtberechtigt Verfügenden zu ermöglichen, ist hier wiederum eine schuldrechtliche Causa als Rechtfertigung erforderlich. Weitere Behaltensgründe stellen unter anderem die Tilgungswirkung im Verhält­ nis zwischen Empfänger und Drittem78 sowie eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag79 dar. Auch die Ersitzung gemäß §  937 BGB wird, obwohl sie nur dingliche Wirkungen zeitigt, als rechtlicher Behaltensgrund eingeordnet, der eine Nichtleistungskondiktion ausschließt.80 Die Ersitzung stellt damit einen endgülti­

71  Die Einteilung in verschiedene Nichtleistungskondiktionsarten erfolgt nicht immer einheit­ lich; siehe hierzu nur die Kommentierungen bei Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  64 ff.; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  235 ff.; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  37 ff.; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  22 ff., 104 ff. 72  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  6 4; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  67 III 2 a; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  338; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  44; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  111, 137, 158. 73  Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  36; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  137. 74  Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  28; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  4 4. 75  Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  812 ff. Rn.  36; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  44; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  139. 76  BGHZ 36, 56 (60); Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  4 4. 77  Schulze in: Schulze, BGB, §  812 Rn.  12; Stadler in: Jauernig, BGB, §  812 Rn.  23. 78  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  111. 79  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  158. 80  Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  812 ff. Rn.  38; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  99; Wiegand in: Staudinger, BGB, §  937 Rn.  22; zur mittlerweile praktisch nicht mehr relevan­ ten Frage, eine Leistungskondiktion gegen den Ersitzenden möglich ist, wenn die Ersitzung durch ein fehlgeschlagenes Austauschverhältnis ermöglicht wurde, siehe Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  812 ff. Rn.  38; Wiegand in: Staudinger, BGB, §  937 Rn.  19 ff.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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gen Erwerbsgrund dar.81 Keine endgültige Vermögensverschiebung und folglich kein Rechtsgrund zum Behaltendürfen sollen jedoch aufgrund der Vorschriften der §§  946 ff. BGB eintreten, was durch den Verweis auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften in §  951 BGB deutlich gemacht wird.82 Wenn ein gesetzlicher Behaltensgrund nicht vorliegt, ist die durch eine Rechts­ handlung herbeigeführte Vermögensverschiebung nicht legitimiert und damit rechtlich wirkungslos. Folge daraus ist ein Bereicherungsanspruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB, sofern nicht der Vorrang der Leistungsbeziehungen die Anwend­ barkeit der Nichtleistungskondiktion sperrt. Es bleibt zu konstatieren: Auch bei der Nichtleistungskondiktion fehlt es an einer Wirksamkeit der rechtlichen Handlung, die der Vermögensverschiebung zugrunde liegt und damit die derzeitige Vermö­ genszuordnung rechtfertigt. cc)  Situation bei der condictio ob rem §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB normiert einen Herausgabeanspruch für den Fall, dass der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Dem Wortlaut nach handelt es sich bei der condictio ob rem, auch Zweck­ verfehlungskondiktion genannt,83 um eine „Spielart der Leistungskondiktion“.84 Anders als bei der condictio indebiti und der condictio ob causam finitam steht je­ doch der Leistungszweck nicht mit einem schuldrechtlichen Kausalverhältnis in Bezug.85 Der Grund für den von §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB angeordneten Heraus­ gabeanspruch ist deshalb nicht ein fehlendes oder gescheitertes Kausalverhältnis, sondern die Nichterreichung einer Zweckvereinbarung.86 Die Zweckvereinbarung muss zwischen den Parteien zumindest konkludent ver­ einbart werden und hat den Inhalt, dass die Leistung nur in Erwartung des mit der Zweckvereinbarung beabsichtigten Erfolges gemacht wird.87 Der beabsichtigte Er­ folg soll durch die Zweckabrede gleichsam als auflösende Bedingung für das Behal­ tendürfen der Leistung statuiert werden.88 Damit bildet der Eintritt des Erfolgs eine

81 

Wiegand in: Staudinger, BGB, §  937 Rn.  22. Lorenz in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  812 ff. Rn.  34, 36; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  44; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  158. 83  Statt vieler Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  373 ff. 84  Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  373. 85  Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  30. 86  Gursky, JR 2000, 45 (50); Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  376; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  29; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  96. 87  BGH NJW-RR 2009, 1142 (1142); BGH NJW 2008, 443 (445); BGH NJW 2004, 512 (513); BGH NJW 1999, 1623 (1625 f.); BGHZ 115, 261 (262 f.); BGHZ 108, 256 (265); BGH NJW 1984, 233 (233); BGHZ 44, 321 (323); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  68 I 3 a; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  92. 88  BGH NJW 2013, 2025 (2026 f.); Gursky, JR 2000, 45 (51); Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  29; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  92. 82 

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Art Gegenleistung für die eigentliche vertragliche Leistung.89 Der Gegenleistungs­ charakter des gewünschten Erfolges ergibt sich aus der Rechtsfolge bei Nichteintritt des Erfolges, die in der Herausgabe der Leistung besteht.90 Das geltende Recht kennt eine solch harsche Rechtsfolge nur bei der Nichterfül­ lung von Verpflichtungen innerhalb synallagmatischer Vertragsbeziehungen.91 Man denke hier nur an die Möglichkeit des Rücktritts bei Nichterbringung der ver­ traglich geschuldeten Leistung gemäß §  323 Abs.  1 BGB mit dem daraus folgenden Rückgewähranspruch aus §  346 Abs.  1 BGB. Aus diesem Grund wird die condictio ob rem auch als „Fremdkörper“ innerhalb des Bereicherungsrechts wahrgenom­ men,92 als ein „historisches Überbleibsel“,93 das sich nur schlecht in das System des Bereicherungsrechts einpasst.94 Aus dogmatischer Sicht betrachtet stellt sich die condictio ob rem aufgrund der Verknüpfung von Erfolg und Zweckabrede res­ pektive von Nichteintritt des Erfolges und Herausgabe der Leistung als gesetzlich geregelter Fall der ergänzenden Vertragsauslegung dar.95 Aus diesem Grunde wäre eine Systematisierung der condictio ob rem im Vertragsrecht sinnvoller als im Be­ reicherungsrecht im Rahmen der gesetzlichen Schuldverhältnisse.96 Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Abgrenzung zu den Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage in §  313 BGB Probleme bereitet.97 Was die Verknüpfung von Zweckabrede und Eintritt des gewünschten Erfolges anbelangt, wobei man den Nichteintritt des Erfolgs als eine Art auflösende Bedin­ gung für die Zweckabrede begreift,98 ist zu beachten, dass für den Fall der Nicht­ erreichung des Erfolges tatbestandlich eigentlich die condictio ob causam finitam einschlägig wäre.99 Da die auflösende Bedingung jedoch nicht ein eigentliches Kausalverhältnis betrifft, das der Leistung zugrunde liegt, sondern nur eine spezi­ elle Zweckabrede, spricht man im Zusammenhang mit der Zweckabrede auch von einem „Kausalverhältnis minderer Art“.100 Als praktischer Anwendungsfall der condictio ob rem lässt sich folgendes Bei­ spiel aus der Rechtsprechung101 anführen: Ein Steuerberater bezahlt einem seiner 89  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  52; Kupisch, JZ 1985, 163 (169); Larenz/Canaris, §  68 I 3 a; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 III 1 c; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  374; v. Caemmerer, FS Rabel, S.  333 (346 f.). 90  Kupisch, JZ 1985, 163 (169). 91  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  68 I 3 a. 92  v. Caemmerer, FS Rabel, S.  333 (347); Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  84. 93  v. Caemmerer, FS Rabel, S.  333 (346). 94  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  50. 95  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  50; Gursky, JR 2000, 45 (50); Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  84. 96  Gursky, JR 2000, 45 (51); Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  84. 97  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  50; v. Caemmerer, FS Rabel, S.  333 (346). 98  BGH NJW 2013, 2025 (2026 f.); Gursky, JR 2000, 45 (51); Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  29; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  92. 99  Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  30; Wendehost in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  85. 100  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  86. 101  BGH NJW 2004, 512 f.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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Mitarbeiter die Ausbildung zum Steuerberater ausschließlich in der dem Mitarbei­ ter erkennbaren Absicht, bei Erwerb der notwendigen Qualifikation eine gemeinsa­ me Sozietät zu gründen. Unterlässt schließlich der Mitarbeiter nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung die Gründung einer Sozietät, steht dem finanzierenden Steuerberater ein Anspruch auf Herausgabe der Finanzierungskosten aus §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB zu. Wenn man davon ausgeht, dass in einem solchen Fall keine schuldrechtliche Ver­ pflichtung zur Leistung der Ausbildungsfinanzierung vorliegt und insoweit bereits die condictio indebiti einschlägig wäre, liegt die praktische Relevanz der condictio ob rem in der Existenz von §  814 BGB: Dieser Ausschlusstatbestand greift aus­ schließlich bei der condictio indebiti102 und ist somit bei der condictio ob rem nicht anwendbar.103 Sollte hinsichtlich der Leistung aber ein Kausalverhältnis vorliegen und man mit dem oben dargestellten objektiven Rechtsgrundverständnis den rechtlichen Grund und somit die der Vermögensverschiebung zugrunde liegende rechtfertigende recht­ liche Handlung in dem kausalen Verpflichtungsgeschäft sehen, hat man bei der con­ dictio ob rem die problematische Situation, dass ein solches Verpflichtungsgeschäft gerade außer Betracht bleibt und nur auf eine besondere Zweckabrede abgestellt wird. Es kann sich also die Situation ergeben, dass der Leistung ein wirksames Kausalverhältnis zugrunde liegt, eine darüber hinaus getroffene Zweckabrede je­ doch nicht erfüllt wird. De facto besteht hier also durch das wirksame Kausalver­ hältnis ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung. Im Unterschied zu den bisher dargestellten Kondiktionsarten wird folglich ein Herausgabeanspruch angeordnet, obwohl möglicherweise die der Vermögensverschiebung zugrunde lie­ gende rechtliche Handlung wirksam ist.104 Selbst wenn man bei der condictio ob rem alleine die Zweckabrede als Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Leistung ansieht, könnte man meinen, dass dieser Rechtsgrund doch trotz Verfehlung des Zwecks nach wie vor besteht. Lediglich das Ziel der Zweckabrede, der durch sie beabsichtigte Erfolg, wurde nicht herbeigeführt. Allerdings tritt an dieser Stelle die auflösende Bedingung der Zweckvereinbarung ein, weshalb infolgedessen auch der Behaltensgrund für die Leistung endet.105 Man kann also konstatieren, dass im Rahmen der condictio ob rem die wirksame Zweckabrede den Behaltensgrund für

102 

Schwab in: MüKo-BGB, §  814 Rn.  3; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  814 Rn.  2. Schwab in: MüKo-BGB, §  814 Rn.  4; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  85; stattdes­ sen ist für die condictio ob rem der spezielle Kondiktionsausschluss des §  815 BGB unter anderem für den Fall der anfänglichen Unmöglichkeit des Erfolgseintritts und der diesbezüglichen Kennt­ nis des Leistenden vorgesehen, Schwab in: MüKo-BGB, §  814 Rn.  4. 104  RGZ 132, 238 (242); RGZ 106, 93 (98); RGZ 66, 132 (133 f.); kritisch zur Anwendung der condictio ob rem bei Vorliegen eines wirksamen, zweiseitig verpflichtenden Vertrages Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  106; Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  377 ff. 105  BGH NJW 2013, 2025 (2026 f.); Gursky, JR 2000, 45 (51); Schwab in: MüKo-BGB, §  812 Rn.  376; Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  29; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  96. 103 

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

die Leistung bildet106 und diese somit auch als „rechtliche Handlung“ einzuordnen ist, die der durch die Leistung eingetretenen Vermögensverschiebung rechtferti­ gend zugrunde liegt. Auf das angeführte Beispiel der Steuerberatersozietät107 angewendet bedeutet dies, dass die Zweckabrede (gemeinsame Gründung einer Sozietät nach Ausbil­ dungsabschluss) die der finanziellen Unterstützung zugrunde liegende und diese rechtfertigende rechtliche Handlung ist. Durch Verweigerung der Sozietätsgrün­ dung und dem damit zusammenfallenden Nichteintritt des bezweckten Erfolges erlischt die Zweckabrede. Durch den Wegfall der als Behaltensgrund fungierenden rechtlichen Handlung wird die Rechtsfolge des §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB, der Herausgabeanspruch, ausgelöst. Diesem Ergebnis ließe sich entgegenhalten, dass dem Begriff des Rechtsgrundes und somit auch dem der rechtfertigenden rechtlichen Handlung im Rahmen des Bereicherungsrechts eine gewisse Beliebigkeit anhaftet, da im Bereich der Leis­ tungskondiktion mit der objektiven Rechtsgrundtheorie gerade das kausale Ver­ pflichtungsgeschäft als Behaltensgrund und damit als rechtfertigende rechtliche Handlung für die Vermögensverschiebung einzuordnen ist. Allerdings kann dem widersprochen werden: Die dargestellte gesetzgeberisch misslungene Einordnung der condictio ob rem innerhalb des Bereicherungsrechts108 zwingt dazu, die berei­ cherungsrechtlichen Grundprinzipien zu strapazieren, um eine Einpassung der con­ dictio ob rem in die bereicherungsrechtliche Systematik zu erreichen. Die hieraus entstehenden dogmatischen Schwächen dürfen jedoch nicht als Argument verwen­ det werden, eine Strukturierung anhand von bereicherungsrechtlichen Grundsätzen von vornherein zu verhindern. Der Rechtsanwender hat das Gesetz so zu verwenden und einer möglichst nachvollziehbaren Struktur zuzuführen, wie er es vorfindet, auch wenn die gesetzgeberischen Vorgaben dabei Probleme bereiten. Auch bei der condictio ob rem fehlt es also an einem Rechtsgrund respektive an der Wirksamkeit der die Vermögensverschiebung rechtfertigenden rechtlichen Handlung. Die Beson­ derheit im Bereich der condictio ob rem besteht darin, dass diese rechtliche Hand­ lung eine Zweckabrede ist. dd)  Situation bei §  816 BGB §  816 BGB enthält in seinen beiden Absätzen insgesamt drei Anspruchsgrundlagen für den Fall einer Verfügung eines Nichtberechtigten über einen Gegenstand. Die in §  816 BGB normierten Kondiktionsansprüche stellen besondere Fälle der Nichtleis­ tungs- respektive Eingriffskondiktion dar.109 Diese Ansprüche sollen einen Aus­ 106 

Gursky, JR 2000, 45 (50). BGH NJW 2004, 512. 108  Siehe S.  58. 109  BGH NJW 1970, 2059 (2059); Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  816 Rn.  1; Lorenz in: Staudin­ ger, BGB, §  816 Rn.  2; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 I 1 a; Schulze in: 107 

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gleich dafür gewähren, dass es aufgrund besonderer gesetzlicher Tatbestände, die den Schutz des Rechtsverkehrs bezwecken und somit zu einer Wirksamkeit der Ver­ fügung eines Nichtberechtigten führen, zu einem Rechtsverlust auf Seiten des Be­ rechtigten kommen kann.110 Solche besonderen gesetzlichen Tatbestände stellen die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb dar, insbesondere also §§  932 ff. BGB und §§  892 ff. BGB.111 (1)  §  816 Abs.  1 S.  1 BGB §  816 Abs.  1 S.  1 BGB normiert einen Herausgabeanspruch eines Berechtigten ge­ genüber einem Nichtberechtigten, der eine entgeltliche Verfügung über einen Ge­ genstand des Berechtigten trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. Im Falle der Eigentumsübertragung des Nichtberechtigten an einen Gutgläubigen ge­ mäß §§  929, 932 BGB verliert der ehemals Berechtigte sein Eigentum an einer be­ weglichen Sache an den gutgläubigen Dritten. Der Herausgabeanspruch des §  816 Abs.  1 S.  1 BGB richtet sich indes nicht auf den von der Verfügung betroffenen Gegenstand selbst, der sich nicht mehr im Ver­ mögen des Nichtberechtigten befindet, sondern auf das durch die Verfügung Er­ langte. Im Gegensatz zu den übrigen Kondiktionsansprüchen und auch zu §  143 Abs.  1 S.  1 InsO geht es bei §  816 Abs.  1 S.  1 BGB folglich nicht um einen Heraus­ gabeanspruch in Bezug auf den aus dem Vermögen des Anspruchsstellers ausge­ schiedenen Gegenstand. Die Herausgabe richtet sich vielmehr auf das Substitut des weggegebenen Gegenstandes, das in aller Regel aus Geld bestehen wird. Es handelt sich hier also um eine Art Rechtsfortsetzungsanspruch,112 der seinem Umfang nach jedoch umstritten ist.113 In diesem Abschnitt der Arbeit werden mit §  143 Abs.  1 S.  1 InsO vergleichbare Herausgabe-, Rückgabe- und Rückgewähransprüche auf die Wirksamkeit der recht­ lichen Handlung untersucht. Eine solche vergleichende Untersuchung kann nur dann zielführend durchgeführt werden, wenn auch die Rechtsfolge der untersuchten Norm mit derjenigen von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO vergleichbar ist. Daher kann §  816 Abs.  1 S.  1 BGB in dieser Hinsicht aus der Betrachtung ausscheiden. Bei §  816 Abs.  1 S.  1 BGB handelt es sich aufgrund der Rechtsfolge, die auf Herausgabe des für den weggegebenen Gegenstand Erlangten gerichtet ist, um eine Art Sekun­ däranspruch, vergleichbar mit §  143 Abs.  1 S.  2 InsO. Innerhalb des Bereicherungs­ rechts stellt §  816 Abs.  1 S.  1 BGB zwar einen Primäranspruch dar, der durch die Schulze, BGB, §  816 Rn.  1; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  1; Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  1; Stadler in: Jauernig, BGB, §  816 Rn.  1; v. Caemmerer, FS Rabel, S.  333 (353). 110  Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  1; Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  1. 111  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  816 Rn.  6; Schulze in: Schulze, BGB, §  816 Rn.  6; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  1; Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  1. 112  Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  54. 113  Ausführlich zum Streitstand: Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  816 Rn.  19 ff.; Lorenz in: Stau­ dinger, BGB, §  816 Rn.  23. ff.; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  37 ff.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

sekundäre Wertersatzpflicht gemäß §  818 Abs.  2 BGB flankiert wird, wenn die He­ rausgabe des Erlangten nicht möglich ist.114 De facto verhält es sich jedoch so, dass bei §  816 Abs.  1 S.  1 BGB aufgrund der zugrunde liegenden Situation eine Heraus­ gabe des aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers ausgeschiedenen Gegen­ standes selbst nicht möglich ist und somit nur eine Ersatzherausgabe der Gegenleis­ tung in Frage kommt. Die Herausgabe eines Ersatzes entspricht wertungsmäßig eher der Situation des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO, auch wenn es bei §  816 Abs.  1 S.  1 BGB nicht um einen Wertersatz im eigentlichen Sinne geht, da nur die empfangene Gegenleistung herauszugeben ist, unabhängig von deren Relation zum Wert des Gegenstands.115 Aufgrund des oben beschriebenen Verhältnisses des Primäranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zu dem Sekundäranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO116 kann des­ halb für den in diesem Abschnitt der Arbeit durchgeführten Vergleich des anfech­ tungsrechtlichen Primäranspruchs mit zivilrechtlichen Herausgabe-, Rückgabe und Rückgewähransprüchen der Anspruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB sinnvollerweise nicht als Vergleichsnorm herangezogen werden. Aus diesem Grund kann der An­ spruch aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB aus der Untersuchung ausgeschieden werden, ohne dass es auf eine Überprüfung der Voraussetzungen ankommt, die den Heraus­ gabeanspruch rechtfertigen. (2)  §  816 Abs.  1 S.  2 BGB §  816 Abs.  1 S.  2 BGB stellt eine notwendige Ergänzung zu §  816 Abs.  1 S.  1 BGB dar für den Fall, dass der Nichtberechtigte aufgrund der Unentgeltlichkeit der Ver­ fügung nichts erlangt hat und der Herausgabeanspruch des Bereicherungsgläubi­ gers aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB aus diesem Grunde ins Leere laufen würde. Unent­ geltlichkeit ist dann zu anzunehmen, wenn der Dritte für den erlangten Gegenstand kein wirtschaftliches Opfer erbracht hat.117 Das ist dann der Fall, wenn die Verfü­ gung im Rahmen einer Handschenkung oder zur Erfüllung eines Schenkungsver­ sprechens erfolgt ist.118 Für diesen Fall sieht §  816 Abs.  1 S.  2 BGB einen Herausga­ beanspruch des ehemals Berechtigten gegen denjenigen vor, der aufgrund der Ver­

114  Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  49; Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  10; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  816 Rn.  18. 115  Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  20. 116  Siehe S.  42 f. 117  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 II 1 c. 118  Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  7. Einzig stellt sich hier die Frage, ob der Nichtberechtig­ te bei einer Verfügung zu Erfüllung eines Schenkungsversprechens möglicherweise die Befreiung von dieser Verbindlichkeit erlangt hat, die dann gemäß §  816 Abs.  1 S.  1 BGB herauszugeben wäre. Selbst wenn man dieser These folgt, sieht Schwab dennoch den Anwendungsbereich von §  816 Abs.  1 S.  2 BGB eröffnet, da hier §  816 Abs.  1 S.  2 BGB konstitutiv einen Anspruch gegen den nichtberechtigt Verfügenden ausschließe.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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fügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat, sprich gegen die Person, an welche die unentgeltliche Verfügung des Gegenstands erfolgt ist. Im Gegensatz zu §  816 Abs.  1 S.  1 BGB ist der Herausgabeanspruch aus §  816 Abs.  1 S.  2 BGB eine taugliche Vergleichsnorm für den hier durchgeführten Ver­ gleich: Die Rechtsfolge bei §  816 Abs.  1 S.  2 BGB zielt auf die Herausgabe des aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers ausgeschiedenen Gegenstandes selbst ab und stellt somit einen mit §  143 Abs.  1 S.  1 InsO vergleichbaren Primäranspruch dar. Zwar spricht der Wortlaut des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB davon, dass den Dritten „die gleiche Verpflichtung“ trifft wie den Nichtberechtigten aus §  816 Abs.  1 S.  1 BGB. Dieser hat das aus der Verfügung Erlangte herauszugeben, sodass man an­ nehmen könnte, dass auch der Dritte nur das Erlangte herauszugeben hätte. Da der Dritte hier jedoch den Gegenstand selbst vom Nichtberechtigten erhält und er sei­ nerseits nichts an den Nichtberechtigten leistet, kann sich die Herausgabe nach Sinn und Zweck der Norm logischerweise nur auf den erhaltenen Gegenstand beziehen. Die angeordnete Rechtsfolge des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB darf deswegen nicht im strengen Wortsinn bestimmt werden.119 Wenn man den Blick auf die der Vermögensverschiebung zugrunde liegende „rechtliche Handlung“ richtet und dabei die Prämisse beachtet, dass dies nicht die Verfügung selbst sein kann,120 kommt man zu folgendem Ergebnis: Der Herausga­ beanspruch wird auch für den Fall angeordnet, dass zwischen verfügendem Nicht­ berechtigtem und dem unentgeltlichen Empfänger der Leistung ein wirksames Kau­ salverhältnis, etwa in Form eines Schenkungsversprechens, §  518 BGB, besteht. Insofern liegt scheinbar ein rechtlicher Behaltensgrund für den unentgeltlich zuge­ wendeten Gegenstand und somit eine wirksame „rechtliche Handlung“ vor. Hierbei wird jedoch übersehen, dass der Bereicherungsgegenstand, der vom Nichtberechtig­ ten unentgeltlich auf den Dritten übertragen wird, aus dem Vermögen des Bereiche­ rungsgläubigers stammt. Das wird im Gesetz dadurch klargestellt, dass durch die Verfügung „unmittelbar“ ein rechtlicher Vorteil auf Seiten des Dritten erlangt sein muss.121 Der Vermögensverlust des Bereicherungsgläubigers und die Bereicherung des Dritten fallen also in dem Akt der unentgeltlichen Verfügung zusammen.122 Im Falle des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB besteht jedoch zwischen dem Bereicherungs­ gläubiger und dem unentgeltlich bereicherten Dritten kein die Vermögensverschie­ bung rechtfertigender Rechtsgrund. Eine schuldrechtliche Beziehung zwischen dem nichtberechtigt Verfügenden und dem Dritten kann aufgrund des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse keine Wirkungen im Verhältnis des Bereiche­ rungsgläubigers zum Dritten zeitigen. Deswegen muss ein mögliches Schuldver­ hältnis zwischen dem Nichtberechtigten und dem Dritten bei der Frage um das Vor­ 119 

Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  816 Rn.  23. Siehe hierzu schon S.  52 f. 121  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 II 1 b; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  69. 122  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 II 1 b. 120 

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

liegen einer rechtfertigenden Rechtshandlung außer Betracht bleiben. Somit wird also auch bei §  816 Abs.  1 S.  2 BGB das bisher gefundene Ergebnis bestätigt, wo­ nach ein Herausgabeanspruch nur dann angeordnet wird, wenn eine die Vermö­ gensverschiebung rechtfertigende rechtliche Handlung nicht vorliegt. Man könnte diesem Ergebnis möglicherweise mit dem Einwand widersprechen, dass auch im Falle des §  816 Abs.  1 S.  1 BGB eine solche rechtfertigende Rechts­ handlung in Form eines Schuldverhältnisses nur zwischen dem nichtberechtigt Ver­ fügenden und dem Dritten besteht. Zwischen dem Bereicherungsgläubiger und dem Dritten besteht dort hingegen ebenso wenig eine schuldrechtliche Beziehung wie bei §  816 Abs.  1 S.  2 BGB. Gleichwohl wird im Rahmen des §  816 Abs.  1 S.  1 BGB nur eine Herausgabepflicht zulasten des Nichtberechtigten angeordnet, während der Dritte vom Bereicherungsgläubiger nicht in Anspruch genommen werden kann. Man könnte argumentieren, dass eine fehlende rechtfertigende Rechtshandlung nicht das entscheidende Kriterium für die Existenz eines Herausgabeanspruchs sein kann, denn sonst müsste auch im Rahmen des §  816 Abs.  1 S.  1 BGB ein Bereiche­ rungsanspruch gegen den Dritten bestehen. Ein solcher Einwand setzt jedoch an der falschen Stelle an: Es ist keineswegs der Fall, dass bei fehlendem rechtlichen Grund stets ein Bereicherungsanspruch die Folge ist. Diese Feststellung wird im Rahmen der Untersuchung auch nicht getroffen. Es ist vielmehr nur umgekehrt der Fall, dass jedem Bereicherungsanspruch die Voraussetzung zu eigen ist, dass ein rechtlicher Grund zum Behaltendürfen fehlt. Es kann Fallkonstellationen geben, in denen trotz eines fehlenden rechtlichen Behaltensgrundes aufgrund anderer gesetzlicher Wer­ tungsgesichtspunkte ein Bereicherungsanspruch nicht angezeigt ist. Gerade §  816 Abs.  1 BGB macht dieses Prinzip deutlich: Da im Rahmen von §  816 Abs.  1 S.  1 BGB der Dritte ein Entgelt aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrages mit dem Nichtberechtigten für den ihm übertragenen Gegenstand entrichtet hat, ist er insoweit schutzwürdig, als er nicht mit einem Herausgabeanspruch belastet wer­ den darf. Einzig im Falle der Unentgeltlichkeit ist ihm eine solche Schutzbedürftig­ keit nicht zuzubilligen, sodass das Fehlen des rechtlichen Grundes im Verhältnis zum Bereicherungsgläubiger relevant wird und somit ein Bereicherungsanspruch die Folge ist. Die Schutzbedürftigkeit liegt nun auf der Seite des Bereicherungsgläu­ bigers, da er gegen den nichtberechtigt Verfügenden nicht vorgehen kann. Der Ei­ gentumsschutz geht im Falle der Unentgeltlichkeit dem Schutz des gutgläubigen Erwerbers vor.123 Reuter/Martinek formulieren treffend: „Die Unentgeltlichkeits­ causa vermag im Ergebnis den dinglich vollzogenen Erwerb im Verhältnis zum früher Berechtigten nicht auf Dauer zu rechtfertigen.“124 Man kann also konstatieren: Jedem Bereicherungsanspruch liegt ein Mangel des rechtlichen Grundes zugrunde, aber nicht bei jedem Mangel eines rechtlichen Grun­ des besteht ein Bereicherungsanspruch. 123 

124 

Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 II 1 a.

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(3)  §  816 Abs.  2 BGB §  816 Abs.  2 BGB gewährt einen Herausgabeanspruch für den Fall, dass an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt wird, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, sodass der Berechtigte seine Forderung gegenüber dem Leistenden verliert. Eine solche Leistung an einen Nichtberechtigten ist dem wahren Forde­ rungsinhaber gegenüber wirksam, wenn schuldnerschützende Vorschriften wie §  407 Abs.  1 BGB im Falle der Forderungsabtretung dies anordnen.125 Da der be­ rechtigte Forderungsinhaber aufgrund dieser schuldnerschützenden Vorschriften seine Forderung gegen den Dritten verliert und der Nichtberechtigte eine Leistung erhält, die ihm nicht zusteht, greift letzterer in den Zuweisungsgehalt der Forderung des Berechtigten ein. Konstruktiv liegt damit ein Fall der Eingriffskondiktion vor.126 Um die Schuldnerschutzvorschriften, welche die Wirksamkeit der Leistung gegenüber dem berechtigten Forderungsinhaber anordnen, nicht leerlaufen zu las­ sen, ordnet §  816 Abs.  2 BGB einen unmittelbaren bereicherungsrechtlichen Aus­ gleich zwischen dem berechtigten Forderungsinhaber und dem Nichtberechtigten an und nicht zwischen dem Berechtigten und dem Dritten.127 Der berechtigte Forde­ rungsinhaber kann vom Nichtberechtigten, an den geleistet wurde, nunmehr Her­ ausgabe des Geleisteten fordern. Ebenso wie §  816 Abs.  1 S.  2 BGB stellt §  816 Abs.  2 BGB eine taugliche Ver­ gleichsnorm zu §  143 Abs.  1 S.  1 InsO dar. Die Herausgabepflicht zugunsten eines berechtigten Forderungsinhabers bezieht sich auf das durch einen Dritten an einen Nichtberechtigten Geleistete. Hierbei besteht eine Inhaltsgleichheit mit dem ehe­ mals bestehenden Anspruch des Berechtigten gegen den Dritten, der aufgrund der dem Berechtigten gegenüber wirksamen Leistung des Dritten an den Nichtberech­ tigten untergegangen ist. Es handelt sich bei §  816 Abs.  2 damit konstruktiv gesehen nicht um einen sekundären Wertersatzanspruch wie bei §  816 Abs.  1 S.  1 BGB. Mit Blick auf den Rechtsgrund, der den Nichtberechtigten zum Behaltendürfen der Leistung berechtigen würde, ist auch im Rahmen von §  816 Abs.  2 BGB festzu­ stellen, dass ein solcher Grund nicht existiert. §  816 Abs.  2 BGB ist gerade nur in den Fällen einschlägig, in denen ein rechtfertigender Grund im Sinne einer gesetz­ lichen Vorschrift oder einer durch eine wirksame Rechtshandlung geschaffenen rechtlichen Sonderverbindung, die dem Nichtberechtigten ein Behaltendürfen des an ihn Geleisteten gestattet, nicht besteht. Das ergibt sich aus der Einordung von §  816 Abs.  2 BGB als Sonderfall der Eingriffskondiktion. Würde ein solcher recht­ licher Grund bestehen, der den Nichtberechtigten zum Empfang berechtigt, würde aus ihm ein berechtigter Forderungsinhaber respektive Forderungsempfänger und 125  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  816 Rn.  14 f.; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  70; Wende­ horst in: BeckOK-BGB, §  816 Rn.  29. 126  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  816 Rn.  14; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  816 Rn.  17; Schwab in: MükO-BGB, §  816 Rn.  71; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  816 Rn.  25. 127  Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  70.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

§  816 Abs.  2 BGB wäre tatbestandlich nicht einschlägig. Folglich ist auch im Rah­ men von §  816 Abs.  2 BGB eine Herausgabepflicht nur deshalb angeordnet, weil eine wirksame Rechtshandlung zwischen den Kondiktionsparteien, die ein Behal­ tendürfen der Leistung rechtfertigt, nicht vorliegt. ee)  Situation bei der condictio ob turpem vel iniustam causam Der Kondiktionsanspruch aus §  817 S.  1 BGB, welcher der Leistungskondiktion zu­ zuordnen ist,128 gelangt dann zur Anwendung, wenn der Empfänger der Leistung durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt. In der Literatur ist es sehr umstritten, ob für den Bereicherungsanspruch aus §  817 S.  1 BGB neben der allgemeinen Leistungskondiktion aus §  812 Abs.  1 S.  1 BGB überhaupt ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt.129 Der Grund für den Streit um den Anwendungsbereich der condictio ob turpem vel iniustam causam ist in den Tatbestandsvoraussetzungen angelegt, die einen Verstoß gegen ein gesetz­ liches Verbot oder gegen die guten Sitten durch die Annahme der Leistung voraus­ setzen. Durch den geforderten Verstoß sei in der Regel das der Leistungsbeziehung zugrunde liegende Kausalgeschäft gemäß §§  134, 138 BGB nichtig, was ein Eingrei­ fen der condictio indebiti, §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB, zur Folge habe.130 Zwar sei in diesen Fällen §  817 S.  1 BGB neben §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB anwendbar,131 allerdings sei die Norm dann nur in den Fällen von praktischer Bedeutung, in denen die condictio indebiti aufgrund der Kondiktionssperre des §  814 BGB nicht eingrei­ fe.132 Ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibe daneben nicht.133 Gegen die Ansicht, dass die condictio ob turpem vel iniustam causam keinen ei­ genständigen Anwendungsbereich neben der condictio indebiti habe, wird einge­ wendet, dass dessen Bestimmung nicht allein durch bereicherungsrechtliche Erwä­ gungen zu treffen sei, sondern durch die Reichweite der §§  134, 138 BGB.134 So könne es durchaus Fallgestaltungen geben, in denen das schuldrechtliche Kausal­ verhältnis von §§  134, 138 BGB unangetastet bleibe und lediglich die Annahme der Leistung mit dem Makel der Verbotswidrigkeit oder Sittenwidrigkeit behaftet sei.135 128  BGH NJW-RR 1998, 1284 (1285); Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  817 Rn.  3; Schulze in: Schulze, BGB, §  817 Rn.  1; Schwab in: MükO-BGB, §  817 Rn.  1, 4; Sprau in: Palandt, BGB, §  817 Rn.  2, 5; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  817 Rn.  1. 129  BGHZ 8, 348 (370); Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  817 Rn.  1, 6; Larenz/Canaris, Schuld­ recht II/2, §  68 I 6; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  817 Rn.  6; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 1; Schulze in: Schulze, BGB, §  817 Rn.  1; Schwab in: MüKo-BGB, §  817 Rn.  4. 130  Schwab in: MüKo-BGB, §  817 Rn.  4; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  817 Rn.  6. 131  Sprau in: Palandt, BGB, §  817 Rn.  7; a. A.: Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  817 Rn.  6, die §  817 S.  1 BGB als allein anwendbare Spezialnorm sieht. 132  Sprau in: Palandt, BGB, §  817 Rn.  7. 133  Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, S.  34 f., 139; La­ renz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  68 I 6. 134  Schwab in: MüKo-BGB, §  817 Rn.  4. 135  RGZ 96, 343 (345); Schwab in: MüKo-BGB, §  817, Rn.  4.

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Gerade der Wortlaut des §  817 S.  1 BGB, der auf die Annahme der Leistung abstellt, sowie das historische Vorbild in Form der condictio ob turpem causam136 rücken den Kondiktionsanspruch des §  817 S.  1 BGB in den Kontext der condictio ob rem.137 Nach dieser Meinung erfasst §  817 S.  1 BGB den Fall, dass eine Zweckabre­ de zwischen Leistenden und Empfänger besteht und durch die Leistung diese Zweckabrede erfüllt wird. Allerdings verstößt die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten.138 Die condictio ob rem könne in diesen Fällen nicht durchgreifen, da die Zweckabrede erfüllt wurde.139 Wenn die Zweck­ abrede jedoch gegen §§  134, 138 BGB verstößt, greife §  817 S.  1 BGB ein.140 Die Besonderheit der condictio ob turpem vel iniustam causam liegt also darin, dass der Zweck von der Rechtsordnung missbilligt wird141 und somit die bei der condictio ob rem für das Behaltendürfen der Leistung rechtfertigende Kraft der Zweckerrei­ chung genommen wird.142 Als „Paradefälle“ für den Anwendungsbereich des §  817 S.  1 BGB werden zum einen die einfache Beamtenbestechung gemäß §  332 StGB143 und zum anderen die Zahlung von Schweigegeld zur Vermeidung einer Strafanzeige144 genannt. Eine An­ wendbarkeit von §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB scheitert hier daran, dass keine Leis­ tung zur Erfüllung einer Verbindlichkeit vorliegt. Auch ein Anspruch aus §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB besteht nicht, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg (gewünschte Handlung des bestochenen Beamten, Nichterstattung der Strafanzei­ ge) eintritt. Da der durch die Annahme der Leistung bezweckte Erfolg jedoch von der Rechtsordnung missbilligt wird, schafft §  817 S.  1 BGB eine Anspruchsgrund­ lage, mit deren Hilfe die erfolgte Güterverschiebung wieder rückgängig gemacht werden kann. Dieses Ergebnis lässt sich nach hier vertretener Ansicht jedoch auch ohne die condictio ob turpem vel iniustam causam direkt über die condictio ob rem erreichen: Die Zweckabrede im Rahmen des §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB ist als „Kausalverhältnis minderer Art“145 anzusehen. Dieses verstößt in den hier vorlie­ genden Fällen selbst gegen §§  134, 138 BGB und ist damit nichtig. Da die Zwecka­ brede den rechtlichen Behaltensgrund für das Geleistete im Rahmen der condictio 136  Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, S.  65; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  817 Rn.  1 f.; Schwab in: MüKo-BGB, §  817 Rn.  5. 137  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 3; Schwab in: MüKo-BGB, §  817 Rn.  5; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  817 Rn.  7. 138  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 3; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  817, Rn.  7. 139  Lorenz in: Staudinger, BGB, §  817 Rn.  7; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 3. 140  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 3. 141  Esser, Schuldrecht, §  193 Nr.  2 c; Esser/Weyers, Schuldrecht II, BT 2, §  49 III, S.  68; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 3. 142  Esser, Schuldrecht, §  193 Nr.  2 c; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  5 V 3. 143  Schwab in: MüKo-BGB, §  817 Rn.  4; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  817 Rn.  8. 144  RGZ 58, 204 (205); Lorenz in: Staudinger, BGB, §  817 Rn.  8. 145  Siehe bereits S.  58; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  86.

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ob rem darstellt,146 dieser jedoch durch die Nichtigkeit aufgrund §§  134, 138 BGB nicht mehr besteht, ist der Weg für die Zweckverfehlungskondiktion geebnet. De facto hat §  817 S.  1 BGB somit nur eine Existenzberechtigung, um die Kon­ diktionssperren der §§  814, 815 BGB auszuschließen. Um dieses Ergebnis zu erzie­ len, bräuchte es jedoch keines eigenen Kondiktionstatbestandes. Vielmehr würde eine entsprechende Einschränkung der genannten Kondiktionssperren durch den Gesetzgeber genügen.147 Unabhängig von der Frage, ob für die condictio ob turpem vel iniustam causam neben der condictio indebiti und der condictio ob rem ein eigenständiger Anwen­ dungsbereich verbleibt und wie dieser dogmatisch zu begründen ist, lässt sich hinsichtlich des für diese Arbeit interessierenden Schicksals der einer Güterver­ schiebung zugrunde liegenden und diese rechtfertigende Rechtshandlung folgendes konstatieren: Ist neben der Annahme der Leistung als solcher auch das Verpflich­ tungsgeschäft als rechtliche Handlung, auf welcher die Leistung beruht, von dem Verdikt der Nichtigkeit der §§  134, 138 BGB betroffen, sodass §  817 S.  1 BGB neben §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB anwendbar ist, so mangelt es an der die Vermögensver­ schiebung rechtfertigenden Rechtshandlung im Sinne eines wirksamen kausalen Rechtsgeschäfts. Ist hingegen nur die Annahme der Leistung und somit mit dem oben Gesagten die Zweckvereinbarung von der Unwirksamkeitsfolge erfasst, nicht jedoch das kausale Schuldverhältnis, sodass alleine §  817 S.  1 BGB Anwendung findet148, so ermangelt der Leistungsaustausch ebenfalls des rechtlichen Grundes und damit einer die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Rechtshandlung. Auch §  817 S.  1 BGB ordnet folglich einen Anspruch, der die Vermögensverschie­ bung rückgängig machen soll, aus dem Grunde an, dass eine rechtliche Handlung, die diese Vermögensverschiebung rechtfertigt, nicht (mehr) existiert. ff)  Situation bei §  822 BGB §  822 BGB normiert einen Herausgabeanspruch gegen einen Dritten für den Fall, dass der Empfänger das Erlangte dem Dritten unentgeltlich zugewendet hat und der Kondiktionsanspruch, der gegen den ursprünglichen Empfänger bestanden hat, in­ folgedessen ausgeschlossen ist. Der Unterschied zu §  816 Abs.  1 S.  2 BGB besteht darin, dass dort ein Nichtberechtigter verfügt, während es bei §  822 BGB um Ver­ fügungen eines Berechtigten geht.149 Das führt dazu, dass bei §  816 Abs.  1 S.  2 BGB der Dritte unmittelbar aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers bereichert 146 

Siehe hierzu schon S.  59 f. Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  817 Rn.  6. 148  Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte, S.  35, hält einen solchen Fall für nicht existent. 149  Esser/Weyers, Schuldrecht II, BT 2, §  51 II 4, S.  117; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  822 Rn.  3; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1; Schulze in: Schulze, BGB, §  822 Rn.  1; Schwab in: MüKo-BGB, §  822 Rn.  9; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  822 Rn.  3. 147 

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wird, wohingegen im Rahmen von §  822 BGB der Bereicherungsgläubiger nichts mehr aus seinem Vermögen verliert.150 Der Kondiktionsanspruch aus §  822 BGB ist insofern atypisch, als dass in den hier vorliegenden Konstellationen ein rechtlicher Grund zwischen dem ursprüngli­ chen Empfänger und dem Dritten vorliegt. Der rechtliche Grund besteht in der Cau­ sa, welche der unentgeltlichen Zuwendung zugrunde liegt. Die Causa ist in aller Regel eine Schenkung,151 sei es eine Handschenkung152 oder ein Schenkungsver­ sprechen.153 Ein Herausgabeanspruch gegen den ursprünglichen Empfänger schei­ tert daran, dass sich dieser aufgrund der unentgeltlichen Zuwendung an den Dritten auf Entreicherung gemäß §  818 Abs.  3 BGB berufen kann.154 Ein Kondiktionsan­ spruch aus §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB gegen den Dritten scheitert zum einen am Vorrang der Leistungsbeziehungen. Zum anderen ist der Dritte nicht direkt aus dem Vermögen des Anspruchstellers bereichert,155 mithin also nicht auf dessen Kosten. Die fehlende Unmittelbarkeit im Verhältnis der Bereicherung des Dritten zum Ver­ mögensabfluss beim Bereicherungsgläubiger ist der Grund, warum man nicht die oben bei §  816 Abs.  1 S.  2 BGB aufgestellte Wertung, dass ein Herausgabeanspruch zwischen Bereicherungsgläubiger und Dritten aufgrund einer fehlenden schuld­ rechtlichen Causa zwischen diesen Personen gerechtfertigt ist,156 heranziehen kann. Da auf Seiten des Bereicherungsgläubigers kein unmittelbarer Vermögensabfluss vorliegt, braucht dieser auch nicht durch ein Kausalverhältnis zwischen Bereiche­ rungsgläubiger und Dritten gerechtfertigt werden. Die Konsequenz hieraus wäre, dass der Bereicherungsgläubiger sein Restitutionsinteresse nicht durchsetzen kann.157 Da die Zuwendung an den Dritten jedoch nur unentgeltlich erfolgt ist und solchen unentgeltlichen Verfügung eine geringere Schutzwürdigkeit beigemessen wird,158 normiert §  822 BGB einen eigenständigen159 Herausgabeanspruch des ur­ sprünglichen Kondiktionsanspruchsinhabers gegen den Dritten. 150  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  69. 151  Lorenz in: Staudinger, BGB, §  822 Rn.  8; Schwab in: MüKo-BGB, §  822 Rn.  11. 152  Bei der Handschenkung gemäß §  516 BGB vereinigen sich das Kausalgeschäft und das dingliche Vollzugsgeschäft, Gehrlein in: BeckOK-BGB, §  516 Rn.  1. 153  Lorenz in: Staudinger, BGB, §  822 Rn.  8. 154  BGHZ 154, 88 (92); Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  822 Rn.  4; Esser/Weyers, Schuldrecht II, BT 2, §  51 II 4, S.  116; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  69 IV 1; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  822 Rn.  11; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  822 Rn.  1; Schwab in: MüKo-BGB, §  822 Rn.  16; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  822 Rn.  2. 155  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  69 IV 1; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  822 Rn.  1; Wendehorst in: Beck-OK, §  822 Rn.  2. 156  Siehe S.  63 f. 157  Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  822 Rn.  1; Schwab in: MüKo-BGB, §  822 Rn.  1; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  822 Rn.  3. 158  Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  822 Rn.  1; Esser/Weyers, Schuldrecht II, BT 2, §  51 II 4, S.  116 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  69 IV 1; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  822 Rn.  1; Schulze in: Schulze, BGB, §  822 Rn.  1; Schwab in: MüKo-BGB, §  822 Rn.  1. 159  Nach wohl noch h. M. handelt es sich bei §  822 BGB um eine eigene Anspruchsgrundlage,

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Anders als bei den bisher erörterten Bereicherungsansprüchen wird trotz beste­ henden Rechtsgrundes zwischen Empfänger und Drittem ein Herausgabeanspruch zugunsten des ursprünglichen Bereicherungsgläubigers angeordnet. Das stellt eine Abweichung hinsichtlich des bisher gefundenen Ergebnisses dar, wonach bei allen untersuchten Kondiktionsansprüchen der rechtliche Grund – sei dies das kausale Schuldverhältnis, eine durch einen gesetzlichen Behaltensgrund legitimierte Hand­ lung oder die den Rechtsgrund bildende Zweckabrede – fehlt oder in ihrer Wirk­ samkeit fehlerhaft ist. Um diese Abweichung dogmatisch begründen und §  822 BGB in die Struktur der übrigen Bereicherungsansprüche einpassen zu können, behilft sich das Gesetz mit einer Fiktion.160 So ist der Dritte gemäß §  822 BGB zur Herausgabe verpflichtet, „wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte“. Durch diese Fiktion, die eine Rechtsfolgenver­ weisung auf §  818 BGB bildet,161 wird der Dritte einem gegenüber dem Bereiche­ rungsgläubiger rechtsgrundlosen Erwerber gleichgestellt.162 Das Verwenden der Fiktion verdeutlicht, dass der Gesetzgeber davon ausgegan­ gen ist, dass es grundsätzlich eines fehlenden Rechtsgrundes und damit einer feh­ lenden rechtfertigenden Rechtshandlung hinsichtlich der Vermögensverschiebung bedarf, damit ein Kondiktionsanspruch gerechtfertigt ist. Da in dem Ausnahmetat­ bestand des §  822 BGB jedoch an und für sich ein Rechtsgrund in Form der Causa, die der unentgeltlichen Zuwendung zugrunde liegt, existiert, muss mit einer gesetz­ lichen Fiktion gearbeitet werden, um §  822 BGB dogmatisch unangreifbar in die Struktur des Bereicherungsrechts einzupassen. Durch die Fiktion wird der Dritte einem rechtsgrundlos Bereicherten gleichgestellt. Die Fiktion überspielt damit die tatsächlich vorliegende Causa zwischen dem ursprünglichen Bereicherungsschuld­ ner und dem Dritten sowie die Tatsache, dass der Dritte nicht unmittelbar auf Kos­ ten des Bereicherungsgläubigers bereichert ist. Auch im Rahmen des §  822 BGB fehlt es somit de facto an einer die Vermögensverschiebung rechtfertigenden recht­ lichen Handlung, da diese als nicht existierend betrachtet wird. Der bestehende Wi­ derspruch zu den übrigen Kondiktionstatbeständen wird mithilfe der Fiktion über­ wunden. c) Zusammenfassung Die durchgeführte Untersuchung hinsichtlich des Grundes, warum und wann berei­ cherungsrechtliche Herausgabeansprüche eine Vermögensverschiebung rückgän­ Esser, Schuldrecht, §  197 Nr.  2; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  822 Rn.  1; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  822 Rn.  2; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1; nach a. A. handelt es sich bei §  822 BGB um eine Regelung, die die Rechtsfolgen der Bereicherung betrifft, siehe Schwab in: MüKo-BGB, §  822 Rn.  7; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  822 Rn.  1; ausführlich zum Meinungsstand: Lorenz in: Staudinger, BGB, §  822 Rn.  2. 160  Esser, Schuldrecht, §  197 Nr.  2; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1. 161  Esser, Schuldrecht, §  197 Nr.  2; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1. 162  Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, §  8 IV 1.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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gig machen sollen, hat gezeigt, dass in jedem geregelten Fall eine Rechtfertigung zum Behaltendürfen für den Herausgabeschuldner fehlt. Dies wird durch das Tatbe­ standsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ in §  812 Abs.  1 S.  1 BGB klargestellt, tritt in den anderen Kondiktionstatbeständen indes nicht in dieser Deutlichkeit hervor. Nicht zu verwechseln ist der rechtliche Behaltensgrund mit den die dingliche Zu­ ordnung herbeiführenden Verfügungshandlungen. Der Behaltensgrund, der zugleich die der Vermögensverschiebung zugrunde lie­ gende rechtfertigende Rechtshandlung bildet, ist bei den verschiedenen Kondikti­ onstatbeständen unterschiedlich zu bewerten. So kann der Behaltensgrund ein schuldrechtlicher Vertrag, eine Zweckabrede oder die Erfüllung bestimmter, gesetz­ lich normierter Voraussetzungen sein, je nachdem welcher Kondiktionstatbestand einschlägig ist. Unabhängig von der unterschiedlichen Bestimmung der Behaltens­ gründe, die bei den einzelnen Kondiktionstatbeständen im Fokus stehen, greifen die Herausgabeansprüche allerdings nur dann ein, wenn jene Behaltensgründe nicht gegeben sind. Die der Vermögensverschiebung zugrunde liegende rechtliche Hand­ lung muss also fehlen oder fehlerhaft sein, damit das Bereicherungsrecht einen Ein­ griff in die derzeitige Vermögenszuordnung rechtfertigen kann. Anzumerken bleibt, dass der Grund, aus welchem der jeweilige Behaltensgrund in Form der einer Vermögensverschiebung zugrunde liegenden rechtlichen Hand­ lung fehlerhaft ist, nicht vom Bereicherungsrecht selbst bestimmt wird. Das Berei­ cherungsrecht hält nur die Rechtsfolgen bereit, die beim Fehlen eines Behaltensgrun­ des eintreten sollen. Hier zeigt sich die Parallele zum Recht der Insolvenzanfech­ tung: Der primäre Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO regelt ebenfalls einzig die Rückgewährfolge der Insolvenzanfechtung, ohne jedoch dabei selbst die Voraussetzung der Insolvenzanfechtung und deren Wirkung auf die angefochtene Rechtshandlung zu bestimmen. Wie im Bereicherungsrecht der Grund für das Ein­ greifen des jeweiligen Kondiktionsanspruchs, die Fehlerhaftigkeit des rechtlichen Grundes, anhand allgemeiner gesetzlicher Regelungen zu bestimmen ist, muss im Rahmen der Insolvenzanfechtung deren Wirkung auf die angefochtene Rechtshand­ lung andernorts und nicht innerhalb von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO gesucht werden.

4.  Dingliche Herausgabeansprüche Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Ansprüchen, die sämtlich schuldrechtli­ cher Natur waren, werden im Folgenden dingliche Herausgabeansprüche behandelt. Der Grund für die angeordnete Herausgabe besteht hier in einem dinglichen Recht des Herausgabegläubigers an einer bestimmten Sache. Auch in der folgenden Unter­ suchung wird der Blick auf die Wirksamkeit derjenigen Rechtshandlung gerichtet, die dazu führt, dass eine bestimmte Sache nicht mehr unmittelbar im Vermögen des Herausgabegläubigers steht und deswegen mittels eines dinglichen Herausgabean­ spruchs wieder seinem Vermögen zugeführt werden soll.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

a)  Herausgabeanspruch des Eigentümers aus §  985 BGB §  985 BGB bestimmt, dass der Eigentümer vom Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen kann. Herauszugeben ist mithin der Besitz an der Sache.163 Da der Sach­ besitz für die in §  903 S.  1 BGB normierten Eigentümerbefugnisse oftmals von zen­ traler Bedeutung ist,164 stellt §  985 BGB eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung, mittels derer der Eigentümer gegen eine unbefugte Vorenthaltung oder Entziehung des ihm zustehenden Besitzes vorgehen kann.165 Sein historisches Vorbild hat §  985 BGB in der römisch-rechtlichen rei vindicatio.166 Grundlegende Voraussetzung für den Anspruch aus §  985 BGB ist, dass jemand eine fremde Sache in Besitz hat. Als Korrektiv für die bedingungslose Formulie­ rung des §  985 BGB fungiert §  986 Abs.  1 BGB:167 Damit eine Vindikationslage wirksam entstehen kann, darf der Besitzer kein Recht zum Besitz haben. Gemäß §  986 Abs.  1 S.  1 BGB kann deshalb ein Besitzer die Herausgabe der Sache an den Eigentümer verweigern, wenn ihm ein Recht zum Besitz zusteht. Im Rahmen von §§  985, 986 Abs.  1 S.  1 BGB ist somit zu prüfen, ob der An­ spruchsteller Eigentümer ist und ob dem Besitzer kein Recht zum Besitz an der Sache zusteht. Der Herausgabeanspruch ist damit in zwei Konstellationen nicht ge­ geben: Erstens, wenn der Anspruchsteller nicht (mehr) Eigentümer ist. Zweitens, wenn dem Besitzer im Verhältnis zum Eigentümer ein Recht zum Besitz im Sinne von §  986 Abs.  1 S.  1 BGB zusteht. Diese Prüfungspunkte weisen den Weg zu den relevanten rechtlichen Handlungen, die wirksam vorliegen müssen, damit ein Her­ ausgabeanspruch aus §  985 BGB nicht in Betracht kommt. So würde der Anspruch scheitern, wenn der Anspruchsteller nicht (mehr) Eigentümer wäre, also eine recht­ liche Handlung vorläge, die zu einem Eigentumsübergang der Sache auf eine ande­ re Person als den Anspruchsteller führt. Dies kann zum einen durch eine rechtsge­ schäftliche Eigentumsübertragung im Sinne einer Verfügung geschehen (§§  929 ff. BGB) und zum anderen durch eine Handlung, die zu einem gesetzlichen Eigen­ tumsverlust führt, wie durch eine Verarbeitung der Sache gemäß §  950 BGB. Ferner würde der dingliche Herausgabeanspruch gemäß §  986 Abs.  1 S.  1 BGB scheitern, wenn der Besitzer dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt wäre, was ins­ besondere durch einen wirksamen schuldrechtlichen Vertrag oder das Innehaben eines beschränkt dinglichen Rechts der Fall sein kann.168 163  Zur dogmatischen Einordung und Reichweite der Besitzherausgabe im Einzelnen siehe Gursky in: Staudinger, BGB, §  985 Rn.  59. 164  Baldus in: MüKo-BGB, §  985 Rn.  1; Englert in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  985 Rn.  1. 165  Baldus in: MüKo-BGB, §  985 Rn.  1; Ebbing in: Erman, BGB, Vor §§  985 ff. Rn.  1; Englert in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  985 Rn.  1; Gursky in: Staudinger, BGB, §  985 Rn.  1. 166  Baldus in: MüKo-BGB, Vor §  985 Rn.  6, §  985 Rn.  2; Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  985 Rn.  2. 167  Englert in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  986 Rn.  1. 168  Baldus in: MüKo-BGB, §  986 Rn.  10, 21; Englert in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB,

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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Wenn durch eine wirksame Rechtshandlung das Eigentum auf den Besitzer oder eine andere Person übergeht oder dem Besitzer ein Recht zum Besitz im Sinne von §  986 Abs.  1 S.  1 BGB verschafft wird, ist für den Herausgabeanspruch aus §  985 BGB kein Raum. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass §  985 BGB nur in den Fäl­ len Anwendung findet, in denen eine solche die derzeitige Besitzzuordnung recht­ fertigende Rechtshandlung nicht vorliegt. Unerheblich ist es hierbei, ob eine solche rechtliche Handlung von vornherein nicht vorlag wie im Falle des Diebstahls einer Sache oder nachträglich entfallen ist wie im Falle der wirksamen zivilrechtlichen Anfechtung einer Übereignung. In diesen Fällen ist der Anspruchsteller Eigentümer geblieben und vermag dadurch den Anspruch aus §  985 BGB geltend zu machen, falls dem Besitzer kein Recht zum Besitz zusteht. Bei einer Beendigung eines Miet­ vertrages etwa enfällt das zuvor bestehende Recht zum Besitz im Sinne von §  986 Abs.  1 S.  1 BGB, was zu einer Herausgabepflicht des nun unberechtigten Besitzers führt. In all diesen Fällen ordnet §  985 BGB gerade deshalb einen Herausgabean­ spruch an, da eine die Aufspaltung von Eigentum und Besitz auf verschiedene Per­ sonen rechtfertigende Rechtshandlung nicht (mehr) vorliegt. Es ist folglich auch im Rahmen von §  985 BGB zu konstatieren, dass die hier angeordnete Herausgabefolge nur dann eintritt, wenn die derzeitige Vermögenszu­ ordnung nicht durch eine wirksame Rechtshandlung, die zu einem Eigentumswech­ sel oder zur Begründung eines Besitzrechts im Sinne von §  986 Abs.  1 S.  1 BGB führt, gerechtfertigt ist. b)  Herausgabeanspruch des Pfandgläubigers aus §§  1227, 985 BGB Gemäß §  1227 BGB finden im Falle der Beeinträchtigung des Pfandrechts die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften Anwendung, womit unter anderem auf den Herausgabeanspruch aus §  985 BGB verwiesen wird.169 Das Pfandrecht ist ein dingliches Recht an einer fremden beweglichen Sache, das zur Sicherung einer Forderung dient und den Gläubiger dazu berechtigt, sich aus der belasteten Sache zu befriedigen.170 Entscheidendes Merkmal für die rechtsgeschäft­ liche Bestellung eines Pfandrechts, die in §  1205 BGB geregelt ist, ist neben der dinglichen Einigung die Übergabe des Besitzes an den Pfandgläubiger, was als so­

§  986 Rn.  3 f.; Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  986 Rn.  3 ff.; Schulte-Nölke in: Schulze, BGB, §  986 Rn.  3; Gursky in: Staudinger, BGB, §  986 Rn.  8. 169  Berger in: Jauernig, BGB, §  1227 Rn.  1; Damrau in: MüKo-BGB, §  1227 Rn.  1; Nobbe in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  1227 Rn.  2; J. Schmidt in: Erman, BGB, §  1227 Rn.  1, 3; Schulte-Nölke in: Schulze, BGB, §  1227 Rn.  1; Sosnitza in: BeckOK-BGB, §  1227 Rn.  2; Wiegand in: Staudinger, BGB, §  1227 Rn.  4. 170  Berger in: Jauernig, BGB, §  1204 Rn.  1; Damrau in: MüKo-BGB, §  1204 Rn.  1; Nobbe in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, Vorbem. vor §§  1204 ff. Rn.  1; J. Schmidt in: Erman, BGB, Einl §  1204 Rn.  4; Schulte-Nölke in: Schulze, BGB, Vor §  1204 Rn.  1; Sosnitza in: BeckOK-BGB, §  1204 Rn.  1; Wiegand in: Staudinger, BGB, §  1204 Rn.  2.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

genanntes Faustpfandrecht bezeichnet wird.171 Neben der rechtsgeschäftlichen Be­ stellung eines Pfandrechts können Pfandrechte auch als gesetzliche Pfandrechte und als Pfändungspfandrechte gemäß §  804 ZPO entstehen.172 Wird das Pfandrecht des Pfandgläubigers durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, steht ihm gemäß §§  1227, 985 BGB ein Herausgabean­ spruch gegen den Besitzer der Sache zu. Damit der Herausgabeanspruch wirksam besteht, müssen die oben beschriebenen Voraussetzungen des §  985 BGB vorliegen und zudem darf der Besitzer dem Pfandgläubiger gegenüber kein Recht zum Besitz gemäß §  986 BGB haben. Der Unterschied zur direkten Anwendung von §  985 BGB besteht darin, dass nicht die Eigentümerstellung des Anspruchsinhabers Tatbe­ standsvoraussetzung ist, sondern das Innehaben eines wirksamen Pfandrechts. Wie im Rahmen der Darstellung von §  985 BGB beschrieben wurde, besteht auch bei §§  1227, 985 BGB der Herausgabeanspruch nur dann, wenn die Besitzzuordnung zugunsten des Anspruchsgegners nicht durch eine wirksame Rechtshandlung ge­ genüber dem Pfandgläubiger gerechtfertigt ist. Das wäre dann der Fall, wenn der Besitzer durch eine Rechtshandlung im Sinne von §  986 Abs.  1 S.  1 BGB dem Pfandgläubiger gegenüber zum Besitz berechtigt wäre oder er das Eigentum an der Sache gutgläubig lastenfrei gemäß §  936 Abs.  1 S.  1 BGB erworben hätte, denn dann würde das Pfandrecht erlöschen und ein Herausgabeanspruch wäre nicht mehr notwendig, um die rechtmäßige Vermögenszuordnung herzustellen. Dass eine solche rechtfertigende rechtliche Handlung zur Vermeidung des Her­ ausgabeanspruchs notwendig ist, zeigt die Tatsache, dass der Pfandgläubiger die Herausgabe sogar vom Eigentümer verlangen kann.173 Selbst das Eigentumsrecht als umfassendes Herrschaftsrecht an einer Sache174 vermag einen Anspruch aus §§  1227, 985 BGB nicht abzuwehren. Nur dann, wenn die derzeitige Besitzsituation des Eigentümers durch ein zusätzliches Recht zum Besitz gegenüber dem Pfand­ gläubiger legitimiert ist, würde ein Herausgabeanspruch scheitern. Wie bereits aus­ geführt wurde, kann ein solches Recht zum Besitz nur durch eine wirksame Rechts­ handlung entstehen. Folglich steht auch dem Pfandgläubiger dann ein Herausgabe­ anspruch aus §§  1227, 985 BGB zu, wenn die derzeitige Vermögenszuordnung in Form des Besitzes nicht durch eine wirksame Rechtshandlung gedeckt ist.

171 

J. Schmidt in: Erman, BGB, §  1204 Rn.  2; Wiegand in: Staudinger, BGB, §  1204 Rn.  8. Beim Pfändungspfandrecht ist zu beachten, dass die Herausgabe des unmittelbaren Besit­ zes gemäß §§  804 II ZPO, 1227, 985 BGB nur an den Gerichtsvollzieher verlangt werden kann; siehe hierzu Becker in: Musielak/Voit, ZPO, §  804 Rn.  13; Fleck in: BeckOK-ZPO, §  804 Rn.  15; Kemper in: Saenger, ZPO, §  804 Rn.  8. 173  Damrau in: MüKo-BGB, §  1227 Rn.  1; Nobbe in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  1227 Rn.  2; J. Schmidt in: Erman, BGB, §  1227 Rn.  3; Schulte-Nölke in: Schulze, BGB, §  1227 Rn.  1; Sosnitza in: BeckOK-BGB, §  1227 Rn.  2; Wiegand in: Staudinger, BGB, §  1227 Rn.  4. 174  Lemke in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  903 Rn.  1; Schulte-Nölke in: Schulze, BGB, Vor §  903–924 Rn.  1; Seiler in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  903 ff. Rn.  6; Wilhelmi in: Erman, BGB, Vor §  903 Rn.  2. 172 

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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c)  Herausgabeanspruch des Besitzers aus §  861 Abs.  1 BGB Der Herausgabeanspruch des §  861 Abs.  1 BGB knüpft im Gegensatz zu den bisher behandelten dinglichen Herausgabeansprüchen nicht an ein dingliches Recht an, sondern alleine an den Besitz als die tatsächliche Gewalt über eine Sache.175 §  861 Abs.  1 BGB gewährt dem Besitzer, dessen Besitz durch verbotene Eigenmacht ge­ mäß §  858 BGB entzogen worden ist, einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes gegen den die verbotene Eigenmacht Ausübenden. §  861 Abs.  1 BGB ver­ pflichtet den Anspruchsgegner zur aktiven Wiederherstellung des alten Besitzstan­ des und ist somit als Herausgabeanspruch zu qualifizieren.176 Im Rahmen von §  861 Abs.  1 BGB, der einen sogenannten possessorischen An­ spruch darstellt,177 ist somit zu prüfen, ob der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden ist. Verbotene Eigenmacht liegt gemäß §  858 Abs.  1 Alt.  1 BGB vor, wenn der Besitz dem Besitzer ohne dessen Willen entzogen wird, sofern nicht das Gesetz diese Entziehung gestattet. Die Legaldefinition der verbotenen Eigen­ macht gibt somit vor, dass eine Handlung, die auf den derzeitigen Besitzstand durch Entziehung des Besitzes einwirkt, von Gesetzes wegen gestattet sein muss, damit verbotene Eigenmacht ausgeschlossen werden kann. Von Gesetzes wegen gestattet ist die Entziehung in den Fällen der §§  227 bis 229, 562b Abs.  1, 859 Abs.  2 bis 4, 904 bis 906 BGB sowie durch Vollstreckungsorgane im Wege der Zwangsvollstre­ ckung nach §§  758, 808 ff., 883 ZPO.178 Nur in Fallgestaltungen, in denen die Ent­ ziehung des Besitzes als rechtliche Handlung nicht gesetzlich gestattet ist, kommt ein Herausgabeanspruch aus §  861 Abs.  1 BGB in Betracht. Die gesetzliche Struk­ tur des §  861 Abs.  1 BGB zeigt, dass diese Anspruchsgrundlage mit der Zielset­ zung, die vormalige Vermögenszuordnung wiederherzustellen, nur dann zum Tra­ gen kommt, wenn die Handlung, die zur Entziehung des Besitzes führt, gesetzlich nicht anerkannt wird. d)  Herausgabeansprüche des früheren Besitzers aus §  1007 Abs.  1, 2 BGB §  1007 BGB enthält in seinen Absätzen 1 und 2 zwei auf Herausgabe gerichtete Anspruchsgrundlagen zugunsten des früheren Besitzers einer beweglichen Sache gegen den derzeitigen Besitzer.179 175  Zum Begriff des Besitzes und dessen Funktionen im Einzelnen Gutzeit in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  854 ff. Rn.  13 ff. 176  Gutzeit in: Staudinger, BGB, §  861 Rn.  3; Schneider, JR 1961, 367 (367), sieht die Herausga­ be als minus in der Rechtsfolge der Wiedereinräumung des Besitzes enthalten. 177  Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  861 Rn.  1; Gutzeit in: Staudinger, BGB, §  861 Rn.  1; Joost in: MüKo-BGB, §  861 Rn.  1; Lorenz in: Erman, BGB, §  861 Rn.  1; Prütting in: Prütting/Wegen/Wein­ reich, BGB, §  861 Rn.  1. 178  Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  858 Rn.  19; Joost in: MüKo-BGB, §  858 Rn.  9, 10; Lorenz in: Erman, BGB, §  858 Rn.  7; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  858 Rn.  6. 179  Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  1007 Rn.  21; Gursky in: Staudinger, BGB, §  1007 Rn.  1.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Die allgemein als gesetzgeberisch misslungen erachtete Norm hat in der Praxis eine nur geringe Bedeutung, da in den relevanten Fallgestaltungen bereits Ansprü­ che aus §  861 BGB und/oder §  985 BGB eingreifen.180 Von praktischer Relevanz wird §  1007 BGB dann, wenn ein Besitzer, der nicht zugleich Eigentümer einer be­ weglichen Sache ist, unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 die Herausga­ be der Sache verlangt.181 §  1007 Abs.  1 BGB gewährt einem früheren Besitzer einer beweglichen Sache einen Herausgabeanspruch, wenn der neue Besitzer bei Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Der gute Glaube muss sich hierbei nicht notwendigerweise auf die Eigentümerstellung bezüglich der Sache richten, sondern kann auch auf die Be­ sitzberechtigung gegenüber dem den Anspruch stellenden ursprünglichen Besitzer bezogen sein.182 Es lässt sich der Fall bilden, dass ein Entleiher einer beweglichen Sache diese seinerseits an einen Dritten weiterverleiht und dabei der zweite Leih­ vertrag unwirksam ist. Ist das dem Drittentleiher bereits bei Besitzübergabe be­ kannt, ist dieser bösgläubig, so dass §  1007 Abs.  1 BGB einschlägig ist. §  1007 Abs.  2 BGB gewährt dem früheren Besitzer einen Herausgabeanspruch auch gegen einen gutgläubigen Besitzer, falls ersterem die Sache im Sinne von §  935 BGB gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist. Es ist somit ein unfreiwilliger Verlust der unmittelbaren Sachherrschaft auf Seiten des früheren Besitzers notwendig.183 So kann im obigen Beispiel der Entleiher, dem die Leihsache gestohlen wurde, Herausgabe gemäß §  1007 Abs.  2 BGB von demjenigen verlangen, dem der Dieb die Sache unter Vorspiegelung eines eigenen Besitzrechts weiterverliehen hat. Der Anspruch entsteht jedoch nicht, wenn der neue Besitzer gleichzeitig Eigentümer der Sache ist oder dem neuen Besitzer die Sache seinerseits vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden gekommen ist. Beide Ansprüche sind gemäß §  1007 Abs.  3 S.  2 BGB insbesondere dann ausge­ schlossen, wenn dem neuen Besitzer gegenüber dem Altbesitzer ein Recht zum Be­ sitz im Sinne von §  986 BGB zusteht. In einem solchen Fall wäre §  1007 Abs.  1 BGB tatbestandlich ausgeschlossen, da dann auf Seiten des neuen Besitzers regelmäßig Gutgläubigkeit vorliegen würde.184 §  1007 BGB zeigt, dass auch hier der Besitzerlangung eine wirksame rechtliche Handlung zugrunde liegen muss, damit die neue Vermögenszuordnung nicht durch einen Herausgabeanspruch zugunsten des Altbesitzers revidiert wird. Dem Besit­ zer, der bei Erlangung des Besitzes in bösem Glauben hinsichtlich seines eigenen Besitzrechts ist, steht auf rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Ebene kein Besitz­ 180  Baldus in: MüKo-BGB, §  1007 Rn.  1, 8, 49; Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  1007 Rn.  1; Gur­ sky in: Staudinger, BGB, §  1007 Rn.  7 ff. 181  Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  1007 Rn.  1. 182  Baldus in: MüKo-BGB, §  1007 Rn.  31; Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  1007 Rn.  8; Gursky in: Staudinger, BGB, §  1007 Rn.  17. 183  Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  1007 Rn.  11. 184  Fritzsche in: BeckOK-BGB, §  1007 Rn.  19.

III.  Einzelne Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

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recht zu, auf das sich seine Besitzerlangung stützen kann. Einem gutgläubigen Be­ sitzer hingegen wird regelmäßig ein Besitzrecht im Sinne von §  986 BGB zustehen, so dass hier eine wirksame rechtliche Handlung der Besitzerlangung zugrunde liegt. Für den Fall, dass dem gutgläubigen Besitzer tatsächlich kein Besitzrecht zu­ stehen sollte, etwa weil er die Unwirksamkeit des Leihvertrages bei Besitzübergabe nicht kannte, verleiht der gute Glaube an sein Besitzrecht der Besitzergreifung inso­ weit Wirksamkeit, als dass ein Besitzherausgabeanspruch gegen ihn aus §  1007 Abs.  1 BGB nicht gerechtfertigt ist. Es liegt hier also im Verhältnis zum ursprüng­ lichen Besitzer eine aufgrund der Gutgläubigkeit wirksame Besitzergreifung vor. Wenn die Sache jedoch im Sinne von §  935 BGB abhanden gekommen ist, vermag auch eine Gutgläubigkeit der Besitzerlangung nicht zur Wirksamkeit zu verhelfen, da aufgrund der Unfreiwilligkeit des Besitzverlusts dann das Bestandsinteresse des Altbesitzers das Behaltensinteresse des Neubesitzers übersteigt und eine dauerhafte Beständigkeit der Besitzergreifung verhindert.185 Nur wenn dem neuen Besitzer tat­ sächlich ein wirksames Recht zum Besitz gemäß §  986 BGB zusteht, kann er dieses dem Altbesitzer gemäß §  1007 Abs.  3 S.  2 BGB entgegenhalten. In dem Fall liegt der Besitzerlangung wieder eine wirksame rechtliche Handlung zugrunde, die das Bewahrungsinteresse an seinem aktuellen Besitzstand gegen das Wiedererlan­ gungsinteresse des Altbesitzers überwiegen lässt. Das Wechselspiel in §  1007 BGB zwischen Gutgläubigkeit, Bösgläubigkeit, Ab­ handenkommen und tatsächlichem Besitzrecht des Neubesitzers zeigt, dass nur der durch eine gesetzlich anerkannte und damit wirksame Rechtshandlung erlangte Be­ sitz vor einem Herausgabeanspruch aus §  1007 BGB geschützt ist.

5.  Herausgabeanspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer aus §  2018 BGB Gemäß §  2018 BGB steht dem Erben ein Herausgabeanspruch gegen denjenigen zu, der aufgrund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat. Das ist der sogenannte Erbschaftsbesitzer. Aufgrund des Prinzips der Universalsukzession, das in §  1922 BGB seinen ge­ setzlichen Niederschlag gefunden hat, wird der Erbe mit dem Erbfall automatisch Inhaber des Vermögens des Erblassers und tritt somit ohne weitere Zwischenschrit­ te in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers ein.186 Erlangt ein Dritter auf­ grund eines angemaßten Erbrechts etwas aus der Erbschaft, steht dem rechtmäßigen 185  Für das Eigentumsrecht siehe Oechsler in: MüKo-BGB, §  935 Rn.  1; Wiegand in: Staudin­ ger, BGB, §  935 Rn.  1; Kindl in: BeckOK-BGB, §  935 Rn.  1; Prütting in: Prütting/Wegen/Wein­ reich, BGB, §  935 Rn.  1. 186  Zum Grundsatz der Universalsukzession siehe Leipold in: MüKo-BGB, §  1922 Rn.  117 ff.; Marotzke in: Staudinger, BGB, §  1922 Rn.  44 ff.; Müller-Christmann in: BeckOK-BGB, §  1922 Rn.  17.

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

Erben der Anspruch aus §  2018 BGB zur Verfügung, mit dem er Herausgabe des aus der Erbschaft Erlangten verlangen kann, um damit seinem wahren Erbrecht Gel­ tung zu verschaffen. Aufgrund der durch die Universalsukzession erlangten Stel­ lung als Inhaber aller durch den Erbfall angefallenen Rechte vermag der Erbe die Herausgabe zwar auch auf dem Wege über die ihm als Eigentümer und Besitzer (§  857 BGB) gemäß §§  985, 861, 1007, 812 BGB zustehenden Einzelherausgabe­ ansprüche zu verwirklichen,187 was den Herausgabeanspruch aus §  2018 BGB über­ flüssig erscheinen lässt.188 Gegenüber den genannten Einzelherausgabeansprüchen wird der Erbe jedoch durch §  2018 BGB dadurch privilegiert, dass es sich hierbei um einen Gesamtanspruch189 handelt. Die Rechtsverfolgung des Erben wird erleich­ tert, indem er auf die Erhebung von Einzelansprüchen verzichten kann und stattdes­ sen mittels des Gesamtanspruchs alles herausverlangen kann, was der Erbschafts­ besitzer aufgrund seines vermeintlichen Erbrechts erlangt hat.190 Er muss hierbei nicht darlegen, welches Recht dem Erblasser genau an einem einzelnen Gegenstand zustand, sondern nur, dass er selbst Erbe wurde und der Anspruchsgegner etwas aus dem Nachlass erlangt hat.191 Wenn man den Grund für die Normierung des Gesamtherausgabeanspruchs aus §  2018 BGB untersucht, kann man auch an dieser Stelle erkennen, dass es an einer wirksamen rechtlichen Handlung fehlt, die den Erbschaftsbesitzer zum Behalten­ dürfen des Erlangten legitimiert. Im Rahmen des Erbfalls vermag nur der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge oder eine wirksame gewillkürte Erbfolge im Sinne eines Testaments zum Eintritt in die Rechte und Pflichten mittels Universalsukzession führen. Die rechtliche Handlung, die im Rahmen des §  2018 BGB über das Behal­ tendürfen der Erbschaft entscheidet, ist somit die Begründung der Erbenstellung: Wer Erbe geworden ist, dem steht der Herausgabeanspruch gemäß §  2018 BGB zu. Derjenige, der nicht Erbe geworden ist, etwa aufgrund der Unwirksamkeit eines Testaments oder weil er nicht wirksam zur gesetzlichen Erbfolge berufen ist, ist zur Herausgabe verpflichtet.

187  Gursky in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  2018–2031 Rn.  3; Helms in: MüKo-BGB, §  2018 Rn.  2; Horn in: Erman, BGB, Vor §  2018 Rn.  3; Müller-Christmann in: BeckOK-BGB, §  2018 Rn.  2. 188  Helms in: MüKo-BGB, §  2018 Rn.  2; so im Ergebnis auch Müller-Christmann in: BeckOKBGB, §  2018 Rn.  2, der den Erben in der Regel nicht auf den Anspruch aus §  2018 BGB angewiesen sieht. 189  Gursky in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  2018‒2031 Rn.  5; Helms in: MüKo-BGB, §  2018 Rn.  1; Horn in: Erman, BGB, Vor §  2018 Rn.  1; Müller-Christmann in: BeckOK-BGB, §  2018 Rn.  1; Zimmer in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  2018 Rn.  1, 15. 190  Gursky in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  2018‒2031 Rn.  5; Helms in: MüKo-BGB, §  2018 Rn.  1, 5; Müller-Christmann in: BeckOK-BGB, §  2018 Rn.  4. 191  Gursky in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  2018‒2031 Rn.  5; Helms in: MüKo-BGB, §  2018 Rn.  5; Müller-Christmann in: BeckOK-BGB, §  2018 Rn.  4.

IV. Zusammenfassung

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IV.  Zusammenfassung Die Untersuchung der zivilrechtlichen Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabe­ ansprüche hat gezeigt, dass eine Rückführung des aus dem Vermögen des Anspruch­ stellers ausgeschiedenen Gegenstandes durch den Schuldner nur dann gerechtfertigt ist, wenn die der Vermögensverschiebung zugrunde liegende Rechtshandlung in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt ist. Abhängig von den Tatbestandsvoraussetzun­ gen der jeweiligen Anspruchsgrundlage, der schuldrechtlichen oder dinglichen Qua­ lität der Ansprüche und der rückgängig zu machenden Art der Vermögensverschie­ bung (Eigentumsverschiebung, bloßer Besitzwechsel) kann es sich bei dieser recht­ lichen Handlung um eine Eigentumsübertragung, einen schuldrechtlichen Vertrag, eine Zweckabrede oder die bloße Besitzergreifung/-übertragung handeln. Nur wenn diese rechtliche Handlung volle Wirksamkeit entfaltet, ist die durch sie entstandene Rechtsfolge in der Vermögenszuordnung dauerhaft beständig. Andernfalls ist ein Eingriff in die Vermögenszuordnung gerechtfertigt und geboten, um den Wirksam­ keitsmangel der Rechtshandlung zu beheben. Dabei ist in den weit überwiegenden Fällen zu konstatieren, dass die in Frage stehende Rechtshandlung ihrer Wirksam­ keit gänzlich entbehrt. Hierbei sind lediglich zwei Ausnahmen zu beobachten: Im Rahmen des Rücktritts und des Widerrufs wird das zugrunde liegende Ver­ tragsverhältnis nicht unwirksam, sondern wandelt sich zu einem Rückgewähr­ schuldverhältnis um. Gleichwohl ist es auch hier so, dass der Behaltensgrund für die erhaltene Leistung als solcher in seiner ursprünglichen Form nicht mehr existiert. Durch die Transformation in ein Rückgewährschuldverhältnis wird dem ursprüng­ lichen Vertrag die rechtfertigende Wirkung hinsichtlich der jetzigen Vermögenszu­ ordnung genommen, was den Weg für den Rückgewähranspruch aus §  346 Abs.  1 BGB ebnet. §  822 BGB ordnet im Gegensatz zu den übrigen bereicherungsrechtlichen Her­ ausgabeansprüchen eine Herausgabe an, obwohl zwischen dem Dritten und dem ursprünglichen Bereicherungsschuldner ein (unentgeltlicher) Rechtsgrund zum Be­ haltendürfen vorliegt. Das Gesetz behilft sich hier mit einer Fiktion, um den Dritten so zu stellen, als ob dieser direkt aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers rechtsgrundlos bereichert wäre. Die tatsächlich vorliegende Causa zwischen dem ursprünglichen Bereicherungsschuldner und dem Dritten wird dabei als nicht exis­ tent behandelt. Gerade die Konstruktion mittels einer gesetzlichen Fiktion zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nur bei einer fehlenden wirksamen Rechtshandlung als Grundlage der Vermögensverschiebung eine Herausgabe ge­ rechtfertigt ist. Mit Hilfe dieser Fiktion wird §  822 BGB in die Struktur der übrigen Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche eingepasst. Die vorstehende Untersuchung belegt, dass sämtlichen Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüchen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein einheitliches Prinzip zugrunde liegt. Nur in den Fällen, in denen eine Vermögensverschiebung nicht durch eine wirksame rechtliche Handlung legitimiert wird, ist eine Rückge­

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§  4  Zivilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche

währ, Rückgabe oder Herausgabe des aus dem Vermögen des Rückgewähr-, Rück­ gabe- oder Herausgabegläubigers ausgeschiedenen Gegenstandes gerechtfertigt. Die rechtliche Konstruktion der Ansprüche aus §§  346, 357 BGB und §  822 BGB belegt diesen Befund. Hier wird durch die Konstruktion einer Transformation des Vertragsverhältnisses respektive durch das Aufstellen einer rechtlichen Fiktion der Verlust der legitimierenden Wirkung der Rechtshandlung als Behaltensgrund hin­ sichtlich der Vermögensübertragung erreicht.

V.  Auswirkungen auf die Insolvenzanfechtung Da die Insolvenzanfechtung die Rechtsfolge der Rückgewähr in §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ausspricht und damit eine Rückführung eines aus dem Vermögen des Insol­ venzschuldners ausgeschiedenen Gegenstandes anordnet, wird eine Rechtsfolge bereitgehalten, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch an den unterschiedlichsten Stel­ len ebenfalls ausgesprochen wird. Die Untersuchung zivilrechtlicher Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche hat gezeigt, dass den Ansprüchen ein einheit­ liches Prinzip zugrunde liegt. Dieses besteht darin, dass der rechtlichen Handlung, die zu der zu negierenden Vermögensverschiebung geführt hat, stets ein Wirksam­ keitsmangel innewohnen muss, um eine Rückführung des Gegenstandes zu recht­ fertigen. Im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts sind keine Gründe ersichtlich, die zu der Annahme führen, dass bei dem Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO eine Durch­ brechung dieses Prinzips vorliegt. Auch bei §  143 Abs.  1 S.  1 InsO soll eine Vermö­ gensverschiebung rückgängig gemacht werden, die auf einer bestimmten Rechts­ handlung beruht. Nach der Struktur des dargestellten Prinzips ist das jedoch nur dann möglich, wenn ein Grund zur Rechtfertigung der Vermögensverschiebung nicht besteht. Der rechtfertigende Grund zur Beibehaltung des status quo der Ver­ mögenszuordnung ist darin zu sehen, dass die rechtliche Handlung, die der Ver­ schiebung zugrunde liegt, wirksam ist. Da der Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO die Anfechtung einer rechtlichen Handlung gemäß §§  129 ff. InsO zur Voraussetzung hat, muss die An­ fechtung der Handlung Auswirkungen auf deren Wirksamkeit haben. Nur im Fall der Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung ist nach dem aufgezeigten Prinzip eine Rückgewähr des Gegenstandes in die Insolvenzmasse gerechtfertigt. Gegen die Annahme einer Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung wird eingewendet, dass durch die Insolvenzanfechtung nur die herbeigeführte Wir­ kung in Form des Nachteils im haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners ange­ griffen und beseitigt werden soll. Die anfechtbare Rechtshandlung sei demgegen­ über nur ein Tatbestandsmerkmal der Anfechtung und nicht deren Bezugspunkt.192 192 

Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  21; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129

V.  Auswirkungen auf die Insolvenzanfechtung

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Dieser Einwand vermag nicht zu überzeugen. Hierdurch würde das im Insol­venz­ anfechtungsrecht zentrale Element der Rechtshandlung zum bloßen Mittel zum Zweck der Erreichung des Anfechtungserfolges herabgestuft werden. Auch bei den dargestellten zivilrechtlichen Ansprüchen ist die Rückgängigmachung von Vermö­ gensverschiebungen das Ziel. Man könnte folglich auch dort einwenden, dass diese Anspruchsgrundlagen keine Beeinflussung der Wirksamkeit der fraglichen Rechts­ handlungen benötigen. Hier stellt jedoch niemand infrage, dass den Ansprüchen ein Wirksamkeitsmangel der rechtlichen Handlung zugrunde liegt. Weshalb das bei der Insolvenzanfechtung anders sein soll und gerade hier die anfechtbare Rechtshand­ lung lediglich als einfaches Tatbestandsmerkmal – quasi als vernachlässigbarer Ap­ pendix – zu qualifizieren sein soll, lässt sich nicht begründen. Im Gegenteil kann man mit der zivilrechtlichen Struktur des Insolvenzanfechtungsrechts zu dem Er­ gebnis gelangen, dass die Insolvenzanfechtung Auswirkungen auf die Wirksamkeit der rechtlichen Handlung haben muss, damit §  143 Abs.  1 S.  1 InsO parallel zu den erörterten zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen eine Rückgängigmachung der gläubigerschädigenden Vermögensverschiebung rechtfertigen kann.

Rn.  35; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  108; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  124 ff.; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  99; Zenker in: Handbuch Insolvenzrecht, Kapitel 9 Rn.  20, 38; Zeuner, Anfechtung, Rn.  30; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  31; inkonse­ quent ist diesbezüglich der Bundesgerichtshof: Einerseits soll Gegenstand der Anfechtung sein „[…] die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung verursacht wird“, BGHZ 147, 233 (236); BGH NZI 1999, 152 (153); andererseits wird davon gesprochen, dass „[…] eine auf Abschluss eines gegenseitigen Vertrages gerichtete Willenserklärung […] angefochten“ wird, BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); BGH WM 2012, 2340 (2342); BGH NZI 2012, 562 (564).

§  5  Vergleich der Insolvenzanfechtung mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen Dem Wortlaut des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO lässt sich keine Antwort auf die Frage, in welcher Form die Wirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung im Einzelnen von der Insolvenzanfechtung tangiert wird, entnehmen. Das ist auch bei den unter­ suchten zivilrechtlichen Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausansprüchen nicht der Fall. So beantworten weder der Rückgewähranspruch aus §  346 Abs.  1 BGB noch die Bereicherungsansprüche aus §§  812 ff. BGB noch der Herausgabeanspruch aus §  985 BGB noch der Erbschaftsherausgabeanspruch aus §  2018 BGB die Frage, weshalb die jeweilige zur Vermögensverschiebung führende Rechtshandlung als Behaltensgrund unwirksam ist. Diese Frage ist vielmehr mit Hilfe der Vorschriften zu klären, die sich direkt auf die Wirksamkeit von Rechtshandlungen auswirken wie §§  104 f. BGB, §  142 BGB, §  138 BGB und §  323 BGB und die damit ihrerseits erst den Weg zu den behandelten Anspruchsgrundlagen ebnen. Die Normen, die im Recht der Insolvenzanfechtung Einfluss auf die Wirksamkeit der rechtlichen Hand­ lung haben, sind demzufolge nicht in der Rechtsfolgenregelung des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zu finden, sondern in den einzelnen Anfechtungstatbeständen der §§  129 ff. InsO. Analog zu den Vorschriften der §§  104 f. BGB, §  142 BGB, §  138 BGB und 323 BGB führt erst die Erfüllung der einzelnen Anfechtungstatbestände zur Rechts­ folge, also zu dem Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO. Im Bereich der Insolvenzanfechtung besteht die besondere Problematik darin, dass der Einfluss der Anfechtung gemäß §§  129 ff. InsO auf die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung nicht geklärt und äußerst umstritten ist.1 Der Wort­ laut der Grundsatznorm des §  129 Abs.  1 InsO kann diese Frage aufgrund seines geringen Aussagegehalts nicht erhellen, da dort nur abstrakt von der Möglichkeit der Anfechtung gesprochen wird, ohne dass deren genaue Wirkungsweise erläutert wird.2 Gleich verhält es sich mit den einzelnen Anfechtungstatbeständen, die nur die konkreten Fallgestaltungen regeln, bei deren Vorliegen Rechtshandlungen an­ fechtbar sind. Nähere Regelungen zur Wirkungsweise der Anfechtung sind auch dort nicht zu finden. Auch die Hinzuziehung der Gesetzesmaterialien zur Insolvenz­ ordnung und deren Vorgängergesetz, der Konkursordnung, sind aufgrund von deren

1  2 

Zum Theorienstreit siehe S.  14 ff. Siehe S.  22.

I.  Die Vergleichsnormen im Überblick

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Widersprüchlichkeit und konträrer Auslegung durch die Literatur nicht dazu geeig­ net, eine klare Antwort auf diese Frage zu geben.3 Es erscheint daher sinnvoll, einen Vergleich der Insolvenzanfechtungsvorschrif­ ten mit denjenigen Normen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch durchzuführen, die einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Rechtshandlungen haben. Wenn man im Rahmen dieser Untersuchung eine Wesensverwandtschaft der Insolvenzanfechtung mit einer dieser Normen(-gruppen) aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch nachweisen kann, ergeben sich daraus Rückschlüsse, die dazu führen, die genaue Wirkungswei­ se der Insolvenzanfechtung bestimmen zu können.

I.  Die Vergleichsnormen im Überblick Bevor ein inhaltlicher Vergleich der Insolvenzanfechtung mit einzelnen zivilrecht­ lichen Normen durchgeführt wird, muss zunächst bestimmt werden, welche Nor­ men überhaupt für einen solchen Vergleich in Betracht kommen. Mit dem bei der Untersuchung der Prinzipien der Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche gefundenen Ergebnis4 kommen überhaupt nur solche Nor­ men in Betracht, die einen wie auch immer gearteten Einfluss auf die Wirksamkeit bestimmter Rechtshandlungen haben. Ob dieser Einfluss in Form einer Unwirksam­ keit oder lediglich einer inhaltlichen Veränderung der Rechtshandlung besteht, spielt bei der Vorauswahl der Vergleichsnormen zunächst keine Rolle. Es kann sich erst im direkten Vergleich dieser Normen mit der Insolvenzanfechtung herausstel­ len, inwieweit hier der Einfluss auf die Wirksamkeit der angefochtenen Rechtshand­ lung ausfällt. Was jedoch bereits bei der Vorauswahl der Vergleichsnormen beachtet werden muss, ist die Tatsache, dass durch die Insolvenzanfechtung nicht nur ganz be­ stimmte Rechtshandlungen betroffen sind, sondern eine mannigfaltige Auswahl an Rechtshandlungen,5 darunter insbesondere Verpflichtungs- und Verfügungsge­ schäfte.6 Aufgrund der großen Bandbreite an Rechtshandlungen, die von der Insol­ venzanfechtung betroffen sein können, sind diejenigen Normen aus dem Bürgerli­ chen Gesetzbuch als Vergleichsnormen auszuscheiden, die nur auf die Wirksam­ keit einzelner, ganz bestimmter Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte Einfluss nehmen. Zu nennen sind hier insbesondere Normen, welche die Kündigung von einzelnen Dauerschuldverhältnissen betreffen wie etwa §§  542, 543 BGB bezüg­ 3 

Siehe S.  23 ff. Siehe S.  79 f. 5  BT-Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  337; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10. 6  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  23, 24; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  103; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  11, 14; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  12; Nerlich in: Nerlich/ Römermann, InsO, §  129 Rn.  34, 38; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 4 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

lich der Kündigungsmöglichkeit des Mietvertrags. Da diese Normen auf einzelne, spezielle Vertragsarten zugeschnitten sind, ist eine Inbezugsetzung zur Insol­venz­ anfechtung, die für eine Vielzahl an Rechtshandlungen anwendbar ist, nicht sinn­ voll. Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, die sich auf die Wirksamkeit nicht nur ganz bestimmter Rechtshandlungen auswirken und somit als Vergleichs­ normen in Betracht kommen, sind demnach die Vorschriften über die Geschäftsun­ fähigkeit gemäß §§  104 f. BGB, die Anfechtung von Willenserklärungen gemäß §§  119 ff., 142 f. BGB, die Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften aufgrund Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß §  138 Abs.  1 BGB sowie die Vorschriften über den Rücktritt von gegenseitigen Verträgen gemäß §§  323 ff. BGB. Untersucht werden soll, ob die Insolvenzanfechtung strukturelle Gemeinsamkei­ ten mit einer dieser Normgruppen in solchem Maß aufweist, dass deren Rechtsfol­ gen auf die Insolvenzanfechtung übertragen werden können und im Übrigen keine grundlegenden Erwägungen gegen eine solche Schlussfolgerung sprechen.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen 1.  Die Geschäftsunfähigkeit Wenn man sich mit zivilrechtlichen Normen beschäftigt, welche die generelle Nich­ tigkeit einer Rechtshandlung zur Folge haben, so wird man zunächst den Blick auf die grundlegenden Voraussetzungen von Rechtsgeschäften und rechtsgeschäfts­ ähnlichen Handlungen richten. Das ist neben der Rechtsfähigkeit der handelnden Personen, also der Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein,7 die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens8 und auch eine erfolgte Insolvenzanfech­ tung unstreitig nicht tangiert wird, die Geschäftsfähigkeit. Von der Geschäftsfähig­ keit als derjenigen Fähigkeit, allgemein zulässige Rechtsgeschäfte selbstständig wirksam vornehmen zu können,9 wird von Gesetzes wegen grundsätzlich bei jeder natürlichen Person ausgegangen,10 weshalb das Bürgerliche Gesetzbuch in §  104 7  Bamberger in: BeckOK-BGB, §  1 Rn.  2; Dörner in: Schulze, BGB, §  1 Rn.  2; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  1 Rn.  1; Kannowski in: Staudinger, BGB, §  1 Rn.  1; Prütting in: Prütting/We­ gen/Weinreich, BGB, §  1 Rn.  7; J. Schmitt in: MüKo-BGB, §  1 Rn.  6. 8  Kroth in: Braun, InsO, §  80 Rn.  12; Wimmer-Amend in: FK-InsO, §  80 Rn.  20; Wittkowski/ Kruth in: Nerlich/Römermann, InsO, §  80 Rn.  18. Diese Ausführungen beziehen sich jeweils auf die Wirkungen des §  80 InsO. Die Insolvenzanfechtung hat jedoch ebenso wenig Einfluss auf die Fähigkeit des Insolvenzschuldners, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. 9  Dörner in: Schulze, BGB, Vor §§  104–113 Rn.  2; Ellenberger in: Palandt, BGB, Einf v §  104 Rn.  2; Knothe in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  104–115 Rn.  1; J. Schmitt in: MüKo-BGB, §  104 Rn.  1; Völzmann-Stickelbrock in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  104 Rn.  1; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  104 Rn.  1. 10  BAG NJW 1994, 2501 (2502); Knothe in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  104–115 Rn.  6;

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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BGB nur in negativer Form regelt, wann eine natürliche Person nicht geschäftsfähig ist. Die Folge der fehlenden Geschäftsfähigkeit ist gemäß §  105 Abs.  1 BGB die Nichtigkeit von Willenserklärungen, die von dem Geschäftsunfähigen abgegeben werden. Es gilt die Frage zu klären, ob die §§  129 ff. InsO als Spezialnormen zu §§  104 f. BGB anzusehen sind mit der Folge, dass die Insolvenzanfechtung Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Insolvenzschuldners und anderer von der Insolvenzanfech­ tung betroffener Personen hat. Durch die Geschäftsunfähigkeit des Insolvenz­ schuldners oder eines Dritten würden deren Willenserklärungen, die zu einer gläu­ bigerschädigenden Vermögensverschiebung geführt haben, die Wirksamkeit ge­ nommen werden. Die Unwirksamkeit einer zu einer Vermögensverschiebung führenden Willenserklärung würde zur Rückgewährfolge des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO führen. Sollte sich danach die Unwirksamkeit auf eine Willenserklärung be­ ziehen, die einem Verfügungsgeschäft zugrunde liegt, wäre das Verfügungsge­ schäft unwirksam, was einen dinglichen Herausgabeanspruch zur Folge hätte. Einer solchen Annahme stehen indes mehrere grundlegende Einwände entgegen: a)  Umkehrschluss aus §  80 Abs.  1 InsO Schon §  80 Abs.  1 InsO, durch den der Übergang der Verwaltungs- und Verfü­ gungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners ab Verfahrenseröff­ nung auf den Insolvenzverwalter angeordnet wird, führt nicht zum Wegfall der Ge­ schäftsfähigkeit des Insolvenzschuldners.11 Wenn selbst nach Verfahrenseröffnung der Insolvenzschuldner geschäftsfähig bleibt, kann der Insolvenzanfechtung erst recht keine Auswirkung auf die Geschäftsfähigkeit für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuerkannt werden. b) Schutzzwecke Desweiteren liegt eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der gesetzgeberischen Wertun­ gen, die hinter der Geschäftsunfähigkeit gemäß §§  104 f. BGB und der Insolvenzan­ fechtung gemäß §§  129 ff. InsO stehen, nicht vor. Während die Unwirksamkeitsfolge aufgrund von Geschäftsunfähigkeit einer Si­ cherung der Funktionsfähigkeit der Privatautonomie12 sowie dem Schutz des Ge­ schäftsunfähigen, dem eine auf freien Entschlüssen basierende Willensbildung

Völzmann-Stickelbrock in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  104 Rn.  1; Wendtland in: BeckOKBGB, §  104 Rn.  1. 11  RGZ 29, 29 (32 ff.); Mock in: Uhlenbruck, InsO, §  80 Rn.  14; Ott/Vuia in: MüKo-InsO, §  80 Rn.  11; Wimmer-Amend in: FK-InsO, §  80 Rn.  20; Wittkowski/Kruth in: Nerlich/Römermann, InsO, §  80 Rn.  18. 12  Knothe in: Staudinger, BGB, Vor §§  104–115, Rn.  19.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

nicht möglich ist,13 dient, ist es das zentrale Anliegen der Insolvenzanfechtung, die par conditio creditorum durchzusetzen.14 Man könnte gleichwohl annehmen, dass die zivilrechtlichen Regelungen bezüg­ lich der Geschäftsunfähigkeit neben dem Schutz des Geschäftsunfähigen im beson­ deren Fall von dessen Insolvenz15 auch den Schutz seiner Insolvenzgläubiger be­ zwecken: §  105 Abs.  1 BGB führt zur Unwirksamkeit der Willenserklärung des Geschäftsunfähigen. Der Geschäftsunfähige wird dementsprechend gehindert, zum Nachteil späterer Insolvenzgläubiger rechtsgeschäftlich Verbindlichkeiten ein­ zugehen und rechtsgeschäftlich über sein Vermögen zu verfügen. Somit wird dies­ bezüglich eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ausgeschlossen. Das könnte für eine Vergleichbarkeit mit dem Schutzzweck der Insolvenzanfechtung sprechen. Indes ist der Schutz der par conditio creditorum von den §§  104 f. BGB nicht in­ tendiert. Das lässt sich daran erkennen, dass sämtliche Willenserklärungen des Ge­ schäftsunfähigen aufgrund der Regelung des §  105 Abs.  1 BGB von der Nichtigkeit umfasst sind16 und nicht nur solche, die eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge haben, was gemäß §  129 Abs.  1 InsO eine wesentliche Voraussetzung der Insolvenz­ anfechtung ist. Es kommt also für die Anwendbarkeit von §  105 Abs.  1 BGB nicht darauf an, ob durch die Willenserklärung eine Gläubigerbenachteiligung erreicht wird. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass auch eine Willenserklärung des Ge­ schäftsunfähigen, die für die Insolvenzgläubiger vorteilhaft ist, weil sie auf ein für die Masse günstiges Geschäft bezogen ist, von der Unwirksamkeit umfasst ist. §§  104 f. BGB vermögen also unter Umständen sogar eine möglichst hohe Gläubiger­ befriedigung zu verhindern, was dem Schutzzeck von §§  129 ff. InsO zuwider läuft. Dass die Unwirksamkeit der Willenserklärung im Einzelfall dazu führen kann, dass ein gläubigerbenachteiligendes Rechtsgeschäft nicht zustande kommt und da­ mit rein faktisch ein Schutz für die Insolvenzgläubiger eintritt, ist Zufall und nicht Zweck von §§  104 f. BGB. Man kann von einer Art unbeabsichtigter Reflexwirkung im Fall der Insolvenz des Geschäftsunfähigen sprechen. Am eigentlichen Schutzzweck der Regelungen bezüglich der Geschäftsunfähigkeit und dessen Di­ vergenz zum Schutzzweck der Insolvenzanfechtung ändert dieser Reflex jedoch nichts. Das spricht gegen eine Vergleichbarkeit beider Rechtsinstitute.

13  Knothe in: Staudinger, BGB, Vor §§  104–115, Rn.  20; J. Schmitt in: MüKo-BGB, Vor §  104 f. Rn.  2; Völzmann-Stickelbrock in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  104 Rn.  2. 14  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  1 f. 15  Die Geschäftsunfähigkeit ändert nichts an der Insolvenzfähigkeit, Mönning in: Nerlich/ Römermann, InsO, §  11 Rn.  11; Prütting in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  11 Rn.  9. 16  Knothe in: Staudinger, BGB, §  105 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  105 Rn.  2; J. Schmitt in: MüKo-BGB, §  105 Rn.  8; Völzmann-Stöckelbrock in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  105 Rn.  1.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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c)  Tatbestandliche Reichweite Neben einer Gläubigerbenachteiligung müssen Rechtshandlungen weitere, eng ge­ steckte Kriterien erfüllen, um der Insolvenzanfechtung zu unterfallen. Nur solche Rechtshandlungen, welche die besonderen Voraussetzungen der einzelnen Anfech­ tungstatbestände der §§  130 ff. InsO erfüllen, sind anfechtbar. Speziell sind hier die verschiedenen subjektiven Voraussetzungen zu nennen. Die anfechtbaren Rechts­ handlungen sind somit durch §§  130 ff. InsO präzise gesetzlich umrissen und müs­ sen gemäß §  129 Abs.  1 InsO stets zu einer Gläubigerbenachteiligung führen. Im Umkehrschluss unterliegen alle anderen Rechtshandlungen nicht der Anfechtung, weshalb davon gesprochen werden kann, dass der Insolvenzanfechtung nur ein ge­ setzlich stark eingeschränktes Anwendungsfeld zur Verfügung steht. Demgegenüber wirkt die fehlende Geschäftsfähigkeit gemäß §  105 Abs.  1 BGB universell auf sämtliche Willenserklärungen des Geschäftsunfähigen ein. Die rigo­ rose Unwirksamkeitsfolge des §  105 Abs.  1 BGB macht keinerlei Unterschiede hin­ sichtlich der Art der Willenserklärungen sowie den durch sie bezweckten Absichten oder Folgen.17 Die Regelungen bezüglich der Geschäftsunfähigkeit haben damit eine viel größere tatbestandliche Reichweite als diejenigen hinsichtlich der Insol­ venzanfechtung. Dieser Unterschied hat seine Grundlage in der oben beschriebe­ nen, anders gelagerten Schutzrichtung beider Rechtsinstitute. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Insolvenzanfechtung zu einer Art partiellen Geschäftsunfähigkeit hinsichtlich der in §§  129 ff. InsO normierten Tat­ bestände führen sollte, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche partielle Ge­ schäftsunfähigkeit wird nur in wenigen Ausnahmefällen für zulässig erachtet.18 Die in diesen Fallgestaltungen anerkannte partielle Geschäftsunfähigkeit bezieht sich lediglich auf einen ganz bestimmten und abstrakt zu beschreibenden Kreis von Willenserklärungen,19 wie diejenigen eines krankhaft Eifersüchtigen in Bezug auf eheliche Angelegenheiten 20 sowie möglicherweise die Willenserklärungen eines pathologisch Spielsüchtigen, die mit Bezug auf Glücksspiele abgegeben werden.21 Im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts werden jedoch nicht nur solche be­ reichsspezifischen Rechtshandlungen tangiert, sondern Rechtshandlungen aus sämtlichen Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Eine Vergleichbarkeit zu den aner­ 17  Knothe in: Staudinger, BGB, §  105 Rn.  2; J. Schmitt in: MüKo-BGB, §  105 Rn.  8 ff., 26 ff.; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  105 Rn.  7. 18  BGH NJW-RR 2002, 1424 (1424); BGHZ 143 122 (125); BGH NJW 1970, 1680 (1681); BGHZ 30, 112 (117 f.); BGHZ 18, 184 (186 f.); RGZ 162, 223 (229); BVerwGE 30, 24 (25); siehe auch die Übersicht bei Knothe in: Staudinger, BGB, §  104 Rn.  14; Völzmann-Stickelbrock in: Prüt­ ting/Wegen/Weinreich, BGB, §  104 Rn.  6. 19  BGHZ 143, 122 (125); BGHZ 18, 184 (186 f.); Ellenberger in: Palandt, BGB, §  104 Rn.  6; J. Schmitt, MüKo-BGB, §  104 Rn.  15 ff. 20  BGHZ 18, 184 (186 ff.); Knothe in: Staudinger, BGB, §  104 Rn.  14; J. Schmitt in: MüKoBGB, §  104 Rn.  15; Völzmann-Stickelbrock in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  104 Rn.  6. 21  OLG Hamburg OLGR Hamburg 2005, 137 (137 ff.); Knothe in: Staudinger, BGB, §  104 Rn.  14; Völzmann-Stickelbrock in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  104 Rn.  6.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

kannten Fällen der partiellen Geschäftsunfähigkeit ist somit nicht gegeben und ins­ besondere auch nicht mit der Sicherheit des Rechtsverkehrs zu vereinbaren, die stets im Spannungsfeld mit den Regelungen über die Folgen der Geschäftsunfähigkeit steht.22 d)  Maßgeblicher Zeitpunkt der Geschäftsunfähigkeit Desweiteren wirkt die Insolvenzanfechtung grundsätzlich nur auf Rechtshandlun­ gen ein, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind.23 Im Zeitpunkt der Vornahme dieser Rechtshandlungen ist noch keine Insolvenzan­ fechtung möglich. Die Geschäftsunfähigkeit muss demgegenüber im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung vorliegen, damit diese gemäß §  105 Abs.  1 BGB dem Verdikt der Nichtigkeit unterfällt.24 Der nachträgliche Wegfall der Geschäftsfähig­ keit hat dagegen im Umkehrschluss keinen Einfluss auf eine einmal wirksam abge­ gebene Willenserklärung.25 Würde man der Insolvenzanfechtung einen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Insolvenzschuldners zubilligen, müsste man der daraus resultierenden Ge­ schäftsunfähigkeit eine Rückwirkung zugestehen, um Rechtshandlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind, beeinträchtigen zu können. Das würde zu einer im deutschen Recht unbekannten Anerkennung des rückwirkenden Wegfalls der Geschäftsfähigkeit führen. e)  Reichweite in personeller Hinsicht Darüber hinaus unterliegen gemäß §§  129 ff. InsO nicht nur Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners der Anfechtung, sondern auch Rechtshandlungen dritter Per­ sonen.26 So sprechen §§  130 Abs.  1, 131 Abs.  1 InsO ganz generell von Rechtshand­ lungen, meinen also nicht nur solche des Schuldners, sondern auch solche von Drit­ ten.27 Es würde einen erheblichen Eingriff in die Rechte Dritter bedeuten, wenn durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenz­ schuldners die Geschäftsfähigkeit dieser Personen (sogar rückwirkend für die Ver­ gangenheit!) eingeschränkt würde. Eine solch drastische Drittwirkung auf einen möglicherweise kaum überschaubaren Personenkreis durch die Eröffnung eines Verfahrens ist dem deutschen Verfahrensrecht unbekannt. 22 

Knothe in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  104–115 Rn.  26. Eine Ausnahme beinhaltet die Vorschrift des §  147 InsO. 24  Dörner in: Schulze, BGB, §  105 Rn.  2; Knothe in: Staudinger, BGB, §  105 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  105 Rn.  4. 25  So schon die Motive, Mugdan, Band 1, S.  439. 26  BT-Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  337. 27  Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  11; Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  11, §  131 Rn.  5; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  130 Rn.  33, §  131 Rn.  10. 23 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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f) Ergebnis Die zivilrechtlichen Regelungen zur Geschäftsunfähigkeit können aufgrund der er­ heblichen Unterschiede zur Insolvenzanfechtung als Vergleichsnormen aus der Be­ trachtung ausgeschieden werden.

2.  Die zivilrechtliche Anfechtung Was die Begriffsbezeichnung anbelangt, scheint die zivilrechtliche Anfechtung die nächstliegende Vergleichsnorm für die Insolvenzanfechtung zu sein. §  142 Abs.  1 BGB ordnet als Rechtsfolgennorm des zivilrechtlichen Anfechtungsrechts die Un­ wirksamkeit des anfechtbaren Rechtsgeschäfts an, wobei hier mittels einer Fiktion gearbeitet wird:28 Die Unwirksamkeit wirkt ex tunc. Die Wirksamkeit des ange­ fochtenen Rechtsgeschäfts wird also rückwirkend beseitigt.29 Zu unterscheiden ist die Anfechtbarkeit von der Nichtigkeit als stärkstem Grad der Unwirksamkeit, die bereits ein wirksames Zustandekommen des Rechtsgeschäfts verhindert.30 Bezugspunkt der Anfechtung ist, anders als es möglicherweise der Wortlaut von §  142 Abs.  1 BGB vermuten lässt, nicht ein Rechtsgeschäft als solches, sondern die zu diesem Rechtsgeschäft führende Willenserklärung,31 wobei auch geschäfts­ ähnliche Willensäußerungen aufgrund von deren struktureller Nähe umfasst sein sollen.32 §  142 Abs.  1 BGB regelt als Rechtsfolgennorm seinerseits nicht, wann Willenser­ klärungen anfechtbar sind. Dies wird von anderen Vorschriften normiert. Zu diesen Vorschriften zählen §§  119, 120, 123 BGB hinsichtlich der Anfechtung von Willens­ erklärungen aufgrund von Willensmängeln sowie die erbrechtlichen Anfechtungs­ tatbestände der §§  1954, 1956, 2078 ff., 2281 ff., 2308 BGB.33 Es ist anhand der Regelungen der §§  142 f. BGB sowie derjenigen Normen, die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Willenserklärungen anfechtbar sind, zu untersuchen, ob die zivilrechtliche Anfechtung eine strukturelle Verwandtschaft zur Insolvenzanfechtung besitzt. Hierbei sind insbesondere die Begriffsbezeich­ nung, die rechtstechnische Ausgestaltung sowie Schutz- und Zielrichtungen der zi­ vilrechtlichen Anfechtung und der Insolvenzanfechtung zu untersuchen und zu vergleichen. 28 

Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  15; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  1. Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  15; Dörner in: Schulze, BGB, §  142 Rn.  1; Roth in: Stau­ dinger, BGB, §  142 Rn.  1; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  142 Rn.  1. 30  Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  2; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  4. 31  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  142 Rn.  2; Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  9; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  15; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  142 Rn.  3; a. A.: Leenen, Jura 2007, 721 (727); Leenen, Jura 1991, 393 (398). 32  Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  9; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  16; für die An­ wendbarkeit der allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen generell BGHZ 47, 352 (357). 33  Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  6; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  142 Rn.  2. 29 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

a)  Die Begriffsbezeichnung Wie bereits eingangs dieses Untersuchungspunktes erwähnt wurde, lässt die Be­ griffsbezeichnung auf eine Verwandtschaft zwischen der zivilrechtlichen Anfech­ tung und der Insolvenzanfechtung schließen. Nicht verwunderlich ist es deshalb, dass insbesondere zu Zeiten der Geltung der Konkursordnung, als noch stärkere Tendenzen innerhalb der Lehre in Richtung der dinglichen Theorie gingen, nam­ hafte Vertreter eine enge Anbindung der Insolvenzanfechtung an die zivilrechtliche Anfechtung annahmen.34 Auch wenn eine solche Deutung aufgrund des Gleichlaufs in der Begriffsbezeichnung von anderer Seite schon damals strikt abgelehnt worden ist35 und immer noch wird,36 kann man doch nicht ohne Weiteres über die Symme­ trie in der Nomenklatur hinwegsehen. Alleine wegen der Begriffsbezeichnung liegt eine dogmatische Verbundenheit der beiden Rechtsinstitute nahe. Dass indes dieselbe Begriffsbezeichnung nicht automatisch auch zu einer inhalt­ lichen Verwandtschaft führt, zeigen Institute im Bürgerlichen Gesetzbuch, die ebenfalls mit dem Terminus „Anfechtung“ umschrieben sind, die allerdings auf­ grund einer anders gelagerten Zielsetzung und rechtstechnischen Durchführung nichts mit der Anfechtung gemäß §  142 BGB zu tun haben.37 Dies betrifft die Va­ terschaftsanfechtung gemäß §§  1599 ff. BGB und die Anfechtung des Erbschaftser­ werbs wegen Erbunwürdigkeit gemäß §§  2340 ff. BGB.38 Die Annahme einer mög­ lichen Verwandtschaft zwischen zivilrechtlicher Anfechtung und Insolvenzanfech­ tung aufgrund der Begriffsgleichheit kann daher ebenfalls nur wegen solcher Unterschiede in der Ausübung und insbesondere der gesetzlichen Zielsetzung ent­ kräftet werden.

34  Crome, System, Band 1, S.  353 f.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  218 ff.; Hellmann, Kon­ kursrecht, S.  373; Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 ff.); Lange, Versuche zur Rettung der Dinglich­ keitslehre, S.  9 ff. 35  RG LZ 1907, 837 (838); Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  12; Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53; Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (13 ff.); Paulus, AcP 155 (1956), 277 (287 ff.); Warneyer, KO, §  29 Anm. II. 36  BGH ZIP 2010, 2460 (2460); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  142 Rn.  2; Ar­ nold in: Erman, BGB, §  142 Rn.  1; Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  3; Bork in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  14; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  12; Jacoby in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, §  143 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  40; Nerlich in: Nerlich/ Römermann, InsO, §  129 Rn.  11; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  8; Wendtland in: BeckOKBGB, §  142 Rn.  2. 37  Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  7. 38  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  142 Rn.  2; Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  3; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  7.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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b)  Die zivilrechtliche Anfechtung als Gestaltungsrecht Die zivilrechtliche Anfechtung ist hinsichtlich ihrer rechtstechnischen Natur als Gestaltungsrecht konzipiert.39 Gemäß §  143 Abs.  1 BGB erfolgt die Anfechtung durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner, also durch eine empfangsbe­ dürftige Willenserklärung.40 Das bedeutet, dass die Entscheidung über die Anfech­ tung dem Anfechtungsberechtigten obliegt.41 Ihrer Rechtsnatur als Gestaltungs­ recht entsprechend unterliegt die zivilrechtliche Anfechtung nicht der Verjährung, sondern wird zeitlich durch Ausschlussfristen begrenzt.42 Diese Ausschlussfristen sind für die Irrtumsanfechtung in §  121 BGB, für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung in §  124 BGB und für die erbrechtlichen Anfechtungstat­ bestände in §§  1954, 2082, 2283 BGB zu finden. Der gesetzgeberische Hintergrund für die Entscheidung zugunsten einer Ausgestaltung als Gestaltungsrecht, das seine Wirkungen erst durch eine Ausübung seitens des Anfechtungsberechtigten entfal­ tet, ist neben dem Aspekt des Vertrauensschutzes43 das Prinzip der Selbstbestim­ mung des Anfechtungsberechtigten.44 aa)  Verjährungsregelung in §  146 Abs.  1 InsO Im Rahmen der Insolvenzanfechtung liegt bei der rechtstechnischen Ausgestaltung eine völlige Abweichung vor. Der Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO unterliegt gemäß §  146 Abs.  1 InsO der Verjährung. Da gemäß §  194 Abs.  1 BGB nur Ansprüche der Verjährung unterliegen, niemals hingegen Gestaltungsrechte,45 39  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  143 Rn.  1; Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  5; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  143 Rn.  1; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  9; Wendt­ land in: BeckOK-BGB, §  143 Rn.  1. 40  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  143 Rn.  2; Arnold in: Erman, BGB, §  143 Rn.  1; Busche in: MüKo-BGB, §  143 Rn.  4; Dörner in: Schulze, BGB, §  143 Rn.  2; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  143 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  143 Rn.  2; Roth in: Staudinger, BGB, §  143 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  143 Rn.  2. 41  Busche in: MüKo-BGB, §  142 Rn.  2; Roth in: Staudinger, BGB, §  142 Rn.  4; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  143 Rn.  1. 42  OLG Stuttgart, NZG 2007, 239 (240); Dörner in: Schulze, BGB, §  194 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  194 Rn.  3; Grothe in: MüKo-BGB, §  194 Rn.  4; Henrich in: BeckOK-BGB, §  194 Rn.  17; Mansel in: Jauernig, BGB, §  194 Rn.  5; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, §  194 Rn.  18; Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, Vor §  194 Rn.  11; a. A.: Bydlinski, Schulze/Schulte-Nölke, S.  381 (383), der auch Gestaltungsrechte der Verjährung unterstellen möchte. 43  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  121 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  116 ff. Rn.  23, §  121 Rn.  1. 44  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  121 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  116 ff. Rn.  23; Weiler, Die beeinflußte Willenserklärung, S.  479 ff. 45  OLG Stuttgart, NZG 2007, 239 (240); Dörner in: Schulze, BGB, §  194 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  194 Rn.  3; Grothe in: MüKo-BGB, §  194 Rn.  4; Henrich in: BeckOK-BGB, §  194 Rn.  17; Mansel in: Jauernig, BGB, §  194 Rn.  5; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, §  194 Rn.  18; Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, Vor §  194 Rn.  11; a. A.: Bydlinski, Schulze/Schulte-Nöl­ ke, S.  381 (383), der auch Gestaltungsrechte der Verjährung unterstellen möchte.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

handelt es sich bei dem insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch nicht um ein Gestaltungsrecht. Eine Vergleichbarkeit der Insolvenzanfechtung mit dem Gestal­ tungsrecht der zivilrechtlichen Anfechtung ist damit schon aus diesem Grunde aus­ geschlossen.46 bb)  Fehlende Normierung einer Ausschlussfrist Man könnte andererseits argumentieren, dass die in §  146 Abs.  1 InsO normierte Verjährungsregelung nur Bezug auf den Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nimmt. Dabei wird möglicherwiese keinerlei Aussage darüber getroffen, ob nicht zunächst doch ein Gestaltungsrecht ausgeübt werden muss, um überhaupt zu dem Rückgewähranspruch zu gelangen. Das Gestaltungsrecht könnte in §  129 Abs.  1 InsO normiert sein, wo explizit erwähnt ist, dass der Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen anfechten „kann“. Eine solche Betrachtungsweise würde jedoch einen wesentlichen Aspekt überge­ hen. So ist im Recht der Insolvenzanfechtung für ein Gestaltungsrecht keine Aus­ schlussfrist normiert. Im Gegenteil wurde die Ausschlussfrist des §  41 Abs.  1 S.  1 KO für den Anfechtungsanspruch zu einer Verjährungsregel umgestaltet,47 ohne dass dabei an anderer Stelle eine Ausschlussfrist für die Ausübung der Anfechtung normiert worden ist. Das ist mehr als unüblich, da bei den meisten zivilrechtlichen Gestaltungsrechten eine Ausschlussfrist vorgesehen ist. Auszugsweise seien hier §§  121, 124 BGB für die zivilrechtliche Anfechtung, §  532 BGB für den Widerruf einer Schenkung, §  626 Abs.  2 BGB für die fristlose Kündigung eines Dienstvertra­ ges, §  1944 BGB für die Ausschlagung einer Erbschaft sowie allgemein §  314 Abs.  3 BGB für die Kündigung von Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund, wo­ durch insbesondere die Kündigungsmöglichkeit gemäß §  543 BGB begrenzt wird,48 genannt. Anderen Gestaltungsrechten, die nicht durch Ausschlussfristen begrenzt sind, wohnt zumindest auf tatbestandlicher Seite ein zeitlicher Ausschluss inne. Das be­ legt §  573 Abs.  1 BGB hinsichtlich der ordentlichen Kündigung von Wohnraum­ mietverhältnissen durch den Vermieter, bei der ein berechtigtes Interesse auf Seiten des Vermieters vorliegen muss. Ein berechtigtes Interesse an der Kündigung ist dann zu verneinen, wenn die Kündigung nicht innerhalb einer bestimmten Zeit ab Entstehung des berechtigten Interesses erfolgt. Dann ist das Kündigungsrecht ver­ wirkt.49 Den Regelungen der Insolvenzanfechtung ist hingegen weder in §  129 Abs.  1 InsO direkt noch in einzelnen Anfechtungstatbeständen ein Hinweis zu entnehmen, 46 

Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  40. Siehe dazu BT-Drucks. 12/2443, S.  168 f., abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insol­ venzrecht, S.  362. 48  Bieber in: MüKo-BGB, §  543 Rn.  30. 49  Rolfs in: Staudinger, BGB, §  573 Rn.  32. 47 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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dass die Anfechtung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu erfolgen hat. Denk­ bare Ansatzpunkte für die Normierung von Ausschlussfristen wären einzig die in den Anfechtungstatbeständen normierten Anfechtungsperioden. Indes können die­ se nicht als Ausschlussfristen eingeordnet werden, da sie die Anfechtungsmöglich­ keit zeitlich für die Vergangenheit limitieren und nicht in die Zukunft gerichtet sind, wie dies bei Ausschlussfristen der Fall ist. Somit fehlt es hinsichtlich der fehlenden Ausschlussfrist bei der Insolvenzanfech­ tung an einer Vergleichbarkeit mit dem Gestaltungsrecht der zivilrechtlichen An­ fechtung. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber in der Begründung zur Insolvenzord­ nung Formulierungen aufgenommen, die sich ablehnend gegen die Einordung als Gestaltungsrecht äußern.50 Im Gegensatz zu Äußerungen, die sich generell gegen die dinglichen Theorien wenden, stimmen hier die in der Begründung niedergeleg­ ten Erwägungen mit der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung überein. cc)  Insolvenzanfechtung: Wertungen gegen Gestaltungsrecht Im Übrigen fehlt es bei der Insolvenzanfechtung auch an den wertungstechnischen Gründen, die für die Konzeption als Gestaltungsrecht sprechen. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist im Rahmen der Insolvenzanfechtung in anderer Form in die gesetzliche Gestaltung eingeflossen, während das Prinzip der Selbstbestimmung überhaupt nicht ins Feld geführt werden kann. Beide Punkte waren indes für die Konzeption als Gestaltungsrecht bei der zivilrechtlichen Anfechtung maßgeblich.51 (1)  Vertrauensschutz des Anfechtungsgegners Die zivilrechtliche Anfechtung ist als Gestaltungsrecht konzipiert, um das berechti­ ge Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Bestand einer einmal wirksam abgegeben Willenserklärung zu schützen. Wäre eine Willenserklärung, die infolge eines an­ fechtungsrelevanten Irrtums zustande gekommen ist, ipso iure unwirksam, würde das zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs führen:52 Es wäre nie auszuschließen, dass eine Willenserklärung der anderen Partei irrtümlich zustande gekommen ist und damit von vornherein der Wirksamkeit enbehrt. Im Recht der Insolvenzanfechtung wird der Vertrauensschutz demgegenüber auf andere Weise sichergestellt. Der Vertrauensschutz des Insolvenzanfechtungsgeg­ ners, der von dem Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO betroffen ist, und damit auch die Rechtssicherheit sind dadurch gewährleistet, dass in den einzel­ 50  BT-Drucks. 12/2443, S.  168 f., abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  362. 51  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  121 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  116 ff. Rn.  23; Weiler, Die beeinflußte Willenserklärung, S.  479 ff. 52  Singer in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  116 ff. Rn.  23.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

nen Anfechtungstatbeständen besondere Voraussetzungen für die Anfechtbarkeit aufgestellt werden. Insbesondere die subjektiven Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände53 sowie die Fristen, welche bestimmen, bis zu welchem Zeitpunkt vor Verfahrenseröffnung einzelne Rechtshandlungen anfechtbar sind,54 stellen den Verkehrs- und Vertrauensschutz sicher. Darüber hinausgehend wird im Insolvenzanfechtungsrecht eine rechtstechnische Konzeption als Gestaltungsrecht nicht benötigt. (2)  Selbstbestimmungsrecht Ein weiterer Schutzzweck der Ausgestaltung der zivilrechtlichen Anfechtung als Gestaltungsrecht ist das Selbstbestimmungsrecht des Anfechtenden.55 Dahinter steht unter anderem die Überlegung, dass es dem Anfechtungsberechtigten freige­ stellt sein soll, ob er von der Anfechtungsmöglichkeit Gebrauch machen möchte oder nicht, denn die Anfechtung mag sich nicht in jedem Fall positiv für ihn auswirken.56 (a)  Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzschuldners Bei der Insolvenzanfechtung wird das Selbstbestimmungsrecht des Insolvenz­ schuldners nicht mehr tangiert, sodass auch dieses Argument für die Ausgestaltung der Insolvenzanfechtung als Gestaltungsrecht nicht verfängt. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in Bezug auf sein Vermögen gemäß §  80 Abs.  1 InsO auf den Insolvenz­ verwalter über. Das Selbstbestimmungsrecht des Schuldners wird damit bereits durch die Verfahrenseröffnung beschnitten. Wenn die Insolvenzanfechtung als Ge­ staltungsrecht konzipiert wäre, würde das dem Insolvenzschuldner nichts nützen, da die Entscheidung über die Anfechtung gemäß §  129 Abs.  1 InsO dem Insolvenz­ verwalter obliegt und nicht dem Insolvenzschuldner selbst.57

53  Siehe hierzu Erster Bericht, S.  418; BT-Drucks. 12/2443, S.  265 f., abgedruckt in: Kübler/ Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  348; Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  31; Pfefferle, ZIP 1984, 147 (152 f.); Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (187). 54  Erster Bericht, S.  404; BT-Drucks. 12/2443, S.  157 f., abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  338; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  130 Rn.  64; Pfefferle, ZIP 1984, 147 (153); Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (190). 55  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  121 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  116 ff. Rn.  23; Weiler, Die beeinflußte Willenserklärung, S.  479 ff.; ausführlich zum privatautonomen Selbstbestimmungsrecht im Allgemeinen siehe Olzen in: Staudinger, BGB, Einl zum SchuldR Rn.  49; Säcker in: MüKo-BGB, Einl. Rn.  162 ff. 56  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  121 Rn.  1; Äußerungen in diese Richtung sind auch schon in den Protokollen zu finden; siehe Mugdan, Band 1, S.  719. 57  Inhaber des Anfechtungsrechts ist der Insolvenzverwalter; statt vieler siehe Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  279.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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(b)  Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzverwalters Zu überlegen ist daher, ob ein eventuelles Selbstbestimmungsrecht des Insolvenz­ verwalters für eine Konzeption als Gestaltungsrecht spricht. (i)  Kein Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzverwalters unter Zugrundelegung der Amtstheorie Unter Zugrundelegung der Amtstheorie erscheint es zweifelhaft, ob der Insolvenz­ verwalter überhaupt im Rahmen eines privatautonomen Selbstbestimmungsrechts handelt. Anders als der Insolvenzschuldner verfügt er hiernach nicht als Privatper­ son über sein Vermögen, sondern übt als besonderes Rechtspflegeorgan ein ihm vom Gesetz übertragenes privates Amt aus.58 Er wird im Rahmen der Insolvenzanfechtung in Erfüllung der ihm auferlegten gesetzlichen Pflichten tätig.59 Die Folgen seiner Handlungen im Allgemeinen und diejenigen der Insolvenzanfechtung im Speziellen betreffen nicht unmittelbar sein eigenes Vermögen, sondern die Masse. Dagegen treffen die Folgen der Entschei­ dung für oder wider die zivilrechtliche Anfechtung den Anfechtungsberechtigten unmittelbar selbst. Die direkte eigene Vermögenshaftung korrespondiert mit der Konzeption als Gestaltungsrecht. Im Zivilrecht ist die Entscheidung über die Anfechtung dem Berechtigten daher freigestellt. Ob die Folgen der Anfechtung wirtschaftlich vorteilhaft sind und eine Anfechtung daher sinnvoll erscheint oder nicht, ist irrelevant. Die Entscheidungen des Insolvenzverwalters haben sich hingegen an den Pflichten eines gewissenhaften Insolvenzverwalters zu orientieren. Dies wird auch an dem Haftungsmaßstab des §  60 Abs.  1 InsO deutlich, der nur auf die Verletzung insolvenzspezifischer Pflich­ ten abstellt und eben nicht auf sämtliches Handeln des Insolvenzverwalters.60 Selbst die Tatsache, dass dem Insolvenzverwalter im Einzelfall die Entscheidung zusteht, von einer Verfolgung der Anfechtung abzusehen,61 kann nach der Amts­ theorie keine Ausprägung eines privatautonomen Selbstbestimmungsrechts dar­ stellen. Die Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Verfolgung des Anfech­ tungsanspruchs steht nicht in dessen Belieben, sondern hängt von den rechtlichen 58  Ganz h. M.: BGHZ 172, 16 (18); BGH ZInsO 2006, 260 (260); BGH NJW 1997, 1445 (1445); BGHZ 100, 346 (351); BGHZ 88, 331 (334); BGHZ 44, 1 (4); BGHZ 32, 114 (118); RGZ 99, 161 (166); RGZ 29, 29 (36 f.); Lüke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  80 Rn.  37 f.; Ott/Vuia in: MüKoInsO, §  80 Rn.  35; Smid in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  80 Rn.  19; Stürner, ZZP 94 (1981), 263 (287); Weber, KTS 1955, 102 (104 ff.); Windel in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  19, 275; Wittkowski/ Kruth in: Nerlich/Römermann, InsO, §  80 Rn.  38, 40. 59  BGH NJW 2009, 1968 (1969); Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  279; Kayser in: MüKoInsO, §  129 Rn.  192. 60  Einen Überblick über die insolvenzspezifischen Pflichten geben Brandes/Schoppermeyer in: MüKo-InsO, §  60 Rn.  10 ff. 61  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  284; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  192.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Erfolgsaussichten und der Zahlungsfähigkeit des Anfechtungsgegners ab.62 Sie er­ scheint dementsprechend nicht selbstbestimmt, sondern basiert auf der gesetzlichen Pflicht, die Masse durch die Insolvenzanfechtung zu mehren, wenn deren Voraus­ setzungen erfüllt sind und eine Durchsetzung wirtschaftlich Sinn macht. Eine er­ folgversprechende Anfechtung ist durchzuführen, eine ersichtlich aussichtslose Anfechtungsklage ist zu unterlassen. Die Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs ist determiniert. Kommt der Insolvenzverwalter der Pflicht zur Anfechtung nicht nach, macht er sich gemäß §  60 Abs.  1 InsO schadensersatzpflichtig.63 Die Schadensersatzpflicht ist letztlich Ausdruck der Tatsache, dass es sich bei der Entscheidung für oder wider die Insolvenzanfechtung um die pflichtgemäße Ausübung seiner ihm durch die In­ solvenzordnung auferlegten Amtspflicht handelt. (ii)  Gestaltungsrecht auch bei Anerkennung eines Selbstbestimmungsrechts unnötig Selbst wenn man dem Insolvenzverwalter ein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich seiner Entscheidungen für die Masse zubilligen sollte, etwa weil man ihn nicht als private Amtsperson, sondern als Vertreter des Schuldners bezüglich der Insolvenz­ masse ansieht,64 erscheint ein Gestaltungsrecht nicht notwendig, um das Selbstbe­ stimmungsrecht sicherzustellen. Im Rahmen der zivilrechtlichen Anfechtung kann die Möglichkeit vorliegen, dass der infolge eines Irrtums Anfechtungsberechtigte das anfechtbare Geschäft gelten lassen möchte, da es ihm ungeachtet seines Irrtums wirtschaftliche Vorteile bringen kann.65 Im Rahmen der Insolvenzanfechtung würde bei Zugrundelegung der Konstruktion eines Gestaltungsrechts dessen unterlassene Ausübung dagegen nie einen Vorteil für die Masse bringen, da es um den Ausgleich einer Gläubigerbe­ nachteiligung geht. Eine Gläubigerbenachteiligung kann nicht gleichzeitig einen Vorteil enthalten, der ein Aufrechterhalten eines anfechtbaren Geschäfts für die Masse sinnvoll erscheinen ließe. Wäre dies der Fall, würde keine Gläubigerbenach­ teiligung vorliegen und die Frage nach der Anfechtung sowie deren Natur als Ge­ staltungsrecht würde sich nicht stellen. Auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch aus­ nahmsweise nicht verfolgen möchte, weil der Anfechtungsgegner selbst zahlungs­ unfähig ist und die Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs daher wirtschaftlich sinnlos ist, würde eine Konstruktion als Gestaltungsrecht keinen zusätzlichen Vor­ teil gegenüber einer ipso-iure eintretenden Wirkung bringen. Auch durch einen au­ 62 

Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  192. Zur Schadensersatzpflicht in diesen Fällen, Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  197. 64  Ballerstedt AcP 151 (1951), 501 (526 ff.); Bernhardt NJW 1962, 2194; Flume, AT BGB II, S.  781; Lent, ZZP 62 (1939), 129 ff.; Medicus, BGB AT, Rn.  925. 65  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  121 Rn.  1. 63 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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tomatischen Eintritt der Wirkungen der Insolvenzanfechtung ohne weitere Einfluss­ möglichkeit seitens des Insolvenzverwalters ist dieser nicht gezwungen, einen wirt­ schaftlich ersichtlich aussichtslosen Anfechtungsanspruch einzufordern oder diesen gar im Prozesswege beizutreiben. Er kann sein privatautonomes Selbstbestim­ mungsrecht als Vertreter des Schuldners durch schlichtes Unterlassen der Verfol­ gung des Anfechtungsanspruchs ausüben. Ein Gestaltungsrecht benötigt er hierzu nicht. (c) Zwischenergebnis Der Schutz der Selbstbestimmung kann nicht als Wertungsgesichtspunkt zur Be­ gründung der Ausgestaltung der Insolvenzanfechtung als Gestaltungsrecht heran­ gezogen werden. dd) Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Insolvenzanfechtung im Gegen­ satz zur zivilrechtlichen Anfechtung nicht als Gestaltungsrecht konzipiert ist. Da diese rechtstechnische Ausgestaltung jedoch das Wesensmerkmal der zivilrechtli­ chen Anfechtung darstellt, ist eine Vergleichbarkeit zu verneinen. c)  Schutz- und Zielrichtung der zivilrechtlichen Anfechtung Nachdem bereits die rechtstechnische Ausgestaltung von Insolvenzanfechtung und zivilrechtlicher Anfechtung divergieren, ist zu untersuchen, ob zumindest die Schutz- und Zielrichtungen der beiden Rechtsinstitute übereinstimmen. Hierzu werden zunächst die einzelnen Anfechtungstatbestände der zivilrechtlichen An­ fechtung auf ihre Normzwecke hin untersucht. Anschließend werden diese Norm­ zwecke mit demjenigen der Insolvenzanfechtung verglichen. aa)  Normzweck der Irrtumsanfechtung gemäß §  119 BGB §  119 BGB enthält in seinen beiden Absätzen insgesamt drei Anfechtungstatbestän­ de.66 Diese Anfechtungstatbestände betreffen allesamt die Anfechtung wegen Irr­ tums. Der Irrtum im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass ein Willensmangel vor­ liegt, der auf einer unbewussten Nichtübereinstimmung des tatsächlich vorliegen­ den Willens und der abgegebenen Erklärung beruht.67

66 

Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  21. BGH WM 1983, 447 (447); RGZ 85, 322 (324); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  7; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  6. 67 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

(1)  §  119 Abs.  1 BGB Da Irrtümer in mannigfaltiger Gestalt auftreten können und die Möglichkeit der Anfechtung sämtlicher in Betracht kommender Irrtümer die Rechtssicherheit in sehr starkem Maße beeinträchtigen würde, hat sich der Gesetzgeber darauf be­ schränkt, nur bestimmte Arten von Irrtümern durch §  119 Abs.  1 BGB der Anfech­ tung zu unterstellen.68 Grundsätzlich ausgeschlossen von der Anfechtung ist der Motivirrtum, also der Irrtum bei der Willensbildung.69 In §  119 Abs.  1 BGB werden demnach lediglich der Inhaltsirrtum sowie der Erklärungsirrtum für anfechtungs­ relevant erklärt. Der Inhaltsirrtum als erste von §  119 Abs.  1 BGB erwähnte Alternative umfasst Fallgestaltungen, in denen das äußere Erklärungsbild mit dem Willen des Erklären­ den übereinstimmt, der Bedeutungsgehalt der Erklärung indes vom Willen des Er­ klärenden abweicht. Der Erklärende irrt hier nicht über seine Erklärung, misst ihr jedoch auf subjektiver Seite eine andere Bedeutung zu, als ihr nach dem objektiven Betrachtungspunkt zukommt.70 Beim Erklärungsirrtum als zweite Alternative des §  119 Abs.  1 BGB gibt der Er­ klärende eine Willenserklärung ab, die er in dieser Gestalt überhaupt nicht abgeben wollte, sprich er erklärt unbewusst etwas anderes, als er eigentlich erklären woll­ te.71 Das ist der Fall, wenn der Erklärende ein falsches Erklärungszeichen verwen­ det, sich also insbesondere verspricht, verschreibt oder vergreift.72 Beiden anfechtungsrelevanten Tatbeständen ist gemein, dass der Erklärende ei­ nem unbewussten Mangel in der Willensäußerung unterliegt, um dessentwillen das Gesetz dem Erklärenden das Anfechtungsrecht an die Hand gibt, damit er die end­ gültige Bindungswirkung der Erklärung abzuwenden vermag.

68  Arnold in: Erman, BGB, §  119 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  1 f. 69  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  119 Rn.  2; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  1; Arnold in: Erman, BGB, Vor §  116 Rn.  20, §  119 Rn. Rn.  43; Dörner in: Schulze, BGB, §  119 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  1, 29; Medicus, BGB AT, Rn.  744; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  37. 70  BGH NJW-RR 2009, 630 (632); BGHZ 177, 62 (65 f.); BGH NJW 1999, 2664 (2665); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB §  119 Rn.  24; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  56; El­ lenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  11; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  38; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  30. 71  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  119 Rn.  23; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  46; Arnold in: Erman, BGB, §  119 Rn.  22; Dörner in: Schulze, BGB, §  119 Rn.  6; Ellen­ berger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  7, 10; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  22. 72  RGZ 66, 427 (429); BayObLG NJW-RR 2000, 1036 (1037); OLG Oldenburg NJW 2004, 168 (168); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  119 Rn.  23; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  46; Arnold in: Erman, BGB, §  119 Rn.  22; Dörner in: Schulze, BGB, §  119 Rn.  6; Ellen­ berger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  10; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  34; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  22.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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(2)  §  119 Abs.  2 BGB Wie bereits erwähnt wurde, unterliegen Motivirrtümer grundsätzlich nicht der An­ fechtung.73 Durch §  119 Abs.  2 BGB wird indes der sogenannte Eigenschaftsirrtum als Unterfall des Motivirrtums ausnahmsweise für beachtlich erklärt,74 sodass Wil­ lenserklärungen, in denen sich der Erklärende im Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache oder Person befindet, der Anfechtung unterliegen. Der Irrtum über die auf natürlicher Beschaffenheit beruhenden Merkmale sowie tat­ sächliche oder rechtliche Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt, welche die Wertschätzung der Person75 oder die Wertbildung von Sachen76 betreffen, berech­ tigt demnach zur Anfechtung. Unabhängig von Einzelfragen hinsichtlich der Verkehrswesentlichkeit bestimm­ ter Eigenschaften oder Verhältnisse77 wird auch bei §  119 Abs.  2 BGB deutlich, dass eine Anfechtung nur deshalb möglich ist, weil die anzufechtende Willenserklä­ rung unter einem Willensmangel leidet und damit das der Rechtsgeschäftslehre zu­ grunde liegende Prinzip der Selbstbestimmung78 keine volle Wirksamkeit entfal­ ten kann. Im Gegensatz zu den in §  119 Abs.  1 BGB geregelten Irrtümern stimmen beim Eigenschaftsirrtum zwar Wille und Erklärung überein, allerdings unterliegt der Erklärende innerhalb der Willensbildung hinsichtlich außerhalb der Erklärung liegender Umstände einem Irrtum.79 bb)  Normzweck der Täuschungs- und Drohungsanfechtung gemäß §  123 BGB Gemäß §  123 Abs.  1 BGB kann derjenige seine Willenserklärung anfechten, der zur Abgabe der Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung veranlasst worden ist. Im Gegensatz zu den Anfechtungstatbeständen des §  119 BGB liegt hier kein Willensmangel im Sinne eines unbewussten Auseinander­ 73  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  119 Rn.  2; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  1; Arnold in: Erman, BGB, Vor §  116 Rn.  20, §  119 Rn. Rn.  43; Dörner in: Schulze, BGB, §  119 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  1, 29; Medicus, BGB AT, Rn.  744; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  37. 74  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  119 Rn.  2 , 34; Arnold in: Erman, BGB, §  119 Rn.  34; Dörner in: Schulze, BGB, §  119 Rn.  15; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  23; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  79; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  39. Die Einordnung des Eigenschaftsirrtumss als Motivirrtum ist nicht unbestritten; siehe hierzu den Diskussionsstand bei Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  103 ff. 75  BGHZ 88, 240 (245); RGZ 99, 214 (214); BAG NJW 1991, 2723 (2726); Ellenberger in: Pa­ landt, BGB, §  119 Rn.  24, 26; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  41 f. 76  BGHZ 34, 32 (41); BGHZ 16, 54 (57); Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  24, 27; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  43 f. 77  Ausführlich hierzu siehe die Fallgruppendarstellung bei Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  125 ff. 78  Singer in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  116 ff. Rn.  19. 79  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  119 Rn.  34; Arnold in: Erman, BGB, §  119 Rn.  34; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  23; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  119 Rn.  39.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

fallens von Wille und Erklärung, also eines Irrtums,80 vor. Der Erklärende weiß, was er mittels seiner Erklärung kundtut. Gleichwohl ist auch und gerade in Fällen der Täuschung oder Drohung die freie Selbstbestimmung des Erklärenden zum Teil massiv eingeschränkt, sodass die Privatautonomie nicht ihren Zweck erfüllen kann.81 Es kann in diesen Fallgestaltungen nicht angehen, den Erklärenden nur auf seine formale Selbstbestimmung zu verweisen.82 Mit §  123 Abs.  1 BGB wird eine Möglichkeit bereitgestellt, solche durch Täu­ schung oder Drohung zustande gekommenen Willenserklärungen anzufechten und damit ihre Wirksamkeit zu nehmen. Schutzzweck von §  123 Abs.  1 BGB ist es, „die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiete“83 und damit den Schutz der Freiheit der Willensbildung und die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit sicherzustellen.84 Nur wenn die Willensbildung frei von Täuschung und Zwang zu Stande kommt, ist sie durch das Prinzip der freien Selbstbestimmung legitimiert und damit in ihrem Bestand schützenswert.85 Um die Interessen auch der anderen Partei angemessen zu berücksichtigen, wird nicht jede durch Täuschung oder Drohung veranlasste Willenserklärung der An­ fechtung unterstellt, sondern nur die arglistige Täuschung86 respektive die wider­ rechtlich erfolgte Drohung87 sanktioniert.88 Durch die tatbestandliche Einschrän­ kung wird letztlich auch innerhalb des §  123 Abs.  1 BGB dem Schutz des Rechts­ verkehrs ein gewisses Gewicht beigemessen.89

80  BGH WM 1983, 447 (447); RGZ 85, 322 (324); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  119 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  119 Rn.  7; Singer in: Staudinger, BGB, §  119 Rn.  6. 81  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  123 Rn.  1; Arnold in: Erman, BGB, §  123 Rn.  1. 82  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S.  209; Singer in: Staudinger, BGB, §  123 Rn.  1. 83  So schon die Motive, Mugdan, Band 1, S.  465; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  123 Rn.  1. 84  BGH NJW 2012, 296 (298); BGHZ 51, 141 (147); RGZ 134, 43 (55); Ahrens in: Prütting/ Wegen/Weinreich, BGB, §  123 Rn.  1; Arnold in: Erman, BGB, §  123 Rn.  1; Dörner in: Schulze, BGB, §  123 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  123 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, §  123 Rn.  1; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  123 Rn.  1. 85  BGH NJW 2012, 296 (298); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  123 Rn.  1; Ar­ nold in: Erman, BGB, §  123 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  123 Rn.  1; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  123 Rn.  1. 86  Siehe zum Begriff und zu Einzelfällen Singer in: Staudinger, BGB, §  123 Rn.  5 ff. 87  Siehe zum Begriff und zu Einzelfällen Singer in: Staudinger, BGB, §  123 Rn.  6 4 ff. 88  BGHZ 25, 217 (223); Wendtland in: BeckOK-BGB, §  123 Rn.  2. 89  Auch Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  123 Rn.  1, nennt den Verkehrsschutz bei §  123 BGB, allerdings im Zusammenhang mit der Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine generelle Nichtigkeit der Willenserklärung bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Dro­ hung.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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cc)  Normzweck der erbrechtlichen Anfechtungstatbestände In §§  1954, 1956, 2078, 2281, 2308 BGB sind unterschiedliche Anfechtungsregelun­ gen normiert, die allesamt auf spezielle erbrechtliche Tatbestände zugeschnitten sind. Anfechtungsgegenstand sind bei §  1954 BGB die Annahme oder die Ausschla­ gung einer Erbschaft,90 bei §  1956 BGB die Versäumung der Ausschlagungsfrist,91 bei §  2078 BGB letztwillige Verfügungen,92 bei §  2281 BGB erbvertragliche Verfü­ gungen93 sowie bei §  2308 BGB die Erbschafts- sowie Vermächtnisausschlagung.94 Unabhängig von den Besonderheiten dieser Sonderregelungen besteht hinsicht­ lich der Gründe, bei denen die erbrechtlichen Anfechtungstatbestände einschlägig sind, in prinzipieller Hinsicht kein Unterscheid zu §§  119, 123 BGB. Auch die er­ brechtlichen Anfechtungstatbestände haben sämtlich einen Willensmangel, sei es auf Seiten des letztwillig Verfügenden, sei es auf Seiten des annehmenden oder ausschlagenden Erben, zur Voraussetzung. Hinsichtlich der Willensmängel werden entweder die Regelungen der §§  119, 123 BGB herangezogen wie bei §  1954 BGB95 oder es werden in den Regelungen selbst die anfechtbaren Irrtümer genannt, wie dies bei §  2078 BGB der Fall ist. Auch bei den erbrechtlichen Tatbeständen ist also der Grund für die Anfechtung ein Mangel in der Willensbildung oder Willensäuße­ rung, mithin eine Beeinträchtigung der privatautonomen Selbstbestimmung. Bei den erbrechtlichen Anfechtungstatbeständen geht dies so weit, dass nicht nur die in §  119 BGB genannten Irrtümer zur Anfechtung berechtigen, sondern darüber hin­ aus Motivirrtümer wie bei §  2078 BGB,96 §  2281 BGB97 oder §  2308 BGB.98 Es zeigt sich, dass der Schutzzweck der erbrechtlichen Anfechtungstatbestände ebenfalls die Gewährleistung der privatautonomen Selbstbestimmung ist.99 90 

Näheres hierzu bei Siegmann/Höger in: BeckOK-BGB, §  1954 Rn.  1. Näheres hierzu bei Siegmann/Höger in: BeckOK-BGB, §  1956 Rn.  1. 92  Anfechtungsgegenstand muss also nicht das Testament als Ganzes sein, BGH NJW 1985, 2025 (2026); RGZ 70, 391 (394). Näheres hierzu bei Litzenburger in: BeckOK-BGB, §  2078 Rn.  2. 93  Näheres hierzu bei Litzenburger in: BeckOK-BGB, §  2281 Rn.  2. 94  Näheres hierzu bei Mayer in: BeckOK-BGB, §  2308 Rn.  6 f. 95  Leipold in: MüKo-BGB, §  1954 Rn.  3 ff.; J. Schmidt in: Erman, BGB, §  1954 Rn.  2 ff.; Sieg­ mann/Höger in: BeckOK-BGB, §  1954 Rn.  1 ff.; Zimmer in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  1954 Rn.  1 ff. 96  Leipold in: MüKo-BGB, §  2078 Rn.  24; Litzenburger in: BeckOK-BGB, §  2078 Rn.  6; Löh­ nig/Avenarius in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  2079 Rn.  3; Otte in: Staudinger, BGB, §  2078 Rn.  13; M. Schmidt in: Erman, BGB, §  2078 Rn.  6. 97  Deppenkemper in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  2281 Rn.  2; Kanzleiter in: Staudin­ ger, BGB, §  2281 Rn.  8; Litzenburger in: BeckOK-BGB, §  2281 Rn.  8; Musielak in: MüKo-BGB, §  2281 Rn.  6; M. Schmidt in: Erman, BGB, §  2281 Rn.  3 f. 98  Haas in: Staudinger, BGB, §  2308 Rn.  1; Lange in: MüKo-BGB, §  2308 Rn.  1; Röthel in: Erman, BGB, §  2308 Rn.  1. 99  Leipold in: MüKo-BGB, §  2078 Rn.  1 ff., sieht den Schutzzweck des §  2078 BGB hinsicht­ lich der Willensfreiheit des Erblassers nur als mittelbaren. Hauptzweck von §  2078 BGB solle hingegen der Schutz der Interessen des Anfechtungsberechtigten sein. Nach hier vertretener Auf­ fassung steht der Schutz des Erblasserwillens im Vordergrund, da es auf dessen Irrtum ankommt. Zwar kommt gemäß §  2080 BGB der Anfechtungsberechtigte in den Genuss der Folgen dieses 91 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

dd)  Zusammenfassung und Vergleich mit dem Normzweck der Insolvenzanfechtung Die zivilrechtliche Anfechtung setzt entweder einen Willensmangel in Form eines Irrtums oder eine durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung veran­ lasste und dadurch „mangelhafte“ Willenserklärung voraus. Solche Willenserklä­ rungen entsprechen nicht in ausreichendem Maße dem Prinzip der privatautonomen Selbstbestimmung und werden deshalb von Gesetzes wegen der Anfechtung unter­ stellt, wodurch ihre Folgen wieder rückgängig gemacht werden können. Durch die Möglichkeit der Anfechtung wird dem von einem Willensmangel Betroffenen die Option gegeben, die „makelbehaftete“ Willenserklärung ungeschehen zu machen und dadurch seine privatautonome Entscheidung frei von Willensmängeln zur Gel­ tung zu bringen. Im Gegensatz zur zivilrechtlichen Anfechtung hat die Insolvenzanfechtung ge­ mäß §§  129 ff. InsO mit dem Schutz der Freiheit der Willensbildung und damit letzt­ lich mit dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts auf rechtsgeschäftlichem Ge­ biet100 nichts zu tun.101 Unabhängig von den Inhalten der einzelnen Anfechtungstat­ bestände ist es das Ziel der Insolvenzanfechtung, die Aktivmasse zu erweitern und die Passivmasse zu verkleinern.102 Zum Schutz des in §  1 Abs.  1 InsO genannten Verfahrensziels der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, der sogenannten par conditio creditorum, unterstellen die §§  129 ff. InsO bestimmte Rechtshandlungen der Insolvenzanfechtung.103 Solche Rechtshandlungen, die schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind, werden nicht der Insolvenzan­ fechtung unterworfen, weil ihnen ein Willensmangel zugrunde liegt und damit die freie Selbstbestimmung des Insolvenzschuldners tangiert wäre; vielmehr werden die Handlungen in aller Regel frei von Willensmängeln zustande gekommen sein. Selbst wenn man den Insolvenzschuldner durch die drohende Insolvenz in die Nähe eines dem §  123 BGB vergleichbaren Zustandes gerückt sieht, ist dies dennoch nicht der Normzweck der Insolvenzanfechtungsregeln. Durch die Insolvenzanfechtung sollen Vermögensverschiebungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen wor­ den sind, rückgängig gemacht werden, da sie gläubigerbenachteiligend sind und Schutzes, dennoch ändert dies nichts an der Schutzrichtung hinsichtlich des Willens des Erblas­ sers. In diese Richtung wohl auch Otte in: Staudinger, BGB, §  2078 Rn.  5: „Die Abweichungen der §§  2078 ff von den Vorschriften des Allgemeinen Teils zeigen insgesamt das Bestreben des Geset­ zes, den Erblasserwillen stärker zu berücksichtigen […]“. 100  Motive, Mugdan, Band 1, S.  465; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  123 Rn.  1. 101  So auch Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.8; in diese Richtung auch schon Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53. 102  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Gerhlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringst­ meier, §  129 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  2; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1. 103  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  1 ff.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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dadurch bereits in diesem Stadium die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt wird, was im Interesse eines erfolgreichen Insolvenzverfahrens nicht hingenommen werden kann.104 Der Zweck der Insolvenzanfechtung, die Sicherstellung der par conditio credi­ torum, gegen zeitlich vor Verfahrenseröffnung herbeigeführte Gläubigerbenachtei­ ligungen, hat mit dem Zweck der zivilrechtlichen Anfechtung, der in der Sicher­ stellung der Freiheit der Willensbildung als Grundlage der Privatautonomie be­ steht, nichts zu tun. Eine Vergleichbarkeit der beiden Rechtsinstitute ist daher zu verneinen. d)  Die Existenz von §  122 BGB und §  144 BGB als Ausdruck divergierender Normzwecke aa)  §  122 BGB Die Existenz von §  122 BGB belegt die Divergenz der Normzwecke. Die Vorschrift gibt dem Anfechtungsgegner im Fall der Anfechtung gemäß §§  119 f. BGB einen Schadensersatzanspruch gegen den Anfechtenden, falls der Anfechtungsgegner in­ folge der Anfechtung im Vertrauen auf die Gültigkeit der Willenserklärung einen Schaden erlitten hat. Da die Anfechtungstatbestände grundsätzlich der mangelfrei­ en Selbstbestimmung den Vorrang vor dem Interesse des Anfechtungsgegners zu­ billigen, fungiert §  122 BGB als Korrektiv, das dem Schutz des Rechtsverkehrs dient.105 Die Rückgängigmachung von Willensmängeln einer Partei soll nicht der­ gestalt zu Lasten der Gegenpartei gehen, dass diese einen Vertrauensschaden selbst zu tragen hat, obwohl der Willensmangel von ihr möglicherweise überhaupt nicht zu erkennen war.106 Die Schadensersatzpflicht beruht damit auf dem Veranlas­ sungsprinzip.107 Im Recht der Insolvenzanfechtung existiert eine solche Norm, die dem Anfech­ tungsgegner einen Schadensersatzanspruch gegen die Masse respektive den Insol­ venzschuldner zubilligt, nicht. Zum einen liegt dies daran, dass es bei der Insolvenz­ anfechtung nicht um den Schutz der Selbstbestimmung geht und damit auch keine Korrektivnorm zum Schutze der Gegenpartei, die auf eine einwandfreie Ausfor­ mung der Selbstbestimmung durch den Anfechtenden vertraut hat, benötigt wird. Zum anderen würde es dem Prinzip der par conditio creditorum widersprechen, wenn dem Anfechtungsgegner, dessen gläubigerbenachteiligender Erwerb rückgän­ gig gemacht werden soll, ein Schadensersatz für diese Rückgängigmachung zuge­ sprochen werden würde. Für den Insolvenzverwalter könnte es zu einem sehr ris­ 104 

Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2 f. Singer in: Staudinger, BGB, §  122 Rn.  1; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  122 Rn.  1. 106  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  122 Rn.  1; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  122 Rn.  1; Arnold in: Erman, BGB, §  122 Rn.  1; Singer in: Staudinger, BGB, §  122 Rn.  1. 107  BGH NJW 1969, 1380 (1380); RGZ 81, 398 (399); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  122 Rn.  1. 105 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

kanten Unterfangen werden, wenn durch die Anfechtung möglicherweise sehr hohe Ersatzansprüche des Anfechtungsgegners zum Schaden der Masse ausgelöst wer­ den würden. Desweiteren ist die Existenz einer Schadensersatznorm aus Schutzzweckge­ sichtspunkten nicht gerechtfertigt. Der Anfechtungsgegner ist bei der Insolvenzan­ fechtung zumindest dergestalt an der anfechtbaren Handlung beteiligt, als dass ihm die gläubigerschädigende Vermögensverschiebung zugute kommt. Ihm einen Scha­ densersatzanspruch hinsichtlich seines Vertrauensschadens im Falle der erfolgten Anfechtung zuzubilligen, würde die übrigen Insolvenzgläubiger erneut benachteili­ gen. Die Belange des Anfechtungsgegners werden in ausreichendem Maße durch die Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen Anfechtungstatbestände, insbeson­ dere durch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen, berücksichtigt. bb)  §  144 BGB Die Divergenz der angestrebten Normzwecke zeigt sich daneben in der Existenz der Vorschrift des §  144 Abs.  1 BGB.108 Danach ist die Anfechtung gemäß §§  142, 143 BGB ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft vom Anfechtungsbe­ rechtigten bestätigt wird. Dem Anfechtungsberechtigten soll ermöglicht werden, bereits vor Ablauf der Anfechtungsfrist klarzustellen, dass eine rückwirkende Un­ wirksamkeit der anfechtbaren Willenserklärung durch eine Anfechtung seinerseits ausgeschlossen sein soll, wenn ihm das günstig erscheint.109 Die Vorschrift ist Aus­ druck des Normzwecks des zivilrechtlichen Anfechtungsrechts.110 Dem Schutz der Freiheit der Willensbildung des Anfechtungsberechtigten kann auch dadurch Rech­ nung getragen werden, dass er durch eine Bestätigung des Rechtsgeschäfts seinem nun mangelfreien Willen Geltung verschafft und eine Anfechtung damit aus­ schließt. Demgegenüber kann die par conditio creditorum nur dadurch erreicht wer­ den, dass der durch die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung herbeigeführte Erfolg tatsächlich rückgängig gemacht wird.111 Wie obenstehend angesprochen wurde, ist eine erfolgversprechende Anfechtung durchzuführen.112 Es verwundert daher nicht, dass eine vergleichbare Vorschrift im Insolvenzanfechtungsrecht nicht normiert ist. e) Ergebnis Obwohl die Insolvenzanfechtung und die zivilrechtliche Anfechtung eine augen­ scheinliche Namensverwandtschaft aufweisen, die dazu verleiten mag, auch eine 108 

So auch schon Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53. Wendtland in: BeckOK-BGB, §  144 Rn.  1. 110  Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53. 111  Kleinfeller, Konkursrecht, S.  53. 112  Siehe S.  95 f. 109 

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prinzipielle Verwandtschaft zwischen den beiden Rechtsinstituten anzunehmen,113 ist einer solchen Annahme zu widersprechen. Bereits was die Ausgestaltung der zivilrechtlichen Anfechtung als fristgebunde­ nes Gestaltungsrecht anbelangt, besteht ein gravierender Unterschied zur Insolvenz­ anfechtung. Bei dieser sprechen insbesondere die Verjährungsregelung des Rückge­ währanspruchs in §  146 Abs.  1 InsO, die fehlende Regelung einer Ausschlussfrist sowie die hinter der Ausgestaltung als Gestaltungsrecht liegenden Normzwecke der privatautonomen Selbstbestimmung sowie des Verkehrsschutzes gegen die Annah­ me eines Gestaltungsrechts. Auch die unterschiedlichen Normzwecke sprechen gegen eine Vergleichbarkeit. Während die zivilrechtliche Anfechtung die Folgen von Willensmängeln bei der Abgabe und dem Zustandekommen von Willenserklärungen rückgängig machen soll und damit der Selbstbestimmung im rechtsgeschäftlichen Verkehr zur Geltung verhilft, ist es der Zweck der Insolvenzanfechtung, die Gleichbehandlung und best­ mögliche Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen, indem die Gesamtheit der Gläubiger gegen gläubigerschädigende vorinsolvenzliche Vermögensverschiebun­ gen geschützt wird. Die Selbstbestimmung der handelnden Personen wird demge­ genüber durch die Insolvenzanfechtung nicht geschützt. Im Gegenteil wird durch die Insolvenzanfechtung sogar in die Selbstbestimmung eingegriffen, indem recht­ liche Handlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind und ih­ rerseits Ausdruck der Selbstbestimmung der jeweils Handelnden sind, rückgängig gemacht werden. Die Existenz von §  122 BGB und §  144 BGB belegt die divergierenden Norm­ zwecke. Während die Normen bei der zivilrechtlichen Anfechtung sinvoll sind, würden sie das Ziel der Insolvenzanfechtung konterkarieren. Dementsprechend ist eine Vergleichbarkeit der Regelungen der zivilrechtlichen Anfechtung mit denjenigen der Insolvenzanfechtung zu verneinen. Somit kann auch die Rechtsfolge der zivilrechtlichen Anfechtung, die ex-tunc-Unwirksamkeit der angefochtenen Willenserklärung gemäß §  142 BGB, nicht auf die von der Insol­ venzanfechtung betroffenen Rechtshandlungen übertragen werden.

3.  Die zivilrechtlichen Rücktrittsregeln Der Rückgewähranspruch aus §  346 Abs.  1 BGB setzt ebenfalls eine Einwirkung auf die der Vermögensverschiebung zugrunde liegende Rechtshandlung in Form der vertraglichen Grundlage voraus.114 Der Vertrag, der dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, wird durch den erfolgten Rücktritt in ein sogenanntes Rückgewähr­ 113  Crome, System, Band 1, S.  353 ff.; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S.  218 ff.; Hellwig, Verträ­ ge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (476 ff.). 114  Siehe hierzu eingehend S.  47 ff.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

schuldverhältnis umgewandelt.115 Eine Unwirksamkeit des Vertrages ist demgegen­ über nicht die Folge des Rücktritts.116 Die Grundsatznorm des Rücktrittsrechts, die bestimmt, unter welchen Vorausset­ zungen ein Rücktritt vom Vertrag möglich ist, findet sich in §  323 Abs.  1 BGB. Es ist zu untersuchen, ob die Regelungen der Insolvenzanfechtung eine so starke Ähn­ lichkeit mit §  323 BGB aufweisen, dass deren in §  346 Abs.  1 BGB geregelte Rechts­ folge in Form des Rückgewährschuldverhältnisses Anwendung auf die Insolvenz­ anfechtung finden kann. Da der Rücktritt zu einem nur schuldrechtlich wirkenden Rückgewähranspruch führt,117 hätte das zur Folge, dass auch bei der Insolvenzan­ fechtung nur ein derart obligatorisch wirkender Anspruch in Frage kommen würde. Wäre das der Fall, könnte die dingliche Theorie als Erklärung für die Wirkungswei­ se der Insolvenzanfechtung aus der Betrachtung ausgeschieden werden. Auch an dieser Stelle sind hinsichtlich des Vergleichs vornehmlich die rechtstech­ nische Ausgestaltung sowie Sinn und Zweck der Rücktrittsregeln in den Blick zu nehmen. a)  Der Rücktritt vom Vertrag als Gestaltungsrecht Wie die zivilrechtliche Anfechtung stellt auch der Rücktritt ein Gestaltungsrecht dar,118 das gemäß §  349 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil ausge­ übt wird. Gemäß dieser rechtstechnischen Ausgestaltung unterliegt der Rücktritt nicht der Verjährung.119 Zwar ist der zeitliche Ausschluss des Rücktritts gemäß §  218 BGB an die Verjährung des vertraglichen Primäranspruchs oder eines Nacher­ füllungsanspruchs gekoppelt, weshalb man in diesem Zusammenhang auch von ei­ ner „Gestaltungsverjährung“ spricht.120 Trotz der Rückkoppelung an die Verjäh­ rung des Hauptanspruchs, handelt es sich bei §  218 BGB aber nicht um eine Verjäh­ 115  BGHZ 174, 290 (293); Gaier in: MüKo-BGB, §  346 Rn.  15; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  69; Röthel in: Erman, BGB, Vor §§  346–354, Rn.  1; Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6, spricht von „Abwicklungsverhältnis“; ebenso Stürner/Medicus in: Prütting/Wegen/ Weinreich, BGB, Vorbem. vor §§  346 ff. Rn.  1. 116  BGHZ 174, 290 (293); Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  35; Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  69. 117  Gaier in: MüKo-BGB, Vor §§  346 ff. Rn.  1; Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  6; Kaiser in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  1, §  346 Rn.  70; H. Schmidt in: BeckOK-BGB, §  346 Rn.  9. 118  Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  8; Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  5; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  1; Röthel in: Erman, BGB, Vor §§  346–354 Rn.  1; H. Schmidt in: BeckOK-BGB, §  346 Rn.  6; Stürner/Medicus in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, Vorbem. vor §§  346 ff. Rn.  1. 119  Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  9; Grüneberg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  5; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  349 Rn.  49; Röthel in: Erman, BGB, Vor §§  346–354 Rn.  10; H. Schmidt in: BeckOK-BGB, §  346 Rn.  6; so auch der Gesetzentwurf zum Schuldrechtsmodernisie­ rungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S.  124, abgedruckt in: Schmidt-Räntsch/Maifeld/Meier-Gö­ ring/Röcken, Das neue Schuldrecht, S.  132. 120  Gaier in: MüKo-BGB, Vor §  346 Rn.  9; Kaiser in: Staudinger, BGB, §  349 Rn.  49.

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rungsvorschrift, sondern um eine Ausschlussfrist, was am Wortlaut „ist unwirksam“ zu erkennen ist.121 Im Gegensatz hierzu sind im Recht der Insolvenzanfechtung keine Anhaltspunk­ te für eine Konzeption als Gestaltungsrecht zu finden.122 Im Gegenteil deutet die Umwandlung der alten Ausschlussfrist des §  41 Abs.  1 S.  1 KO in die Verjährungs­ regelung des §  146 Abs.  1 InsO darauf hin, dass die Insolvenzanfechtung kein Ge­ staltungsrecht darstellen soll.123 Auch die hinter der Ausformung als Gestaltungsrecht liegenden Wertungen bei den zivilrechtlichen Rücktrittsregelungen sind bei der Insolvenzanfechtung nicht zu finden. Durch den Rücktritt wird dem Rücktrittsberechtigten ein „einseitiges Ein­ wirkungsrecht“124 hinsichtlich des Vertrages zugestanden, wodurch er ein „Wahl­ recht zwischen zwei Rechtszuständen“125 erhält. Die Entscheidung, ob er den Rück­ tritt ausübt und damit die Rückgewährpflicht hinsichtlich der beiderseits empfange­ nen Leistungen auslöst oder weiterhin am Vertrag festhalten möchte, bleibt ihm überlassen. Das Rücktrittsrecht stellt damit eine Möglichkeit dar, den Grundsatz pacta sunt servanda durch ein einseitiges Gestaltungsrecht zu durchbrechen.126 Wenn der Rücktritt nicht als Gestaltungsrecht ausgeformt wäre, sondern die Rücktrittsfolgen ipso iure bei Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen eintreten würden, wäre das ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Vertragsfreiheit der rück­ trittsberechtigten Partei. Schließlich ist die Entscheidung, ob ein rücktrittsrechtsbe­ gründender Umstand für sie tatsächlich so schwer wiegt, dass sie sich von dem Vertrag lösen möchte oder an diesem festhalten will, der rücktrittsberechtigten Ver­ tragspartei zu überlassen. Der Rücktrittsberechtigte kann über diese Frage sachge­ recht nach eigenem Ermessen entscheiden, indem er seine Interessen abwägt und damit die für sich beste Lösung findet. Durch eine ipso-iure-Wirkung des Rücktritts wäre dem Rücktrittsberechtigten dagegen nicht geholfen. Dementsprechend wurde das Rücktrittsrecht sinnvollerweise als Gestaltungsrecht ausgeformt. Die Entschei­ dungsfreiheit des Rücktrittsberechtigten schützt dessen Selbstbestimmungsrecht im vertraglichen Bereich, was durch einen ipso iure eintretenden Rücktritt nicht be­ rücksichtigt werden könnte. Die Ausgestaltung als Gestaltungsrecht hat von ihrer Zweckgebung damit eine starke Ähnlichkeit mit derjenigen der zivilrechtlichen An­ fechtung. 121  Auch Grothe in: MüKo-BGB, §  218 Rn.  1, spricht von „Ausschluss ihrer Geltendmachung“; im praktischen Ergebnis besteht jedoch kaum ein Unterschied zur Verjährung; siehe auch Grüne­ berg in: Palandt, BGB, Einf v §  346 Rn.  5; nach dem Gesetzentwurf zum Schuldrechtsmodernisie­ rungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S.  124, abgedruckt in: Schmidt-Räntsch/Maifeld/Meier-Gö­ ring/Röcken, Das neue Schuldrecht, S.  132, soll „die Konstruktion […] einen Gleichlauf zur Ver­ jährung schaffen […]“. 122  Siehe S.  91 ff. 123  So auch die Regierungsbegründung, BT-Drucks. 12/2443, S.  168 f., abgedruckt in: Kübler/ Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  362. 124  Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  1. 125  Kaiser in: Staudinger, BGB, §  346 Rn.  1. 126  Kaiser in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  346 ff. Rn.  5.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Wie bereits im Rahmen der Gegenüberstellung mit der zivilrechtlichen Anfech­ tung beschrieben wurde, spielt das Selbstbestimmungsrecht des Insolvenzschuld­ ners bei der Insolvenzanfechtung keine Rolle und bedarf deshalb auch keines Schut­ zes durch eine Ausformung als Gestaltungsrecht.127 Der Schuldner verliert sein Selbstbestimmungsrecht im rechtsgeschäftlichen Bereich bereits durch die Verfah­ renseröffnung, indem gemäß §  80 Abs.  1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbe­ fugnis über das Schuldnervermögen auf den Insolvenzverwalter übergeht. Dem Insolvenzverwalter selbst steht nach der Amtstheorie kein schutzbedürftiges und schutzwürdiges privatautonomes Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Ent­ scheidung zu, ob er die Insolvenzanfechtung geltend macht.128 Auch bei Anerken­ nung eines Selbstbestimmungsrechts des Insolvenzverwalters bezüglich der Ent­ scheidungen hinsichtlich der Masse, ist ein Gestaltungsrecht zum Schutz des Selbst­ bestimmungsrechts nicht notwendig.129 Wie auch bei der zivilrechtlichen Anfechtung spricht demnach die Ausformung des Rücktritts als Gestaltungsrecht gegen eine Vergleichbarkeit mit der Insolvenzanfechtung. b)  Die Normzwecke der Rücktrittsregeln Bei der Untersuchung der Normzwecke der Rücktrittsregeln werden nicht nur die §§  323, 324 BGB in den Blick genommen, sondern auch die Vorschriften, die dem Verbraucher ein Widerrufsrecht an die Hand geben. Hierbei handelt es sich zwar nicht um Regeln, die den Rücktritt vom Vertrag ermöglichen, wie der Wortlaut „Wi­ derrufsrecht“ deutlich macht. Allerdings sind gemäß §  357 Abs.  1 BGB die empfan­ genen Leistungen zurückzugewähren, womit dieselbe Rechtsfolge wie in §  346 Abs.  1 BGB ausgesprochen wird.130 Die Normen, die ein Widerrufsrecht begrün­ den, können daher für die hier durchgeführte Untersuchung ebenfalls fruchtbar ge­ macht werden. aa)  §§  323, 324 BGB §  323 Abs.  1 BGB setzt als Zentralnorm für den Rücktritt voraus, dass bei einem gegenseitigen Vertrag eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht worden ist. Darüber hinaus muss der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine ange­ messene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt haben, um vom Vertrag zurücktreten zu können. Wie sich aus den Tatbestandsmerkmalen der Nichtleistung und der nicht vertragsgemäßen Leistung ergibt, erfasst §  323 Abs.  1 BGB Fallge­ 127 

Siehe S.  94. Siehe S.  95 f. 129  Siehe S.  96 f. 130  Die Änderungen der Widerrufsrechtsfolgen durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbrau­ cherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013 haben insofern keine inhaltlichen Änderungen ergeben; siehe hierzu schon S.  48 f. 128 

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staltungen, in denen das Leistungsinteresse des Gläubigers verletzt ist, mithin Leis­ tungsstörungen vorliegen.131 Durch die Vorschrift wird folglich das „synallagmati­ sche Interesse des Gläubigers der gestörten Leistung“132 geschützt. §  324 BGB setzt demgegenüber keine Leistungspflichtverletzung durch den Schuldner voraus, sondern die Verletzung einer Pflicht nach §  241 Abs.  2 BGB. Die sogenannten Schutz- und Rücksichtnahmepflichten133 haben den Zweck, den Gläu­ biger in seinen ihn zugewiesenen Rechten und Rechtsgütern zu schützen,134 also sein Integritätsinteresse zu bewahren.135 Verletzt der Schuldner diese Pflichten in einem Maße, dass dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist, wird ihm durch §  324 BGB die Möglichkeit des Rücktritts eröffnet. Da durch das Vertragsverhältnis erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners auf die Rechte und Rechtsgüter des Gläubigers geschaffen werden, kann er im Falle eines Verstoßes gegen §  241 Abs.  2 BGB durch die Möglichkeit des Rücktritts gegebenen­ falls weitere Verletzungen seines Integritätsinteresses vermeiden.136 Zweck von §  324 BGB ist es somit, dem Gläubiger eine Möglichkeit zu geben, sich im Falle von Verstößen gegen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten der durch das Vertragsver­ hältnis erhöhten Einwirkungsmöglichkeit des Schuldners zu entziehen.137 bb) Widerrufsvorschriften Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind an verschiedenen Stellen Widerrufsrechte nor­ miert. Im Gegensatz zum Rücktritt gemäß §§  323, 324 BGB ist der Widerruf nicht an Voraussetzungen wie eine Leistungsstörung oder Schutzpflichtverletzung ge­ mäß §  241 Abs.  2 BGB gebunden. Die Widerrufsrechte der §  312g BGB (Haustürge­ schäft, Fernabsatzvertrag), §  485 BGB (unter anderem Teilzeitwohnrechtevertrag), §  495 BGB (Verbraucherdarlehensvertrag), §§  506, 495 BGB (Zahlungsaufschub, entgeltliche Finanzierungshilfe) sowie §  510 Abs.  2 BGB (Ratenlieferungsvertrag) haben unbeschadet ihrer jeweils unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale die Ge­ meinsamkeit, dass stets ein Verbraucher im Sinne von §  13 BGB auf „Kundenseite“ und ein Unternehmer im Sinne von §  14 BGB auf der Gegenseite involviert sein müssen. Das Verbraucherschutzrecht, dessen Bestandteil die aufgeführten Widerrufs­ rechte sind, soll das „strukturelle Machtungleichgewicht“ zwischen Verbraucher und Unternehmer ausgleichen, das sich daraus ergibt, dass der Verbraucher markt­ strukturbedingt der im Vergleich zum Unternehmer unterlegene Marktteilnehmer 131  Ernst in: MüKo-BGB, §  323 Rn.  1; H. Schmidt in: BeckOK-BGB, §  323 Rn.  1; Westermann in: Erman, BGB, §  323 Rn.  1. 132  Otto/Schwarze in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  320–326 Rn.  61. 133  Ausführlich hierzu siehe Roth/Bachmann in: MüKo-BGB, §  241 Rn.  46 ff. 134  Ernst in: MüKo-BGB, §  324 Rn.  1. 135  Otto/Schwarze in: Staudinger, BGB, §  324 Rn.  11. 136  Otto/Schwarze in: Staudinger, BGB, §  324 Rn.  11. 137  Otto/Schwarze in: Staudinger, BGB, §  324 Rn.  11.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

ist.138 Die verbraucherschützenden Widerrufsrechte mildern die gestörte Vertrags­ parität zwischen Verbraucher und Unternehmer.139 Neben dem Ausgleich dieses Ungleichgewichts haben die Widerrufsrechte den Schutz der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zum Ziel,140 der aufgrund der besonderen Vertragssituation oftmals überrascht141 oder wegen der wirtschaftlichen Tragweite des Vertrages überfordert ist.142 Die Möglich­ keit eines späteren Widerrufs des abgeschlossenen Vertrages gibt dem Verbraucher ausreichend Bedenkzeit, um sich mit den Konsequenzen des Vertrages auseinan­ derzusetzen.143 cc)  Vergleich hinsichtlich des Normzwecks der Insolvenzanfechtung Das Ziel von §  323 Abs.  1 BGB ist es, für Leistungsstörungen im Vertragsverhältnis eine Möglichkeit zu schaffen, mittels derer sich der Gläubiger von diesem Vertrag bei Bedarf lösen kann. §  323 Abs.  1 BGB wird dabei von §  324 BGB flankiert, der eine Lösungsmöglichkeit für den Fall schafft, dass unabhängig von Leistungsstö­ rungen ein Festhalten am Vertrag für den Gläubiger wegen der Beeinträchtigung seines Integritätsinteresses unzumutbar ist. Die Widerrufsvorschriften bezwecken wiederum losgelöst von konkreten Leistungsstörungen oder Schutzpflichtverlet­ zungen generell den Schutz des Verbrauchers in bestimmten Vertragssituationen und vor bestimmten Vertragsarten. Demgegenüber besteht der Schutzzweck der Insolvenzanfechtung, in der Sicher­ stellung der par conditio creditorum. Dieser Zweck hat mit den Normzwecken der Rücktritts- und Widerrufsregeln keinerlei Gemeinsamkeiten. So wird im Rahmen der Insolvenzanfechtung im Falle der gläubigerschädigenden Erfüllung eines ge­ genseitigen Vertrages durch den Insolvenzschuldner auch dann eine Rückgewähr angeordnet (vorausgesetzt §  130 InsO oder §  131 InsO greift tatbestandlich ein), wenn eine Leistungsstörung oder Schutzpflichtverletzung seitens des Anfechtungs­ gegners in dem Vertragsverhältnis nicht vorliegt. Ebenso greift §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ein, wenn der Insolvenzschuldner ein Unternehmer und der Anfechtungsgeg­ ner ein Verbraucher ist, obwohl dieser aufgrund seiner strukturellen Unterlegenheit eigentlich stets schutzwürdig ist. Man kann hieran erkennen, dass das Ziel der 138  Kannowski in: Staudinger, BGB, §  13 Rn.  5; eingehend zur strukturellen Unterlegenheit des Verbrauchers siehe Reich, Markt und Recht, S.  179 ff. 139  Looschelders/Olzen in: Staudinger, BGB, §  242 Rn.  482. 140  BGHZ 185, 192 (196); BGHZ 165, 363 (368); Koch in: Erman, BGB, Vor §§  312–312k Rn.  3; Looschelders/Olzen in: Staudinger, BGB, §  242 Rn.  482. 141  Koch in: Erman, BGB, Vor §§  312–312k Rn.  3; Masuch in: MüKo-BGB, §  312 Rn.  1; Maume in: BeckOK-BGB, §  312 Rn.  1; Stürner in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  312b Rn.  4; Thü­ sing in: Staudinger, BGB, §  312 Rn.  1. 142  Kessal-Wulf in: Staudinger, BGB, §  495 Rn.  1; Möller in: BeckOK-BGB, §  495 Rn.  1; Saen­ ger in: Erman, BGB, §  495 Rn.  1; Schürnbrand in: MüKo-BGB, §  495 Rn.  1. 143  Saenger in: Erman, BGB, §  495 Rn.  1; Schürnbrand in: MüKo-BGB, §  495 Rn.  1.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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gleichmäßigen und bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger losgelöst von den Erwägungen, die hinter den Rücktritts- respektive Widerrufsregelungen stehen, zu finden ist. Eine Vergleichbarkeit mit diesen Regelungen kommt damit für die Insol­ venzanfechtung nicht in Betracht. dd)  Möglichkeit eines Rückgewährschuldverhältnisses trotz fehlender Vergleichbarkeit mit dem Rücktritt Trotz der fehlenden Vergleichbarkeit hinsichtlich der Ausformung als Gestaltungs­ recht und der unterschiedlichen Normzwecke, die hinter den zivilrechtlichen Rück­ trittsregeln und der Insolvenzanfechtung stehen, könnte man gleichwohl zu der An­ nahme gelangen, dass die Insolvenzanfechtung zu einem rein schuldrechtlich wir­ kenden Rückgewährschuldverhältnis führt, wie dies bei einem erfolgten Rücktritt der Fall ist. Man könnte annehmen, dass durch die Insolvenzanfechtung die an­ fechtbare Rechtshandlung ebenso zu einem Rückgewährschuldverhältnis umgestal­ tet wird, wie es der gegenseitige Vertrag durch den Rücktritt wird. Eine solche Lö­ sung hätte den Charme, dass sie mit der schuldrechtlichen Theorie übereinstimmt, die ebenfalls einen rein obligatorisch wirkenden Rückgewähranspruch als Folge der Insolvenzanfechtung annimmt.144 Wegen der fehlenden Vergleichbarkeit mit dem Rücktritt, was die obenstehend beschriebenen grundlegenden Voraussetzungen hinsichtlich der rechtstechnischen Umsetzung und der Normzwecke anbelangt, lässt sich eine solche Annahme dog­ matisch sauber kaum begründen, wenn man die Insolvenzanfechtung auf zivil­ rechtliche Prinzipien zurückzuführen versucht. Würde man trotz der fehlenden Vergleichbarkeit ein schuldrechtliches Rückgewährschuldverhältnis als Folge der Insolvenzanfechtung anerkennen, würde man die beschriebenen zivilrechtlichen Anknüpfungen beiseite schieben und wieder rein systemimmanente Erwägungen anstellen. Man wäre also wieder am Ausgangspunkt der Betrachtung angelangt, bei der man die dogmatische Einordnung der Insolvenzanfechtung aus sich selbst her­ aus zu erklären versucht. Damit wäre nichts gewonnen. Darüber hinaus ist mit der beschriebenen Feststellung, dass allen zivilrechtlichen Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüchen eine Unwirksamkeit der einer Vermögensverschiebung zugrunde liegenden Rechtshandlung gemeinsam ist, die Annahme eines Rückgewährschuldverhältnisses bei der Insolvenzanfechtung kons­ truktiv nicht vereinbar. Die Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis wür­ de in den äußerst bedeutsamen Fallgestaltungen der Deckungsanfechtung gemäß 144  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.12 ff.; Baur/ Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  26.6; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  6, 9; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  11, 68; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  49 und 160 f.; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, Vorbem. zu §§  129 ff. Rn.  3, §  143 Rn.  2; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  224 ff.; Zeuner, Anfechtung, Rn.  5; Zeuner in: Leonhrdt/ Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

§§  130, 131 InsO nicht zu der gewünschten Rechtsfolge eines schuldrechtlich wir­ kenden Rückgewähranspruchs führen können. Im Rahmen der Deckungsanfech­ tung ist die anfechtbare Rechtshandlung eine solche, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat. Bei der Gewährung der Sicherung oder Befriedigung handelt es sich stets um eine Verfügung,145 etwa in Form der Übereignung von Waren oder Geld. Gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO soll das durch die Verfügung Weggegebene vom Anfechtungsgegner an die Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Versuchte man dies mittels eines schuldrechtlichen Rückgewährschuldverhältnisses zu erreichen, müsste es konsequenterweise wie der Rücktritt an der schuldrechtlichen Verpflich­ tung im Sinne des gegenseitigen Vertrages ansetzen, welcher der Deckung rechtfer­ tigend zugrunde liegt. Der gegenseitige Vertrag ist jedoch nicht die im Rahmen der Deckungsanfechtung anfechtbare Rechtshandlung. Diese ist vielmehr allein die Verfügung.146 Da der gegenseitige Vertrag nicht der Bezugspunkt für die Anfech­ tung im Rahmen der Deckungsanfechtung ist, kann er durch die Insolvenzanfech­ tung nicht zu einem Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt werden. Hier mag ein Beispiel der Verdeutlichung dienen: Der Anfechtungsgegner (AG) hat gegen den Insolvenzschuldner (IS) einen Anspruch in Höhe von 1.000 € aufgrund einer Kaufpreisschuld. IS übereignet AG in gemäß §  130 Abs.  1 InsO anfechtbarer Weise die Summe in bar. Kurze Zeit später wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen von IS eröffnet. Der Insolvenzverwalter betreibt die Anfechtung.

In diesem Fall ist die anfechtbare Rechtshandlung die Übereignung der 1.000 €. Der Kaufvertrag, aus dem die Schuld resultiert, ist hingegen nicht Gegenstand der An­ fechtung gemäß §  130 Abs.  1 InsO und bleibt demnach von dieser unberührt und vollwirksam bestehen. Würde man infolge der Anfechtung der Übereignung ein Rückgewährschuldverhältnis als Rechtsfolge konstruieren, würde das den wirksa­ men Kaufvertrag als forthin bestehendes rechtfertigendes Band unberücksichtigt lassen. Das Rückgewährschuldverhältnis müsste also an der Übereignung als an­ fechtbarer Rechtshandlung selbst ansetzen, um dogmatisch unangreifbar zu sein. Problematisch ist, dass der Inhalt der Verfügung lediglich die Einwirkung auf ein bestimmtes Recht darstellt.147 Die Frage, aufgrund welcher schuldrechtlichen Ver­ pflichtung die Verfügung geschieht, erfährt wegen der Abstraktheit der Verfügung dagegen keine Klärung.148 Ob der Abstraktheit des Verfügungsbegriffs149 kann eine Verfügung nicht dergestalt angegriffen werden, dass sie in ein Rückgewährschuld­ verhältnis umgewandelt werden kann. Die Verfügung selbst trägt anders als der gegenseitige Vertrag als Anknüpfungspunkt für das Rückgewährschuldverhältnis 145 

Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  6; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  130 Rn.  41 ff. Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  9. 147  Bayreuther in: MüKo-BGB, §  185 Rn.  3; Gursky in: Staudinger, BGB, §  185 Rn.  4 f. 148  Gaier in: MüKo-BGB, Buch 3 (Sachenrecht), Einleitung Rn.  15 f.; Gehrlein/Sutschet in: BeckOK-BGB, §  311 Rn.  6; Seiler in: Staudinger, Eckpfeiler, U. Sachenrecht Rn.  48. 149  Ausführlich hierzu Seiler in: Staudinger, Eckpfeiler, U. Sachenrecht Rn.  48 ff. 146 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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im Fall des Rücktritts keinerlei rechtfertigende Kraft für das Behaltendürfen des Verfügungsgegenstandes in sich. Nur ein derart schuldrechtliches Band, das eine Vermögensübertragung in Form einer Verfügung rechtfertigend trägt, kann in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt werden, das seinerseits wieder die Rückgewähr des übertragenen Gegenstandes rechtfertigt. Für ein nur schuldrechtlich wirkendes Rückgewährschuldverhältnis ist die De­ ckungshandlung in Form der Verfügung somit kein geeigneter Ansatzpunkt. Die von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO angeordnete Rückgewähr im Falle der Deckungsanfech­ tung ist nur dann möglich, wenn die hier vorliegende Verfügung direkt angegriffen wird. Ein solcher direkter Angriff der Verfügung ist wiederum nur in der Form möglich, dass der Verfügung als solcher die Wirksamkeit entzogen wird. Durch den Verlust der Wirksamkeit wird der vorher herrschende Rechtszustand wieder herge­ stellt. §  143 Abs.  1 S.  1 InsO dient dann dazu, diesem Rechtszustand auch in tat­ sächlicher Hinsicht zu seiner Durchsetzung zu verhelfen. Auf den Beispielsfall angewendet bedeutet diese Lösung, dass durch die De­ ckungsanfechtung der Übereignung der 1000 € die Wirksamkeit entzogen wird. Der Insolvenzschuldner IS ist Eigentümer des Geldes geblieben. §  143 Abs.1 S.  1 InsO gibt dem Insolvenzverwalter im Falle der Deckungsanfechtung folglich einen ding­ lichen Herausgabeanspruch. Da die für das Insolvenzanfechtungsrecht äußerst wichtige Deckungsanfechtung nicht mit Hilfe eines Rückgewährschuldverhältnisses erklärt werden kann, ist eine solche Konstruktion für die Insolvenzanfechtung im Ganzen nicht brauchbar. Über kleinere Unstimmigkeiten könnte bei einem Vergleich von verschiedenen Rechtsin­ stituten möglicherweise hinweggesehen werden. Wenn jedoch komplette und dazu noch sehr bedeutsame Tatbestände nicht mit einer bestimmten Rechtsfolge in Ein­ klang gebracht werden können, ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Rechtsfol­ ge als richtig anzusehen ist. Da darüber hinaus auch eine Vergleichbarkeit mit den Rücktrittsregeln, deren tatbestandliches Vorliegen erst zu einem solchen Rückge­ währschuldverhältnis führt, abgelehnt wurde, ist von einem nur obligatorisch wir­ kenden Rückgewährschuldverhältnis als Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung Ab­ stand zu nehmen.

4.  Die zivilrechtliche Sittenwidrigkeit Gemäß §  138 Abs.  1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten ver­ stößt, nichtig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt dann vor, wenn das in Frage stehende Rechtsgeschäft gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Den­ kenden“ verstößt.150 150  Motive, Mugdan, Band 2, S.  406; BGH NJW 2009, 1346 (1347); BGH NJW 2004, 2668 (2670); BGHZ 69, 295 (297); BGHZ 60, 28 (33); BGHZ 27, 172 (180); BGHZ 20, 71 (74); BGHZ 17,

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Möglicherweise ergibt sich infolge eines Vergleichs der Sittenwidrigkeit mit der Insolvenzanfechtung eine solch enge Verwandtschaft beider Rechtsinstitute, dass die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung ebenso zu bestimmen sind wie diejeni­ gen der Sittenwidrigkeit. a)  Die ipso iure eintretende Wirkung des §  138 Abs.  1 BGB Die Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB tritt von selbst ein und führt dazu, dass das gegen die guten Sitten verstoßende Rechtsgeschäft von Anfang an nichtig ist.151 Die Sittenwidrigkeit wirkt gegenüber jedermann.152 Anders als bei Gestaltungs­ rechten wie der Anfechtung gemäß §§  119 ff., 142 f. BGB bedarf es bei der Sitten­ widrigkeit nicht der gesonderten Ausübung in Form einer Erklärung, um die Rechtsfolge der Nichtigkeit herbeizuführen. Vielmehr ist diese von Amts wegen zu berücksichtigen.153 Sinn und Zweck des automatischen Eintritts der Rechtsfolge des §  138 Abs.  1 BGB ist es, den Sittenverstoß des Rechtsgeschäfts von vornherein zu unterbinden.154 Würde das sittenwidrige Rechtsgeschäft zunächst wirksam bestehen bleiben und die Nichtigkeit von der Gestaltungserklärung einer Person abhängen, würde der Ver­ stoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht wirksam unterbunden werden können. Möglicherweise würde es nicht zu einem Angriff ge­ gen das inkriminierte Rechtsgeschäft kommen, sei es aus Unwissenheit über das Bestehen der Sittenwidrigkeit, aus Furcht vor den Folgen einer solchen Erklärung oder aus anderen Gründen. Eine wenn auch nur vorübergehend bestehende Wirk­ samkeit des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts würde Anreize dafür schaffen, sitten­ widrige Rechtsgeschäfte abzuschließen, da die Sittenwidrigkeit unter Umständen nicht geahndet werden würde und der sittenwidrig Handelnde rechtsbeständige Vor­ teile aus seinem Handeln ziehen könnte. Durch eine ipso iure eintretende Unwirk­ samkeit zeitigt das Rechtsgeschäft indes von vornherein keine Wirksamkeit, sodass auch keine rechtsbeständigen Vorteile aus dem Geschäft gezogen werden können. Das Bewusstsein der anfänglichen Unwirksamkeit wird den sittenwidrig Handeln­ den begleiten, sodass Anreize zum Abschluss sittenwidriger Rechtsgeschäfte von 327 (332); BGHZ 10, 228 (232); RGZ 120, 144 (148); RGZ 80, 219 (221); RGZ 48, 114 (124); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  15; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  14; Ar­ nold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Elenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  14; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 151  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  40; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  26; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  107; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  29. 152  BAG NJW 1976, 1958 (1959); BGHZ 60, 102 (105); BGHZ 27, 172 (180); RGZ 160, 52 (56); RGZ 150, 181 (186); Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  109. 153  BGH NJW 1981, 1439 (1439); RGZ 160, 52 (56); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  155; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  109; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  30. 154  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  1.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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vornherein unterbunden werden.155 Zwar mögen solche Anreize in der Praxis gleich­ wohl bestehen, allerdings liegt das dann eher an der mangelnden Rechtsverfolgung durch die „unterlegene“ Gegenpartei. Das Gesetz zumindest wirkt diesen Anreizen durch seine strikte Rechtsfolge schon von der Wurzel her entgegen. Wie bereits beschrieben wurde, sind im Recht der Insolvenzanfechtung keine Anzeichen dafür vorhanden, dass es sich bei der Insolvenzanfechtung um ein Ge­ staltungsrecht handelt.156 Aus diesem Grunde geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass die Insolvenzanfechtung kein Gestaltungsrecht darstellt, das durch Erklärung ausgeübt werden muss.157 Vielmehr wird zu Recht angenommen, dass die Wirkungen von selbst eintreten158 – unabhängig von der Frage, wie sich diese Wirkungen im Einzelnen darstellen. Somit sind die Wirkungsweisen der Sittenwidrigkeit und der Insolvenzanfech­ tung hinsichtlich ihrer Entstehung ohne zusätzlichen Gestaltungsakt identisch. b)  Vergleich der Normzwecke aa)  Normzweck von §  138 Abs.  1 BGB und geschützter Personenkreis §  138 Abs.  1 BGB sanktioniert den Verstoß eines Rechtsgeschäfts gegen das „An­ standsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“159 durch dessen Nichtigkeit. Grundsätzlich besteht zwar im Rahmen der Privatautonomie die Freiheit des Ein­ zelnen, Rechtsverhältnisse frei und ohne staatlichen Einfluss zu begründen und in­ haltlich auszugestalten.160 Allerdings würde eine grenzenlose und unbeschränkte Geltung der Privatautonomie zu ihrem Missbrauch führen,161 insbesondere in Situ­ 155  Zur Abschreckungs- und Präventivfunktion des §  138 BGB siehe Armbrüster in: MüKoBGB, §  138 Rn.  2; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  2. 156  Siehe S.  91 ff. 157  BGH NZI 2008, 372 (373); BGH NZI 2004, 253 (254); BGH NJW 2001, 517 (519); BGHZ 135, 140 (149 ff.); BGHZ 101, 286 (288); Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  55; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  2; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  1, 9; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  194; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  3. 158  BGHZ 101, 286 (288); Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  2; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  103; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  9; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  186, 194; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  82; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  3. 159  Motive, Mugdan, Band 2, S.  406; BGH NJW 2009, 1346 (1347); BGH NJW 2004, 2668 (2670); BGHZ 69, 295 (297); BGHZ 60, 28 (33); BGHZ 27, 172 (180); BGHZ 20, 71 (74); BGHZ 17, 327 (332); BGHZ 10, 228 (232); RGZ 120, 144 (148); RGZ 80, 219 (221); RGZ 48, 114 (124); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  15; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  14; Ar­ nold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Elenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  14; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 160  Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  1; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  1. 161  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  1; Sack/ Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  1.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

ationen, in denen das Kräftegleichgewicht der Parteien nicht ausgewogen ist.162 Um grundlegende Werte und ethische Überzeugungen der Gesellschaft daher nicht ei­ ner entfesselten Privatautonomie anheim zu stellen, wird die Privatautonomie auf mehreren Wegen begrenzt. Neben §  134 BGB, der die Privatautonomie durch die Reichweite gesetzlicher Verbote beschränkt, hat der Gesetzgeber der Vertragsfrei­ heit durch §  138 Abs.  1 BGB eine Grenze gesetzt.163 §  138 Abs.  1 BGB legt dabei selbst keine bestimmten, fest definierten Sachverhalte fest, die zu einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen sollen. Vielmehr entschied sich der Gesetzgeber dazu, mittels einer Generalklausel eine äußerste Grenze zu ziehen, die ein Rechtsgeschäft ohne Einfluss auf seine Wirksamkeit nicht überschreiten kann.164 Diese Grenze wurde als Verstoß gegen die guten Sitten statuiert, also als Überschreitung des „An­ standsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“. Es ist zu untersuchen, welche Überlegungen hinter dem unbestimmten Rechtsbe­ griff165 des „Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“ stehen. Insbeson­ dere ist zu untersuchen, aus welchen Quellen sich die Bestimmung der guten Sitten speist. Weiterhin ist in den Blick zu nehmen, welche Personen durch die Nichtig­ keitsanordnung des §  138 Abs.  1 BGB geschützt werden sollen. (1)  Das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ Der Begriff der guten Sitten wird bereits seit den Motiven zu §  826 BGB166 in Rechtsprechung167 und Literatur168 als das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ umschrieben. Nicht ganz unberechtigt wird der Begriff der Sittenwid­ rigkeit als vage kritisiert.169 Auch die Umschreibung der guten Sitten als das „An­ standsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ wird zur genaueren Eingrenzung des Begriffs der guten Sitten für wenig geeignet erachtet, da sich daraus selbst keine präzisen inhaltlichen Kriterien ergäben.170 Gleichwohl hat sich im Laufe der Zeit 162 

Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  1. Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  1; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  1; Sack/Fi­ schinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  1. 164  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  1; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  1; Palm/Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  1; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  1. 165  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  11. 166  Motive, Mugdan, Band 2, S.  406. 167  BGH NJW 2009, 1346 (1347); BGH NJW 2004, 2668 (2670); BGHZ 69, 295 (297); BGHZ 60, 28 (33); BGHZ 27, 172 (180); BGHZ 20, 71 (74); BGHZ 17; 327 (332); BGHZ 10, 228 (232); RGZ 120, 144 (148); RGZ 80, 219 (221); RGZ 48, 114 (124). 168  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  15; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  14; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Elen­ berger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  14; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 169  Podlech in: AöR 95 (1970), 185 (194); dagegen Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  11 Fn.  60. 170  Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Haber­ 163 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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der Inhalt dieses Begriffs dergestalt verfestigt, dass sich für die Praxis handhabbare Kriterien zu seiner Bestimmung ergeben haben. Danach umfassen die guten Sitten zum einen die sich aus der Sittenordnung ergebenden Verhaltensgebote im Sinne der Sozial- und Rechtsmoral.171 Zum anderen sind Bestandteil von §  138 Abs.  1 BGB die der Rechtsordnung als in sich geschlossenes System innewohnenden rechtsethischen Werte und Prinzipien.172 (a)  Die Sittenordnung Was die durch die Sittenordnung vorgegebenen Verhaltensgebote anbelangt, ergibt sich das Problem, auf wessen Sittenordnung abzustellen ist. Hierbei ist nicht die gesinnungsethische Haltung bestimmter einzelner Personen entscheidend.173 Es kommt bei der Bestimmung der relevanten Sittenordnung also nicht auf besonders hochstehende Anforderungen174 oder besonders laxe Anschauungen bestimmter Kreise an.175 Vielmehr ist auf die in der Gemeinschaft oder der jeweils betroffenen Gruppe herrschende Rechts- und Sozialmoral abzustellen,176 wobei ein objektiver durchschnittlicher Maßstab anzulegen ist.177 Dieser Maßstab unterliegt freilich ei­ nem stetigen Wandel, sodass auch die damit verbundene Begrifflichkeit der guten Sitten nicht „in Stein gemeißelt“ ist, sondern vielmehr in ihrer Beurteilung diesem Wandel folgt.178 Das kann insbesondere am Beispiel der Veräußerung einer Anwalts­ stumpf, Die Formel vom Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, S.  74; Heldrich, AcP 186 (1986), 74 (94); Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16; dagegen: Sack, NJW 1985, 761 (764 f.); Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  18. 171  BGHZ 80, 153 (158); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  11; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  19; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16; von „heteronomer Moral“ sprechen in diesem Zusammenhang Sack, GRUR 1970, 493 (495 ff.); Sack, NJW 1985, 761 (767 ff.); Sack/Fi­ schinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  22. 172  Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  3; Flume, AT BGB II, S.  365 ff.; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  17. 173  Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12a; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Sack, NJW 1985, 761 (767 f.); Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  20. 174  BGHZ 60, 28 (33); BGHZ 21, 340 (350); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  14; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 175  BGHZ 10, 228 (232); RGZ 120, 144 (148); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  14; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 176  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  11, 15; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  23; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 177  BGHZ 10, 228 (232); RGZ 80, 219 (221); Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  2; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  16. 178  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  23; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  34; Ellenber­ ger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  10; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  26.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

praxis anschaulich nachvollzogen werden, die vom Reichsgericht179 für sittenwidrig erachtet wurde, während der Bundesgerichtshof180 später eine Sittenwidrigkeit ver­ neinte.181 (b)  Die Wertentscheidungen der Gesamtrechtsordnung Neben der Sittenordnung kommt den Wertentscheidungen der Gesamtrechtsord­ nung zentrale Bedeutung für die Bestimmung der guten Sitten im Sinne des §  138 Abs.  1 BGB zu.182 Das Zusammenleben in einer modernen Gesellschaft wird maß­ geblich durch die Rechtsordnung geprägt, die sich ihrerseits zusammensetzt aus einer Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften. Diese Gesetze und Vorschriften be­ ruhen selbst wieder auf bestimmten Vorstellungen und Prinzipien, die das gedeihli­ che Zusammenleben in der Gesellschaft zum Ziel haben.183 Besondere Gewichtung kommt hierbei insbesondere der Werteordnung des Grundgesetzes zu.184 Die Grundrechte wirken im Sinne einer mittelbaren Drittwir­ kung auf die Generalklauseln des Bürgerlichen Rechts ein und stecken somit den Rahmen ab, innerhalb dessen sich die guten Sitten zu bewegen haben.185 Die Grundrechte können dabei durchaus in einem Konkurrenzverhältnis und einem Wertgegensatz zueinander stehen. Sie sind deshalb durch eine entsprechende Ver­ fassungsinterpretation einem Interessenausgleich zuzuführen.186 Unter dem Aspekt des Interessenausgleichs mittels Abwägung kollidierender Grundrechtspositionen sind insbesondere die Entscheidungen zur Sittenwidrigkeit von Nahbereichsbürg­

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RGZ 161, 153 ff. BGHZ 43, 46 (49 f.). 181  Weitere Beispiele bei: Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  23. 182  BVerfGE 7, 198 (206); BGHZ 106, 336 (338); BGHZ 80, 153 (158); Armbrüster in: MüKoBGB, §  138 Rn.  12; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12a; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  3; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  37; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  52 ff.; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  17 f.; Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  21, misst außerrechtlichen sozial­ ethischen Grundentscheidungen neben der gesetzlichen Werteordnung sogar nur eine „Ergän­ zungsfunktion“ zu; kritisch zu den Wertenscheidungen der Gesamtrechtsordnung aus sozialempi­ rischer Sicht Heldrich, AcP 186 (1986), 74 (94). 183  Armbrüster in MüKo-BGB, §  138 Rn.  12; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3, spricht in diesen Zusammenhang von „fundamentalen Gerechtigkeitsvorstellungen“. 184  BVerfGE 7, 198 (206); BGHZ 106, 336 (338); BGH NJW 1986, 2944 (2944); BGHZ 70, 313 (324); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  17; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  20 ff., 33; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  4; Flume, AT BGB II, S.  366; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  53. 185  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  20; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  53. 186  Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  53. 180 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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schaften187 sowie zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für Handelsvertre­ ter188 zu sehen.189 Neben der verfassungsrechtlich statuierten Werteordnung können auch Wert­ entscheidungen, die durch einfache Gesetze getroffen werden, Einfluss auf die Aus­ legung der guten Sitten nehmen.190 Insbesondere bei der Beurteilung der Sitten­ widrigkeit von Wettbewerbsverboten sind die Wertungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen.191 Auch die Grundsätze des Ge­ sellschaftsrechts sind zur Bestimmung der guten Sitten heranzuziehen, wenn es um die Frage der Sittenwidrigkeit gesellschaftsrechtlicher Klauseln geht.192 (c) Zwischenergebnis Der Inhalt der guten Sitten und damit die Frage der Nichtigkeit gemäß §  138 Abs.  1 BGB werden von unterschiedlichen Faktoren bestimmt. Grundlegend für die Be­ antwortung der Frage, wann das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken­ den“ verletzt ist, ist dabei die Werteordnung der Gesamtrechtsordnung. Insbesonde­ re die grundgesetzliche Werteordnung stellt einen Rahmen dar, anhand dessen sich konkretisieren lässt, ob ein Rechtsgeschäft die guten Sitten verletzt und somit zur Verteidigung dieser Werteordnung dem Verdikt der Nichtigkeit zu unterstellen ist. (2)  Der Kreis der geschützten Personen §  138 Abs.  1 BGB besagt lapidar, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sit­ ten verstößt, nichtig ist. Ebenso wenig, wie durch den Wortlaut erklärt wird, was genau unter den guten Sitten zu verstehen ist, wird die Frage beantwortet, welcher Personenkreis durch die Nichtigkeit geschützt wird. Der Kreis der geschützten Per­ sonen lässt sich wiederum nur aus einer Auslegung des Begriffs der guten Sitten ermitteln.

187 

BVerfGE 89, 214. BVerfGE 81, 242. 189  Näher hierzu Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  53; weitere Beispiele bei Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  21. 190  BGHZ 80, 153 (158); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  19; Koziol, AcP 188 (1988), 183 (191); Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  54. 191  Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  54; Ulmer, NJW 1979, 1585 (1586). 192  Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  54; der Bundesgerichtshof nimmt dem­ gegenüber bei einem Verstoß gegen diese Grundprinzipien einen hinsichtlich §  138 Abs.  1 BGB selbstständigen Nichtigkeitsgrund an, BGHZ 81, 263 (266 ff.); eine solche Zweispurigkeit ableh­ nend: Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  54. 188 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

(a)  Die unterlegene Vertragspartei Die Werteordnung der Gesamtrechtsordnung und hier wiederum die Grundrechts­ ordnung als entscheidender Maßstab für die Bestimmung der guten Sitten193 führen dazu, dass die guten Sitten insbesondere als Korrektivnorm für eine überhöhte Machtposition einer Partei fungieren.194 Ein solches Machtungleichgewicht schlägt sich in erster Linie zum Nachteil der unterlegenen Vertragspartei nieder. Wird das Machtungleichgewicht, das aus der besonderen Stärke der einen Partei oder der besonderen Schwäche der anderen Partei resultieren kann,195 bei einem Rechtsge­ schäft in einem die guten Sitten verletzenden Maße eingesetzt, schützt die Nichtig­ keit die unterlegene Vertragspartei.196 Beispiele hierfür sind neben der Sittenwidrig­ keit von Nahbereichsbürgschaften197 die sittenwidrige Ausnutzung einer Monopol­ stellung zur Erlangung überhöhter Entgelte198 sowie die sittenwidrige Knebelung des Vertragspartners, wodurch dessen persönliche oder geschäftliche Handlungs­ freiheit im Übermaß eingeschränkt wird.199 (b)  Dritte und die Allgemeinheit Jedoch gibt es im Rahmen der guten Sitten nicht nur Verstöße, die sich gegen den Vertragspartner richten und der dementsprechend vor den negativen Folgen zu schützen ist.200 Vielmehr kommen durch Rechtsgeschäfte auch Verstöße gegen die guten Sitten dergestalt vor, dass hierdurch dritte Personen geschädigt werden, die am Rechtsgeschäft nicht beteiligt sind. Auch und gerade solche Sittenverstöße, die sich gegen Dritte oder die Allgemeinheit richten, unterliegen §  138 Abs.  1 BGB und damit dessen Nichtigkeitsfolge.201 Solche Rechtsgeschäfte können insbesondere dann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn bestehende Rechte Dritter gefährdet 193  BVerfGE 7, 198 (206); BGHZ 106, 336 (338); BGH NJW 1986, 2944 (2944); BGHZ 70, 313 (324); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  17; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  20 ff., 33; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  4; Flume, AT BGB II, S.  366; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  53. 194  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  34 f.; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  293 ff. 195  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  35. 196  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  35. 197  BVerfGE 89, 214; siehe hierzu auch die umfassenden Ausführungen bei Habersack in: MüKo-BGB, §  765 Rn.  15 ff. 198  BGH NJW 1998, 3188 (3191); BGH NJW 1976, 710 (711); BGHZ 65, 284 (289); BGHZ 19, 85 (94). 199  BGH NJW 1998, 2531 (2533); BGH NJW 1993, 1587 (1588); BGHZ 83, 313 (316); BGHZ 44, 158 (161); BGH NJW 1962, 102 (103); BGHZ 22, 347 (355); RGZ 143, 48 (51); RGZ 130, 143 (145); siehe dazu auch Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  71 ff. 200  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  96. 201  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  96; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  37; Sack/Fischinger in: Staudin­ ger, BGB, §  138 Rn.  419.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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oder künftige Rechtspositionen Dritter gezielt beeinträchtigt werden.202 Einschlägi­ ge Fallgruppen stellen das kollusive Zusammenwirken des Vertreters und des Ge­ schäftsgegners zum Schaden des Vertretenen 203 sowie die Verleitung zum Vertrags­ bruch dar.204 Auch die Gläubigerbenachteiligung als Fallgruppe der Schädigung Dritter oder der Allgemeinheit unterfällt unter bestimmten Voraussetzungen der Sittenwidrig­ keit gemäß §  138 Abs.  1 BGB.205 (c) Zwischenergebnis Es lässt sich feststellen, dass §  138 Abs.  1 BGB nicht nur den Schutz der unmittelbar am Vertragsschluss Beteiligten zum Zweck hat, sondern darüber hinaus durch die guten Sitten auch Dritte sowie die Allgemeinheit geschützt werden sollen. Die Er­ streckung des Schutzbereichs des §  138 Abs.  1 BGB lässt sich insbesondere durch dessen Zwecksetzung erklären. Das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Den­ kenden“ ist nicht nur dann tangiert, wenn eine unmittelbar am Rechtsgeschäft betei­ ligte Partei in ihren Rechten und Interessen verletzt wird, sondern vielmehr auch dann und in noch größerem Ausmaß, wenn unbeteiligte Dritte durch das rechtsge­ schäftliche Handeln anderer geschädigt werden. Die Werteordnung der Gesamt­ rechtsordnung dient gerade auch dem Schutz dieser Unbeteiligten. (3) Zusammenfassung §  138 Abs.  1 BGB hat den Zweck, Verstöße von Rechtsgeschäften gegen die guten Sitten durch die angeordnete Nichtigkeit zu ahnden und damit zu verhindern. Der Begriff der guten Sitten wird durch das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ umschrieben. Zur Konkretisierung dieser Umschreibung wird zum ei­ nen auf die Sittenordnung abgestellt. Darüber hinaus liefert die Gesamtrechtsord­ nung Wertentscheidungen, die zur Bestimmung der guten Sitten heranzuziehen sind. Neben Wertentscheidungen, die mittels einfachgesetzlicher Regelungen ge­ 202  BGH NJW-RR 2009, 345 (345); BGH NJW 2006, 45 (46); BGH NJW-RR 1999, 1186 (1186 f.); BGH NJW 1997, 2314 (2315); BGH NJW-RR 1996, 869 (869); BGHZ 103, 235 (241); BGH NJW 1988, 902 (903); BGH NJW 1981, 2184 (2185); BGHZ 60, 102 (104 f.); BGHZ 27, 172 (180); RGZ 81, 86 (89 f.); OLG Bamberg NJW-RR 2002, 1393 (1394); OLG Celle NJW 1996, 2660 (2660); OLG München NJW 2011, 80 (81 f.); OLG München NJW-RR 2009, 1648 (1649); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  96; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  447. 203  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  122; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  96; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  446, bevorzugen in dieser Konstel­ lation die Anwendung von §§  177 ff. BGB analog. 204  BGH NJW-RR 1999, 1186 (1186 f.); BGHZ 103, 235 (241); BGH NJW 1981, 2184 (2185); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  96. 205  Überblick bei Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  438 ff.; eingehend zur Fall­ gruppe der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB und deren Verhältnis zu den Anfechtungstatbeständen siehe S.  140 ff.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

troffen werden, ist in besonderem Maße die grundgesetzliche Werteordnung ent­ scheidend dafür, ob ein Rechtsgeschäft das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verletzt. Aufgrund dieser zur Inhaltsbestimmung der guten Sitten her­ anzuziehenden Parameter beschränkt sich die Reichweite des Schutzkreises des §  138 Abs.  1 BGB nicht nur auf die unmittelbar am Rechtsgeschäft Beteiligten, son­ dern auch auf unbeteiligte Dritte und die Allgemeinheit. Gerade dieser Aspekt wird von nicht unerheblicher Bedeutung sein, wenn es um die Vergleichbarkeit von §  138 Abs.  1 BGB mit den Regelungen der Insolvenzanfechtung geht. bb)  Normzweck der Insolvenzanfechtung (1)  Die par conditio creditorum (a)  Die verfahrensgeleitete gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung unter Zurückdrängung des Prioritätsprinzips Im Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt es nicht selten zu der Situation, dass einzelne Gläubiger aufgrund einer besonderen Nähebeziehung zum Schuldner oder wegen eines Wissensvorsprungs hinsichtlich der baldigen Insolvenz des Schuldners noch eine Befriedigung ihrer Forderung erlangen.206 Durch die Be­ friedigung kurz vor „Toreschluss“ vermeiden sie es, im Gegensatz zu den Insol­ venzgläubigern auf die oftmals sehr dürftige Quote verwiesen zu werden. Zudem wird durch diese Praxis das Schuldnervermögen weiter aufgezehrt, sodass in der darauffolgenden Insolvenz die zu verteilende Masse zum Schaden der Insolvenz­ gläubiger geschmälert wird.207 Die ohnehin geringe Quote wird somit nochmals verringert, sodass die Insolvenzgläubiger, die keine Befriedigung vor Verfahrenser­ öffnung erfahren haben, letztlich nahezu unbefriedigt bleiben. Ebenso belastend für die Insolvenzgläubiger sind Verbindlichkeiten, die der Schuldner vor Verfahrenseröffnung eingegangen ist und die das zu verteilende Ver­ mögen schmälern, indem den Verbindlichkeiten keine adäquaten Gegenleistungen gegenüberstehen.208 Um die gläubigerschädigenden Resultate dieser vor Verfahrens­ eröffnung erfolgten Handlungen rückgängig zu machen, stehen die Regelungen der Insolvenzanfechtung zur Verfügung. Ziel der Insolvenzanfechtung ist es dem­

206  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2. 207  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  5. 208  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  2; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  1 ff.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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gemäß, die Insolvenzmasse anzureichern,209 indem die Aktivmasse erhöht und die Passivmasse verkleinert wird.210 Natürlich ist die durch die Insolvenzanfechtung herbeigeführte Rückgängigma­ chung von Vermögensverschiebungen zur Anreicherung der Insolvenzmasse kein Selbstzweck, zumal vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Prioritätsprinzip gilt,211 wonach jeder Gläubiger nach optimaler Befriedigung seiner Forderung stre­ ben darf und dabei die langsameren Gläubiger das Nachsehen haben 212 – „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.213 Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt je­ doch das in der Einzelzwangsvollstreckung geltende Prioritätsprinzip zurück zu­ gunsten der verfahrensgeleiteten gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger.214 Die verfahrensgeleitete gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger ist not­ wendig, um im wirtschaftlich existenzbedrohenden Zustand des Schuldnervermö­ gens – der Insolvenz215 – einen Kampf der Gläubiger um das letzte verbliebene Vermögen zu vermeiden. Dieser Kampf würde letztlich zu zufälligen und willkür­ lichen, im schlechtesten Falle zu äußerst ungerechten Ergebnissen führen, wenn einzelne mächtige Gläubiger ihre Stärke zum Nachteil von weniger potenten Gläu­ bigern ausspielen.216 Der Gleichheitssatz des Grundgesetzes, Art 3 Abs.  1 GG, so­ wie das Sozialstaatsprinzip der Art 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG gebieten es, dass im Falle des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Schuldners das Prioritätsprin­ zip der Einzelzwangsvollstreckung von dem Verfahren nach der Insolvenzordnung abgelöst wird, damit eine gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger ermöglicht wird.217 Das Institut „Insolvenzverfahren“ zur verfahrensgeleiteten gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger ist daher verfassungsmäßig garantiert.218 Dementspre­ 209  In diesem Sinne BT-Drucks. 12/2443, S.  156, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue In­ solvenzrecht, S.  335; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  3; Nerlich in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  129 Rn.  1. 210  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringst­ meier, InsO, §  129 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  2; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1. 211  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  1. 212  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2; Brehm, DGVZ 1986, 97 (99); Knoche/Biersack, NJW 2003, 476 (477 f.); Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (322 f.); Wacke, ZZP 105 (1992), 436 (439 f.). 213  Brehm, DGVZ 1986, 97 (99). 214  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  1.1 f.; Brehm, DGVZ 1986, 97 (99); Henckel in: Jaeger, InsO, §  1 Rn.  6; Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  1 ff. 215  Eingehend hierzu Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2. 216  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  2.02 f., 2.23; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  136; Sieber, Rechts­ natur der Gläubigeranfechtung, S.  140; Wacke, ZZP 105 (1992), 436 (440). 217  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2; Smid/Leon­ hardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34; Stürner in: MüKo-InsO, Einleitung Rn.  77. 218  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2, 6.3; Stürner in: MüKo-InsO, Einleitung Rn.  77; ähnlich Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  7, der den Grund­

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

chend ist die gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger so­ wie deren Verlustgemeinschaft – die par conditio creditorum – in §  1 S.  1 InsO ex­ plizit als Ziel des Insolvenzverfahrens genannt.219 Die par conditio creditorum ist das Kernstück des Insolvenzverfahrens.220 Zur Erreichung der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung wird dem Schuldner ge­ mäß §  80 Abs.  1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermö­ gen entzogen und auf den Insolvenzverwalter übertragen. Hierdurch vermag der Insolvenzverwalter die Masse zu sichern und dadurch weiteren Vermögensabfluss zu verhindern, um damit die gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen.221 Indes kann der Grundsatz der par conditio creditorum bereits durch Handlungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens beeinträchtigt werden. Gerade die eingangs er­ wähnten Handlungen von Gläubigern zur Erlangung einer Befriedigung oder die Eingehung von masseschmälernden Verbindlichkeiten durch den Schuldner kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen dazu, dass die späteren Insolvenz­ gläubiger in ihrem Recht auf bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung beein­ trächtigt werden. Ohne diese Handlungen wäre die zu verteilende Masse größer und/oder würde weniger Gläubigern zur Verfügung stehen. Die Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung, die in der Rückgängigmachung der Folgen dieser Handlun­ gen besteht, dient damit dem Grundsatz der par conditio creditorum. Die durch §  143 Abs.  1 S.  1 InsO erreichte Anreicherung der Masse stellt folglich keinen Selbstzweck dar, sondern dient einzig der gleichmäßigen und bestmöglichen Be­ friedigung der Insolvenzgläubiger.222 (b)  Die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung Wenn man die einzelnen Anfechtungstatbestände betrachtet, wird der Zweck der Förderung der par conditio creditorum durch die zeitliche Vorverlagerung der Gläubigergleichbehandlung insbesondere in den Tatbeständen der sogenannten be­ sonderen Insolvenzanfechtung deutlich.223 Bei den Normen der besonderen Insol­ satz der Gläubigergleichbehandlung von Art 3 Abs.  1 GG abgedeckt sieht; Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34. 219  Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  32 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  1 Rn.  6, sieht den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nicht unmittelbar in §  1 Abs.  1 InsO niedergelegt; ähnlich Kirchhof in: HK-InsO, §  1 Rn.  4. 220  BGHZ 143, 332 (335); BGHZ 118, 151 (160); BGHZ 88, 147 (153); BGHZ 41, 98 (101). 221  Kayer in: HK-InsO, §  80 Rn.  1; Mock in: Uhlenbruck, InsO, §  80 Rn.  4; Ott/Vuia in: MüKoInsO, §  80 Rn.  1; Wimmer-Amend in: FK-InsO, §  80 Rn.  1. 222  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  1 f.; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  5. 223  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  130 Rn.  1 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  7; Ner­ lich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  130 Rn.  4; Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  130 Rn.  2.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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venzanfechtung handelt es sich um die Anfechtungstatbestände der §§  130, 131 InsO, die kongruente und inkongruente Deckungen betreffen, sowie um §  132 InsO, der die Anfechtbarkeit unmittelbar nachteiliger Rechtsgeschäfte des Schuldners zum Gegenstand hat.224 Durch die Tatbestände der §§  130–132 InsO wird der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auf den Zeitpunkt der Zahlungsunfähig­ keit vorverlegt. Zu diesem Zeitpunkt liegt gemäß §  17 InsO die sichere Vorausset­ zung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor.225 Bereits zu diesem Zeitpunkt soll das Vermögen des Schuldners allen seinen Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung zustehen.226 (i)  §§  130, 131 InsO In den in §§  130, 131 InsO geregelten Fallkonstellationen wird einem Gläubiger in einem kritischen Zeitraum vor Eröffnung des Verfahrens, der von der Zahlungsun­ fähigkeit des Schuldners geprägt ist und damit als materielle Insolvenz zu bezeich­ nen ist,227 eine Befriedigung oder Sicherung gewährt oder ermöglicht, sodass er aus der Gemeinschaft der übrigen ungesicherten Insolvenzgläubiger ausbricht. Im Ge­ gensatz zu diesen Gläubigern muss er sich Dank der erhaltenen Befriedigung nicht mit der im späteren Verfahren erreichten Quote bescheiden. Im Falle der Sicherung kann er sich an dieser schadlos halten und ist damit gegenüber ungesicherten Insol­ venzgläubigern privilegiert. Darüber hinaus werden durch die Befriedigung oder Sicherung dem Vermögen des Schuldners weitere Mittel entzogen, was die spätere Quote der Insolvenzgläubiger mindert. Durch den Eingriff der Insolvenzanfechtung in Rechtshandlungen, die Befriedi­ gung oder Sicherheit gewähren oder ermöglichen, wird der Anfechtungsgegner wieder in den Stand eines gewöhnlichen Insolvenzgläubigers versetzt. Gleichzeitig wird durch die Rückführung des zur Befriedigung oder Sicherung Hingegebenen die Masse angereichert, womit eine Erhöhung der späteren Befriedigungsquote wahrscheinlicher wird.228 Die Gleichbehandlung der Gläubiger wird bereits in der kritischen Zeit der materiellen Insolvenz sichergestellt. §§  130, 131 InsO stehen so­ mit paradigmatisch für das Ziel der Förderung der par conditio creditorum.

224  Dauernheim in: FK-InsO, §  130 Rn.  2; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  130 Rn.  1; Hen­ ckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  1; Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  130 Rn.  4; Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  130 Rn.  2. 225  Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (186); Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  130 Rn.  3. 226  Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  130 Rn.  3; ähnlich Häsemeyer, Insolvenz­ recht, Rn.  21.05. 227  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  130 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  8. 228  Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  7.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

(ii)  §  132 InsO Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Anfechtungstatbestand des §  132 InsO, durch den für die Gläubiger unmittelbar nachteilige Geschäfte des Schuldners der Anfech­ tung unterstellt werden und damit ebenfalls die par conditio creditorum sicherge­ stellt wird.229 Bei den anfechtbaren Rechtsgeschäften handelt es sich im Gegensatz zu §§  130, 131 InsO nicht um Deckungsgeschäfte im Sinne einer Befriedigung oder Sicherung eines Insolvenzgläubigers, sondern hauptsächlich um schuldrechtliche Verträge, die der Schuldner eingeht.230 Aus diesem Grunde schließen sich §§  130, 131 InsO sowie §  132 InsO tatbestandlich aus.231 Da diese Geschäfte die Gläubiger benachteiligen müssen, um anfechtbar zu sein, stehen sogenannte „Verschleude­ rungsgeschäfte“232 im Vordergrund, bei denen der Schuldner Verbindlichkeiten ein­ geht, denen kein angemessener Gegenwert gegenübersteht.233 Durch Eingehung dieser Verbindlichkeiten wird der Vertragspartner zum Insolvenzgläubiger,234 was dazu führt, dass der verteilbaren Masse mehr Gläubiger gegenüberstehen, als dies ohne das anfechtbare Rechtsgeschäft der Fall gewesen wäre. Durch die Anfechtung des Geschäfts wird der neue Gläubiger aus der Gemeinschaft der Insolvenzgläubi­ ger entfernt, wodurch die Befriedigungschancen der Insolvenzgläubiger steigen. Somit bezweckt auch dieser Anfechtungstatbestand die Förderung der par conditio creditorum. (2)  Die par conditio creditorum unter dem Blickwinkel von Art 3 Abs.  1 GG und Art 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG (a)  Die Risikogemeinschaft der Gläubiger Gemäß Art 3 Abs.  1 GG gilt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Der Gleichheitssatz verbietet es demnach, dass wesentlich Gleiches willkürlich ungleich behandelt wird.235 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist „Art 3 Abs.  1 GG […] vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadres­ saten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwi­ schen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“.236 229 

Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  132 Rn.  3. Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  132 Rn.  2; Henckel in: Jaeger, InsO, §  132 Rn.  5; Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  1. 231  Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  9; Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  5, §  131 Rn.  4; §  132 Rn.  5. 232  Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  133 Rn.  14; Henckel, ZIP 1982, 391 (393), spricht von „Masseverschleuderung“ und „krisenbedingter Schlussverkauf“. 233  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  132 Rn.  2; Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  1. 234  de Bra in: Braun, InsO, §  132 Rn.  1; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  132 Rn.  1. 235  BVerfGE 1, 14 (52). 236  BVerfGE 81, 108 (118); BVerfGE 78, 232 (247); BVerfGE 71, 146 (154 f.); BVerfGE 55, 72 (88). 230 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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Im Rahmen der Insolvenz besteht beim Schuldner ein Zustand des wirtschaftli­ chen Zusammenbruchs, in dem für eine Vielzahl von Gläubigern nur noch eine sehr begrenzte Menge an Vermögen zur Verfügung steht, das für die Befriedigung aller Gläubiger nicht mehr ausreicht.237 Die Gläubiger stellen eine Gruppe von Normad­ ressaten dar. Würde das vorinsolvenzliche Prioritätsprinzip auch im Falle der einge­ tretenen Insolvenz des Schuldners weiterhin Gültigkeit beanspruchen und könnte sich der schnellere oder besser informierte Gläubiger noch vor den anderen Gläubi­ gern aus dem verbliebenen Restvermögen befriedigen, würde der befriedigte Gläu­ biger aus der Verlustgemeinschaft der übrigen Insolvenzgläubiger ausbrechen. Man hätte eine Gruppe von ehemaligen Gläubigern, die noch kurz vor „Toreschluss“ Befriedigung erreichen, während die übrigen Gläubiger einem nun vollends mittel­ losen Schuldner gegenüberstehen, bei dem eine Befriedigung nicht einmal mehr ansatzweise zu erreichen ist. Eine solche Besserstellung einzelner Gläubiger ist nicht zu rechtfertigen, da im Falle der Insolvenz des Schuldners sämtliche Gläubiger eine Risikogemeinschaft bilden.238 Die Gläubiger haben zumindest unter dem Blickwinkel der Kausalität ein Stück weit gemeinsam dazu beigetragen, dass ein Vermögenszustand beim Schuld­ ner vorliegt, in dem nicht mehr sämtliche Gläubiger befriedigt werden können.239 Erst durch die Summierung der einzelnen Forderungen tritt der Zustand der Insol­ venz beim Schuldner ein.240 Somit ist es den Gläubigern des Schuldners im Falle von dessen Insolvenz zuzumuten, als Risikogemeinschaft den Ausfall ihrer jeweili­ gen Forderungen gemeinsam zu tragen.241 (b)  Notwendigkeit der Zurückdrängung des Prioritätsprinzips Dem Prinzip der Verlustgemeinschaft der Gläubiger kann man nicht mit dem Argu­ ment begegnen, dass eine Gleichbehandlung aller Gläubiger eine im Ergebnis kaum verdiente Wohltat für diejenigen Gläubiger darstellt, die sich nicht schnell genug Befriedigung verschaffen konnten, wie dies Foerste tut.242 Im Rahmen der Insolvenz des Schuldners herrscht ein großes Ungleichgewicht zwischen verbliebenem verteilbaren Vermögen auf der einen Seite und nach Befrie­ digung suchenden Gläubigern auf der anderen Seite. Ein rechtliches System, das auch in solchen Situationen eine Gleichbehandlung der Gläubiger nicht vorsehen 237  Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2; Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34. 238  Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34. 239  In diesem Sinne auch Häsemeyer, KTS 1982, 507 (515 ff.), der von einer „wechselseitigen ‚Verantwortung‘“ der Insolvenzgläubiger spricht. 240  Häsemeyer, KTS 1982, 507 (515 ff.); Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34, sehen die Insolvenzgläubiger durch ihre Einflussnahme auf die Geschäftspolitik als mit­ einander verbunden an. 241  Häsemeyer, KTS 1982, 507 (517). 242  Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  11.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

würde, sondern vielmehr am Prioritätsprinzip festhalten würde, könnte dem Prin­ zip der Gerechtigkeit und der Friedensaufgabe des Rechts nicht entsprechen.243 Es bestimmt nicht selten der Zufall darüber, wer Befriedigung erlangt und wer nicht.244 Der Befriedigung einzelner Gläubiger stünde der Totalausfall der übrigen Gläubiger gegenüber. Das ohnehin bestehende Ungleichgewicht von verteilbarem Vermögen und offenen Forderungen würde perpetuiert. Das beschriebene Ungleichgewicht lässt sich an der im Insolvenzverfahren erreichten, regelmäßig niedrigen Befriedi­ gungsquote ablesen.245 Wie Stürner zutreffend feststellt, lässt sich „dem Gleichheitssatz […] sicher keine allgemeine staatliche Verpflichtung entnehmen, den Schnellen langsam und den Findigen schwerfällig zu halten, damit ursprünglich Ungleiches gleich werde“.246 Insoweit mag der Kritik von Foerste247 an dem in Gerechtigkeitsprinzipien veran­ kerten Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger und damit der Existenzbe­ rechtigung eines an diesem Maßstab ausgerichteten Insolvenzverfahrens vom An­ satz her zuzustimmen sein. Wenn jedoch mit dem Prioritätsprinzip existenzbedro­ hende Benachteiligungen verbunden sind, wie es im Regelfall der Insolvenz der Fall ist, gebietet es der Gleichheitssatz des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozi­ alstaatsprinzip der Art 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG, eine Gleichbehandlung der Gläubiger sicherzustellen.248 Nicht umsonst hat Kohler schon Ende des 19. Jahrhun­ derts die Gleichbehandlung der Gläubiger als „soziale Aufgabe“ bezeichnet.249 Durch das im Insolvenzverfahren gültige Prinzip der Gläubigergleichbehandlung wird „[…] bei Zahlungsunfähigkeit und damit evidenter Güterverknappung die Be­ teiligungsgerechtigkeit verwirklicht und de[r] Gläubigerkampf um die bessere Voll­ streckungsposition beendet“.250 Es wird ersichtlich, dass das Prinzip der gemein­ schaftlichen Befriedigung, das der Insolvenzordnung zugrunde liegt, durch den Gleichheitssatz und das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes geboten ist.251 So stellt auch das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang fest: „Der Gleichheitssatz muß sich nicht nur bei der Vergabe von Überfluß, sondern gerade bei der Verwaltung von Mangel bewähren.“252 Ist der Staat für die Vertei­ 243 

Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  2.02 f. 245  So lag diese Quote in allen Regelverfahren in Nordrhein-Westfalen, die mit einer Schluss­ verteilung endeten, in den Jahren von 2002 bis 2007 im Durchschnitt bei 3,6 %; siehe Kranzusch/ Icks, IfM-Materialien 186, S.  34. Es ist anzunehmen, dass die Quoten im übrigen Bundesgebiet auch aktuell vergleichbar sind. 246  Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (327). 247  Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  11. 248  Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (327). 249  Kohler, Konkursrecht, S.  370. 250  Stürner, ZZP 99 (1986), 291 (327). 251  Im Ergebnis auch Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2; Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  7; Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34; Stürner in: MüKo-InsO, Einleitung Rn.  77. 252  BVerfGE 60, 16 (43). 244 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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lung eines knappen Guts zuständig, wie dies der die Selbsthilfe verbietende Staat im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist, muss eine Verteilung, die zufällige Ergebnis­ se liefert, vermieden werden.253 Für den Fall des „Mangels“, der durch den wirt­ schaftlichen Zusammenbruch des Schuldners in dessen Vermögen eintritt, wird diese Vorgabe durch das Insolvenzverfahren verwirklicht. Die Förderung der Gleichbehandlung der Gläubiger in Form der gleichmäßigen Befriedigung mittels Anreicherung der Aktivmasse und Verringerung der Passiv­ masse ist der Zweck der Regelungen der Insolvenzanfechtung.254 Somit dient das Insolvenzanfechtungsrecht einem Ziel, das durch verfassungsrechtliche Grundsätze vorgegeben ist. (c)  Fehlender Vertrauensschutz beim Anfechtungsgegner und Notwendigkeit einer rückwirkenden Gläubigergleichbehandlung Die Besonderheit bei der Insolvenzanfechtung ist, dass in Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind, eingegriffen wird und damit eine Art rückwirkende Gläubigergleichbehandlung sichergestellt wird.255 Bezüglich der Rückwirkung wendet Foerste ein, dass eine solche nicht notwen­ dig sei, um eine gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen, da diese durch das Insolvenzverfahren an sich gesichert sei.256 Auf die grundrechtliche Argumentation bezogen würde das bedeuten, dass der Eingriff in die Rechte der Gläubiger, die von der Insolvenzanfechtung betroffen sind, rechtswidrig, da unver­ hältnismäßig, wäre. (i)  Fehlender Vertrauensschutz beim Anfechtungsgegner Dem Einwand ist insofern nachzugehen, als dass die Anknüpfung der Insolvenzan­ fechtung an bereits abgeschlossene Rechtshandlungen den Vertrauensschutz der Beteiligten tangiert.257 Weniger spielt dabei der Vertrauensschutz des Insolvenzschuldners eine Rolle, der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verliert. Ob zur Erreichung der bestmög­ 253  So Schlosser, ZZP 97 (1984), 121 (123), für das Zwangsvollstreckungsverfahren im Allge­ meinen. 254  Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  1; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  1; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  1; Gerhlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringst­ meier, InsO, §  129 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  2; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  1. 255  Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  12; Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  130 Rn.  3. 256  Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  12. 257  Ausführlich hierzu Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  301 ff. Thole hält den Begriff des Vertrauensschutzes für „etwas konturarm“ und spricht in dem Zusammenhang deshalb von „Wahrung der Belange von Rechtssicherheit und Verkehrsschutz“.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

lichen Gläubigerbefriedigung darüber hinaus auch auf bereits in der Vergangenheit vorgenommene Rechtshandlungen eingewirkt wird, ist für ihn letztlich nicht mehr relevant. Anders stellt sich die Rückankünpfung hingegen für den Anfechtungsgegner dar. Grundsätzlich besteht ein berechtigtes Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit von einmal wirksam vorgenommenen Rechtshandlungen. Da die Insolvenzanfechtung auf deren Wirkungen und einem etwaig damit zusammenhängendem Erwerb Ein­ fluss nimmt, wird dieses Vertrauen in nicht unerheblichem Ausmaß gestört. Die Insolvenzanfechtung steht damit in einem Konflikt zu dem im deutschen Zivilrecht anerkannten Grundsatz des Vertrauensschutzes.258 Zum Ausgleich der widerstrei­ tenden Interessen enthält das Insolvenzanfechtungsrecht „limitierende Prinzi­ pien“.259 Das Vertrauen wird im deutschen Zivilrecht nicht absolut geschützt. Schützens­ wert ist nur ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit.260 Ein solches schutzwürdiges Vertrauen liegt in den Fällen der Insolvenzanfechtung auf Seiten des Anfechtungsgegners indes gerade nicht vor.261 Das zeigt ein Blick in die einzel­ nen Anfechtungstatbestände. In den Tatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung wird mit Ausnahme des §  131 Abs.  1 Nr.  1 und 2 InsO die Kenntnis des Anfechtungsgegners hinsichtlich besonderer Umstände vorausgesetzt. Es geht dabei um die Kenntnis hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners,262 der Gläubigerbenachteiligung263 oder des Eröffnungsantrags.264 Die Kenntnis dieser Umstände führt dazu, dass der Anfechtungsgegner weiß oder zumindest wissen muss, dass in nicht ferner Zukunft das Prinzip der Verlustgemeinschaft den Prioritätsgrundsatz verdrängen wird. Eine Handlung, die dazu führt, dass er zum Schaden der Insolvenzgläubiger aus der be­ reits bestehenden latenten Risikogemeinschaft265 „ausbricht“ (§§  130, 131 InsO) oder sich in diese ungerechtfertigterweise „hineindrängt“ (§  132 InsO), ist nicht schützenswert. Damit ist auch das Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der Folgen einer solchen Handlung nicht schützenswert, da der Anfechtungsgegner insoweit „bösgläubig“ ist.266 Ebenso verhält es sich mit dem Anfechtungstatbestand des §  133 InsO. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Insolvenz­ 258  Allgemein zum Prinzip des Vertrauensschutzes im deutschen Zivilrecht, Canaris, Vertrau­ enshaftung, S.  2; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  2 Rn.  32 ff. 259  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  303 f. 260  Canaris, Vertrauenshaftung, S.  504. 261  Koziol, Grundlagen und Streitfagen der Gläubigeranfechtung, S.  18. 262  §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO, §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO, §  132 Abs.  1 Nr.  1, §  132 Asb. 1 Nr.  2 InsO. 263  §  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO. 264  §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO, §  132 Abs.  1 Nr.  2 InsO. 265  Zur Risikogemeinschaft, Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  1 Rn.  34. 266  Ausführlich zum guten Glauben als Grundlage eines jeden Vertrauenstatbestandes, Cana­ ris, Vertrauenshaftung, S.  504.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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schuldners gemäß §  133 Abs.  1 InsO führt wie die subjektiven Merkmale der §§  130–132 InsO dazu, dass ein berechtigtes und damit schützenswertes Vertrauen in den dauerhaften Bestand der gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung nicht gebildet werden kann. Die beschriebenen subjektiven Merkmale stellen ein „limitierendes Prinzip“ zum Schutze des Vertrauens des Anfechungsgegners dar.267 Nur wenn ein solches Ver­ trauen nicht in schutzwürdiger Weise gebildet werden kann, greift die Insolvenzan­ fechtung ein. Im Gegensatz hierzu ist im Rahmen von §  134 Abs.  1 InsO eine Kenntnis be­ stimmter verdachterregender Umstände nicht erforderlich. Man könnte also anneh­ men, dass hier ein berechtigtes Vertrauen auf die Beständigkeit der anfechtbaren Handlung gebildet werden kann. Allerdings handelt es sich im Falle des §  134 Abs.  1 InsO um eine unentgeltliche Leistung, die der Anfechtung unterliegt. Im deutschen Zivilrecht ist eine geminderte Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs, der ohne eigenes Vermögensopfer erlangt worden ist, anerkannt.268 Dies zeigt sich be­ sonders an der Existenz des Kondiktionstatbestands des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB.269 Man spricht insofern von der „typischen Schwäche“, die dem unentgeltlichen Er­ werb anhaftet.270 Wer ohne eigenes Vermögensopfer eine Leistung empfangen hat, darf nur soweit auf die Beständigkeit seines Erwerbs vertrauen, wie nicht andere schützenswertere Belange entgegenstehen. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung stellt die Verwirklichung des Grundsatzes der par conditio creditorum einen sol­ chen Belang dar, der den Vertrauensschutz hinsichtlich der Beständigkeit des unent­ geltlichen Erwerbs überlagert.271 Auch die Tatbestände von §  131 Abs.  1 Nr.  1 und 2 InsO setzen keinerlei subjek­ tive Voraussetzungen auf Seiten des Anfechtungsgegners voraus. Zudem ist hier die Erlangung einer Sicherung oder Befriedigung nicht unentgeltlich. Man könnte folg­ lich berechtigte Zweifel daran hegen, ob diese Anfechtungstatbestände mit dem Prinzip des Vertrauensschutzes in Einklang zu bringen sind: Der Anfechtungsgeg­ ner muss schließlich grundsätzlich nicht damit rechnen, alsbald einer Risikoge­ meinschaft anzugehören, in der das Prinzip der Verlustgemeinschaft gilt. Scheinbar fehlt es hier also an der Normierung eines „limitierenden Prinzips“ zur Sicherstel­ lung des Vertrauensschutzes. Indes ist eine inkongruente Deckung die wesentliche Voraussetzung von §  131 Abs.  1 InsO: Der Anfechtungsgegner erhält eine Sicherung oder Befriedigung, die er nicht, nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Alleine 267 

Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  303. Canaris, Vertrauenshaftung, S.  516; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  341; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  816 Rn.  27; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  61; Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  12; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  304 f. 269  Canaris, Vertrauenshaftung, S.  516. 270  Medicus/Lorenz, Schuldrecht II BT, Rn.  403. 271  Ähnlich Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  304. 268 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

in der Inkongruenz zum eigentlich bestehenden Anspruch des Anfechtungsgegners liegt schon ein Verdachtsmoment hinsichtlich der finanziellen Krise des Insolvenz­ schuldners begründet, das ein berechtigtes Vertrauen auf das endgültige Behalten­ dürfen des zur Sicherung oder Befriedigung Erlangten erschüttern kann.272 Es ist anerkannt, dass der bloße Anlass zum Misstrauen einen Vertrauenstatbestand zu zerstören vermag.273 Auch im Rahmen von §  131 Abs.  1 Nr.  1 und 2 InsO tritt damit der Vertrauensschutz des Anfechtungsgegners berechtigterweise hinter die Erfül­ lung des Grundsatzes der gleichmäßigen und bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zurück.274 Man könnte weiterhin gegen eine rückwirkende Gläubigergleichbehandlung ge­ nerell einwenden, dass die Kenntnis der genannten Umstände im Zeitpunkt der Vornahme einer gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung, ein unentgeltlicher gläubigerbenachteiligender Erwerb sowie das in einer inkongruenten Deckung ent­ haltene Verdachtsmoment nicht soweit führen dürfen, dass ein Vertrauensschutz für alle Zeit ausgeschlossen wird. Dieser zeitliche Aspekt wird von den Regeln der In­ solvenzanfechtung indes berücksichtigt: Die von der Insolvenzanfechtung betroffe­ nen Rechtshandlungen müssen allesamt in einem bestimmten Zeitraum vor der Ver­ fahrenseröffnung vorgenommen worden sein, damit sie der Anfechtung unterlie­ gen. Hierin zeigt sich wieder ein „limitierendes Prinzip“ der Insovenzanfechtung zum Schutze des Vertrauens des Anfechtungsgegners.275 Im Rahmen der Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung der §§  130–132 InsO reicht dieser Zeitraum bis zu drei Monate vor Stellung des Eröffnungsantrags zurück. Dieser Zeitraum erscheint nicht übermäßig lang.276 Bereits innerhalb des inkriminierten Zeitraums ist der wirtschaftliche Zusammenbruch des Schuldners und somit dessen Fall in die Insolvenz absehbar. Tritt die Insolvenz dann tatsächlich ein und wird das Insolvenzverfahren eröffnet, haben die Gläubiger bereits im Vor­ feld der Insolvenz eine latente Risikogemeinschaft gebildet, bei der ein Ausbrechen einzelner Gläubiger durch Erlangung einer Befriedigung oder Sicherung dem im Insolvenzverfahren geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung wider­ sprechen würde. Die geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs rechtfertigt die vier­ jährige Rückerstreckung im Falle des §  134 InsO.277 272  Dieses Verdachtsmoment hat den Gesetzgeber dazu bewogen, auf subjektive Tatbestands­ merkmale zu verzichten, BT-Drucks. 12/2433, S.  158, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  342; ebenso zur verminderten Schutzwürdigkeit inkongruenten Erwerbs auf­ grund von dessen Verdächtigkeit, BGHZ 150, 326 (330); Dauernheim in: FK-InsO, §  131 Rn.  1; Kayser in: MüKo-InsO, §  131 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  131 Rn.  5 ff.; Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  131 Rn.  6. 273  Canaris, Vertrauenshaftung, S.  504. 274  Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  131 Rn.  5 f. 275  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  303. 276  So auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  303 f. 277  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  304.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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Sogar der Zehn-Jahres-Zeitraum des §  133 Abs.  1 InsO kann als gerechtfertigt angesehen werden, da hier der von der Anfechtung Betroffene, der nicht einmal Insolvenzgläubiger278 und damit Teil der Risikogemeinschaft sein muss, durch die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht des Schuldners nicht als schutzwürdig anzu­ sehen ist.279 Die Regelungen der §§  129 ff. InsO führen das Prinzip des Vertrauensschutzes des Anfechtungsgegners sowie den Schutz der par conditio creditorum einem aus­ gewogenen Interessenausgleich zu. (ii)  Notwendigkeit einer rückwirkenden Gläubigergleichbehandlung Könnte erst ab Eröffnung des Verfahrens das Prinzip der Verlustgemeinschaft ver­ wirklicht werden, würde für einzelne Gläubiger die Möglichkeit bestehen, noch vor Verfahrenseröffnung aus der Risikogemeinschaft auszubrechen. Hierdurch würde das an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Vermögen im Extremfall komplett auf­ gezehrt werden, sodass diese leer ausgehen würden. Im schlimmsten Fall bestünde also kein Unterschied zu einer schlichten Fortgeltung des Prioritätsprinzips in der Insolvenz. Dem Kampf der Gläubiger um das restliche verbliebene Vermögen, der durch das Insolvenzverfahren gerade verhindert werden soll, könnte man hierdurch nicht begegnen. Vielmehr wäre er lediglich in den Zeitraum kurz vor Verfahrenser­ öffnung vorverlagert. Das Ziel der Gläubigergleichbehandlung könnte somit kaum erreicht werden.280 Das Insolvenzverfahren wäre nicht sinnvoll durchzuführen, wenn Vermögen, dass noch während der Zeit der materiellen Insolvenz des Schuldners aufgezehrt wird, nicht für das Insolvenzverfahren nutzbar gemacht werden könnte. Gerade die Problematik der Massearmut, die insbesondere durch vermögensaufzehrende vor­ insolvenzliche Rechtshandlungen herbeigeführt wird, hat den Gesetzgeber im Rah­ men der Reform des Konkursrechts und der Schaffung der Insolvenzordnung dazu bewogen, das Insolvenzanfechtungsrecht zu verschärfen.281 Um somit dem Grundsatz der par conditio creditorum im eröffneten Verfahren zu seiner Wirksamkeit verhelfen zu können, wurde mit der Insolvenzanfechtung ein Instrument geschaffen, mit dessen Hilfe bereits für die Vergangenheit die Gleichbe­ handlung der Gläubiger sichergestellt werden kann. Durch die bewirkte Beeinträch­ tigung gläubigerschädigender Handlungen aus der Vergangenheit wird dem Gleich­ heitssatz und dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes genüge getan.

278 

Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  133 Rn.  49. Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  301; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  304. 280  Koziol, Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung, S, 17. 281  BT-Drucks. 12/2443, S.  156, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  335; eingehend hierzu Henckel in: ZIP 1982, 391 (391 ff.). 279 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

(d) Zwischenergebnis Die Insolvenzanfechtung dient im Ergebnis verfassungsrechtlichen Zielen. Der zu verwirklichende Grundsatz der par conditio creditorum stellt eine Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes, Art.  3 Abs.  1 GG, sowie des Sozialstaatsprinzips, Art 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG, dar.282 Eine Anknüpfung an bereits in der Vergangenheit vorgenommeine Rechtshandlungen steht dem Prinzip des Vertrauensschutzes nicht entgegen und ist notwendig, um das Prinzip der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung sicherzustellen. (3)  Mögliche weitere Normzwecke der Insolvenzanfechtung neben der Sicherstellung der par conditio creditorum (a)  Kein abweichender Normzweck in §  133 Abs.  1 InsO §  133 Abs.  1 InsO, der die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung durch eine Rechts­ handlung des Schuldners der Anfechtung unterstellt, steht nicht im Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz des Schuldners.283 Anders als bei §§  130–132 InsO ist hier die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners nicht Voraussetzung der An­ fechtung. Aus diesem Grunde wird teilweise angenommen, dass die Regelung des §  133 Abs.  1 InsO nicht die Gleichbehandlung der Gläubiger zum Zweck hat, son­ dern bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners missbilligt werden.284 Es werde durch §  133 Abs.  1 InsO das Interesse der Insolvenzgläubiger an gleichen Befriedi­ gungs- und Zugriffschancen gegen eine vorsätzliche Benachteiligung zugunsten Einzelner geschützt.285 „Zentraler Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung ist […] der in einer Rechtshandlung zum Ausdruck gekommene Wille des Schuld­ ners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen.“286 Demnach sei die Anfechtungsvorschrift des §  133 Abs.  1 InsO nach einer im Schrifttum verbreiteten Meinung nicht Ausdruck des Grundsatzes der par conditio creditorum.287 Als Beleg für diese Auffassung wird angeführt, dass im Recht der Einzelgläubigeranfechtung mit §  3 AnfG eine sachlich identische Vorschrift beste­ 282  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  6.2, 6.3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  7; Stürner in: MüKo-InsO, Einleitung Rn.  77. 283  BGHZ 162, 143 (150); Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  1 a; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602). 284  BGHZ 162, 143 (150); Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  1 a; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602); ebenso BGHZ 58, 240 (243) für die Schenkungsanfechtung. 285  BGHZ 162, 143 (150); Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  133 Rn.  3; Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  1 a; Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (188); Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602). 286  BGHZ 162, 143 (150). 287  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  133 Rn.  3; Jacoby, KTS 2005, 371 (398); Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  1 a; Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (189); Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzanfechtung, S.  297; in diese Richtung geht wohl auch Hen­ ckel in: Jaeger, InsO, §  133 Rn.  2, der das missbilligenswerte vorsätzliche Verhalten des Schuldner jedoch nur als „Anfechtungsgrund“ bezeichnet; anders wohl Kreft, KTS 2004, 205 (218), der §  133

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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he, die ihrerseits mit der Gläubigergleichbehandlung nichts zu tun habe.288 Dass §  133 Abs.  1 InsO im Ergebnis doch der Gläubigergemeinschaft zugute komme und dadurch die Gleichbehandlung der Gläubiger gestärkt werde, ändere an der dem §  133 Abs.  1 InsO zugrunde liegenden Zwecksetzung nichts.289 Dieser Sichtweise ist nicht zu folgen. Zum einen erscheint es zweifelhaft, das Interesse der Gläubiger am Schutz gleicher Befriedigungs- und Zugriffschancen an dem Vermögen des Schuldners gegen eine vorsätzliche Benachteiligung durch Schuldnerhandlungen von dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung abzu­ grenzen. Inhaltlich umschreiben diese Begrifflichkeiten dasselbe Schutzziel: Die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger soll sichergestellt werden.290 Lediglich hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale stellt §  133 Abs.  1 InsO die Besonderheit des Vorsatzes der Gläubigerbenachteiligung auf. Auf den mit der Vorschrift erfassten Schutzzweck hat dieses Tatbestandsmerkmal jedoch keine Auswirkung. Auch die rechtstechnische Ausgestaltung von §  133 Abs.  1 InsO, die lediglich auf eine Rechtshandlung des Schuldners abstellt und demzufolge gläubigerschädigende Rechtshandlungen eines Gläubigers außer Betracht lässt, kann nicht als Argument gegen eine Verortung des Schutzzwecks des §  133 Abs.  1 InsO in der par conditio creditorum herangezogen werden. Die Fokussierung auf Schuldnerhandlungen, die im Übrigen äußerst umstritten ist,291 führt nicht dazu, dass ein anderer Schutzzweck mit §  133 Abs.  1 InsO verbunden ist, als dies bei den übrigen Anfechtungstatbestän­ den, bei denen zumeist auch schuldnerfremde Rechtshandlungen umfasst sind, der Fall ist. Der eigentliche Grund, weshalb §  133 Abs.  1 InsO lediglich bei Rechtshand­ lungen des Schuldners anwendbar ist und zudem Vorsatz bezüglich der Gläubiger­ benachteiligung auf Seiten des Schuldners und zusätzlich die diesbezügliche Kennt­ nis des anderen Teils gefordert wird, hängt mit dem Gesichtspunkt des Vertrauens­ schutzes und der Rechtssicherheit zusammen.292 Wenn §  133 Abs.  1 InsO auf der einen Seite mit einer zehnjährigen Anfechtungs­ frist ausgestattet ist, müssen auf der anderen Seite zum Schutz des Rechtsverkehrs begrenzende Tatbestandsmerkmale aufgestellt werden. Diese einschränkenden Tat­ bestandsmerkmale führen ihrerseits jedoch nicht zu einer Veränderung des Abs.  1 InsO in Zusammenhang mit der Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungshandlungen aus dem Blickwinkel des Prinzips der Gläubigergleichbehandlung untersucht. 288  Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (189). 289  Schoppmeyer, NZI 2005, 185 (189). 290  So soll denn auch nach Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  1 a, „[…] die bewusste Besserstel­ lung einzelner Beteiligter keinen Bestand haben, weil sonst die Befriedigungsaussichten der ande­ ren Gläubiger in sozial unangemessener Weise gezielt verschlechtert würden“. 291  Marotzke, ZInsO 2014, 417 (440, 443), übt hieran im Zusammenhang mit dem Ausschluss von durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erreichten Deckungen seitens des Gläubigers aus dem Anwendungsbereich von §  133 Abs.  1 InsO starke Kritik und spricht sogar von einer „Fehlfo­ kussierung auf den Schuldner“. 292  So Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  4, allgemein zur Begrenzung der Anfech­ tungsmöglichkeit.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Schutzzwecks der Norm. Ebenso hängt die Tatsache, dass §  133 Abs.  1 InsO eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht voraussetzt und die Norm somit nicht im Zusammenhang mit der materiellen Insolvenz steht, nicht damit zusammen, dass die Vorschrift nicht der par conditio creditorum dient. Das Fehlen dieser Vorausset­ zung bildet lediglich das Gegengewicht zu den übrigen Tatbestandsvoraussetzun­ gen, um §  133 Abs.  1 InsO für die Praxis nutzbar zu machen. Würde zusätzlich zur Absicht der Gläubigerbenachteiligung und der Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gefordert werden, wäre der Schutz der Gläubigergleichbehandlung durch §  133 Abs.  1 InsO kaum zu realisie­ ren. Man erkennt an der Ausdifferenzierung des Tatbestandes von §  133 Abs.  1 InsO, dass der Schutzzweck der par conditio creditorum mit dem Aspekt des Ver­ trauensschutzes in Einklang gebracht werden soll. Am eigentlichen Schutzzweck treten keine Änderungen auf. Im Übrigen verfängt das Argument, dass mit §  3 AnfG auch außerhalb des Insol­ venzverfahrens eine identische Vorschrift existiert, nicht. Diese Existenz belegt vielmehr, dass auch außerhalb des Insolvenzverfahrens der Grundsatz der Gläubi­ gergleichbehandlung geschützt wird und damit das Prioritätsprinzip auch in diesem Bereich nicht absolute Gültigkeit beanspruchen kann. (b)  Sanierungsgedanke kein eigenständiger Normzweck §  1 S.  1 InsO besagt, dass in einem Insolvenzplan eine von der gewöhnlichen Erlös­ verteilung abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Schuldnerunterneh­ mens getroffen werden kann. Das Insolvenzverfahren enthält damit zugleich neben der par conditio creditorum einen Sanierungsgedanken.293 Durch die Anfechtung wird ein Vermögensabfluss rückgängig gemacht und der Masse wieder zugeführt. Dadurch kann rein faktisch auch die Sanierung eines et­ waigen Schuldnerunternehmens gefördert werden. Fraglich ist, ob der Sanierungs­ gedanke Einfluss auf die der Insolvenzanfechtung zugrunde liegende Zweckset­ zung hat, die Anfechtung also neben der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubi­ gerbefriedigung auch der Sanierung des Schuldnerunternehmes dienen soll. Indes führt eine mögliche durch die Anfechtung erleichterte Sanierung nicht zu einem Funktionswandel des Anfechtungsrechts. Thole ist in seiner Einschätzung zuzustimmen, dass hierin „[…] weder eine Abkehr von dem übergeordneten Ziel der Gläubigerbefriedigung noch dessen Einschränkung, sondern seine glatte Bestä­ tigung“ zu sehen ist.294 Die Sanierung eines Schuldnerunternehmens kommt direkt den Gläubigern zu­ gute, indem sie an einer erfolgreichen Sanierung durch eine Erhöhung der Insol­

293 

294 

Eingehend hierzu Ganter/Lohmann in: MüKo-InsO, §  1 Rn.  85 ff. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  305.

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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venzquote partizipieren.295 Schon §  1 S.  1 InsO stellt klar, dass das Insolvenzver­ fahren dazu dient, „die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedi­ gen, indem […] in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens des Schuldners getroffen wird“. Durch das Wort „indem“ wird klargestellt, dass die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung das zu erreichende Ziel des Insolvenzverfahrens darstellt, für welches die Sanierung ledig­ lich eine dienende Funktion hat.296 Die „Unterordnung“ der Sanierung unter den Grundsatz der par conditio credi­ torum zeigt sich auch darin, dass eine Sanierung aus wirtschaftlicher Sicht nur dann verfolgt werden soll, wenn der Fortführungswert höher ist als der Liquidationswert, da nur dann die „Haftungsverwirklichungschancen“ der Gläubiger steigen.297 Schon in der Regierungsbegründung zur Insolvenzordnung heißt es dementsprechend: „Die Herbeiführung von Sanierungen ist jedoch kein eigenständiges Reformziel. […] Ziel des Verfahrens muß die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermö­ gens und die optimale Abwicklung oder Umgestaltung der Finanzstruktur des Schuldners im Interesse seiner Geldgeber sein“.298 Es wird daher überwiegend zu Recht davon ausgegangen, dass die Sanierung kein selbstständiger Zweck des Insol­ venzverfahrens ist.299 Wenn der Sanierungsgedanke schon generell im Insolvenzverfahren keinen von der par conditio creditorum verselbstständigten Zweck darstellt, dient das besonde­ re Instrument der Insolvenzanfechtung erst recht ausschließlich dem „Haftungsver­ wirklichungszweck“.300 (c) Zwischenergebnis Es lässt sich feststellen, dass die Regeln der Insolvenzanfechtung in ihrer Gesamt­ heit einzig den Schutz der par conditio creditorum zum Ziel haben.301 Ein davon zu 295 

Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  305 f. Henckel in: Jaeger, InsO, §  1 Rn.  2, 5; Kirchhof in: HK-InsO, §  1 Rn.  3; Schmerbach in: FK-InsO, §  1 Rn.  11. 297  Ganter/Lohmann in: MüKo-InsO, §  1 Rn.  85; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  306. 298  BT-Drucks. 12/2433, S.  77, abgedruckt in Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  97; ähnlich BT-Drucks. 12/2433, S.  109, abgedruckt in Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  154. 299  Henckel in: Jaeger, InsO, §  1 Rn.  2 , 5; Kirchhof in: HK-InsO, §  1 Rn.  3; Pape in: Uhlen­ bruck, InsO, §  1 Rn.  1; Schmerbach in: FK-InsO, §  1 Rn.  11; a. A.: Ahrens in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, §  1 Rn.  8, 13; Prütting in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  1 Rn.  23; A. Schmidt in: Hamburger Kommentar, InsO, §  1 Rn.  26; vermittelnd: Ganter/Lohmann in: MüKo-InsO, §  1 Rn.  85, die in der Sanierung ein „nachgeordnetes oder partielles Verfahrensziel“ erkennen. 300  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  306. 301  So im Ergebnis auch Kreft, KTS 2004, 205 (218), mit dem Verweis auf BGHZ 143, 332 (335), allerdings mit der Einschränkung, dass die Vorschriften der Insolvenzanfechtung dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung „vor allem dienen“. 296 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

trennender Schutzzweck liegt weder der Regelung des §  133 Abs.  1 InsO noch dem Sanierungsgedanken der Insolvenzordnung zugrunde. cc)  Die par conditio creditorum als Ausformung der guten Sitten Der von der Insolvenzanfechtung verfolgte Zweck der Sicherstellung der par condi­ tio creditorum durch ein Eingreifen in vorinsolvenzliche gläubigerbenachteiligende Handlungen kann in einen direkten Zusammenhang mit dem Begriff der guten Sit­ ten gestellt werden. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung resultiert aus Art 3 Abs.  1, 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG. Die Wertentscheidung des Grundgeset­ zes zugunsten der Gläubigergleichbehandlung unter gleichzeitiger Verdrängung des Prioritätsgrundsatzes im Falle der Insolvenz stellt damit eine Wertentscheidung der Gesamtrechtsordnung dar. Diese Wertentscheidung hat in der Existenz der Insol­ venzordnung im Allgemeinen und in der Insolvenzanfechtung im Speziellen ihren einfachgesetzlichen Niederschlag gefunden. Wie bei der Untersuchung der Normzwecke von §  138 Abs.  1 BGB ausgeführt wurde,302 wird im Rahmen der Sittenwidrigkeit das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ maßgeblich anhand von Wertentscheidungen der Gesamt­ rechtsordnung bestimmt,303 wobei dem grundgesetzlichen Wertmaßstab besondere Bedeutung zukommt.304 Da in der Sicherstellung der par conditio creditorum eine Wertentscheidung zu sehen ist, die von grundrechtlichen Gesichtspunkten maßgeb­ lich beeinflusst wird, führt das dazu, dass der Normzweck der Insolvenzanfechtung gleichzeitig ein bestimmender Faktor für das „Anstandsgefühl aller billig und ge­ recht Denkenden“ ist. Handlungen, die gegen den Grundsatz der par conditio credi­ torum verstoßen und infolgedessen der Insolvenzanfechtung unterliegen, verstoßen gleichzeitig gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Der Verstoß gegen den durch Art.  3 Abs.  1, 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG gebotenen Vor­ rang der Gläubigergleichbehandlung widerspricht Wertentscheidungen, die zur Be­ stimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“ herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass die Vorschrif­ ten der Insolvenzanfechtung Handlungen, die gegen eine spezifische Ausformung 302 

Siehe S.  118 f. BVerfGE 7, 198 (206); BGHZ 106, 336 (338); BGHZ 80, 153 (158); Ahrens in: Prütting/ Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  17 ff.; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  12, 20 ff, 33; Ar­ nold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  12a; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  3; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  37; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  52 ff.; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  17 f. 304  BVerfGE 7, 198 (206); BGHZ 106, 336 (338); BGH NJW 1986, 2944 (2944); BGHZ 70, 313 (324); Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  17; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  20 ff., 33; Dörner in: Schulze, BGB, §  138 Rn.  3; Ellenberger in: Palandt, BGB, §  138 Rn.  4; Flume, AT BGB II, S.  366; Mansel in: Jauernig, BGB, §  138 Rn.  6; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  53. 303 

II.  Die Vergleichsnormen im Einzelnen

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des „Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßen, sanktionieren und damit im Ergebnis dieselbe Funktion übernehmen, wie es §  138 Abs.  1 BGB tut. Somit ist der Schutzzweck der Insolvenzanfechtungsregeln als Ausformung der guten Sitten zu charakterisieren. Aufgrund des mit §  138 Abs.  1 BGB identischen Schutzzwecks, dem Schutz des „Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“, kann man davon sprechen, dass die Regelungen der Insolvenzanfechtung gesetzlich geregelte Fallgruppen von §  138 Abs.  1 BGB zur Behandlung gläubigerschädlicher vorinsolvenzlicher Rechts­ handlungen sind. Nicht umsonst werden die Regelungen der Insolvenzanfechtung als leges specialis zu §  138 Abs.  1 BGB angesehen.305

5.  Zusammenfassung Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung beseitigen die Folgen von vorinsolvenz­ lich vorgenommenen gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen. Die Rechts­ folgen der Insolvenzanfechtung treten dabei von selbst ein, ohne dass es der Aus­ übung eines Gestaltungsrechts bedarf. In Übereinstimmung hierzu tritt die Nichtig­ keitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB ebenfalls ipso iure ein. Die rechtliche Ausgestaltung des Wirkungseintritts stimmt bei diesen beiden Rechtsinstituten folglich überein.306 Auch was den Normzweck betrifft, den beide Normgruppen erfüllen sollen, be­ steht eine Übereinstimmung. Durch §  138 Abs.  1 BGB werden Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, mit der Nichtigkeit sanktioniert. Gegen die guten Sitten verstößt das Rechtsgeschäft dann, wenn es gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt. Zur Bestimmung dieses Merkmals muss insbesondere auf die Wertentscheidungen der Gesamtrechtsordnung abgestellt wer­ den, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Wertentscheidungen des Grundge­ setzes zu richten ist. Die Regelungen zur Insolvenzanfechtung dienen der (Wieder-)Herstellung der par conditio creditorum. Diese wird ihrerseits durch Art 3 Abs.  1, 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 S.  1 GG gefordert und genießt damit grundrechtlichen Schutz. Der Grund­ satz der Gläubigergleichbehandlung stellt eine Wertentscheidung der Gesamtrechts­ ordnung dar, die das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ bestimmt 305  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  7; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  345 f.; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2. 306  Zum Einfluss der Abhängigkeit des Zeitpunkts des Wirkungseintritts der Insolvenzanfech­ tung von der Verfahrenseröffnung siehe ausführlich S.  184 ff.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

und somit Bestandteil der guten Sitten ist. Durch den von §§  129 ff. InsO etablierten Schutz der par conditio creditorum werden Schutzwirkungen erzielt, die denjenigen des §  138 Abs.  1 BGB entsprechen. §§  129 ff. InsO und §  138 Abs.  1 BGB verfolgen demgemäß denselben Normzweck. Infolge der Erfüllung desselben Normzwecks sowie der grundsätzlich gleichen Ausgestaltung mit ihren ipso iure eintretenden Wirkungen besteht zwischen der Sittenwidrigkeit gemäß §  138 Abs.  1 BGB sowie den Regelungen des Insolvenzan­ fechtungsrechts gemäß §§  129 ff. InsO eine enge Wesensverwandtschaft.

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten Es stellt sich konsequenterweise die Frage, inwiefern die Wesensverwandtschaft zur zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit in den Anfechtungstatbeständen abgebildet ist. Die für jeden Anfechtungstatbestand notwendige Voraussetzung der Gläubiger­ benachteiligung, die in §  129 Abs.  1 InsO normiert ist, zeigt, dass alle anfechtungs­ relevanten Rechtshandlungen eine Schädigung Dritter, der Insolvenzgläubiger, zur Folge haben. Die Schädigung Dritter durch rechtsgeschäftliche Handlungen wird auch im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB relevant, wobei unterschiedliche Konstella­ tionen thematisiert werden.307 Zahlreiche Übereinstimmungen mit der Insolvenzanfechtung weisen die Fälle der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung auf.308 Es ist daher zu untersuchen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer sittenwidrigen Gläubigerbenachteili­ gung in einen Zusammenhang mit den einzelnen Anfechtungstatbeständen ge­ bracht werden können. Möglicherweise liegt den Voraussetzungen der Sittenwid­ rigkeit und der Anfechtbarkeit gemäß §§  129 ff. InsO ein gemeinsames Prinzip zu­ grunde.

1.  Tatbestand der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft gemäß §  138 Abs.  1 BGB nichtig, wenn sich „[…] auf der Grundlage des aus der Zusammenfassung von Inhalt, Be­ weggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakters der Vereinbarung“ ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ergibt:309 „Verträge ‚zu Lasten Dritter‘ verdienen grundsätzlich keine Anerkennung.“310 Soll­ te ein Rechtsgeschäft eine Gläubigerbenachteiligung zur Folge haben, verstößt es 307 

Siehe hierzu schon S.  120 f. Überblick bei Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  438 ff. 309  BAG NZI 2007, 58 (62); BGHZ 107, 92 (97); BGHZ 86, 82 (88). 310  BAG NZI 2007, 58 (62 f.). 308 

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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nach der hergebrachten Definition der Rechtsprechung regelmäßig dann gegen die guten Sitten, wenn der Schuldner das Rechtsgeschäft in der dem anderen Teil be­ kannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vornimmt.311 a)  Tatbestandsvoraussetzungen der Sittenwidrigkeit in Fällen der Gläubigerbenachteiligung Nach dem genannten Grundsatz müssen mehrere Voraussetzungen vorliegen, um eine Sittenwidrigkeit zu begründen. Neben das objektive Element der Gläubigerbe­ nachteiligung treten subjektive Elemente. Der Inhalt dieser Vorausetzungen bedarf einer näheren Untersuchung anhand der bei §  138 Abs.  1 BGB einschlägigen Fall­ gruppen der Gläubigerbenachteiligung. aa)  Sittenwidrige Sicherungsabtretungen (1)  Objektive Voraussetzung Gläubigerbenachteiligung In Fällen der Sittenwidrigkeit von Sicherungsabtretungen tritt der Schuldner siche­ rungshalber alle bestehenden und künftigen Forderungen an einen einzigen Gläubi­ ger an. Da dies im Zeitraum einer bereits drohenden Insolvenz geschieht, stellen diese Forderungen in aller Regel das letzte verbliebene Vermögen des Schuldners dar.312 Fällt der Schuldner sodann in die Insolvenz, kann sich der Zessionar aus der ihm zur Sicherheit abgetretenen Forderungen befriedigen, während die übrigen Gläubiger auf die Quote verwiesen werden. Durch die Abtretungen wird das Ver­ mögen des Schuldners aufgezehrt, die zu verteilende Quote sinkt, was zur Benach­ teiligung der Altgläubiger führt. Zudem können künftige Gläubiger über die Kredit­ fähigkeit des Schuldners getäuscht werden, da die Sicherungszession regelmäßig mit einer Kreditvergabe an den Schuldner einhergeht. Im Rahmen von sittenwidri­ gen Sicherungszessionen ist also eine Gläubigerbenachteiligung hinsichtlich bereits vorhandener Altgläubiger sowie etwaiger Neugläubiger möglich. (2)  Subjektive Voraussetzungen Gläubigerbenachteiligende Sicherungszessionen werden von der Rechtsprechung dann als sittenwidrig eingestuft, „[…] wenn dadurch gegenwärtige oder künftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden und beide Vertragspartner bei der Täuschung zusammengewirkt haben.“313

311 

BGH NZI 2002, 430 (432); BGH NJW 1973, 513 (513). BGH NJW 1995, 1668 (1668). 313  BGH NJW 1995, 1668 (1668); im selben Sinne OLG Köln ZIP 2002, 521 (522). 312 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

(a)  Vorbemerkung zum Terminus „Täuschung“ Der verwendete Terminus der „Täuschung“ erscheint zur Erfassung der einschlägi­ gen Fallkonstellationen nicht recht passend zu sein. Zwar können Neugläubiger durch eine im Zusammenhang mit der Sicherungszession erfolgte Kreditvergabe getäuscht werden, indem sie dazu verleitet werden, mit einem scheinbar solventen Schuldner in eine vertragliche Beziehung zu treten. Demgegenüber passt die Be­ zeichnung „Täuschung“ für bereits vorhandene Altgläubiger weniger. Diese werden nicht dahingehend getäuscht, dass sie erstmals mit dem Schuldner in vertraglichen Kontakt treten und nachfolgend aufgrund der fehlenden Solvenz des Schuldners ihre Erwartungen enttäuscht sehen. Vielmehr bestehen schon (freilich wenig wert­ haltige) Forderungen gegen einen in wirtschaftliche Schieflage geratenen Schuld­ ner. Durch die Sicherungszession werden Altgläubiger nicht getäuscht, sondern ihre im Insolvenzverfahren zu erwartende Quote wird reduziert. Es liegt hier also keine Täuschung durch einen im Zuge der Sicherungszession vergebenen Kredit vor, son­ dern eine klassische Gläubigerbenachteiligung durch Verkürzung des Schuldner­ vermögens. Man kann an der fehlenden sprachlichen Differenzierung zwischen Neu- und Altgläubigern durch die Bezeichnung „Täuschung“ erkennen, dass die Rechtspre­ chung im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB auch in tatsächlicher Hinsicht nicht immer trennscharf zwischen einer Benachteiligung der bereits vorhandenen Gläubiger und einer Kredittäuschung der künftigen Gläubier unterscheidet.314 Beide Fälle hängen eng zusammen; regelmäßig werden durch Sicherungszessionen sowohl Altgläubi­ ger als auch Neugläubiger geschädigt. Es ist damit gerechtfertigt und auch wenig verwunderlich, dass die Rechtsprechung beide Arten von Gläubigerschädigungen im selben Zusammenhang behandelt. Gleichwohl ist die Terminologie der Recht­ sprechung, in der einzig auf das Merkmal der „Täuschung“ abgestellt wird, aus ge­ nannten Gründen irreführend. Die verwendete Formel ist daher so zu verstehen, dass ein Zusammenwirken von Schuldner und Zessionar hinsichtlich der Gläubiger­ benachteiligung im Allgemeinen und nicht hinsichtlich einer speziellen Täuschung die Voraussetzung der Sittenwidrigkeit ist. (b)  Gläubigerbenachteiligendes Zusammenwirken Das gläubigerbenachteiligende („täuschende“) Zusammenwirken manifestiert sich in subjektiven Komponenten auf Seiten des Schuldners und des Zessionars. Dabei 314  Verwunderlich erscheint es, dass im Urteil BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94 neben einer Sittenwidrigkeit wegen Gläubigerbenachteiligung auch eine Sittenwidrigkeit „[…] unter dem zu­ sätzlichen Gesichtspunkt der Konkursverschleppung gem. §  138 Abs.  1 BGB […]“ bejaht wird, da „[…] hierdurch andere Gläubiger über die Kreditfähigkeit des Schuldners getäuscht und geschä­ digt werden […]“, BGH NJW 1995, 1668 (1669). Aus Sicht des Verfassers besteht hier kein Unter­ schied zur „regulären“ Gläubigerbenachteiligung, zumal die subjektiven Voraussetzungen von der Rechtsprechung faktisch inhaltsgleich bestimmt werden.

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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muss die gläubigerbenachteiligende „Täuschung“ nicht der Zweck des Handelns der Parteien im Sinne einer Absicht gewesen sein.315 Vielmehr reicht es zur Bejahung der Sittenwidrigkeit aus, wenn beide Parteien mit der Möglichkeit der Gläubigerbe­ nachteiligung gerechnet haben.316 Das ist dann der Fall, wenn die Umstände be­ kannt sind, aufgrund derer sich ein bevorstehender finanzieller Zusammenbruch des Schuldners aufdrängt und sich die Parteien über diese Kenntnis mindestens grob fahrlässig hinwegsetzen.317 Erstaunlich mutet dabei auf den ersten Blick die Tatsache an, dass die Rechtspre­ chung dem subjektiven Moment hinsichtlich der Möglichkeit der Gläubigerbenach­ teiligung auf Seiten des Schuldners nicht stets näher nachgeht. So wird im Urteil BGH v. 16.3.1995 – IX ZR 72/94 ausschließlich auf eine Kenntnis des Zessionars vom bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners eingegan­ gen.318 Ebenso verhält es sich im Urteil BGH v. 8.2.1956 – IV ZR 287/55.319 Demge­ genüber wird im Rahmen des Urteils OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01 sowohl eine Kenntnis des Schuldners als auch des Zessionars von einem bevorstehenden Zusammenbruch des Schuldners thematisiert.320 Auch im Urteil BGH v. 26.7.1949 – I ZR 96/52 wird auf Schuldnerseite eine subjektive Komponente geprüft (berech­ tigte Überzeugung von den Erfolgsaussichten einer Sanierung, die im Zuge der Kreditvergabe und Sicherungszession angestrebt wird).321 Eine Untersuchung der einschlägigen Fallkonstellationen klärt die vermeintlich unterschiedliche Gewichtung auf: In den Entscheidungen, die sich nicht näher mit einer Kenntnis des Schuldners, sondern ausschließlich mit derjenigen des Zessio­ nars auseinandersetzen, ist im Zeitpunkt der gläubigerbenachteiligenden Siche­ rungszession bereits eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten oder doch zumindest ernstlich zu erwarten. Demgemäß wurde ein sittenwidriges Zusammenwirken auch ohne nähere Prüfung einer Kenntnis des Schuldners bereits dann angenommen, wenn nur auf Seiten des Zessionars eine Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung vorlag.322 Dahingegen war im Urteil OLG Köln v. 9.1.2002 – 13 U 22/01 im Zeit­ punkt des Abschlusses des Zessionsvertrages ein wirtschaftlicher Zusammenbruch nicht absehbar, weshalb ein sittenwidriges Zusammenwirken verneint wurde, da

315 

BGH NJW 1995, 1668 (1668); BGHZ 10, 228 (230). BGH NJW 1995, 1668 (1668); in diesem Sinne auch RG JW 1936, 1953 (1954). 317  BGH NJW 1995, 1668 (1668); BGH WM 1958, 845 (845 f.); im diesem Sinne auch OLG Köln ZIP 2002, 521 (522). 318  BGH NJW 1995, 1668 (1668 f.). 319  BGHZ 20, 43 (50 f.). 320  OLG Köln ZIP 2002, 521 (522). 321  BGHZ 10, 228 (233 f.). 322  BGH NJW 1995, 1668 (1668); im Urteil BGHZ 20, 43 (50 ff.), wurde die Sache an das Beru­ fungsgericht zurückverwiesen, da keine tatsächlichen Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Zeitpunkt der Sicherungszession – und damit hinsichtlich einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit ‒ getroffen wurden. 316 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

weder Schuldner noch Zessionar eine Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung nach­ zuweisen war.323 Daraus lässt sich Folgendes schließen: Ist bereits im Zeitpunkt der Zession die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten oder steht diese zumindest unmit­ telbar bevor, ist eine Prüfung des subjektiven Merkmals auf Seiten des Schuldners obsolet, da dieser seine finanzielle Lage kennt und somit seinerseits von einem gläu­ bigerbenachteiligenden Zusammenwirken mit dem Zessionar auszugehen ist. Die Zahlungsunfähigkeit hat somit de facto die Funktion einer Vermutung. Ist hingegen eine Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten oder nicht unmittelbar bevorste­ hend und damit eine Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners sowie eine mit der Zession zusammenhängende Gläubigerbenachteili­ gung geringer, muss im Einzelnen geprüft werden, ob der Schuldner eine Gläubiger­ benachteiligung in Kauf genommen hat. Das ist insbesondere dann der Fall wenn die Zession im Rahmen von Sanierungsbemühungen erfolgt. Dem Schuldner ist dann ein sittenwidriges, gläubigerbenachteiligendes Verhalten vorzuwerfen, wenn keine sorgfältige Prüfung der Erfolgschancen der Sanierung vorgenommen wird.324 Auf Seiten des begünstigten Gläubigers wird dagegen stets eine Prüfung der sub­ jektiven Voraussetzungen vorgenommen. Ein sittenwidriges Handeln seinerseits ist dann zu bejahen, wenn er die Umstände kennt, die den Schluß auf einen bevorste­ henden Zusammenbruch des Schuldners aufdrängen und er sich über diese Erkennt­ nis mindestens grob fahrlässig hinwegsetzt.325 Im Gegensatz zum Schuldner hat der Zessionar regelmäßig keinen Einblick in die Finanzen des Schuldners, sodass stets eine gesonderte Prüfung der Kenntnis veranlasst ist. Dies ist schon unter dem Ge­ sichtspunkt des Vertrauensschutzes geboten. (3) Zusammenfassung Es bleibt festzuhalten, dass neben einer objektiven Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich sowohl auf Seiten des Schuldners als auch auf Seiten des Zessionars ein subjektives Merkmal erfüllt sein muss. Das ist der Fall, wenn beide Parteien mit der Gläubigerbenachteiligung rechnen, sich jedoch über diese Kenntnis zumindest grob fahrlässig hinwegsetzen. Steht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kurz bevor oder ist sie bereits eingetreten, ist eine explizite Prüfung der Kenntnis auf Seiten des Schuldners dagegen obsolet.

323 

OLG Köln ZIP 2002, 521 (522). BGHZ 10,228 (234); ähnlich BGH WM 1958, 845 (846). 325  BGH NJW 1995, 1668 (1668); ähnlich, BGHZ 20, 43 (50); zu §  826 BGB siehe BGH NJW 1956, 417 (418). 324 

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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bb)  Gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen Die Anwendbarkeit von §  138 Abs.  1 BGB im Falle der Gläubigerbenachteiligung wird ebenfalls bei gesellschaftsvertraglichen Abfindungsbeschränkungen disku­ tiert.326 Gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sehen bisweilen vor, dass im Fal­ le der Pfändung eines Geschäftsanteils oder der Insolvenz eines Gesellschafters der Geschäftsanteil gegen nicht vollwertiges Entgelt eingezogen wird. (1)  Objektive Voraussetzung Gläubigerbenachteiligung Der dem betroffenen Gesellschafter zustehende Abfindungsanspruch bei Ausschei­ den aus der Gesellschaft wird oftmals nicht unerheblich gekürzt oder gar ganz aus­ geschlossen. Sollte eine solche Regelung eine Kürzung oder Ausschließung des Abfindungsanspruch (OHG: §  131 Abs.  3 Nr.  2 HGB, §  738 Abs.  1 S.  2 BGB; GbR mit Fortsetzungsklausel: §§  728 Abs.  2, 736, 738 Abs.  1 S.  2 BGB) vorsehen, wer­ den hierdurch die Insolvenzgläubiger benachteiligt, da der Masse ein geringerer Wert zufließt, als dies bei Geltung der gesetzlichen Regeln der Fall wäre.327 (2)  Subjektive Voraussetzungen Der Bundesgerichtshof hält solche Vereinbarungen dann für sittenwidrig, wenn sie ausschließlich für den Fall vorgesehen sind, dass der Geschäftsanteil gepfändet wird oder ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters eröffnet wird.328 Sollte die Regelung dagegen an andere Tatbestände anknüpfen wie etwa eine grobe Pflichtwidrigkeit, den Tod oder eine Erkrankung eines Gesellschafters, wird hierin keine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung erblickt. Vielmehr schließt ein berechtigtes Interesse der Gesellschafter am Eindringen eines Dritten in die Gesellschaft eine Sittenwidrigkeit aus.329 Vereinbarungen, die darauf ange­ legt sind, den Geschäftsanteil im Fall der Insolvenz wirtschaftlich auszuhöhlen, haben dagegen keinen rechtlichen Bestand.330 Es zeigt sich, dass auch hier neben dem objektiven Erfordernis der Gläubigerbe­ nachteiligung subjektive Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Aufgrund der Stoß­ richtung der Vereinbarung handelt es sich dabei um die Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung infolge der Abfindungsbeschränkung auf Seiten der Ge­ sellschafter. 326 

Siehe hierzu eingehend Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (36 ff.). Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (37). 328  BGH NJW 1975, 1835 (1836); BGHZ 32, 151 (156 f.). 329  BGHZ 32, 151 (156 f.). 330  BGH NJW 1975, 1835 (1836), richtet den Blick hauptsächlich auf den Pfändungsgläubiger in der Einzelzwangsvollstreckung, allerdings ergibt sich wertungsmäßig im Fall der Insolvenz kein Unterschied, zumal zuvor auch dieser Fall genannt wird. 327 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

cc)  Planmäßige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit Im Kontext der Sittenwidrigkeit wegen Gläubigerbenachteiligung werden weiterhin Fallgestaltungen diskutiert, in denen sich der Schuldner in planmäßiger Weise und in Zusammenarbeit mit einem Dritten seines gesamten Vermögens entäußert.331 (1)  Objektive Voraussetzung Gläubigerbenachteiligung Solche extremen Fälle treten häufig in familienrechtlichen Beziehungen auf, wenn es um die Zahlung von Unterhaltsschulden geht.332 Gleichwohl sind diese Fälle der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung nicht auf die Vermeidung von Unterhalts­ pflichten beschränkt.333 Der Bundesgerichtshof stellt das klar, indem er die Tatsa­ che, dass es sich in den einschlägigen Fällen um Unterhaltsschulden handelt, nicht als den für §  138 Abs.  1 BGB entscheidenden Faktor einstuft. Entscheidendes Kri­ terium für die Sittenwidrigkeit ist vielmehr die planmäßig herbeigeführte Gläubi­ gerbenachteiligung, die dadurch entsteht, dass der Schuldner versucht, sich seinen Pflichten zu entziehen, indem er sein Vermögen einem Dritten zuwendet und unter gleichzeitiger Aufgabe einer Erwerbstätigkeit seine Zahlungsunfähigkeit herbei­ führt.334 Die Gläubigerbenachteiligung ist hier offensichtlich: Im Falle der Insol­ venz des Schuldners erhalten die Gläubiger nur noch eine äußerst geringe Quote und fallen mit ihren Ansprüchen weitgehend aus. (2)  Subjektive Voraussetzungen Die aus der (oder den) Veräußerungshandlung(en) resultierende Zahlungsunfähig­ keit darf nicht zufällig eingetreten sein. Dementsprechend müssen auf der subjekti­ ven Ebene bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um eine sittliche Missbilligung der Veräußerung und damit die Rechtsfolge des §  138 Abs.  1 BGB zu rechtfertigen. Eine besondere Verwerflichkeit ist einer Vermögensveräußerung erst dann imma­ nent, wenn diese auf Schuldnerseite planmäßig erfolgt, um eine Vermögenslosigkeit herbeizuführen, aufgrund derer die Gläubiger die ihnen zustehende Ansprüche nicht mehr wirksam durchzusetzen vermögen.335 Auf Schuldnerseite muss damit ein besonders stark ausgeprägtes subjektives Moment in Form einer schädigenden Absicht vorliegen.

331 

Siehe hierzu eingehend Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (32 ff.). Siehe die Fallgestaltungen, die BGH NJW 1973, 513 (513), sowie BGH WM 1958, 1278 (1278), zugrunde liegen. 333  So auch Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (34), der §  138 Abs.  1 BGB indes im Ergebnis auf­ grund der vertretenen Vorrangigkeit der Anfechtungsregeln nicht als einschlägig erachtet. 334  BGH NJW 1973, 513 (513); in diese Richtung bereits für §  826 BGB, RGZ 74, 224 (229). 335  BGH NJW 1973, 513 (513). 332 

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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Daneben muss der Dritte, dem das Vermögen des Schuldners übertragen wird, in den Sachverhalt und damit in die Absicht des Schuldners eingeweiht sein.336 Auch hier ist eine Unwirksamkeit des Erwerbs, der die Folge des §  138 Abs.  1 BGB ist, aus Gründen des Vertrauensschutzes nur gerechtfertigt, wenn der Dritte in Kennt­ nis der Gläubigerbenachteiligung mit dem Schuldner zusammenarbeitet. b) Zusammenfassung Die dargestellten Fälle der Gläubigerbenachteiligung zeigen, dass die Rechtspre­ chung ein einheitliches Grundmuster bei der Bewertung der Sittenwidrigkeit ver­ folgt. Neben das objektive Merkmal der Gläubigerbenachteiligung muss jeweils auf Seiten des Schuldners und des Dritten ein subjektives Moment treten. Unabhängig von den qualitativen Differenzierungen der subjektiven Voraussetzungen im Ein­ zelnen, die den besonderen Anforderungen der jeweiligen Fallkonstellationen Rechnung tragen, liegt ein einheitliches Prinzip zugrunde: Sowohl der Schuldner als auch der Dritte müssen die der Gläubigerbenachteiligung zugrunde liegenden Umstände kennen. Die Handlung mit ihren gläubigerbenachteiligenden Folgen er­ folgt sodann in Billigung dieser Konsequenzen. Erst hierdurch erhält eine objektiv vorliegende Gläubigerbenachteiligung ihren sittlichen Makel, der zur Anwendung von §  138 Abs.  1 BGB führt.

2.  Anfechtungstatbetände a)  Grundvoraussetzung Gläubigerbenachteiligung Sämtliche Anfechtungstatbestände verbindet die Gemeinsamkeit, dass eine Gläubi­ gerbenachteiligung vorliegen muss, damit eine Rechtshandlung der Anfechtung unterliegt. Diese Voraussetzung ist in der Grundsatznorm des Insolvenzanfech­ tungsrechts, §  129 Abs.  1 InsO, normiert. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt dann vor, wenn die Befriedigung der Insol­ venzgläbiger beeinträchtigt wird, indem der Zugriff auf das Schuldnervermögen erschwert, vereitelt, gefährdet oder verzögert wird.337 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen des Schuldners ver­ kürzt wird – Verringerung der Aktivmasse – oder die Verbindlichkeiten des Schuld­ ners vermehrt werden – Vermehrung der Passivmasse.338 336 

BGH NJW 1973, 513 (513). BT-Drucks. 12/2443, S.  157, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  336; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  64; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  160; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  100; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  37; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  63; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  37. 338  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  40; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 337 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Hinsichtlich des objektiven Merkmals der Gläubigerbenachteiligung decken sich die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung und der sittenwidrigen Gläubigerbe­ nachteiligung. Es verwundert daher nicht, dass die Insolvenzanfechtung häufig in Zusammenhang mit der Behandlung der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB thematisiert und dabei das Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der Rechtsfolgen problematisiert wird.339 b)  Weitere Voraussetzungen der einzelnen Anfechtungstatbestände Wie bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Gläubigerbenachteiligungen zu­ sätzlich subjektive Voraussetzungen auf Seiten des Schuldners und des Dritten ne­ ben das objektive Merkmal der Gläubigerbenachteiligung treten müssen, sind auch in den Anfechtungstatbeständen weitere Voraussetzungen normiert. Es ist zu unter­ suchen, inwiefern diese Voraussetzungen mit den subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit Übereinstimmungen aufweisen und ob dem ein einheitliches Prin­ zip zugrunde liegt. aa)  Vorsätzliche Benachteiligung, §  133 Abs.  1 InsO §  133 Abs.  1 InsO lässt die Anfechtung einer Rechtshandlung zu, „die der Schuldner […] mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.“ Der Vorsatz auf Seiten des Schuldners bezüglich der Gläubigerbenachteiligung beinhaltet ein kognitives und ein voluntatives Element. Nach der Formel der Recht­ sprechung ist ein „Gläubigerbenachteiligungsvorsatz […] gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§  140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mut­ maßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat.“340 Der Schuldner muss die Benachtei­ ligung demnach zumindest billigend in Kauf genommen haben.341 In aller Regel handelt der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er im Zeitpunkt der Vor­ nahme der Handlung seine Zahlungsunfähigkeit kennt.342 Dies gilt selbst dann, wenn er lediglich eine ihm drohende Zahlungsunfähigkeit kennt.343 Rn.  79; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  77; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  100; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  37; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  63. 339  Eingehend hierzu siehe S.  162 ff. 340  BGHZ 180, 98 (102); BGHZ 174, 314 (321); BGHZ 167, 190 (194); BGHZ 162, 143 (153); BGHZ 155, 75 (84). 341  Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  13 a; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  133 Rn.  21; Thole in: HK-InsO, §  133 Rn.  13. 342  BGHZ 180, 98 (102); BGHZ 174, 314 (321); BGHZ 167, 190 (194); BGHZ 162, 143 (153). 343  BGHZ 180, 98 (102); BGHZ 174, 314 (321); BGHZ 167, 190 (194).

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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Auf Seiten des Anfechtungsgegners muss eine Kenntnis des Benachteiligungs­ vorsatzes vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass andere Gläubiger vorhanden sind, diese durch die Handlung benachteiligt werden und der Schuldner diese Folge zumindest billigend in Kauf nimmt.344 In §  133 Abs.  1 S.  2 InsO wird dabei die Vermutung aufgestellt, dass der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz kennt, wenn er von der drohenden Zahlungsunfähig­ keit des Schuldners und der Gläubigerbenachteiligung der Handlung weiß. Von den tatbestandlichen Voraussetzungen besteht eine Übereinstimmung zu den dargestellten Grundlagen der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung. Es ist sowohl auf Seiten des Schuldners als auch des anderen Teils (hier des Anfechtungs­ gegners) jeweils ein subjektives Element erforderlich, um eine Gläubigerbenachtei­ ligung ahnden zu können. Im Rahmen der Sittenwidrigkeit wurde dieses subjektive Element als eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung gekenn­ zeichnet.345 Ganz ähnlich sind die subjektiven Momente im Rahmen von §  133 Abs.  1 InsO ausgestaltet. Gerade auf Schuldnerseite wird ebenfalls eine Kenntnis und Billigung der Gläu­ bigerbenachteiligung von §  133 Abs.  1 InsO explizit gefordert, wobei die Kenntnis der eigenen drohenden Zahlungsunfähigkeit einen entsprechenden Vorsatz impli­ ziert. Hier ist die Parallele zur Behandlung von gläubigerbenachteiligenden Siche­ rungszessionen augenfällig. Auch dort führt eine Kenntnis der eigenen drohenden Zahlungsunfähigkeit dazu, dass ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Schuld­ nerseite vermutet wird. Wie gezeigt wurde, entfällt in diesem Fall eine weitere Prü­ fung hinsichtlich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes.346 Auf Seiten des Anfechtungsgegners entspricht die in §  133 Abs.  1 InsO vorausge­ setzte Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes ebenfalls in weiten Teilen dem sub­ jektiven Moment der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung. Zwar wird bei §  138 Abs.  1 BGB neben der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung zusätzlich eine Bil­ ligung selbiger gefordert, sodass insofern ein nicht unerheblicher Unterschied zu §  133 Abs.  1 InsO zu bestehen scheint, bei dem dieses Billigungselement nicht nor­ miert ist. Indes ist es rein tatsächlich schwer vorstellbar, dass eine Mitwirkung an einer gläubigerbenachteiligenden Handlung in Kenntnis der Benachteiligung und in dem Wissen um den schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz ohne ein Billigungs­ elemt auskommt: Weiß man als Dritter um die Benachteiligung der Gläubiger und einen entsprechenden Vorsatz des Vertragspartners und wirkt gleichwohl an einer solchen Handlung mit, nimmt man eine Gläubigerbenachteiligung de facto billi­ gend in Kauf. Eine Teilnahme an der Handlung ohne Billigung der Gläubigerbe­ nachteiligung ist kaum denkbar. Auch im Rahmen von §  133 Abs.  1 InsO ist somit auf Seiten des Anfechtungsgegners ein gewisses Billigungselement hinsichtlich der 344  Kayser in: MüKo-InsO, §  133 Rn.  19; ähnlich BGH NJW 2003, 3560 (3561); Thole in: HK-InsO, §  133 Rn.  25. 345  Siehe S.  147. 346  Siehe S.  142 ff.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Gläubigerbenachteiligung vorhanden, sodass ein gemeinsames Grundprinzip zu er­ kennen ist.347 Eine weitere Parallele zur Sittenwidrigkeit von Gläubigerbenachteiligungen zeigt sich darin, welche Bedeutung der Kenntnis des anderen Teils von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners jeweils beigemessen wird. Im Rahmen von §  133 Abs.  1 InsO führt diese Kenntnis in Zusammenspiel mit dem Wissen um die Gläubigerbenachteiligung gemäß §  133 Abs.  1 S.  2 InsO zur Vermutung der Kennt­ nis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht. Ganz ähnlich führt im Fall der Sitten­ widrigkeit von gläubigerbenachteiligenden Sicherungszessionen eine Kenntnis des anderen Teils von dem nahenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners zu einer sittlichen Missbilligung und damit zum Eingreifen der Rechtsfolge des §  138 Abs.  1 BGB.348 Die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist also je­ weils das entscheidende Kriterium, das zur Erfüllung der subjektiven Vorausset­ zung auf Seiten des Anfechtungsgegners beziehungswiese des Dritten führt. Abschließend bleibt damit festzustellen, dass die neben der objektiven Gläubiger­ benachteiligung vorausgesetzten Merkmale im Rahmen von §  133 Abs.  1 InsO und §  138 Abs.  1 BGB trotz vereinzelter Differenzierungen auf demselben Prinzip beru­ hen. Jeweils liegt sowohl auf Schuldnerseite als auch auf Seiten des anderen Teils eine Kenntnis der gläubigerbenachteiligenden Umstände und eine Billigung der Gläubigerbenachteiligung vor. Besondere Bedeutung kommt dabei der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu. bb)  Deckungsanfechtung, §§  130, 131 InsO Die in den §§  130, 131 InsO geregelten Tatbestände der Deckungsanfechtung betref­ fen Fälle, in denen einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung ge­ währt oder ermöglicht wird. Hierdurch tritt eine Gläubigerbenachteiligung auf­ grund einer Verringerung der Aktivmasse ein. §§  130, 131 InsO unterscheiden sich zum einen hinsichtlich der Art der anfecht­ baren Deckung. Während der Anfechtungsgegner im Fall des §  130 InsO einen An­ spruch auf die Sicherung oder Befriedigung hat, besteht der Anspruch im Fall des §  131 InsO nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit. Desweiteren unerscheiden sich die beiden Anfechtungstatbestände in den zusätzlich zu erfüllenden Vorausset­ zungen.

347  Die Tatsache, dass eine Billigung im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB im Gegensatz zu §  133 Abs.  1 InsO explizit zu prüfen ist, hat seinen Ursprung wohl in der von der herrschenden Meinung vertretenen Konkurrenzsituation zwischen Insolvenzanfechtung und §  138 Abs.  1 BGB. Danach ist §  138 Abs.  1 BGB neben der Insolvenzanfechtung nur dann anwendbar, wenn neben die eine Anfechtung begründenden Voraussetzungen „besondere Umstände“ treten. Näheres hierzu siehe S.  162 ff. 348  Siehe S.  144.

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(1)  Kongruente Deckung, §  130 InsO (a)  §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO Gemäß §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO ist die Gewährung oder Ermöglichung einer Siche­ rung oder Befriedigung anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. (i) Zahlungsunfähigkeit Im Gegensatz zum dargestellten Prinzip der Sittenwidrigkeit der Gläubigerbenach­ teiligung, wonach auf Schuldnerseite eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbe­ nachteiligung vorliegen muss, wird bei §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO auf ein subjektives Merkmal auf Schuldnerseite verzichtet. Stattdessen muss nur objektiv die Zah­ lungsunfähigkeit eingetreten sein. Das Fehlen einer subjektiven Voraussetzung und das alleinige Abstellen auf die objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit scheint gegen die Annahme zu sprechen, dass §  138 Abs.  1 BGB und §  130 InsO ein einheitliches Prinzip zugrunde liegt. Allerdings wurde bereits obenstehend festgestellt, dass der Schuldner Einblick in seine Finanzen hat und dementsprechend regelmäßig auch Kenntnis seiner Zah­ lungsunfähigkeit besitzt oder zumindest besitzen muss. Befriedigt er im Zustand der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger oder gewährt er ihm eine Sicherung, muss er regelmäßig wissen, dass er seine übrigen Gläubiger benach­ teiligt. Insofern besteht eine Parallele zu den Fällen der Sittenwidrigkeit. Insbeson­ dere in Fällen der sittenwidrigen Sicherungszession wurde festgestellt, dass die Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit eine nähere Prüfung subjektiver Merk­ male hinsichtlich der Gläubigerbenachteiligung entbehrlich macht.349 Man kann in der objektiven Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit ein genera­ lisierendes und objektivierendes Merkmal sehen, dass eine Prüfung hinsichtlich der subjektiven Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung auf Schuldner­ seite im Einzelfall obsolet macht. Das subjektive Merkmal wird auf das objektive Merkmal der Zahlungsunfähigkeit projiziert. Eine solche Qualifizierung macht gleichwohl eine Prüfung des tatsächlichen Vorliegens eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes auf Schuldnerseite nicht überflüssig: Sollte ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nachweisbar sein, ist ne­ ben §  130 Abs.  1 InsO auch §  133 Abs.  1 InsO anwendbar.350 Das tatsächliche Vor­ liegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes führt dann gemäß §  133 Abs.  1 349 

Siehe S.  143 f. Die Anfechtungstatbestände stehen grundsätzlich (§§  130, 131 InsO schließen §  132 InsO aus) selbstständig nebeneinander, Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  14; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  94; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  21. 350 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

InsO dazu, dass eine Anfechtung sogar für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag möglich ist. Dahingegen ist im Rahmen von §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO eine Anfechtung nur für die letzten drei Monate vor dem Eröffnungsan­ trag möglich. Das qualitative Plus, das in einem tatsächlich vorliegenden Gläubi­ gerbenachteiligungsvorsatz gegenüber dem generalisierenden Merkmal der Zah­ lungsunfähigkeit liegt, schlägt sich in einer längeren Anfechtungsfrist nieder. Die divergierende zeitliche Qualität der Anfechtungsmöglichkeiten zeigt, dass eine Einordnung der Zahlungsunfähigkeit als ein vom Einzelfall losgelöster und objekti­ vierter Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht zu einer Sinnentleerung von §  133 Abs.  1 InsO führt. Beide Merkmale sind auf das gleiche Prinzip zurückzuführen, unterscheiden sich jedoch in dem Grad ihrer sittlichen Missbilligung. Der Gesetz­ geber hat das durch die divergierenden Anfechtungsfristen berücksichtigt. (ii)  Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit Neben die objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit auf Schuldnerseite muss auf Seiten des Anfechtungsgegners eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit treten, um eine Anfechtbarkeit der Handlung zu rechtfertigen. Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stellt das subjektive Pendant zur Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB dar. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit, enthält die Kenntnis ein Verdachtsmoment hinsichtlich der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachtei­ ligung. Wenn der Anfechtungsgegner von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weiß, kann man bei einer generalisierenden, vom Einzelfall losgelösten Betrachtung davon ausgehen, dass er grundsätzlich wissen muss, dass er Teil der schon bestehen­ den latenten Risikogemeinschaft der Gläubiger des späteren Insolvenzschuldners ist, sodass eine Sicherung oder Befriedigung seinerseits zu einer Benachteiligung der anderen Gläubiger führt. Man kann die Voraussetzung der Kenntnis der Zah­ lungsunfähigkeit somit ebenfalls als ein generalisierendes Merkmal hinsichtlich der vermuteten Gläubigerbenachteiligungsabsicht auf Seiten des Anfechtungsgegners werten. Von der Funktionsweise entspricht dieses subjektive Merkmal dem objekti­ ven Merkmal „Zahlungsunfähigkeit“ auf Seiten des Schuldners. Auch hier bleibt das generalisierende Merkmal indes in qualitativer Hinsicht hin­ ter dem tatsächlichen Vorliegen der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht im Rahmen von §  133 Abs.  1 InsO zurück, was der Gesetzgeber durch den verhält­ nismäßig kleinen Anfechtungszeitraum von drei Monaten vor Stellung des Eröff­ nungsantrags berücksichtigt. Sollte die Kenntnis tatsächlich nachweisbar sein, ist §  133 Abs.  1 InsO neben §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO anwendbar.

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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(b)  §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO erklärt eine Handlung, durch die eine Sicherung oder Be­ friedigung gewährt oder ermöglicht wird, für anfechtbar, wenn sie nach dem Eröff­ nungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Hand­ lung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. (i) Eröffnungsantrag Auch im Rahmen von §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO fehlt es an einem subjektiven Merk­ mal auf Seiten des Schuldners. Anstelle des objektiven Merkmals der Zahlungsun­ fähigkeit tritt hier der Eröffnungsantrag. Von seiner Grundwertung ist dieses Merk­ mal mit der Zahlungsunfähigkeit vergleichbar. Wird eine Sicherung oder Befriedi­ gung nach dem Eröffnungsantrag gewährt, kann grundsätzlich ebenso und sogar in noch größerem Ausmaß davon ausgegangen werden, dass der Schuldner um eine Gläubigerbenachteiligung weiß und diese billigend in Kauf nimmt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Schuldner darum wissen, dass sein Vermögen nicht mehr zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger ausreichen wird. Wie durch das Merkmal der Zahlungsunfähigkeit in §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO wer­ den die in §  138 Abs.  1 BGB vorausgesetzten subjektiven Merkmale an einen objek­ tiven Tatbestand – den Eröffnungsantrag – angeknüpft. Gleichzeitig werden in ge­ neralisierender und vom Einzelfall losgelöster Weise eine Kenntnis und eine Billi­ gung der Gläubigerbenachteiligung auf Schuldnerseite indiziert. (ii)  Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags Der Anfechtungsgegner muss die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag im Zeitpunkt der anfechtbaren Handlung gekannt haben. Wie im Rahmen von §  130 Abs.  1 Nr.  1 InsO beinhaltet eine Kenntnis dieser Tatsachen eine Vermutungswir­ kung hinsichtlich der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung auf Sei­ ten des Anfechtungsgegners. Wie vorstehend beschrieben hat der Gesetzgeber die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit dahingehend generalisiert, dass eine Prüfung der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungs­ gegners im Einzelfall entfallen kann. Gleiches gilt im Rahmen von §  130 Abs.  1 Nr.  2 InsO für die Kenntnis des Eröffnungsantrages. Auch hier muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Anfechtungsgegner eine durch die Sicherung oder Befriedigung eintretende Gläubigerbenachteiligung kennt und billigt. (c) Zusammenfassung Die Anfechtungstatbestände des §  130 Abs.  1 Nr.  1 und Nr.  2 InsO sind auf das bei §  138 Abs.  1 BGB nachgewiesene Prinzip, wonach auf Seiten des Schuldners und

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

des anderen Teils eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung vorlie­ gen müssen, zurückführbar. Durch die objektiven Merkmale der Zahlungsunfähig­ keit und des Eröffnungsantrages und das subjektive Merkmal der Kenntnis der Zah­ lungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrages werden auf Seiten des Schuldners und Anfechtungsgegners Voraussetzungen aufgestellt, die in generalisierender Wei­ se eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung indizieren und damit eine konkrete Prüfung, wie sie für §  138 Abs.  1 BGB und §  133 Abs.  1 InsO notwen­ dig ist, obsolet machen. Dem qualitativen Minus dieser generalisierenden Merkma­ le im Vergleich zu einer tatsächlich vorliegenden und nachweisbaren Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung wird durch eine im Verhältnis zu §  133 Abs.  1 InsO wesentlich verkürzte Anfechtungsperiode Rechnung getragen. (2)  Inkongruente Deckung, §  131 InsO §  131 InsO enthält insgesamt drei unterschiedliche Anfechtungstatbestände, welche die Gemeinsamkeit verbindet, dass der Anfechtungsgegner eine Sicherung oder Be­ friedigung erlangt oder ihm eine solche ermöglicht wird, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Der Gesetzgeber spricht insofern in der amtlichen Überschrift von „inkongruenten Deckungen“. (a)  §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO erklärt eine inkonkruente Deckung für anfechtbar, wenn die zu dieser Deckung führende oder diese ermöglichende Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Der Tatbestand enthält keinerlei weitere objektive oder subjektive Voraussetzun­ gen und scheint damit der Möglichkeit zu widersprechen, alle Anfechtungstatbe­ stände auf das bei §  138 Abs.  1 BGB nachgewiesene Prinzip zurückzuführen. Wenn außer der Gläubigerbenachteiligung und der zeitlichen Einschränkung der Anfecht­ barkeit keine zusätzlichen Voraussetzungen für die Anfechtung normiert sind, scheint eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung nicht der Grund der Anfechtbarkeit gemäß §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO zu sein. Indes kann die zentrale Voraussetzung von §  131 InsO, die Inkongruenz der De­ ckung, auf das genannte Prinzip zurückgeführt werden. In einer inkongruenten De­ ckung liegt stets ein starkes Verdachtsmoment hinsichtlich einer Zahlungsunfähig­ keit des Schuldners und damit einer Gläubigerbenachteiligung.351 Desweiteren wird im Rahmen von §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO die inkongruente Deckung in einem Zeit­ raum von höchstens einem Monat vor Stellung des Eröffnungsantrages gewährt oder ermöglicht. In diesem kurzen Zeitraum vor Antragstellung befindet sich der 351 

Siehe hierzu schon S.  131 f. und Fn.  272.

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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Schuldner regelmäßig bereits in einem Zustand mangelnder Solvenz – der soge­ nannten Krise.352 Wenn der Schuldner – insbesondere in diesem Zeitraum – einem Gläubiger Waren an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber liefert, anstatt die eigent­ lich geschuldete Geldleistung zu erfüllen,353 handeln beide Seiten grundsätzlich verdächtig. Der Schuldner wird eine inkongruente Deckung nur dann gewähren, wenn er die eigentlich geschuldete Leistung wegen mangelnder finanzieller Austat­ tung nicht mehr erbringen kann. Der Gläubiger und potentielle Anfechtungsgegner wird in diesem Fall regelmäßig den Schluss auf eine mangelhafte Liquidität des Schuldners und eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit sowie eine damit einherge­ hende Gläubigerbenachteiligung ziehen. Der Gesetzgeber macht durch die fehlende Normierung weiterer Voraussetzun­ gen in §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO deutlich, dass schon in der inkongruenten Deckung eine generalisierende, vom Einzelfall losgelöste Indizierung der Kenntnis und Bil­ ligung der Gläubigerbenachteiligung auf beiden Seiten zu erblicken ist: „Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis von der Krise sowie die Krise selbst werden inso­ weit unwiderleglich vermutet.“354 Wie bereits dargelegt wurde, enthält regelmäßig bereits die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit einen Verdacht hinsichtlich der Billi­ gung der Gläubigerbenachteiligung auf beiden Seiten.355 Da freilich das objektive Vorliegen einer inkongruenten Deckung nicht stets ein solches subjektives Moment auch in tatsächlicher Hinsicht nach sich ziehen muss, hat der Gesetzgeber die Anfechtungsperiode mit einem Monat vor dem Eröffnungs­ antrag relativ kurz bemessen, um dem Vertrauensschutz des Anfechtungsgegners Rechnung zu tragen. (b)  §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO In §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO wird die Anfechtbarkeit einer inkongruenten Deckung in den Zeitraum des zweiten und dritten Monats vor Stellung des Eröffnungsantrags ausgedehnt. Als zusätzliches objektives Erfordernis muss neben die Inkongruenz der Deckung die Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Schuldners hinzutreten. Im Rahmen von §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO enthalten die Voraussetzungen der Zah­ lungsunfähigkeit und der Inkongruenz dieselbe generalisierende und objektiveren­ de Indizierung der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung auf Schuldnerseite, wie dies bereits aufgezeigt wurde.

352 

Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  131 Rn.  16. Dauernheim in: FK-InsO, §  131 Rn.  13; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  131 Rn.  6; Hen­ ckel in: Jaeger, InsO, §  131 Rn.  9; Kayser in: MüKo-InsO, §  131 Rn.  32; Nerlich in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  131 Rn.  18; Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  131 Rn.  55. 354  BT-Drucks. 12/2433, S.  158, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  342. 355  Siehe S.  143 f. 353 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Erstaunlich ist indes, dass auf Seiten des Anfechtungsgegners keine zusätzliche Voraussetzung erfüllt werden muss. Das objektive Vorliegen einer inkongruenten Deckung genügt folglich, um eine Anfechtbarkeit gegenüber dem Anfechtungsgeg­ ner zu rechtfertigen, sofern die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegt. Be­ reits durch das objektive Merkmal der Inkongruenz wird eine vom Einzelfall losge­ löste Indizierung der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners erreicht, sodass auch hier dem bei §  138 Abs.  1 BGB aufgezeigten Prinzip Rechnung getragen wird. Eine zusätzliche Vorausset­ zung ist damit auf Seiten des Anfechtungsgegners nicht notwendig. Insofern besteht kein Unterschied zu §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO. Man kann sich gleichwohl die Frage stellen, weshalb die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, die für diesen eine Indizwirkung beinhaltet, bei §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO zusätzlich zur Voraussetzung der Inkongruenz hinzukommen muss. Es müssen da­ mit letztlich zwei Voraussetzungen erfüllt sein, von denen jede bereits für sich eine Indizierung des subjektiven Moments auf Schuldnerseite enthält. Die Rechtferti­ gung für die Verdoppelung der Voraussetzung, die beide letztlich auf demselben Prinzip basieren, findet sich in der gegenüber §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO verlängerten Anfechtungsperiode. Im Gegensatz zu §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO wird die Anfech­ tungsperiode auf bis zu drei Monate vor Stellung des Eröffnungsantrags ausge­ dehnt. Diese Ausdehnung erfordert aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Er­ weiterung der Anfechtungsvoraussetzungen. Da allerdings in erster Linie der Anfechtungsgegner von den Folgen der Anfech­ tung betroffen ist – er ist Schuldner des Rückgewähranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO – erscheint es kurios, dass für diesen keine weiteren subjektiven Vorausset­ zungen normiert worden sind. Die objektive Voraussetzung der Zahlungsunfähig­ keit auf Schuldnerseite erscheint wenig geeignet, den Vertrauensschutz des Anfech­ tungsgegners sicherzustellen. Da der Anfechtungsgegner grundsätzlich keinen Ein­ blick in die wirtschaftliche Lage des Schuldners hat, kann man ihm den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht zum Vorwurf machen. Es wäre daher sinnvoller gewe­ sen, §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO zusätzlich von einer Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abhängig zu machen, als alleine von dem rein objektiven Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit. Andererseits kann man an dem Fehlen dieser Voraussetzung erkennen, welch hohe Missbilligung der Gesetz­ geber einer inkongruenten Deckung entgegenbringt. Der Gesetzgeber sieht den An­ fechtungsgegner in diesem Fall als dermaßen schutzunwürdig an, dass er auch ohne das Vorliegen weiterer subjektiver Voraussetzungen auf seiner Seite eine zeitliche Ausdehnung der Anfechtbarkeit auf bis zu drei Monate für gerechtfertigt erachtet. Unabhängig davon, ob man die Regelung des §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO als inhalt­ lich ausgewogen erachtet oder nicht, wird anhand des Tatbestands ersichtlich, dass auch §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO auf dem von §  138 Abs.  1 BGB verfolgten Prinzip ­beruht. Die Inkongruenz der Deckung indiziert auf beiden Seiten losgelöst vom Einzelfall eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung. Um den Ge­

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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sichtspunkt des Vertrauensschutzes, der durch eine Erweiterung des Anfechtungs­ zeitraums eingeschränkt wird, zu berücksichtigen, wird zusätzlich die Zahlungsun­ fähigkeit des Schuldners gefordert. Dieses objektive Merkmal, das eine Prüfung subjektiver Voraussetzungen auf Schuldnerseite entbehrlich macht, beruht eben­ falls auf dem Gedanken, dass stets eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbe­ nachteiligung vorliegen muss, um zu einer sittlichen Missbilligung zu gelangen. (c)  §  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO §  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO dehnt die Anfechtungsmöglichkeit wie §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO im Fall der inkongruenten Deckung auf bis zu drei Monate vor Stellung des Eröffnungsantrags aus. Der Unterschied zu §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO besteht darin, dass es nicht auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ankommt, sondern auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligung infolge der inkongruenten Deckung. Wie obenstehend aufgezeigt wurde, enthält bereits die Voraussetzung der Inkon­ gruenz eine vom Einzelfall losgelöste und auf ein objektives Merkmal bezogene unwiderlegliche Indizierung der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteili­ gung für beide Seiten. Die Existenz der zusätzlichen Voraussetzung der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Gläubigerbenachteiligung rechtfertigt sich durch die zeitliche Ausdehnung der Anfechtungsphase. Weiß der Anfechtungsgegner um die Gläubigerbenachteiligung, ist ihm eine verlängerte Anfechtungsphase zuzumu­ ten. Im Fall des §  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO scheint der Konflikt mit dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes im Vergleich zu §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO rechtstechnisch besser gelöst zu sein. Da eine zusätzliche subjektive Voraussetzung auf Seiten des Anfechtungsgegners notwendig ist, wird gewährleistet, dass eine zeitlich ausge­ dehnte Anfechtung nur dann durchgreift, wenn der Anfechtungsgegner wegen einer tatsächlich nachgewiesenen Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung nicht schutzwürdig ist. (d) Zusammenfassung Auch die Tatbestände der Anfechtung inkongruenter Deckungen lassen sich darauf zurückführen, dass eine Gläubigerbenachteiligung dann sittlich zu missbilligen ist, wenn beide Seiten von der Benachteiligung Kenntnis haben und diese billigen. Der Gesetzgeber hat mit der Voraussetzung der Inkongruenz ein objektives Merkmal geschaffen, das losgelöst vom Einzelfall eine solche Kenntnis und Billi­ gung unwiderleglich indiziert. Um den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, ist eine Anfechtung bei alleinigem Vorliegen dieses objektiven Merkmals nur für den Zeitraum von einem Monat vor Stellung des Eröffnungsan­ trages gerechtfertigt (§  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO). Erst bei Vorliegen des zusätzlichen

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

objektiven Merkmals der Zahlungsunfähigkeit (§  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO) oder des zusätzlichen subjektiven Merkmals der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung (§  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO) ist eine Ausdehnung des Anfechtungszeitraums auf bis zu drei Monate gerechtfertigt. cc)  Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen, §  132 InsO §  132 Abs.  1 InsO regelt die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften, welche die Insol­ venzgläubiger unmittelbar benachteiligen. In Abgrenzung zu den Tatbeständen der Deckungsanfechtung geht es hier nicht um Verfügungsgeschäfte, die einem Insol­ venzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewähren, sondern vorrangig um schuldrechtliche Rechtsgeschäfte. Die Insolvenzgläubiger werden benachteiligt, indem der Schuldner Verbindlichkeiten eingeht, denen keine adäquate Gegenleis­ tung gegenübersteht. Es geht mithin um eine gläubigerbenachteiligende Vergröße­ rung der Passivmasse.356 Was die Voraussetzungen angeht, unter denen eine unmittelbar nachteilige Rechtshandlung anfechtbar ist, kann vollumfänglich auf die Ausführungen zu §  130 Abs.  1 Nr.  1 und 2 InsO357 verwiesen werden, da §  132 Abs.  1 InsO dieselben objek­ tiven und subjektiven Voraussetzungen enthält. Auch hier stellen damit die objekti­ ven Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit und des Eröffnungsantrages sowie die jeweilige Kenntnis davon auf Seiten des Anfechtungsgegners Merkmale dar, die eine im Einzelfall vozunehmende Prüfung der Kenntnis und Billigung der Gläubi­ gerbenachteiligung entbehrlich machen. dd)  Unentgeltliche Leistungen, §  134 InsO §  134 Abs.  1 InsO erklärt unentgeltliche Leistungen des Schuldners für eine Zeit von bis zu vier Jahren vor Stellung des Eröffnungsantrages für anfechtbar. Unent­ geltlich ist eine Leistung dann, wenn der Leistungsempfänger kein finanzielles Op­ fer für die Leistung erbracht hat. Im Gegensatz zu den übrigen Anfechtungstatbeständen sind in §  134 Abs.  1 InsO bis auf die vierjährige Anfechtungsperiode keinerlei weitere Voraussetzungen hin­ sichtlich der Anfechtbarkeit normiert. Auch ist einer unentgeltlichen Leistung grundsätzlich nicht stets die Vermutung einer Kenntnis und Billigung der Gläubi­ gerbenachteiligung immanent. §  134 Abs.  1 InsO ist folglich nicht auf das bei §  138 Abs.  1 BGB aufgezeigte und bei den übrigen Anfechtungstatbeständen nachweisba­ re Prinzip zurückzuführen. §  134 Abs.  1 InsO stellt insofern eine Anomalie in der Systematik des Insolvenz­ anfechtungsrechts dar. Die Tatsache, dass es hinsichtlich der Anfechtbarkeit einer 356  357 

Siehe hierzu schon S.  126. Siehe S.  151 ff.

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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unentgeltlichen Leistung nicht auf eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbe­ nachteiligung ankommt und dementsprechend scheinbar der Vertrauensschutz ins­ besondere des Anfechtungsgegners keine Beachtung findet, erklärt und rechtfertigt sich aus der grundsätzlichen Schwäche des unentgeltichen Erwerbs.358

3.  Gemeinsames Prinzip Die Untersuchung der Voraussetzungen der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen der Sittenwidrigkeit sowie der einzelnen Anfechtungstatbestände zeigt, dass §  138 Abs.  1 BGB und die Insolvenzanfechtung im Wesentlichen auf dasselbe Prinzip zurückzuführen sind. a)  Tatsächliches Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung Die Fälle der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung und die Anfechtungstatbe­ stände verbindet die Gemeinsamkeit, dass jeweils eine tatsächliche Gläubigerbe­ nachteiligung vorliegen muss. Armbrüster verneint bezüglich dieses Merkmals hingegen eine Vergleichbarkeit von §  138 Abs.  1 BGB mit den Anfechtungstatbeständen. Er argumentiert, dass für §  138 Abs.  1 BGB bereits die Zielrichtung der Gläubigerbenachteiligung ausreiche, ohne dass eine Gläubigerbenachteiligung nachfolgend auch tatsächlich eintreten müsse, während §§  129 ff. InsO nur bei einer tatsächlichen Gläubigerbenachteili­ gung anwendbar seien.359 Die bloße Zielrichtung der Gläubigerbenachteiligung ohne deren tatsächliches Eintreten würde etwa vorliegen, wenn der Schuldner eine vollständig dinglich be­ lastete Sache in Gläubigerbenachteiligungsabsicht an einen eingeweihten Dritten abtrete.360 In diesem Fall liege objektiv keine Gläubigerbenachteiligung vor, da den Gläubigern kein verwertbares Vermögen entzogen werde. Gleichwohl sei das kau­ sale Rechtsgeschäft bereits aufgrund der Zielrichtung der Gläubigerbenachteiligung sittlich zu missbilligen und daher gemäß §  138 Abs.  1 BGB nichtig, nicht jedoch das Verfügungsgeschäft, da es zu dessen Missbilligung einer tatsächlichen Gläubiger­ benachteiligung bedürfe.361 Insolvenzanfechtungsrechtlich sei diese Konstellation dagegen wegen der fehlenden tatsächlichen Gläubigerbenachteiligung auch hin­ sichtlich des Kausalgeschäfts irrelevant. Es könne demnach Fallgestaltungen geben, in denen §  138 Abs.  1 BGB eingreife, während die Insolvenzanfechtung nicht an­ wendbar sei. Insofern würden sich die objektiven Merkmale nicht stets decken. 358 

Siehe hierzu schon S.  131. Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (25, 41). 360  Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (41). 361  Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (25 f.). 359 

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

Folge der alleinigen Sittenwidrigkeit des Kausalgeschäfts wäre ein Bereiche­ rungsanspruch, der zur Folge hätte, dass die Sache in das Schuldnervermögen zu­ rückgeholt werden könne. Dahingegen könnte durch die Insolvenzanfechtung auf­ grund der fehlenden Voraussetzung der Gläubigerbenachteiligung (§  129 Abs.  1 InsO) die Sache nach keinem Anfechtungstatbestand in die Masse zurückgeführt werden. Von der Grundkonstellation scheinen diese Fälle sehr konstruiert. Wieso sollte das einer nicht gläubigerbenachteiligenden Verfügung zugrunde liegende Kausal­ verhältnis in der Praxis über §  138 Abs.  1 BGB angegriffen werden? Die Folge der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts wäre ein Bereicherungsanspruch hinsichtlich eines für die Gläubiger faktisch wertlosen Gegenstandes. Wohl kein Gläubiger würde die Anstrengung unternehmen, die Sittenwidrigkeit des Kausalgeschäfts geltend zu machen, wo ihm dies keinen Vorteil verschafft. Zudem scheint die von Armbrüster angeführte Konstellation schon von ihrem Ausgangspunkt her kein Fall der Sittenwidrigkeit zu sein. Ist mit der Übertragung einer dinglich vollumfänglich belasteten Sache eine Gläubigerbenachteiligung nicht verbunden, ist diese Tatsache sowohl dem Schuldner als auch dem anderer Teil be­ wusst. Ihnen kann folglich bei Abschluss des der Verfügung zugrundeligenden Kausalgeschäfts kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgeworfen werden, der die Grundlage der Sittenwidrigkeit ist. Wo es tatsächlich keine Gläubigerbenachtei­ ligung gibt, ist kein Platz für einen entsprechenden Vorsatz. Sollte ein solcher Vor­ satz gleichwohl ausnahmsweise vorliegen, was höchstens theoretisch denkbar ist, weil etwa die Beteiligten die Bedeutung der ausgeschöpften dinglichen Sicherun­ gen nicht erkennen, handelt es sich um eine Art untauglichen Versuch einer Gläubi­ gerbenachteiligung. Hier kann ein Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden abgelehnt werden, da ein böswilliges Zusammenwirken ohne die Möglichkeit eines schädigenden Ergebnisses die Werte der Rechtsordnung nicht tangiert. Das hat zur Folge, dass weder das Kausalgeschäft noch das Verfü­ gungsgeschäft unwirksam sind. Damit ist ein Eingreifen von §  138 Abs.  1 BGB auch hinsichtlich des Kausalge­ schäfts nur denkbar, wenn tatsächlich eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Folg­ lich kommt es nicht zu einem Auseinanderfallen der sich aus der Sittenwidrigkeit und der Insolvenzanfechtung ergebenden Folgeansprüche, wenn eine Gläubigerbe­ nachteiligung nur beabsichtigt war, ohne nachfolgend tatsächlich einzutreten: Es besteht weder ein Bereicherungsanspruch noch der anfechtungsrechtliche Rückge­ währanspruch. Armbrüster kommt über Umwege zu demselben Resultat. Der nach seiner Lö­ sung eigentlich einschlägige Bereicherungsanspruch aufgrund der Sittenwidrigkeit des Kausalgeschäfts solle ausnahmsweise nicht eingreifen, da die Regelungen der Insolvenzanfechtung vorrangig seien und insoweit §  138 Abs.  1 BGB gesperrt wer­ de. Er geht davon aus, dass die notwendige Voraussetzung der objektiven Gläubi­ gerbenachteiligung, deren Fehlen zu einem Ausschluss der Insolvenzanfechtung

III.  Die Anfechtungstatbestände unter dem Blickwinkel der guten Sitten

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führe, nicht über das Institut der Sittenwidrigkeit ausgehölt werden dürfe.362 Die notwendige Korrektur eines erzielten aber unerwünschten Ergebnisses zeigt, dass gerade auch bei der Sittenwidrigkeit eine tatsächliche Gläubigerbenachteiligung zu fordern ist. b)  Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung Die unterschiedlichen Konstellationen der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen der Sittenwidrigkeit haben gezeigt, dass eine gläubigerbenachteiligende Handlung dann sittlich zu missbilligen ist, wenn sowohl der Schuldner als auch der andere Teil die Gläubigerbenachteiligung kennen und durch ihr Verhalten billigen. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung hat der Gesetzgeber mit §  133 Abs.  1 InsO einen Tatbestand geschaffen, der diese Voraussetzungen nahezu inhaltsgleich ent­ hält. Der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung auf Schuldnerseite entspricht dem subjektiven Moment im Rahmen des §  138 Abs.  1 BGB. Die Kenntnis dieses Vor­ satzes auf Seiten des Anfechtungsgegners ist zwar nicht deckungsgleich mit dem subjektiven Moment bei §  138 Abs.  1 BGB, da eine Billigung nicht explizit voraus­ gesetzt wird. Indes enthält auch §  133 Abs.  1 InsO letztlich diese Wertung insofern, als dass einer Mitwirkung an der gläubigerbenachteiligenden Handlung in Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes stets ein Billigungselement immanent ist. In den übrigen Anfechtungstatbeständen sind mit den objektiven Merkmalen der Zahlungsunfähigkeit, des Eröffnungsantrages sowie der Inkongruenz der Deckung Elemente enthalten, die eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung unwiderleglich indizieren und damit ebenfalls das bei §  138 Abs.  1 BGB nachge­ wiesene Prinzip verfolgen. Dasselbe gilt für die Voraussetzungen der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit und dem Eröffnungsantrag. Der Tatsache, dass die mit diesen Merkmalen erreichte Indizwirkung in qualitativer Hinsicht nicht in demselben Maße sittlich missbilligenswert ist wie eine tatsächlich vorliegende Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung, wird durch eine zeitliche Abstufung der Anfechtungsmöglichkeiten Rechnung getragen. Je stärker die Indizwirkung hinsichtlich einer Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenach­ teiligung ist, desto länger ist eine Anfechtung in zeitlicher Hinsicht möglich. Das reicht von einer nur einmonatigen Zeitspanne im Fall der Inkongruenz der Deckung bei Fehlen weiterer (subjektiver) Voraussetzungen über eine bis zu drei­ monatige Rückerstreckung im Fall der Zahlungsunfähigkeit bei gleichzeitiger Kenntnis hiervon durch den Anfechtungsgegner bis hin zur zehnjährigen Anfech­ tungsmöglichkeit des §  133 Abs.  1 InsO, wenn der Schuldner Gläubigerbenachteili­ gungsvorsatz hatte und der Anfechtungsgegner Kenntnis hiervon besaß. Die zeitli­ che Staffelung der Anfechtungsmöglichkeit entspricht der abgestuften Qualität der

362 

Armbrüster, FS Canaris, S.  23 (41).

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

verschiedenen Anfechtungsvoraussetzungen hinsichtlich des Grades ihrer sittlichen Missbilligung. Einzig der Tatbestand des §  134 Abs.  1 InsO kann nicht auf das Prinzip der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung zurückgeführt werden. Die­ ser Anfechtungstatbestand stellt insofern eine Anomalie in der Systematik der übri­ gen Anfechtungstatbestände dar. Die Norm trägt dem im Zivilrecht allgemein aner­ kannten verminderten Schutz des unentgeltlichen Erwerbs Rechnung. Der Ausnah­ mecharakter dieser Vorschrift ändert indes nichts an der Feststellung, dass im Übrigen ein einheitliches Prinzip zugrunde liegt. c) Zusammenfassung Das den Tatbestandsvoraussetzungen des §  138 Abs.  1 BGB und der Insolvenzan­ fechtung zugrunde liegende gemeinsame Prinzip bestärkt das obenstehend gefun­ dene Ergebnis, wonach die Regelungen der Insolvenzanfechtung als Ausformung der guten Sitten eingestuft werden können.363 Es kann folglich nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Regelungen der Insolvenzanfechtung mit dem Schutz der par conditio creditorum einen Schutzzweck verfolgen, der auch bei der Sittenwidrigkeit „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ prägt, auf eine enge We­ sensverwandtschaft geschlossen werden. Die Wesensverwandtschaft zeigt sich ge­ rade auch in den zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzungen und dem hier zugrun­ de liegenden gemeinsamen Prinzip.

IV.  Folgen der Wesensverwandtschaft für die Wirkungen der Insolvenzanfechtung Es stellt sich konsequenterweise die Frage nach den Auswirkungen dieser Ver­ wandtschaft auf die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung.

1.  Divergierende Rechtsfolgen von §§  129 ff. InsO und §  138 Abs.  1 BGB Es herrscht ein allgemeiner Konsens dahingehend, dass die Normen des Insolvenz­ anfechtungsrechts die gegenüber §  138 Abs.  1 BGB spezielleren Regelungen hin­ sichtlich vorinsolvenzlich vorgenommenen, gläubigerschädigenden Rechtshand­

363 

Siehe S.  138 f.

IV.  Folgen der Wesensverwandtschaft für die Wirkungen der Insolvenzanfechtung

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lungen darstellen.364 Die in Rechtsprechung365 und Literatur366 herrschende Mei­ nung sieht in der Konstruktion der §§  129 ff. InsO als leges specialis zu §  138 Abs.  1 BGB jedoch keinen Grund, die bei §  138 Abs.  1 BGB gesetzlich niedergelegte Rechtsfolge der Nichtigkeit auch auf die Insolvenzanfechtung anzuwenden. Der Grund, weshalb Rechtsprechung und Literatur die Regeln der Insolvenzanfechtung überhaupt von §  138 Abs.  1 BGB abgrenzen, liegt in der Existenz der obenstehend behandelten Fallgruppen der Gläubigerbenachteiligung begründet. Hier liegen häu­ fig neben anfechtungsrelevanten Merkmalen zugleich Anhaltspunkte für eine Sit­ tenwidrigkeit vor. Es wird einhellig davon ausgegangen, dass die Insolvenzanfechtung eine eigen­ ständige, von §  138 Abs.  1 BGB abweichende Rechtsfolge enthält.367 Insbesondere in der Rechtsprechung wird dabei jedoch nicht auf den konkreten Inhalt dieser an­ fechtungsrechtlichen Rechtsfolge eingegangen. Vielmehr wird lediglich klarge­ stellt, dass ein nach den Vorschriften der Insolvenzordnung anfechtbares Rechtsge­ schäft nicht lediglich aufgrund der Anfechtbarkeit gleichzeitig dem Verdikt der Sittenwidrigkeit und damit der Rechtsfolge der Nichtigkeit unterworfen ist.368 Da die zitierten Urteile allseits auf die besonderen Rechtsfolgen der Insolvenzanfech­ tung abstellen, ohne diese konkret zu benennen, kann davon ausgegangen werden, dass die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs369 und des Reichsge­ 364  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  7; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  345 f.; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2. 365  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146). 366  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Gerhardt, Gläubigeran­ fechtung, S.  345 f.; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2. 367  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  7; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  345 f.; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2. 368  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146). 369  BGH NZI 2011, 486 (487); BGH NZI 2007, 42 (43); BGHZ 128, 184 (194); BGHZ 106, 127

164

§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

richts370 favorisierte Lösung in Form eines rein schuldrechtlich wirkenden Rückge­ währanspruchs gemeint ist. Auch in den Abhandlungen in der Literatur, die sich mit dem Verhältnis von §§  129 ff. InsO zu §  138 Abs.  1 BGB beschäftigen, wird ledig­ lich klargestellt, dass eine anfechtbare Handlung nicht automatisch sittenwidrig ist. Die konkrete Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung wird in diesem Zusammenhang jedoch zumeist nicht benannt.371 Einigkeit besteht darin, dass die Insolvenzanfechtung nicht als Sittenwidrigkeit im Sinne von §  138 Abs.  1 BGB zu charakterisieren ist und damit auch keine Nich­ tigkeit der angefochtenen Rechtshandlung als Rechtsfolge nach sich ziehen kann. Nach herrschender Ansicht kann die Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB jedoch neben die Anfechtungsrechtsfolge treten, wenn neben den Tatsachen, die die An­ fechtbarkeit begründen, zusätzliche besondere Umstände bestehen, die eine Sitten­ widrigkeit begründen.372 Damit ist jedoch nicht gemeint, dass sich die Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung in diesen Fällen in eine Nichtigkeit umwandelt. Vielmehr tritt die Nichtigkeit des §  138 Abs.  1 BGB neben die Anfechtbarkeit der Rechtshand­ lung und den sich daraus ergebenden spezifischen Folgen.373

2.  Eigener Lösungsansatz Die herrschende Meinung, welche die Rechtsfolgen von §  138 Abs.  1 BGB stets von denjenigen der Insolvenzanfechtung abgrenzt und dabei zu einem Spezialitätsver­ hältnis kommt,374 geht im Rahmen der Grundbetrachtung davon aus, dass §  138 (129); BGHZ 101, 286 (288); BGHZ 71, 61 (63); BGHZ 22, 128 (134); für die Anfechtung nach dem AnfG: BGHZ 130, 314 (321 f.); BGHZ 100, 36 (42). 370  RGZ 70, 112 (113 ff.); RGZ 58, 44 (47); für die Anfechtung nach dem AnfG: RGZ 131, 340 (342); RGZ 103, 113 (119 ff.); RGZ 91, 367 (369 f.); RGZ 71, 176 (176). 371  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  7; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKoInsO, Vor §§  129–147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigen­ tumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  345 f. und Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  263, bilden hier die Ausnahme, indem sie auf die von ihnen favorisierte haftungsrechtliche Unwirksamkeit eingehen. 372  BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  7; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Gerhardt, Gläubigeranfech­ tung, S.  345 f.; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129 bis 147 Rn.  54; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191 f. 373  Henckel möchte in Fällen, in denen §  138 Abs.  1 BGB neben die Insolvenzanfechtung tritt, die Rechtsfolge von §  138 Abs.  1 BGB sogar zu einer bloßen haftungsrechtlichen Unwirksamkeit modifizieren; siehe Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  263. 374  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in:

IV.  Folgen der Wesensverwandtschaft für die Wirkungen der Insolvenzanfechtung

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Abs.  1 BGB und die Insolvenzanfechtung unterschiedliche Rechtsfolgen bereithal­ ten und dass gerade deshalb eine Abgrenzung hinsichtlich des jeweiligen Anwen­ dungsbereichs notwendig ist.375 Bei diesen Überlegungen steht von vornherein fest, dass es eine spezifisch anfechtungsrechtliche Rechtsfolge für anfechtungsrelevante Tatbestände gibt, die von der Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB zu unterschei­ den ist. Durch diese Betrachtungsweise, die von ihrem grundlegendem Standpunkt her auf eine Abgrenzung angelegt ist, wird der Weg für eine Betrachtung der Ge­ meinsamkeiten versperrt. Es geht bei den Erörterungen der herrschenden Meinung darum, einen Sachver­ halt entweder dem Insolvenzanfechtungsrecht oder dem Bereich des §  138 Abs.  1 BGB zuzuordnen, da die Rechtsfolgen unterschiedlich gesehen werden. Durch die­ se auf Abgrenzung bedachte Sichtweise werden die Parallelen der Insolvenzanfech­ tung mit §  138 Abs.  1 BGB aus dem Blick verloren. Sie werden gar nicht erst zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Das Grundproblem dieser Betrachtungsweise ist, dass die Wirkungsweise der Insolvenzanfechtung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen nicht abschlie­ ßend geklärt sind. Wie gezeigt wurde, ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut von §§  129, 143 Abs.  1 S.  1 InsO376 noch aus demjenigen der Vorgängerregelun­ gen377 oder den Gesetzesmaterialien378 eine abschließende Klärung der Wirkungs­ weise der Insolvenzanfechtung. Demnach steht nicht fest, ob die Regelungen der Insolvenzanfechtung und §  138 Abs.  1 BGB eine unterschiedliche Rechtsfolge ha­ ben, sodass die durchgeführte Art der Abgrenzung zwischen beiden Regelungsbe­ reichen auf tönernen Füßen steht. Es wird bei dieser Betrachtungsweise von einer feststehenden Prämisse ausgegangen – spezifische Rechtsfolge der Insolvenzan­ fechtung und davon divergierende spezifische Nichtigkeitsfolge von §  138 Abs.  1 BGB –, ohne dass die Frage aufgeworfen wird, ob diese Prämisse zutrifft. Man kommt also nicht umhin, §  138 Abs.  1 BGB hinsichtlich seiner Nichtigkeitsfolge als Referenznorm für §§  129 ff. InsO in den Blick zu nehmen. Das Ergebnis der herrschenden Meinung vermag aufgrund der bislang durchge­ führten Untersuchungen nicht zu überzeugen. Es wurde gezeigt, dass sämtliche zi­ vilrechtliche Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüche die Gemeinsam­ keit verbindet, dass die jeweilige rechtliche Handlung, die der rückgängig zu ma­ chenden Vermögensübertragung zugrunde liegt, an einem Wirksamkeitsmangel Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  345 f.; God­ bersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfech­ tung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129– 147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2. 375  Eingehend hierzu Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschrif­ ten über die Gläubigeranfechtung, S.  6 ff.; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  191 f. 376  Siehe S.  22. 377  Siehe S.  23 ff. 378  Siehe S.  26 ff.

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§  5  Vergleich mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivilrechtlichen Regelungen

leidet.379 Es besteht kein durchschlagender Grund, weshalb dies bei der Insolvenz­ anfechtung anders sein soll,380 zumal das Insolvenzrecht eng an zivilrechtliche Strukturen anknüpft.381 Es wurde ebenfalls aufgezeigt, dass die Regelung zur Nich­ tigkeit von Rechtsgeschäften aufgrund von Sittenwidrigkeit gemäß §  138 Abs.  1 BGB wegen ihrer rechtlichen Gestaltung als ipso iure eintretendes Rechtsinstitut,382 des identischen Normzweckes383 und insbesondere des durch die jeweiligen Tatbe­ standsvoraussetzungen verfolgten gemeinsamen Prinzips384 eine enge Wesensver­ wandtschaft mit den Regelungen des Insolvenzanfechtungsrechts besitzt. Mit §  138 Abs.  1 BGB besteht eine Norm, die hinsichtlich ihrer Unwirksamkeitsfolge diejeni­ ge Voraussetzung bereithält, der es auch bei der Insolvenzanfechtung bedarf, um einen Rückgewähranspruch, der einen gläubigerschädigenden Vermögensabfluss rückgängig machen soll, zu rechtfertigen. Nicht umsonst werden die Regelungen der Insolvenzanfechtung als leges specia­ lis zu §  138 Abs.  1 BGB angesehen.385 Die Übereinstimmungen in Form der bei §  138 Abs.  1 BGB vorliegenden und bei §§  129 ff. InsO notwendigen Rechtsfolge und der zusätzlich bestehenden Wesensverwandtschaft lassen den Schluss zu, dass die Wirkungen der Insolvenzanfechtung mit jener Nichtigkeit ausgestattet sind, die bei §  138 Abs.  1 BGB vorliegt. Gerade die Entscheidungen,386 die sich mit der Anwend­ barkeit von §  138 Abs.  1 BGB neben der Insolvenzanfechtung beschäftigen, sowie die schwierigen Versuche einer Abgrenzung zeigen, dass beide Normengruppen eine sehr enge Verwandtschaft aufweisen. Der Inhalt der von der Rechtsprechung zur Begründung der Sittenwidrigkeit geforderten „besonderen, über die Erfüllung der Anfechtungsvoraussetzung hinausgehenden Umstände“ belegt dies. Diese Um­ stände basieren auf demselben Grundprinzip wie die Anfechtungsvoraussetzungen. Lediglich was den Grad der sittlichen Missbilligung der Gläubigerbenachteiligung angeht, geht die geforderte tatsächliche Kenntnis und Billigung der Gläubigerbe­ nachteiligung über die Anfechtungsvoraussetzungen hinaus. Das führt freilich nicht dazu, dass die Insolvenzanfechtung einer weniger einschneidenden Rechtsfolge als

379 

Siehe S.  79 f. Siehe S.  80 f. 381  Siehe S.  4 ff. 382  Siehe S.  114 f. 383  Siehe S.  138 f. 384  Siehe S.  159 ff. 385  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); BGHZ 60, 102 (104); RGZ 69, 143 (146); Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  6; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  18; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  12; Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, S.  15; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  40; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  50; Sack/Fischinger in: Staudin­ ger, BGB, §  138 Rn.  191; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, §  32 II 2. 386  BAG NZI 2007, 58 (61); BGH NZI 2002, 430 (432); BGHZ 138, 291 (299); BGH NJW-RR 1987, 1401 (1401); BGH NJW 1973, 513 (513); RGZ 69, 143 (146). 380 

IV.  Folgen der Wesensverwandtschaft für die Wirkungen der Insolvenzanfechtung

167

§  138 Abs.  1 BGB bedarf. Folge ist vielmehr eine temporäre Eingrenzung des Insol­ venzanfechtungsrechts durch die normierten Anfechtungszeiträume. Im Ergebnis ist es daher gerechtfertigt, die bekannte Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB für die umstrittene Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung fruchtbar zu machen.387

387  Mit diesem Ansatz nicht zu vereinbaren ist dagegen die von Henckel vorgeschlagene, um­ gekehrte Methode: Henckel wendet die von ihm für richtig erachtete Rechtsfolge der Insolvenzan­ fechtung in Form der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit auf die bekannte Rechtsfolge des §  138 Abs.  1 BGB an; siehe Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  263.

§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung Die Übertragung der Rechtsfolge des §  138 Abs.  1 BGB auf die Insolvenzanfech­ tung hat zur Konsequenz, dass die Anfechtbarkeit zur Nichtigkeit der angefochte­ nen Rechtshandlung führt. Die Nichtigkeit ist ebenso wie bei §  138 Abs.  1 BGB eine absolut wirkende.1 Für eine nur relativ den Insolvenzgläubigern gegenüber2 oder sachlich eingeschränkt3 wirkende Nichtigkeit, wie dies von den alten Dinglichkeits­ lehren vertreten wurde, verbleibt kein Raum. Diese recht allgemeine Feststellung bedarf weiterer Präzisierungen und einer Überprüfung hinsichtlich etwaig entgegenstehender Gesichtspunkte.

I.  Bezugspunkt der Nichtigkeit §  138 Abs.  1 BGB erklärt ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, für nichtig. Zu den Rechtsgeschäften zählen auch einseitige wie etwa eine Kündi­ gung.4 Bezugspunkt der Nichtigkeit ist das Rechtsgeschäft als solches und nicht die zu dem Rechtsgeschäft führenden einzelnen Willenserklärungen.5 In §  129 Abs.  1 InsO wird demgegenüber nicht der Terminus „Rechtsgeschäft“ verwendet, sondern es werden „Rechtshandlungen“ für anfechtbar erklärt. Die In­ solvenzanfechtung hat folglich einen weiteren Anwendungsbereich. Die Anwen­ dung der Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB hat dementsprechend zur Konse­ quenz, dass Bezugspunkt der Nichtigkeit infolge der Insolvenzanfechtung die je­ weilige anfechtbare Rechtshandlung ist.

1  BAG NJW 1976, 1958 (1959); BGHZ 60, 102 (105); BGHZ 27, 172 (180); RGZ 160, 52 (56); RGZ 150, 181 (186); Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  107 ff. 2  Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  381 Fn.  798; Hellwig, ZZP 26 (1899), 474 (477 f.); Lenhard, ZZP 38 (1909), 165 (189 f.); Geib, AcP 115 (1917), 58 (65); Geib, AcP 113 (1915), 335 (362), behandelt vornehmlich die Anfechtung nach dem AnfG, nennt jedoch dabei auch §  29 KO. 3  Marotzke, KTS 1987, 1 (5, 22). 4  Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  9; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  11; Sack/Seibl in: Staudinger, BGB, §  134 Rn.  15. 5  Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  11; Sack/Seibl in: Staudinger, BGB, §  134 Rn.  15.

I.  Bezugspunkt der Nichtigkeit

169

1.  Vorüberlegung: Dogmatische Überforderung des Insolvenzanfechtungsrechts durch den Begriff „Rechtshandlung“ a)  Wortlaut und Begriffsdefinition Nach der herrschenden Meinung kommen als anfechtbare Rechtshandlungen ge­ mäß §  129 Abs.  1 InsO neben Rechtsgeschäften insbesondere Prozesshandlungen und Realakte in Betracht. Auch Akte der Zwangsvollstreckung können anfechtbar sein.6 Aufgrund der Begrifflichkeit „Rechtshandlungen“ ist diese Auslegung vom Wortlaut gedeckt. Auch die Definition des Begriffs lässt eine solche Einordnung im Hinblick auf Rechtsgeschäfte, Prozesshandlungen und Realakte zu. Als anfechtba­ re Rechtshandlung kommt grundsätzlich jede bewusste Willensbetätigung in Frage, die eine Rechtswirkung auslöst und das Vermögen des Insolvenzschuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann unabhängig davon, ob diese Rechtswirkung gezielt herbeigeführt wird.7 Neben Rechtsgeschäften erfüllen auch Prozesshandlungen und Realakte diese Voraussetzungen. Durch eine Prozesshand­ lung wie ein Anerkenntnis kann ein Vollstreckungstitel geschaffen werden, durch einen Realakt kann eine Verbindung im Sinne von §§  946 f. BGB mit den entspre­ chenden Rechtsfolgen herbeigeführt werden. Gleiches gilt für Gläubigerhandlun­ gen in der Zwangsvollstreckung wie der Erteilung des Vollstreckungsauftrages. Nach der Definition scheinen indes Akte der Zwangsvollstreckung, die von den Vollstreckungsorgangen durchgeführt werden, keine anfechtbaren Rechtshandlun­ gen darzustellen, da es sich hierbei um hoheitliche Tätigkeiten handelt.8 Von einer Willensbetätigung kann im Falle der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher schwerlich gesprochen werden. Der Gerichtsvollzieher wird nicht im privatautono­ men, vom Willen getragenen Bereich tätig, sondern in Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen. Die von der Definition geforderte Willensbildung hat indes nur im privatautonomen Bereich Raum und nicht in dem durch strenge Gesetzesbindung geprägten hoheitlichen Bereich der Zwangsvollstreckung. Gleichwohl erkennt die herrschende Meinung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen stets als anfechtbare Rechtshandlungen an.9 Das Problem, dass Vollstreckungsmaß­ nahmen von Vollstreckungsorgangen nicht die gewohnte Definition von „Rechts­ handlungen“ erfüllen, wird umgangen, indem als Anknüpfungspunkt der Anfech­ tung nicht die hoheitliche Tätigkeit der Vollstreckungsorgane, sondern das Gläubi­ 6 

Siehe zu den möglichen anfechtbaren Rechtshandlungen S.  12 ff. Siehe zur Definition von „Rechtshandlungen“ bereits S.  12. 8  Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, Vor §  704 Rn.  7. 9  Dauernheim in: FK-InsO, §  131 Rn.  29; Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  32; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  17; ; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  343 f.; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  20; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  42; Rog­ ge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  11. 7 

170

§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

gerverhalten wie die Einleitung der Zwangsvollstreckung angesehen wird.10 Dabei soll die Handlung des Gläubigers erst dann im Sinne des §  140 Abs.  1 InsO vorge­ nommen sein, wenn die jeweilige Vollstreckungshandlung des Vollstreckungsor­ gans abgeschlossen ist, insbesondere also ein Pfändungspfandrecht infolge der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher entstanden ist.11 Die Handlung des Gläubi­ gers wird letztlich auf eigentümliche Weise mit der Handlung des Vollstreckungs­ organs verbunden. Dabei wird die Unterscheidung zwischen Ermöglichungs- und Gewährungshandlung im Sinne der §§  130, 131 InsO aufgegeben. Es wird verkannt, dass der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers nur die Ermöglichungshandlung für die spätere Sicherung oder Befriedigung ist, während die Handlung, die unmittelbar zur Sicherung oder Befriedigung führt, die hoheitliche Tätigkeit in Form der Pfän­ dung ist. Insofern kommt man nicht umhin, Handlungen von Vollstreckungsorga­ nen als anfechtbare Rechtshandlungen zu prüfen, was das angesprochene Problem mit sich bringt, dass diese Handlungen nicht mit der gewohnten Definition von „Rechtshandlungen“ vereinbar sind, da es an einer Willensbetätigung fehlt. Indes besteht die unbestrittene Notwendigkeit einer Anfechtungsmöglichkeit für Zwangsvollstreckungshandlungen. Eine durch staatlichen Zwang herbeigeführte Vermögensminderung darf grundsätzlich nicht anders behandelt werden als eine freiwillige. Das zeigt sich schon an der Existenz von §  141 InsO.12 Wenn man nicht den „Trick“ der herrschenden Meinung verwenden möchte, Handlungen der Voll­ streckungsorgane als Handlungen des vollstreckenden Gläubigers zu werten, son­ dern die hoheitlichen Vollstreckungsmaßnahmen vielmehr selbst als anfechtbare Rechtshandlungen begreift, kommt man nicht umhin, die gewohnte Definition zu verlassen. Akte der Zwangsvollstreckung von Vollstreckungsorganen sind daher entgegen dem üblichen Wortlaut der Definition als anfechtbare Rechtshandlungen einzustufen. b)  Fehlende Differenzierung als Grund dogamtischer Überforderung Die Insolvenzanfechtung enthält eine einheitliche, aus dem Zivilrecht stammende Nichtigkeitsfolge, die eine Differenzierung für Rechtshandlungen, die nicht aus dem materiellen Zivilrecht stammen, nicht zulässt. Im Ergebnis unterfallen damit alle anfechtbaren Rechtshandlungen unterschiedlos dieser Rechtsfolge. Das kann zu Schwierigkeiten in der dogmatischen Begründung führen. Prozesshandlungen werden, was ihre Wirksamkeit und Folgen anbelangt, grund­ sätzlich nicht nach zivilrechtlichen Regelungen beurteilt.13 Das Institut der Insol­ 10  Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  32; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  17; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  20; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  42; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  11. 11  Henckel in: Jaeger, InsO, §  131 Rn.  54. 12  Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  7. 13  Müller in: Erman, BGB, Einl §  104 Rn.  39; Rauscher in: MüKo-ZPO, Einleitung Rn.  399.

I.  Bezugspunkt der Nichtigkeit

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venzanfechtung ist indes auf zivilrechtliche Prinzipien zurückzuführen und eng mit der genuin zivilrechtlichen Regelung des §  138 Abs.  1 BGB verflochten. Es stellt sich dabei die Frage, wie prozessrechtliche Vorgänge durch ein zivilrechtliches Ins­ trument ohne dogmatische Brüche beeinflusst werden sollen. Werden Handlungen, die nach prozessualen Regelungen zu beurteilen sind, unisono mit zivilrechtlichen Rechtsgeschäften im Rahmen der Insolvenzanfechtung gleichsam „über einen Kamm geschoren“, kommt es fast zwangsläufig zu Verwerfungen zwischen der auf zivilrechtlichen Prinzipien basierenden Dogmatik der Anfechtung und der prozess­ rechtlichen Dogmatik von Prozesshandlungen. Gleiches gilt für Akte der Zwangsvollstreckung. Der Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung ist eine prozessuale Handlung,14 die grundsätzlich nicht nach zivilrechtlichen Regeln zu beurteilen ist. Die Durchführung der Zwangsvoll­ streckung selbst erfolgt durch staatliche Organe. Das hoheitliche Handeln ist dem öffentlichen Recht zugewiesen15 und basiert folglich ebenfalls nicht auf einer zivil­ rechtlichen Dogmatik. Ähnliche dogmatische Friktionen können im Fall von anfechtbaren Realakten entstehen, insbesondere wenn man das nachgewiesene Prinzip beachtet, wonach die Insolvenzanfechtung Einfluss auf die Wirksamkeit von anfechtbaren Rechtshand­ lungen nimmt. Die Wirksamkeit von Realakten bestimmt sich nicht nach zivilrecht­ lichen Regelungen, sondern richtet sich alleine nach dem tatsächlichen Vorliegen des Realaktes. Insbesondere sind die Regelungen hinsichtlich der Wirksamkeit von Willenserklärungen gemäß §§  104 ff. BGB nicht anwendbar.16 Der einzige Bezug von Realakten zum Bereich des Rechts ist in ihren Folgen zu sehen, die teilweise durch zivilrechtliche Regelungen normiert werden, wie §§  946 ff. BGB zeigen. Es erscheint unmöglich, die Wirksamkeit eines Realaktes, sprich dessen Existenz, durch rechtliche Regeln zu beinflussen. Das Recht kann nicht die tatsächliche Exis­ tenz eines Vorgangs umkehren. Insofern muss der Einfluss der Insolvenzanfech­ tung hier ein anderer sein. Die dogmatischen Probleme, die sich aus einer undifferenzierten Behandlung von zivilrechtlichen Handlungen und solchen, die nach anderen dogmatischen Prin­ zipien zu beurteilen sind, ergeben, sind indes keine Besonderheit einer „dinglichen“ Unwirksamkeitstheorie, sondern stellen sich in demselben Maße haftungsrechtli­ chen und schuldrechtlichen Theorien. Wenn man den Einfluss des dogmatischen Grundgerüsts, das der jeweiligen Theorie zugrunde liegt, konsequent auf Prozess­ handlungen, Vollstreckungsakte und Realakte anwendet, ergeben sich unabhängig von der favorisierten Theorie dogmatische Brüche. So stellt sich Vertretern der haf­ tungsrechtlichen Theorie die Frage, wie eine Prozesshandlung haftungsrechtlich unwirksam sein kann, wo doch auch die Frage der Haftung vorrangig das materiel­ 14 

Heßler in: MüKo-ZPO, §  754 Rn.  10; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  753 Rn.  9. Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, Vor §  704 Rn.  7. 16  J. Schmitt in: MüKo-BGB, Vor §  104 Rn.  11, §  105 Rn.  13 f. 15 

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§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

le Recht betrifft. Soll die haftungsrechtliche Unwirksamkeit nicht zur Leerformel verkommen, die alle Probleme ohne weitere dogmatische Begründung zu lösen im­ stande ist, muss sich auch die haftungsrechtliche Theorie der Frage stellen, wie das Prozessrecht durch Haftungsgesichtspunkte zu beeinflussen ist. Für die schuldrechtliche Theorie ergibt sich unter anderem das Problem, wie an­ fechtbaren Prozesshandlungen durch einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch beizukommen sein soll. c)  Überlegungen de lege ferenda Man könnte überlegen, insbesondere Prozesshandlungen und Akte der Zwangsvoll­ streckung von der Regelung der §§  129 ff. InsO auszunehmen, indem nur materiellrecht­liche Rechtshandlungen der Anfechtung unterstellt werden. Hierdurch würde das Anfechtungssystem von den angesprochenen dogmatischen Brüchen entlastet werden. Da aufgrund der möglichen Gläubigerbenachteiligung der angespochenen Handlungen gleichwohl ein Bedürfnis zur Anfechtung besteht, kommt diese Lö­ sung indes nicht infrage. Man würde einer stringenten Dogmatik den Vorzug geben vor der Lösung praktischer Probleme, womit niemandem gedient wäre. Eine andere Lösung wäre es, eine eigenständige Anfechtungsregelung hinsicht­ lich gläubigerbenachteiligender Prozesshandlungen und Akten der Zwangsvollstre­ ckung direkt in der Zivilprozessordnung zu normieren. Das würde indes nichts da­ ran ändern, dass die Anfechtung ihren Ursprung in der zivilrechtlichen Sittenwid­ rigkeit hat und damit einer anderen dogmatischen Grundrichtung angehört als das Prozessrecht. Zudem würde damit das Insolvenzanfechtungsrecht systematisch auseinandergerissen, was der praktischen Rechtsanwendung nicht dienlich wäre. Immerhin würde der Gesetzgeber damit klarstellen, dass das Prozessrecht und mit ihm die Wirksamkeit von Prozesshandlungen nicht unberührt von den guten Sitten sind, sich also die prozessrechtliche Dogmatik insofern in Einklang mit der zivil­ rechtlichen Dogmatik befindet. In der derzeitigen Form stellt die Begrifflichkeit „Rechtshandlung“, die eine Auf­ nahme von Prozesshandlungen, Akten der Zwangsvollstreckung und Realakten in den Kanon der anfechtungsrelevanten Handlungen zulässt, eine dogmatische Über­ forderung des Insolvenzanfechtungsrechts dar. Der Versuch, Rechtshandlungen aus verschiedenen Bereichen einer einheitlichen und widerspruchsfreien Dogmatik zu­ zuführen, gleicht einer Quadratur des Kreises. De lege lata hat man sich mit dem Begriff „Rechtshandlung“ und der dort vorge­ nommenen Einordnung abzufinden. Man muss daher ungeachtet der vorgebrachten Kritik versuchen, auch die genannten Handlungen mit dem bei der Insolvenzan­ fechtung vorhanden dogmatischen Gerüst zu erklären.

I.  Bezugspunkt der Nichtigkeit

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2.  Rechtsgeschäfte a)  Bezugspunkt der Nichtigkeit Als anfechtbare Rechtshandlungen kommen in erster Linie Rechtsgeschäfte in Fra­ ge.17 Hier ergibt sich kein Problem bei der Bestimmung des Bezugspunktes der Unwirksamkeit, da insofern kein Unterschied zu §  138 Abs.  1 BGB besteht. Sollte demnach ein Rechtsgeschäft den Gegenstand der Anfechtung bilden, erfasst die Nichtigkeit in Übereinstimmung mit §  138 Abs.  1 BGB das Rechtsgeschäft als sol­ ches. Nicht der Bezugspunkt der Nichtigkeit sind demgegenüber die einzelnen Wil­ lenserklärungen, die dem anfechtbaren Rechtsgeschäft zugrunde liegen. Insofern kann der herrschenden Meinung, die den Bezugspunkt der Insolvenzanfechtung in den einzelnen Willenserklärungen sieht,18 aus der hier vertretenen Sichtweise nicht zugestimmt werden. b)  Getrennte Betrachtung von Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft Bei §  138 Abs.1 BGB bezieht sich die Sittenwidrigkeit sowie die daraus folgende Nichtigkeit regelmäßig nur auf das kausale Rechtsgeschäft.19 Demgegenüber ist das Verfügungsgeschäft regelmäßig als sittlich neutral einzustufen mit der Folge, dass es nicht von der Unwirksamkeit betroffen ist.20 Im Rahmen der Insolvenzanfechtung wird hingegen insbesondere durch die Tat­ bestände der Deckungsanfechtung das Augenmerk auf gläubigerbenachteiligende Verfügungen gerichtet. Es wird sogar nicht selten der Fall eintreten, dass nur die Verfügung anfechtbar ist, nicht hingegen das zugrunde liegende kausale Rechtsge­ schäft. Das ist dann möglich, wenn das kausale Rechtsgeschäft nicht gläubigerbe­ nachteiligend ist, weil Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhält­ nis stehen, die Vornahme der Leistung des Schuldners aber gläubigerbenachteili­ gend und damit anfechtbar ist, weil sie nicht in dem von §  142 InsO vorgegebenen engen zeitlichen Zusammenhang („unmittelbar“)21 zur Gegenleistung des Gläubi­ gers erfolgt. Es werden demnach auch Verfügungsgeschäfte von der Nichtigkeit umfasst, was dem bei §  138 Abs.  1 BGB vorliegendem Grundsatz scheinbar widerspricht, wonach sich die Unwirksamkeit regelmäßig nicht auf das Verfügungsgeschäft auswirkt. Es stellt sich die Frage, ob dieses Ergebnis mit §  138 Abs.  1 BGB zu vereinbaren ist. 17 

Siehe S.  13. Siehe S.  13. 19  BGH NJW 1990, 384 (385); BGH NJW 1973, 613 (615); BGH NJW 1954, 1292 (1292);RGZ 109, 201 (202); Armbrüster in: FS Canaris, S.  24; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  165; Sack/ Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  166. 20  Armbrüster in: FS Canaris, S.  24; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  165; Sack/Fischin­ ger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  166. 21  Siehe eingehend zum Unmittelbarkeitserfordernis Kirchhof in: MüKo-InsO, §  142 Rn.  15 ff. 18 

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§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Regel nur den Grundsatz des §  138 Abs.  1 BGB darstellt, der von Ausnahmen durchbrochen wird. Eine solche Ausnahme, die zur Unwirksamkeit (auch) des Verfügungsgeschäfts führt, liegt dann vor, wenn der zu sanktionierende Sittenverstoß gerade (auch) in dem Verfü­ gungsgeschäft liegt.22 Besonders bei gläubigerbenachteiligenden sittenwidrigen Sicherungsverträgen ist das dingliche Sicherungsgeschäft Gegenstand der Gläubi­ gerbenachteiligung. Die Sittenwidrigkeit erstreckt sich demgemäß auf das dingliche Geschäft.23 Ebenso zu beurteilen sind die Fälle der Insolvenzanfechtung, wenn es um die Anfechtbarkeit von Verfügungsgeschäften geht. Durch die anfechtbare Verfügung wird die dem Gläubigerzugriff zugewiesene Insolvenzmasse verkürzt, worin die sittlich missbilligenswerte und rückgängig zu machende Gläubigerbenachteiligung zu sehen ist. Die sittliche Missbilligung ist damit auf das dingliche Geschäft selbst bezogen. Die Insolvenzanfechtung stellt letztlich einen gesetzlich geregelten Aus­ nahmefall von dem obenstehend genannten Grundsatz des §  138 Abs.  1 BGB dar, indem insbesondere in den Tatbeständen der Deckungsanfechtung Verfügungsge­ schäfte infolge der sittlich missbilligten Gläubigerbenachteiligung der Anfechtung mit ihrer Nichtigkeitsfolge unterstellt werden. Es bleibt damit festzuhalten, dass im Rahmen der Anfechtungstatbestände Ver­ pflichtungs- und Verfügungsgeschäfte wie sonst auch getrennt zu betrachten sind.24 Liegt in dem einen oder anderen eine Gläubigerbenachteiligung vor und sind die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt, so ist jenes Geschäft von der Nichtig­ keit betroffen. Selbstverständlich kann es vorkommen, dass gleichzeitig das Ver­ pflichtungsgeschäft und das Verfügungsgeschäft aufgrund der Anfechtbarkeit nich­ tig sind. Das liegt aber nicht daran, dass die Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsge­ schäfts auf das Verfügungsgeschäft durchschlägt, sondern daran, dass für beide Geschäfte selbstständig ein Anfechtungstatbestand erfüllt ist.

3. Prozesshandlungen Nach herrschender Meinung stellen Parteiprozesshandlungen wie das Anerkennt­ nis, der Klageverzicht sowie Klage- und Rechtsmittelrücknahme anfechtbare Rechtshandlungen dar.25 Problematisch ist der Anknüpfungspunkt für die aus der zivilrechtlichen Regelung des §  138 Abs.  1 BGB gewonnene Nichtigkeit. Wie darge­ 22  BGH NJW 1997, 860 (860); BGH NJW 1973, 613 (615); RGZ 109, 201 (202); Armbrüster in: FS Canaris, S.  24; Armbrüster in: MüKo-BGB, §  138 Rn.  165; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  169. 23  BGHZ 19, 12 (18); Godbersen, Das Verhältnis der §§  138 Abs.  1, 826 BGB zu den Vorschrif­ ten über die Gläubigeranfechtung, S.  2; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  169. 24  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  37; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  103; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  57; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  13. 25  Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10;

I.  Bezugspunkt der Nichtigkeit

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legt wurde, sind Parteiprozesshandlungen und damit auch deren Wirksamkeit nicht nach zivilrechtlichen Regelungen zu beurteilen,26 sodass die aus dem Zivilrecht ge­ wonnene Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung scheinbar nicht auf Prozesshandlun­ gen Anwendung finden kann. Wie die obenstehenden Ausführungen indes belegen, zwingt der weite Terminus „Rechtshandlungen“ dazu, die grundsätzlich von den Regelungen des materiellen Zivilrechts getrennte Bewertung von Prozesshandlungen zu durchbrechen. Das hat zur Folge, dass die jeweilige anfechtbare Prozesshandlung selbst nichtig wird. Eine Abweichung von diesem Prinzip für den Bereich der Prozesshandlungen ist aus der Dogmatik des Insolvenzanfechtungsrechts nicht erklärbar und würde die zivilrecht­ liche Struktur des Insolvenzanfechtungsrechts ausblenden. Sollte daher ein Aner­ kenntnis gläubigerbenachteiligend sein, da ein nicht bestehender oder einredebe­ hafteter Anspruch durch den Schuldner im Prozess anerkannt wird, entfaltet das Anerkenntnis keine Wirksamkeit. Gleiches gilt für einen Verzicht im Sinne von §  306 ZPO, falls hierdurch auf eine bestehende Forderung verzichtet wird und damit eine gläubigerbenachteiligende Masseschmälerung eintritt. Diese Erklärung setzt sich freilich dem Einwand aus, die zivilprozessuale Dog­ matik nicht zu respektieren. Der Einwand kann letztlich kaum entkräftet werden. Das kaum aufzulösende Spannungsverhältnis ist indes dem Insolvenzanfechtungs­ recht in seiner derzeitigen Form immanent. Der Versuch, materiellrechtlichen und prozessualen Vorgängen mit demselben Instrument zu begegnen, birgt von seinem Grundsatz her das Problem in sich, entweder die zivilrechtliche oder die prozess­ rechtliche Dogmatik zu strapazieren. Aufgrund des dienenden Charakters des Ver­ fahrensrechts27 scheint es angebracht, der zivilrechtlichen Dogmatik den Vorzug zu geben. Auch aus Wertungsgesichtspunkten erscheint es gerechtfertigt, einer sitt­ lich missbilligenswerten Prozesshandlung die Wirksamkeit zu versagen. Da hier eine Gläubigerbenachteiligung in demselben Maße eintreten kann wie bei einer ma­ teriell-rechtlichen Handlung, ist eine Gleichbehandlung geboten.

4.  Akte der Zwangsvollstreckung Im Rahmen der Beurteilung der Anfechtbarkeit von Zwangsvollstreckungsakten wird bisweilen nicht hinreichend differenziert, was die anfechtbare Rechtshandlung darstellen soll. So wird teilweise angenommen, dass eine durch Zwangsvollstre­ ckung erlangte Sicherung oder Befriedigung eine anfechtbare Rechtshandlung des Gläubigers sei.28 Indes kann insbesondere im Rahmen von §§  130, 131 InsO die Si­ Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  20; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  12; Rogge/Leptien in: Ham­ burger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  11. 26  Siehe S.  170. 27  Siehe hierzu bereits S.  6 ff. 28  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  17.

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§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

cherung oder Befriedigung als solche nicht die anfechtbare Rechtshandlung sein, da diese nur das Ergebnis einer anfechtbaren Rechtshandlung darstellt. Das ist bereits im Wortlaut von §§  130, 131 InsO angelegt, wonach die Rechtshandlung die Siche­ rung oder Befriedigung „gewährt oder ermöglicht“ haben muss. Als anfechtbare Rechtshandlungen und damit Bezugspunkte der Nichtigkeit kommen folglich grundsätzlich diejenigen Handlungen in Betracht, die zu einer Sicherung oder Befriedigung des Gläubigers führen. Das können die Parteihandlun­ gen des Gläubigers, insbesondere der Vollstreckungsauftrag gemäß §  754 ZPO,29 sowie die Handlungen der Vollstreckungsorgane sein. Im letzteren Fall ist Bezugs­ punkt der Anfechtung insbesondere die Pfändung einer Schuldnersache durch den Gerichtsvollzieher, die zur Entstehung eines Pfändungspfandrechts führt.30 Der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers stellt eine Prozesshandlung dar,31 so­ dass hier das obenstehend Gesagte gilt. Ausnahmsweise wirkt die zivilrechtliche Rechtsfolge der Nichtigkeit auf die Prozesshandlung ein. Handlungen des Gerichtsvollziehers und des Rechtspflegers stellen hingegen Jus­ tizverwaltungsakte dar.32 Erkennt man die Handlungen der Vollstreckungsorgane mit dem oben gefundenen Ergebnis als anfechtbare Rechtshandlungen an,33 stellt sich die Frage, ob eine Einwirkungsmöglichkeit durch die aus dem Zivilrecht ge­ wonnene Nichtigkeit möglich ist. Vom dogmatischen Ansatzpunkt betrachtet er­ scheint dies noch problematischer als bei Parteiprozesshandlungen, da dort zumin­ dest ein privatautonomes Handeln vorliegt und damit eine gewisse Vergleichbarkeit zu zivilrechtlichen Rechtsgeschäften gegeben ist. Ein Blick in §  44 Abs.  2 Nr.  6 VwVfG könnte indes für die Anwendbarkeit der Nichtigkeitsfolge aufgrund Verstoßes gegen die guten Sitten einen Hinweis geben. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er gegen die guten Sit­ ten verstößt. Die Norm greift den Rechtsgedanken des §  138 Abs.  1 BGB auf, wes­ halb der Inhalt der guten Sitten hier ebenso zu bestimmen ist wie im Rahmen von §  138 Abs.  1 BGB.34 §  44 VwVfG enthält darüber hinaus einen allgemeinen Rechts­ gedanken, der für jegliches behördliches Handeln auch ohne Verwaltungsaktsqua­ lität im Sinne von §  35 VwVfG gilt.35 Nach diesem Grundsatz ist Verwaltungshan­ deln stets dann nichtig, wenn es nicht mit den guten Sitten vereinbar ist. Allerdings ist §  44 VwVfG wegen der Regelung des §  2 Abs.  3 Nr.  1 VwVfG nicht auf Justiz­ 29  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  27; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  20; Rogge/Lepti­ en in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  11. 30  Kirchhof in: MüKo-InsO, §  140 Rn.  17. 31  Heßler in: MüKo-ZPO, §  754 Rn.  10; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  753 Rn.  9. 32  Pabst in: MüKo-ZPO, §  23 EGGVG Rn.  6; auch Stamm, Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S.  23 f., sieht die Zwangsvollstreckung als Verwaltungstätigkeit an. 33  Siehe S.  169 f. 34  Leisner-Egensperger in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, §  4 4 Rn.  41; Sachs in: Stel­ kens/Bonk/Sachs, VwVFG, §  44 Rn.  152. 35  BVerwGE 75, 62 (65); Leisner-Egensperger in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, §  4 4 Rn.  5; Schemmer in: BeckOK-VwVfG, §  44 Rn.  5.

I.  Bezugspunkt der Nichtigkeit

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verwaltungsakte anwendbar,36 sodass auch der angesprochene allgemeine Rechts­ gedanke möglicherweise nicht für Justizverwaltungsakte gilt. Indes scheint der Rechtsgedanke von den zugrunde liegenden Wertungen her auch auf Handlungen von Vollstreckungsorganen angewendet werden zu können. Sollte etwa das durch die Pfändung entstandene Pfändungspfandrecht zu einer Gläubigerbenachteiligung führen und sind die übrigen Voraussetzungen der An­ fechtungstatbestände erfüllt, wird ein sittlich missbilligenswertes Ergebnis erreicht. Dieses verdient grundsätzlich keine Rechtsbeständigkeit. Sollten Akte der Zwangs­ vollstreckung nicht von der Unwirksamkeit umfasst sein, könnte durch sie ein Er­ gebnis erzielt werden, das als Resultat privatautonomen Handelns nicht rechtsbe­ ständig wäre. Der Widerspruch ist nicht tragbar, sodass die Nichtigkeit der Anfech­ tung auch auf diese Rechtshandlungen Anwendung finden sollte. Diese Wertung findet sich auch in §  141 InsO, wonach die Anfechtung nicht ausgeschlossen wird, wenn die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist.37 Aufgrund des Rechtsgedankens des §  44 Abs.  2 Nr.  6 VwVfG kommt damit auch eine Vollstreckungshandlung als Bezugspunkt der zivilrechtlichen Nichtigkeitsfol­ ge in Betracht.

5.  Realakte Daneben kommen als anfechtbare Rechtshandlungen nach herrschender Meinung Realakte in Frage.38 Als Beispielsfall eines anfechtbaren Realaktes stellt sich das Brauen von Bier dar. Dieses führt zu Entstehung der Biersteuer gemäß §  14 Bier­ steuerG und zur gleichzeitig eintretenden Sachhaftung des Bieres gemäß §  76 AO. In der Entstehung der Sachhaftung ist eine gläubigerbenachteiligende Sicherung zu sehen, die eine Anfechtbarkeit gemäß §  130 Abs.  1 InsO begründet.39 Fraglich ist, was in diesem Fall der Bezugspunkt der Nichtigkeit sein soll. Das Brauen kann als Realakt selbst nicht nichtig werden. Das Recht kann tatsächlich Geschehenes nicht ungeschehen machen. Als Bezugspunkt der Nichtigkeit kann man jedoch die mit dem Brauen zeitgleich entstehende Sachhaftung gemäß §  76 AO ansehen. Die Nichtigkeit hat demnach zur Folge, dass die Sachhaftung als solche unwirksam ist. Die Sicherung an dem gebrauten Bier entsteht folglich nicht, womit die Benachteiligung der übrigen Gläubiger zugunsten des staatlichen Gläubigers der Biersteuer entfällt. 36 

Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  2 Rn.  108. Eingehend zu §  141 InsO siehe S.  182 ff. 38  BGH NZI 2010, 17 (17); BGH NZI 2009, 644 (645); Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  129 Rn.  41; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  10; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  22; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  11; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  129 Rn.  39; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  129 Rn.  10; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  30. 39  BGH NZI 2009, 644 (645 f.). 37 

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§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

Freilich stimmt diese Einordnung nicht mit dem Wortlaut von §  138 Abs.  1 BGB überein, wonach ein Rechtsgeschäft den Bezugspunkt der Nichtigkeit darstellt und gerade nicht die rechtliche Folge eines Realaktes. Gleichwohl können die Wertun­ gen von §  138 Abs.  1 BGB das Ergebnis tragen. Ziel von §  138 Abs.  1 BGB ebenso wie von §§  129 ff. InsO ist es, die Folgen von sittlich missbilligenswertem Verhalten zu verhindern. Hierzu wird bei §  138 Abs.  1 BGB die Grundlage der sittlich miss­ billigenswerten Folgen, das zugrunde liegende Rechtsgeschäft, in seinem Bestand angegriffen. Das ist im Fall von Realakten wie dem Bierbrauen rein tatsächlich nicht möglich. Gleichwohl ist und bleibt das Ergebnis in Form der gläubigerbenach­ teiligenden Sachhaftung sittlich missbilligenswert. Daher werden im Fall der An­ fechtbarkeit eines Realakts ausnahmsweise die Folgen direkt und ohne Zwischen­ schritt angegriffen, indem die entstehenden Folgen keine rechtliche Anerkennung erfahren. Im Fall des Bierbrauens hindert diese Rechtsfolge damit ein Entstehen der Sachhaftung. Die „Dehnung“ des Wortlauts von §  138 BGB ist letztlich dem schwer greifbaren Begriff der „Rechtshandlung“ geschuldet, dem sowohl Rechtsgeschäfte als auch reine Realakte zugeordnet werden.

6.  Zusammenfassung Bezugspunkt der Nichtigkeit ist die jeweilige anfechtbare Rechtshandlung unabhän­ gig davon, ob es sich um ein zivilrechtliches Rechtsgeschäft, eine Prozesshandlung oder einen Zwangsvollstreckungsakt handelt. Realakte können aus tatsächlichen Gründen nicht unwirksam werden. Hier ist die eintretende gläubigerbenachteiligen­ de Rechtsfolge Bezugspunkt der Nichtigkeit. Die aufgezeigten dogmatischen Friktionen sind ein Resultat des im Wortlaut von §  129 Abs.  1 InsO angelegten undifferenzierten Anfechtungssystems, das eine gänzlich widerspruchsfreie Lösung kaum zulässt.

II.  Auswirkung der Anfechtung auf vollstreckbare Titel 1.  Unwirksamkeit des vollstreckbaren Titels In einem weiteren Schritt stellt sich die Frage, welche Auswirkung die Nichtigkeit einer anfechtbaren Rechtshandlung auf einen vollstreckbaren Titel hat, der für diese Handlung erlangt wurde. Dass ein vollstreckbarer Titel die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung nicht ausschließt, wird in §  141 InsO klargestellt.40

40 

Eingehend zu §  141 InsO siehe S.  182 ff.

II.  Auswirkung der Anfechtung auf vollstreckbare Titel

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Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der für eine anfechtbare Hand­ lung erlangte vollstreckbare Titel nicht unbeeinflusst von der Anfechtbarkeit der Rechtshandlung bleiben kann. Wurde etwa infolge eines anfechtbaren Kaufvertra­ ges der spätere Insolvenzschuldner zur Zahlung des Kaufpreises verurteilt, spricht das Gericht in dem Urteil eine Rechtsfolge aus, die gläubigerbenachteiligend wirkt. Aufgrund des Urteils kann der Anfechtungsgegner die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners betreiben sowie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Forderung zur Tabelle anmelden, wodurch die Gläubigerbenachteiligung perpe­ tuiert wird. Die besondere Qualität, welche die Forderung durch die Titulierung erhält, zeigt sich im Insolvenzverfahren in §  179 Abs.  2 InsO: Ohne vollstreckbaren Titel wäre es im Falle des Bestreitens der Forderung aufgrund der Anfechtbarkeit durch den Insolvenzverwalter Sache des vermeintlichen Gläubigers, den Anspruch klageweise feststellen zu lassen. Durch die Titulierung fällt es dagegen dem Insol­ venzverwalter zu, den Widerspruch klageweise zu verfolgen. Die Betreibungslast obliegt nun ihm.41 Hierdurch werden die Angriffs- und Verteidigungspositionen umgekehrt, was eine Verlagerung des Prozessrisikos auf den Insolvenzverwalter mit sich bringt. Unter Umständen wird er durch die Titulierung sogar davon abge­ halten, die Anfechtbarkeit des Kaufvertrages geltend zu machen. Die Gläubigerbe­ nachteiligung durch den anfechtbaren Kaufvertrag und der darin liegende Sitten­ verstoß werden letztlich staatlich anerkannt. Es wird eine Rechtsfolge ausgespro­ chen, die selbst gegen die guten Sitten verstößt. Dass ein solches Ergebnis keine Billigung verdient, liegt auf der Hand. In Fällen, in denen ein Urteil eine sittenwidrige Rechtsfolge enthält, ist es allgemein aner­ kannt, dass das Urteil wirkungslos ist.42 Nach der Lehre vom wirkungslosen Urteil erwächst ein solches Urteil nicht in materielle Rechtskraft und bildet keinen Voll­ streckungstitel, was vom Amts wegen zu beachten ist.43 Infolge der Verwurzelung der §§  129 ff. InsO in §  138 Abs.  1 BGB gilt dieser Grundsatz auch für den Fall der Insolvenzanfechtung. Die Unwirksamkeit des Titels bedeutet für den Anfechtungsgegner keine unan­ gemessene Benachteiligung. Eine Berufung seinerseits auf ein etwaiges durch den Titel geschaffenes Vertrauen verdient wegen seiner Beteiligung an der Gläubiger­ benachteiligung keine Anerkennung. Würde man den Titel von der Anfechtbarkeit der jeweiligen Rechtshandlung unberührt lassen, könnte der Anfechtungsgegner unter Umständen trotz der vorliegenden Sittenwidrigkeit von der anfechtbaren Handlung profitieren. Dieses Ergebnis ist nicht gerechtfertigt, weshalb dem Urteil sämtliche materiellen Rechtswirkungen zu versagen sind. Die aus der Nichtigkeit der anfechtbaren Rechtshandlung resultierende Wirkungslosigkeit des nachfolgen­ 41 

Schumacher in: MüKo-InsO, §  179 Rn.  1; Sinz in: Uhlenbruck, InsO, §  179 Rn.  19. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers §  300 Rn.  16 ff.; Braun in: MüKoZPO, §  578 Rn.  12 f.; Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S.  178. 43  Braun in: MüKo-ZPO, §  578 Rn.  13 f. 42 

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§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

den Urteils steht im Dienste der vom Gesetzgeber verfolgten Verschärfung des An­ fechtungsrechts.44 Festzuhalten bleibt indes, dass nicht der vollstreckbare Titel die anfechtbare Rechtshandlung darstellt. Dies ist vielmehr die jeweilige Rechtshandlung, welche die Voraussetzungen der §§  129 ff. InsO erfüllt und die dem Titel zugrunde liegt.45 Die Wirkungslosigkeit des vollstreckbaren Titels ist lediglich die mittelbare Folge der Nichtigkeit dieser Handlung. Das wird durch die Existenz von §  141 InsO und dessen Wortlaut bestätigt.46 Die Vorschrift lässt die Anfechtung einer Rechtshand­ lung zu, auch wenn für diese ein vollstreckbarer Titel vorliegt. Es wird zwischen der anfechtbaren Rechtshandlung und dem Titel differenziert und insoweit klargestellt, dass einzig die Rechtshandlung wie etwa ein gläubigerbenachteiligender Kaufver­ trag den unmittelbaren Gegenstand der Anfechtung bildet, nicht hingegen das dar­ aufhin ergangene Leistungsurteil.

2.  Vereinbarkeit mit zivilprozessualen Grundsätzen Die aus der Anfechtung resultierende Wirkungslosigkeit des vollstreckbaren Titels, insbesondere also eines Urteil, ist eine harsche Rechtsfolge. Dass sie wertungsmä­ ßig gerechtfertigt ist, wurde soeben dargelegt. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Rechtsfolge mit zivilprozessualen Grundsätzen zu vereinbaren ist. Die Frage stellt sich in gleichem Maße für die Möglichkeit der Anfechtung von Akten der Zwangs­ vollstreckung. Wie obenstehend dargelegt wurde, ist auch hier die Nichtigkeit eines Staatsaktes die Folge der Anfechtung,47 sodass eine gemeinsame Behandlung in diesem Zusammenhang angebracht erscheint. Die Nichtigkeit von Urteilen und Zwangsvollstreckungshandlungen ist ein „na­ türlicher“ Bestandteil einer jeden „dinglichen“ Theorie. Es verwundert daher nicht, dass dieses Resultat schon seit jeher einen zentralen Angriffspunkt gegen eine Un­ wirksamkeitsfolge der Anfechtung darstellt.48 Kritisiert wird dabei, dass die Un­ wirksamkeit eines vollstreckbaren Titels und von Zwangsvollstreckungshandlun­ gen nicht mit dem zivilprozessualen Grundsatz zu vereinbaren sei, wonach staatli­

44  Siehe zur Verschärfung des Insolvenzanfechtungsrechts im Zuge der Insolvenzrechtsreform S.  133. 45  So auch Dauernheim in: FK-InsO, §  141 Rn.  1; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  141 Rn.  2; Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  6; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  141 Rn.  3; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  141 Rn.  5; Kreft in: HK-InsO, §  141 Rn.  2; Marotzke, KTS 1987, 1 (12); Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  141 Rn.  4. 46  Kreft in: HK-InsO, §  141 Rn.  2. 47  Siehe S.  175 ff. 48  So schon die Kritik zur Zeit der Geltung der Konkursordnung von Gerhardt, Gläubigeran­ fechtung, S.  126 f.; Lent in: Jaeger, KO, 8.  Aufl., Vorbem. zu §§  29–42.

II.  Auswirkung der Anfechtung auf vollstreckbare Titel

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che Hoheitsakte nur ausnahmsweise und unter engen, gesetzlich ausdrücklich normierten Voraussetzungen unwirksam sein können.49 a)  Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung und Wirkung des Eröffnungsbeschlusses Im Ergebnis ist die Kritik nicht berechtigt. Die Tatsache, dass staatliche Hoheitsak­ te generell unwirksam sein können, belegen schon die anerkannte Lehre vom wir­ kungslosen Urteil50 sowie der Rechtsgedanke des §  44 Abs.  2 Nr.  6 VwVfG.51 Was die Zwangsvollstreckung und dort insbesondere die Pfändung anbelangt, weist zu­ dem Marotzke zu Recht darauf hin, das der Inhalt der Vorschriften der §  135 Abs.  1 S.  2 BGB, §  161 Abs.  1 S.  2 BGB, §  883 Abs.  2 S.  2 BGB sowie §  2115 BGB diesen Befund bestätigt.52 Im Übrigen wird die Insolvenzanfechtung den strengen Anforderungen gerecht, die an eine Unwirksamkeit staatlicher Hoheitsakte geknüpft werden. Die einzelnen Voraussetzungen, unter denen eine Anfechtung möglich ist, sind in den Regelungen der §§  129 ff. InsO ausdrücklich normiert. Es besteht damit ein gesetzliches Regelungsgefüge, das enge Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsfolge „Unwirksamkeit“ aufstellt. Die aus der Anfechtung folgende Unwirk­ samkeit eines vollstreckbaren Titels sowie eines Zwangsvollstreckungsaktes ist da­ mit von Gesetzes wegen exakt vorgezeichnet. Darüber hinaus tritt die Unwirksamkeit nicht ohne Weiteres ein. Erst die Eröff­ nung des Insolvenzverfahrens, die aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses gemäß §  27 InsO erfolgt, führt die endgültigen Wirkungen der Insolvenzanfechtung und damit auch die Unwirksamkeit eines vollstreckbaren Titels sowie einer anfechtba­ ren Pfändung herbei.53 Durch den Eröffnungsbeschluss entscheidet das Insolvenz­ gericht inzident auch über die Frage, ob die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung eintreten. Die mit der Insolvenzanfechtung verbundene Entscheidung über die Un­ wirksamkeit eines Titels und einer Zwangsvollstreckung unterliegt damit einer strengen staatlichen Kontrolle. Der Grundsatz, dass staatliche Hoheitsakte nur un­ ter engen, gesetzlich ausdrücklich normierten Voraussetzungen unwirksam sein können, wird durch die Struktur des Insolvenzanfechtungsrechts und die Abhän­ gigkeit von dessen Wirkungen von der Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Verfahrens gewahrt. 49  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  99; ähnlich Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  126 f.; Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129–147 Rn.  29; Rutkowsky, Rechtsnatur und Wir­ kungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  151; einen Konflikt mit der Rechtskraft des Urteils meint Kühnemund, Anfechtung von Prozeßhandlungen, S.  146 f., zu erkennen. 50  Siehe hierzu S.  179. 51  Siehe hierzu S.  176 f. 52  Marotzke, KTS 1987, 1 (12 f.). 53  Ausführlich zum Zeitpunkt des Wirkungseintritts siehe S.  184 ff.

182

§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

Es widerspricht daher nicht zivilprozessrechtlichen Grundsätzen, dass die Nich­ tigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung mittelbar zur Unwirksamkeit eines voll­ streckbaren Titels und unmittelbar zur Unwirksamkeit von Akten der Zwangsvoll­ streckung führt. Die Kritik von Gerhardt und Lent, wonach sich eine private Wil­ lenserklärung nicht auf die Wirksamkeit von Staatsakten auswirken könne,54 ist für die hier vertretene Nichtigkeit nicht relevant, da diese nicht infolge eines vom Insolvenzverwalter auszuübenden Gestaltungsrechts eintritt, sondern ipso iure mit Verfahrenseröffnung aufgrund des gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses.55 b)  §  141 InsO Die Existenz von §  141 InsO bestätigt das hier gefundene Ergebnis. Danach wird die Anfechtung einer Rechtshandlung nicht dadurch ausgeschlossen, dass für die Rechtshandlung ein vollstreckbarer Schuldtitel erlangt oder dass die Handlung durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden ist. aa)  §  141 InsO als Wertentscheidung Die Tatsache, dass ein vollstreckbarer Schuldtitel56 vorliegt, sagt nichts über die Anfechtbarkeit einer Forderung aus, die einem Leistungsurteil zugrunde liegt.57 Die Leistung, zu welcher der Insolvenzschuldner verurteilt wird, mag trotz vorlie­ gendem Schuldtitel gleichwohl von der Rechtsordnung missbilligt werden.58 Eben­ so wenig vermag ein Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung zu einem Aus­ schluss der Insolvenzanfechtung führen.59 Rechtshandlungen des Schuldners oder Gläubigers sollen nicht dadurch der Anfechtung entzogen werden können, dass staatlicher Vollstreckungsdruck ausgeübt wird.60 Die Vorschrift hat nach herr­ schender Meinung lediglich klarstellende Funktion.61 Darüber hinaus ist §  141 54  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  126 f.; Lent in: Jaeger, KO, 8.  Aufl., Vorbem. zu §§  29– 42; ähnlich Lange, Versuche zur Rettung der Dinglichkeitslehre, S.  13. 55  Zu den Folgen der Abhängigkeit der Insolvenzanfechtung von der Verfahrenseröffnung siehe S.  184 ff. 56  Das sind unter anderem gemäß §  704 ZPO formell rechtskräftige Urteile sowie für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteile, die in §  794 Abs.  1 Nr.  1 bis 5 ZPO genannten sonstigen Vollstre­ ckungstitel sowie in die Tabelle des Insolvenzverwalters eingetragene Forderungen gemäß §§  175, 178 Abs.  3 InsO; siehe hierzu Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  3. 57  Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  141 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  2; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  141 Rn.  1; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  141 Rn.  1. 58  Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  2. 59  Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  2 , 7; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  141 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  141 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  141 Rn.  1; Rogge/ Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  141 Rn.  1. 60  Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  7. 61  Dauernheim in: FK-InsO, §  141 Rn.  1; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  141 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  141 Rn.  2; Hess in: Hess, InsO, §  141 Rn.  1; Jacoby in:

II.  Auswirkung der Anfechtung auf vollstreckbare Titel

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InsO nach hier vertretener Ansicht eine spezifische Wertentscheidung zu entneh­ men: Ist eine Rechtshandlung anfechtbar, besagt §  141 InsO, dass ein vollstreckba­ rer Titel oder ein Akt der Zwangsvollstreckung nicht zur Perpetuierung eines gläu­ bigerbenachteiligenden und damit sittenwidrigen Zustands herangezogen werden darf. Gleichwohl ändert alleine die Existenz von §  141 InsO nichts an der tatsächlichen Situation, in der ein vollstreckbarer Titel oder eine Zwangsvollstreckungsmaßnah­ me vorliegt. Besteht ein vollstreckbarer Titel, ermöglicht dieser für den Anfech­ tungsgegner vor Verfahrenseröffnung die Zwangsvollstreckung in das Schuldner­ vermögen sowie nach Verfahrenseröffnung eine Forderungsanmeldung mit starker Wirkung gemäß §  179 Abs.  2 InsO. Auch liegt im Fall der Zwangsvollstreckung ein staatliches Handeln vor, dass nicht ohne Weiteres unbeachtet bleiben kann. Es muss daher ein Weg gefunden werden, die angesprochene Zielsetzung von §  141 InsO praktisch zu verwirklichen. Mit anderen Worten: Wie kann es ermöglicht werden, eine Perpetuierung der Gläubigerbenachteiligung durch einen vollstreckbaren Titel oder eine Zwangsvollstreckungshandlung zu verhindern? bb)  Unwirksamkeit als Umsetzung der Wertentscheidung Die Unwirksamkeit des Titels und der Zwangsvollstreckungshandlung ist der kon­ sequente Weg, um das von §  141 InsO vorgegebene Ziel zu erreichen. Entfaltet der Titel keine Wirksamkeit, kann einer Anmeldung der Forderung zur Tabelle durch den Insolvenzverwalter wirksam widersprochen werden, ohne dass er durch §  179 Abs.  2 InsO in die ungünstige Angreiferposition gedrängt wird. Gleiches gilt für die Unwirksamkeit einer Zwangsvollstreckungshandlung wie der Pfändung. Der Insol­ venzverwalter kann sich gegen die Pfändung mithilfe eines vollstreckungsrechtli­ chen Rechtsbehelfs zur Wehr setzen. Da es um die Nichtigkeit der Vollstreckungs­ handlung als solche geht, ist die Vollstreckungserinnerung gemäß §  766 Abs.  1 InsO einschlägig. §  771 Abs.  1 ZPO kann demgegenüber nicht herangezogen wer­ den, da der Insolvenzverwalter nicht als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend macht.62 Die obenstehend aufgezeigte Kritik, die eine Unantastbarkeit staatlichen Han­ delns von der Anfechtung propagiert, wird weder von der schuldrechtlichen noch von der haftungsrechtlichen Theorie konsequent zu Ende gedacht. Vertreter beider Theorien verwenden die Existenz von §  141 InsO als Argument dafür, den Befehl­ Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  141 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  141 Rn.  1; Nerlich in: Ner­ lich/Römermann, InsO, §  141 Rn.  1; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  141 Rn.  1; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  141 Rn.  1. 62  Für die Drittwiderspruchsklage als einschlägiger prozessualer Weg zur Durchsetzung der Anfechtung bei Zwangsvollstreckungshandlungen aus schuldrechtlicher Sicht Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  184 ff., sowie aus haftungsrechtlicher Sicht Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  75; Kindl, NZG 1998, 321 (329 f.).

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§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

sinhalt eines Schuldtitels aufgrund der Anfechtung zu missachten,63 ohne dass des­ sen Wirksamkeit infrage gestellt wird.64 Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter die Leistung infolge der Anfechtbarkeit eines Vertrages im Ergebnis verweigern kann, obwohl ein Titel dafür vorliegt, der in materielle Rechtskraft erwachsen ist. Hat der Schuldner auf eine anfechtbare titulierte Forderung geleistet, wird er „be­ züglich der Anfechtbarkeit so behandelt, als hätte er auf einen nicht titulierten An­ spruch geleistet“.65 Die Frage, wie eine „Bedeutungslosigkeit“ des Titels gegenüber der Masse66 dogmatisch zu rechtfertigen ist, wird einerseits nicht beantwortet. Andererseits wird die Unwirksamkeit des Staatsakts abgelehnt, obwohl dieser Weg konstruktiv der geradlinigste ist. Letzten Endes wird dasselbe Ergebnis erreicht, ohne dass da­ bei allerdings erklärt wird, wie es ohne eine Unwirksamkeit zu erreichen sein soll. Die vorgebrachten Einwände gegen eine Unwirksamkeit des Titels stellen sich als Feigenblatt und letzten Endes sogar als eine Kritik an §  141 InsO selbst heraus, des­ sen Zielsetzung ohne eine Unwirksamkeit des vollstreckbaren Titels kaum wider­ spruchsfrei zu erfüllen ist. Ähnliches gilt für die Unbeachtlichkeit von Akten der Zwangsvollstreckung. Die Erklärung mithilfe einer haftungsrechtlichen Unwirksamkeit der Pfändung67 stellt eher ein nebulöses Postulat als ein nachvollziehbares Lösungsmodell dar.

III.  Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit Die Nichtigkeit infolge der Insolvenzanfechtung tritt in Übereinstimmung mit §  138 Abs.  1 BGB von selbst ein. Es bleibt indes zu klären, zu welchem Zeitpunkt die Unwirksamkeit eintritt. Unabhängig von der vertretenen Theorie zu den Wirkungen der Anfechtung, ist man sich einig, dass die Wirkungen im Zeitpunkt der Verfah­ renseröffnung eintreten.68 Teilweise wird davon ausgegangen, dass das Anfech­ tungsrecht schon mit Eintritt der Rechtswirkungen der anfechtbaren Rechtshand­ lung entsteht, allerdings aufschiebend bedingt durch die Eröffnung des Insolvenz­ verfahrens.69 63  Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  141 Rn.  2; Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  28; §  141 Rn.  5; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  141 Rn.  7; Riggert in: Braun, InsO, §  141 Rn.  2. 64  Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  28; §  141 Rn.  6, 10; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  141 Rn.  7, spricht davon, dass der Titel „[…] gegenüber der Insolvenzmasse bedeutungslos wird“. Die­ ser Wortlaut suggeriert, dass eine Unwirksamkeit des Titels damit nicht gemeint ist. 65  Ehricke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  141 Rn.  2; ebenso Riggert in: Braun, InsO, §  141 Rn.  2. 66  Kirchhof in: MüKo-InsO, §  141 Rn.  7. 67  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  75. 68  BGH NJW 2008, 1535 (1536); BGHZ 101, 286 (288); BGHZ 15, 333 (337); Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  103; Jacoby in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, §  143 Rn.  9; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  186; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  82. 69  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  103; Kayser in: MüKo-InsO, §  129 Rn.  186.

III.  Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit

185

1.  Schwebende Unwirksamkeit bis Verfahrenseröffnung Nach der hier vertretenen Auffassung ist §  138 Abs.  1 BGB als Referenznorm in den Blick zu nehmen. Gemäß §  138 Abs.  1 BGB tritt die Nichtigkeit des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts ipso iure im Zeitpunkt seiner Vornahme ein.70 Fraglich ist, ob die­ ser Zeitpunkt auch für die Insolvenzanfechtung Gültigkeit beanspruchen kann. Der Unterschied zu §  138 Abs.  1 BGB besteht darin, dass das Rechtsinstitut der Insolvenzanfechtung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abhängt. Erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht für den Insolvenzverwalter die Mög­ lichkeit der Anfechtung. Dementsprechend könnte man schlussfolgern, dass die Nichtigkeit der anfechtbaren Rechtshandlung ebenfalls erst mit Verfahrenseröff­ nung eintritt. Indes hat die Anfechtung einen Bezug in die Vergangenheit, indem durch §  129 Abs.  1 InsO und §  140 Abs.  1 InsO auf den Zeitpunkt der Vornahme von Rechts­ handlungen abgestellt wird, der stets vor Verfahrenseröffnung liegt. Hier schließt sich der Kreis zu §  138 Abs.  1 BGB. Wie obenstehend festgestellt wurde, bilden schon zu diesem Zeitpunkt die Gläubiger eine latente Risikogemeinschaft.71 Das im späteren Verfahren zu verteilende Vermögen ist nicht mehr dem Schuldner allei­ ne, sondern auch bereits den zukünftigen Insolvenzgläubigern zugewiesen. Die vor­ insolvenzliche Verringerung des Schuldnervermögens sowie die Anhäufung von Verbindlichkeiten vor Verfahrenseröffnung birgt jene Gläubigerbenachteiligung in sich, die den Ausgangspunkt des Sittenverstoßes bildet, der durch die Anfechtungs­ tatbestände sanktioniert werden soll. Daher tritt die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung vom Grundsatz her in demselben Maße, wie es bei §  138 Abs.  1 BGB der Fall ist, bereits im Zeitpunkt der Vornahme der gläubigerbenachteiligenden Handlung ein. Indes muss die Möglich­ keit bestehen, die Abhängigkeit der Insolvenzanfechtung von der Verfahrenseröff­ nung zu berücksichtigen, denn erst zu diesem Zeitpunkt wandelt sich die bis dato nur latent bestehende Risikogemeinschaft der Gläubiger zu einer tatsächlichen. Erst jetzt ist der Grundsatz der par conditio creditorum durch das Instrument der Insol­ venzanfechtung zu verwirklichen. Das rechtstechnische Mittel, wodurch diese Abhängigkeit auf die Nichtigkeitsfol­ ge der Anfechtung übertragen werden kann, ist darin zu sehen, dass die Unwirk­ samkeit der Handlung bis zur Verfahrenseröffnung nur eine schwebende ist. Die schwebende Unwirksamkeit berücksichtigt einerseits den bereits in der Handlung angelegten Sittenverstoß, andererseits wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Anfechtung ohne Verfahrenseröffnung nicht möglich ist. Da es ohne eine Ver­ fahrenseröffnung etwa infolge einer wirtschaftlichen Genesung des Schuldners kei­ 70  Ahrens in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  138 Rn.  40; Arnold in: Erman, BGB, §  138 Rn.  26; Sack/Fischinger in: Staudinger, BGB, §  138 Rn.  107; Wendtland in: BeckOK-BGB, §  138 Rn.  29. 71  Siehe S.  132.

186

§  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung

ne Gläubigerbenachteiligung und damit auch keine Insolvenzanfechtung gibt, be­ steht durch eine nur schwebende Unwirksamkeit die Möglichkeit, den entfallenden Sittenverstoß zu berücksichtigen. Dementsprechend kann die schwebende Unwirksamkeit auf zwei Arten beendet werden. Wird das Insolvenzverfahren innerhalb der Anfechtungsperiode eröffnet, wird die Handlung endgültig unwirksam, da der Sittenverstoß aufgrund der Gläubi­ gerbenachteiligung ebenfalls endgültig eingetreten ist. Sollte das Verfahren dage­ gen nicht innerhalb des Anfechtungszeitraums eröffnet werden, wird die Handlung infolge des entfallenden Sittenverstoßes wirksam und die durch sie intendierten Rechtsfolgen treten wie vorgesehen ein.

2.  Vertrauensschutz und Verkehrsschutz Die bis zur Verfahrenseröffnung respektive bis zum Ablauf der Anfechtungsperio­ de andauernde schwebende Unwirksamkeit stellt keinen Verstoß gegen einen etwa­ igen Vertrauensschutz des Anfechtungsgegners dar, da dieser kein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich einer anfechtbaren Rechtshandlung bilden kann.72 Die schwebende Unwirksamkeit dauert umso länger an, je gravierender der Sittenver­ stoß aufgrund der Gläubigerbenachteiligung durch den Schuldner und den Anfech­ tungsgegner ausfällt. Maßstab sind die einzelnen Anfechtungstatbestände. Im Fall der vorsätzlichen Benachteiligung gemäß §  133 Abs.  1 InsO kann der Schwebezu­ stand demnach bis zu zehn Jahre andauern, wohingegen im Fall des §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO eine schwebende Unwirksamkeit nur für den Zeitraum von maximal ei­ nem Monat besteht. Die Ungewissheit der Parteien ist damit ihrem in den Anfech­ tungstatbeständen indizierten Verursachungsbeitrag an der Sittenwidrigkeit ange­ glichen. Eine schwebende Unwirksamkeit führt weiterhin nicht zu einer Aushöhlung des Verkehrsschutzes. Das könnte man annehmen, da der Anfechtungsgegner im Falle der anfechtbaren Übereignung einer Sache aufgrund der schwebenden Unwirksam­ keit zunächst nicht Eigentümer wird. Würde ein Dritter die Sache von ihm erwer­ ben, würde dies folglich einen Erwerb vom Nichtberechtigten darstellen, der nur unter der Voraussetzung der Gutgläubigkeit möglich wäre. Indes ist damit keine unzumutbare Beeinträchtigung des Verkehrsschutzes verbunden. Wandelt sich die schwebende Unwirksamkeit durch Ablauf der Anfechtungsperiode ohne vorherige Eröffnung des Verfahrens in eine Wirksamkeit um, erwirbt der Dritte unabhängig von einer etwaigen Gutgläubigkeit gemäß §  185 Abs.  2 S.  1, 2. Fall BGB Eigentum. War der Erwerber gutgläubig hinsichtlich der Eigentümerstellung des Anfechtungs­ gegners, wird sodann das Verfahren eröffnet und tritt hierdurch die endgültige Un­ wirksamkeit der ersten Verfügung ein, ist eine Anfechtung gegenüber dem Dritten 72 

Siehe bereits S.  129 ff.

III.  Zeitpunkt des Eintritts der Nichtigkeit

187

nur unter den Voraussetzungen des §  145 Abs.  2 InsO möglich.73 Er muss die Sache an den Insolvenzverwalter nur dann herausgeben, wenn er die Anfechtbarkeit des Erwerbs kannte, er eine dem Schuldner nahestehende Person ist oder er die Sache unentgeltlich erworben hat. Die Wirksamkeit des Eigentumserwerbs hängt folglich mit der Schutzwürdigkeit des Dritten zusammen, wodurch der Verkehrsschutz ge­ währleistet wird.

73 

Siehe zu §  145 Abs.  2 InsO ausführlich S.  254 ff.

§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen Es wird im Folgenden anhand von bestimmten anfechtbaren Rechtshandlungen ver­ anschaulicht, welche Auswirkungen die Nichtigkeit jeweils im Einzelnen hat und wie dabei der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO rechtlich einzuordnen ist. Wegen der Mannigfaltigkeit der in Frage kommenden anfechtbaren Rechtshandlungen, de­ ren komplette Darstellung schlechterdings kaum zu leisten ist und den Umfang die­ ser Arbeit bei Weitem sprengen würde, werden lediglich die für die Praxis relevan­ testen Rechtshandlungen in den Blick genommen. Hierbei werden insbesondere solche Rechtshandlungen untersucht, bei denen der Einfluss der Insolvenzanfech­ tung dogmatisch besonders umstritten ist. Im Anschluss daran wird untersucht, wel­ chen Einfluss die Nichtigkeitsfolge auf die sogenannten „Kollisionsfälle“1 hat. Hier­ bei handelt es sich um besonders problematische Fälle, in denen das Anfechtungs­ recht des Insolvenzverwalters mit Rechten anderer Gläubiger des Anfechtungsgegners konkurriert.2 Hierzu zählen Fallgestaltungen, in denen der Anfechtungsgegner ebenfalls in die Insolvenz fällt, sowie solche, bei denen Gläubiger des Anfechtungs­ gegners in den von der Anfechtung betroffenen Gegenstand vollstrecken.

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen Infolge der festgestellten Verwandtschaft der Insolvenzanfechtung mit §  138 Abs.  1 BGB ist dessen Nichtigkeitsfolge auf die Insolvenzanfechtung anwendbar.3 Fraglich ist, ob es neben der Nichtigkeit der angefochtenen Rechtshandlung noch der Gel­ tendmachung des Rückgewähranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO bedarf. Wenn dies der Fall ist, muss geklärt werden, welcher rechtlichen Natur der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ist. Zur Veranschaulichung sowie zur Abgrenzung der hier gefundenen Ergebnisse werden auch die Lösungsvorschläge der haftungsrechtlichen und schuldrechtlichen Theorien dargestellt und einer Prüfung unterzogen.

1 

So die Bezeichnung von Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  157. Siehe hierzu auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  157. 3  Siehe S.  164 ff. sowie S.  168 ff. 2 

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen

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1.  Anfechtbare Übertragung von Sachen und Rechten Die anfechtbare Übertragung von Sachen und Rechten verringert die Aktivmasse und führt zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, indem das verteilbare Vermögen reduziert und damit die auf den einzelnen Insolvenzgläubiger entfallen­ de Quote gemindert wird. Von besonderer Relevanz sind im Rahmen der Fallgruppe „Anfechtbare Übertragung von Rechten“ die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache, die Eigentumsübertragung an einem Grundstück sowie die Ab­ tretung einer Forderung. Die anfechtbare Übertragung einer Sache oder eines Rechts wird ob ihrer praktischen Bedeutung als Standardfall des Insolvenzanfech­ tungsrechts bezeichnet.4 a)  Übereignung beweglicher Sachen Die Übereignung einer beweglichen Sache gemäß §§  929 ff. BGB stellt eine Verfü­ gung dar.5 Die Anfechtbarkeit der gläubigerbenachteiligenden Übereignung beweg­ licher Sachen spielt insbesondere in den Tatbeständen der Deckungsanfechtung gemäß §§  130, 131 InsO eine zentrale Rolle.6 Daneben kommen als Anfechtungstat­ bestände die Vorsatzanfechtung gemäß §  133 Abs.  1 InsO sowie im Falle der Unent­ geltlichkeit der Übereignung §  134 Abs.  1 InsO7 in Betracht. aa)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Die hier vertretene Lösung einer zunächst schwebenden und mit Verfahrenseröff­ nung endgültig eintretenden absoluten Unwirksamkeit hat zur Konsequenz, dass die anfechtbare Übereignung nichtig ist und das Eigentum an der von der Anfech­ tung berührten beweglichen Sache beim Schuldner und damit in der Masse ver­ bleibt. Gleichgültig ist es dabei, ob das Eigentum zur Sicherung oder zur Befriedi­ gung eines Anspruchs übertragen wurde. Sollte der Insolvenzverwalter im Besitz der Sache sein, wie es regelmäßig bei der Sicherungsübereignung der Fall ist, hat es mit der Unwirksamkeit der Übereignung sein Bewenden. Eines Herausgabeanspruchs gegen den Anfechtungsgegner bedarf der Insolvenzverwalter in diesem Falle nicht. Befindet sich der Besitz der Sache beim Insolvenzschuldner, kann der Verwalter den Herausgabeanspruch aus §  148 Abs.  1 InsO geltend machen.8 Dieser Anspruch hat freilich mit der Insolvenzan­ fechtung nichts zu tun. 4 

Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  149. Kindl in: BeckOK-BGB, §  929 Rn.  5; Oechsler in: MüKo-BGB, §  929 Rn.  22; Wiegand in: Staudinger, BGB, Vorbem zu §§  929–931, Rn.  6. 6  BGHZ 89, 189 (193 ff.); Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  12. 7  Dauernheim in: FK-InsO, §  134 Rn.  7. 8  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52. 5 

190

§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Ist der Anfechtungsgegner im Besitz der Sache, reicht demgegenüber die anfech­ tungsrechtliche Unwirksamkeitsfolge alleine nicht aus, um den Insolvenzverwalter in die Lage zu versetzen, die Sache für die Masse zu verwerten. Da er zur Verfü­ gung über die Sache in der Regel (Ausnahme: §  931 BGB) den unmittelbaren Besitz benötigt, muss er diesen vom Anfechtungsgegner wiedererlangen. Hier hilft der Rechtsfolgenanspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO, wonach der Anfechtungsgegner die veräußerte respektive weggegebene Sache zurückzugewähren hat. Da das Ei­ gentum beim Insolvenzschuldner und damit in der Masse verbleibt und lediglich der Besitz wiederverschafft werden muss, ist Inhalt des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO die Herausgabe des unmittelbaren Besitzes der Sache. In der vorliegenden Fallkonstellation hat §  143 Abs.  1 S.  1 InsO damit den Inhalt des Herausgabean­ spruchs aus §  985 BGB. Eine Berufung des Anfechtungsgegners auf ein Recht zum Besitz im Sinne von §  986 Abs.  1 BGB kommt nicht in Betracht. Sollte das der Übereignung zugrunde liegende kausale Rechtsgeschäft etwa aufgrund von §  132 Abs.  1 InsO anfechtbar sein, ist es selbst nichtig9, sodass schon kein Recht zum Besitz besteht. Aber selbst wenn das Kausalgeschäft nicht anfechtbar sein sollte, ist eine Berufung auf §  986 Abs.  1 BGB ausgeschlossen, da sonst das Ziel der Insolvenzanfechtung, den Sitten­ verstoß durch die Rückführung der Sache in die Masse auszugleichen, nicht erreicht werden könnte. Gerade bei der Anwendung von §  130 InsO würde dies das ge­ wünschte Ergebnis konterkarieren, da der Anfechtungsgegner stets das der De­ ckung zugrunde liegende Kausalgeschäft dem Herausgabeanspruch des Insolvenz­ verwalters entgegenhalten könnte. Rechtstechnisch wird eine Berufung auf §  986 Abs.  1 BGB durch §  144 Abs.  1 InsO ausgeschlossen, wonach der aus dem Kausal­ geschäft resultierende Anspruch des Anfechtungsgegners erst dann wiederauflebt, wenn er seinerseits den Anfechtungsgegenstand an den Insolvenzverwalter zurück­ gewährt. Nach hier vertretener Ansicht wird durch §  144 Abs.  1 InsO eine dilatori­ sche Einrede gegenüber dem Anspruch des Anfechtungsgegners begründet.10 Da zudem gemäß §  45 S.  1 InsO Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, mithin also auch Verschaffungsansprüche,11 nach Verfahrenseröffnung der Masse gegen­ über nur noch mit ihrem Wert geltend gemacht werden können, kann ein Recht zum Besitz hinsichtlich der Anfechtungssache auf einen Verschaffungsanspruch nicht mehr gestützt werden. Ein Recht zum Besitz im Sinne von §  986 Abs.  1 BGB ist für den Anfechtungsgegner damit ausgeschlossen.

9 

Zur Anfechtung schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte siehe S.  201 ff. Siehe hierzu eingehend S.  248 f. 11  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  45 Rn.  2; Bitter in: MüKo-InsO, §  45 Rn.  6; Knof in: Uhlenbruck, InsO, §  45 Rn.  3. 10 

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen

191

bb)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die haftungsrechtliche Sichtweise erkennt die anfechtbare Übereignung als nur haf­ tungsrechtlich unwirksam an.12 Wegen der rein haftungsrechtlichen Wirkungsweise bleibt der Anfechtungsgegner trotz Anfechtung Eigentümer der Sache.13 Ist der An­ fechtungsgegner zugleich im Besitz der Sache, verpflichtet ihn der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zur Rückübertragung des Eigentums, damit der Insolvenz­ verwalter die Sache verwerten kann. Von seiner Natur her ist der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch.14 Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter im Besitz der Sache ist, gehen die Mei­ nungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Rückübereignung durch den Anfech­ tungsgegner auseinander. Insbesondere Henckel hält den Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in diesem Fall für entbehrlich:15 Wenn der Verwalter die Sa­ che verwerte, indem er sie an einen Dritten verkaufe und übereigne, könne er den Ersatzansprüchen des Anfechtungsgegners (aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, Bereicherungsrecht), der trotz Anfechtung Eigen­ tümer der Sache bleibe, gemäß §  146 Abs.  2 InsO die haftungsrechtliche Unwirk­ samkeit seines Eigentumserwerbs entgegenhalten.16 Die haftungsrechtliche Un­ wirksamkeit habe dann zur Folge, dass kein Eingriff in die Rechte des Anfechtungs­ gegners vorliege. Gleichzeitig werde die Verwertung durch den Insolvenzverwalter mittels Übereignung der Sache an den Käufer trotz fehlender Verfügungsbefugnis des Verwalters als wirksam und rechtmäßig erachtet.17 Gegen diese Sichtweise wenden sich andere Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie.18 Sie argumentieren, dass die Anfechtung nicht zu einer Änderung der Rechtslage führe und durch die Anerkennung der sanktionslosen Verwertungsmög­ lichkeit des Verwalters in die Zuordnung absoluter Rechte eingegriffen werde, ohne dass es eine Abstimmung mit dem materiellen Recht gebe.19 Dem Insolvenzverwal­ ter stehe kein „‚Eigentum kraft Amtes‘“ zu.20 Aus diesen Gründen bedürfe es in jedem Fall einer Rückübertragung des Eigentums in die Masse durch den Anfech­ tungsgegner.21 12 

Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  332; Henckel in: Jaeger, InsO §  143 Rn.  52. Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  332; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  53. 14  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  514; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor §  129 Rn.  9; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  187 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52 f.; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  28; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  9; Riggert in: Braun, InsO, §  143 Rn.  2; dagegen Gaul, KTS 2007, 133 (148). 15  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52; ähnlich: Kindl, NZG 1998, 321 (326); für den Fall der Sicherungsübereignung auch Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  28. 16  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52, §  146 Rn.  66. 17  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  519. 18  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  520 f.; Eckardt, Anfechtungsklage, S.  51; Pau­ lus, AcP 155 (1956), 277 (333). 19  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  521. 20  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (333). 21  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  521; Eckardt, Anfechtungsklage, S.  51. 13 

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Man erkennt an dieser Stelle die Schwächen der haftungsrechtlichen Theorie. Das durch die haftungsrechtliche Unwirksamkeit erzielte Ergebnis ist für die praktische Arbeit des Insolvenzverwalters zu mühsam, da er vor einer Verwertung zunächst auf Rückübereignung klagen müsste. Deshalb wird die Zuordnung absoluter Rechte durch das materielle Recht und die daraus folgende Notwendigkeit einer Verfü­ gungsbefugnis auf Seiten des Insolvenzverwalters durch haftungsrechtliche Erwä­ gungen, die auf §  146 Abs.  2 InsO gestützt werden, überspielt. Das führt im Ergeb­ nis zu einem Resultat, wie es von einer „dinglichen“ Sichtweise im Sinne einer ab­ soluten Unwirksamkeit der anfechtbaren Verfügung ohne komplizierte dogmatische Erwägungen und Kniffe ebenfalls erreicht wird. Letztlich wird durch haftungs­ rechtliche Erwägungen eine „Verdinglichung“ der Wirkung der Insolvenzanfech­ tung durch die Hintertür vorgenommen.22 Mit dem Schlagwort der haftungsrechtli­ chen Unwirksamkeit kann bei großzügiger Auslegung daher nahezu jedes ge­ wünschte Ergebnis erzielt werden. Diese Beliebigkeit ist zu kritisieren.23 cc)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie erkennen demgegenüber keinerlei Aus­ wirkungen auf die Wirksamkeit der Eigentumsübertragung. Rechtsfolge der An­ fechtung der Übereignung der beweglichen Sache ist ein schuldrechtlicher Rückübereignungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den Anfechtungsgeg­ ner aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO.24 Das gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter im Besitz der Sache ist.25 Aus Sicht der schuldrechtlichen Theorie ist diese Rechts­ folge konsequent. b)  Übereignung unbeweglicher Sachen Die Anfechtung einer gläubigerbenachteiligenden Übereignung eines Grundstücks gemäß §§  925, 873 BGB kommt ebenso wie die Anfechtung der Übereignung be­ weglicher Sachen aufgrund ihres Verfügungscharakters26 insbesondere im Rahmen der Anfechtungstatbestände der §§  130, 131, 133 Abs.  1, 134 Abs.  1 InsO in Betracht. 22  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  520, lässt dieses Argument gegen die haftungs­ rechtliche Theorie nicht gelten. 23  Änhlich Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S, 97. 24  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.20; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  75; Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  6 f.; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  75; Jauernig, Zwangsvollstre­ ckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  241; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  72; §  143 Rn.  8; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  15 f.; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeu­ ner, InsO, §  143 Rn.  10. 25  Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  7; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  72, hält eine Rückgewähr in diesem Fall für unnötig. 26  Kohler in: MüKo-BGB, §  873 Rn.  2.

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen

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aa)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Wegen der hier vertretenen absoluten Unwirksamkeitsfolge ist die dingliche Eini­ gung gemäß §  873 Abs.  1 BGB im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung endgültig unwirksam. Bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ist die Übereignung schwebend unwirksam. Das Eigentum an dem Grundstück verbleibt beim Insol­ venzschuldner und damit in der Insolvenzmasse. Da jedoch der Anfechtungsgegner trotz des unwirksamen Eigentumserwerbs in das Grundbuch eingetragen wurde und damit der öffentliche Glaube des Grund­ buchs27 gemäß §  892 Abs.  1 BGB zugunsten des Anfechtungsgegners spricht, ist dem Insolvenzverwalter mit der Unwirksamkeit alleine nicht geholfen. Um das Grundstück wirksam verwerten zu können, muss er die Eintragung des Grund­ buchs zu Gunsten der Masse ändern. Da die Eintragung im Grundbuch an den Anfechtungsgegner im Sinne von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO „weggeben“ wurde, hat er diese an die Masse zurückzugewähren. Die Rückgewähr vollzieht sich rechtstechnisch durch den Anspruch des Insolvenz­ verwalters auf Grundbuchberichtigung gemäß §  894 BGB. Die Unwirksamkeitsfol­ ge der Insolvenzanfechtung wird also im Falle der Grundstücksübereignung durch den Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Form des Grundbuchberich­ tigungsanspruchs aus §  894 BGB flankiert. Für den Insolvenzverwalter besteht die Möglichkeit der Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch gemäß §  899 BGB. Dadurch erhält er die Option, die Masse vor einer Übereignung des Grundstücks zugunsten eines gutgläubigen Dritten zu schützen, §  892 Abs.  1 S.  1 BGB.28 bb)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie verneinen eine Auswirkung auf die Eigentümerstellung durch die haftungsrechtliche Unwirksamkeit der Grundstücks­ übereignung. Das Grundbuch wird folglich nicht unrichtig.29 Um das Grundstück verwerten zu können, muss das Eigentum in die Masse zurückübertragen werden. Zur Realisierung der Rückübertragung steht dem Insolvenzverwalter der schuld­ rechtlich wirkende Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zur Verfü­ gung.30 Da im Gegensatz zur hier vertretenen Ansicht das Eigentum nicht in der Masse verbleibt, wird das Grundbuch infolge der Insolvenzanfechtung nicht unrich­ tig, weshalb die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eintragung des Anfech­ 27  Zum Inhalt des Grundbuchs als Rechtsscheinträger siehe Gursky in: Staudinger, BGB, §  892 Rn.  7; Kohler in: MüKo-BGB, §  892 Rn.  4. 28  Kohler in: MüKo-BGB, §  899 Rn.  1. 29  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  332; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  56. 30  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  541; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  56; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  29; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  34.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

tungsgegners gemäß §  899 BGB nicht in Betracht kommt.31 Zur Sicherung des An­ spruchs auf Rückauflassung des Grundstücks ist eine Vormerkung gemäß §  883 BGB möglich.32 cc)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie halten die Übereignung trotz Anfech­ tung für wirksam. Der Insolvenzverwalter hat gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückauflassung und Zustimmung zur Eintragung in das Grundbuch.33 Zur Sicherung hält die schuldrechtliche Theorie die Eintragung einer Vormerkung für möglich.34 c)  Die Forderungsabtretung Die Forderungsabtretung gemäß §  398 BGB stellt wie die Übereignung einer be­ weglichen oder unbeweglichen Sache trotz deren gesetzessystematischer Verortung im Allgemeinen Schuldrecht eine Verfügung dar.35 Aus diesem Grunde kommt ins­ besondere eine Anfechtung gemäß §§  130, 131, 133 Abs.  1, 134 Abs.  1 InsO in Be­ tracht. aa)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Aufgrund der Nichtigkeitsfolge ist die gläubigerbenachteiligende Abtretung einer Forderung unwirksam. Infolge der bis Verfahrenseröffnung bestehenden schweben­ den Unwirksamkeit gelangt die Forderung zu keinem Zeitpunkt in das Vermögen des Anfechtungsgegners, sondern verbleibt im Schuldnervermögen. Im Gegensatz zu Sachen, deren Herrschaft durch den Besitz gemäß §  854 BGB respektive das Grundbuch gemäß §§  891, 892 BGB nach außen getragen wird, fehlt es bei der For­

31  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  542; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  332; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  56. 32  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  542; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  56; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (335 Fn.  101 a); Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  34; gegen die Möglichkeit einer Vormerkung hingegen Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  332. 33  BGH NJW-RR 1986, 991 (992); BGH ZIP 1982, 856 (857); Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  6; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  80; Kreft in: HK-InsO, §129 Rn.  72, 108, §  143 Rn.  8; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommen­ tar, InsO, §  143 Rn.  19; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  13. 34  BGH ZIP 1982, 856 (858); Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  80; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  108, §  143 Rn.  8; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  19; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  13. 35  Busche in: Staudinger, BGB, §  398 Rn.  1; Rohe in: BeckOK-BGB, §  398 Rn.  27; Roth in: MüKo-BGB, §  398 Rn.  2.

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen

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derung regelmäßig an einem Rechtsscheinträger.36 Da somit gegenständlich nichts in das Vermögen des Anfechtungsgegners übergeht, bedarf es neben der Unwirk­ samkeit der Abtretung nicht des Rechtsfolgenanspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Form eines Herausgabeanspruchs. Der Insolvenzverwalter ist vielmehr ohne Weiteres dazu imstande, die Forderung für die Masse zu verwerten. bb)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Nach der haftungsrechtlichen Theorie ist die Abtretung haftungsrechtlich unwirk­ sam.37 Was die Frage anbelangt, ob dem Insolvenzverwalter infolge der haftungs­ rechtlichen Unwirksamkeit ohne Weiteres die Einziehungsbefugnis hinsichtlich der Forderung zusteht oder er erst den Rückübertragungsanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO gegenüber dem Anfechtungsgegner geltend machen muss, gehen die Meinun­ gen auseinander. Henckel ist der Ansicht, dass der Verwalter die Forderung beim Forderungs­ schuldner ohne weiteren Zwischenschritt einziehen könne. Ihm stehe die Einzie­ hungsbefugnis zu, ohne dass er sich die Forderung vom Zessionar zurückübertra­ gen lassen müsse.38 Begründet wird dieses Ergebnis durch die vermeintliche Unbil­ ligkeit der Rechtsfolge des §  407 Abs.  1 BGB: Würde man eine (Rück-)Abtretung an den Insolvenzverwalter zur Voraussetzung seiner Einziehungsbefugnis machen, wie dies der Bundesgerichtshof vorsieht,39 wäre der Forderungsschuldner schutzlos gestellt, wenn er in Kenntnis der offensichtlich anfechtbaren Abtretung an den In­ solvenzverwalter geleistet hätte. Denn dann wäre er gemäß §  407 Abs.  1 BGB nicht von seiner Schuld gegenüber dem Zessionar befreit und müsste weiterhin an diesen leisten. Ein Bereicherungsanspruch des Forderungsschuldners gegen den Insolvenz­ verwalter würde indes an §  814 BGB scheitern, da der Forderungsschuldner wusste, dass die Forderung an den Anfechtungsgegner abgetreten wurde und somit keine Schuld seinerseits gegenüber der Masse bestand.40 Henckel hält es nicht für vertretbar, den Forderungsschuldner dieser Konsequenz auszusetzen, die sich daraus ergibt, dass der Zessionar nach wie vor Inhaber der Forderung ist. Der Forderungsschuldner wäre dazu gezwungen, an den Zessionar zu leisten, obwohl diesem die Leistung wegen der Anfechtbarkeit der Forderungs­ abtretung offensichtlich nicht gebührt.41 Um dieses Ergebnis zu vermeiden, wird der Insolvenzverwalter als ermächtigt angesehen, die Forderung einzuziehen, ob­ wohl sie eigentlich noch dem Zessionar zusteht.42 36 

Roth in: MüKo-BGB, §  398 Rn.  28. Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  34; Kindl, NZG 1998, 321 (327). 38  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  34, 54. 39  BGHZ 106, 127 (129). 40  BGHZ 106, 127 (132); Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  34. 41  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  34. 42  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  34. 37 

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Gegen eine Einziehungsbefugnis kraft Gesetzes stellen sich andere Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie.43 Durch die Befugnis zur Anfechtung werde die ma­ terielle Rechtszuständigkeit, die nach wie vor beim Anfechtungsgegner respektive Zessionar liegt, nicht berührt. Eine „Neutralisierungswirkung auf Dritte“ in Folge der Insolvenzanfechtung sei nicht zulässig.44 Die Kritiker der Auffassung Henkels sehen daher trotz der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit der Forderungsabtretung eine Rückübertragung der Forderung durch den Zessionar gemäß §  398 BGB auf­ grund der Rückgewährfolge des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO als notwendig an, um zu ei­ ner Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters zu gelangen.45 Folgt man hingegen der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung einer bis zur Verfahrenseröffnung schwebenden und danach endgültigen Unwirksamkeit der Ab­ tretung, ergibt sich das dargestellte Problem nicht. Der Anfechtungsgegner wurde zu keiner Zeit Forderungsinhaber. Leistet der Forderungsschuldner an den Insol­ venz­verwalter, zahlt er an den richtigen Gläubiger, sodass er keine Inanspruchnah­ me seitens des Anfechtungsgegners zu befürchten hat, gleichgültig ob die Leistung in Kenntnis oder Unkenntnis der Anfechtung geschieht. Sollte der Forderungs­ schuldner in Unkenntnis der Anfechtung an den vermeintlichen Zessionar leisten, besteht ihm gegenüber ein Bereicherungsanspruch, da auf eine Nichtschuld geleistet wurde. §  814 BGB ist nicht anwendbar, da keine Kenntnis der Nichtschuld bestand. Die hier vertretene Lösung ist vom Ergebnis her zufriedenstellend und lässt sich ohne Weiteres aus der Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung ableiten. Dagegen stoßen die Lösungsvorschläge der Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie an ihre Grenzen, indem sie entweder die offensichtlich gegebene Unbilligkeit ihrer Lösung in der vorliegenden Fallgestaltung hinnehmen oder unter Aufgabe der Grundsätze ihrer eigenen Theorie zu einer „dinglichen“ Wirkung der Insolvenzanfechtung ge­ langen.46 cc)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie inklusive der Rechtsprechung sehen die Folge der Anfechtung einer gläubigerschädigenden Abtretung in einem schuld­ rechtlichen Rückabtretungsanspruch gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO.47 Vor einer er­ 43  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  555 f.; Eckardt, Anfechtungsklage, S.  46 ff.; Kindl, NZG 1998, 321 (327); im Ergebnis auch Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  32; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  36. 44  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  556. 45  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  553. 46  So auch die Kritik von Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  555, an dem Lösungs­ modell von Henckel. 47  BGH NZI 2007, 42 (43); BGHZ 106, 127 (129); Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6; Gehr­ lein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  10; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  89; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  15; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  22; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  10.

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folgten Rückabtretung, die sich gemäß §  398 BGB vollzieht, steht dem Insolvenz­ verwalter keine Einziehungsbefugnis zu.48 Bis zur erfolgten Abtretung bleibt der Anfechtungsgegner als Zessionar aktivlegitimiert.49 In der Lösung bleibt die schuld­rechtliche Theorie hinsichtlich der ihr zugrunde liegenden Dogmatik konse­ quent, da eine wie auch immer geartete Unwirksamkeit infolge der Anfechtung nicht anerkannt wird.50 Anzumerken bleibt, dass die schuldrechtliche Theorie dieselbe Unbilligkeit im Falle der Leistung des Forderungsschuldners an den Insolvenzverwalter in Kennt­ nis der Anfechtung provoziert wie die haftungsrechtliche Theorie.51 Im Gegensatz zu der in dieser Arbeit vertretenen Unwirksamkeitsfolge besteht für die schuld­ rechtliche Theorie genauso wenig wie für die haftungsrechtliche Sichtweise ein gangbarer Weg, um diese Unbilligkeit ohne Bruch in der eigenen Dogmatik zu überwinden. d)  Exkurs: Die Möglichkeit einer Haftungsklage In den Fällen der anfechtbaren Übereignung beweglicher und unbeweglicher Sa­ chen soll dem Insolvenzverwalter nach weit verbreiteter Meinung neben dem ange­ nommenen schuldrechtlichen Rückübereignungsanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO alternativ die Möglichkeit eröffnet sein, den Anfechtungsgegner auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu verklagen, wenn er die von der Anfechtung betroffene Sache nicht zur Masse ziehen und selbstständig verwerten möchte.52 Nach frühen Entscheidungen des Reichsgerichts sollte die sogenannte „Haftungsklage“53 sogar die einzige Möglichkeit des Insolvenzverwalters darstellen, wie er die gläubigerbe­ nachteiligenden Folgen der Übereignung von Sachen durch Anfechtung rückgängig machen könne.54 48  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  15; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  22; für die Anfechtung nach dem AnfG: BGHZ 100, 36 (42). 49  BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); BGH NZI 2007, 42 (43); Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  10; Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  6; Rogge/Leptien in: Ham­ burger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  22. 50  BGH NZI 2007, 42 (43). 51  Diese Unbilligkeit lässt der Bundesgerichtshof indes unkommentiert, BGHZ 106, 127 (132). 52  RGZ 67, 20 (22); RGZ 56, 142 (143 ff.); OLG Hamm ZIP 1992, 1755 (1757); Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  4; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  170; Gehrlein in: Ahrens/Gehr­ lein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  6; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  286 ff., 293; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  29, 53, 56; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  75; Jacoby in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, §  143 Rn.  29; Kindl, NZG 1998, 321 (322); Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  26; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  6; Merkt, JuS 1985, 110 (113); Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  11; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328 f.); Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  13. 53  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  515, 543; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  287, 332. 54  RGZ 67, 20 (22); so wohl auch RGZ 56, 142 (143); diese Ansicht wird mittlerweile nicht

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Ist das Haftungsurteil, das auf Duldung der Zwangsvollstreckung lautet, durch den Insolvenzverwalter erwirkt, erfolgt die Verwertung der von der Anfechtung betroffenen Sache gemäß den Regeln über die Vollstreckung wegen Geldforderun­ gen.55 Der Insolvenzverwalter erhält den Erlös und muss die Sache nicht mehr selbst verwerten, was zu einer „abgekürzten Rückgewähr“ führt.56 aa)  Rückgewähr in Natur als Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung Ganz unabhängig von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer solchen Haf­ tungsklage – der Insolvenzverwalter wird regelmäßig durch eigenhändige Verwer­ tung der von der Anfechtung betroffenen Sache einen höheren Erlös für die Masse erwirtschaften können als im Wege der Zwangsvollstreckung57 – stellt sich die Fra­ ge, ob die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung überhaupt von der Rechts­ folge der Insolvenzanfechtung umfasst ist. Durch die Insolvenzanfechtung soll der Insolvenzverwalter in die Lage versetzt werden, die Sache so verwerten zu können, wie er es ohne die anfechtbare Rechtshandlung hätte tun können.58 Das folgt aus der Begründung zu §  143 InsO:59 „Für den Umfang des Anspruchs auf Rückgewähr, der durch die insolvenzrechtliche Anfech­ tung geltend gemacht wird, folgt Absatz 1 Satz  1 dem Grundsatz des geltenden §  37 Abs.  1 KO, daß der Anfechtungsgegner alles zur Insolvenzmasse zurückgewähren muß, was dem Vermögen des Schuldners durch die anfechtbare Rechtshandlung entzogen worden ist; durch diese Art der ‚Rückgewähr‘ soll die Insolvenzmasse in die Lage zurückversetzt werden, in der sie sich befinden würde, wenn die anfechtbare Rechtshandlung unterblieben wäre. Dar­ aus folgt, daß ein wirksam angefochtener Erwerb grundsätzlich ‚in Natur‘ zur Insolvenzmas­ se zurückzugewähren ist.“60

Wäre die anfechtbare Übereignung der Sache – ob beweglich oder unbeweglich – unterblieben, wäre die Sache weiterhin in der Masse vorhanden und der Insolvenz­ verwalter könnte sie freihändig verwerten. Eine Verwertung im Wege der Zwangs­ vollstreckung wegen Geldforderungen wäre bei unterlassener Übereignung der Sa­ che hingegen nicht möglich gewesen – die Sache hätte sich noch in der Masse befunden. Weshalb im Falle der Anfechtung diese zusätzliche Möglichkeit für den Insolvenzverwalter eröffnet werden soll, erschließt sich nicht. Eine – vermeintli­ mehr vertreten; siehe Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  543; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  16 Fn.  62; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328 ff.). 55  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  515; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (329). 56  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  515. 57  Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  165 Rn.  15; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (329); schon Walsmann, Jherings Jahrbuch 49 (1905), 297 (303), hält die Duldung der Zwangsvollstreckung hier für „zum mindesten unpraktisch“. 58  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  516. 59  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  516 Fn.  780. 60  BT-Drucks. 12/2443, S.  167, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  359.

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che – Vereinfachung der Rückgewähr durch die Haftungsklage kann nicht über die Systemwidrigkeit dieser Konstruktion hinweghelfen.61 bb)  Keine Differenzierung hinsichtlich Beweglichkeit/Unbeweglichkeit der Sache möglich Eine Differenzierung hinsichtlich der Beweglichkeit oder Unbeweglichkeit einer Sache, wie sie Allgayer62 mit dem Ergebnis vornimmt, dass nur bei der Anfechtung einer Grundstücksübereignung die Haftungsklage zulässig sei, überzeugt ebenso wenig. Allgayer argumentiert, dass der Insolvenzverwalter gemäß §  165 InsO, §  172 ZVG die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung als Verwertungsart für das Grundstück betreiben könnte, wenn die Übereignung nicht vorgenommen worden wäre und sich das Grundstück folglich noch in der Masse befinden würde.63 Aus diesem Grunde könne der Verwalter auch den Anfechtungsgegner auf Duldung der Zwangsvollstreckung verklagen.64 Dieser Rückgriff auf §  165 InsO, §  172 ZVG lässt sich allerdings nicht für eine Bejahung der Haftungsklage fruchtbar machen. Die gemäß §  165 InsO, §  172 ZVG durch den Insolvenzverwalter betriebene Zwangsver­ steigerung und Zwangsverwaltung stellt im Gegensatz zur Folge der Haftungsklage keine Zwangsvollstreckung im eigentlichen Sinne dar.65 Der Insolvenzverwalter ist hier bei entsprechender Anwendung von §  9 ZVG, wie von §  172 ZVG normiert, zugleich sowohl einem Vollstreckungsgläubiger als auch einem Vollstreckungs­ schuldner gleichgestellt.66 Aus diesem Grunde ist bei der Verwertung gemäß §  165 InsO der Insolvenzverwalter einziger Beteiligter.67 Die Haftungsklage des Insol­ venzverwalters gegen den Anfechtungsgegner stellt dagegen ein kontradiktorisches Verfahren dar und lässt sich daher nicht mit der Verwertung gemäß §  165 InsO, §  172 ZVG vergleichen. cc)  §§  883 ff. ZPO als einschlägige vollstreckungsrechtliche Normen Im Übrigen lässt sich eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Anfechtungsgegner, die sich nach den Regeln über die Vollstreckung wegen Geld­ 61  So auch für die Anfechtung hinsichtlich beweglicher Sachen Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  516. 62  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  544. 63  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  544. 64  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  544. 65  Becker in: Nerlich/Römermann, InsO, §  165 Rn.  23. 66  Becker in: Nerlich/Römermann, InsO, §  165 Rn.  23; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  165 Rn.  17. 67  Becker in: Nerlich/Römermann, §  165 Rn.  23; ähnlich Tetzlaff in: MüKo-InsO, §  165 Rn.  40; aus diesem Grunde geht auch die Annahme fehl, dass das ZVG-Verfahren im Rahmen der Insol­ venz „[…] dann nicht gegen den Insolvenzschuldner, sondern gegen einen Dritten durchgeführt“ wird, Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  544.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

forderungen vollzieht,68 nicht mit der eigentlich zulässigen Vollstreckungsart bei Rückgewähr-, Rückgabe- und Herausgabeansprüchen vereinbaren. Unabhängig von der vertretenen Einordnung der Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung – dinglicher Herausgabeanspruch oder schuldrechtlicher Rückgewähranspruch –, geht es um eine gegenständliche Auskehrung einer bestimmten Sache. Das Verfahren der Zwangsvollstreckung gegen den Anfechtungsgegner vollzieht sich daher nach §§  883 ff. ZPO. Anwendbar sind folglich die Vorschriften über die Zwangsvollstre­ ckung zur Herausgabe von Sachen. Durch die Vorschriften des dritten Abschnitts des achten Buchs der Zivilprozessordnung kann der Insolvenzverwalter sein Inter­ esse an der Sache selbst befriedigen.69 Nur dieses Interesse wird dem Insolvenzver­ walter durch §  143 Abs.  1 S.  1 InsO vermittelt. Nicht vermittelt wird ihm dadurch jedoch das Interesse an dem in der Sache verkörperten Geldwert. Dies ist erst Folge der durch ihn selbst vorzunehmenden freihändigen Verwertung, die sich an die Zwangsvollstreckung zeitlich anschließt. Es ist deshalb nicht einsichtig, weshalb im Falle der Insolvenzanfechtung die eigentlich einschlägige Art der Zwangsvollstre­ ckung – diejenige zur Herausgabe von Sachen – gegen die nicht einschlägige Art der Zwangsvollstreckung – die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen – ausgewechselt werden soll. Paulus hat zu Recht die Ansicht der älteren Rechtsprechung, wonach die Haf­ tungsklage die einzige Möglichkeit für den Insolvenzverwalter darstellen sollte, den Anfechtungsanspruch durchzusetzen, kritisiert.70 Wenn Paulus aber die Mög­ lichkeit eines Nebeneinanders der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung so­ wie eines gegenständlichen Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO durch die „Ände­ rung der haftungsrechtlichen Konstellation“ und den „das Verfahren ausschließlich beherrschenden Haftungszweck“ zu rechtfertigen versucht, ist dem nicht zuzustim­ men.71 Selbst eine Änderung der Haftungszuordnung vermag in diesem Fall nicht die zwingenden Regeln über die Art und Weise der Zwangsvollstreckung zu ändern. Geradezu entlarvend hinsichtlich der Systemwidrigkeit einer Haftungsklage wirkt es daher, wenn Paulus schreibt, dass „[…] die Beschränkung auf eine bestimmte Verwertungsart einen sinnwidrigen und unzulässigen Rückfall in den Stil der Ein­ zelvollstreckung darstellen würde“.72 Die Rückgewähr einer Sache vollzieht sich nach anderen Regeln als die Vollstreckung wegen Geldforderungen. Selbst wenn die Insolvenzanfechtung auf haftungsrechtliche Überlegungen zurückzuführen sein sollte, kann das keinen Einfluss auf die zwingenden Regeln der Zivilprozess­ ordnung haben und damit an dem gefundenen Ergebnis etwas ändern. 68 

Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  515; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328). Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  883 Rn.  1. 70  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (331 ff.). 71  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (331 ff.). 72  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (333), greift mit dieser Formulierung zwar die Beschränkung auf die Haftungsklage durch die alte Rechtsprechung des Reichsgerichts an, gleichwohl wird da­ durch umgekehrt auch ein Nebeneinander von Haftungsklage und Rückgewähranspruch gerecht­ fertigt. 69 

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen

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Konsequenz der Zulassung einer Haftungsklage wäre, dass neben einer Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Anfechtungsgegner parallel die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe der Sache selbst gemäß §§  883 ff. ZPO mög­ lich wäre. Damit ist die Systemwidrigkeit der Haftungsklage offensichtlich: Es wä­ ren zwei unterschiedliche Vollstreckungsarten hinsichtlich ein und derselben Grundforderung – dem Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO – möglich, sodass die Art und Weise der Zwangsvollstreckung letztlich allein vom Willen des Insolvenz­ verwalters abhängig wäre. dd) Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Anfechtungsgegner nicht zu befürworten ist. Das gilt unabhängig davon, welche Theorie zur dogmatischen Einordnung der Anfech­ tungsrechtsfolge man vertritt. Rechtsfolge der Anfechtung ist nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung neben der Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO. Im Falle der anfechtbaren Übereignung beweglicher Sachen hat der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO einen dinglichen Herausgabeanspruch ge­ mäß §  985 BGB zum Inhalt, im Falle der anfechtbaren Übereignung einer unbeweg­ lichen Sache besteht ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO, §  894 BGB. Die Art und Weise der Zwangsvollstreckung hat sich dabei nach den Vorschriften der §§  883 ff. ZPO zu richten. Obsolet ist der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO dann, wenn die gläubigerbenachteiligenden Folgen der angefochte­ nen Rechtshandlung alleine durch die Unwirksamkeit beseitigt werden, wie dies bei der anfechtbaren Forderungsabtretung der Fall ist. Hier hat es mit der Unwirksam­ keit der Abtretung sein Bewenden, eine Zwangsvollstreckung gegen den Anfech­ tungsgegner erübrigt sich.

2.  Anfechtbare schuldrechtliche Rechtsgeschäfte Die Eingehung gläubigerbenachteiligender schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte im Sinne von Verträgen73 und einseitigen Rechtsgeschäften74 wird insbesondere im Rahmen des §  132 Abs.  1 InsO anfechtungsrechtlich relevant. Daneben kommt die 73  Dauernheim in: FK-InsO, §  132 Rn.  5; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  132 Rn.  2; Gehr­ lein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  132 Rn.  3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  132 Rn.  5; Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  7; Kreft in: HK-InsO, §  132 Rn.  5 f.; Nerlich in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  132 Rn.  6; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  132 Rn.  11. 74  Dauernheim in: FK-InsO, §  132 Rn.  5; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  132 Rn.  2; Gehr­ lein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  132 Rn.  3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  132 Rn.  5; Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  9; Kreft in: HK-InsO, §  132 Rn.  6; Nerlich in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  132 Rn.  6; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  132 Rn.  5, 11.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Anfechtung einer rechtsgeschäftlichen Schuldbegründung gemäß §  133 Abs.  1 InsO75 sowie gemäß §  134 Abs.  1 InsO76 in Betracht. Ein entgeltlicher Vertrag kann zudem gemäß §  133 Abs.  2 InsO anfechtbar sein. Im Vordergrund stehen bei der Anfechtung von Schuldbegründungen sogenannte „Verschleuderungsgeschäfte“,77 bei denen der vom Schuldner versprochenen Leistung keine adäquate Gegenleis­ tung gegenübersteht.78 a)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Ein anfechtbares schuldrechtliches Rechtsgeschäft ist mit seiner Vornahme schwe­ bend unwirksam. Ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung tritt endgültige Un­ wirksamkeit ein. Da der Vertrag zu keinem Zeitpunkt Wirksamkeit erlangt, wird keine Forderung gegenüber dem Insolvenzschuldner begründet. Das führt dazu, dass der Anfechtungsgegner nicht in den Kreis der Insolvenzgläubiger eindringen kann. Die verteilbare Masse steht damit im Sinne der par conditio creditorum nur den Personen zur Verfügung, denen sie auch gebührt. Dies sind einzig die Insol­ venzgläubiger und nicht die Personen, die in gläubigerbenachteiligender Weise den Status eines Insolvenzgläubigers zu erlangen versuchen. Neben der von selbst eintretenden Unwirksamkeit der Schuldbegründung bedarf es des Rückgewähranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht. §  143 Abs.  1 S.  1 InsO statuiert eine Rückgewährpflicht für Gegenstände, die aus dem Vermögen des Schuldners „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ sind. Alleine durch die Ein­ gehung eines schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts wurde jedoch nichts aus der Masse gegenständlich „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“.79 Es wurde lediglich eine die Masse zusätzlich belastende Schuld begründet. Bereits durch die Unwirk­ samkeit der Schuldbegründung wird das Ziel der Insolvenzanfechtung verwirklicht. In der Fallkonstellation der anfechtbaren Schuldbegründung ist die Geltendma­ chung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs wegen der nicht erfüllten Tatbestandsmerkmale „veräußert, weggeben oder aufgegeben“ nicht möglich.80 Das Recht der Insolvenzanfechtung kommt in dem bedeutsamen Teilbereich der Anfechtung gläubigerschädigender schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte folglich ohne die primäre Rechtsfolgennorm des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO aus. Sollte infolge eines als Causa dienenden anfechtbaren schuldrechtlichen Rechts­ geschäfts ein Gegenstand des Schuldners durch eine Verfügung auf den Anfech­ 75  Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  133 Rn.  3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  133 Rn.  14; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  133 Rn.  6. 76  BGH WM 2012, 2340 (2343). 77  Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  133 Rn.  14; Henckel, ZIP 1982, 391 (393) spricht von „Masseverschleuderung“, „krisenbedingter Schlussverkauf“ sowie „Vermögensverschleuderung“. 78  Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  132 Rn.  2 , 9; Kayser in: MüKo-InsO, §  132 Rn.  1. 79  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  37. 80  Siehe hierzu bereits S.  43 f.

I.  Auswirkungen der Nichtigkeit einzelner Rechtshandlungen

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tungsgegner übertragen worden sein, ist zu prüfen, ob die Verfügung selbstständig anfechtbar ist. Regelmäßig wird bezüglich der Verfügung §  131 Abs.  1 InsO ein­ schlägig sein. Durch die Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts infolge der Anfech­ tung handelt es sich bei der nachfolgenden Verfügung zwecks Erfüllung des Kau­ salgeschäfts um eine inkongruente Deckung, da bei einem unwirksamen Kausalge­ schäft eine Befriedigung nicht geschuldet wird.81 Sollte danach auch die Verfügung gemäß §  131 Abs.  1 InsO anfechtbar sein, kann der Gegenstand der Verfügung vom Insolvenzverwalter herausverlangt werden. Handelt es sich um eine bewegliche Sa­ che, ist folglich der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB einschlägig. Der anfechtungsrechtliche Herausgabeanspruch ist aber nicht die Folge der Anfechtbarkeit des kausalen Rechtsgeschäfts gemäß §  132 Abs.  1 InsO, sondern Folge der Unwirksamkeit der Verfügung aufgrund von §  131 Abs.  1 InsO. Daneben kommt infolge der Unwirksamkeit des kausalen Rechtsgeschäfts ein Be­ reicherungsanspruch aus §  812 Abs.  1 BGB in Betracht, der indes mit dem anfech­ tungsrechtlichen Herausgabeanspruch nichts zu tun hat und diesen nicht ver­ drängt.82 Praktische Bedeutung kommt dem schuldrechtlichen Bereicherungsan­ spruch neben dem dinglichen Anfechtungsanspruch nicht zu. b)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die haftungsrechtliche Theorie gelangt augenscheinlich zu einem ganz ähnlichen Ergebnis.83 Die Masse darf hiernach für die anfechtbar begründete Schuld nicht haften.84 Nach dieser Auffassung besteht die „haftungsrechtliche Konsequenz der Anfechtung […] darin, dass die ‚Belastung‘ der Masse mit der Verpflichtung des Schuldners aufgehoben werden muss“.85 Nach der haftungsrechtlichen Theorie kommt das dadurch zum Ausdruck, dass die anfechtbare Schuldbegründung „je­ denfalls der Masse gegenüber unwirksam“ ist86 oder anders ausgedrückt, dass „[…] das anfechtbar erworbene Recht gegen den Schuldner im Hinblick auf die Befriedi­ gung der Konkursgläubiger unwirksam ist“.87 Paulus sieht die Unwirksamkeit der­ gestalt, dass die Forderung „[…] als nichtexistent behandelt wird […]“.88 Im Insol­ 81  Wie hier für die Anwendbarkeit von §  131 InsO bei nichtigem Kausalgeschäft, BGH NJW 1995, 1668 (1671); Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  131 Rn.  6; Kayser in: MüKo-InsO, §  131 Rn.  14 a; Schoppmeyer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  131 Rn.  51; a. A.: Dauernheim in: FK-InsO, §  131 Rn.  7; Henckel in: Jaeger, InsO, §  131 Rn.  8. 82  Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  131 Rn.  6; Kayser in: MüKo-InsO, §  131 Rn.  14 a; a. A.: Henckel in: Jaeger, InsO, §  131 Rn.  8. 83  Siehe Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  331; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  37; Pau­ lus, AcP 155 (1956), 277 (327 f.). 84  Henckel in: Jaeger, InsO,§  143 Rn.  37; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328). 85  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  37. 86  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  37; ähnlich Paulus, AcP 155 (1956), 277 (327 f.). 87  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  331. 88  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328).

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

venzverfahren ist die Forderung damit nicht als Insolvenzforderung zu behandeln.89 Eine wie auch immer geartete Rückgewähr ist nicht notwendig.90 Der Unterschied zu der vorstehend befürworteten absoluten Unwirksamkeit be­ steht darin, dass die Unwirksamkeit nur als haftungsrechtliche angesehen wird. Hierzu ist an dieser Stelle anzumerken, dass der Begriff der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit insbesondere im untersuchten Fall der Anfechtung von Schuldbe­ gründungen recht unpräzise bleibt. So soll die anfechtbar begründete Forderung zwar einerseits unwirksam sein, andererseits soll diese Unwirksamkeit jedoch nur gegenüber der Masse wirken. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Verbind­ lichkeit gegenüber allen anderen Personen nach wie vor als bestehend zu betrachten ist, was im Ergebnis zu einer Art relativen Unwirksamkeit führt. Insbesondere im Verhältnis zum Insolvenzschuldner persönlich soll der anfechtbare Vertrag beste­ hen bleiben.91 Ob dieses Resultat einen wünschenswerten Rechtszustand darstellt, darf bezwei­ felt werden. Gegenüber dem Schuldner persönlich und dessen beschlagfreiem Ver­ mögen soll der Anfechtungsgegner im Falle eines gegenseitigen Vertrages, den der Anfechtungsgegner bereits erfüllt hat, seine Forderung solange geltend machen können, bis er seine „[…] Gegenleistung zurückfordert (§  144 II [InsO]) und damit den Vertrag der Masse gegenüber abgewickelt hat“.92 Es stellt sich die Frage, ob dann das Rückforderungsverlangen des Anfechtungsgegners gemäß §  144 Abs.  2 InsO zu einer absoluten Unwirksamkeit des anfechtbaren Vertrages führen soll. Diese Konsequenz wäre aus der Konstruktion eigentlich zu ziehen. Damit hätte de facto der Anfechtungsgegner das Bestimmungsrecht darüber, ob der anfechtbare Vertrag endgültig und gegenüber jedermann unwirksam werden soll oder nicht. Es darf bezweifelt werden, dass das Insolvenzanfechtungsrecht eine solche Gestal­ tungsmacht für den Anfechtungsgegner bereithält. Bei einer absoluten Unwirksam­ keit der anfechtbaren Schuldbegründung entsteht dieses Problem nicht. Die einmal unwirksam gewordene Schuldbegründung ist und bleibt gegenüber jedermann un­ wirksam. c)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Im Gegensatz zur hier vertretenen Lösung und der haftungsrechtlichen Sichtweise verneinen die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie einen Einfluss der Insolvenz­ anfechtung auf die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung.93 Demgemäß 89 

Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  331; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328). Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  37; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (328). 91  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  95; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  16a. 92  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  95. 93  BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); BGH WM 2012, 2340 (2342); BGH NZI 2012, 562 (564); BGH NZI 2007, 42 (43); Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  2; Rogge/ Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  2; Zeuner, Anfechtung, Rn.  30. 90 

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bleibt nach dieser Theorie auch die Wirksamkeit der anfechtbaren Schuldbegrün­ dung von der Anfechtung unangetastet.94 Um dennoch zu dem Ergebnis gelangen zu können, dass der Anfechtungsgegner die anfechtbare Forderung nicht gegen die Masse geltend machen kann, wird der Umweg über den Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO genommen. Nach der schuldrechtlichen Theorie darf der An­ fechtungsgegner die Forderung nicht zu Lasten der Insolvenzmasse geltend ma­ chen. Realisiert wird das durch eine Unterlassungspflicht des Anfechtungsgeg­ ners,95 die mithilfe des Rückgewähranspruchs des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO konstru­ iert wird. Teilweise wird auch eine Pflicht zu einem Forderungsverzicht als Lösung herangezogen.96 Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass die Voraussetzungen des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO überhaupt nicht erfüllt sind, da aus dem Vermögen des Schuldners alleine durch die Eingehung einer Verpflichtung nichts „veräußert, weggeben oder aufgegeben“ wird. Zudem passt die in §  143 Abs.  1 S.  1 InsO geregelte Rechtsfolge der Rückgewähr nicht zu dem verwendeten Unterlassungsanspruch. Rückgewähr und Unterlassung haben grundsätzlich nichts miteinander zu tun. Würden die Ver­ treter der schuldrechtliche Theorie einen Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung zugestehen, wäre ein solcher kon­ struktiver Umweg nicht notwendig. Der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO wird alleine deshalb mittels Konstruktion bemüht, um das gewünschte Ergebnis zu er­ zielen. Nicht ohne Grund wird das Vorgehen der schuldrechtlichen Theorie daher als „gesetzwidrige, überflüssige und unangemessene Konstruktion zum Zweck der Harmonisierung“ bezeichnet.97 Eine solche konstruktiv fragwürdige Bemühung des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ist indes bei der hier vertretenen Nichtig­ keitsfolge nicht notwendig. Der Bundesgerichtshof, der ebenfalls noch dem Lager der schuldrechtlichen Theo­r ie zuzurechnen ist,98 behilft sich im Fall der anfechtbaren Schuldbegründung in jüngster Zeit damit, dass er dem Anfechtungsgegner die Berufung auf die der Schuldbegründung zugrunde liegende anfechtbare Willenserklärung versagt.99 Ei­ ner weitergehenden Rückgewähr bedürfe es laut Bundesgerichtshof demgegenüber nicht, vielmehr sei der gläubigerbenachteiligende Vertrag als nicht bestehend zu 94  BGH NZI 2012, 562 (564). In der schuldrechtlichen Literatur wird diese Konsequenz der eigenen Theorie zumeist kaum näher dargestellt; am ehesten zu finden ist der fehlende Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit des Vertrages noch bei Sieber, Rechtsnatur der Gläubi­ geranfechtung, S.  153 f. 95  Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  37 Anm.  5; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenz­ recht 21. Auflage, S.  241; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  154. 96  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  5; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenz­ recht, 21. Auflage, S.  241. 97  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  38. 98  In jüngerer Zeit zeigen sich Tendenzen hinsichtlich einer haftungsrechtlichen Lösung für Kollisionsfälle, BGHZ 156, 350 (359 ff.); daran anschließend BGHZ 178, 171 (176); BGH NZI 2009, 429 (432); siehe hierzu bereits S.  17 f. sowie ausführlich S.  225 ff. 99  BGH ZInsO 2014, 2318 (2319); BGH WM 2012, 2340 (2342); BGH NZI 2012, 562 (564).

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

behandeln.100 Noch weiter geht die Auffassung, wonach „[…] die Forderung entfällt und hieraus keine Rechte gegen die Insolvenzmasse hergeleitet werden können“.101 Dass man sich durch eine solche Deutung einer stets abgelehnten Unwirksamkeit annähert, ohne die notwendigen dogmatischen Konsequenzen zu ziehen, ist offen­ sichtlich.

3.  Anfechtbare Aufhebung von Rechten Durch die Aufhebung von Rechten des Schuldners wird die Aktivmasse verklei­ nert, was regelmäßig zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führt. Im Zentrum der Betrachtung stehen hierbei der Schulderlass gemäß §  397 BGB, der Verzicht auf dingliche Rechte sowie die Aufhebung dinglicher Rechte. a)  Der Schulderlass gemäß §  397 BGB Der Schulderlass als zweiseitiges Rechtsgeschäft102 wirkt unmittelbar auf das Be­ stehen einer Forderung ein und stellt damit ein Verfügungsgeschäft dar.103 Als Ver­ fügungsgeschäft kommt dem Schulderlass insbesondere im Bereich der §§  130, 131 InsO Bedeutung zu.104 Liegt für den Erlassvertrag ein kausaler Rechtsgrund vor, handelt es sich bei dem Schulderlass um die Erfüllung der Forderung und damit um eine Befriedigung im Sinne von §§  130, 131 InsO. Darüber hinaus sind Erlassverträ­ ge im Bereich des §  133 Abs.  1 InsO relevant, da gerade hier der Vorsatz der Gläu­ bigerbenachteiligung nicht selten vorliegen wird. Da der Schulderlass zudem eine Leistung im Sinne von §  134 Abs.  1 InsO darstellen kann105 und diese nicht selten unentgeltlich erfolgt, spielt der Schulderlass auch bei §  134 Abs.  1 InsO eine Rolle. aa)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Nach der hier vertretenen Ansicht ist der Schulderlass zunächst schwebend und mit Verfahrenseröffnung endgültig unwirksam. Die Unwirksamkeit hat zur Folge, dass 100 

BGH ZInsO 2014, 2318 (2319). Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  14; ähnlich Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  4, nach dem die Rechtshandlung der Schuldbegründung „vernachlässigt“ werden soll. 102  Dennhardt in: BeckOK-BGB, §  397 Rn.  1; Pfeiffer in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  397 Rn.  10; Rieble in: Staudinger, BGB, §  397 Rn.  1; Schlüter in: MüKo-BGB, §  397 Rn.  1; Wag­ ner in: Erman, BGB, §  397 Rn.  1. 103  Dennhardt in: BeckOK-BGB, §  397 Rn.  2; Pfeiffer in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  397 Rn.  2; Rieble in: Staudinger, BGB, §  397 Rn.  29; Schlüter in: MüKo-BGB, §  397 Rn.  6; Wag­ ner in: Erman, BGB, §  397 Rn.  1. 104  Henckel in: Jaeger, InsO, §  130 Rn.  15; Kayser in: MüKo-InsO, §  130 Rn.  13 b; Kirchhof, FS Uhlenbruck, S.  269 (271). 105  Kayser in: MüKo-InsO, §  134 Rn.  8. 101 

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die Forderung gegen den Anfechtungsgegner zu keinem Zeitpunkt erlischt und demgemäß vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Hierdurch wird eine Verminderung der Aktivmasse vermieden, wodurch die Befriedigungschancen der Insolvenzgläubiger steigen und die par conditio creditorum sichergestellt wird. Da durch den Erlass der Forderung kein weiterer Vermögenswert an den Anfech­ tungsgegner fließt, hat es auch im Falle des anfechtbaren Schulderlasses mit der Nichtigkeit sein Bewenden. Der Geltendmachung des Rückgewähranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO bedarf es damit ebensowenig wie in den Fällen der anfecht­ baren Schuldbegründung und anfechtbaren Forderungsabtretung. bb)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die haftungsrechtliche Theorie kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Auch hiernach kann der Insolvenzverwalter die anfechtbar erlassene Schuld gegenüber dem Forderungsgegner geltend machen, ohne dass es einer zusätzlichen Rückge­ währ durch den Anfechtungsgegner bedarf.106 Die rein haftungsrechtliche Unwirk­ samkeit des Schulderlasses führe dazu, dass die Forderung noch zum Haftungsver­ mögen des Insolvenzschuldners gehöre.107 Nach Paulus führt die haftungsrechtli­ che Sichtweise allerdings dazu, dass „die angestrebte Verfügungswirkung […] im Verhältnis zu den Gläubigern und nur zu ihnen nicht eingetreten“ sei.108 An dieser Stelle ist erneut anzumerken, dass eine relativ wirkende Rechtsfolge nicht zur Rechtsklarheit beiträgt. Für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die an­ fechtbar erlassene Forderung etwa aufgrund mangelnder Solvenz des Anfechtungs­ gegners nicht geltend macht, stellt sich die Frage, ob der Schulderlass nach Beendi­ gung des Verfahrens gegenüber dem Insolvenzschuldner wieder Gültigkeit erlangt. Das müsste man eigentlich bejahen, da die haftungsrechtliche Unwirksamkeit des Erlasses nur gegenüber den Insolvenzgläubigern Wirksamkeit entfaltet und damit gerade nicht gegenüber dem Schuldner. Die haftungsrechtliche Deutung würde da­ mit im Ergebnis zu einer Art temporären Unwirksamkeit des anfechtbaren Schuld­ erlasses sowie daraus folgend zu einem zeitlich für die Dauer des Verfahrens wir­ kenden Wiederaufleben der Forderung führen. Es erscheint indes fraglich, ob eine solche temporäre Unwirksamkeit überhaupt möglich ist. Eine Vergleichbarkeit zu der hier vertretenen schwebenden Unwirksamkeit vor Verfahrenseröffnung ist nicht gegeben. Die schwebende Unwirksamkeit führt entweder zur endgültigen Unwirk­ samkeit des Schulderlasses bei Verfahrenseröffnung oder zu einer erstmaligen Wirksamkeit des Schulderlasses, wenn die Anfechtungsperiode ohne vorherige Verfahrenseröffnung endet. Dagegen hat die haftungsrechtliche Theorie einen Wechsel von der Wirksamkeit über die Unwirksamkeit hin zu erneuten Wirksam­ 106  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  42; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  326; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (327). 107  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  42. 108  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (327).

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

keit des Schulderlasses zur Folge, was dogmatisch kaum zu erklären ist. Die mit der haftungsrechtlichen Sichtweise verbundenen Folgeprobleme sind nicht von der Hand zu weisen. Allgayer, ebenfalls Vertreter der haftungsrechtlichen Sichtweise, wählt demge­ genüber einen anderen Begründungsansatz: Er sieht die Wirkungsweise der Insol­ venzanfechtung im Falle des Forderungsverzichts in einer materiellrechtlichen Fik­ tion, wonach die Situation zwischen Insolvenzverwalter und Anfechtungsgegner so anzusehen sei, „[…] als wäre der Erlass nicht geschehen“.109 Unabhängig von der inhaltlichen Überzeugungskraft dieser Meinung, spiegelt die Konstruktion die Schwäche der haftungsrechtlichen Theorie wider. Letztlich lässt sich nahezu jedes Ergebnis begründen, was eine gewisse Beliebigkeit in der Ergebnisfindung offen­ bart.110 cc)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Nach der schuldrechtlichen Theorie ist eine Unwirksamkeit des anfechtbaren Schuld­erlasses nicht möglich,111 sodass ein automatisches Wiederaufleben der For­ derung nicht in Betracht kommt. Um die erlassene Forderung gleichwohl für die Insolvenzmasse fruchtbar zu machen, muss eine Verpflichtung des Anfechtungs­ gegners zur vertraglichen Neubegründung konstruiert werden.112 Der schuldrecht­ liche Anspruch auf Wiederherstellung der erlassenen Forderung folgt aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO. Diese Sichtweite hat zur Konsequenz, dass der Insolvenzverwalter den Anfechtungsgegner zunächst auf Neubegründung der Forderung in Anspruch nehmen muss, um in einem weiteren Schritt die eigentliche Forderung einklagen zu können.113 Da auch Vertreter der schuldrechtlichen Theorie diese Vorgehensweise als „sinn- und zwecklose[n] Umweg“114 erkennen, wird der Anspruch dergestalt modifiziert, dass der Schuldner der erlassenen Forderung schlicht dazu verpflichtet wird, nach wie vor zu leisten115 und somit ohne weiteren Zwischenschritt gleich auf Zahlung verklagt werden kann.116 Teilweise wird auch vertreten, dass der Anfech­ tungsgegner dazu verpflichtet werden soll, sich so zu verhalten, als ob die erlassene Forderung noch existieren würde.117 109 

Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  578. Ähnlich Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  97. 111  Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  12; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeran­ fechtung, S.  156; siehe auch Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  18. 112  Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  85; Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  12. 113  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  43. 114  RGZ 48, 148 (150); RG GruchBeitr 41 (1897), 1103 (1107); siehe auch Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  43. 115  Jaeger, KO, §  29 Anm.  20, §  37 Anm.  3; ähnlich für die Anfechtung einer Aufrechnungsver­ einbarung nach dem AnfG: BGH ZZP 73 (1960), 108 (112). 116  RG GruchBeitr 41 (1897), 1103 (1107); so wohl auch Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  10. 117  Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  111; ähnlich Kreft in: HK-InsO, §  129 110 

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Auf den schuldrechtlichen Anspruch auf Wiederherstellung der Forderung als Zwischenschritt wird damit aus Praktikabilitätsgründen letztlich verzichtet. Er wird sozusagen „weginterpretiert“.118 Diese Vorgehensweise mag zwar für die Praxis tauglich sein, allerdings erscheint es dogmatisch fragwürdig, die Lösung über den Rückgewähranspruch dergestalt zu konstruieren, dass er letztlich einer Unwirksam­ keit des Schulderlasses gleichkommt. Der schuldrechtlichen Lösung wird deswegen von Paulus zu Recht unterstellt, „daß es sich dabei nur um einen verunglückten Versuch handeln kann, widerstrebende Gerüstteile in die durch eine sakrosankte Bauidee unantastbar festgelegte Konstruktion mit Druck und Zwang hineinzupres­ sen […]“.119 Sogar Vertreter der schuldrechtlichen Theorie erkennen die dogmati­ sche Unzulänglichkeit der eigenen Theorie an, wenngleich sie diese sprachlich ab­ zumildern versuchen.120 Selbst wenn man diese „Abkürzung“ nicht anwenden würde und stattdessen tat­ sächlich einen Anspruch gegen den Anfechtungsgegner auf Neubegründung der erlassenen Forderung aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO befürworten würde, spräche ein gewichtiger Grund gegen diese Lösung: §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ordnet die Rückge­ währ des aus der Masse aufgegeben Gegenstandes an. Die erlassene Forderung kann man zwar problemlos als „aufgegebenen“ Gegenstand im Sinne von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO einordnen. Allerdings bestehen andere methodische Bedenken gegen eine Anwendung von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO: Das Wort „Rückgewähr“ impliziert, dass etwas gegenständlich in das Vermögen des Anfechtungsgegners übergegangen sein muss. Denn ohne gegenständlichen Vermögenszuwachs beim Anfechtungsgegner kann dieser schwerlich etwas an den Insolvenzschuldner „zurückgewähren“. Bei einem Forderungserlass ist es jedoch so, dass gegenständlich kein Vermögenszu­ wachs beim Anfechtungsgegner eintritt. Lediglich seine Verbindlichkeiten werden verringert. Mit der Rechtsfolge der Rückgewähr lässt sich die Verringerung auf der Passivseite, zumindest was den Wortlaut von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO angeht, schwer­ lich vereinbaren. Auch wenn man diese Hürde noch überspringen könnte, indem man den gegen­ ständlichen Vermögenszuwachs beim Anfechtungsgegner in der Befreiung von ei­ ner Verbindlichkeit sieht, spricht ein weiterer Punkt gegen eine Anwendung von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO: Da die Forderung durch den Schulderlass erloschen ist, kann sie nicht gegenständlich „zurückgewährt“ werden. Durch das Erlöschen der Forde­ rung ist eine Rückgewähr selbiger nicht möglich, da das Recht als solches unter­ geht.121 Die Neubegründung der Forderung, die von der schuldrechtlichen Theorie Rn.  72, §  143 Rn.  4: Der Anfechtungsgegner kann sich auf einen anfechtbaren Rechtsverzicht nicht berufen. 118  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  43. 119  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (327). 120  Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  110, sieht die schuldrechtliche Lehre hier nur als „umständlich“. 121  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  19; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  74.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO herausgelesen wird, stellt damit keine „Rückgewähr“ dar, sondern vielmehr ein Aliud. Dieses Aliud ist indes nicht von der Rechtsfolge des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO umfasst. Die von der schuldrechtlichen Theorie angestrebte Rechtsfolge der Forderungsneubegründung kann wegen des Erlöschens der Forde­ rung und der damit einhergehenden Unmöglichkeit der Rückgewähr der Forderung rechtstechnisch nur über den Weg der sekundären Rechtsfolge des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO bewerkstelligt werden.122 §  143 Abs.  1 S.  2 InsO verweist auf §§  819, 818 Abs.  4, 292 Abs.  1, 989 BGB und stellt damit einen Schadensersatzanspruch dar,123 der gemäß §  989 BGB verschuldensabhängig ist. Durch die Neubegründung der Forderung wird dementsprechend der Schaden im Wege der Naturalrestitution ge­ mäß §  249 Abs.  1 BGB ersetzt. Soweit ersichtlich, wird der eigentlich notwendige Weg über §  143 Abs.  1 S.  2 InsO von der schuldrechtlichen Theorie allerdings nicht gegangen,124 sodass auch das gemäß §  989 BGB notwendige Verschuldensmerk­ mal nicht geprüft wird. Man kann erkennen, dass die schuldrechtliche Deutung hinsichtlich ihrer prakti­ schen Ausgestaltung inkonsistent ist und zudem von der Rechtsfolge des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht gedeckt wird. Im Gegensatz hierzu liefert die vorliegend ver­ tretene Nichtigkeitsfolge ein praktisch einfaches und brauchbares Ergebnis, das zu­ dem dogmatisch stringent aufgrund der Verwandtschaft der Insolvenzanfechtung zur Sittenwidrigkeit zu begründen ist. Nicht umsonst wird das Resultat der klassi­ schen dinglichen Theorie, das der hier vertretenen Nichtigkeitsfolge im Ergebnis entspricht, auch von Vertretern der schuldrechtlichen Theorie im Rahmen der An­ fechtung von Schulderlassen als überzeugend bezeichnet.125 b)  Verzicht auf dingliche Rechte und deren Aufhebung Durch den Verzicht auf ein dingliches Recht sowie dessen Aufhebung durch den Insolvenzschuldner werden ebenso wie im Falle des Schulderlasses die Aktivmasse verkleinert und damit die Chancen der Insolvenzgläubiger auf Befriedigung redu­ ziert. Der Verzicht sowie die Aufhebung eines dinglichen Rechts wirken unmittel­ bar auf das Recht ein und stellen deswegen Verfügungen dar,126 weshalb die An­ 122  So wohl auch Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.20, 20.8; Bork, Einführung, Rn.  223 Fn.  104; siehe auch Allgayer, Rechtsfolgen und Wir­ kungen, Rn.  576. 123  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  17, 23; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  107 ff.; Jaco­ by in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  59; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  20; a. A.: Riggert in: Braun, InsO, §  143 Rn.  13. 124  Einzig Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.20, 20.8, sowie Bork, Einführung, Rn.  267 Fn.  133, erwähnen den sekundären Wertersatzanspruch. Bork ist indes kaum mehr als Vertreter der schuldrechtlichen Theorie zu werten; siehe Bork, Ein­ führung, Rn.  268. 125  Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  110; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeran­ fechtung, S.  155. 126  Statt vieler Bayreuther, in: MüKo-BGB, §  185 Rn.  3.

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fechtbarkeit der Verfügungen von der Anfechtbarkeit der zugrunde liegenden Kau­ salgeschäfte zu unterscheiden ist.127 Der Verzicht auf dingliche Rechte sowie deren Aufhebung sind anfechtungsrechtlich wie der Schulderlass im Rahmen der §§  130, 131 InsO, §  134 Abs.  1 InsO und insbesondere des §  133 Abs.  1 InsO128 relevant. Die Auswirkungen der Anfechtung sollen anhand der Beispiele des Verzichts auf eine Hypothek sowie deren Aufhebung dargestellt werden. aa)  Verzicht auf eine Hypothek gemäß §  1168 Abs.  1 BGB Der Verzicht auf eine Hypothek gemäß §  1168 Abs.  1 BGB stellt eine Verfügung dar,129 bei welcher der Hypothekengläubiger die Hypothek aufgibt.130 Zudem führt der Verzicht gemäß §§  1168 Abs.  1, 1177 BGB dazu, dass der Eigentümer des Grundstücks eine Eigentümergrundschuld erwirbt. Zu seiner Wirksamkeit bedarf der Verzicht neben einer entsprechenden Verzichtserklärung der Eintragung in das Grundbuch, §  1168 Abs.  2 BGB. (1)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Die Rechtsfolge der Anfechtung liegt in der Nichtigkeit des Verzichts. Infolge der zunächst schwebenden und dann endgültigen Unwirksamkeit, bleibt der Insolvenz­ schuldner jederzeit Inhaber der Hypothek. Aufgrund dieser Rechtsfolge ist auch das Entstehen einer Eigentümergrundschuld in der Person des Grundstückseigentümers gemäß §§  1168, 1177 BGB unwirksam. Da der Verzicht in das Grundbuch einzutra­ gen ist und sich daraus ergibt, dass für den Eigentümer eine Eigentümergrundschuld besteht,131 ist das Grundbuch infolge der Anfechtung unrichtig geworden. Alleine mit der Unwirksamkeitsfolge der Anfechtung ist dem Insolvenzverwalter deshalb nicht gedient. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs spricht gemäß §  892 Abs.  1 BGB für den eingetragenen Grundschuldinhaber. Es muss deshalb zusätzlich zur unmittelbaren Nichtigkeitsfolge eine Möglichkeit für den Insolvenzverwalter bestehen, das Grundbuch dergestalt zu berichtigen, dass die Hypothek ordnungsgemäß auf den Schuldner eingetragen und damit die wirkli­ che Rechtslage im Grundbuch widergespiegelt wird. An dieser Stelle greift der Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ein: Der Anfechtungsgegner, in diesem Fall also der Grundstückseigentümer und vermeintliche Inhaber der Eigen­ tümergrundschuld, muss den vom Schuldner aufgegebenen Gegenstand – die feh­ lerhafte Grundbuchposition – an die Masse zurückgewähren. Anders als im Falle des Forderungserlasses ist mit der Buchposition etwas gegenständlich in das Ver­ 127 

Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  48. Henckel in: Jaeger, InsO, §  133 Rn.  48. 129  Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1168 Rn.  2. 130  Eickmann in: MüKo-BGB, §  1168 Rn.  3; Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1168 Rn.  1. 131  Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1168 Rn.  20 f. 128 

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

mögen des Anfechtungsgegners gelangt. Die Rückgewähr der Buchposition voll­ zieht sich nach §  894 BGB, sodass der anfechtende Insolvenzverwalter vom An­ fechtungsgegner die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs verlangen kann. Von der Anspruchsgrundlage her deckt sich der Fall damit mit demjenigen der Übereigung einer unbeweglichen Sache. Zur Sicherung des Berichtigungsan­ spruchs ist die Eintragung eines Widerspruchs in das Grundbuch gemäß §  899 Abs.  1 BGB möglich. (2)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Nach der haftungsrechtlichen Theorie ist der Verzicht haftungsrechtlich unwirk­ sam.132 Die Hypothek ist danach zwar erloschen, allerdings verbleibt durch die haf­ tungsrechtliche Unwirksamkeit die Haftungsfunktion der Hypothek zwecks Haf­ tungsrealisierung in der Masse.133 Im Gegensatz zur hier vertretenen Nichtigkeits­ folge ändert die haftungsrechtliche Unwirksamkeit jedoch nichts an dem Umstand, dass mit dem Verzicht eine Eigentümergrundschuld beim Anfechtungsgegner ent­ standen ist und damit die Verfügungsbefugnis beim Grundstückseigentümer liegt.134 Um für den Insolvenzverwalter die Haftung aus der Hypothek realisieren zu können, muss demnach die volle Rechtszuordnung zur Masse wiederhergestellt werden.135 Neben der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit ist also auch nach der haftungsrechtlichen Theorie ein weiterer Schritt notwendig, um den Insolvenzver­ walter in den Stand zu versetzen, die Hypothek für die Masse nutzbar zu machen. Im Gegensatz zu dem vorstehend vertretenen Ergebnis eines Grundbuchberichti­ gungsanspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  894 BGB wird der Anfechtungsgegner verpflichtet, die Hypothek wiederherzustellen.136 Der An­ spruch auf Wiederherstellung folgt nach der haftungsrechtlichen Theorie aus dem anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO.137 Hen­ ckel geht sogar so weit, den Anfechtungsgegner zur Übertragung der Eigentümer­ grundschuld in die Masse zu verpflichten.138 Dieses Ergebnis überzeugt nicht, da mit der Grundschuld mehr in die Masse fließen würde, als durch die Hypothek aufgegeben wurde.

132 

Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  327; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  48. Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  327. 134  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  327; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  48. 135  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  48. 136  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  327; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (333). 137  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  48; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (333). 138  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  48. 133 

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(3)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die schuldrechtliche Theorie gelangt trotz Wirksamkeit des Verzichts zu demselben Ergebnis wie die haftungsrechtliche Theorie.139 Nach der schuldrechtlichen Theorie wird der Anfechtungsgegner infolge der Anfechtung aufgrund des Rückgewähran­ spruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO verpflichtet, die Hypothek durch Wiederherstel­ lung in die Masse zurückzuübertragen.140 Es stellt sich die Frage, worin der unmittelbare Vorteil einer haftungsrechtlichen Deutung der Insolvenzanfechtung gegenüber der schuldrechtlichen Theorie zu er­ blicken sein soll, wenn das gleiche Ergebnis erzielt wird. Da auch durch die haf­ tungsrechtliche Unwirksamkeit der Anfechtungsgegner weiterhin Inhaber der Ei­ gentümergrundschuld bleibt, vermag er sie auf einen Dritten zu übertragen. Er wür­ de in diesem Fall nur noch auf sekundären Schadensersatz gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO haften, der zudem vom Verschulden des Anfechtungsgegners abhängig ist. Im Falle einer nachfolgenden Insolvenz des Anfechtungsgegners wäre dem Insolvenz­ verwalter mit der Quote, die er auf diesen Schadensersatzanspruch erhalten würde, wenig gedient. Im Gegensatz hierzu wäre eine Übertragung der Grundschuld auf einen Dritten bei Annahme der Unwirksamkeitsfolge nur unter der Gutglaubensvoraussetzung des §  892 Abs.  1 BGB und damit unter schwierigeren Voraussetzungen möglich. Da der Insolvenzverwalter zudem einen Widerspruch im Grundbuch erwirken und da­ mit einen gutgläubigen Erwerb gemäß §  892 Abs.  1 BGB ausschließen könnte, ist dem Grundsatz der par conditio creditorum mit der hier vertretenen Lösung we­ sentlich besser gedient. bb)  Aufhebung der Hypothek gemäß §  1183 BGB Die Aufhebung der Hypothek führt zum Erlöschen des dinglichen Rechts.141 Die Aufhebung gemäß §  1183 S.  1 BGB setzt neben der Aufhebungserklärung des Hy­ pothekengläubigers die Zustimmung des Eigentümers voraus. Gleichwohl handelt es nicht um ein Rechtsgeschäft zwischen Gläubiger und Grundstückseigentümer.142 Gemäß §  875 Abs.  1 S.  1 BGB bedarf die Aufhebung ebenso wie der Verzicht der Eintragung in das Grundbuch.143 Da die Aufhebungserklärung des Insolvenz­ schuldners gleichzeitig eine Verzichtserklärung im Sinne von §  1168 BGB dar­ stellt,144 handelt es sich bei der Zustimmung des Grundstücksinhabers de facto um 139 

Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  49. Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  37 Anm.  13; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  97, sieht den An­ fechtungsgegner sogar dazu verpflichtet, die entstandene Eigentümergrundschuld in die Masse zu übertragen. 141  Eickmann in: MüKo-BGB, §  1183 Rn.  1; Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  21. 142  Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  10. 143  Eickmann in: MüKo-BGB, §  1183 Rn.  2; Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  19. 144  Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  3. 140 

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

den Verzicht auf die Eigentümergrundschuld145 als Folge der §§  1168, 1177 BGB und somit um eine Verfügung.146 Da die Masse bereits durch die Aufhebungserklä­ rung des Insolvenzschuldners den Zugriff auf die Hypothek verliert und hierdurch die Gläubiger benachteiligt werden, kommt eine zusätzliche Benachteiligung durch die Zustimmungserklärung des Eigentümers gemäß §  1183 S.  1 BGB nicht in Be­ tracht. Anfechtbare Rechtshandlung ist damit die Aufhebungserklärung des Insol­ venzschuldners als Hypothekeninhaber. (1)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Aufgrund der Nichtigkeitsfolge der Anfechtung ist die Aufgabe der Hypothek zu­ nächst schwebend und mit Verfahrenseröffnung endgültig unwirksam. Die Hypo­ thek ist demnach nicht erloschen. Insofern ergibt sich kein Unterschied zur Anfech­ tung des Verzichts auf die Hypothek gemäß §  1168 BGB. Da gemäß §  875 Abs.  1 BGB die Löschung der Hypothek in das Grundbuch eingetragen ist, folgt daraus die Unrichtigkeit des Grundbuchs. Dem Insolvenzverwalter steht ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit 894 BGB gegen den Grundstückseigentümer zu. Da der Insolvenzschuldner Inhaber der Hypothek geblieben ist, rücken nachran­ gige Grundpfandrechte im Rang nicht auf.147 Im Gegensatz zu Theorien, die einen Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit der Hypothekenaufhebung verneinen, stellt sich daher das Problem, wie der ursprüngliche Rang der Hypothek wiedererlangt werden kann, nicht. Eine Inanspruchnahme des Grundstückseigentü­ mers als Anfechtungsgegner käme nicht in Betracht, da dieser durch das Aufrücken anderer dinglicher Belastungen an seinem Grundstück nichts erlangt hat, das er nach §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zurückgewähren könnte.148 Somit wäre eine Anfech­ tung gegenüber den Inhabern der aufgerückten Grundpfandechte zu prüfen. Die teilweise vertretene Annahme einer Anfechtungsmöglichkeit nach §  134 Abs.  1 InsO149 erscheint zweifelhaft. Man müsste in dem ermöglichten Rangvorteil eine unentgeltliche Leistung des Schuldners an die Grundpfandrechtsinhaber erblicken. Dies wäre nur dann möglich, wenn man den Begriff der Leistung anders definieren würde als den Leistungsbegriff des §  812 BGB, was indes der herrschenden Mei­ nung entspricht.150 Wenn man jedoch auf zivilrechtliche Prinzipien abstellt, könnte 145 

Eickmann in: MüKo-BGB, §  1183 Rn.  1; Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  4. Eickmann in: MüKo-BGB, §  1183 Rn.  7; Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  8. 147  Zu dieser Rechtsfolge bei Aufhebung der Hypothek siehe Berger in: Jauernig, BGB, §  1183 Rn.  3; Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, §  1183 Rn.  21. 148  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  50. 149  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  50. 150  Am deutlichsten wird dies bei Henckel in: Jaeger, InsO, §  134 Rn.  8 und Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  129 Rn.  87, §  134 Rn.  15; im Ergebnis ebenso Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  134 Rn.  15; Dauernheim in: FK-InsO, §  134 Rn.  6; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringst­ meier, InsO, §  134 Rn.  2; Kayser in: MüKo-InsO, §  134 Rn.  5; Rogge/Leptien in: Hamburger Kom­ 146 

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in dem ermöglichten Rangvorteil keine Leistung erblickt werden, da der Schuldner bei Aufhebung der Hypothek kaum an etwaige nachrangige Rechte denkt, sodass diesbezüglich keine bewusste und vor allem zweckgerichtete Mehrung des Vermö­ gens151 der Rechteinhaber vorliegt. (2)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie sehen die anfechtbare Aufhebung der Hypothek abermals als nur rein haftungsrechtlich unwirksam an mit der Folge, dass „[…] das Grundstück für die Hypothek forthaftet“.152 Die Hypothek steht also „[…] zum Zwecke der Haftungsrealisierung noch so zur Verfügung, als sei der anfecht­ bare Verzicht oder Erlaß nicht erfolgt“.153 Bei der Frage, ob es einer Wiederherstel­ lung der Hypothek bedarf, wird je nach Art der vom Insolvenzverwalter angestreb­ ten Form der Verwertung eine unterschiedliche Rechtsfolge und Vorgehensweise für richtig erachtet.154 So hält Henckel eine Wiederherstellung der Hypothek zur Haftungsverwirklichung grundsätzlich für entbehrlich und erachtet eine Anmel­ dung der gelöschten Hypothek im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß §§  37 Nr.  4, 45 Abs.  1 ZVG sowie eine Berufung des Insolvenzverwalters auf die haf­ tungsrechtliche Unwirksamkeit im Falle des Widerspruchs des Eigentümers im Verteilungsplan für ausreichend.155 Möchte der Insolvenzverwalter die Hypothek dagegen durch Abtretung verwerten, muss er auf deren Bewilligung im letzten Rang klagen.156 Ebenso hält Gerhardt in diesem Fall eine „haftungsrechtliche Kon­ diktion“ auf Wiederherstellung der Hypothek für notwendig, da nur die Haftungs­ funktion des Rechts in der Masse verblieben ist, während dagegen die Rechtsinha­ berschaft als solche durch die Insolvenzanfechtung nicht berührt wurde.157 Unabähnig von grundsätzlichen Zweifeln an der Aufspaltung des rechtlichen Schicksals verschiedener Funktionen ein und desselben Rechts158 vermag die „fle­ xible“ Lösung der haftungsrechtlichen Theorie nicht zu überzeugen. Es ist – abge­ sehen von Praktikabilitätsgesichtspunkten – kein dogmatisch überzeugender Grund ersichtlich, weshalb die Rechtsfolge hinsichtlich der Anfechtung derselben rechtli­ mentar, InsO, §  134 Rn.  2; Thole in: HK-InsO, §  134 Rn.  6; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  134 Rn.  4. 151  Zur Definition des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs siehe statt vieler Sprau in: Palandt, BGB, §  812 Rn.  14. 152  Henckel in: Jaeger, InsO, §143 Rn.  50. 153  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  327. 154  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  50; nicht differenzierend hingegen Allgayer, Rechtsfol­ gen und Wirkungen, Rn.  595. 155  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  50. 156  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  50. 157  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  327. 158  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  27 ff.; Henckel, JuS 1985, 836 (842); Kindl, NZG 1998, 321 (324); kritisch hierzu Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  56, sowie Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  97.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

chen Handlung unterschiedlich ausfallen soll, je nachdem welche Verwertungsart der Insolvenzverwalter anstrebt. Zudem erscheint es sehr gut möglich, dass das Zwangsversteigerungsgericht eine Anmeldung der Hypothek durch den Insolvenz­ verwalter nicht berücksichtigt, da deren Inhaberschaft aus dem Grundbuch nicht ersichtlich wird und im zu erwartenden Fall eines Widerspruch durch den Eigentü­ mer eine Glaubhaftmachung der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit durch den In­ solvenzverwalter nicht ohne Weiteres gelingen wird.159 Der Insolvenzverwalter wird also ohne eine Wiederherstellung der Hypothek kaum auskommen. (3)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die schuldrechtliche Theorie sieht die Aufhebung der Hypothek als vollwirksam an mit der Konsequenz, dass die Hypothek erloschen ist.160 Folge der Anfechtung der Aufhebung ist ein schuldrechtlicher Anspruch auf Wiederherstellung der Hypothek gegenüber dem Grundstückseigentümer als Anfechtungsgegner gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO,161 unabhängig von der Art der Verwertung seitens des Insolvenzverwal­ ters.162 Im Gegensatz zur Lösung beim anfechtbaren Schulderlass ist die Rechtsfol­ ge dogmatisch konsequent.

4.  Ergebnis: §  143 Abs.  1 S.  1 InsO als Verweisungsnorm Die vorstehende Untersuchung einzelner anfechtbarer Rechtshandlungen hat ge­ zeigt, dass nicht in jedem Fall der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO notwendig ist, um die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen rückgängig zu machen. Insbe­ sondere in Fällen, in denen kein gegenständlicher Vermögenswert auf den Anfech­ tungsgegner übertragen wurde, ist die Nichtigkeit der anfechtbaren Rechtshandlung ausreichend um die par conditio creditorum wiederherzustellen. Sollte hingegen ein Vermögenswert an den Anfechtungsgegener „veräußert, weg­ geben oder aufgegeben“ worden sein, wird dem Insolvenzverwalter mit §  143 Abs.  1 S.  1 InsO eine Anspruchsgrundlage an die Hand gegeben, mittels derer er den Ge­ genstand in die Masse zurückholen kann. Dabei fällt auf, dass §  143 Abs.  1 S.  1 InsO keinen einheitlichen Inhalt aufweist. Je nach Typus der anfechtbaren Rechtshandlung kann §  143 Abs.  1 S.  1 InsO etwa den Inhalt des §  985 BGB oder des §  894 BGB aufweisen. Damit stellt §  143 Abs.  1 S.  1 InsO letztlich eine Verweisungsnorm auf zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen dar. Daraus folgt die Konsequenz, dass §  143 Abs.  1 S.  1 InsO als zentrale Rechts­ folgenvorschrift des Insolvenzanfechtungsrechts selbst de facto keinen unmittelba­ 159 

Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  49, unter Verweis auf §  45 Abs.  1 ZVG. Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  51. 161  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  9. 162  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  51. 160 

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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ren Inhalt hat. Dieser muss vielmehr erst durch zivilrechtliche Anspruchsgrundla­ gen konkretisiert werden. Dies als Kritikpunkt bezüglich einer Unwirksamkeitsfolge zu verwenden, würde die Komplexität des Insolvenzanfechtungsrechts ausblenden. Da von der Anfech­ tung Rechtshandlungen unterschiedlichsten Typs erfasst werden, darunter insbe­ sondere Verfügungsgeschäfte hinsichtlich beweglicher und unbeweglicher Sachen, verwundert es nicht, dass eine Anspruchsgrundlage wie §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht mit einer für alle Fälle einheitlichen Rechtsfolge auskommt. Speziell die Unwirk­ samkeit von Verfügungsgeschäften hinsichtlich Mobilien und Immobilien hat im Zivilrecht unterschiedliche Rechtsfolgen. Demgemäß ist es nur folgerichtig, dass diese Differenzierung auch in der Insolvenzanfechtung Berücksichtigung findet.

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist die Frage, wie sich die Nichtig­ keitsfolge der Insolvenzanfechtung auf die Bewertung der sogenannten Kollisions­ fälle163 auswirkt. Kollisionsfälle zeichnen sich dadurch aus, dass Eigengläubiger des Anfechtungsgegners Zugriff auf den von der Anfechtung betroffenen Gegen­ stand nehmen und es dementsprechend zu einer Kollision des Anfechtungsrechts des Insolvenzverwalters mit den Zugriffsrechten dieser Gläubiger kommt. Die Pro­ blematik tritt in zwei Facetten auf: Zum einen besteht die Möglichkeit, dass über das Vermögen des Anfechtungs­ gegners ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Insolvenzverwalter des Anfechtungsgegners wird dessen Masse verwerten und dabei Zugriff auf das „Anfechtungsgut“164 nehmen. Es stellt sich dabei die Frage, wem das Anfechtungs­ gut zwecks Verwertung gebührt. Das kann entweder der Insolvenzverwalter des „ursprünglichen“ Insolvenzschuldners sein oder der Insolvenzverwalter des nun ebenfalls insolventen Anfechtungsgegners. Das Problem ist von nicht unpraktischer Bedeutung. Man denke nur an eine Konzerninsolvenz, die häufig eine Art „Do­ minoeffekt“ bei mehreren Konzernunternehmen auslöst.165 Nicht zu Unrecht wird diese Konstellation daher als die „eigentliche Bewährungsprobe“ der verschiedenen Anfechtungstheorien bezeichnet.166 Der zweite Kollisionsfall ist in dem Zugriff eines Eigengläubigers des Anfech­ tungsgegners auf das Anfechtungsgut mittels Zwangsvollstreckung zu erblicken. Es stellt sich hier die Frage, ob der Insolvenzverwalter die Vollstreckung in den Gegen­ stand verhindern kann. 163 

So die treffende Bezeichnung von Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  157. Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  87. 165  Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  157. 166  Neben Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  77, wählen diese Bezeichnung noch Kindl, NZG 1998, 321 (325), sowie Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  157. 164 

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

1.  Insolvenz des Anfechtungsgegners Fällt der Anfechtungsgegner in die Insolvenz, wird dessen Insolvenzverwalter ge­ mäß §  148 Abs.  1 InsO die tatsächliche Sachherrschaft über die Gegenstände der Insolvenzmasse ergreifen und mittels der auf ihn gemäß §  80 Abs.  1 InsO überge­ gangenen Verfügungsbefugnis seiner Verwertungspflicht aus §  159 InsO167 nach­ kommen. Befindet sich der von der Anfechtung betroffene Gegenstand im Besitz des Anfechtungsgegners wird dessen Insolvenzverwalter folglich darauf Zugriff nehmen und versuchen, den Gegenstand zugunsten der Masse zu verwerten. Es stellt sich die Frage, ob für den Insolvenzverwalter des „ursprünglichen“ In­ solvenzschuldners die Möglichkeit besteht, den von der Anfechtung betroffenen Gegenstand zu „seiner“ Masse zurückzuholen, um ihn für diese, wie von den Re­ geln der Insolvenzanfechtung intendiert, verwerten zu können. Das ist nur dann möglich, wenn dem Insolvenzverwalter ein Aussonderungsrecht gemäß §  47 S.  1 InsO an dem Gegenstand zusteht. Gemäß §  35 Abs.  1 InsO werden von der Insol­ venzmasse nur solche Gegenstände erfasst, die dem Schuldner gehören. Ein Aus­ sonderungsrecht gemäß §  47 S.  1 InsO würde dem Insolvenzverwalter die Möglich­ keit geben, den Gegenstand zu „seiner“ Insolvenzmasse zurückzuziehen, damit er nicht zugunsten der Insolvenzgläubiger des Anfechtungsgegners verwertet werden könnte.168 Gemäß §  47 S.  2 InsO bestimmt sich der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Aussonderung nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. Das bedeutet, dass dem Insolvenzverwalter des „ursprünglichen“ Insolvenzschuld­ ners aufgrund des materiellen Rechts ein Anspruch zustehen muss, der zur Ausson­ derung berechtigt.169 Das ist gemäß §  47 S.  1 InsO dann der Fall, wenn infolge ei­ nes dinglichen oder persönlichen Rechts des Aussonderungsberechtigten der Ge­ genstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Würde dem Insolvenzverwalter ein solcher Anspruch nach dem materiellen Recht nicht zugewiesen sein, würde er als gewöhnlicher Insolvenzgläubiger behandelt werden, §§  47 S.  1, 38 InsO. Das hätte zur Folge, dass er seinen Anfechtungsanspruch gegen den Anfechtungsgegner ge­ mäß §§  45, 174 InsO nur als gewöhnliche Insolvenzforderung anmelden könnte und sich demgemäß mit der zu erwartenden Quote bescheiden müsste – zum Schaden der Insolvenzgläubiger des „ursprünglichen“ Insolvenzschuldners. Zur Aussonderung berechtigen ausweislich des Wortlauts des §  47 S.  1 InsO dingliche oder persönliche Rechte. Was die persönlichen Rechte anbelangt, sind damit jedoch nur schuldrechtliche Ansprüche gemeint, aufgrund derer der schuld­ rechtlich Berechtigte die Sache herausverlangen kann,170 weil diese nicht dem 167 

Görg/Janssen in: MüKo-InsO, §  159 Rn.  1. Statt vieler Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  3. 169  Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  4. 170  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  61; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  341; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  15. 168 

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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Schuldner gehören.171 Zu solchen Ansprüchen zählen insbesondere die Herausgabe­ ansprüche des Vermieters gemäß §  546 Abs.  1 BGB, des Verpächters gemäß §§  581 Abs.  2, 546 Abs.  1 BGB, des Verleihers gemäß §  604 Abs.  1 BGB, des Auftragge­ bers hinsichtlich der dem Auftragnehmer überlassenen Gegenstände gemäß §  667, 1. Fall BGB sowie des Hinterlegers gemäß §  695 BGB.172 Nicht zur Aussonderung berechtigen dagegen schuldrechtliche Ansprüche, die lediglich auf Verschaffung gerichtet sind,173 wie Ansprüche auf Erfüllung schuldrechtlicher Verträge, Rückge­ währansprüche gemäß §  346 Abs.  1 BGB sowie Bereicherungsansprüche.174 Es gilt daher zu klären, von welcher rechtlichen Qualität der aus der Insolvenzanfechtung folgende Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ist, ob dieser also ein Aussonderungs­ recht gemäß §  47 S.  1 InsO für den Insolvenzverwalter des „ursprünglichen“ Insol­ venzschuldners begründet. a)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge aa)  Aussonderungsrecht des Insolvenzverwalters Aufgrund der in dieser Arbeit vertretenen Nichtigkeitsfolge bleibt im Falle der an­ fechtbaren Übereignung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache der Schuld­ ner Eigentümer der Sache. Die Sache ist dinglich der Masse des Insolvenzschuld­ ners zugewiesen. Dem Insolvenzverwalter steht infolgedessen ein dinglicher Her­ ausgabeanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB gegen den Anfechtungsgegner zu. Im Falle der Übereignung einer unbeweglichen Sache besteht ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  894 BGB. Im Falle der anfechtbaren Forderungsabtretung hat es mit der Unwirksamkeitsfolge sein Bewenden. Eines zusätzlichen Rückgewähran­ spruchs bedarf der Insolvenzverwalter hier nicht, da er unmittelbar einziehungsbe­ rechtigt ist. Sowohl der Herausgabeanspruch hinsichtlich der beweglichen Sache175 als auch der Grundbuchberichtigungsanspruch bei unbeweglichen Sachen176 stellen dingli­ 171  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  61; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  341; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  72. 172  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  60; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  341; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  15; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  72; Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  47 Rn.  15; für den Rückgabeanspruch des Vermieters BGHZ 127, 156 (160). 173  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  60.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  16; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  74. 174  Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  60 ff.; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  74. 175  Baldus in: MüKo-BGB, Vor §  985 Rn.  1; Bassenge in: Palandt, BGB, §  985 Rn.  1; Ebbing in: Erman, BGB, §  985 Rn.  1; Gursky in: Staudinger, BGB, §  985 Rn.  1. 176  Artz in: Erman, BGB, §  894 Rn.  5; Bassenge in: Palandt, BGB, §  894, Rn.  5; Gursky in: Staudinger, BGB, §  894 Rn.  11; Huhn in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  894 Rn.  9; Kohler in: MüKo-BGB, §  894 Rn.  1.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

che Ansprüche dar. Demgemäß wird dem dinglichen Herausgabeanspruch177 und dem Grundbuchberichtigungsanspruch178 Aussonderungskraft gemäß §  47 S.  1 InsO beigemessen. Infolge der rechtlichen Qualität der Ansprüche kann der Insol­ venzverwalter diese gemäß §  47 S.  2 InsO im gewöhnlichen Prozesswege geltend machen.179 Er ist mit diesen Forderungen kein Insolvenzgläubiger und läuft demge­ mäß auch nicht Gefahr, aufgrund einer Verweisung auf die Quote maßgeblich mit seinen Forderungen auszufallen. bb)  Bestätigung durch Wertungsgesichtspunkte Würde man dem Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO keine Aussonderungskraft zubilligen, hätte das zur Folge, dass die von der Insolvenzanfechtung bezweckte „Rückholung“ zum Zweck der Massemehrung im Fall der Insolvenz des Anfech­ tungsgegners weitgehend ins Leere laufen würde.180 Die Massearmut im „ursprüng­ lichen“ Insolvenzverfahren soll durch die Insolvenzanfechtung jedoch möglichst vermieden werden.181 Die Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzord­ nung vom 5. Oktober 1994 besagt hierzu: „Die Tatbestände des Anfechtungsrechts sollen deshalb so ausgestaltet werden, daß die Durchsetzung von Anfechtungs­ ansprüchen wesentlich erleichtert wird, soweit nicht Erfordernisse der Rechtssi­ cherheit und des Verkehrsschutzes entgegenstehen.“182 Obwohl diese Formulierung nicht spezifisch für die Kollisionsfälle gilt, sondern die Insolvenzanfechtung im Allgemeinen betrifft, hat die beabsichtigte Erleichte­ rung der Anspruchsdurchsetzung in der Insolvenz des Anfechtungsgegners Bedeu­ tung. Die aufgezeigten Konsequenzen der Unwirksamkeitsfolge tragen im Falle der Insolvenz des Anfechtungsgegners der Zielsetzung der Insolvenzrechtsreform von 1999 Rechnung. Der Verschärfung des Anfechtungsrechts auf der Tatbestandssei­ te183 wird eine „schneidige“ Rechtsfolge zur Seite gestellt.184 Würde man dagegen

177  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  4; Bäuerle in: Braun, InsO, §  47 Rn.  20; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  10; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  9; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  37; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  11. 178  Artz in: Erman, BGB, §  894 Rn.  5; Bassenge in: Palandt, BGB, §  894 Rn.  5; Bäuerle in: Braun, InsO, §  47 Rn.  9; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  11; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  40, 334; Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  47 Rn.  14. 179  Statt vieler Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  473. 180  So auch Paulus, AcP 155 (1956), 277 (346). 181  Siehe die Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweck der Vermeidung der Masse­ armut durch die Insolvenzanfechtung im Allgemeinen, BT-Drucks. 12/2443, S.  82, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  104. 182  BT-Drucks. 12/2443, S.  82, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  104. 183  BT-Drucks. 12/2443, S.  82, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  104. 184  Dagegen Kirchhof in: MüKo-InsO, Vor §§  129 bis 147 Rn.  9, 37.

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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ein Aussonderungsrecht ablehnen, wäre das Ziel des Gesetzgebers in diesem Kolli­ sionsfall konterkariert. Die in der Begründung zum Regierungsentwurf angesprochenen Belange der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes185 werden durch die Aussonderungs­ kraft des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO im Übrigen nicht verletzt. Die Insol­ venzanfechtung hat zum notwendigen Inhalt, dass die der Anfechtung unterliegen­ den Gegenstände der Masse desjenigen Schuldners gebühren, der diese Gegenstän­ de in anfechtbarer Weise hergegeben hat. Daran vermag auch die Insolvenz des Anfechtungsgegners nichts zu ändern.186 Für die Insolvenzgläubiger des Anfech­ tungsgegners würde es einen unverdienten „Glücksfall“ bedeuten, wenn sie von der Verwertung der Anfechtungsgüter durch „ihren“ Insolvenzverwalter dahingehend profitieren würden, dass die an jeden von ihnen auszuschüttende Quote steigen wür­ de, während der anfechtende Insolvenzverwalter und damit die Gläubiger „seines“ Schuldners sich statt mit dem Gegenstand selbst nur mit einer geringen Quote be­ scheiden müssten.187 Dass darüber hinaus dem Anfechtungsgegner grundsätzlich kein Vertrauens­ schutz hinsichtlich der anfechtbar in sein Vermögen gelangten Sache zuzubilligen ist, wurde bereits dargelegt.188 Wenn demnach schon der Anfechtungsgegner kein schutzwürdiges Vertrauen in seinen anfechtbaren Erwerb bilden kann, so kann erst recht nicht seinen Gläubigern ein Vertrauens- und Verkehrsschutz hinsichtlich der von der Anfechtung betroffenen Gegenstände zugebilligt werden.189 Die Insol­ venzgläubiger des Anfechtungsgegners erfahren durch die Verfahrenseröffnung über dessen Vermögen keinen gesicherten Rechtserwerb an der Masse190 dergestalt, dass sie darauf vertrauen dürften, dass die Masse für sie so zur Verfügung steht, wie der Insolvenzverwalter sie gemäß §  148 Abs.  1 InsO in Besitz nimmt. An der Masse können stets Rechte Dritter bestehen, wie es eben auch das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandes begründet. Gera­ de die Verwandtschaft der Insolvenzanfechtung mit der Sittenwidrigkeit belegt die­ ses Ergebnis. Insolvenzgläubiger haben generell dann das Nachsehen, wenn das dingliche Vollzugsgeschäft hinsichtlich eines in das Vermögen des Insolvenz­ schuldners gelangten Gegenstandes sittenwidrig und damit unwirksam ist und der andere Teil den Gegenstand infolge seiner nach wie vor bestehenden dinglichen Berechtigung aus der Masse aussondert. 185  BT-Drucks. 12/2443, S.  82, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  104. 186  Paulus, AcP 155 (1956), 277 (345 f.); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  160, 164. 187  So auch BGHZ 156, 350 (361); Kindl, NZG 1998, 321 (330); Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  87. 188  Siehe hierzu S.  129 ff. 189  So auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  163 ff.; anders hingegen Häse­ meyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.16. 190  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  80.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Nach der hier vertretenen Meinung können die der Anfechtung unterliegenden Gegenstände für die Insolvenzmasse des „ursprünglichen“ Insolvenzschuldners im Falle der Insolvenz des Anfechtungsgegners aufgrund des dinglichen Charakters des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB (und/oder §  894 BGB) in vollem Umfang verwertet werden, ohne dass gegen die Lösung dog­ matische oder von Schutzzweckgesichtspunkten geprägte Bedenken sprechen. Das Ziel der Insolvenzanfechtung, die par conditio creditorum unter den vorhandenen Insolvenzgläubigern sicherzustellen, wird durch die starke Wirkung, welche die Unwirksamkeitsfolge dem Rückgewähranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ver­ leiht, in vollem Umfang erfüllt. Dagegen wird argumentiert, dass die Zielsetzung der par conditio creditorum auch durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Anfechtungsgegners verfolgt werde und dementsprechend aus dem Grundzweck der Insolvenzanfech­ tung nicht abgeleitet werden könne, dass der Anfechtungsgegenstand gerade des­ halb den Insolvenzgläubigern des „ursprünglichen“ Insolvenzschuldners gebüh­ re.191 Indes stellt die Insolvenzanfechtung die par conditio creditorum nur für die Insolvenzmasse sicher, zu deren Gunsten eine Anfechtung möglich ist.192 Die Insol­ venzgläubiger des Anfechtungsgegners können demgegenüber die par conditio cre­ ditorum nur in dem Rahmen erwarten, wie ihnen die in der Masse befindlichen Ge­ genstände zur Befriedigung zugewiesen sind. Diese Gegenstände gebühren ihnen aber nur insofern, als dass sie von Rechts wegen für die Verbindlichkeiten ihres In­ solvenzschuldners haften.193 Die Insolvenzanfechtung stellt diese Weiche zuguns­ ten der Insolvenzgläubiger des Insolvenzschuldners, der den Gegenstand in anfecht­ barer Weise weggeben hat, indem „ihrer“ Masse durch die Unwirksamkeitsfolge der Anfechtung die dingliche Berechtigung an dem der Anfechtung unterliegenden Ge­ genstand zugewiesen wird. Insofern können sich beide Insolvenzmassen nicht in gleichem Maße auf insolvenzrechtliche Schutzzweckgesichtspunkte berufen.194 b)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die Vertreter der haftungsrechtlichen Sichtweise gestehen dem Insolvenzverwalter ebenfalls ein Aussonderungsrecht hinsichtlich des von der Anfechtung betroffenen Gegenstands zu.195 Auch danach wird der Kollisionsfall „Insolvenz des Anfech­ 191 

So jedoch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  161. In diese Richtung auch Paulus, AcP 155 (1956), 277 (346 f.). 193  So auch Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  80; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (329). 194  So aber Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  160 ff., der im Ergebnis gleich­ wohl zu einem Aussonderungsrecht gelangt. 195  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  535; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  334 f.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  78 f.; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  17 f.; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, §  51 Rn.  45; Nerlich in: Nerlich/Rö­ mermann, InsO, §  129 Rn.  10; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (345 ff.); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 21.16, verneint als Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie die Aussonderungskraft hingegen. 192 

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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tungsgegners“ zugunsten der Masse des „ursprünglichen“ Insolvenzschuldners ge­ löst. Begründet wird dies mit der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit der gläubiger­ benachteiligenden Rechtshandlung. Die haftungsrechtliche Unwirksamkeit führe dazu, dass die Haftungsfunktion des weggegebenen Gegenstandes nach wie vor in der Masse des „ursprünglichen“ Insolvenzschuldners verbleibe, so dass infolge der haftungsrechtlichen Zuordnung der Gegenstand einzig zur Befriedigung dieser In­ solvenzgläubiger dienen könne.196 Die Tatsache, dass der Rückgewähranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nach der haftungsrechtlichen Theorie einen lediglich schuld­ rechtlich wirkenden Rückgewähranspruch darstellt,197 der eigentlich kein Ausson­ derungsrecht gemäß §  47 S.  1 InsO zu begründen vermag,198 wird als Argument gegen die Aussonderungskraft des Anfechtungsanspruchs nicht zugelassen.199 Der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO solle lediglich die Rechtsinhaberschaft der haftungsrechtlichen Lage anpassen.200 Die Rechtsinhaberschaft sei aber für die Zu­ ordnung des Gegenstandes zur Insolvenzmasse entweder des „ursprünglichen“ In­ solvenzschuldners oder des insolventen Anfechtungsgegners nicht auschlagge­ bend.201 Maßgeblich sei die haftungsrechtliche Zuordnung, die bei der „ursprüngli­ chen“ Insolvenzmasse verbleibe.202 Die haftungsrechtliche Theorie kommt zwar zu demselben Ergebnis wie die in dieser Arbeit vertretene Ansicht, muss dafür allerdings einen erheblich größeren Argumentationsaufwand betreiben. Dieser ist hinsichtlich seiner Grundlage, was die Aufspaltung der Rechte an einem Gegenstand in verschiedene Funktionen anbe­ langt,203 zweifelhaft204 und führt im Ergebnis zur Aufgabe zivilrechtlicher Grund­ sätze, indem einem schuldrechtlichen Rückgewähranspruch Aussonderungskraft beigemessen wird. Da der schuldrechtliche Anspruch auch nach der haftungsrechtlichen Sichtweise lediglich auf Verschaffung gerichtet ist,205 verstößt dieses Ergebnis gegen die übli­ 196  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  334 f.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  78; Paulus, AcP 155 (1956), 277 (346). 197  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  53; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  6 a, 9. 198  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  16; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  74. 199  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  79; Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  128; zwar ist Mesch als Vertreter der schuldrechtlichen Theorie einzustufen, gleichwohl führt er im Rahmen der Insolvenz des Anfechtungsgegners haftungsrechtliche Erwägungen an. 200  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  79; kritisch hierzu Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  9. 201  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  79. 202  Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  334 f.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  32, 78. 203  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  27 ff.; Henckel, JuS 1985, 836 (842); Kindl, NZG 1998, 321 (324). 204  Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  56; Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubi­ geranfechtung, S.  97 f. 205  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  514; Bork in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Vor

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

chen Prinzipien des §  47 S.  1 InsO. Die Begründung, dass es auf die Qualität des Anspruchs hinsichtlich der Bejahung von dessen Aussonderungskraft nicht ankom­ me, sondern vielmehr auf die haftungsrechtliche Zuordnung des Gegenstandes,206 scheint vom gewünschten Ergebnis getragen und hat eine Auflösung der scharfen Konturen des §  47 S.  1 InsO zur Folge. Die Einschätzung, dass die „haftungsrecht­ liche Unwirksamkeit […] eine auf die Haftungsfunktion des subjektiven Rechts be­ zogene dingliche Folge“ sei,207 zeigt denn auch, dass eine rein auf der haftungs­ rechtlichen Ebene basierende Argumentation ohne Rückgriff auf dingliche An­ knüpfungspunkte das gewünschte Ergebnis nicht zufriedenstellend zu begründen vermag. Es stellt sich die Frage, weshalb man einerseits die Insolvenzanfechtung mit einer haftungsrechtlichen Dogmatik anreichern muss und andererseits eine Unwirksam­ keitsfolge mit dinglichen Folgen für den Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO rigo­ ros ablehnt. Würde man dem Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO eine dingliche Qualität zugestehen, könnte man eine für das Insolvenzverfahren unentbehrliche Aussonderungskraft aus dem Anspruch selbst herleiten. Man müsste nicht kompli­ zierte haftungsrechtliche Erwägungen anstellen, die sich letztlich zur Begründung nahezu jeden gewünschten Ergebnisses eignen, um dasselbe Ergebnis zu erzielen, wie dies eine dingliche Qualität des anfechtungsrechtlichen Rechtsfolgenanspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB (und/oder §  894 BGB) be­ reits aus sich selbst heraus vermag. c)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie beurteilen die Aussonderungskraft des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO unterschiedlich. Insbesondere die ältere Rechtsprechung hat die Aussonderungsmöglichkeit aufgrund der rein schuldrecht­ lichen Qualität des Anfechtungsanspruchs, der bloß auf Verschaffung des Anfech­ tungsgegenstandes gerichtet ist, abgelehnt.208 Der Bundesgerichtshof hält den An­ fechtungsanspruch als mit dem Erfüllungsanspruch eines Käufers vergleichbar.209 In die gleiche Richtung geht die ältere Literatur zur schuldrechtlichen Theorie.210 §  129 Rn.  9; Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  187 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  52 f.; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  28; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  9; Riggert in: Braun, InsO, §  143 Rn.  2; dagegen Gaul, KTS 2007, 133 (148). 206  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  79. 207  Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  94. 208  RGZ 13, 5 (6); ebenso für die Einzelgläubigeranfechtung nach dem AnfG: BGHZ 71, 296 (302); RGZ 40, 5 (6 f.). 209  BGH NJW 1990, 990 (992), hat demgemäß eine Einordnung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs als ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ im Sinne des §  771 Abs.  1 ZPO abgelehnt. 210  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.20; Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  29 Anm.  16, §  37 Anm.  25; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenz­

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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Dass die Verneinung der Aussonderungskraft zur Entwertung des Anfechtungs­ rechts in der praktisch besonders wichtigen Situation der Insolvenz des Anfech­ tungsgegners führt, ist offensichtlich.211 Die der schuldrechtlichen Theorie verhaf­ tete Rechtsprechung hat deshalb im Jahre 2003 eine Kehrtwende vollzogen: Der Bundesgerichtshof hat dem Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO trotz seines schuld­ rechtlichen Charakters Aussonderungskraft gemäß §  47 S.  1 InsO zugebilligt.212 Das wird von Vertretern der schuldrechtlichen Theorie im Schrifttum mehrheitlich unterstützt,213 obwohl es auch kritische Stimmen gibt, die ein Aussonderungsrecht nach wie vor verneinen.214 Der Bundesgerichtshof begründet sein Urteil vornehmlich mit der Interessenlage der Beteiligten, wonach die Gläubiger des Anfechtungsgegners nicht von Rechts­ handlungen ihres Schuldners profitieren können sollen, durch die aufgrund ihrer Anfechtbarkeit eine ungerechtfertigte Vermehrung der Vermögensmasse stattge­ funden habe.215 Die Tatsache, dass der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nach der schuldrechtlichen Theorie ein lediglich schuldrechtlich wirkender Verschaf­ fungsanspruch ist,216 sieht der Bundesgerichtshof dagegen als nachrangig an.217 Zwar gesteht das Gericht ein, dass die Frage nach der Aussonderungskraft eines recht, 21. Auflage, S.  238 f.; Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  155. 211  Siehe hierzu schon die Wertungsgesichtspunkte, die für die Aussonderungskraft sprechen, S.  220 ff. 212  BGHZ 156, 350 (359 ff.); daran anschließend BGHZ 178, 171 (176); BGH NZI 2009, 429 (432); diese Wende hat sich schon zuvor angedeutet, BGHZ 155, 199 (202): Der Bundesgerichtshof hat im zuletzt genannten Urteil zur Frage der Aussonderungskraft des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO hinsichtlich der bisher vertretenen ablehenden Haltung ausgeführt: „Ob an diesen Er­ kenntnissen festzuhalten ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.“ 213  Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  143 Rn.  30; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  14; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  73; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  87; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  169. 214  Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  6, 9. 215  BGHZ 156, 350 (361). 216  BGH NZI 2011, 486 (487); BGH NZI 2007, 42 (43); BGHZ 128, 184 (194); BGH NJW 1990, 990 (992); BGHZ 106, 127 (129); BGHZ 101, 286 (288); BGHZ 71, 61 (63); BGHZ 22, 128 (134); RGZ 70, 112 (113 ff.); RGZ 58, 44 (47); RGZ 13, 5 (6); OLG Thüringen OLG-NL 2004, 59 (60); Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.12 ff.; Baur/Stürner/ Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  26.6; Dauernheim in: FK-InsO, §  129 Rn.  6, 9; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4, §  143 Rn.  2; Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  11, 68; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  238 f.; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  49, 160 f.; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, Vorbem. zu §§  129 ff. Rn.  2, §  143 Rn.  2; Zeuner, Anfechtung, Rn.  5; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  129 Rn.  4; Kreft in HK-InsO, §  129 Rn.  71 f., sieht die Insolvenzanfechtung als „Rechtsinstitut besonderer Art“, kann jedoch wohl dennoch zur schuldrechtlichen Theorie gezählt werden; Mesch, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  93 ff., ergänzt die schuldrechtliche Deutung um haf­ tungsrechtliche Komponenten; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  224 sieht trotz schuldrechtlicher Deutung in dem Anfechtungsanspruch „keinen ‚einfachen‘ Verschaffungsan­ spruch“. 217  BGHZ 156, 350 (360).

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Anspruchs in der Regel nach dinglichen Gesichtspunkten erfolge. Gleichwohl kön­ nen auch bloße schuldrechtliche Ansprüche Aussonderungskraft begründen, wie ein Vergleich mit dem Rückgewähranspruch des Treugebers in der Insolvenz des Treuhänders zeige. Des Weiteren wird auf die Regelung des §  25 Abs.  5 S.  1 ­DMBilG218 verwiesen, bei welcher der Gesetzgeber einem schuldrechtlichen An­ spruch Aussonderungskraft zugebilligt habe. Gleiches gelte für den schuldrechtli­ chen Herausgabeanspruch des §  667, 1. Fall BGB hinsichtlich der Gegenstände, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer zur Ausführung des Auftrages überlassen hat.219 Trotz der schuldrechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO bewirke die Insolvenzanfechtung ebenso eine Änderung der Vermögens­ zuordnung wie die aufgeführten Normen, weshalb auch dem Anfechtungsanspruch des Insolvenzverwalters Aussonderungskraft in der Insolvenz des Anfechtungsgeg­ ners zukommen müsse. Auch eine Untersuchung von §  145 Abs.  1 InsO, der das Anfechtungsrecht auf den Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners er­ streckt, belege, „[…] daß die Zuordnung zur Haftungsmasse sich im Allgemeinen unabhängig von der Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs durchsetzen soll“.220 Das Ergebnis der schuldrechtlichen Theorie deckt sich mit dem der haftungs­ rechtlichen Theorie und auch mit der in dieser Arbeit favorisierten Unwirksamkeits­ folge.221 In der Begründung ist dem Urteil jedoch in mehrfacher Hinsicht zu wider­ sprechen.222 aa)  Vergleich mit der Situation der Insolvenz des Treuhänders So birgt der Vergleich mit der Aussonderungskraft des Rückgabeanspruchs des Treugebers in der Insolvenz des Treuhänders keine tragfähige Begründung für eine Aussonderungskraft eines schuldrechtlich verstandenen Anfechtungsanspruchs.223 Die Anerkennung der Aussonderungskraft des Treuhandanspruchs im Fall der un­ eigennützigen Treuhand entspricht zwar der – freilich nicht unumstrittenen 224 – 218  Gesetz über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung vom 23.09.1990. 219  BGHZ 156, 350 (360). 220  BGHZ 156, 350 (361). 221  Zustimmung kommt von Vertretern der haftungsrechtlichen Theorie, die in dem Urteil ein­ deutige Parallelen zu ihrer Theorie entdecken: Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1677 f.); ähnlich Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  17 f.; kritischer Eckardt, KTS 2005, 15 (51), der sich mittlerweile wohl nicht mehr zu den Vertretern der haftungsrechtlichen Theorie zählt; siehe Eckardt, KTS 2005, 15 (40 Fn.  89); Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  129 Rn.  4, sowie Hess in: Hess, InsO, §  143 Rn.  68, sehen als Vertreter der schuldrechtlichen Theorie den Bundesgerichtshof als der haftungsrechtlichen Theorie angenähert. 222  So auch Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1677 f.); Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  86. 223  Eckardt, KTS 2005, 15 (34); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  110; Ger­ hardt, ZIP 2004, 1675 (1678), erachtet eine Begründung mittels Vergleich zu Treuhandverhältnis­ sen nur auf dem Boden der haftungsrechtlichen Theorie als tragfähig. 224  Fridgen, ZInsO 2004, 530 (536 ff.), lehnt eine Aussonderungskraft ab.

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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herrschenden Meinung.225 Indes kann man nicht ohne Weiteres einen schuldrechtli­ chen Anspruch, für den die Aussonderungskraft gerade in Frage steht, alleine durch die Verweisung auf einen anderen schuldrechtlichen Anspruch, dem ausnahmswei­ se Aussonderungskraft zugebilligt wird, ebenfalls zu einer solchen Ausnahme erhe­ ben. Um eine solche Folgerung vornehmen zu können, müssen die Ansprüche eine Vergleichbarkeit aufweisen.226 Indes ist die Grundkonstellation bei der Treuhand eine gänzlich andere als bei der Insolvenzanfechtung. Bei der Verwaltungstreuhand besteht eine Abrede zwischen den Parteien, wonach der Treuhänder nicht über das Treugut soll verfügen dürfen obwohl er dinglich dazu in der Lage ist. Eine „Umsetzung der Sachsubstanz“227 in das Vermögen des Treuhänders findet demnach nicht statt. Bei Treuhandverhältnis­ sen ist von Haus aus eine „verminderte Rechtsstellung“ des Treuhänders beabsich­ tigt, die sich durch die Anerkennung eines Aussonderungsrechts für den Treugeber auch im Falle der Insolvenz des Treuhänders fortsetzen soll.228 Eine verminderte Rechtsstellung des Anfechtungsgegners ist demgegenüber bei einer anfechtbaren Veräußerung eines Gegenstands weder von diesem noch vom Schuldner beabsich­ tigt. Nach dem Willen der Parteien soll der Anfechtungsgegenstand vollständig in das Vermögen des Anfechtungsgegners übergehen 229 und dort zu dessen freier Verfügung verbleiben.230 Auch fehlt es in der Anfechtungssituation an einer Tren­ nung der Haftungsmassen, die im Falle der Treuhand vorliegt, indem das Treugut vom sonstigen Vermögen des Treuhänders gesondert wird.231 Infolge der fehlenden Vergleichbarkeit der rechtlichen Ausgangslagen geht ein Vergleich der Situation des Anfechtungsanspruchs in der Insolvenz des Anfech­ tungsgegners mit Treuhandverhältnissen in der Insolvenz des Treuhänders fehl.232 Alleine aus haftungsrechtlicher Sicht – die nicht zu befürworten ist – ließe sich eine Parallele ziehen, weshalb Gerhardt die Begründung des Bundesgerichtshofs entlar­ vend in Bezug auf den Rückgriff auf haftungsrechtliche Ansätze ansieht.233

225  BGH NJW-RR 1993, 301 (301); BGH NJW 1959, 1224 (1224); Andres in: Nerlich/Römer­ mann, InsO, §  47 Rn.  37; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  79; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  369; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  61, 68; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  46; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  17; Prütting in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  47 Rn.  26; Smid/Leonhardt in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  47 Rn.  31. 226  So auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  106. 227  Eckardt, KTS 2005,15 (34). 228  Eckardt, KTS 2005,15 (34). 229  Eckardt, KTS 2005,15 (34); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  107; ähnlich Häsemeyer, LMK 2003, 214 (215). 230  Eckardt, KTS 2005,15 (34). 231  Eckardt, KTS 2005,15 (34); Häsemeyer, LMK 2003, 214 (215). 232  Eckardt, KTS 2005,15 (34). 233  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678).

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

bb)  Vergleich mit schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen Auch der vom Bundesgerichtshof angeführte Vergleich mit dem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer hinsichtlich der dem Auftragnehmer überlassenen Gegenstände gemäß §  667, 1. Fall BGB ist keine taugliche Grundlage, um dem Anfechtungsrecht aus der schuldrechtlichen Sicht­ weise Aussonderungsqualität einzuräumen. Obwohl allgemein anerkannt ist, dass dem Anspruch aus §  667, 1. Fall BGB ebenso wie den Herausgabeansprüchen aus §  546 Abs.  1 BGB, §§  581 Abs.  2, 546 Abs.  1 BGB, §  604 Abs.  1 BGB und §  695 BGB Aussonderungskraft gemäß §  47 S.  1 InsO zukommt,234 fehlt es wie bei den Treuhandverhältnissen an einer Vergleichbarkeit zum Anfechtungsanspruch.235 Zwar verfängt das Argument von Gerhardt, dass eine Vergleichbarkeit ausschei­ den müsse, weil das Gesetz bei diesen Ansprüchen im Gegensatz zur Insolvenzan­ fechtung eine Aussonderungskraft ausspreche,236 nicht. Denn auch bei diesen Her­ ausgabeansprüchen steht nicht explizit im Gesetz, dass sie zur Aussonderung be­ rechtigen. Durchschlagender ist hingegen das Argument, dass die schuldrechtlichen Her­ ausgabeansprüche mit Aussonderungskraft die Grundkonstellation verbindet, dass bei Weggabe des Besitzes an einem Gegenstand durch einen Eigentümer aufgrund von dessen dinglichem Herausgabeanspruch eine Aussonderung problemlos mög­ lich gewesen wäre. Deshalb müsse eine Aussonderung auch dann möglich sein, wenn ein lediglich obligatorisch Berechtigter diese Gegenstände weggegeben ha­ be.237 Wertungstechnisch besteht hier kein Unterschied. Die Gegenstände sind nach wie vor in das Vermögen des Weggebenden eingegliedert.238 Zudem ist es all diesen Rechtsverhältnissen immanent, dass lediglich eine auf Zeit angelegte Be­sitz­ übertragung beabsichtigt war, bei der es in der Natur des Rechtsgeschäfts liegt, dass der Besitz nach einiger Zeit wieder auf den „gebenden Teil“ zurückübertragen wer­ den soll. So sind sowohl das Mietverhältnis als auch der Leihvertrag darauf angelegt, dass dem Mieter/Entleiher der Besitz nur zeitweise übertragen wird und danach wieder auf den Vermieter/Verleiher übergehen soll unabhängig davon, ob dieser zugleich auch Eigentümer ist. Gleich liegt es bei den Gegenständen, die der Auftragnehmer vom Auftraggeber zum Zwecke der Erfüllung des Auftrags erhält. Es liegt in der Natur dieser Rechtsverhältnisse, dass der weggegebene Gegenstand nicht dauerhaft in das Vermögen des späteren Insolvenzschuldners übergehen und damit Teil von dessen Masse werden soll. Aus diesem Grunde besitzen die genannten obligatori­ 234  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  61; Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  341; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  72. 235  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678). 236  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678). 237  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678). 238  Eckardt, KTS 2005, 15 (22); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); Sieber, Rechtsnatur der Gläu­ bigeranfechtung, S.  118.

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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schen Herausgabeansprüche Aussonderungskraft. Der Gegenstand gehört nicht zur Insolvenzmasse.239 Im Gegensatz hierzu ist im Fall der anfechtbaren Übereignung einer Sache die anfechtbare Vermögensverschiebung nicht darauf angelegt, dass der Gegenstand nur zeitweise in das Vermögen des Anfechtungsgegners übergehen soll. Es war von Insolvenzschuldner und Anfechtungsgegner zu keiner Zeit beabsichtigt, dass der anfechtbare Gegenstand wieder zum Insolvenzschuldner zurückgelangen sollte. Gerade in der dauerhaften Entfernung des Gegenstandes aus dem Vermögen des späteren Insolvenzschuldners liegt die Gläubigerbenachteiligung, die erst durch die Anfechtungsregeln wieder rückgängig gemacht werden kann und soll. Da diese Zwecksetzung der vom Bundesgerichtshof als Vergleichsnorm herangezogenen Vorschrift des §  667, 1. Fall BGB und vergleichbaren obligatorischen Herausgabe­ ansprüchen nicht innewohnt, kann die Aussonderungskraft eines nur schuldrecht­ lich wirkenden Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO auf diese Weise nicht begrün­ det werden.240 cc)  Vergleich mit §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG Auch der Vergleich mit dem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch aus §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG ist nicht tragfähig.241 Der Hintergrund dieser Vorschrift liegt in der deutschen Wiedervereinigung. Die Umwandlung volkseigener Betriebe der ehemaligen DDR in Kapitalgesellschaften führte gemäß §  11 Abs.  2 S.  2 TreuhG242 dazu, dass diese Unternehmen Eigentümer des ehemals volkseigenen Grundbesitzes geworden sind. Sollte ein solches Unter­ nehmen zahlungsunfähig oder überschuldet sein oder dessen Auflösung beschlossen werden, besteht zugunsten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderauf­ gaben (ehemals: Treuhandanstalt) gemäß §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG ein schuldrecht­ licher Anspruch auf Rückübertragung des kraft Gesetzes übergegangenen Grund und Bodens. Das ehemals volkseigene Vermögen soll vorrangig zur Sanierung der Wirtschaft dienen und folglich nicht sanierungsfähigen Unternehmen wieder entzo­ gen werden können. Um den schuldrechtlichen Anspruch in der Praxis nicht leerlau­ fen zu lassen, sollte er nach Absicht des Gesetzgebers insolvenzfest sein.243 Dement­ sprechend hat der Bundesgerichtshof hier Aussonderungskraft bejaht.244 Wie schon der geschichtliche Hintergrund zeigt, handelt es sich bei dem Anspruch aus §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG um eine sehr spezielle Regelung. Infolge des Ausnah­ 239  Eckardt, KTS 2005, 15 (22); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  118. 240  So auch Eckardt, KTS 2005, 15 (22); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  118. 241  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1677); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  115 ff. 242  Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens vom 17.06.1990. 243  Ausführlich zu §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG siehe Ganter in: MüKo-InsO, §  47 Rn.  429 ff. 244  BGHZ 155, 227 (238).

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

mecharakters der Vorschrift sowie der Tatsache, dass die Bejahung eines Aussonde­ rungsrechts auch hier nicht unumstritten ist,245 kommt sie nicht als Vergleichsnorm für die Insolvenzanfechtung in Betracht.246 Sieber stellt daher zutreffend fest, dass durch die Existenz von §  25 Abs.  5 S.  1 DMBilG höchstens bewiesen wird, dass schuldrechtliche Ansprüche überhaupt mit Aussonderungskraft ausgestattet sein können.247 Das ist indes nichts Neues und wird bereits durch §  47 S.  1 InsO klarge­ stellt, da dort explizit auch von persönlichen Rechten die Rede ist, was durch die Existenz der Ansprüche aus §§  546 Abs.  1, 581 Abs.  2, 546 Abs.  1, 604 Abs.  1, 667 Alt.  1, 695 BGB belegt wird. Für die Aussonderungskraft eines schuldrechtlich ver­ standenen Anfechtungsanspruchs lässt sich daraus jedoch nichts herleiten. dd)  Wertungen des §  145 Abs.  1 InsO Schließlich ist der vom Bundesgerichtshof herangezogene Begründungsversuch mittels der Wertungen des §  145 Abs.  1 InsO248 nicht dazu in der Lage, die Ausson­ derungskraft eines schuldrechtlich verstandenen Anfechtungsanspruchs zu begrün­ den.249 Laut Bundesgerichtshof wird mit der in §  145 Abs.  1 InsO „vorgeschriebenen Erstreckung des Anfechtungsrechts auf Gesamtrechtsnachfolger jeglicher Art“ zum Ausdruck gebracht, „[…] daß die Zuordnung zur Haftungsmasse sich im Allgemei­ nen unabhängig von der Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs durchsetzen soll“.250 Aufgrund dieser Wertung sei es gerechtfertigt, dem schuldrechtlichen Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO Aussonderungsqualität zuzusprechen.251 Falls §  145 Abs.  1 InsO tatsächlich eine solche Wertung zu entnehmen sein soll­ te,252 hat sie jedoch aus verschiedenen Gründen keinen Einfluss auf die Entschei­ dung um die Aussonderungskraft des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO. Es er­ scheint bereits sehr zweifelhaft, ob die Masse oder der Insolvenzverwalter tatsäch­ lich als „anderer Gesamtrechtsnachfolger“ des Anfechtungsgegners eingestuft werden kann.253 Da durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Subjekt­

245  Ablehnend Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, §  12 Rn.  23 ff.; Smid in: Smid, GesO §  12 Rn.  165; Zeuner, GesO, S.  161 ff.; siehe auch Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  116. 246  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1677); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  115 ff. 247  Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  117. 248  BGHZ 156, 350 (361). 249  So auch Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  17; Eckardt, KTS 2005, 15 (35); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); Häsemeyer, LMK 2003, 214 (215). 250  BGHZ 156, 350 (361). 251  BGHZ 156, 350 (361). 252  Zustimmend Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  114, der §  145 Abs.  1 InsO als eine „Vorwertung“ für eine dogmatische Einordnung anerkennt. 253  Dafür: Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  145 Rn.  9; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  145 Rn.  6; dagegen: Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  17; Eckardt, KTS 2005, 15 (35); Häsemeyer, LMK 2003, 214 (215); Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  24; Kreft in: HK-InsO, §  145 Rn.  4, hält diese Frage für bedeutungslos.

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wechsel erfolgt, ist eine solche Gesamtrechtsnachfolge der Masse abzulehnen.254 Auch übernimmt der Insolvenzverwalter nur die Verwaltungs- und Verfügungsbe­ fugnis über das Vermögen des insolventen Anfechtungsgegners. Er ist Partei kraft Amtes im Insolvenzverfahren 255 und nicht Gesamtrechtsnachfolger des Insolvenz­ schuldners.256 Objektiv betrachtet geht es daher in der hier vorliegenden Situation nicht um eine Anfechtung gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger, sondern um eine gewöhnliche Anfechtung mit der Besonderheit, dass der Anfechtungsgegner nun ebenfalls insolvent ist. Durch die Insolvenz wird die Masse oder der Insolvenz­ verwalter des Anfechtungsgegners nicht selbst zum Anfechtungsgegner – dies bleibt nach wie vor der insolvente Anfechtungsgegner in Person –, sodass in der Insolvenz des Anfechtungsgegners §  145 Abs.  1 InsO tatbestandlich keine Rolle spielt. Selbst wenn man jedoch meint, diese Hürde überspringen zu können, würde das nichts an der schuldrechtlichen Verschaffungsqualität des Anspruchs ändern.257 Ob ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch gegen den Anfechtungsgegner selbst oder gegen die Masse/den Insolvenzverwalter als Gesamtrechtsnachfolger vorliegt, ändert an der rechtlichen Qualität des geltend gemachten Anspruchs nichts. Schuldrechtliche Verschaffungsansprüche besitzen grundsätzlich keine Aussonde­ rungskraft, sondern stellen lediglich Insolvenzforderungen dar.258 Nicht ohne Grund wird der Argumentation des Bundesgerichtshofs mit der Wertung des §  145 Abs.  1 InsO eine zirkuläre Tendenz vorgeworfen.259 ee)  Aussonderungsrecht aufgrund der Interessenlagen Als denkbarer Ansatz für die Zuerkennung der Aussonderungskraft für einen schuldrechtlich verstandenen Anfechtungsanspruch verbleiben die vom Bundesge­ richtshof angesprochenen Interessen der Beteiligten.260 Wie dargestellt wurde,261 ist den Gläubigern des Anfechtungsgegners kein Vertrauensschutz hinsichtlich der Be­ standskraft eines gläubigerbenachteiligenden Erwerbs ihres Schuldners zuzubilli­ gen. Als haftendes Vermögen soll ihnen nur das dem Anfechtungsgegner von 254  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  17; Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  24. 255  Ganz h. M.: BGHZ 172, 16 (18); BGH ZInsO 2006, 260 (260); BGH NJW 1997, 1445 (1445); BGHZ 100, 346 (351); BGHZ 88, 331 (334); BGHZ 44, 1 (4); BGHZ 32, 114 (118); RGZ 29, 29 (36); Lüke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  80 Rn.  37 f.; Ott/Vuia in: MüKo-InsO, §  80 Rn.  35; Smid in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  80 Rn.  19; Stürner, ZZP 94 (1981), 263 (287); Weber, KTS 1955, 102 (104 ff.); Windel in: Jaeger, InsO, §  80 Rn.  19, 275; Wittkowski/Kruth in: Nerlich/Römermann, InsO, §  80 Rn.  38, 40. 256  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  17. 257  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  112 f. 258  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678). 259  Eckardt, KTS 2005, 15 (35); Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); ähnlich Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  112. 260  BGHZ 156, 350 (361). 261  Siehe S.  221.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Rechts wegen zustehende Vermögen dienen. Demgemäß sollen die Insolvenzgläu­ biger des Anfechtungsgegners nicht von einem anfechtbaren Erwerb ihres Schuld­ ners profitieren können, da sie andernfalls einen unverdienten „Glücksfall“ erleben würden,262 der umgekehrt für die Gläubiger des „ursprünglichen“ Insolvenzschuld­ ners einen ebenso unverdienten „Unglücksfall“ darstellen würde. Ohne Aussonde­ rungskraft würde das Ziel der Insolvenzanfechtung, die gleichmäßige und bestmög­ liche Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen, weitgehend ins Leere laufen. Ein Bedürfnis, dem Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO Aussonderungskraft zuzuge­ stehen, liegt damit vor.263 Der Nachteil der schuldrechtlichen Theorie besteht darin, dass ihre Lösung infol­ ge der Schwäche des auf Verschaffung gerichteten schuldrechtlichen Anfechtungs­ anspruchs nicht aus sich selbst heraus erklärt werden kann. Da die vom Bundesge­ richtshof gebrauchten Vergleiche nicht durchschlagen, wird ein Ergebnis erzielt, dass dogmatisch nicht zu begründen ist und daher dem schuldrechtlichen Ansatz zuwider läuft. Die verbleibende Möglichkeit in Gestalt des Rückgriffs auf die Inte­ ressenlage der Beteiligten ist der Rechtssicherheit nicht zuträglich, da hierdurch eine gewisse Beliebigkeit in der Ergebnisfindung ermöglicht wird.264 d) Zusammenfassung Die Ausführungen haben gezeigt, dass sowohl die haftungsrechtliche als auch die schuldrechtliche Theorie zu einem Aussonderungsrecht für den Anfechtungsan­ spruch im Falle der Insolvenz des Anfechtungsgegners gelangen. Dieses Resultat stimmt mit dem Ergebnis der in dieser Arbeit vertretenen Unwirksamkeitsfolge überein. Im Gegensatz zu den Erklärungsansätzen der haftungsrechtlichen und schuldrechtlichen Theorien vermag die Unwirksamkeitsfolge die Aussonderungs­ kraft jedoch auf einfache und in sich stimmige Weise zu erklären, ohne dabei ihre dogmatische Verwurzelung in der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit strapazieren zu müssen.

2.  Zwangsvollstreckungszugriff von Eigengläubigern des Anfechtungsgegners auf den Anfechtungsgegenstand Ähnlich zur Situation der Insolvenz des Anfechtungsgegners ist der Zugriff von Eigengläubigern des Anfechtungsgegners auf den von der Anfechtung betroffenen 262  BGHZ 156, 350 (361); Kindl, NZG 1998, 321 (330); Rogge/Leptien in: Hamburger Kom­ mentar, InsO, §  143 Rn.  87. 263  Siehe zu den Wertungsgesichtspunkten, die für die Aussonderungskraft sprechen, bereits ausführlich S.  220 ff. 264  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678); ähnlich Eckardt, KTS 2005, 15 (39 f.); Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  86.

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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Gegenstand im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu bewerten. Auch hier droht das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters ins Leere zu laufen, falls keine Handhabe gegen den Vollstreckungszugriff bestehen sollte. Um die Zwangsvoll­ streckung in den Gegenstand zu verhindern, muss der Insolvenzverwalter den Weg der Drittwiderspruchsklage gemäß §  771 Abs.  1 ZPO gehen. Hat diese Klage Er­ folg, wird die bisher zulässige Zwangsvollstreckung unzulässig265 und das Anfech­ tungsgut damit für die Masse gesichert. Das bedeutet, dass vom Insolvenzverwalter als dritter Person ein die Veräußerung hinderndes Recht der Masse geltend gemacht werden muss. Als die Veräußerung hindernde Rechte kommen abstrakt umschrieben nur solche Rechte in Betracht, welche die Frage, ob der Pfändungsschuldner im Verhältnis zum vollstreckenden Eigengläubiger zur Verwertung des Vollstreckungsgegenstan­ des berechtigt ist, die Veräußerung des Gegenstandes zu Verwertungszwecken im Verhältnis zum berechtigten Dritten also rechtswidrig ist,266 zu Gunsten des be­ rechtigten Dritten entscheiden. Ebenfalls ähnlich zur Aussonderungssituation kommt als ein die Veräußerung hinderndes Recht in erster Linie das Eigentum eines Dritten in Betracht.267 Daneben zählen zu den die Veräußerung hindernden Rech­ ten schuldrechtliche Ansprüche, die „Ausdruck der Nicht-Zugehörigkeit des Voll­ streckungsgegenstandes zum Schuldnervermögen“268 sind. Hierzu gehören die Herausgabeansprüche des Vermieters, Verpächters, Verleihers, Hinterlegers und Auftraggebers.269 Schuldrechtliche Ansprüche, die nur auf Verschaffung eines be­ stimmten Gegenstandes gerichtet sind, stellen genauso wenig die Veräußerung hin­ dernde Rechte dar,270 wie ihnen Aussonderungskraft im Rahmen des §  47 InsO 265  Gaul/Schilken/Becker-Eberhardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  41 Rn.  7; Herget in: Zöl­ ler, ZPO, §  771 Rn.  4; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  771 Rn.  35; Kindl in: Saenger, ZPO, §  771 Rn.  24; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, §  771 Rn.  65; Preuß in: BeckOK-ZPO, §  771 Rn.  51; K.Schmidt/Brinkmann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  71. 266  BGHZ 71, 141 (145); BGHZ 55, 20 (26); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  46.4; Kindl in: Saenger, ZPO, §  771 Rn.  5; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, §  771 Rn.  15; Preuß in: BeckOK-ZPO, §  771 Rn.  5; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, §  771 Rn.  15; K. Schmidt/Brinkmann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  16. 267  BGHZ 72, 141 (145); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  46.5; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  41 Rn.  46; Herget in: Zöller, ZPO, §  771 Rn.  14; Kindl in: Saenger, ZPO, §  771 Rn.  6; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  771 Rn.  15; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, §  771 Rn.  19; Preuß in: BeckOK-ZPO, §  771 Rn.  8; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, §  771 Rn.  18; K. Schmidt/Brink­ mann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  17. 268  K. Schmidt/Brinkmann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  40. 269  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  46.12; Gaul/Schilken/Becker-Eber­ hardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  41 Rn.  99; Herget in: Zöller, ZPO, §  771 Rn.  14; Kindl in: Saenger, ZPO, §  771 Rn.  11; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  771 Rn.  25; Münzberg in: Stein/ Jonas, ZPO, §  771 Rn.  36; Preuß in: BeckOK-ZPO, §  771 Rn.  30; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, §  771 Rn.  30; K. Schmidt/Brinkmann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  40. 270  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  46.12; Gaul/Schilken/Becker-Eber­ hardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  41 Rn.  100; Herget in: Zöller, ZPO, §  771 Rn.  14; Kindl in:

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

zukommt.271 Die Parallelität der Problemlagen „Drittwiderspruchsklage beim Ein­ zelvollstreckungszugriff auf das Anfechtungsgut“ und „Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Anfechtungsgegners“ ist offensichtlich.272 a)  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge Die Nichtigkeitsfolge führt im Fall der Anfechtung einer gläubigerbenachteiligen­ den Verfügung zu deren Unwirksamkeit. Die Anfechtung der Übereignung einer Sache hat somit die Nichtigkeit der Übereignung zur Folge. Der Schuldner behält aufgrund der bis Verfahrenseröffnung bestehenden schwebenden und danach ein­ tretenden endgültigen Unwirksamkeit der Übereignung jederzeit das Eigentum an der Sache. Sollte sich die Sache beim Anfechtungsgegner befinden und dem Zwangsvoll­ streckungszugriff eines Eigengläubigers unterliegen, kann der Insolvenzverwalter das zur Masse gehörende Eigentum als ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne von §  771 Abs.  1 ZPO geltend machen. Infolge des Eigentumsrechts steht ihm damit die Möglichkeit offen, die Zwangsvollstreckung in das Anfechtungsgut zu unterbinden. Zwar besteht wegen des Eigentums des Schuldners an der Sache nicht die Gefahr, dass der vollstreckende Eigengläubiger des Anfechtungsgegners ein Pfändungs­ pfandrecht gemäß §  804 Abs.  1 ZPO an der Sache erwirbt, da ein gutgläubiger Er­ werb eines Pfändungspfandrechts an schuldnerfremden Sachen nicht möglich ist.273 Der Insolvenzverwalter könnte daher den Veräußerungserlös vom Eigen­ gläubiger herausverlangen,274 ohne den Weg der Drittwiderspruchklage gehen zu müssen. Indes ist eine Drittwiderspruchsklage schon deshalb sinnvoll, da dem In­ solvenzverwalter andernfalls ein Verlust der Sache durch die Veräußerung im Wege der öffentlichen Versteigerung droht.275 Insbesondere bei notwendigen Produkti­ Saenger, ZPO, §  771 Rn.  11; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  771 Rn.  26; Münzberg in: Stein/ Jonas, ZPO, §  771 Rn.  38; Preuß in: BeckOK-ZPO, §  771 Rn.  30; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, §  771 Rn.  30; K. Schmidt/Brinkmann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  39. 271  Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  47 Rn.  50; Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, §  47 Rn.  60; Henckel in: Jaeger, InsO, §  47 Rn.  16; Imberger in: FK-InsO, §  47 Rn.  74. 272  Nicht umsonst werden die beiden Problemkreise häufig im gleichen Zusammenhang unter Bezugnahme aufeinander behandelt; siehe nur Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  526 ff., 533 ff.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  77 ff., 87 ff. 273  BGHZ 119, 75 (87); Becker in: Musielak/Voit, ZPO, §  804 Rn.  7; Brinkmann in: Uhlen­ bruch, InsO, §  50 Rn.  44; Fleck in: BeckOK-ZPO, §  804 Rn.  8; Ganter in: MüKo-InsO, §  50 Rn.  78; Gruber in: MüKo-ZPO, §  804 Rn.  19; a. A.: Kindl in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvoll­ streckungsrecht, §  804 ZPO Rn.  7; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, §  804 Rn.  10. 274  BGHZ 100, 95 (99 f.); BGHZ 66, 150 (151); Becker in: Musielak/Voit, ZPO, §  817 Rn.  9; Gruber in: MüKo-ZPO, §  804 Rn.  19; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, §  804 Rn.  26. 275  Der Eigentumserwerb durch Ablieferung der Sache infolge einer öffentlichen Versteige­ rung stellt keinen rechtsgeschäftlichen Erwerb dar, sondern eine Eigentumszuweisung kraft staat­ lichen Hoheitsakts. Das Eigentum des Insolvenzschuldners steht diesem Erwerb unabhängig von

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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onsmitteln für den Betrieb des Schuldners wäre das misslich. Darüber hinaus wird der Veräußerungserlös infolge der öffentlichen Versteigerung regelmäßig geringer sein, als der bei einer freihändigen Veräußerung durch den Insolvenzverwalter zu erzielende Erlös. Im Falle des Zwangsvollstreckungszugriffs durch Eigengläubiger des Anfech­ tungsgegners verschafft die Unwirksamkeitsfolge dem Insolvenzverwalter damit ein wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung und Verteidigung des Anfech­ tungsrechts. Auch hier ist es nur billig, dem vollstreckenden Eigengläubiger aus­ schließlich auf dasjenige Vermögen den Zugriff zu gestatten, das für die Eigenhaf­ tung des Anfechtungsgegners bestimmt ist. Wie bereits im Rahmen der Problema­ tik um die Aussonderungskraft des Anfechtungsanspruchs aufgezeigt,276 soll das Anfechtungsgut nur für die Masse des Insolvenzschuldners zur Verfügung stehen und gerade nicht der Haftung des Anfechtungsgegners dienen.277 b)  Auswirkungen der haftungsrechtlichen Theorie Die Vertreter der haftungsrechtlichen Theorie gestehen infolge der haftungsrechtli­ chen Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung dem Insolvenzverwalter ebenfalls die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage gegen den Eigengläubiger des An­ fechtungsgegners zu.278 Durch die haftungsrechtliche Unwirksamkeit werde der Anfechtungsgegenstand dem Haftungsverband des Insolvenzschuldners zugewie­ sen, weshalb der Gegenstand nicht den Eigengläubigern des Anfechtungsgegners zur Befriedigung zur Verfügung stehen soll.279 Zur Durchsetzung der haftungs­ rechtlichen Unwirksamkeit sei dem Insolvenzverwalter folglich im Falle des Zwangsvollstreckungszugriffs durch Eigengläubiger die Möglichkeit der Drittwi­ derspruchsklage gemäß §  771 Abs.  1 ZPO eröffnet. Auf die dingliche Zuordnung komme es hingegen nicht an.280 Die haftungsrechtliche Theorie setzt sich an dieser Stelle derselben Kritik aus, die bereits im Rahmen der Behandlung des Aussonderungsrechts angebracht wur­ de.281 Trotz der schuldrechtlichen Einordnung des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO und der Tatsache, dass ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch kein die einer etwaigen Gutgläubigkeit des Ersteigerers nicht entgegen, BGHZ 119, 75 (76); Becker in: Musielak/Voit, ZPO, §  817 Rn.  4; Forbriger in: BeckOK-ZPO, §  817 Rn.  8; Gruber in: MüKo-ZPO, §  817 Rn.  12, 16; Kemper in: Saenger, ZPO, §  817 Rn.  8 Kindl in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, §  817 ZPO Rn.  8 ff. 276  Siehe S.  220 ff. 277  Ebenso Kreft in: HK-InsO, 6.  Aufl., §  129 Rn.  74. 278  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  529 f.; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  88; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  17; Kindl, NZG 1998, 321 (330); Paulus, AcP 155 (1956), 277 (338). 279  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  529; Kindl, NZG 1998, 321 (330). 280  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  529. 281  Siehe S.  223 f.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

Veräußerung hinderndes Recht im Sinne von §  771 Abs.  1 ZPO darstellt,282 wird die Drittwiderspruchsklage zugelassen. Die angeführten haftungsrechtlichen Erwä­ gungen sind dogmatisch fragwürdig und können grundsätzlich zur Begründung verschiedenster Ergebnisse verwendet werden, wie die Ansicht von Häsemeyer 283 zeigt, der trotz haftungsrechtlicher Sichtweise zu einer Verneinung der Drittwider­ spruchsklage gelangt. Man kann erkennen, dass die haftungsrechtliche Unwirk­ samkeit in erster Linie von Wertungen beeinflusst wird und damit je nach Gewich­ tung der Wertungen die Ergebnisse uneinheitlich ausfallen. Der Rechtssicherheit ist damit nicht gedient. c)  Auswirkungen der schuldrechtlichen Theorie Die Vertreter der schuldrechtlichen Theorie sind in der Bewertung der Frage, ob dem Insolvenzverwalter die Drittwiderspruchsklage möglich sein soll, gespalten. Während insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs284 und ein Teil der Literatur285 diese Möglichkeit wegen des schuldrechtlichen Charakters des An­ fechtungsanspruchs verneinen, stellen andere Vertreter verstärkt auf die Interessen­ lage der Beteiligten ab und gelangen so zu einem „die Veräußerung hindernden Recht“ des Insolvenzverwalters.286 Zwar hat die neuere Rechtsprechung seit der Kehrtwende hin zur Aussonderungskraft des Anfechtungsanspruchs287 noch nicht erneut Stellung zur Frage der Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage bezogen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass mit einer entsprechenden Begrün­ dung, insbesondere hinsichtlich der allgemeinen Wertungen des Anfechtungsrechts sowie mithilfe diverser Vergleiche zu schuldrechtlichen Ansprüchen, welche die Veräußerung hindernde Rechte darstellen, in Zukunft die Möglichkeit der Drittwi­

282  Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  46.12; Gaul/Schilken/Becker-Eber­ hardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  41 Rn.  100; Herget in: Zöller, ZPO, §  771 Rn.  14; Kindl in: Saenger, ZPO, §  771 Rn.  11; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, §  771 Rn.  26; Münzberg in: Stein/ Jonas, ZPO, §  771 Rn.  38; Preuß in: BeckOK-ZPO, §  771 Rn.  30; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, §  771 Rn.  30; K. Schmidt/Brinkmann in: MüKo-ZPO, §  771 Rn.  39. 283  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.16. 284  BGH NJW 1990, 990 (992); wohl auch BGHZ 135, 140 (147 f.); anders hingegen noch die ältere Rechtsprechung insbesondere des Reichsgerichts: RG LZ 1908, 609 (610); RGZ 30, 394 (397); RGZ 18, 393 (394); OLG Karlsruhe ZIP 1980, 260 (263); KG NJW 1958, 914 (914 f.). 285  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  18.20; Dauern­ heim in: FK-InsO, §  129 Rn.  9; Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  238 f.; Rutkowsky, Rechtsnatur und Wirkungsweise der Gläubigeranfechtung, S.  155. 286  Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  76; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläu­ figer Rechtsschutz, §  771 Rn.  33; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  173 ff., 182; Gaul/Schilken/Becker-Eberhardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  35 Rn.  27, sowie Mesch, Rechts­ natur der Gläubigeranfechtung, S.  121, verbinden haftungsrechtliche Erwägungen mit der schuld­ rechtlichen Theorie. 287  BGHZ 156, 350 (359 ff.).

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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derspruchsklage durch den Insolvenzverwalter auch vom Bundesgerichtshof bejaht werden wird.288 Die Ablehnung der Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage durch einen Teil der Lehre ist indes aufgrund der Einordnung des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO als obligatorischer Verschaffungsanspruch der einzig konsequente Weg aus Sicht der schuldrechtlichen Theorie. Diese Lösung führt jedoch zu einer Schwächung des Insolvenzanfechtungsrechts, indem dessen Grundwertungen, wonach anfechtbar übertragene Gegenstände grundsätzlich nur für die Befriedigung der Insolvenz­ gläubiger bestimmt sind,289 ausgehöhlt werden. Dieses sich aus der Natur der schuldrechtlichen Theorie ergebende Dilemma wird von anderen Vertretern der schuldrechtlichen Theorie erkannt. Sie versuchen daher mittels Wertungen anhand der Interessenlage der Beteiligten die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage zu begründen,290 ohne die schuldrechtliche Einord­ nung des Anfechtungsanspruchs aufzugeben. Es wird ersichtlich, dass sich ein Pro­ blem von der anderen Seite stellt, indem der Boden der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik verlassen wird, wonach schuldrechtliche Verschaffungsansprüche gera­ de keine Möglichkeit zur Drittwiderspruchsklage begründen können. Für die schuld­rechtliche Theorie ergibt sich damit die große Schwierigkeit, ein Ergebnis begründen zu müssen, das mit der ihr zugrunde liegenden Dogmatik eigentlich nicht zu begründen ist. Das zusätzliche Problem besteht darin, dass die angebrach­ ten Wertungen von verschiedener Seite unterschiedlich stark gewichtet werden kön­ nen, sodass auch hier eine rechtssichere Lösung kaum möglich ist.291 d)  Exkurs: Besondere Problematik des §  145 Abs.  2 InsO Im Zusammenhang mit dem Zwangsvollstreckungszugriff von Eigengläubigern des Anfechtungsgegners wird regelmäßig ein besonderes Problem diskutiert, das sich für den Fall des Pfändungspfandrechtserwerbs aufgrund von §  145 Abs.  2 InsO er­ geben soll. Nach dieser Vorschrift kann die Anfechtbarkeit gegen einen Einzelrechtsnachfol­ ger des Anfechtungsgegners nur unter besonderen Voraussetzungen geltend ge­ macht werden. Die ganz herrschende Meinung erblickt eine Einzelrechtsnachfolge 288  Ähnlich Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Anh. Rn.  23; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  76. 289  Siehe hierzu bereits die Wertungsgesichtspunkte, die für die Aussonderungskraft des An­ fechtungsanspruchs sprechen, S.  220 ff. 290  Kreft in: HK-InsO, 6.  Aufl., §  129 Rn.  74; Raebel in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, §  771 Rn.  33; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeranfechtung, S.  173 ff.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhardt, Zwangsvollstreckungsrecht, §  35 Rn.  27, sowie Mesch, Rechts­ natur der Gläubigeranfechtung, S.  121, verbinden haftungsrechtliche Erwägungen mit der schuld­ rechtlichen Theorie. 291  Gerhardt, ZIP 2004, 1675 (1678), hält dies sogar für „gefährlich“; auch Eckardt, KTS 2005, 15 (39 f.), und Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  86, sehen dies kritisch.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

nicht nur im Fall der Übertragung des Vollrechts an einer Sache, sondern auch in der Begründung von neuen Rechten wie dem Pfandrecht.292 Demgemäß wird der vollstreckende Eigengläubiger, der ein Pfändungspfandrecht erwirbt, als Einzel­ rechtsnachfolger des Anfechtungsgegners, angesehen.293 Infolge der Einordnung als Einzelrechtsnachfolger wird problematisiert, ob die Drittwiderspruchsklage nur dann erfolgreich sein kann, wenn der Pfändungspfandrechtsinhaber die Vorausset­ zungen des §  145 Abs.  2 InsO erfüllt. Er müsste folglich bei Erwerb des Pfändungs­ pfandrechts die Umstände, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs des ursprüngli­ chen Anfechtungsgegners begründeten, gekannt haben (§  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO), eine dem Schuldner nahestehende Person gemäß §  138 InsO sein (§  145 Abs.  1 Nr.  2 InsO) oder das Pfändungspfandrechts unentgeltlich erlangt haben (§  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO), damit ihm gegenüber die Anfechtbarkeit geltend gemacht werden kann. Die herrschende Meinung versucht mittels einer mitunter ausufernden Argumen­ tation die im Ergebnis erwünschte Drittwiderspruchsklage zu ermöglichen. Teil­ weise wird trotz der Annahme einer Einzelrechtsnachfolge die Erfüllung der Vor­ aussetzungen des §  145 Abs.  2 InsO als entbehrlich angesehen.294 Andere versu­ chen eine Unentgeltlichkeit des Pfändungspfandrechtserwerbs im Sinne von §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO zu begründen.295 Dabei wird verkannt, dass der vollstreckende Gläubiger die Zwangsvollstreckung in aller Regel aufgrund eines Anspruchs be­ treibt, für den er eine Gegenleistung und damit ein Vermögensopfer erbracht hat, sodass man kaum von einem unentgeltlichen Erwerb des Pfändungspfandrechts sprechen kann.296 Die Einstufung als Einzelrechtsnachfolge bei der Begründung eines Teilrechts an einer Sache unter Aufrechterhaltung des Vollrechts Eigentum erscheint aus hier vertretener Sicht entgegen der herrschenden Meinung zweifelhaft. Der Terminus „Rechtsnachfolger“ erfordert schon von seinem Wortlaut her die Existenz eines 292  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  21; Dauernheim in: FK-InsO, §  145 Rn.  7; Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  31; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  145 Rn.  7; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  145 Rn.  18; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  145 Rn.  20; Kreft in: HK-InsO, §  145 Rn.  5; Nerlich in: Nerlich/Römermann, §  145 Rn.  10; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  145 Rn.  12; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  145 Rn.  6. 293  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  21; Dauernheim in: FK-InsO, §  145 Rn.  11; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  87, §  145 Rn.  31; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  145 Rn.  20; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  76; Rogge/Leptien, Hamburger Kommentar, InsO, §  145 Rn.  13. 294  Allgayer, Rechtsfolgen und Wirkungen, Rn.  531; Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  21, 35; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  87 f., §  145 Rn.  31; Kirchhof in: MüKoInsO, 2.  Aufl., §  145 Rn.  30; Kreft in: HK-InsO, §  129 Rn.  76; Sieber, Rechtsnatur der Gläubigeran­ fechtung, S.  174 ff., 182. 295  Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  145 Rn.  12; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  145 Rn.  28; Kirchhof in: MüKo-InsO, 2.  Aufl., §  145 Rn.  30; Kreft in: HK-InsO, 6.  Aufl., §  129 Rn.  74; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  145 Rn.  20. 296  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  35; ähnlich Eckardt, KTS 2005, 15 (48).

II.  Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge auf Kollisionfälle

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Rechtsvorgängers. Der Eigentümer einer Sache wird durch die Begründung eines Pfandrechts indes nicht zum Rechtsvorgänger des Pfandrechtsinhabers. Vielmehr sind beide Personen Inhaber zweier verschiedener Rechte an einer Sache. Es geht bei einer Pfandrechtsbegründung nicht um eine Rechtsnachfolge bezüglich des Ei­ gentumsrechts, sondern um eine Belastung der Sache. Belastung einer Sache und Rechtsnachfolge hinsichtlich eines bestehenden Rechts betreffen indes zwei unter­ schiedliche Ansatzpunkte. Demnach ist auch eine Einstufung des Pfändungs­ pfandrechtsinhabers als Rechtsnachfolger des Anfechtungsgegners zweifelhaft, sodass es auf die Erfüllung der Voraussetzungen des §  145 Abs.  2 InsO nicht an­ kommt. Eine eingehendere Untersuchung dieser Frage kann indes dahinstehen, da sich unter Zugrundelegung der hier vertretenen Unwirksamkeitsfolge das Problem um die Einzelrechtsnachfolge schon gar nicht ergibt. Der Insolvenzschuldner hat zu keinem Zeitpunkt sein Eigentum verloren, sodass der vollstreckende Eigengläubi­ ger des Anfechtungsgegners kein Pfändungspfandrecht erwerben kann. Auch für den Fall, dass er gutgläubig bezüglich des Eigentums seines Schuldners gewesen sein sollte, kann er kein Pfändungspfandrecht erwerben, da ein solches an schuld­ nerfremden Sachen generell nicht erworben werden kann.297 Eine zweifelhafte Be­ gründung der Unentgeltlichkeit des Pfändungspfandrechtserwerbs muss folglich nicht zur Rechtfertigung der Drittwiderspruchsklage bemüht werden.

3. Zusammenfassung Die Nichtigkeitsfolge führt in den „Kollisionsfällen“ zu wertungsmäßig und dog­ matisch überzeugenden Ergebnissen. Durch die Zuerkennung der Aussonderungs­ kraft in der Insolvenz des Anfechtungsgegners und der Möglichkeit der Drittwider­ spruchsklage im Falle der Zwangsvollstreckung eines Eigengläubigers des Anfech­ tungsgegners wird dem Anfechtungsanspruch zu einer wirksamen Durchsetzung verholfen. Dadurch kann die Insolvenzanfechtung ihr Ziel auch in Kollisionslagen vollständig erreichen. Zwar gelangen sowohl die haftungsrechtliche Theorie als auch die neuere schuld­ rechtliche Theorie zu denselben Ergebnissen, allerdings können diese Ergebnisse dogmatisch nur unter großen Schwierigkeiten begründet werden. Nicht umsonst wird daher im vorliegenden Zusammenhang der schuldrechtlichen Theorie vorge­ worfen, „dogmatische Klimmzüge“ anwenden zu müssen.298 Freilich trifft dieser Vorwurf die haftungsrechtliche Theorie in gleichem Maße. Der Vorteil der Nichtig­ 297  BGHZ 119, 75 (87); Becker in: Musielak/Voit, ZPO, §  804 Rn.  7; Brinkmann in: Uhlen­ bruch, InsO, §  50 Rn.  44; Fleck in: BeckOK-ZPO, §  804 Rn.  8; Ganter in: MüKo-InsO, §  50 Rn.  78; Gruber in: MüKo-ZPO, §  804 Rn.  19; a. A.: Kindl in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvoll­ streckungsrecht, §  804 ZPO Rn.  7; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, §  804 Rn.  10. 298  de Bra in: Braun, InsO, §  129 Rn.  9.

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§  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen

keitsfolge besteht demgegenüber darin, dass kein zusätzlicher Begründungsauf­ wand notwendig ist, um zu den geschilderten Folgen zu gelangen. Die Unwirksam­ keit einer Übereignung und das damit in der Masse verbleibende Eigentum an einer Sache berechtigen unmittelbar zur Aussonderung und Drittwiderspruchsklage. Zu­ sätzliche Legitimationsversuche mithilfe von haftungsrechtlichen Wertungen sowie manch zweifelhafte Vergleiche entfallen hierdurch. Durch das massefreundliche Resultat ist eine rechtssichere Handhabung der Insolvenzanfechtung in „Kollisions­ lagen“ möglich. Eine alleinige Begründung anhand der Interessenlage der Beteilig­ ten bietet eine solche Rechtssicherheit dagegen nicht, da unterschiedliche Ergebnis­ se im Einzelfall möglich sind, je nachdem, welche Wertungen man zur Begründung heranzieht und wie man diese letztendlich im Einzelnen gewichtet.

§  8  Vereinbarkeit der Nichtigkeitsfolge mit den Normen bezüglich der übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung Abschließend ist zu überprüfen, ob die Rechtsfolge in Form der Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung mit dem Inhalt derjenigen Vorschriften vereinbar ist, die sich mit den sonstigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung beschäftigen. Es ist zu untersuchen, ob die Nichtigkeitsfolge mit der gesetzlichen Ausgestal­ tung der sekundären Wertersatzpflicht des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO, den Ansprüchen des Anfechtungsgegners gemäß §  144 InsO, den Regelungen bezüglich der Anfech­ tung gegen den Rechtsnachfolger des Anfechtungsgegners gemäß §  145 InsO sowie mit der Verjährungsvorschrift des §  146 Abs.  1 InsO in Einklang zu bringen ist.

I.  Die sekundäre Wertersatzpflicht gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO Ist die Rückgewähr des von der Anfechtung betroffenen Gegenstands unmöglich oder hat sich der Gegenstand verschlechtert, ordnet §  143 Abs.  1 S.  2 InsO Folgen­ des an: „Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend.“

1.  Sekundäranspruch als Schadensersatzanspruch Durch die Verweisung gelten die Vorschriften der §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4, 292, 989, 990 BGB.1 Die Regelung des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO hat damit den bei Geltung der Konkursordnung ausgetragenen Streit, ob der Anfechtungsgegner im Falle des Untergangs oder der Verschlechterung des von der Anfechtung betroffenen Gegen­ standes auch bei fehlendem Verschulden haftet,2 entschieden. Durch die Anwen­ 1  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  17; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  105; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  59; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  73 ff.; Kreft in: HKInsO, §  143 Rn.  20; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  143 Rn.  23; Rogge/Leptien in: Ham­ burger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  57; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  143 Rn.  15. 2  Umfassend hierzu Henckel in: Jaeger, KO, 9.  Aufl., §  37 Rn.  98 ff.; Koss, Wirkung der In­ solvenzanfechtung, S.  68 ff.

242

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

dung von §§  989, 990 BGB wird nun explizit ein Verschuldenserfordernis statuiert. Der zur Konkursordnung wohl herrschenden Auffassung,3 die den Anfechtungs­ gegner auch bei zufälligem Untergang oder zufälliger Verschlechterung des An­ fechtungsgegenstandes auf Wertersatz haften lassen wollte, wurde durch den Ge­ setzgeber widersprochen: „Für den Fall, daß eine Rückgewähr in Natur nicht möglich ist, hat der Anfechtungsgegner nach der gegenwärtig in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Auffassung auch dann vollen Wertersatz zu leisten, wenn er die Unmöglichkeit der Rückgewähr oder die Ver­ schlechterung des anfechtbar erworbenen Gegenstandes nicht verschuldet hat. Es ist jedoch nicht gerechtfertigt, dem Anfechtungsgegner eine schärfere (Zufalls)Haftung aufzuerlegen als bösgläubigen Bereicherungsschuldnern und unrechtmäßigen Besitzern, die gemäß §  819 Abs.  1, §  818 Abs.  4, §  292 Abs.  1, §§  989, 990 BGB lediglich für die schuldhafte Unmöglich­ keit der Herausgabe oder Verschlechterung des Gegenstands haften. Die angestrebte Gleich­ behandlung wird durch die Verweisung des Absatzes 1 Satz  2 auf das Bereicherungsrecht erreicht. Aus ihr ergeben sich zugleich sachgerechte Regelungen für die Herausgabe von Nutzungen und den Ersatz von Verwendungen (vgl. die §§  987, 994 Abs.  2 BGB).4

Der Anfechtungsgegner wird durch die Regelung des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner gleichgestellt, was zur verschärften Haftung gemäß §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4 BGB führt. Über die Vorschrift des §  292 BGB gelangt man im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe oder Verschlechterung der Sache in das Recht des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses und damit zu §§  989, 990 BGB. Der Sekundäranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO wird von der herrschenden Meinung als Schadensersatzanspruch eingestuft.5 Trotz der Verweisung auf die Vorschriften bezüglich des bösgläubigen Bereicherungsschuldners handelt es sich nicht um einen Bereicherungsanspruch.6 Daher kommt eine Anwendung von §  818 Abs.  2 BGB neben §§  989, 990 BGB für den Wertersatz im Falle der Unmög­ lichkeit der Herausgabe entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen Mei­ nung7 nicht in Betracht.8

3  Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Rn.  20.8; Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  37 Rn.  17; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § Rn.  21; a. A. Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  245 f. 4  BT-Drucks. 12/2443, S.  167, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  359; siehe auch Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  109. 5  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  17, 23; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  107 ff.; Ja­ coby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  143 Rn.  59; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  20; Rogge/Lepti­ en in: Hamburger Kommentar, InsO, §  143 Rn.  57; a. A.: Riggert in: Braun, InsO, §  143 Rn.  13. 6  Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  17; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  106. 7  Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, §  143 Rn.  22; Kreft in: HK-InsO, §  143 Rn.  21; unklar insoweit Kirchhof, der §  818 Abs.  1 bis 3 BGB von dem Verweis in §  143 Abs.  1 S.  2 InsO umfasst sieht, bei der Frage nach dem Wertersatz indes nur auf den verschuldensabhängigen Anspruch aus §  990 BGB eingeht, Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  10, 73 ff. 8  Wie hier Dauernheim in: FK-InsO, §  143 Rn.  17; Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  105 f.

I.  Die sekundäre Wertersatzpflicht gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO

243

Das ist schon deshalb nicht möglich, da sonst das Ziel des Gesetzgebers, eine Wertersatzpflicht nur bei verschuldeter Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache eintreten zu lassen, konterkariert wäre. Würde man §  818 Abs.  2 BGB neben §§  989, 990 BGB für anwendbar erachten, müsste der Anfechtungsgegner bei Unmöglich­ keit der Herausgabe unabhängig von einem etwaigen Verschulden den Wert der Sache stets ersetzen, da §  818 Abs.  2 BGB verschuldensunabhängig ausgestaltet ist und eine Berufung des Anfechtungsgegners auf Entreicherung gemäß §  818 Abs.  3 BGB infolge der Verweisung auf §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4 BGB gesperrt ist.9

2.  §  143 Abs.  1 S.  2 InsO als einzelfallunabhängiger Anwendungsgarant für §§  989, 990 BGB a)  Direkte Anwendbarkeit von §§  989, 990 BGB als vermeintlicher Widerspruch zu §  143 Abs.  1 S.  2 InsO Wenn man sich den „Paradefall“ der Insolvenzanfechtung vergegenwärtigt und die Anfechtung der Übereignung einer beweglichen Sache begutachtet, könnte man zu­ nächst daran zweifeln, ob §  143 Abs.  1 S.  2 InsO mit der Unwirksamkeitsfolge zu vereinbaren ist. Die Folge der hier vertretenen Ansicht ist die Unwirksamkeit der Übereignung und daraus folgend der Verbleib des Eigentums in der Masse. Diese Folge wird von einem Herausgabeanspruch gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB flankiert, falls der Anfechtungsgegner im Besitz der Sache sein sollte. Im Fall der vom Anfechtungsgegner zu vertretenden Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache aufgrund von deren Untergang oder im Fall von deren Verschlechterung ist der Schadensersatzanspruch gemäß §§  989, 990 BGB bei Annahme eines dingli­ chen Herausgabeanspruchs aus §  985 BGB unmittelbar anwendbar. Es stellt sich daher die Frage, weshalb der Gesetzgeber in §  143 Abs.  1 S.  2 InsO eine Rechtsfol­ genverweisung auf die Vorschriften des bösgläubigen Bereicherungsschuldners sta­ tuiert hat, die mittelbar ebenfalls zur Anwendbarkeit von §§  989, 990 BGB führt. Auf den ersten Blick erscheint dies widersinnig, da über eine Verweisung auf das Bereicherungsrecht eine Rechtsfolge angeordnet wird, die nach der hier vertretenen Ansicht von selbst eintritt. Man könnte daher annehmen, dass §  143 Abs.  1 S.  2 InsO gerade deswegen eingeführt wurde, weil der Anfechtungsanspruch keine dingli­ chen Wirkungen hat. Koss sieht daher in dem Verweis auf das Bereicherungsrecht Anhaltspunkte, die gegen die dingliche (und haftungsrechtliche) Theorie spre­ chen.10

9  Der bösgläubige Bereicherungsschuldner kann sich generell nicht auf Entreicherung ge­ mäß §  818 Abs.  3 BGB berufen; statt vieler Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  818 Rn.  83. 10  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  72.

244

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

b)  Praktisches Bedürfnis nach einzelfallunabhängiger Anwendbarkeit von §§  989, 990 BGB Wenn man die Voraussetzungen der §§  989, 990 BGB untersucht, erkennt man je­ doch, dass die Regelung des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO keineswegs gegen die Möglich­ keit eines dinglichen Herausgabeanspruchs spricht. Würde man §§  989, 990 BGB unmittelbar anwenden, müsste die Grundvorausset­ zung der Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit erfüllt sein. Im Falle der Insolvenz­ anfechtung tritt jedoch nicht automatisch Rechtshängigkeit im Sinne von §  989 BGB hinsichtlich des Herausgabeanspruchs ein. Des Weiteren ist nicht in jedem Fall das Merkmal der Bösgläubigkeit im Sinne von §  990 Abs.  1 BGB beim Anfech­ tungsgegner erfüllt. Die Bösgläubigkeit im Rahmen des §  990 Abs.  1 BGB bezieht sich auf das fehlende Eigentum beim Eigenbesitzer und auf das fehlende Recht zum Besitz beim Fremdbesitzer.11 Wie in §  932 Abs.  2 BGB kommt hier positive Kennt­ nis oder grob fahrlässige Unkenntnis in Betracht.12 Bei der Insolvenzanfechtung ist es jedoch nicht stets der Fall, dass der Anfech­ tungsgegner tatsächlich positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Anfechtung und dem daraus resultierenden Eigentumsverbleib beim Schuldner hat oder haben muss. So lässt der Tatbestand des §  131 Abs.  1 Nr.  1 InsO eine Anfech­ tung für Handlungen, die im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden sind, zu, ohne dass dabei auf eine wie auch immer geartete tatsächliche Kenntnis des Anfechtungsgegners abgestellt wird. Auch der Anfechtungstatbestand des §  131 Abs.  1 Nr.  2 InsO hat nicht die Kenntnis des Anfechtungsgegners zur Voraussetzung. Selbst bei Anfechtungstatbeständen, die eine Kenntnis des Anfechtungsgegners hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzen, wie dies bei §  130 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 und 2 InsO der Fall ist, oder bei denen dem Anfechtungsgegner die Gläubigerbenachteiligung bekannt ist wie bei §  131 Abs.  1 Nr.  3 InsO, ist nicht gleichzeitig gewährleistet, dass der An­ fechtungsgegner infolge dieser Kenntnis auch bösgläubig im Sinne von §  990 Abs.  1 BGB ist. Dafür müsste der Anfechtungsgegner wissen, dass die Zahlungsunfähig­ keit des späteren Insolvenzschuldners und/oder die Gläubigerbenachteiligung zu einer Anfechtung führen können und darüber hinaus die Anfechtung Auswirkun­ gen auf seine durch die anfechtbare Rechtshandlung vermeintlich begründete Ei­ gentümerstellung hat. Bei einer unmittelbaren Anwendung von §  990 Abs.  1 BGB könnte es daher nicht selten zu der Situation kommen, dass die Grundvoraussetzung der Bösgläubigkeit beim Anfechtungsgegner nicht erfüllt ist. Würde das Insolvenzanfechtungsrecht daher keine Vorschrift wie §  143 Abs.  1 S.  2 InsO beinhalten, hätte man die Situati­ on, dass der Anfechtungsgegner nicht auf sekundären Schadensersatz haften wür­ 11 

12 

Baldus in: MüKo-BGB, §  990 Rn.  3. Baldus in: MüKo-BGB, §  990 Rn.  3.

I.  Die sekundäre Wertersatzpflicht gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO

245

de, wenn ihm die Bösgläubigkeit im Sinne von §  990 Abs.  1 BGB fehlen würde. Das Anfechtungsrecht und mit ihm die Masse wären nicht wirkungsvoll geschützt. c)  Möglichkeit der Anwendung von §§  989, 990 BGB bei fehlender Rechtshändgigkeit oder Bösgläubigkeit Dieses unerwünschte Ergebnis, das sich bei unmittelbarer Anwendung der §§  989, 990 BGB ergeben kann, umgeht §  143 Abs.  1 S.  2 InsO, indem es den Anfechtungs­ gegner einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner gemäß §  819 Abs.  1 BGB gleichstellt. Dieser haftet aufgrund der Verweisung in §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4, 292 Abs.  1 BGB gemäß §§  989,990 BGB bei verschuldetem Untergang oder ver­ schuldeter Verschlechterung der Anfechtungssache ohne Weiteres. Einer zusätzli­ chen Prüfung von Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit bedarf es nicht. Hierdurch werden auch die oben erwähnten Anfechtungstatbestände und Fallkonstellationen von der Schadensersatzpflicht der §§  989, 990 BGB erfasst, die bei einer unmittel­ baren Anwendung von §§  989, 990 BGB wegen fehlender Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit nicht den Tatbestand erfüllt hätten. Die Verweisung auf §  819 Abs.  1 BGB kann daher als einzelfallunabhägiger Anwendungsgarant für §§  989, 990 BGB angesehen werden. Die rechtstechnische Ausgestaltung des Sekundäranspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO steht damit nicht in einem Konflikt mit einer Unwirksamkeitsfolge der An­ fechtung und einem daraus folgenden dinglichen Herausgabeanspruch. Vielmehr passt §  143 Abs.  1 S.  2 InsO den Schadensersatzanspruch aus §§  989, 990 BGB einer bei der Insolvenzanfechtung gegebenen Notwendigkeit an. Es soll in jedem Anfech­ tungsfall bei verschuldetem Untergang und verschuldeter Verschlechterung der Sa­ che ein Schadensersatzanspruch zugunsten der Masse ermöglicht werden, unabhän­ gig davon, ob der Anfechtungsgegner bösgläubig hinsichtlich des ihm nicht zuste­ henden Eigentums ist. §  143 Abs.  1 S.  2 InsO modifiziert damit über den Umweg des §  819 Abs.  1 BGB die Voraussetzungen der §§  989, 990 BGB für den Fall der Insol­ venzanfechtung. Die Rechtsfolgen hinsichtlich des sekundären Schadensersatzan­ spruchs werden den Bedürfnissen eines effektiven Masseschutzes angepasst.

3.  Gesetzestechnisch missglückte Umsetzung Gleichwohl erscheint es aus gesetzestechnischer Sicht vorzugswüdig, wenn der Ge­ setzgeber in §  143 Abs.  1 S.  2 InsO direkt auf §§  989, 990 BGB verwiesen und dabei für die Insolvenzanfechtung auf die Erfordernisse der Rechtshändigkeit und Bös­ gläubigkeit verzichtet hätte, anstatt den Umweg über §  819 BGB zu gehen.13

13 

Wie hier Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  107.

246

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

Eine direkte und in ihren Voraussetzungen modifizierte Anwendbarkeit von §§  989, 990 BGB hätte dasselbe Ergebnis nach sich gezogen, ohne dass das schon tatbestandlich nicht einschlägige Bereicherungsrecht hätte bemüht werden müssen. Der Verweis auf das Bereicherungsrecht verkennt, dass es bei der Anfechtung einer Übereignung unabhängig von der vertretenen Theorie nicht um den Wegfall der schuldrechtlichen Causa und somit nicht um einen bereicherungsrechtlichen Vor­ gang geht. Der Verweis auf §  819 BGB ist dazu geeignet, Problemfelder aus dem Bereicherungsrecht auf die Insolvenzanfechtung zu übertragen und Fragen um die Anwendbarkeit einzelner bereicherungsrechtlicher Vorschriften aufzuwerfen, die mit der Insolvenzanfechtung nichts zu tun haben.14 Die Tatsache, dass der Gesetz­ geber bei der Normierung von §  143 Abs.  1 S.  2 InsO lediglich die über eine Verwei­ sungskette zu erreichenden §§  987 ff. BGB im Blick hatte, das Bereicherungsrecht im Übrigen nicht näher thematisiert hat und zudem einen Vergleich zum unrecht­ mäßigen Besitzer und damit zu §  985 BGB gezogen hat, zeigt sich in der entspre­ chenden Gesetzesbegründung15 und bestätigt den Befund, dass die Verweisung auf §  819 BGB missglückt ist. Eine direkte Verweisung auf §§  989, 990 BGB wäre wesentlich zweckdienlicher gewesen als die Gesetz gewordene umständliche und widersprüchliche Verweisung auf den bösgläubigen Bereicherungsschuldner, durch welche die eigentlich beab­ sichtigte Rechtsfolge erst über einen Umweg erreicht wird.

II.  Die Ansprüche des Anfechtungsgegners 1.  Das „Wiederaufleben“ der Forderung des Anfechtungsgegners gemäß §  144 Abs.  1 InsO Ist eine Handlung, aufgrund derer ein Gegenstand in das Vermögen des Anfech­ tungsgegners gelangt ist, anfechtbar, hat der Anfechtungsgegner den Gegenstand gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO an den Insolvenzverwalter zurückzugewähren. Be­ steht hinsichtlich dieses Gegenstandes ein Erfüllungsanspruch des Anfechtunsgeg­ ners gegen den Insolvenzschuldner, bestimmt §  144 Abs.  1 InsO Folgendes: „Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf.“

§  144 Abs.  1 InsO betrifft damit den Fall, dass eine Leistung des Insolvenzschuld­ ners, die schuldtilgende Wirkung hat, angefochten wird.16 Betroffen ist mithin die

14 

Siehe hierzu Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  105 ff. BT-Drucks. 12/2443, S.  167, abgedruckt in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, S.  359; siehe auch Henckel in: Jaeger, InsO, §  143 Rn.  109; siehe hierzu schon S.  242. 16  Dauernheim in: FK-InsO, §  144 Rn.  1; Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  8; Jacoby in: 15 

II.  Die Ansprüche des Anfechtungsgegners

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Anfechtung eines Erfüllungsgeschäfts,17 was vornehmlich in den Fällen der De­ ckungsanfechtung von Relevanz ist.18 Sollte hingegen ein schuldrechtliches Ge­ schäft der Anfechtung unterliegen, ist nicht §  144 Abs.  1 InsO einschlägig, sondern §  144 Abs.  2 InsO.19 a)  Scheinbarer Widerspruch zwischen „Wiederaufleben“ der Forderung und deren Fortbestehen aufgrund mangelnder Erfüllungswirkung §  144 Abs.  1 InsO ordnet für den Fall der Anfechtung eines Erfüllungsgeschäfts an, dass die Forderung des Anfechtungsgegners wiederauflebt, wenn dieser das Erlang­ te an die Insolvenzmasse zurückgewährt. Es stellt sich die Frage, wie diese Rechtsfolge mit der Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung zu vereinbaren ist. Wie dargestellt wurde, hat danach die An­ fechtung zunächst eine schwebende Unwirksamkeit und im Zeitpunkt der Verfah­ renseröffnung die endgültige Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung zur Folge.20 Zur Veranschaulichung der Auswirkungen hinsichtlich einer auf die anfechtbare Leistung bezogenen Forderung des Anfechtungsgegners soll folgender Beispielsfall dienen: Der spätere Anfechtungsgegner (AG) hat eine Forderung in Höhe von 1.000 € gegen den späteren Insolvenzschuldner (IS). IS zahlt die Summe an den AG zwei Wochen vor Verfah­ renseröffnung in bar. Die Zahlung ist jedoch gemäß §  130 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 InsO anfechtbar. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des IS fordert dessen Insol­ venz­verwalter (IV) das Geld von AG zurück. Dieser zahlt das Geld, das sich noch unter­ scheidbar in seinem Vermögen befindet, an IV zurück.

Infolge der Anfechtung gemäß §§  129 Abs.  1, 130 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 InsO stellt sich die Rechtslage so dar, dass die Übereignung der 1.000 € zunächst schwebend und mit Verfahrenseröffnung endgültig unwirksam ist. Der Insolvenzschuldner hat das Eigentum an dem Bargeld nicht verloren. Dem Insolvenzverwalter steht ein An­ spruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB gegen den Anfech­ tungsgegner zu, mit dessen Hilfe er den Besitz in die Masse zurückziehen kann. Fraglich ist, wie sich das Schicksal der Forderung des Anfechtungsgegners hin­ sichtlich der Zahlung der 1.000 € darstellt. Aufgrund der Unwirksamkeit der Über­ Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  3 ff.; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  3; Kreft in: HK-InsO, §  144 Rn.  2; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  4. 17  Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  8; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  144 Rn.  1; Rogge/ Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  144 Rn.  1. 18  Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  5. 19  Dauernheim in: FK-InsO, §  144 Rn.  1; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  144 Rn.  7; Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  4; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  13; Kreft in: HK-InsO, §  144 Rn.  4; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  8; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  144 Rn.  1; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  144 Rn.  4. 20  Siehe hierzu allgemein S.  185 f. und im Hinblick auf die Übereignung beweglicher Sachen S.  189 f.

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§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

eignung und des Verbleibs des Eigentums beim Schuldner tritt in Bezug auf den Zahlungsanspruch keine Erfüllung gemäß §  362 Abs.  1 BGB ein. Die Forderung des Anfechtungsgegners ist demnach nicht untergegangen und besteht nach wie vor. Erblickt man die Rechtsfolge der Insolvenzanfechtung in einer Unwirksamkeit der angefochtenen Handlung, ist die Vorschrift des §  144 Abs.  1 InsO auf den ersten Blick obsolet. Wenn die Forderung des Anfechtungsgegners infolge mangelnder Er­ füllungswirkung der Zahlung nicht erloschen ist, muss und kann die Forderung fol­ gerichtig nicht wiederaufleben. Aus diesem Grunde wird die Existenz von §  144 Abs.  1 InsO als Beleg gegen eine „dingliche“ Theorie mit Unwirksamkeitsfolge an­ geführt.21 b)  §  144 Abs.  1 InsO als dilatorische Einrede des Verwalters und Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Anfechtungsgegners Wenn man sich indes den Normzweck von §  144 Abs.  1 InsO vergegenwärtigt, kann man erkennen, dass die Vorschrift auch mit einer „dinglichen“ Anfechtungstheorie in Einklang zu bringen ist. Regelmäßig wird der Normzweck von §  144 InsO darin gesehen, eine ungerecht­ fertigte Bereicherung der Masse zu verhindern.22 Bei der Bestimmung dieses Normzwecks wird indes oftmals nicht zwischen den beiden Absätzen des §  144 InsO differenziert.23 Geschieht das doch, wird besonders auf §  144 Abs.  2 InsO verwiesen und §  144 Abs.  1 InsO nicht näher thematisiert.24 Nach hier vertretener Ansicht liegt der Zweck von §  144 Abs.  1 InsO nicht im Schutz des Anfechtungsgegners vor einer ungerechtfertigten Massebereicherung, sondern umgekehrt im Schutz der Masse vor einer Blockademöglichkeit des An­ fechtungsgegners. Der Anfechtungsgegner soll seine Forderung gegenüber der Masse erst dann geltend machen können, wenn er den Anfechtungsgegenstand an den Insolvenzverwalter tatsächlich herausgegeben hat. Der verwendete Terminus des „Wiederauflebens der Forderung“ ist unglücklich gewählt und daher so zu ver­ stehen, dass die Forderung des Anfechtungsgegners erst dann durchsetzbar wird, wenn er den Anfechtungsgegenstand herausgegeben hat. Würde §  144 Abs.  1 InsO nicht existieren, könnte der Anfechtungsgegner gegen­ über dem Herausgabeverlangen des Insolvenzverwalters hinsichtlich des Anfech­ tungsgegenstandes ein Zurückbehaltungsrecht gemäß §  273 Abs.  1 BGB geltend machen. Der auf Herausgabe gerichtete Anfechtungsanspruch des Insolvenzver­ 21  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  91 ff.; so auch schon Oertmann, ZZP 33 (1904), 1 (24); ähnlich aus „dinglicher“ Sicht Martozke, KTS 1987, 1 (8). 22  OLG Jena NZG 2002, 1116 (1118); Hess in: Hess, InsO, §  144 Rn.  2; Jacoby in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  1; Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  39 Anm.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  1. 23  Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  1. 24  Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  1.

II.  Die Ansprüche des Anfechtungsgegners

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walters basiert auf der sittenwidrigen und daher anfechtbaren Erfüllung des kausa­ len Grundgeschäfts; die Forderung des Anfechtungsgegners basiert direkt auf dem Grundgeschäft. Beide Ansprüche beruhen damit auf einem innerlich zusammen­ hängenden und einheitlichen Lebensverhältnis, womit die für §  273 Abs.  1 BGB notwendige Konnexität gegeben ist.25 Der Anfechtungsgegner könnte demgemäß eine Herausgabe verweigern, bis der Insolvenzverwalter die Forderung feststellt, indem er einen Widerspruch in der Forderungsanmeldung gemäß §  178 Abs.  1 InsO unterlässt, und die Quote auf die Forderung bezahlt. Damit könnte der Anfech­ tungsgegner eine Herausgabe blockieren, was der Zielsetzung des Insolvenzanfech­ tungsrechts zuwiderläuft. Um das zu vermeiden, führt §  144 Abs.  1 InsO unter der hiesigen Lesart aufgrund der gesperrten Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Anfechtungsgegners dazu, dass ihm eine Berufung auf §  273 Abs.  1 BGB nicht möglich ist. Das Zurückbehaltungs­ recht des §  273 Abs.  1 BGB kann grundsätzlich nicht auf einredebehaftete Ansprü­ che gestützt werden.26 Der Insolvenzverwalter erhält demgegenüber aufgrund von §  144 Abs.  1 InsO die Möglichkeit, einer Forderungsanmeldung durch den Anfech­ tungsgegner gemäß §  178 Abs.  1 InsO solange zu widersprechen, bis dieser die Sa­ che herausgegeben hat. Damit kann ein gewisser Druck auf den Anfechtungsgegner aufgebaut und eine Verzögerung der Herausgabe unterbunden werden. §  144 Abs.  1 InsO hat demnach die Funktion, dem Insolvenzverwalter eine Ein­ rede an die Hand zu geben und ein Zurückbehaltungsrecht gemäß §  273 Abs.  1 BGB für den Anfechtungsgegner aufgrund seiner Forderung gegenüber der Masse auszu­ schließen. §  144 Abs.  1 InsO widerspricht einer Unwirksamkeitsfolge daher nur dem ersten Anschein nach. Der Widerspruch wird aufgelöst, wenn man den Normzweck im Sinne des Masseschutzes bestimmt und demgemäß der unglücklichen Formulie­ rung vom „Wiederaufleben“ den Sinn einer dilatorischen Einrede gegenüber der Forderung des Anfechtungsgegners beimisst.

2.  Erstattung der Gegenleistung gemäß §  144 Abs.  2 InsO Gemäß §  144 Abs.  2 S.  1 InsO ist eine Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zu erstatten, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Im Gegensatz zu §  144 Abs.  1 InsO ist die Vor­

25  So für §  144 Abs.  2 InsO siehe Krüger in: MüKo-BGB, §  273 Rn.  13, 29; zu §  38 KO, der dem heutigen §  144 Abs.  2 InsO entspricht, siehe BGH NJW 2000, 3777 (3781); BGH NJW-RR 1986, 991 (993). Für §  144 Abs.  1 kann grundsätzlich nichts anderes gelten. 26  Siehe nur Krüger in: MüKo-BGB, §  273 Rn.  31; Ausnahme: Einrede der Verjährung gemäß §  215 BGB unter besonderen Voraussetzungen.

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§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

schrift Ausdruck des obenstehend erwähnten Gedankens, wonach eine ungerecht­ fertigte Bereicherung der Masse vermieden werden soll.27 §  144 Abs.  2 S.  1 InsO ist nur in den Fällen anwendbar, in denen es um die An­ fechtung eines Verpflichtungsgeschäfts geht.28 Hat aufgrund eines anfechtbaren Verpflichtungsgeschäfts auch der Anfechtungsgegner geleistet, hat er im Falle der Anfechtung einen Erstattungsanspruch gegen die Masse, der als bereicherungs­ rechtlicher Anspruch einzuordnen ist.29 Der Erstattungsanspruch stellt nach ganz herrschender Meinung einen Massebereicherungsanspruch im Sinne von §  55 Abs.  1 Nr.  3 InsO dar und nicht eine bloße Insolvenzforderung gemäß §  38 InsO.30 Diese Einordnung ergibt sich aus einem systematischen Gegenschluss zu §  144 Abs.  2 S.  2 InsO. Danach kann der Anfechtungsgegner seine Forderung auf Rück­ gewähr der Gegenleistung, soweit diese nicht mehr unterscheidbar in der Masse vorhanden ist oder soweit die Masse nicht mehr um ihren Wert bereichert ist („dar­ über hinaus“) nur noch als Insolvenzgläubiger geltend machen. Wenn §  144 Abs.  2 S.  2 InsO die Forderung in diesem Fall in Abgrenzung zu §  144 Abs.  2 S.  1 InsO „nur“ als Insolvenzforderung einstuft, muss der Anspruch aus §  144 Abs.  2 S.  1 InsO anderes qualifiziert werden. Ein Aussonderungsrecht kommt nicht in Be­ tracht,31 da nicht die Verfügung des Anfechtungsgegners hinsichtlich seines Leis­ tungsgegenstandes unwirksam ist, sondern das kausale Rechtsgeschäft.32 Daher wird der Anspruch aus §  144 Abs.  2 S.  1 InsO als Massebereicherungsanspruch ge­ mäß §  55 Abs.  1 Nr.  3 InsO eingeordnet. Die rechtliche Einordnung als Massebereicherungsanspruch wird gegen eine Un­ wirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung ins Feld geführt.33 Da ein Anspruch gemäß §  55 Abs.  1 Nr.  3 InsO zur Voraussetzung hat, dass eine Bereicherung der Masse erst nach Verfahrenseröffnung stattgefunden hat,34 könne aus einer Un­ 27  OLG Jena NZG 2002, 1116 (1118); Hess in: Hess, InsO, §  144 Rn.  2; Jacoby in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  1; Jaeger, KO, 6. u. 7.  Aufl., §  39 Anm.  1; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  1. 28  Dauernheim in: FK-InsO, §  144 Rn.  1; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  144 Rn.  7; Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  4, 23; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  13; Kreft in: HK-InsO, §  144 Rn.  4; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  8; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  144 Rn.  1; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  144 Rn.  4. 29  Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  24; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  144 Rn.  8; Jaco­ by in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  27; Kreft in: HK-InsO, §  144 Rn.  5; Nerlich in: Ner­ lich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  8, 10; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  144 Rn.  5. 30  Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  24; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  144 Rn.  11; Ja­ coby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  144 Rn.  27; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  18; Kreft in: HK-InsO, §  144 Rn.  5; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  144 Rn.  8. 31  Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  24; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  144 Rn.  11; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  144 Rn.  18. 32  In diese Richtung auch Henckel in: Jaeger, InsO, §  144 Rn.  24. 33  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  92. 34  BGH NZI 2009, 475 (476); BGH NJW 2009, 1414 (1416); BGH NZI 2008, 39 (39); BGHZ 155, 199 (205); BGHZ 23, 307 (317 f.); RGZ 94, 20 (25); Andres in: Nerlich/Römermann, InsO, §  55 Rn.  122; Hefermehl in: MüKo-InsO, §  55 Rn.  209, 214; Henckel in: Jaeger, InsO, §  55 Rn.  79; Ho­

II.  Die Ansprüche des Anfechtungsgegners

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wirksamkeit des angefochtenen Verpflichtungsgeschäfts nur eine Insolvenzforde­ rung des Anfechtungsgegners gemäß §  38 InsO resultieren.35 Durch die unterstell­ te Rückwirkung der Unwirksamkeit sei das Verpflichtungsgeschäft bereits vor Ver­ fahrenseröffnung unwirksam, sodass auch die Bereicherung der Masse bereits vor Verfahrenseröffnung eingetreten sei.36 Wenn man sich die Wirkungen der hier vertretenen Unwirksamkeitsfolge verge­ genwärtigt, kann dieser Einwand entkräftet werden. Bis zur Verfahrenseröffnung ist das anfechtbare kausale Rechtsgeschäft lediglich schwebend unwirksam, erst im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung tritt die endgültige Unwirksamkeit ein. Für den Fall einer nur schwebenden Unwirksamkeit ist anerkannt, dass ein Bereicherungs­ anspruch nicht besteht.37 Erst eine endgültige Rechtsgrundlosigkeit vermag einen Bereicherungsanspruch auszulösen.38 Damit tritt die Bereicherung der Masse erst mit Verfahrenseröffnung durch die endgültige Unwirksamkeit des kausalen Rechts­ geschäfts ein. Wenn demgegenüber der Bundesgerichtshof einen Bereicherungsanspruch bei nur schwebender Unwirksamkeit anerkennt, wenn in Unkenntnis der schwebenden Unwirksamkeit geleistet worden ist,39 ist dies zweifelhaft. Das Fehlen des Rechts­ grundes steht hier gerade nicht endgültig fest. Es besteht noch die Möglichkeit, dass das Geschäft wirksam wird. Geschieht das, liegt keine rechtsgrundlose Bereiche­ rung vor. Der Leistungsaustausch wäre im Fall eines vorangegangenen Bereiche­ rungsausgleichs erneut vorzunehmen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dazu geeignet sich widersprechende Ergebnisse zu liefern und ist darüber hinaus für die Rechtsanwendung kaum praktikabel. Für den Fall der Insolvenzanfechtung würde die Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs erst recht keinen Sinn machen. Unter Zugrundelegung dieser Rechtspre­ chung müsste die schwebende Unwirksamkeit eines anfechtbaren kausalen Rechts­ geschäfts zur Folge haben, dass der Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Anfechtungsgegner hätte. Dass dies nicht der Fall sein kann, zeigt schon die Tatsache, dass gemäß §  129 Abs.  1 InsO alleine der Insolvenzverwalter die Anfechtung geltend machen kann. Nur er ist Inhaber der aus der Anfechtung folgenden Ansprüche.40 Der Schuldner kann mann in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  55 Rn.  17; Jarchow in: Hamburger Kommentar, InsO, §  55 Rn.  18; Kreft in: HK-InsO, §  55 Rn.  25; Pape/Schaltke in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  55 Rn.  198; Sinz in: Uhlenbruck, InsO, §  55 Rn.  85. 35  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  92. 36  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  92. 37  Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  61; in diese Richtung wohl auch Lorenz in: Stau­ dinger, BGB, §  812 Rn.  93. 38  Lorenz in: Staudinger, BGB, §  812 Rn.  93; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, §  812 Rn.  34; Wendehorst in: BeckOK-BGB, §  812 Rn.  61. 39  BGHZ 65, 123 (126 f.); dem Bundesgerichtshof ohne Begründung folgend Buck-Heeb in: Erman, BGB, §  812 Rn.  46; Prütting in: Prütting/Wegen/Weinreich, §  812 Rn.  34; Sprau in: Pa­ landt, BGB, §  812 Rn.  21; Stadler in: Jauernig, BGB, §  812 Rn.  12. 40  Statt vieler Henckel in: Jaeger, InsO, §  129 Rn.  279.

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§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

demgegenüber vor Verfahrenseröffnung keine Ansprüche aus einer möglichen Un­ wirksamkeit aufgrund der §§  129 ff. InsO geltend machen. Dasselbe muss für den Anfechtungsgegner gelten. Rechtstechnisch drückt sich das darin aus, dass das kau­ sale Rechtsverhältnis bis Verfahrenseröffnung nur schwebend unwirksam ist. Erst mit Verfahrenseröffnung tritt die endgültige Nichtigkeit ein. Infolgedessen liegen auch erst zu diesem Zeitpunkt eine rechtsgrundlose Leistung des Anfechtungsgeg­ ners und damit eine rechtsgrundlose Bereicherung der Masse vor. Demnach ist der Anspruch aus §  144 Abs.  2 Nr.  1 InsO unter Zugrundelegung einer Nichtigkeitsfolge als Massebereicherungsanspruch einzustufen. Die hier ver­ tretene Lösung setzt sich damit nicht mit der von der herrschenden Meinung vertre­ tenen und von der gesetzlichen Systematik vorgegebenen Einordnung von §  144 Abs.  1 S.  1 InsO in Widerspruch. Der generelle Einwand, dass eine Anfechtungs­ theorie mit Unwirksamkeitsfolge nicht mit §  144 Abs.  2 S.  1 InsO und der dort vor­ liegenden Einordnung zu vereinbaren sei, ist unzutreffend.

III.  Die Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §  145 InsO §  145 InsO regelt die Anfechtbarkeit gegenüber dem Rechtsnachfolger des Anfech­ tungsgegners. Hierbei wird systematisch zwischen der Anfechtbarkeit gegenüber dem Erben oder einem anderen Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners sowie den sonstigen Rechtsnachfolgern differenziert. Während §  145 Abs.  1 InsO die Anfechtbarkeit gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgeg­ ners unbeschränkt zulässt, ist die Anfechtung gegenüber einem sonstigen Rechts­ nachfolger von besonderen Voraussetzungen abhängig, die in §  145 Abs.  2 InsO abschließend genannt sind.

1.  Anfechtung gegenüber dem Erben oder einem anderen Gesamtrechtsnachfolger gemäß §  145 Abs.  1 InsO §  145 Abs.  1 InsO bestimmt, dass die Anfechtung gegenüber einem Erben oder an­ deren Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners geltend gemacht werden kann. Neben der Anfechtbarkeit gegenüber dem ursprünglichen Anfechtungsgeg­ ner sind keine zusätzlichen Voraussetzungen notwendig, um die Anfechtbarkeit auch gegenüber dessen Gesamtrechtsnachfolger geltend zu machen.41

41  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  9; Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  10; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  145 Rn.  5; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  145 Rn.  3.

III.  Die Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §  145 InsO

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§  145 Abs.  1 InsO regelt letztlich eine Selbstverständlichkeit:42 Der Gesamt­ rechtsnachfolger tritt vollumfänglich in die Rechte und Pflichten seines Vorgängers ein. So richtet sich die Haftung des Erben nach den §§  1922, 1967 Abs.  1 BGB.43 Die Haftung anderer Gesamtrechtnachfolger orientiert sich an diesen Grundsät­ zen.44 Bei Anwendung der hier vertretenen Unwirksamkeitsfolge ist der anfecht­ bare Erwerb des Anfechtungsgegners unwirksam. Im Falle einer anfechtbaren Übereignung einer beweglichen Sache verbleibt das Eigentum beim Schuldner und damit in der Masse. Sollte der Anfechtungsgegner im Besitz der Sache sein, steht dem Insolvenzverwalter der Herausgabeanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Ver­ bindung mit §  985 BGB zu. Tritt ein Erbe die Gesamtrechtsnachfolge des Anfech­ tungsgegners an, haftet er gemäß §  1967 Abs.  1 BGB für den Herausgabeanspruch als Erblasserverbindlichkeit.45 §  145 Abs.  1 InsO lässt sich daher ohne Probleme mit der Unwirksamkeitsfolge in Einklang bringen, da letztlich nur die gesetzliche Haftung, die den Gesamtrechtsnachfolger ohnehin trifft, klargestellt wird.46 §  145 Abs.  1 InsO hat damit deklaratorischen Charakter.47 Wenn Henckel als Vertreter der haftungsrechtlichen Sichtweise dahingegen an­ führt, dass §  145 Abs.  1 InsO nicht die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers aus­ spricht, sondern die Vorgabe zum Inhalt hat, dass die Haftung des Anfechtungsge­ genstandes hinsichtlich Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners nicht durch eine Gesamtrechtsnachfolge erlischt,48 ist damit letztlich dasselbe gemeint, nur dass §  145 Abs.  1 InsO dadurch eine zusätzliche haftungsrechtliche Anreicherung er­ fährt. Das Argument, dass §  145 Abs.  1 InsO andernfalls als reine Wiederholung des Inhalts von §  1967 Abs.  1 BGB unnötig wäre,49 verfängt nicht. Zum einen ist es dem Gesetzgeber unbenommen, rein deklaratorische Vorschriften zu schaffen. Zum anderen wäre §  145 Abs.  1 InsO auch bei einer haftungsrechtlichen Sichtweise unnötig, da die Gesamtrechtsnachfolge die haftungsrechtliche Zugehörigkeit des Gegenstandes zur Masse nicht aufhebt:50 Der Erbe hätte einen haftungsrechtlich noch der Insolvenzmasse zugehörigen Vermögensgegenstand geerbt und wäre da­ mit auch hier gemäß §§  1922, 1967 Abs.  1 BGB in die Herausgabepflicht aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO eingetreten. §  145 Abs.  1 InsO hätte also auch bei einer haftungs­ rechtlichen Deutung keinen über §§  1922, 1967 Abs.  1 BGB hinausgehenden Aus­ sagegehalt. 42  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.98; Marotzke, KTS 1987, 1 (14); Nerlich in: Nerlich/ Römermann, InsO, §  145 Rn.  3. 43  Dauernheim in: FK-InsO, §  145 Rn.  3; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  102; Kreft in: HK-InsO, §  145 Rn.  2; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  145 Rn.  3. 44  Kreft in: HK-InsO, §  145 Rn.  4. 45  Lohmann in: BeckOK-BGB, §  1967 Rn.  15; Marotzke in: Staudinger, BGB, §  1967 Rn.  9. 46  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.98; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  145 Rn.  3. 47  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  102. 48  Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  5. 49  Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  5. 50  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  9; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn.  21.98.

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§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

2.  Anfechtung gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger gemäß §  145 Abs.  2 InsO a)  Grundlegender Regelungsgehalt von §  145 Abs.  2 InsO Im Gegensatz zur Erstreckung der Anfechtbarkeit auf den Erben oder sonstigen Gesamtrechtsnachfolger ist eine Anfechtung gegenüber einem Sonderrechtsnach­ folger des Anfechtungsgegners nur unter den in §  145 Abs.  2 Nr.  1 bis 3 InsO ge­ nannten Voraussetzungen möglich.51 Sonstiger Rechtsnachfolger im Sinn von §  145 Abs.  2 InsO ist derjenige, der den anfechtbar in das Vermögen des ursprünglichen Anfechtungsgegners gelangten Gegenstand in anderer Weise als durch Gesamt­ rechtsnachfolge erwirbt.52 Der Anfechtungsgegenstand muss daher in Form eines abgeleiteten Erwerbs auf den Rechtsnachfolger übertragen worden sein.53 Gleich­ gültig ist dabei, ob die Übertragung auf einer rechtsgeschäftlichen Verfügung, einer Zwangsverfügung oder kraft Gesetzes basiert.54 Liegt eine solche Form der Einzelrechtsnachfolge vor, ist eine Anfechtung gegen­ über dem Einzelrechtsnachfolger nur möglich, wenn ihm zur Zeit seines Erwerbs die Umstände, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers be­ gründen, bekannt waren (§  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO), er zur Zeit seines Erwerbs zu den dem Schuldner nahestehenden Personen im Sinne von §  138 InsO gehörte, es sei denn, ihm waren die Umstände, welche die Anfechtbarkeit gegenüber seinem Rechtsvorgänger begründeten, nicht bekannt (§  145 Abs.  2 Nr.  2 InsO), oder wenn ihm das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist (§  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO). Nach der schuldrechtlichen Theorie ordnet die Regelung des §  145 Abs.  2 InsO aus konstruktiver Sicht eigene Anfechtungstatbestände für eine Anfechtung gegen­ über dem Rechtsnachfolger des Anfechtungsgegners an, welche die Rechtsfolge des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO auslösen.55 Die haftungsrechtliche Theorie sieht den Rege­ lungsgehalt dagegen in einer Erstreckung der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners bei Erfüllung der geregelten Tatbestände.56

51  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  19; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, §  145 Rn.  6; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  103; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  145 Rn.  9. 52  Brinkmann in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  20; Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier, InsO, §  145 Rn.  6; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  145 Rn.  17. 53  Dauernheim in: FK-InsO, §  145 Rn.  7; Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  28; Rogge/Lep­ tien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  145 Rn.  10. 54  Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  28. 55  Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  4; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, §  40 KO Anm.  9; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  103. 56  Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  25.

III.  Die Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §  145 InsO

255

b)  §  145 Abs.  2 InsO als Erweiterung der Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs Infolge der in dieser Arbeit vertretenen Unwirksamkeitsfolge ergibt sich eine ande­ re konstruktive Einordnung des §  145 Abs.  2 InsO. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Erwerb des Anfechtungsgegenstandes vom Anfechtungsgegner im Rah­ men der Einzelrechtsnachfolge aufgrund des beim Schuldner verbliebenen Eigen­ tums einen Erwerb vom Nichtberechtigten darstellt. Für den Erwerb vom Nichtberechtigten enthält das Bürgerliche Gesetzbuch Vor­ schriften, die den gutgläubigen Erwerb ermöglichen. Bei beweglichen Sachen gilt §  932 BGB, bei unbeweglichen Sachen §  892 BGB. Ein gutgläubiger Erwerb ist demnach im Rahmen von §  932 BGB ausgeschlossen, wenn dem Erwerber der be­ weglichen Sache bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, §  932 Abs.  2 BGB. Ein gutgläubiger Erwerb unbeweglicher Sachen scheitert gemäß §  892 Abs.  1 S.  1 BGB, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs kennt. Sollte demnach der Erwerber einer anfechtbar erlangten beweglichen Sache hin­ sichtlich des Eigentums des Anfechtungsgegners gutgläubig sein, kann er gemäß §  932 BGB grundsätzlich gutgläubig das Eigentum erwerben. Obwohl damit ein nach den zivilrechtlichen Vorschriften wirksamer gutgläubiger Erwerb vorliegt, lässt §  145 Abs.  2 InsO die Anfechtung gegen den Einzelrechtsnachfolger unter be­ stimmten, von §  932 BGB (und §  892 BGB) abweichenden Voraussetzungen zu. Die durch §  145 Abs.  2 InsO ermöglichte „Geltendmachung der Anfechtbarkeit“ gegen­ über dem Erwerber stellt sich als eine Ausdehnung der Unwirksamkeit des Erwerbs des Anfechtungsgegners dar. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Unwirksamkeit des Erwerbs des Anfech­ tungsgegners dem Erwerber, soweit dieser die Voraussetzungen des §  145 Abs.  2 InsO erfüllt, selbst dann entgegengehalten werden kann, wenn Gutgläubigkeit im Sinne von §  932 BGB oder §  892 BGB vorliegt. Folglich wird trotz der Gutgläubig­ keit ein Eigentumserwerb ausgeschlossen. Das Eigentum verbleibt beim Schuldner und damit in der Masse, weshalb der Insolvenzverwalter einen Herausgabeanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 Abs.  1 BGB gegenüber dem Gutgläubigen geltend machen kann. Rechtstechnisch ist eine Erstreckung der Unwirksamkeit auf den Erwerber mög­ lich, wenn man §  145 Abs.  2 InsO als eine zusätzlich zu erfüllende Sondervorschrift für den gutgläubigen Erwerb im Fall der Insolvenzanfechtung einordnet. Ein gut­ gläubiger Erwerb ist demnach nur dann möglich, wenn einerseits die zivilrechtli­ chen Gutglaubensvorschriften erfüllt sind und zum anderen kein Fall des §  145 Abs.  2 InsO vorliegt. Terminologisch sollte man indes besser nicht von einem doppelt gutgläubigen Erwerb sprechen, wie dies etwa bei §  325 Abs.  2 ZPO der Fall ist.57 Diese Termi­ 57 

Zum doppelt gutgläubigen Erwerb im Rahmen von §  325 Abs.  2 ZPO siehe Gottwald in:

256

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

nologie passt deshalb nicht, da §  145 Abs.  2 InsO nicht nur Voraussetzungen hin­ sichtlich einer Kenntnis und damit einem guten Glauben im engen Sinne enthält, sondern mit dem Merkmal der Unentgeltlichkeit gemäß §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO auch ein kenntnisunabhängiges und damit „glaubensunabhängiges“ Merkmal. Es handelt sich bei §  145 Abs.  2 InsO vielmehr um eine Regelung, welche die Voraus­ setzungen des gutgläubigen Erwerbs zu Lasten des Erwerbers erweitert. c)  Vereinbarkeit mit zivilrechtlichen Prinzipien Es stellt sich dabei die Frage, ob die Voraussetzungen des §  145 Abs.  2 InsO mit zi­ vilrechtlichen Prinzipien hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs zu vereinbaren sind. aa)  §  145 Abs.  2 Nr.  1 und 2 InsO §  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO lässt eine Anfechtbarkeit gegen den Erwerber zu, wenn ihm die Umstände bekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs des Anfech­ tungsgegners begründen. Wie in §  932 Abs.  2 BGB und §  892 Abs.  1 BGB wird in dieser Norm auf eine Kenntnis abgestellt, sodass von der Grundstruktur eine Ver­ gleichbarkeit vorliegt. Unterschiedlich ist der Bezugspunkt der Kenntnis. Kennt der Erwerber die anfechtungsbegründenen Umstände, so wird man nicht ohne Weiteres gleichzeitig auf eine Kenntnis hinsichtlich des fehlenden Eigentums des Anfechtungsgegners schließen können. Dafür müsste der Erwerber um die kon­ krete Unwirksamkeitsfolgen der Anfechtung wissen. Daher ist auch fraglich, ob grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich des fehlenden Eigentums des Anfech­ tungsgegners bejaht werden kann. Verneint man dies, wäre ein gutgläubiger Erwerb aufgrund der zivilrechtlichen Vorschriften möglich. Gleiches gilt für §  892 Abs.  1 BGB, bei dem nur positive Kenntnis hinsichtlich der Unrichtigkeit des Grundbuchs schadet. Indes ist es aus Billigkeitsgründen offensichtlich, dass einem um die an­ fechtungsbegründenden Umstände Wissenden der Eigentumserwerb nicht gebührt. Er ist nicht schutzwürdig. §  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO verhindert die sich aus der Anwendbarkeit der zivilrecht­ lichen Gutglaubensvorschriften unter Umständen ergebende Unbilligkeit, indem der gutgläubige Erwerb ausgeschlossen wird. Mit §  932 BGB und §  892 BGB ver­ bindet §  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO das Grundprinzip, wonach eine bestimmte Kenntnis, die zum Ausschluss der Schutzbedürftigkeit des Erwerbenden führt, den gutgläubi­ gen Erwerb verhindert.58 Das zivilrechtliche Prinzip des bösen Glaubens wird für die spezifische Anfechtungssituation fortgeschrieben. MüKo-ZPO, §  325 Rn.  99; Gruber in: BeckOK-ZPO, §  325 Rn.  27; Muslielak in: Musielak/Voit, ZPO, §  325 Rn.  24; Saenger in: Saenger, ZPO, §  325 Rn.  32. 58  Zur Schutzwürdigkeit des gutgläubig Erwerbenden im Rahmen von §  932 BGB siehe Oechsler in: MüKo-BGB, §  932 Rn.  29 ff.

III.  Die Anfechtung gegenüber dem Rechtsnachfolger gemäß §  145 InsO

257

§  145 Abs.  2 Nr.  2 InsO basiert ebenfalls auf dem Kenntnisprinzip, stellt indes eine beweisrechtliche Erweiterung dar, indem die Beweislast hinsichtlich der Kenntnis umgekehrt wird.59 Ist der Erwerber eine dem Schuldner nahestehende Person im Sinne des §  138 InsO, wird die von §  145 Abs.  2 Nr.  1 InsO vorausgesetz­ te Kenntnis vermutet, es sei denn, der Erwerber kann die Vermutung entkräften. bb)  §  145 Abs.  1 Nr.  3 InsO (1)  Durchbrechung des zivilrechtlichen Prinzips der Möglichkeit des unentgeltlichen gutgläubigen Erwerbs Ein gutgläubiger Erwerb gemäß §§  929, 932 BGB ist grundsätzlich auch dann mög­ lich, wenn der Erwerbende kein Vermögensopfer erbracht hat, der Erwerb also un­ entgeltlich erfolgte.60 Dies ist zwar nicht unbestritten,61 allerdings belegt die Exis­ tenz von §  816 Abs.  1 S.  2 BGB die Möglichkeit des gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbs. Wenn dieser nicht möglich wäre, bedürfte es keines Kondiktionsanspruchs gegen den Gutgläubigen, da der Eigentümer die Sache vindizieren könnte.62 Demgegenüber wird durch §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO die Möglichkeit geschaffen, die Anfechtbarkeit gegenüber dem Erwerber geltend zu machen, dem das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist. Durch §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO wird daher ent­ gegen der bei §  932 BGB bestehenden Möglichkeit der gutgläubige unentgeltliche Erwerb ausgeschlossen. Diese Divergenz wird als Argument gegen die dingliche Einordnung der Insolvenzanfechtung verwendet. Der Ausschluss des unentgeltli­ chen gutgläubigen Erwerbs finde keine Entsprechung in den zivilrechtlichen Gut­ glaubensvorschriften, sodass sich eine Einordnung des §  145 Abs.  2 InsO als beson­ dere Gutglaubensvorschrift verbiete.63 Dem Einwand ist insofern nachzugehen, als dass §  145 Abs.  2 InsO in der Tat dem allgemeinen zivilrechtlichen Prinzip von der Möglichkeit des unentgeltlichen gut­ gläubigen Erwerbs widerspricht. Der unentgeltliche Erwerb ist im Zivilrecht vindi­ kationsfest ausgestaltet und hat lediglich einen Bereicherungsanspruch gemäß §  816 Abs.  1 S.  2 BGB zugunsten des ehemaligen Eigentümers zur Folge. §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO führt dagegen zu einem Vindikationsanspruch gegen den Erwerber.

59  Siehe zur Funktion des §  145 Abs.  2 Nr.  2 InsO als Beweislastumkehr Brinkmann in: Küb­ ler/Prütting/Bork, InsO, §  145 Rn.  33; Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  61; Nerlich in: Nerlich/ Römermann, InsO, §  145 Rn.  19. 60  Oechsler in: MüKo-BGB, §  932 Rn.  33. 61  Peters, Gutgläubiger Erwerb, S.  116 ff., sieht in der Entgeltlichkeit des Erwerbs ein unge­ schriebenes Tatbestandsmerkmal des §  932 Abs.  1 BGB. 62  Oechsler in: MüKo-BGB, §  932 Rn.  33. 63  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  104.

258

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

(2)  Rechtfertigung der Durchbrechung Die Durchbrechung eines allgemeinen zivilrechtlichen Prinzips bedarf einer beson­ deren Rechtfertigung. Die verminderte Schutzwürdigkeit des unentgeltlich Erwer­ benden vermag die Durchbrechung alleine nicht zu rechtfertigen. Sie wird regelmä­ ßig als wesentlicher Grund für §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO angegeben.64 Indes ist die geringere Schutzwürdigkeit auch im Zivilrecht allgemein anerkannt und bildet die Grundlage für die Existenz des Bereicherungsanspruchs des §  816 Abs.  1 S.  2 BGB.65 Daher müssen zusätzliche Wertungen vorliegen, welche die schärfere Rechtsfolge im Fall der Insolvenzanfechtung rechtfertigen können. Diese Wertungen können dem Sinn und Zweck des Insolvenzanfechtungsrechts entnommen werden. Das Insolvenzanfechtungsrecht soll im wirtschaftlich exis­ tenzbedrohenden Zustand des Schuldners66 eine bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sicherstellen. Hierzu soll der Insolvenzverwalter dieje­ nigen Gegenstände in die Masse zurückziehen können, die in anfechtbarer und da­ mit sittenwidriger Weise veräußert wurden und folglich nicht dem Anfechtungsgeg­ ner, sondern den Insolvenzgläubiger zu deren Befriedigung gebühren.67 Dementsprechend steht dem Insolvenzverwalter im Falle der Anfechtung der Übereignung einer beweglichen Sache ein dinglicher Herausgabeanspruch gegen den Anfechtungsgegner zu. Könnte ein Dritter die Sache gutgläubig unentgeltlich wegerwerben, würde gegenüber dem Anfechtungsgegner nur noch der Schadenser­ satzanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO und gegenüber dem Dritten der Bereiche­ rungsanspruch aus §  816 Abs.  1 S.  2 BGB bestehen. Der dingliche Herausgabean­ spruch würde untergehen und durch zwei schuldrechtliche Ansprüche ersetzt wer­ den. Eine auf Abtretung des Anspruchs auf die Gegenleistung gerichtete Ersatzaussonderung gemäß §  48 InsO hinsichtlich der veräußerten Sache gegenüber dem Anfechtungsgegner kommt infolge der Unentgeltlichkeit nicht in Betracht. Im Fall einer nachfolgenden Insolvenz des Anfechtungsgegners und des unent­ geltlich gutgläubig Erwerbenden würden die Ansprüche aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO und §  816 Abs.  1 S.  2 BGB aufgrund ihrer schuldrechtlichen Qualität nicht zu Aus­ sonderung berechtigen.68 Der Insolvenzverwalter würde zum Schaden der Gläubi­ ger weitgehend mit seinen Forderungen ausfallen. Dass dieses Ergebnis in der Insol­ venz des Anfechtungsgegners nicht tragbar ist, wurde bereits festgestellt.69 Für den Fall der Insolvenz des unentgeltlich gutgläubig Erwerbenden kann schon des­ 64  Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  63; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  145 Rn.  29; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  145 Rn.  20. 65  Canaris, S.  516; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  341; Lorenz in: Staudinger, BGB, §  816 Rn.  27; Schwab in: MüKo-BGB, §  816 Rn.  61; Sprau in: Palandt, BGB, §  816 Rn.  12. 66  So beschreibt Pape in: Uhlenbruck, InsO, §  1 Rn.  2 die Situation der Insolvenz. 67  Siehe hierzu bereits S.  220 ff. 68  Zur fehlenden Aussonderungskraft des Wertersatzanspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  2 InsO siehe BGHZ 155, 199 (203); Eckhardt, KTS 2005, 15 (46); Ede/Hirte in: Uhlenbruck, InsO, §  143 Rn.  74; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  143 Rn.  85a. 69  Siehe S.  220 ff.

IV.  Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO

259

halb nichts anderes gelten, da dieser wegen eines fehlenden Vermögensopfers nicht schutzwürdig ist. Der Unentgeltlichkeit der Verfügung den Vorrang vor dem Befrie­ digungsinteresse der Gläubiger des ehemaligen Eigentümers zuzugestehen, würde das Prinzip der verminderten Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs aus den Angeln heben. Aus diesem Grunde ist die Durchbrechung der Möglichkeit des unentgeltlichen gutgläubigen Erwerbs durch §  145 Abs.  2 Nr.  3 InsO gerechtfertigt. Man könnte hiergegen einwenden, dass im allgemeinen Zivilrecht nichts anderes gelten dürfte. Auch hier besteht die Möglichkeit, dass der unentgeltlich gutgläubig Erwerbende in die Insolvenz fällt, sodass der ehemalige Eigentümer mit seinem Anspruch nur auf die Quote verwiesen wäre. Von daher müsste zum Schutz des Eigentümers ein unentgetlicher gutgläubiger Erwerb generell ausgeschlossen wer­ den, sodass er aufgrund seines Eigentums in der Insolvenz des Gutgläubigen ein Aussonderungsrecht geltend machen könnte. Eine solche Argumentation würde in­ des unberücksichtigt lassen, dass im Fall von obligatorischen Ansprüchen stets ein Insolvenzrisiko gegeben ist, gleich ob die Ansprüche gesetzlicher oder vertraglicher Natur sind. Im Gegensatz zum allgemeinen Insolvenzrisiko besteht im Fall der In­ solvenz des Eigentümers, welche die Grundvoraussetzung für das Insolvenzanfech­ tungsrecht ist, die Notwendigkeit, das übergeordnete Verfahrensziel der par condi­ tio creditorum zu erfüllen. Das rechtfertigt es, die ohnehin bestehende geringe Schutzwürdigkeit des unentgeltlich Erwerbenden in der Insolvenz des Eigentümers mit einer gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht schärferen Rechtsfolge zu belegen.

IV.  Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO §  146 Abs.  1 InsO bestimmt, dass sich die Verjährung des Anfechtungsanspruchs nach den Vorschriften über die regelmäßige Verjährung gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch richtet. Mit „Anfechtungsanspruch“ ist der Primäranspruch des §  143 Abs.  1 S.  1 InsO sowie der sekundäre Schadensersatzanspruch des §  143 Abs.  1 S.  2 InsO gemeint.70 Die Verjährung der Ansprüche aus §  143 Abs.  1 InsO richtet sich demnach gemäß §§  195, 199 BGB.71

70 

So auch Henckel in: Jaeger, InsO, §  146 Rn.  63. Gehrlein in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, §  146 Rn.  3; Henckel in: Jaeger, InsO, §  146 Rn.  11; Hirte/Ede in: Uhlenbruck, InsO, §  146 Rn.  1; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  146 Rn.  2; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  146 Rn.  8; Kreft in: HK-InsO, §  146 Rn.  6; Nerlich in: Nerlich/Römermann, §  146 Rn.  4; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  146 Rn.  3; Zeuner in: Leonard/Smid/Zeuner, §  146 Rn.  2. 71 

260

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

1.  Keine Verjährung bezüglich der Nichtigkeitsfolge a)  Anfechtungsanspruch als Bezugspunkt der Verjährung gemäß §  146 Abs.  1 InsO Aufgrund der in dieser Arbeit vertretenen ipso iure eintretenden Unwirksamkeit hinsichtlich der anfechtbaren Rechtshandlung ist bezüglich der Verjährung gemäß §  146 Abs.  1 InsO zu differenzieren: Nur wenn zusätzlich zur Unwirksamkeitsfolge der Primäranspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO für die Rückgängigmachung der gläubigerbenachteiligenden Wirkungen notwendig ist, besitzt §  146 Abs.  1 InsO Re­ levanz. So benötigt im Falle einer anfechtbaren Übereignung einer beweglichen Sache der Insolvenzverwalter den Herausgabeanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Ver­ bindung mit §  985 BGB, um den Gegenstand zwecks Verwertung zurück in die Masse zu ziehen. Dies ist aus Gründen des Schutzes des Anfechtungsgegners und damit zum Schutz des Rechtsverkehrs nicht ohne zeitliche Schranken möglich.72 Daher ordnet §  146 Abs.  1 InsO an, dass der Herausgabeanspruch gemäß §  195 BGB in drei Jahren verjährt. Der Verjährungsbeginn richtet sich nach §  199 BGB Abs.  1 BGB, die Verjährungshöchstfrist wird gemäß §  199 Abs.  4 BGB ermittelt, beträgt also kenntnisunabhängig zehn Jahre ab Anspruchsentstehung.73 Ist die gläubigerbenachteiligende Wirkung indes vollständig durch die Unwirk­ samkeit der anfechtbaren Rechtshandlung behoben, wird also der Rückgewähran­ spruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht zusätzlich benötigt, ist eine Verjährung aus­ geschlossen.74 Das ist etwa bei der anfechtbaren Abtretung einer Forderung der Fall. Hier benötigt der Insolvenzverwalter aufgrund des fehlenden Rechtsscheinträ­ gers neben der Unwirksamkeit der Abtretung keinen zusätzlichen Herausgabean­ spruch, um die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen auszugleichen. Die Unwirksamkeit selbst ist nicht verjährbar. Die Unwirksamkeit eines Rechts­ geschäfts wie die Übereignung einer beweglichen Sache oder die Abtretung einer Forderung stellt keinen Anspruch dar und unterliegt damit gemäß §  194 Abs.  1 BGB nicht der Verjährung. §  146 Abs.  1 InsO stellt dies klar, indem nur der Anfechtungs­ anspruch, also der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO, der Verjährung unterstellt wird. §  146 Abs.  1 InsO lässt sich damit von seiner Struktur und seinem Wortlaut her mit einer Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung grundsätzlich in Einklang bringen. Gleichwohl können sich Einwände ergeben, die es zu entkräften gilt.

72  BGHZ 66, 215 (215); BGHZ 59, 353 (354); Kirchhof in: MüKo-InsO, §  146 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  146 Rn.  2; Rogge/Leptien in: Hamburger Kommentar, InsO, §  146 Rn.  1; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, §  146 Rn.  1. 73  Henckel in: Jaeger, InsO, §  146 Rn.  6; Jacoby in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, §  146 Rn.  3; Kirchhof in: MüKo-InsO, §  146 Rn.  8, 8d; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  146 Rn.  8. 74  So auch für die haftungsrechtliche Theorie Henckel in: Jaeger, InsO, §  145 Rn.  63.

IV.  Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO

261

b)  Keine abweichende Beurteilung durch Einführung einer Verjährungsfrist in §  146 Abs.  1 InsO Die Insolvenzanfechtung war ursprünglich gemäß §  41 Abs.  1 KO innerhalb einer Ausschlussfrist geltend zu machen,75 was der früheren Dinglichkeitslehre eine Stüt­ ze für ihre Theorie war.76 In der Abkehr von der Ausschlussfrist und der Einführung einer Verjährungsfrist in §  146 Abs.  1 InsO werden eine Absage nicht nur bezüglich solcher dinglichen Theorien, welche die Insolvenzanfechtung als Gestaltungsrecht sehen, sondern ganz allgemein gegenüber einer jeglichen dinglichen Einordnung der Anfechtungsrechtsfolgen erblickt.77 Diese Einschätzung vermag in ihrer Absolutheit nicht zu überzeugen. Durch die Umwandlung der Ausschlussfrist zu einer Verjährungsfrist wurde zwar eine Ge­ staltungswirkung der Insolvenzanfechtung ausgeschlossen.78 Eine Unvereinbar­ keit von §  146 Abs.  1 InsO mit einer dinglichen Einordnung der Insolvenzanfech­ tung per se ist damit aber nicht verbunden. Wenn die Unwirksamkeitsfolge der An­ fechtung ipso iure eintritt, wie dies in dieser Arbeit vertreten wird, ergibt sich kein Widerspruch zu §  146 Abs.  1 InsO. Es ist nicht die Geltendmachung eines Gestal­ tungsrechts notwendig. Vielmehr können sich infolge der Unwirksamkeit Ansprü­ che aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO ergeben, die wie alle anderen Ansprüche auch der Verjährung unterliegen. c)  Parallele im Zivilrecht zur Unverjährbarkeit der Nichtigkeit Neben der Abkehr von einer Ausschlussfrist und der Normierung einer Verjäh­ rungsregelung wird ein Argument gegen eine Unwirksamkeitsfolge angebracht, das sich aus dem Wortlaut des §  146 Abs.  1 InsO ergeben soll. Da in §  146 Abs.  1 InsO ausdrücklich nur von der Verjährung eines „Anfechtungsanspruchs“ die Rede ist, sei eine Unwirksamkeitsfolge aufgrund der Insolvenzanfechtung, die zu einer „Di­ chotomie der Anfechtungsrechtsfolgen im Sinne einer Differenzierung zwischen ‚Unwirksamkeit‘ im Primärbehelf und ‚Rückgewähr‘ im Sekundärbehelf“ führe, nicht möglich.79 Koss stellt daher die Frage, was Gegenstand der Verjährung sein

75 

Siehe S.  30 f. Crome, System, Band 1, S.  352 ff.; Hellmann, Konkursrecht, S.  373; Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S.  81; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S.  379 ff.; Windscheid/Kipp, Pandek­ ten, S.  1020 ff.; siehe auch Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S.  100; Weber KTS 1961, 49 (50 ff.). 77  Jauernig, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, 21. Auflage, S.  238; Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  79 f. 78  Siehe S.  36 sowie S.  92 f. 79  Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  80, richtet diese Kritik primär gegen eine haf­ tungsrechtliche Einordnung. Einer dinglichen Unwirksamkeitsfolge ist dieses Argument wohl aber auch vorzuhalten. 76 

262

§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

solle, wenn die Insolvenzanfechtung mit der Unwirksamkeit der anfechtbaren Handlung ihr Bewenden habe.80 Mithilfe des Wortlauts von §  146 Abs.  1 InsO und des Telos von §  146 Abs.  2 InsO lässt sich diese Frage beantworten. Der Verjährung unterliegt nur der „Anfech­ tungsanspruch“, also der in §  143 Abs.  1 S.  1 InsO normierte Rückgewähranspruch sowie der sekundäre Schadensersatzanspruch. Das bestätigt die letztlich inhaltlich obsolete Vorschrift des §  146 Abs.  2 InsO81: Der Insolvenzverwalter kann die Erfül­ lung einer Leistungspflicht verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung be­ ruht, auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist. Es wird hierdurch zwischen der Grundwirkung der Anfechtung und dem Anfechtungsanspruch differenziert, was sich in der Verjährbarkeit des Anspruchs und der Unverjährbarkeit der Unwirk­ samkeit widerspiegelt. Eine Paralelle im Zivilrecht belegt diesen Befund. Die Nichtigkeit eines Rechts­ geschäfts aufgrund von Sittenwidrigkeit gemäß §  138 Abs.  1 BGB hat regelmäßig Ansprüche hinsichtlich der Rückabwicklung ausgetauschter Leistungen zur Folge. Ist das einem sittenwidrigen Kausalgeschäft nachfolgende Verfügungsgeschäft von der Sittenwidrigkeit nicht betroffen, sind die gewährten Leistungen nach bereiche­ rungsrechtlichen Regeln herauszugeben. Ist (auch) das Verfügungsgeschäft sitten­ widrig und daher nichtig, ist ein dinglicher Herausgabeanspruch aus §  985 BGB die Folge, wenn der Verfügungsgegenstand eine Sache ist. Beide Ansprüche unterliegen gemäß §  195 BGB (bereicherungsrechtlicher Her­ ausgabeanspruch) und §  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB (dinglicher Herausgabeanspruch) der Verjährung. Die Nichtigkeit des sittenwidrigen Rechtsgeschäftes als solche unter­ liegt dagegen nicht der Verjährung. Auch im allgemeinen Zivilrecht besteht danach eine „Dichotomie“ hinsichtlich der Unwirksamkeit als solcher und den aus der Un­ wirksamkeit resultierenden Ansprüchen, die sich in der Verjährungsmöglichkeit widerspiegelt. Es handelt sich demnach bei dieser Unterscheidung nicht um eine dem allgemeinen zivilrechtlichen Prinzip widersprechende Besonderheit des Insol­ venzanfechtungsrechts, sondern vielmehr um die Bestätigung dieses Prinzips.

2.  Verjährungsfrist a)  Regelmäßige Verjährungsfrist als Widerspruch zur Nichtigkeitsfolge Zuletzt könnte man die durch §  146 Abs.  1 InsO angeordnete regelmäßige Verjäh­ rungsfrist gegen eine Unwirksamkeitsfolge einwenden. So führt die Insolvenzan­ fechtung im Falle einer anfechtbaren Übereignung einer beweglichen Sache zu ei­ nem dinglichen Herausgabeanspruch des Insolvenzverwalters aus §  143 Abs.  1 S.  1 80  Auch hier wendet sich Koss, Wirkung der Insolvenzanfechtung, S.  80, unmittelbar nur gegen eine haftungsrechtliche Unwirksamkeit. 81  Henckel in: Jaeger, InsO, §  146 Rn.  63.

IV.  Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO

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InsO in Verbindung mit §  985 BGB.82 Die reguläre Verjährungsfrist für diesen An­ spruch wäre aufgrund von dessen dinglichen Charakter die dreißigjährige Verjäh­ rungsfrist des §  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB.83 Es besteht damit ein offensichtlicher Wi­ derspruch zwischen der eigentlich einschlägigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist und der durch §  146 Abs.  1 InsO normierten regelmäßigen Verjährungsfrist, der sich nicht auflösen lässt. Ein weiterer Widerspruch ist für den Fall gegeben, dass Gegenstand der Anfech­ tung eine Verfügung über ein Grundstück ist. Nach hier vertretener Lösung ist die Folge der Anfechtung ein Grundbuchberichtigungsanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  894 BGB.84 Dieser Anspruch ist zivilrechtlich gemäß §  898 BGB der Verjährung entzogen. §  146 Abs.  1 InsO ist ein solcher Verjährungs­ ausschluss dagegen nicht zu entnehmen, sodass ein aus der Insolvenzanfechtung resultierender Grundbuchberichtigungsanspruch entgegen dem zivilrechtlichen Prinzip der regelmäßigen Verjährung unterliegt. Indes existiert im Zivilrecht eine Fallgestaltung, in der vertreten wird, dass der Grundbruchberichtigungsanspruch ausnahmsweise der Verjährung unterfallen soll. Möglicherweise basiert die Durchbrechung des Prinzips der Unverjährbarkeit des Grundburchberichtigungsanspruchs durch §  146 Abs.  1 InsO auf ähnlichen Erwä­ gungen, sodass kein unauflösbarer Widerspruch zum allgemeinen Zivilrecht be­ steht. Es handelt sich dabei um die Konstellation, in der ein Scheinerbe und Erb­ schaftsbesitzer in das Grundbuch eingetragen wird. Dieser ist gemäß §  2018 BGB dem wahren Erben gegenüber zur Herausgabe verpflichtet, die sich in der Form des §  894 BGB vollzieht. Der Anspruch aus §  2018 BGB unterliegt gemäß §  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB der Verjährung, sodass auch der aus §  2018 BGB folgende Grundburch­ berichtigungsanspruch verjähren kann. Sollte der Anspruch aus §  2018 BGB ver­ jährt sein, könnte der Erbe gleichwohl einen Grundbuchberichtigungsanspruch als Einzelanspruch gemäß §  894 BGB geltend machen, da dieser wegen §  898 BGB nicht der Verjährung unterliegt. Die Verjährung des Anspruchs aus §  2018 BGB könnte damit durch die Unverjährbarkeit des inhaltsgleichen Einzelanspruchs un­ terlaufen werden. Deshalb wird in der Sonderkonstellation des Erbschaftsbesitzers vertreten, den Anspruch aus §  894 BGB ausnahmsweise entgegen §  898 BGB der Verjährung zu unterstellen.85 Auf das Recht der Insolvenzanfechtung ist diese Ausnahme indes nicht übertrag­ bar. Zum einen ist eine Vergleichbarkeit zur Konstellation des Erbschaftsbesitzers schon dem Grunde nach nicht gegeben. Zum anderen handelt es sich um eine Aus­

82  Kritisch zu §  146 Abs.  2 InsO aus haftungsrechtlicher Sicht, Henckel in: Jaeger, InsO, §  146 Rn.  62 f. 83  Siehe S.  190. 84  Grothe in: MüKo-BGB, §  197 Rn.  7; Henrich in: BeckOK-BGB, §  197 Rn.  6; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, §  197 Rn.  9. 85  Siehe S.  193.

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§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

nahmesitution, die nicht analogiefähig ist, zumal die Verjährbarkeit des Anspruchs aus §  894 BGB entgegen §  898 BGB schon selbst umstritten ist.86 Da sich der Widerspruch des §  146 Abs.  1 InsO zu der hier gefundenen Lösung nicht auflösen lässt, könnte man die Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung generell infrage stellen. Insbesondere könnte man einwenden, dass mit §  146 Abs.  1 InsO durch die Normierung der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des §  195 BGB impliziert werde, dass es sich bei dem Anfechtungsanspruch um einen gewöhnlichen schuldrechtlichen Anspruch handeln muss, da dingliche Ansprüche gerade nicht dem §  195 BGB unterfallen,87 sondern nur Ansprüche mit obligatori­ schem Inhalt.88 b)  Normierung der regelmäßigen Verjährungsfrist als gesetzgeberischer Fehlgriff Dass die Insolvenzanfechtung nicht zu einem lediglich schuldrechtlich wirkenden Rückgewähranspruch führt, wurde ausgiebig dargelegt und bedarf hier keiner er­ neuten Erörterung. An dem Ergebnis vermag auch der Inhalt des §  146 Abs.  1 InsO nichts zu ändern, zumal dieser nur die Verjährung und damit einen kleinen Aus­ schnitt aus dem Recht der Insolvenzanfechtung betrifft. Man kann vielmehr kons­ tatieren, dass es sich bei der Normierung der regelmäßigen Verjährungsfrist in §  146 Abs.  1 InsO um einen gesetzgeberischen Fehlgriff handelt. Folge der Insolvenzanfechtung sind regelmäßig89 dingliche Herausgabe- und/ oder Grundbuchberichtigungsansprüche. Im Zivilrecht wird die unterschiedliche Stärke und Grundstruktur von dinglichen und schuldrechtlichen Ansprüchen durch §  195 BGB und §  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB hinsichtlich der Verjährung aus gutem Grunde berücksichtigt. Die unterschiedlich lange Verjährungsdauer trägt der diver­ gierenden Stärke der verschiedenen Ansprüche Rechnung. Dingliche Ansprüche resultieren aus absoluten Rechten. Um eine Verwirklichung des Stammrechts nicht durch die relativ kurze regelmäßige Verjährungsfrist infrage zu stellen, hat der Ge­ setzgeber dingliche Herausgabeansprüche gegenüber den obligatorischen Ansprü­ chen verjährungstechnisch stärker ausgestaltet.90 86  Gursky in: Staudinger, BGB, §  898 Rn.  6, §  2029 Rn.  6; so auch schon Crome, System, Band 5, S.  547 Fn.  11; Strohal, Erbrecht II, §  96 II 3 c; a. A.: OLG Brandenburg ZEV 2003, 516 (518); Weidlich in: Palandt, BGB, §  2029 Rn.  2. 87  OLG Brandenburg ZEV 2003, 516 (518); Weidlich in: Palandt, BGB, §  2029 Rn.  2 , lehnen eine Ausnahme von §  898 BGB ab. 88  Grothe in: MüKo-BGB, §  195 Rn.  4; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, §  195 Rn.  11. 89  Siehe die Beispiele bei Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, §  195 Rn.  12. 90  Einzig die Anfechtung eines kausalen Rechtsgeschäfts führt zu einem schuldrechtlichen Bereicherungsanspruch gemäß §  812 Abs.  1 BGB, wenn infolge des kausalen Rechtsgeschäfts eine Verfügung erfolgt; der Anspruch ist indes nicht Folge von §  143 Abs.  1 S.  1 InsO, sondern Folge der Unwirksamkeit des als Causa dienenden Rechtsgeschäfts; sollte daneben die Verfügung selbst­ ständig anfechtbar sein, was regelmäßig der Fall ist (inkongruente Deckung), tritt der anfechtungs­ rechtliche Herausgabeanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO mit dinglichem Inhalt neben den Berei­ cherungsanspruch, sodass dieser de facto keine eigenständige Bedeutung hat; siehe schon S.  202 f.

IV.  Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gemäß §  146 Abs.  1 InsO

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Anstatt der gewohnten Differenzierung zu folgen, schafft der Gesetzgeber mit §  146 Abs.  1 InsO eine Verjährungsfrist für das Insolvenzanfechtungsrecht, welche die Besonderheit dinglicher Ansprüche unberücksichtigt lässt. Die durch §  146 Abs.  1 InsO geschaffene und von dem zivilrechtlichen Grundprinzip abweichende verjährungsrechtliche Gleichstellung dinglicher Ansprüche mit solchen schuld­ recht­licher Natur führt unweigerlich zu Friktionen mit dem Zivilrecht. Der Bruch mit dem zivilrechtlichen Prinzip der divergierenden Verjährungsdau­ er wird vollzogen, ohne dass hierfür berechtigte Gründe vorliegen. Als Grund für die durch §  146 Abs.  1 InsO angeordnete dreijährige Verjährungsfrist wird regelmä­ ßig der Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Anfechtungsgegner und In­ solvenzverwalter angegeben sowie die Sicherung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit.91 Indes sind die Sicherung des Rechtsfriedens und der Rechtssi­ cherheit die maßgeblichen Gründe für jede Verjährungsvorschrift,92 gleich ob dies die regelmäßige Verjährungsfrist des §  195 BGB oder die dreißigjährige Verjäh­ rungsfrist des §  197 BGB ist. Als Argumente für die Normierung der regelmäßigen Verjährungsfrist sind diese Gründe daher nicht durchschlagend. Andere besondere Gründe, die im Rahmen der Insolvenzanfechtung eine Durch­ brechung dieses Prinzips rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Denkbar wäre nur der Schutz des Anfechtungsgegners vor einer unzumutbar langen Inan­ spruchnahme durch den Insolvenzverwalter.93 Indes kann die Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners als Argument gegen eine dreißigjährige Verjährungsfrist bei einem dinglichen Herausgabeanspruch infolge der Anfechtung nur schwerlich herangezogen werden, insbesondere wenn man die Verwurzelung der Insolvenzan­ fechtung in der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit berücksichtigt. Sollte eine Über­ eignung einer beweglichen Sache gemäß §  138 Abs.  1 BGB nichtig sein, ist der sit­ tenwidrig Handelnde gemäß §  197 Abs.  1 Nr.  2 BGB für 30 Jahre dem Herausgabe­ anspruch aus §  985 BGB ausgesetzt. Weshalb das bei der Insolvenzanfechtung als spezialgesetzlicher Ausformung der Sittenwidrigkeit anders sein soll, erschließt sich nicht. Letztlich kann man die durch §  146 Abs.  1 InsO ausgelöste Systemwidrigkeit nur als Willen des Gesetzgebers hinnehmen. §  146 Abs.  1 InsO führt zur Verdrängung der eigentlich einschlägigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zugunsten der drei­ jährigen regelmäßigen Verjährungsfrist. Der gesetzgeberische Wille ändert indes nichts an der Prinzipienwidrigkeit der Vorschrift.

91 

Gesetzentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drucks. 14/6040, S.  105. Kirchhof in: MüKo-InsO, §  146 Rn.  1; Nerlich in: Nerlich/Römermann, InsO, §  146 Rn.  2. 93  Kirchhof in: MüKo-InsO, §  146 Rn.  1; Zeuner in: Leonhardt/Smid/Zeuner, §  146 Rn.  1; so schon zum Schutzzweck von §  41 KO BGHZ 59, 333 (334). 92 

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§  8  Vereinbarkeit mit den übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung

V.  Zusammenfassung Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung lässt sich mit den Rechtsfolgenvor­ schriften des Insolvenzanfechtungsrechts im Wesentlichen vereinbaren. Die rechtliche Ausgestaltung der sekundären Wertersatzpflicht des Anfechtungs­ gegners gemäß §  143 Abs.  1 S.  2 InsO in Form einer Verweisung auf die Vorschrif­ ten über die Rechtsfolgen bei einem bösgläubigen Bereicherungsschuldner stellt eine Modifizierung der Tatbestandsvoraussetzungen von §§  989, 990 BGB dar. Die direkte Anwendung von §§  989, 990 BGB für den Fall des Untergangs oder der Ver­ schlechterung der herauszugebenden Sache wird aufgrund der Notwendigkeiten der spezifischen Anfechtungssituation durch den Verweis auf §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4, 292, 989 BGB in §  143 Abs.  1 S.  2 InsO verdrängt. Gesetzestechnisch ist der Ver­ weis misslungen, da der Umweg über §  819 Abs.  1 BGB eine tatsächlich nicht vorlie­ gende Nähe des Insolvenzanfechtungsrechts zum Bereicherungsrecht suggeriert. Die Vorschrift über die Ansprüche des Anfechtungsgegners gemäß §  144 InsO lässt sich mit einer zunächst schwebenden und im Zeitpunkt der Verfahrenseröff­ nung eintretenden endgültigen Unwirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung wenn nicht dem Wortlaut so zumindest dem Normzweck nach vereinbaren. §  144 Abs.  1 InsO hat entgegen dem unglücklich gewählten Wortlaut nicht das Wiederauf­ leben der Forderung des Anfechtungsgegners zum Inhalt, sondern führt zur Un­ durchsetzbarkeit der Forderung des Anfechtungsgegners, bis dieser den Anfech­ tungsgegenstand an den Insolvenzverwalter herausgibt. Auch mit dem hier gefun­ denen Ergebnis stellt der Anspruch des Anfechtungsgegners gemäß §  144 Abs.  2 S.  1 InsO einen Massebereicherungsanspruch gemäß §  55 Abs.  1 Nr 3 InsO dar. Die Anfechtbarkeit gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger gemäß §  145 Abs.  1 InsO hat lediglich deklaratorischen Charakter. §  145 Abs.  2 InsO stellt eine Erwei­ terung der Voraussetzungen bezüglich des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberech­ tigten dar. Im Fall der Insolvenzanfechtung ist ein Erwerb vom Nichtberechtigten demnach nur möglich, wenn §  932 BGB respektive §  892 BGB erfüllt wird und zusätzlich kein Fall des §  145 Abs.  2 Nr.  1 bis 3 InsO vorliegt. Die Verjährungsregelung des §  146 Abs.  1 InsO betrifft lediglich den primären und sekundären Anfechtungsanspruch aus §  143 Abs.  1 InsO. Die Unwirksamkeit der angefochtenen Rechtshandlung als unmittelbare Rechtsfolge der Insolvenzan­ fechtung unterliegt demgegenüber nicht der Verjährung. Für die aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO folgenden Ansprüche verdrängt §  146 Abs.  1 InsO die zivilirechtlichen Vorschriften bezüglich der Verjährung. Die Vorschrift verstößt gegen das zivil­ rechtliche Prinzip der differenzierten Verjährungsdauer obligatorischer und dingli­ cher Ansprüche ohne wertungsmäßig gerechtfertigt zu sein.

§  9  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die Untersuchung zu den Wirkungen der Insolvenzanfechtung hat folgende Ergeb­ nisse erbracht: §  2  Zielsetzung: Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien: Das Recht der Insolvenzanfechtung als Bestandteil des Insolvenzverfahrensrechts wirkt auf Rechtshandlungen mit materiell-rechtlichem Inhalt ein und besitzt damit selbst materiell-rechtlichen Gehalt. Aufgrund des dienenden Charakters des Ver­ fahrensrechts ist eine stärkere Beachtung zivilrechtlicher Prinzipien zur Bestim­ mung der Wirkungen der Insolvenzanfechtung geboten. §  3  Zum Einfluss der Insolvenzanfechtung auf die Wirksamkeit anfechtbarer Rechtshandlungen: Von den zur Bestimmung der Rechtsnatur der Insolvenzanfechtung vertretenen Theorien gesteht nur die dingliche Theorie der Insolvenzanfechtung einen Einfluss auf die Wirksamkeit anfechtbarer Rechtshandlungen im Sinne einer Unwirksamkeit zu. Die haftungsrechtliche Theorie gelangt lediglich zu einer haftungsrechtlichen Unwirksamkeit, welche die Wirksamkeit der Rechtshandlung im Übrigen unbe­ rührt lässt. Die schuldrechtliche Theorie sieht die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung von der Anfechtung als unberührt an. Eine Überprüfung anhand des Gesetzeswortlauts der §§  129 Abs.  1, 143 Abs.  1 S.  1 InsO gibt keinen Hinweis darauf, ob die Anfechtung Auswirkungen auf die anfechtbare Rechtshandlung hat. Ebenso lassen weder die Untersuchung der rechts­ geschichtlichen Entwicklung des Insolvenzanfechtungsrechts noch einschlägige Aussagen in den Gesetzesbegründungen diesbezüglich eine gesicherte Schlussfol­ gerung zu. Zwar sind in der Begründung zu §  129 InsO Anhaltspunkte für eine schuldrechtliche Einordnung zu erkennen, diese spiegeln sich jedoch nicht im Ge­ setzeswortlaut wider. Sie können daher nicht als Argumentationsgrundlage gegen eine dingliche Einordnung der Insolvenzanfechtung dienen, zumal in der entschei­ denden Gesetzesbegründung ausdrücklich von einer dogmatischen Einordnung Ab­ stand genommen wurde. Die Wirkungsweise der Insolvenzanfechtung kann daher auf diesem Wege nicht bestimmt werden.

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§  9  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

§  4  Untersuchung vergleichbarer zivilrechtlicher Rückgewähr-, Rückgabeund Herausgabeansprüche: In Bezug auf die primäre Rechtsfolge ordnet §  143 Abs.  1 S.  1 InsO eine Rückge­ währ hinsichtlich des Gegenstandes an, der vom Schuldner „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ wurde. Durch diesen Anspruch wird das Ziel erreicht, eine an­ fechtbare Vermögensverschiebung rückgängig zu machen. Um dem materiell-recht­ lichen Gehalt der Insolvenzanfechtung Rechnung zu tragen, wurden zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen, die eine Rückgewähr, Rückgabe und Herausgabe eines Ge­ genstandes und damit ebenfalls eine Rückgängigmachung von Vermögensverschie­ bungen zum Ziel haben, auf eine gemeinsame Struktur hin untersucht. Die Untersu­ chung hat gezeigt, dass eine Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen nur dann gerechtfertigt ist, wenn die rechtliche Grundlage, die zu der Vermögens­ verschiebung geführt hat, unter einem Wirksamkeitsmangel leidet, der im Regelfall in einer Unwirksamkeit besteht. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb das im Fall der Insolvenzanfechtung anders zu beurteilen sein sollte. §  5  Vergleich der Insolvenzanfechtung mit wirksamkeitsbeeinflussenden zivil­ rechtlichen Regelungen: Im Rahmen der Untersuchung auf Übereinstimmungen mit zivilrechtlichen Rechts­ instituten, die Einfluss auf die Wirksamkeit von Rechtshandlungen haben, wurde insbesondere festgestellt, dass die Insolvenzanfechtung trotz einem Gleichklang in der Begriffsbezeichnung keine Verwandtschaft zur zivilrechtlichen Anfechtung aufweist. Das ergibt sich aufgrund unterschiedlicher Schutzzwecke und der Tatsa­ che, dass die Insolvenzanfechtung kein Gestaltungsrecht darstellt. Im Gegensatz hierzu besteht mit der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit eine enge Verwandtschaft. Die Sittenwidrigkeit als das „Anstandsgefühl aller billig und ge­ recht Denkenden“ wird vornehmlich mittels Wertentscheidungen der Gesamt­ rechtsordnung und hier insbesondere solchen des Grundgesetzes bestimmt. Der Schutzzweck der Insolvenzanfechtung, der in der Sicherstellung der par conditio creditorum besteht, ist eine Ausformung von Art 3 Abs.  1, 20 Abs.  1, 28 Abs.  1 GG. Die zivilrechtliche Sittenwidrigkeit und die Insolvenzanfechtung dienen demselben Schutzzweck. Darüber hinaus sind beide Rechtsinstitute von ihrer Wirkungsweise im Sinne einer ipso iure eintretenden Rechtsfolge gleich ausgestaltet. Ein Vergleich der Insolvenzanfechtung mit Fallgruppen der Gläubigerbenachtei­ ligung, die zur Sittenwidrigkeit im Sinne von §  138 Abs.  1 BGB führen, zeigt, dass ein einheitliches Prinzip zugrunde liegt. Grund für die Sittenwidrigkeit ist eine Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung. Diese Merkmale werden im Rahmen der Insolvenzanfechtung am stärksten in §  133 Abs.  1 InsO widergespie­ gelt. Die übrigen Anfechtungstatbestände weisen Tatbestandsmerkmale auf, die sich auf dasselbe Prinzip zurückführen lassen. Subjektive und objektive Merkmale wie die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und die Inkongruenz einer Deckung sind Ausdruck der Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung. Das gemein­

§  9  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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same Grundprinzip belegt die Wesensverwandtschaft. Dem qualitativen Minus die­ ser Tatbestandsmerkmale im Vergleich zur tatsächlich vorliegenden Kenntnis und Billigung der Gläubigerbenachteiligung wird durch differenzierte Anfechtungsfris­ ten Rechnung getragen. Hierdurch wird gleichzeitig der Vertrauensschutz des An­ fechtungsgegners gewährleistet, der im Übrigen durch das Insolvenzanfechtungs­ recht nicht tangiert wird, da ein schutzwürdiges Vertrauen nur in sehr geringem Maße ausgebildet werden kann. Die Regelungen der Insolvenzanfechtung stellen letztlich gesetzlich geregelte Fallgruppen von §  138 Abs.  1 BGB zur Behandlung gläubigerbenachteiligender vorinsolvenzlicher Rechtshandlungen dar. Die Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB ist daher bei der Insolvenzanfechtung anzuwenden. §  6  Die Nichtigkeitsfolge der Insolvenzanfechtung: Bezugspunkt der Nichtigkeit ist die jeweilige anfechtbare Rechtshandlung. Der Be­ griff der Rechtshandlung umfasst infolge seiner tatbestandlichen Weite neben Rechtsgeschäften auch Prozesshandlungen, Akte der Zwangsvollstreckung und Real­akte. Die Gleichbehandlung dieser Handlungen durch §§  129 ff. InsO trotz ih­ rer Herkunft aus unterschiedlichen Rechtsbereichen mit je eigener Dogmatik stellt eine Überforderung des Insolvenzanfechtungsrechts dar, insbesondere vor dem zi­ vilrechtlichen Hintergrund der Insolvenzanfechtung. Eine Anwendung der Nichtig­ keitsfolge auch auf Prozesshandlungen und Akte der Zwangsvollstreckung ist mög­ lich, wenngleich die hier zugrunde liegende Dogmatik strapaziert wird. Dieses Problem ist dem Insolvenzanfechtungsrecht indes immanent und nicht eine spezifi­ sche Folge einer „dinglichen“ Theorie mit Unwirksamkeitsfolge. Bei der Übertragung der Nichtigkeitsfolge des §  138 Abs.  1 BGB ist die Abhän­ gigkeit der Insolvenzanfechtung von der Verfahrenseröffnung zu berücksichtigen. Resultat hieraus ist eine ab Vornahme der anfechtbaren Handlung bis Verfahrenser­ öffnung schwebende und danach endgültig eintretende Unwirksamkeit. §  7  Die Auswirkungen der Nichtigkeitsfolge im Einzelnen: Die Untersuchung ausgewählter anfechtbarer Rechtshandlungen hat gezeigt, dass nicht in jedem Fall der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO notwendig ist, um die Folgen einer gläubigerbenachteiligenden Handlung rückgängig zu machen. In Fäl­ len, in denen die Gläubigerbenachteiligung allein durch die Unwirksamkeit der an­ fechtbaren Rechtshandlung aufgehoben wird, hat es mit der Unwirksamkeit sein Bewenden. Das ist etwa der Fall bei einer anfechtbaren Schuldbegründung und ei­ ner anfechtbaren Forderungsabtretung. Alleine durch die Unwirksamkeit des gläu­ bigerbenachteiligenden Vertrages und der Abtretung wird der Zweck der Sicherstel­ lung der par conditio creditorum durch die Anfechtung erreicht. Da weiter nichts aus dem Vermögen des Schuldners „veräußert, weggegeben oder aufgegeben“ wur­ de, ist eine Rückgewährfolge gemäß §  143 Abs.  1 S.  1 InsO nicht notwendig und darüber hinaus tatbestandlich nicht möglich.

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§  9  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Anders liegt es im Fall einer anfechtbaren Übereignung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache. Hier verbleibt das Eigentum an der Sache in der Masse, da die dingliche Einigung als anfechtbare Rechtshandlung zunächst schwebend und mit Verfahrenseröffnung endgültig unwirksam ist. Weil darüber hinaus jedoch der Besitz der Sache bei beweglichen Sachen (und unter Umständen auch bei unbeweg­ lichen Sachen) respektive die fehlerhafte Eintragung im Grundbuch bei unbewegli­ chen Sachen aus dem Vermögen des Schuldners „veräußerst, weggegeben oder auf­ gegeben“ wurde, ist eine aktive Rückführung in die Masse notwendig. Hierzu ste­ hen dem Insolvenzverwalter dingliche Ansprüche aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB und §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  894 BGB gegen den Anfechtungsgegner zur Verfügung. Der Anspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO kann folglich hinsichtlich seines Inhalts variieren, je nachdem welche Rechtshandlung der Anfechtung unterliegt. Er stellt damit eine Verweisungsnorm auf zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen dar. In „Kollisionsfällen“ führt der dingliche Charakter des Anspruchs aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO zu wertungsmäßig überzeugenden und dogmatisch stringenten Er­ gebnissen. Im Fall der Insolvenz des Anfechtungsgegners vermag der Insolvenzver­ walter die von der Anfechtung betroffene Sache gemäß §  47 S.  1 InsO auszuson­ dern, da der Herausgabeanspruch aus §  143 Abs.  1 S.  1 InsO in Verbindung mit §  985 BGB dinglicher Natur ist. Sollte ein Eigengläubiger des Anfechtungsgegners in das Anfechtungsgut die Zwangsvollstreckung betreiben, steht dem Insolvenzver­ walter die Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage im Sinne von §  771 Abs.  1 ZPO zur Verfügung, da ihm ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht. Die Lösungsmodelle der haftungsrechtlichen und schuldrechtlichen Theorien ge­ langen in „Kollisionsfällen“ zu ähnlichen Ergebnissen, erkaufen diese aber mithilfe von großem, nicht stets überzeugendem argumentativen Aufwand und teilweise un­ ter Preisgabe der eigenen Dogmatik. Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzan­ fechtung zu praktisch brauchbaren und einfach zu begründenen Ergebnissen ge­ langt, was der Rechtssicherheit zuträglich ist. §  8  Vereinbarkeit der Nichtigkeitsfolge mit den Normen bezüglich der übrigen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung: Es wurde abschließend gezeigt, dass die Unwirksamkeitsfolge mit dem Inhalt der in §  143 Abs.  1 S.  2 InsO, §  144 InsO, §  145 InsO sowie §  146 InsO normierten sonsti­ gen Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung im Wesentlichen in Einklang zu bringen ist. §  143 Abs.  1 S.  2 InsO sowie §  145 Abs.  2 InsO stellen sich ihrem Inhalt nach als Modifizierung der Vorschriften hinsichtlich des Schadensersatzes bei Unmöglich­ keit der Herausgabe der Sache respektive deren Beschädigung sowie hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten dar.

§  9  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Die Norm des §  144 Abs.  1 InsO ist dahingehend auszulegen, dass die Forderung des Anfechtungsgegners nicht „wiederauflebt“ wenn dieser den Anfechtungsgegen­ stand an den Insolvenzverwalter zurückgewährt, sondern dass die Forderung bis zum Zeitpunkt der Rückgewähr undurchsetzbar ist. Einzig die durch §  146 Abs.  1 InsO normierte regelmäßige Verjährungsfrist des §  195 BGB lässt sich nicht mit der Rechtsfolge eines dinglichen Herausgabean­ spruchs sowie Grundbuchberichtigungsanspruchs als Folge einer anfechtbaren Übereignung einer beweglichen und/oder unbeweglichen Sache vereinbaren. Die Regelung stellt einen gesetzgeberischen Fehlgriff dar und verstößt gegen das zivil­ rechtliche Prinzip der differenzierten Verjährungsdauer obligatorischer und dingli­ cher Ansprüche. Die durchgeführte Untersuchung hat gezeigt, dass durch eine Rückbesinnung auf zivilrechtliche Prinzipien ein stringentes Lösungsmodell hinsichtlich der Wirkun­ gen der Insolvenzanfechtung entwickelt werden kann, das im Wesentlichen mit dem Regelungsgefüge des Insolvenzanfechtungsrechts vereinbar ist. Die enge Verwandt­ schaft der Insolvenzanfechtung mit der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit gemäß §  138 Abs.  1 BGB führt zu praxistauglichen Ergebnissen, die eine wirksame Durch­ setzung des Anfechtungsrechts für den Insolvenzverwalter ermöglichen und damit im Dienst des Ziels der Insolvenzanfechtung im Sinn der Sicherstellung der par con­ ditio creditorum stehen. Die Rechtsfolgen lassen sich ohne Widerspruch aus der zi­ vilrechtlichen Dogmatik, welche der Unwirksamkeitsfolge zugrunde liegt, herleiten. Eine dogmatische Einordnung, welche die Insolvenzanfechtung auf ihre zivil­ rechtlichen Wurzeln zurückführt, vermag zwar in Grenzbereichen zum Prozess- und Vollstreckungsrecht dogmatische Friktionen auszulösen. Gleichwohl ist eine solche Einordnung vermeintlich flexibleren Lösungsmöglichkeiten vorzuziehen, da rechtssichere Ergebnisse auch für unbekannte Fallgestaltungen ermöglicht werden, indem diese aus dem bekannten Zivilrecht abgeleitet werden können. Sein Heil da­ gegen insbesondere in der diffusen Begrifflichkeit der „haftungsrechtlichen Un­ wirksamkeit“ zu suchen, trägt mehr zur Verschleierung denn zur Lösung anfech­ tungsrechtlicher Probleme bei.

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274

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Sachregister Amtstheorie  95 Anfechtungsperiode/Anfechtungsfrist  93, 152, 154 ff., 158, 186 Anfechtungstatbestände – inkongruente Deckung/besondere Insolvenzanfechtung  110, 112, 124 ff., 130 ff., 132, 134, 154 ff., 170, 175 f., 189, 192, 194, 203, 206, 211, 244 – kongruente Deckung/besondere Insolvenzanfechtung  110, 112, 124 f., 130, 132, 134, 151 ff., 170, 175 f., 177, 189 f., 192, 194, 206, 211, 244, 247 – unentgeltliche Leistung  131 f., 158 f., 162, 189, 192, 194, 202, 206, 211, 214 – unmittelbar nachteilige Rechtshandlun­ gen/besondere Insolvenzanfechtung  44, 124 ff., 130 f., 132, 134, 158, 190, 201, 203 – Verhältnis zur Sittenwidrigkeit  140, 147 ff. – Vorsatzanfechtung  130 f., 133, 134 ff., 148 ff., 161, 186, 189, 192, 194, 202, 206, 211 Anfechtungstheorien  14 ff. – dingliche Theorie  14 ff., 38, 90, 106, 180, 243, 248, 261 – haftungsrechtliche Theorie  19 ff., 37, 171, 183, 191 f., 193 f., 195 f., 203 f., 207 f., 212, 215 f., 222 ff., 232, 235 f., 239, 253 f. – schuldrechtliche Theorie  17 ff., 24, 27 ff., 37 f., 111, 172, 192, 194, 196 f., 204 ff., 208 ff., 213, 216, 224 ff., 236 f., 239, 254 Ansprüche des Anfechtungsgegners  246 ff. – Erstattung der Gegenleistung  249 ff. – Wiederaufleben der Forderung des Anfechtungsgegners  246 ff. Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, siehe auch Sittenwidrigkeit Aufhebung von Rechten  206 ff.

Auftrag, siehe auch Herausgabeansprüche Ausschlussfrist  30 ff., 91 ff., 261 Aussonderungsrecht  9, 37, 218 ff., 250, 259 Bereicherungsrechtliche Herausgabe­ ansprüche, siehe auch Herausgabean­ sprüche Besondere Insolvenzanfechtung, siehe auch Anfechtungstatbestände Deckungsanfechtung, siehe auch Anfech­ tungstatbestände Dienender Charakter des Verfahrens­ rechts  6 ff., 11, 175 Dilatorische Einrede  190, 248 f. Dingliche Herausgabeansprüche, siehe auch Herausgabeansprüche Dingliche Theorie, siehe auch Anfech­ tungstheorien Dogmatische Überforderung des Insol­venz­ anfechtungsrechts  169 ff. Duldung der Zwangsvollstreckung, siehe auch Haftungsklage Einzelgläubigeranfechtung  134, 136 Erbe, siehe auch Herausgabeansprüche sowie Rechtsnachfolger des Anfech­ tungsgegners Erbrechtliche Anfechtungstatbestände, siehe auch zivilrechtliche Anfechtung Erbschaftsbesitzer, siehe auch Herausgabe­ ansprüche Erlass  206 ff. Erstattung der Gegenleistung, siehe auch Ansprüche des Anfechtungsgegners Forderungsabtretung  194 ff., siehe auch Sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung

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Sachregister

sowie Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeits­ folge der Insolvenzanfechtung Geschäftsbesorgung, siehe auch Herausga­ beansprüche Geschäftsführung ohne Auftrag, siehe auch Herausgabeansprüche Geschäftsunfähigkeit  84 ff. Gesellschaftsvertragliche Abfindungsbe­ schränkungen, siehe auch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung Gesetzesauslegung  21 ff. – Gesetzesmaterialien  26 ff., 35, 38 f., 82 f., 165 – Gesetzeswortlaut  22 ff., 29, 34 ff., 82, 165 – rechtsgeschichtliche Entwicklung  23 ff. Gestaltungsrecht  15, 23, 30 ff., 47, 91 ff., 106 ff., 261 Gläubigerbenachteiligung, siehe auch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung Gläubigergleichbehandlung, siehe auch par conditio creditorum Gleichheitssatz  123, 126 ff., 133, 138 f. Gute Sitten, siehe auch Sittenwidrigkeit Haftungsklage  197 ff. Haftungsrechtliche Theorie, siehe auch Anfechtungstheorien Herausgabeansprüche  41 ff. – aus Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag und Geschäftsbesorgung  49 ff. – bereicherungsrechtliche  52 ff. – des Besitzers  75 – des Eigentümers  72 f. – des Erben gegen den Erbschaftsbesit­ zer  78 f. – des früheren Besitzers  75 ff. – des Pfandgläubigers  73 f. Hypothek  211 ff. – Aufhebung, siehe auch Nichtigkeits­folge/ Unwirksamkeitsfolge der Insol­venz­ anfechtung – Verzicht, siehe auch Nichtigkeitsfolge/ Unwirksamkeitsfolge der Insolvenz­ anfechtung Inkongruente Deckung, siehe auch Anfechtungstatbestände

Insolvenz des Anfechtungsgegners  218 ff., siehe auch Kollisionsfälle Insolvenz des Treuhänders  226 f. Insolvenzrechtsreform  34 ff., 133, 220 Insolvenzverwalter, siehe auch Selbstbe­ stimmungsrecht Irrtumsanfechtung, siehe auch zivilrechtli­ che Anfechtung Kenntnis und Billigung der Gläubigerbe­ nachteiligung, siehe auch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung Kollisionsfälle  2, 188, 217 ff., siehe auch Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung – Insolvenz des Anfechtungsgegners  218 ff. – Zwangsvollstreckungszugriff von Eigengläubigern des Anfechtungsgeg­ ners  232 ff. Kongruente Deckung, siehe auch Anfech­ tungstatbestände Konkursordnung  9, 17, 23 ff., 90, 241 f. Konkursrechtsnovelle  29 ff. Leistung – bereicherungsrechtlicher Begriff  54 – unentgeltliche, siehe auch Anfechtungs­ tatbestände Massearmut  133, 220 Materielles Insolvenzrecht/Verhältnis zum Insolvenzverfahrensrecht  4 ff. Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung  164 ff., 168 ff. – Auswirkung auf Aufhebung der Hypothek  214 f. – Auswirkung auf Forderungsabtre­ tung  194 f., 260 – Auswirkung auf Kollisionsfälle  217 ff. – Auswirkung auf Prozesshandlungen  174 f. – Auswirkung auf Realakte  177 f. – Auswirkung auf Schulderlass  206 f. – Auswirkung auf schuldrechtliche Rechtsgeschäfte  202 f.

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– Auswirkung auf Übereignung bewegli­ cher Sachen  189 f., 219, 243, 253, 258, 262 f. – Auswirkung auf Übereignung unbeweg­ licher Sachen  193, 219, 263 – Auswirkung auf Verzicht auf eine Hypothek  211 f. – Auswirkung auf vollstreckbare Titel  178 ff. – Auswirkung auf Zwangsvollstreckungs­ akte  175 ff. – Auswirkung bei Insolvenz des Anfech­ tungsgegners  219 ff. – Auswirkung bei Zwangsvollstreckungs­ zugriff von Eigengläubigern des Anfechtungsgegners  234 f. – Bezugspunkt  168 ff. – schwebende Unwirksamkeit  185 ff., 189, 193 f., 196, 202, 206 f., 211, 214, 234, 247, 251 f. – Unverjährbarkeit  260 ff. – Vereinbarkeit mit übrigen Rechtsfol­ gen  241 ff. – Zeitpunkt des Eintritts  184 ff. Nichtleistungskondiktion, siehe auch Herausgabeansprüche Normzweck der Insolvenzanfechtung, siehe auch par conditio creditorum Par conditio creditorum  1, 86, 102 ff., 110 f., 122 ff., 185, 202, 207, 213, 216, 222, 259 Planmäßige Herbeiführung der Zahlungs­ unfähigkeit, siehe auch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung Prioritätsprinzip  122 ff., 127 f. Prozesshandlungen  13, 169 ff., siehe auch Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung Realakte, siehe auch Nichtigkeitsfolge/ Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzan­ fechtung Rechtsgeschichtliche Entwicklung des Insolvenzanfechtungsrechts  23 ff. Rechtsgestaltungstheorie  15 f. Rechtshandlung  12 ff., 43 ff., 80 f., 83 f., 168 ff., 188 ff.

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Rechtsnachfolger des Anfechtungsgeg­ ners  252 ff. – Anfechtung gegenüber Erben oder anderen Gesamtrechtsnachfolger  252 ff. – Anfechtung gegenüber Sonderrechts­ nachfolger  237 ff., 254 ff. Relative Unwirksamkeit  15 ff., 35 Risikogemeinschaft der Gläubiger  126 f., 130 ff., 152, 185 Rückgewährschuldverhältnis  48 f., 79, 106, 111 ff. Rückgewähr- und Rückgabeansprüche  41 ff. – Rückabwicklung aufgrund von Rücktritt und Widerruf  47 ff. – Rückgabe nach Beendigung von Dauerschuldverhältnisses  45 ff. Rücktritt vom Vertrag  47 ff., 105 ff. – als Gestaltungsrecht  106 ff. – Normzwecke  108 ff. Rückwirkende Gläubigergleichbehand­ lung  129 ff. Sanierungsgedanke der Insolvenzord­ nung  136 f. Schulderlass  206 ff., siehe auch Nichtig­ keitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung Schuldrechtliche Rechtsgeschäfte/ Schuldbegründungen  11 f., 20, 43 f., 158, 201 ff., siehe auch Nichtigkeitsfolge/ Unwirksamkeitsfolge der Insolvenz­ anfechtung Schuldrechtliche Theorie, siehe auch Anfechtungstheorien Sekundäre Wertersatzpflicht  42 f., 61 f., 210, 213, 241 ff., 259 f. Selbstbestimmungsrecht  94 ff. – des Insolvenzschuldners  94 – des Insolvenzverwalters  95 ff. Sittenwidrige Gläubigerbenachteili­ gung  140 ff. – gesellschaftsvertragliche Abfindungs­ beschränkungen  145 – Kenntnis und Billigung  145, 149 ff., 161 f., 166 – planmäßige Herbeiführung der Zah­ lungsunfähigkeit  146 f.

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– sittenwidrige Sicherungsabtretungen  141 ff. Sittenwidrigkeit  113 ff., 140 ff. – geschützter Personenkreis  119 ff. – Normzweck  116 ff. – Sittenordnung  117 f. – Verhältnis zur Insolvenzanfechtung  138 f., 140 ff., 159 ff. – Wertentscheidungen der Gesamtrechts­ ordnung  118 f., 138 f. Sozialstaatsprinzip  123, 128, 133 f., 138 f. Theorie der relativen Unwirksamkeit kraft Gesetzes  15 f. Theorie der sachlich-relativen Unwirksam­ keit  16 f., 35 Übereignung beweglicher und unbewegli­ cher Sachen  189 ff., siehe auch Nichtig­ keitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insol­venz­anfechtung Unentgeltlicher Erwerb – Anfechtbarkeit, siehe auch Anfechtungs­ tatbestände – bereicherungsrechtliche Behandlung  62 ff., 68 ff. – Schwäche  64, 69, 131 f., 158 f., 162, 257 ff. Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen, siehe auch Anfechtungstatbestände Unterlassung eines Erwerbs  41 Verjährung  30 ff., 34 ff., 259 ff. – des Anfechtungsanspruchs  105, 259 ff. – Einführung einer Verjährungsregel  34, 36 ff., 91 f., 107, 261

– Umwandlung in Ausschlussfrist  30 ff. – Unverjährbarkeit der Nichtigkeitsfolge/ Unwirksamkeitsfolge, siehe auch Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung – Verjährungsfrist  262 ff. Vertrauens- und Verkehrsschutz  18, 91, 93 f., 129 ff., 144, 147, 155 ff., 186 f., 221, 231, 269 Vollstreckbare Titel, siehe auch Nichtig­ keitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung Vollstreckungserweiterungstheorie  16 Vorsatzanfechtung, siehe auch Anfech­ tungstatbestände Widerruf des Vertrages  48 f., 108 ff. Zivilrechtliche Anfechtung  15, 24, 30, 32 f., 37 f., 73, 89 ff. – als Gestaltungsrecht  32, 91 ff. – erbrechtliche Anfechtungstatbestände  101 – Irrtumsanfechtung  97 ff. – Normzwecke  97 ff. – Täuschungs- und Drohungsanfech­ tung  99 f. Zwangsvollstreckungsakte  13, 169 ff., siehe auch Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeits­ folge der Insolvenzanfechtung Zwangsvollstreckungszugriff von Eigen­ gläubigern des Anfechtungsgegners, siehe auch Kollisionsfälle sowie Nichtigkeitsfolge/Unwirksamkeitsfolge der Insolvenzanfechtung