Die Harfe: Bändchen 5 [Reprint 2018 ed.]
 9783111566054, 9783111194653

Table of contents :
Inhalt
I. Madonna della Sedia. Don F. Kind
II. Die Belagerung von Leipzig im Jahr 1546 und 1547. Erzählung von Friederike Johmann
III. Die Sachsenritter. Historische Romanze von F. Krug von Nidda
IV. Reisescenen und Bemerkungen. Dom Jahr 1813 Beschluß. Don St. Schützt
V. Der vierte August 1815
VI. Oheim und Neffe. Erzählung von F. Laun
VII. Briefe von Gellert, Kästner und Lichtenberg
VIII. Vermischte Gedichte
IX. Denkmale

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D i e

Harfe.

Herausgegeben ton

Friedrich

K i « d.

Fünftes Bändchen.

Leipzig bei Georg Ioachrm Göschen i8iö.

Inhalt.

Beite

I. Madonna della Sedia.

Don Fr. Kind.

i

II. Die Belagerung von Leipzig im Jahr 1546 und J547* Erzählung von Friede­ rike Lohmann. e 13 UI. Die Sachsenritter. Historische Romanze von F. Krug von Nidda. 95 IV. Reisescenen und Bemerkungen.

Don

St. Schütze. Beschluß.

-

*

ui

V. Der vierte August 1315.

-

-

151

VI. Oheim und Reffe. Laun.

-

Erzählung von F. -

167

VII. Briefe von Gellert, Kästner und

Lichtenberg. Mit Fac pmile's der Kästnerschen und Lichtenberg schen Hand­ schrift. 241

VIII. Vermischte Gedichte. Die Rache. Don Arthur v. Nordstern. Dichtkunst und Liebe. Don Th. Hell. Lied. Don Luise Brachmann. An einen Schmetterling. Don Haug. Das Herzfenster. Don Langbein. Der Zwerg. Don Schmidt von Lübeck. Das Landhaus. Don Buri. -

257 261 265 267 269 272 27s

Inhalt. Seirc

Magdalene. Von Gustav Iördens. - 277 Gespräch mit der Abcndluft. Von dem­ selben. 279 Immer nur Sie. Von F. L. A. Frhr. von Münchhausen. 251 An eine Spröde. Von St. Schütze. - 23 t Amors Augenbinde. Don F. Kuhn. - 235 Amor der Mahler. Von Eduard Biene­ mann. 239 Lenzfahrt. Don F. Krug von Nidda. - 290 An den Frieden. Von Arthur vom Nord­ stern. 292 Wunsch. Von demselben. 294 Sonnette. Don Eduard Bienemann. 295 Der Rosenmond. Don Buri. 299 Der Stier und die Nachtigall. Von Haug. 300 Der Komerenwcin. Von Adolph. 301 IX. Denkmale. Distichen bei Gelegenheit eines Festes auf dem Master. Von I. O. 30;, Auf dem Master. Von F. Kubn. 3-8 Der Schloßgartcn. Don Mesterschmidt. 3*2 An fcic Frau Oberschulrathin Eschke. Don Langbein. 323 Ein Traum. Von F. Kuhn. 325 An Haug. Von Neuster. 33c Agrionien für Th. Hell. Von F. Kind. 333 An Th. Hell. Von F. Kuhn. 338 Am vierten Marz. Von demselben. - 342 Schneebälle und Päonien. Von F. Kind. 348 Die Akazie. Von demselben. - 350

1.

Madonna della Sedia.

Don

F.

K i n d.

Es haust im wald'gen Grunde Ein Klausner fromm und werth, Den nah und fern die Runde Gleich einem Heil'gen ehrt. Weil Rath und Trost er treulich giebt lind gute Werke rastlos übt.

Einst öffnen fich die Quellen Der Tiefen und der Höh'; Der Felsenbache Schwellen Verwandelt Thal in Sec; Bald ragt der Hütte Dach von Rohr, Bald Glöckchen nur und Kreuz Herder.

Der Klausner klimmt von Zweige Zu Zweig -um höchsten Baum, Ob sich nicht Hülfe zeige Im weiten Wafferraum; Der Wipfel schwankt, die Woge droht, Da naht ein rettend Fischerboot.

Als nun die Flut verronnen, Und sich im goldnen Strahl Die Hügel wieder sonnen, Kehrt er zurück iw'i Thal, Und wird des treuen Baums gewahr, Des Schützers in der Todsgefahr.

Da hebt er fromm die Hände Und betet auf den Knien: „O du, Allgüt'ger, wende Dein segnend Aug' auf ihn; Erheb' ihn, Herr, zur Herrlichkeit Dor allen Baumen weit und breit! “

Ls flüstert in den Zweigen, Und aus de- Wipfels Kranz Sieht er sich Engel neigen. Umwebt von lichtem Glanz. „Ja" — ruft der Greis — „e- wird geschehn, Der Herr vernahm mein gläubig Flehn!"

langst schlief in stillem Frieden Der Klausner unterm Moos, Da schien dem Baum beschiedert Der andern Baume Loos; Dom Axthieb tönt der Wiederhall, Der Boden bebt von seinem Fall.

Man übergiebt der Flamme Der Aeste knisternd Reis, Sagt Klötze von dem Stamme, Die dann mit regem Fleiß Ein Büttner dünner noch zerfallt Und drauS zu Fässern Dauben spellt.

An heißer Glut gegohren Traust reich der Traube Saft; Die Fässer sind erkohren, Iu zahmen seine Kraft; Bald nehmen, angefüllt mit Wein, Sie Platz Lm Herberg - KeNcr ein.

Wo bleibt nun, was verheißen Dem frommen Klausner war? Wer wird den Baum noch preisen Vor seiner Brüder Schaar? Er modert wohl in ew'ger Nacht, Und sein wird fürder nie gedacht.

Vernehmt: Geleert vom Weine Nach .manches Jahrs Verlauf, Wal^r man zum Tagesscheine Der Fässer eins herauf; Denn ein'ge Reifen sprangen ab, Und neu winkt Evans Traubenstab.

Auch jetzt steht es umgeben Von schattend dichtem Grün, Mit welchem Ulm' und Reben Das Vorgeland umziehn/ Worunter oft bei Sonnenglut So Hausgenoß, als Wandrer, ruht.

Einst glüh'n des Morgens Thore, So Flur, als Wolke, glüht, Und schöner, als Aurore Nach stiller Nacht erblüht, Tritt hold der Landschaft höchste Zier, Die junge Hausfrau, vor die Thür.

Sie schaut entzückt die Ferne; Es winken Engelgruß Die braunen Augensterne, Und, wie zum Erstlingskuß Die Knospe sich dem Jephyr beut, Haucht ihre Lippe Süßigkeit.

Wae ist's, das im Gewände Die runden Händchen hebt? Ein Knablein, wie dem Lande Der ew'gen Huld entschwebt! Wie? sollte sie die Mutter seyn? Es ist wohl nur ihr Brüderlein.

Wie um die reine Stirne So glatt das Goldhaar fallt Wie jungfräulich die Dirne Das Kind im Arme halt! Und doch — ja, das ist Mutterlnst -Sie preßt cs lächelnd an die Brust

Süß fächeln Morgenlüfte,

Ls

weh'n ein Wonnemeer

Der than'gen Blumen Düfte Um Kind und Mutter her; Cie ruft nach einem Stuhl, und rvt, Zart wie der Pfirsch' in Sounenglu.

Mit feinem Weidenstabe Herbeigeeilt geschwind, Tritt fromm ein alt'rer Knabe 3um jungen Rachbarkind, Deß Aug', so klar, wie Himmelslicht, Freund und Gespielen ihm verspricht.

Als so in Morgen frische Der Frauen Schönste fitzt, Da wandert durch die Büsche Lin Jüngling her; es blitzt Sein feurig Aug'; denn nie so mild Sah er der Lieb' und Unschuld Bild.

Und ihn ergreift Entzücken Und Hirnmelsfeligkeit; Er muß der Erd' entrücken, Was sie nur einmal beut; Und doch, der hohe Maler hat Zur Hand nicht Pergamen, noch Blatt.

IO

Da fallt das Licht der Sonne $DZait glänzend auf das Rund Der ferngestellten Tonne; Er zeichnet auf den Grund Des Bodens eilend die Gestatt/ Indeß fein Herz vor Freude wallt.

Sie wiegt das Kind im Schooße/ Das hell die Welt begrüßt; Wie süß die junge Rose Der Lippen sich erschließt, Wie rein ihr Aug' Hern bersch aut — Fürwahr, sie ist die Gotiesbraut

Wohl muß das Werk getingen, Führt er's so feurig aus; Die morschen Reifen springen, Er tragt sein Bild nach 5?aue, Verstopft das Zapfenloch, und mahlt, Bis engelfchon die Hcil'ge strahlt.

Und alle glüh'n in Wonne, Die sie vollendet schau'n, Und beten zur Madonne Mit liebendem Vertrauen; Noch zeigt man auf der Tafel Grund Die Spuren von des Fasses'Spund.

So hat der Herr gewahret Des Klausners fromm Gebet, Zur Herrlichkeit verkläret Des Baums geringes Bret; Es tragt das Holz, dem so geschah, Madonna della Sedia!

Die Mahr' hat mir erzählet Ein Fraulein hold und gut, Das Saitenklang vermahlet Der Farben Schmelz und Glut, Und, selbst von Himmelslicht umstrahlt, Nach Raphael das Bild gemalt.

Und was sie mir berichtet, Hab' ich in Reim gebracht; Fragt nicht, was dran erdichtet; Die Lehr' ist nicht erdacht: Der Herr erfüllt der Frommen giern, Mehr, als sie bitten und verstebn!

II.

Die Belagerung von Leipzig im Jahr 1546 und 1547.

Erzählung von

Friederike johmann.

Es war ein düstrer Dezembermorgen, der dritte deS Weihnachtfestes.

Schwere weißliche Wolken

bedeckten den Himmel, und zogen rastlos über das bleiche Gestim des Tages.

So umwölkte

auch Kummer und Sorge die Seele der einsamen Gertraud, wahrend waren,

die

des

verlaßnen Hauses wahrte,

die Minner auf den Markt gegangen Bestätigung

böser

Zeitung

zu holen.

Schon seit mehreren Tagen drückten bange Ah­ nungen Leipzig- Bewohner.

Kurfürst Johann

Friedrich richtete sein Absehen auf die Stadt; Herzog Moritz ließ ernstliche Anstalten zur Ge­ genwehr machen; zagend sahen die Weiber, die Schwachen

und Kranken in die Zukunft, die

braven Männer drückten Hand.

sich

ermunternd

Heute war schon ftühe

das

die

Geschrei

gekommen, der Kurfürst sei in der Nähe mit

i6 30000 Manu.

Furcht und Sorge nahm

nun

überhand; die Universität war schon nach Meis, fcn gegangen;

viele Bürger flüchteten hinaus,

und Getraud sah manchen Bekannten,' der ihr wehmüthig ein Lebewohl zuwinkte. nen flössen stärker.

Ihre Thrä­

Doch sie trocknete sie, als

sie den Bruder mit Georg von weitem gewahrte; nicht so schwach

wollte

sie

scheinen

vor

den

Männern, nicht die Brust noch schwerer belasten, die schon die Sorge um die Vaterstadt trug. — Freundlich empfing

sie

die Eintretenden,

und

fragte nach dem, was sie erkundet hatten. ES ist wahr, Schwester! begann Hans Rau­ scher mit Ernst, alles wahr! bei

Herrn

Fachsen,

Wir waren selbst

unserm

Bürgermeister.

Schwere Tage stehen dem guten Leipzig bevor; Gott mige uns schützen! Regimenter

Morgen kommen 10

Fußknechte und Fahnenreuter von

Raumburg zu unserer Hülfe herein.

Wir wollen

unS wacker vertheidigen, und wenn es seyn muß, sterben auf den Trümmern unserer Stadt.

So

denken alle Leipziger! wer aber fremd ist, und daheim noch eine Seele weiß, die um ihn z.'gt,

i7 der wende

sich

Pflichten.

Ja,

Ihr

müßt uns

von

uns,

Georg,

den

das

verlassen.

Es

rufen

höhere

sage ich

Euch,

thut mir weh

von Euch zu scheiden, aber es kann nicht anders seyn.

Wer weiß,

sten Tagen

was uns schon in den nach-

bevorsteht —

Mutter. —

Hier

lebt

und Ihr habt eine Euch

niemand

Ver­

wandtes, hier halt Euch nichts zurück. Sprachlos, hatte Georg

mit

zugehört;

niedergeschlagenem bei

den

lehren Worten

erhob er seine großen beredten Augen, fielen auf Gertraud. —

Blick,

und sie

Ach, Herr Rauscher,

sprach er leise, Ihr thut mir weh.

Achtet Ihr

mich so gering, daß ich jetzt mich entfernen soll, da Noth

und Trübsal Euch nahen?

meinte,

Ihr würdet mich nimmer

weisen,

wohl meinte ich, daß mir

wandte Seelen

Seht, ich von

Euch

hier ver­

lebten, und Liebe halt mich zu­

rück — Liebe und Anhänglichkeit an Euch Euer Haus.

Gott weiß,

und

ob ich unrecht thue;

aber ich kann, kann Euch nicht verlassen; meine Mutter hat der Söhne mehr — und zu deutlich sprichts in mir:

Die Harfe. V.

hier,

Georg,

ist

dein

Platz, 2

Hirt ist beute Heimath. laßt mich bei Euch bleiben, trauter Meister, verstoßt mich nicht, laßt mich Noth und Tod mit Euch theilen! So sprach Georg, und Rauscher reichte ihm gerührt die Hand. Er widerstand nicht langer der Beredsamkeit redlicher Liebe; auch ahndete ihm lange, was in Georgs Busen glühte, und cS war ihm schon recht, wenn Gott deS Jüng­ ling- Wünsche erfüllen wollte. Ihn jetzt von sich zu treiben, hatte er für Pflicht gehalten; er hatte, so oft die Rede auf die nahen Schreck­ nisse kam, immer diese Saite berührt, ohne daß Georg ihn verstehen wollte. Aber al- er nun die Thränen de- guten Jünglings fließen sah, da war er nicht stark genug zum Wider­ streben; er nahm ihn brüderlich in seine Arme, und ein schöner Bund schloß sich auf Leben und Tod. Auch Gertraud trat herzu; auch ihre Hand faßte die Hand des Freundes, und sein Zittern, fein Auge voll Liebe machte ihr alles kund, was in ihm vorging. Georg war ein Fremdling in Leipzig, war zu Rauschern gekommen, um bei ihm, einem

geschickten,

weit gereisten

zu erlernen. noch

Mater,

seine Kunst

Sehr jung kam er in dieses Hau-;

jünger

war

Gertraud,

seines

Meister­

einzige Schwester.

So sahe er sie vor sich auf­

blühen

Schönheit,

in

seltner

sah

ihre holde

Sittsamkeit, ihr stillthätiges Wirken, ihre reine Unschuld,

und gab sein ganzes Wesen ihr hin,

ohne es eher zu fühlen,