Die Harfe: Bändchen 3 [Reprint 2018 ed.]
 9783111423036, 9783111058375

Table of contents :
Inhalt
I. Der Luftkönig
II. Der geächtete Ritter
III. Der rasende Roland
IV. Briefe von der See, aus London und Lissabon an eine Freundin in Deutschland
V. Ein fein lustig Waldstücklein
VI. Die Brüder
VII. Die schöne Erscheinung
VIII. Reisescenen und Bemerkungen
IX. Fürstenurtheil
X. Gedichte
XI. Einige Worte zum Andenken an Novalis Bruder, Karl von Hardenberg
XII. Denkmale

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D i c

Harfe.

Herausgegeben von

Friedrich Kind.

Dritte- Bändchen.

Leipzig bei Georg Joachim Göschen isr6.

Inhalt.

I. Der Luftkönig. Von Arthur vom Nordstern. S. 3 II. Der geächtete Ritter. Altschwäbische Volk-sage von Louise Brachmann. — 17 III. Der rasende Roland. Vier und zwan­ zigster Gesang. Von Streck fuß. — 49 IV. Briefe von der See #. aus London und Lissabon. Von F. CH. A. Hasse» — 99 V. Ein. fein lustig Waldstücklein, Don Kuckuck Waldbruder. —159 VI. Die Brüder. Erzählung von G. Sie» — 17s VII. Die schöne Erscheinung. Ein Dardlet. von Fr ei h. v. M ü n ch h a u se n. — ?99 VIII. Reisescenen und Bemerkungen» Von St» Schütze» — ri5 IX. Fürstenunheil. Don F. Laun. — »7*

X. Gedichte. An Die Harmonie. Don W. S. Zry Das Kreuz. Von L. M. Büschenthal. — 324 Auf Dem Grabe eines Herrgottthrerchens. Von Dem selben. . — 325 Wettpreiß Der Minne. Von Louise B r a ch m a n n. e e —327 Im Garten. Von Arthur vom Nordstern. e — 330 Die Erscheinung an Der Quells. Von K- M. Iusti. . . —333 Jager unD Hirtin. Von F. Krug v. NiDDa. • . —335 Die Lebenequelle. Don G. H. G? amberg. . . — 341 Die Gürten der Großen. DonTh.Helk. — 342 Trinklied für§lte Herren. Von Lang­ bein.• —344 Rundgesang. Von F. Laun. — 346 Das Herz ohne Liebe. Von H a u g. — 349 Der Leisten. Von Langbein. — 350 XL Einige Worte zum Andenken an Novalis Bruder, Karl v. Hardenberg. Don I. O. — 351

XIL Denkmale. Der Freitag. Don Arthur voirr Nordstern. . . S. 365 Zur Weihe des neuen Maurertempess. Don G. A. H. Gramberg. — 363 Ehrengodächtniß meiner Freundin Auguste Eschke. Von A. F. E: L a n g b e i n. — 370 Nacir Lesung der Gedichte und Phanta­ sien von Tian. Von Bnri. — 373 Theodor Körners Hinterbliebenen. Don F. Kind. . . — 375 An eine Freundin. Don M e sse r fch m i d. — 376 Sonnet. Von B. . . — 380 Sonnet. Von demselben. — 38i An einen Klavierspieler. VonIsidorus. — 332 An die Muse der Harfe. Don dem selben.-— 382 An einen Flötenspieler. Don dem selben. — 383 An Friedrich Freiherrn von Souque'. Von F. Krug von N,dda. — 384 Der Frau Hofrathin Henriette Rochliy. Von F. Kind. . . — 385 Einer Dichtersfrau an ihrem Geburtstage. Don L. M. B.

Des Dichters Antwort.

.

Antwort auf vorstehendes Sonnet. Charade.

S. 388 — 339

Der Frau Hoffchauspielervi

Schirmer.

Don Seyfrred.

390

An Fxau Henriette Schütz-Handel. VonD.— 391 An ....

Vor einer Vorstellung des

Barbiers von Sevilla. Hauswald.

.

In der Meißner Gegend. blatt.

Reliquie von .

Don Isidorus.

Stammbuchblatt.

*-*392

Stammbuchs — 394

Reliquie vom Capell-

meister Naumann.

— 395

I.

Der

L u f t k ö n i g.

Von Arthur von Nordstern.

An der Blüthenwölbung Raume, wo, vom neuen Lenz verjüngt, sich an dem Kastanienbaume Krokus in das Weinlaub schlingt wo das Grün der Gartenhaine die umwallte Burg versteckt, liegt auf moosumgrüntem Steine Graf Gutscardo hingestreckt.

Kranze nicht, die für ihn grünen von Turnieren, nicht der Sieg, der im Kampf mit Gibellinen glorreich zu ihm niederstieg, nicht Besitz beglückter Auen, nicht der Jagden früh're Lust, nicht die Gunst der holden Frauen stillt die vielbewegte Brust.

Seltsam Sehnen in der Seele, mit der Seele selbst erwacht, trieb ihn oft zur Felsenhöhle fort bei'm öden Graun der Nacht. Lauschend an dem Meergestade, folgend dem Gewitterzug, schauend in die Wolkenpfade, aufwärts ihn dieß Sehnen trug.

Wie aus dieser niedern Oede, die nur todte Stoffe zeigt, aufgelöst, vergeistigt, jede fein're Urkraft aufwärts steigt, der entfesselte Gedanke sich empor zum Lichtkreis drängt; strebt Guiscardo aus der Schranke, die den freien Geist umzwängt.

Wae den Jüngling sonst ergriffen, stärker jetzt die Brust erfaßt: in die Lüfte Hinzuschiffen, fortzuschweben sonder Rast,

zu durchwallen ferne Raume, die der Wolkenstrom durchstießt; zu erfassen das Geheime, das den innern Sinn erschließt.

Ruhig wallt der See in stater Silberfluth am Gartenhain, zieht, hoch über ihm der Aether, wie gediegnes Silber rein; in der Blüthenwölbung Blattern, noch vom letzten Strahl besonnt, rauscht es; denn in nah'nden Wettern flammt der Abendhorizont.

Wie sich

hier Die

Wolken

drücken,

dort sich trennen mit Gewalt, zeigt sich vor Guiscardo's Blicken eine hehre Lustgestalt, auf dem dunkeln Wolkensitze wie ein Gluthtyrann erhöht, die im nächsten Zackenblitze donnerrauschend untergehe

Und die Blitze nicht mehr zücken, und die Donner sind verhallt! Wieder naht Guiscardo's Blicken eine hehre Luftgestalt, ruhend auf dem Regenbogen über'm See, von ihm umschrankt, die, wie magisch fortgezogen, sich zur Blüthenwölbung senkt.

Früher schon in Iugendträumen, dann in Mannesbrust geahnt! Lichtgestalt in Wolkensaumen, die durch Gluth sich Pfade bahnt! Augen gleich Sapphirenblaue, um die Stirn ein Purpurband, und, als Preis erprobter Weihe, Feuertilien in der Hand.

Ach er will die Lilien fassen — doch ihn straft ihr ernster Blick, und in tiefe Wvlkenmaffen flieht das holde Bild zurück.

Aus den im entlegnen Weiten, feinem Herzen doch so nah, scheint der Ruf herabzugleiten: ,, Ewig liebt Aeria!"

Und er stürzt wie hingegossen auf der Blüthenwölbung Grün. „Göttliche, dem Licht entsprossen, nein, du darfst mir nicht entstiegn! Du, nicht Ideal geblieben, deren Glanz dieß Auge sah! Ewig wird Guiscardo lieben, Ewig wie Aeria!

„Der in unerforschter Weist, mit Dem Arme, nie gelahmt, ewig diese Wolkenkreise, Luft und Sturm bewegt und zähmt Herrscher in Den Nebelhallen! König in dem Luftrevier! Laß empör, empor mich wallen zu Aeria/ zu dir!

„Langst belastet mich die Schwere, die mich zu der Erde zieht; eine reine Aethersphäre ist mein heimisches Gebiet! Laß vor dir das Knie mich beugen, welcher thront im Lichtazur! Dir geb' ich mich ganz zu eigen! Dir, Luftkönig, gilt mein Schwur!

Jach, als ob die Erde risse sich aus festen Fugen los, schwankt der Boden; Finsternisse brechen ein; gespenstergroß lagern Wolken, wie gediegen, Ausgang wehrend hier und dort, um Guiscardo sich, und fliegen mit dem Tiefverhüllten fort.

Kreisen niedrig erst,

dann heben

sie sich, stolzen Flugs, empor, zum Vereinen-, zum Verweben, mit der Schwesterwolken Flor.

Eine magischreinerhellte Luft empfangt im Wolkensee den Erstaunten; Zembla's Kälte packt ihn an in grauset Höh'.

Diese Welt, auf welcher Babel stolz das Haupt -um Himmel trägt, täglich einen frommen Abel Kain's Hinterlist erschlägt, Recht und Wahrheit betteln müssen, während Stolz und Laster prunkt, tief lag sie zu seinen Füßen wie ein düstrer Schattenpunkt.

Von dem Luftstrom an zwei Seiten wagerecht gehalten, weilt in den unermeßnen Weiten allgemach das Fahrzeug, theilt sich wie in -errlßnen Schleiern, die Guiseardo's Stirn umweh'n. Einsam scheint im ungeheuern Luftreich er allein zu steh'n.

Da erblickt er Säulenhallen, deren Raum kein Blick ermißt, aufgebaut von Lichtkristallen/ überwölbt von Amathyflz leitend zu- dem zeltgespannten Luftpallast, der hoch entsteigt aus dem Grund von Diamanten, in die Sterne sich verzweigt.

Denn die jenem Raum Entflammten glanzen dort im Urlicht rein, sind, wenn sie der Erd' entstammten, nur ein blasser Wiederschejn; sie verglanzen und verrauchen, wahrend dort ins Aetherltcht Iris und Morgana tauchen Brust und Flammenangesicht.

Fort zu dieser Strahlenzone wird Guiscardo schnell entrückt, dahin, wo vom Wolkenthrone ernst Luftkönig auf ihn blickt.

Nebelnächte, Morgenröthen sieht er kommen, sieht er flieh'n, alle Sterne und Planeten vor ihm auf- und niederzieht,.

Zwei und dreißig Fürsten liegen, still gewärtig seines Winks, vor dem Thron; gebeut er, fliegen diese rechts und jene links: doch fein Zürnen zieht die Zügel straff; ein Winken seiner Hand bändigt Launen, lähmt die Flügel, ruft sie ab von Meer und Land.

Vier der Aeltesien verbreiten sein Gebot von Pol zu Pol. Nebel sinken dort, es streiten Wolken tönend wild und hohl. Vor der Schwelle liegt in schwerer Fessel, willenlos und stumm, Typhon, er, der Weltzerstörer, und der Pestverbreiter Smum.

Auf dem dunkeln Wolkensiye wie ein Glurhtyrann erhöht, ragend aus der Flammenspitze, die fern greises Haupt umweht, ruft er: „Auf zu mir zu steigen, ziemt nicht sterblicher Narur; doch, mir gabst du dich zu eigen, und mir galt dein Frevelschwur.

„Gnügt's euch nicht, euch zu bekriegen? zu durchwühlen Berg und Kluft? selbst das Meer in's Joch zu schmiegen? Strebt ihr auch ins Reich der Luft? Unersättlich ist, verderblich nach dem Höhern euer Drang! und doch ist nur das unsterblich, was dem Leben sich entrang.

„Streng sind meines Reichs Gewalten und mir bleibt, wer mir verfiel! Willst du ewig Schwur mir halten? oder war dein Schwur nur Spiel?

Keine Rückkehr steht dir offen, wenn du zweimal frei gewählt! Treue ist nur dann zu hoffen, wo sich Gleich und Gleich vermahlt.

„Blick empor! " — Auf Wolkenwogen eine hehre Lichtgestalt, ruhend auf dem Regenbogen, langsam vor ihm überwallt! Augen gleich Sapphirenbläue, um die Stirn ein Purpurband, und, als Preis erprobter Treue, Feuerlilien in der Hand.

Ach ihr Blick hüllt sich in Trauer! ach, ihr Blick fällt niederwärts! und ein ahnungsvoller Schauer legt sich um Guiöcardo's Herz! doch ist fest fein Sinn geblieben, und er ruft begeistert: „Ja! Ewig wird Guiscardo lieben! Ewig wie Asria!"

Tief verhallt in Wolkensäuten rote ein Donnerschlag dieß Wort. Zwei und dreißig Fürsten eilen auf der Stürme Flügeln fort. In der Blüthenroöldung Raume fand bet’m nächsten Morgenroth, rote erdrückt vom bösen Traume, man Gurscardo bleich und todt.

II.

D e r geächtete Ritter. Altschwäbische Dolkssage von

Louise

Brachmann.

Äer Mond stand hoch über dem wüsten Haine und

goß

seine Strahlen

senkrecht

durch

die

neblichte Luft; zur Seite hoben stch die Trüm­ mer

der verfallnen Waldburg

und der Hain

lag schaurig und allein an ihrem Fuße. ternacht konnte nicht fern seyn.

Mit­

Da zogen

zwei fremde Wandrer durch den Waldgrund; sie kamen aus dem Kriege und kehrten zu der fernen Heimath wieder.

Der Eine von den

Jünglingen blieb stehen, und blickte wehmüthig auf zu der zerstörten Burg.

„Sich, Rudolph,"

sagte er, ,,die alten, .mondbeglänzten Mauern! sie ragen gleich Vorgcbürgen aus der lang verfunknen Zeit hervor.

Wie manches Bild der

Wonne und deS Jammers mögen sie in ihrem Kreis gesehen haben!" „Ach Wilhelm," rief jener, „laß jeht die versunkne Zeit!

Ich wollte, ich wär' so nahe

meinem Gute

in der Heimath,

als diesem

alten Eulenhorste hier! “ «Nach «inen» Gute wollt' ich

gern nicht

fragen," sagte Wilhelm mit einem Seufzer, und lenkte wieder in den Weg ein, „wenn ich nur

meinen Batet

in der Heimath

wieder

fände? “ «Du hast ihn treu gepflegt

bis in

den Tod,"

sprach Rudolph, «und hättest wohl das Gut allein verdient, das jetzt dein Bruder bewohnt!" >,Ich überließ es

meinem Brüder," er­

wiederte Wilhelm, «weil er kränklich war, und Weib und Kinder hatte» und rüstig,

Zch konnte, jung

wohl mein Ziel

im ehrenvollen

Waffendienste suchen." «Nun, und im Waffendienste," sagte Ru­ dolph, „auch da Glückes nicht!

benutztest du die Gunst des Wo Andre Gold erbeuteten,

gingst du mit leeren Händen aus.

Sch habe

mir ei» artiges Sümmchen geborgen, und in der Heimath sollen mir die Goldstücke gar hold entgegen funkeln!" «Mitunter qbek auch wohl Tropfen Blutes

daran glühe» ? " — fragte Wilhelm, — „Ru­ dolph," mit gnügt mein kleines, rechtliches Eigenthum!" „0 des gewissenhafte» Kriegers!" lachte Rudolph. »Nun jeder lebe seines Glaubens!" Zn» diefim Augenblicke sahen Beide an dem Schilfgestade eines öden Teiches sich eine bleiche, männliche Gestalt erheben, die dem Schatten eines RitteiS glich; halbliegend schien er aus dem feuchte» Grund zu steigen, und sich mit einem Arm am Boden aufzustützen, indeß er wild und düster um sich blickte. Doch meinten die Fremdlinge im Näherkomme» mehr den Ausdruck von Schmerz und Trauer, yls von Wildheit, in seinen Zügen zu erkennen, und ganz mit Blut befleckt »varen seine Hocken y»b sein Ritterkleld, Bewegungslos vor Schauer blieben die Jünglinge zur Seite stehen, da wandelte den Pfad »on der verfallnen Burg herab eine zweite Schattengestalt in zarter weiblicher Schöne; gar lieblich, aber traurig »var ihr Ansehn, und im Mondschein flatterte der Nebelschleier und

das weißtichte Gewand.

Sie wallte still den

Pfad, und nahte sich dem Schatten des Rit­ ters, der schon, blaß und blutig, wie er war, in fein umschtlfreS Bett zurückzusinken begann. Sie beuate sich liebkosend und gleich als tröstend zu ihm herab, und schlang ihren Arm um seine Schultet; er richtete das Haupt zu ihr empor, und indem sie ihre Hände fest verschlangen, san­ ken sie beide in das wäßrtchte Grab.

Mit Grauen fetzten Weg fort.

die Wanderer ihren

Ms sie aber in das Dorf jenseit des

Gcbirgs kamen, fragten sie nach der wunder­ baren Erscheinung.

„Das ist der Geist des

Ritters Udo gewesen," leute,

erwiederten die Land­

„des geachteten Raubritters,

der die

Gegend ringsum verwüstet bat, und an jener Starre von dem Stahl des Rächers gefallen ist. — Der Wald ist unheimlich und niemand wagt zur Nachtzeit durchzugehen."— jener holde weibliche Schatten," Wandrer,

„Und wer ist fragten die

„der den gequälten Geist so liebevoll

umschwebt?" —

„Was sie gewesen für den

Ritter," versetzten jene, „das weiß Gott! die Meinungen darüber sind verschieden." „Bruder," sagte Wilhelm zu dem Gefähr­ ten, «mich zieht es mit unendlich tiefem Mit­ leid zu den

armen Schatten; wer sie erlöse»

könnte! “ „Nun hast du nicht gehört,' was sie für große Sünder gewesen? " erwiederte Rudolph; „das ist die Strafe ihrer Schuld, wer mag mit solchen Sündern Mitleid haben?" „O Bruder," rief Wilhelm: „ziemt es uns Schwachen,

so streng zu richten ob Andrer

Schuld? und kennen wir all die verschlungenen Wege, die zum Abgrunde führen aus dem Dun­ kel der

Menschenbrust? —

Ich bleibe hier

noch eine Nacht, um zu versuche«,

ob ich ihr

Befreier werden kann." — „Nun dann gehab' dich wohl!" rief Ru­ dolph, „ich eile, bald die Heimath zu errei­ chen.

Die goldnen Fünkchen winken mir gar

lieblich von dorther." — Mit diesen Worten zog er lustig seines We­ ges.

Wilhelm blieb zurück,

treu dem Ent-

sch küsse, den et gefaßt.

Und

als

in nächster

Nacht der Mond wieder so schaurig über dem Hain stand, da ging er auf denselben Kreuz­ weg , wo ihm das wunderbare Abenteuer begeg­ net war, und harrte schweigend bis zur Mit« ternacht.

Und hyrch! da klang eS von der alten

lang perfaflnen Durg wie Glockenton, der zwölf anschlägt,

und als die Geistertine durch die

stille Lust verklungen waren, da hob sich wieder die blutige Rittergestalt aus dem Weiche, und den Waldweg von der Durg herab wandelte wieder dex stille, weiß verschleierte Schatten. Ein heftiger Schauder rieselte dem Züngling eiskalt durch alle Glieder, allein sein Muth und sein Mitleid mit den Gequälten waren stär­ ker, als sein Grausen, und er trat entschlyßnen Sinnes der Wandelnden entgegen, als sie auf den Kreuzweg kam, und sprach mitleidig ernst: „Wer bist du, armer Schatten, der du so irr und heimathlos die Ruh' des Grabes zu ent­ behren scheinst? und wer ist jener blutbefleckte Ritter? — wir."

Rede! nicht Neugier spricht aus

Die Schattengestall hemmte ihre Schritte Lei de- Wandrers Worten,

und sprach mit

tiefer traurig gedämpfter Stimme:

„ Meiy

Name war Uno, als ich noch lebte; —

der

feine Udo, wohl geschmähten, doch noch mehr beklagenswerthen Angedenkens," „Gr war wohl dein Bräutigam,

daß du

ihn so mit wehmüthiger Llebesinnigkett in die Arme drückst?" fragte Wilhelm,

„oder dein

tapfrer heißgeliebter Gemahl?" Der Schatten wandte traurig verneinend das Haupt. „Und was war er dir denn, holdseliges, von Gram umfangnes Weib? “ Die Schattengestalt schwieg einige Augen­ blicke, als scheu« sie sich eine Antwort zu geben; dann sagte sie mit leisem Tone: Bruder. —

„ Er war mein

Willst du mehr von meinem und

von seinem Schicksal wissen, so geh' d«S mor­ genden TageS um die Mittagsstunde in daGewöibe unter dem westlichen Thurme der Burg, und hebe den breiten Stein, der dort den rau­ hen Tisch bedeckt;

darunter

wirst du unsre

LebenSgeschlchte finden, die ich in meiner trau­ rigen

Gefangenschaft

niedergeschrieben

habe.

Wenn du uns dann beklagst und es vermagst, so gieb unsern irrenden Geistern Ruhe.

Denn

nur ein Herz, das eben soviel Mitleid mit uns hak, als Muth, ist bestimmt, uns zu erlösen." Der Schatten glitt nach diesen Worten an dem Fremdling vorüber, sich, wie in voriger Nacht mit der geliebten Rlttergestalt in die Fluthen des Teiches zu begraben. Der Jüngling sah ihrem Verschwinden mit frommem Ernste nach.

Des andern Tages,

als dle Sonne von der Mittagshöhe auf die verfallne Waldburg niederschien,

wandelte er

festen Schritts die Felsenhöhe hinan, und trat in dle wüsten schauerlichen Mauern, wo sich Farrcnkraut

und

wildes

Buschwerk zwischen

moosbedeckte Steine drängte.

Der GraSwuchS

flüsterte so leis und geisterhaft durch einander in der todten,

heißen Mittagsstille; in der

Runde meilenweit kein Laut des Lebens; alles ausgestorben vor der Geisternähe.

Wilhelm

durchschritt die öden Hallen, dle schweigenden

Höfe, und fanh den Eingang des westlichen Thurms;

auf einer engen Wendelstiege,

hin

und wieder eingestürzt, stieg er hinab zu einem grausenvollen Gruftgewölbe,

dessen Eisenthüre

zeigte, daß es der Aufenthalt unglücklicher Ge­ fangenen gewesen war. sich

Die Schauer schienen

hier zusammenzudrängen.

mer einer Kerze,

Beim Schim­

die er mitgebracht und hier

entzündet hatte, durchspähte er die feuchte Düsternheit.

Er hob den

Stein

auf, der den

rauhen Tisch bedeckte, und fand die alte Pergamentschrift, wovon der Geist gesagt. Dunkel

und

die

kalt

anwehende

DaS

Moderluft

schreckten ihn nicht; denn seine Seele war nur darntt beschäftigt, was er erfahren sollte.

Er

steckte seine Kerze neben das aufgeschlagne Buch, setzte sich davor, und las wie folget: „Hier sitzend in der tiefen Oede meines Kerkers, wende ich die träg dahin schleichenden Stunden dazu an,

mein Leben aufzuzeichnen,

und den, der einmal diese Worte liest,

wenn

wohl meine Gebeine längst vermodert sind, um Mitleid anzuflehen für mich und meinen armen

Bruder Udo. Dieser mag beS Mitleide frommer Seelen noch bedürftiger seyn, als ich;

denn

seine Heiden, bis er aus der Welt gegangen, waren groß,

und seine gute Seele hätte das

Döse nicht gethan, wofern ihn nicht Undank und Verrath also elend gemacht;

doch gleich

wie ein Sämann in die Furchen der aufge» rißnen Erde seinen Saamen streut, so streuten böse Geister in sein zerrtßneS Hcrj Rach'? und andre sträfliche Gedanken, Schon der Anfang unsres Lebens war nicht freudig.

Sanfter Mutterpflege hatten wir nie

genossen, früh unserer Mutter durch den Tod beraubt; unser Vater war hart, besonders gegen meinen Bruder Udo.

Als einst mein Bruder,

noch in frühen ZüngSllngsjahren, seinem Her­ zensfreunde Otto, seinen Beistand zugesagt in einer ernstlichen Fehde, der Freunde Väter aber kurz darauf in einen Zwist gerathen waren, da wollte unser Vater auch,

Udo solle von dem

Freunde lassen, und ihn nicht begleite» in den fahrvollen Streit.

Mein Bruder aber hing

mit Herz und Seele an dem Freunde, und rief

zu unserm Vater mit stürmischer Traurigkeit: „Wie,

mein Vater?

verlassen,

soll ich meinen Freund

um so zufälligen Umstands willen?

bin ich nicht Ritter, wie Zhr?

und gilt mein

Wort nicht eben, wie das Eure?

Zch habe

ihm Treue geschworen in Leben und Tod, und die will ich halten! “ Und so erzwang er gleichsam den Dergunst, und halb wider Vaters willen zog er dahin. AIS aber bald darauf der Vater schwer erkrankte, sandte er einen Boten an den fernen Sohn, um ihn eilig zurückzurufen an sein Sterbebett. Nun wollte das Unglück, daß eben damals durch da« Geschick des Kriegs die Kämpfer abwärts gezo­ gen waren,

und daß Udo nicht schnell genug

herbeieilen konnte, um die Augen seines sterben­ den Vaters zuzudrücken. und verwünschte Urfach,

Da ergrimmte dieser

Udo's Ungehorsam

als

die

warum er in der letzten Stunde seines

einzigen Sohnes und Erben entbehren müsse. Diese Worte trafen schwer und lastend auf Udo'S Seele,

als er,

wiewohl zu spät,

herzueilt«,

und ihm der Beichtiger des Verstorbenen jene

Worte wiederholte.

Da beweinte er mit bren­

nenden Tyränen seinen ersten tmb letzten Unge­ horsam, den er jedoch nur aus großer Liebe und Treue gegen seinen Freund begangen hatte. Die echte Heiterkeit des Lebens war nun schon für ihn getrübt, ob er gleich noch in zar­ tem

und fast kindlichem Alter war;

indessen

schloß er sich mit nur noch größrer Innigkeit an seinen Freund; irgend einem

denn je größere Opfer man

Wesen dargebracht,

je

theurer

wird uns gewöhnlich das so schwer erkaufte Gut. Udo theilte

mit seinem Freunde Wunden und

Noth; und einst, als Otto gefangen ward, und dessen kleines Gut nicht hinreichte, ihn zu lösen, bot er seine eigne Habe Freund.

auf,

und löste den

Als aber darauf Otto sich vermählte

und ein friedliches Leben der Liebe begann, da litt es meinen Bruder nicht im Schooße der Sicherheit,

der nur in Ruhm

einige Ruhe fand.

und Thaten

Er zog mit dem Kaiser in

den Krieg, und, wie er sich denn nimmer jeman­ des eigen nennen konnte,

ohne sich auch mit

kräftiger Treue seines Herzens daran zu ketten,

so that er dem Kaiser unerhörte Dienste, opferte ihm Gut und Blut, und rettete ihm selbst bei einer Gelegenheit das Leben.

Der Kaiser ver­

sprach ihm dafür zur Belohnung die benachbarte reiche Grafschaft,

wenn sie nach dem Tode

ihres alten, erbenlosen EigenthümerS der Krone zufallen würde. Er kam nun nach geschloßnem Friebew für einige Zeit zurück auf unsre Burg.

So vieles,

was er gelitten, schien ihn wohl einmal ermü­ det zu haben.

Der Kaiser hatte ihn entlasse»;

sein Freund war fern und mit seinem Liebes­ glück beschäftigt,

und so schien sein Herz bei

gereifterm Alter wohl eines weiblich zarten Mit­ gefühls zu bedürfen. Ach, es war meine einzige glückliche Zeit, wo ich ihm dieß gewähren konnte. Don Kindheit an hatten sich alle meine Nei­ gungen an die seinen angeschlossen, wie sich der Epheu um die Ulme schlingt;

wir hatten ja

nichts Verwandtes weiter in der Welt! Und ob er auch im frühern Jünglingsalter,

nur für

Ruhm und Freundschaft entbrannt, mich weni­ ger beachtet hatte, als ich ihn, so kehrte er mir

doch jetzt mit doppelt großer Zärtlichkeit zurück. War eö denn strafbar, baß ich mit ganzer Seele strebte, meinen guten Bruder zu erfreuen und seine Liebe zu verdienen? Daß aber auch das Beste nach und nach zum Fehler werden kann, durch Uebermaaß und durch ein ungün­ stiges Verhängniß, und wie zart die Grenze zwischen Recht und Unrecht, das kann ein glei­ ches Herz auS unfern Schicksalen lernen. Zwar eS ist wahr, mein Bruder schien mir von jeher das Vorbild aller männlichen Schön­ heit und Vortrejfltchkeit zu seyn, und mancher Ritter, der um meine Hund geworben, war nur um dieses Gefühls willen von mir abgewie­ sen worden. Dieß mochte das erste Vergehen meiner liebenden Uebertreibung seyn. Auch Udo schien an andern Weibern kein Gefallen zu haben, und der geheime Wunsch, wie wir doch beide, unvermählt, nur unsrer so innigli­ chen Uebereinstimmung möchten leben können, kegle sich wohl zugleich in unsrer beider Herzen; den» als der Kaiser selbst für einen Herrn seines Hofes meine Hand begehrte, der mich bei einem

Banquet gesehen,

konnte ich mich nicht ent­

schließen, Za zu sagen. sich

Mein Bruder freute

deshalb über die Maßen,

meinte,

daß

Jener mein nicht würdig gewesen, und schlug den Antrag mit großem Elfer ab. Sei es nun, sonst etwas,

daß diese Weigerung,

dem

oder

Kaiser mißfällig gewesen;

genug, der Eigenthümer jener Grafschaft war verstorben,

und

noch erfüllte der Kaiser sein

Versprechen nicht.

Da schrieb

mein Bruder

ehrlich und freimüthig einen Brief an den Kai­ ser, fragend,

ob er sein,

kaiserlichen Worts mochte

sich

jedoch

und des gegebnen

wohl vergessen habe? darin

einiger

zu

Er

kühnen

Ausdrücke bedienet haben; denn der Kaiser ward zornig, und, nach Art der Großen, v rgaß er der wichtigen Dienste um des unbedeutenden Fehlers willen und schenkte die Grafschaft einem An­ dern, der am Hofe lebte und in großer Gunst bei ihm stand. Udo war wie ein Schwert von gutem Stahl, das nimmer bricht in treuen Führers Hand, auch sich wohl willig biegt zu seinem Dienste, Harfe.

JIT,

3

bas aber

heftig wieder

aufspringt nach

dem

Drucke, der es beugen will; der Kaiser hätte sein Leben fordern können,

allein der 'Undank

erregte seinen edel» Trotz.

Er wollte rächen

sein gekränktes Recht,

kost' es auch, waS eS

wolle'. Vielleicht, daß meine Bitten seineWukhgedankrn noch gezügelt hätten,

wär' er nicht

eben zu einer kleinen Fehde auSgewcsen;

und

als er heimkam, mir des Kaisers hartes Wort verkündend, da brannten schon die Fackeln der Empörung, die er rings im Busen andrer Unzufriedner entzündet hatte.

Denn der Kaiser,

obwohl selbst mllden Sinnes,

regte doch durch

die allzugrvße Macht, die er seinen Begünstig­ ten über sich und seine Lande ließ, so manche Klage auf. DaS LooS war nun geworfen; brannte auf,

der Krieg

und mein unglücklicher Bruder

hieß der Hauptmann der Empörer.

Von dieser

Zelt an häufte sich daS Unglück unter unserm Dach.

Der Kaiser siegte in einigen Schlachten,

nahm nun meinem Bruder vollends seine Güter, das väterliche Stammschloß

allein ausgenom-

wen, und verschenkte sie. Udo noch ertragen; als vernahmen,

Das

alles hätte

mir aber die Kunde

an wen der Kaiser sein Eigen­

thum verschenkt,

und nun das Wort in unsre

Ohren schmetterte:

an Otto! an den Freund,

für den mein Bruder Hab' und Blut, ja selbst die Ruhe des Herzens und des Vaters Segen hingegeben

hatte!

da brach sein

männlicher

Muth, und Thränen glühten über seine todtenbleichen Wangen.

„Uno!“ rief er mit fürch­

terlich verhaltnem Schmerz.

„Ich habe nun

nichts in weiter Welt als dich! wirst auch b u Mich verlassen? “ Da schlang seinen Hals,

ich

weine Arme inniglich

um

und rief mit heißen Thränen:

,,Nte, nie, o mein geliebter Bruder! Zn Welt und Himmel leb' ich fürder nur für dich!" Mit diesen Worten schien ein Strahl deS Trostes in sein Innerstes zu fallen, wie Mondenschtmmer auf ein nächtliches Gefild,

und

auch er schlang seine Arme fest um mich.

Da

trat in eben diesem Augenblicke der Prior eineS benachbarten Nonnenklosters in die Halle und

überreichte meinem Bruder eine Schrift. Es war eine Handschrift unsrer verstorbenen Mut» tcr, in einer schweren Krankheit abgefaßt, worin sie mich dem Kloster weihte. Sie war gene­ sen, und halte nun durch reiche Schenkungen ihr Gelübde wieder zu lösen gesucht; als aber jetzt die fromme Aebtlssin den Verfall unsers Hauses und meine unglückliche Lage sah, machte sie des Himmels Rechte wieder geltend, mich zu retten. Wlr zitterten beide, Udo und ich, als wir die Handschrift unserer Mutter erkann­ ten. „Zhr sehet, Fräulein," sagte der ehr­ würdige Herr, „dte Kirche öffnet Euch die Arme! Bald wird noch größres Unheil über Euer Haus herein brechen; was wollt Zhr län­ ger bet einem so befehdeten Mann? " „Una," sagte mein Bruder mit einem unaussprechlichen Blick, „eS steht bet dir! Entscheide!" Ich aber brach aus in eine Thränenfluth, und rief: „Ich kann, ich kann dich nicht »er* lassen! Ich theile mit dir Noth und Tod! “ „Nun dann, beim Gott des Himmels! ich lasse sie nicht!" rief Udo, mit der Linken

mich umschlingend und die Rechte gen Himmel hebend. Da schied der Prior zornig von uns, sagend: die Kirche werde ihr Recht

mit Gewalt zu

schützen wissen. Mein Bruder führte unterdessen seine krie­ gerische» Streifereien fort, Betäubung suchend im Geräusch der Waffen.

Er that dem Feinde

Abbruch, wo er konnte;

eine kleine Schaan

war ihm geblieben,

die Gefallen fand an der

Freiheit und der Beute dieser Lebensart, manche gewaltsame That vorfallen;

und

mochte dabei wohl

denn die gute Seele meines Bru­

ders war verwildert durch den Schmerz.

Je­

doch befleckte nie das Blut unschuldig Unter» drücktet seine Hand, vielmehr fanden sie nicht selten einen Rächer in ihm. Einstmals aber,

als er auch ausgezogen

war auf Wegelagerung , kam der Schirmvoigt des Klosters mit seinen Mannen, bemächtigte sich meiner mit Gewalt, und brachte mich nach dem Kloster.

Die fromme und ehrwürdige Aebtisfln,

eine Freundin unsrer verstorbenen Mutter, that

nun Alles, mein Herz ganz dem heiligen Leben zuzuwenden, und mich von allen Wünschen und Sorgen für das Zrdtsche abzuziehen; ich hätte dem

Rufe folgen,

bewegen

sollen,

den

und auch meinen Bruder Leidenschaften der Rache

und Verzweiflung zu entsagen.

Allein die Sehn­

sucht und die Angst um ihn verblendeten meine Sinne; ich gab ihm heimlich Kundschaft, wo ich sei, und verschwieg ihm nicht den Wunsch, daß er mich befreie.

Da kam mein Bruder in

der Nacht mit seinen Leuten vor das Kloster, erstürmte die

Mauern,

und führte mich mit

Gewalt davon; denn ihm galt Alles nun gleich, und

er meinte,

nichts mehr zu verlieren zu

haben. Mir war wohl, als ich mich wieder in unsrer heimischen Burg befand, aber auch recht bang. Und als ich des Abends auf meinem Lager lag, konnte ich

nicht schlafen,

sondern mancherlei

Bilder schwebten vor meiner unruhigen Seele. Es war tief nach Mitternacht.

Alles war still

in Wald und Flur, und auf dem Hügel drüben ruhte matter Sternenschein.

Da Hirte ich drei

halleybe Schläge an das Burgthor.

Ich sprang

auf, eilte an das Fenster, und sah zweifelhaften

Sternenlicht«

in dem

drei schwarz ver­

hüllte Gestalten, die mir mein ahnendes HekI nur allzubald als Bote» des richts verkündete.

heimlichen Ge­

Sie hieben drei Spähne

aus dem Thor, nachdem sie meinen

Brudev

mit furchtbarer Stimme beschieden hatten, der dritten Nacht auf weg« zu erscheinen.

dem

(tt

nächsten Kreuz»

Darauf entfernten sie sich.

Udo hatte mit Schauder ihre Ladung ver­ nommen; denn ach! ihm sagte wohl sein stra­ fendes Gewissen,

daß er ein strenges Urtheil

zu erwarten habe für

manche unrechtmäßige

That; wenn der Mensch einmal dem Geist der Rache «inen Eingang in sein -Herz gestattet, kennt er selten Maß noch Ziel! Zugleich rieth ihm feine

trotzige Verzweiflung,

sich

nicht

zu stellen auf den Ruf, und ich selbst, die ich die Folgen solches Verhaltens nicht genug ver­ stand,

suchte

abzuhalten. —

ihn von dem SchreekenSgange Noch

zweimal

ertönte der

nächtliche Ruf, und als sich Udo auch hierauf

noch nicht gestellt hatte, fanden wir eines Mor«

genS eine Schrift der Freiichöppen an dem Burgthore,

welche also lautete:

„Empörung,

Raub, verbrecherische Liebe gegen seine Schwe­ ster!

Ritter Udo sich nicht stellend auf den Ruf

der heiligen Dehm, hat seine Missethaten ein­ gestanden.

Er ist gerichtet; der Stahl d«S

Rächers »ödte ihn, wo er ihn finde! “ „Una!"

sagte mein Bruder,

als er die

Worte gelesen hatte, „mit mir ist es nun aus. Für dich ist noch Zuflucht in einem Kloster; rette dich! —

Mein Leib gehört den Vögeln

unter dem Himmel-------- was willst du länger bei einem geächteten Mann?" Aber, o Gott! wie hält' ich meinen Bruder jetzt verlassen sollen?

Zch weinte nicht mehr,

weil meine Wahl entschieden war; mein Muth war stark geworden durch die höchste Noth; Ich schwur meinem Bruder mit einem hohen Eidschwur, daß ich lebend nicht von seiner Seite weichen werde.

Da löste fich sein star­

rer Sckmerz in Wehmuth auf,

und er rief

überwältigt: „Meine Ung! ich habe dich mit

mir in das Verderben gezogen — aber deine Treu ist größer,

als daß ich ihr widerstehen

könnte." Er befestigte hierauf seine Burg und machte sie unzugänglich jedem fremden Fußtritt; allein auch wir durften den Fuß nicht über die Schwelle setzen, weil jenseits der Tod vom Arm der un­ sichtbaren Rächer lauerte, die allenthalben sind, und Gott gleich im Verborgenen richten.

Wir

hatten Lebensunterhalt gnugsam auf der Durg, und die Tage gingen still dahin; ich fand eine traurig süße Beschäftigung darin,

die kranke

Seele meines Bruders aufzuhellen; auch fühl­ ten. wir in mancher Stunde traulicher Herzensmittheilung minder das Gewicht des Elends, das auf

unserm

Leben lag:

unsere Liebe wuchs

mit jedem Tage in der einsamen Durg.

Bis

dahin war uns der Gedanke des Verbrechen-, dessen man uns verklagte, fremd gewesen--------Wir verlebten einige Monde fast von der ganzen übrigen Welt abgesondert.

Wie es je­

doch zu hart ist, dem Anblick der Natur und dem Genuß der erquicklich freien Luft auf immer

zu entsagen, besonders für ein Freiheit liebendes Gemüth, wie das meines Bruders; so fühlten wir auch uns oft dadurch beklemmt, den Fuß

niemals

aus den Mauern sehen zu dürfen.

Als daher einst eine wunderschöne Mondnacht auf der Gegend lag,

und wir Ln der Vertie­

fung eines Fensterbogens standen,

nahm mein

Bruder die Laute und sang dazu anmuthigen und sehnsuchtsvollen Tons;

Sieh, Schwesterchen, sieh! der versilberte Harn, Er winkt uns so lieblich im Mondenschein! Die thauigten Wiesen und Fluren wie hell! Es winkt uns hinüber der schimmernde Quell. Sie rufen:

Wir trinken die himmlische Luft,

Wir Kinder der Erde, die liebend sie ruft; Ihr armen Verbannten, und sollt ihr allein Verstoßen vom Anblick der Mutter seyn? Ach, süß wohl, mein Schwesterchen, war'es und schön, Sich einmal am rieselnden Quell zu ergeh'«, Am Tage die Rache, die blutige, wacht, Doch Frieden wohl beut uns die himmlische Nacht!

DaS Herz zog mich so gut, wie ihn, ein­ mal zu dem Genuß der lang entbehrten süßen Freiheit; da wagten wir es und schlichen unge­ wissen , schüchternen Trittes aus der Burg, und zu dem lieblichen Thale nieder.

Ach mir war

es, als spräche eine Stimm' in meinem Herzen: Seid ihr nicht Schatten gleich,

ihr armen

Verbannten, die nur als fremde Wesen in dem Leben schleichen? Euch geht ja das Leben nichts mehr an, und vielleicht — bald noch weniger, als jetzt.-------Wie Schatten wandelten wir auch durch die Fluren, die nicht mehr uns angehörten, doch mit verscklungnen Armen, und im Haine dort am Ufer des verlaßne» Erlentciches drückte mich mein Udo noch einmal mit »vihmüthiger Liebe an sein Herz.

Zn dem Augenblicke drangen die

furchtbaren Rächer auS dem Gebüsche,

und

stürzten sich auf meinen unglücklichen Bruder. Drei Dolche bohrten sich zugleich In seine Brust, und mit dem fürchterlichen Ausruf: Wehe über ihn!

Wehe,

rissen sie mich von seinem

blutigen Leichnam, den ich umklammert hatte.

und stürzten ihn in ein schmachvolles Grab, tief in die Finthen des Teiches. Ich aber ward verschont und durch Verhüllte auf die Burg gebracht. leicht,

Der Kaiser fühlte viel­

daß er meinem Bruder zu viel gethan,

und wollte es an mir vergüten; er schenkte einem seiner Edeln die Burg meines getödteten Bru­ ders, mit der Andeutung mich zum Genial zu nehmen.

Allein wie hätt' ich diesen Anträgen

Gebör geben sollen, wie glücklich seyn über dem Grabe meines Gemordeten,

nachdem sich mir

fein blutiges Bild so tief ins Herz geprägt hat, und meinen Geist nun ohne Unterlaß beschäftigt? Ach, hab' ich auch im Leben gefehlt um seinet­ willen, mein Schmerz um ihn, den Todten, ist sicherlich gerecht. —

Mein Freier hat mich

nun in dieß einsame Verließ bringen lassen, auf daß ich meine

Gedanken wenden möge.

Er

meint, die Gefangene werde daraus hervorge­ hen zum Liebesbündnisse;

ich aber denke nur

daraus hervorzugehen zum Tode, und zum Wie» bervcretn mit dem, der einzig meines Herzens Wonne war."

Hier endigte die Handschrift der holdseligen Una. Ein Mönch aber halte das Ende ihrer LebenSgeschtchte aufgesetzt mit folgenden Worten: „Wenn du, frommer Wanderer, diese Bläk» 1er liesest, ist die Schrciberin derselben nicht mehr unter den Lebenden; sie hat den Ausgang aus ihrem Kerker gefunden, den fie sich vorge­ setzt, nämlich den Tod. Denn da ihr stattlicher Freier, um auf diese oder jene-Weise ihre Liebe zu gewinnen, sie wieder aus dem Thurm be­ freien und in ein annehmlicheres Leben versetzen lassen, so hat siedle erste günstige Gelegenheit benutzt, sich heimlich aus der Burg zu stehlen, und in der stillen Nacht zum Haine zu wallen, wo sie, an eben der Stelle, wo die Gebeine ihres Bruders modern, sich zu ihm in den Teich gestürzt. Ob nun wohl so große Lieb' und Treue gegen einen verirrten Bruder immer etwas lobenSwerthcs seyn mag, so hat sich doch Una durch das Uebermaß derselben strafbar ge­ macht, maßen sie nicht allein die Bande der Ehe, sondern auch die Glorie deS Himmels in Annahme des klösterlichen Schleiers verschmäht.

Wie weit übrigens die Liebe beider Geschwister gegangen,

absonderlich in der lehren Zeit, wo

die bewiesene übergroße Treue die Herzen der Verbannten noch mehr an einander angeschlossen, darüber mag Gott richten; daß aber Una ihre Fehler noch durch einen Selbstmord gehaust, so wie, daß beide ohne vorherige Bereuung ihrer Sünden und ohne Sakrament, die Welt ver­ lassen, darüber kann ihr Geist, so wie die Seele ihres Bruders um seiner Sünde willen, nicht zur Ruhe eingehen,

und müssen beide in der

Nacht den Wandrer so lange schrecken, er, sich von seinem feuchten blutigen Bett erhebend, sie aber den Felsweg ntederwallend,

und tröstend,

wie sie im Leben gethan, den traurigen Schat­ ten umschlingend, zuletzt mit ihm in die Wellen versinkend, bis daß ein Fremdling komme, der aus eignes Herzens Antrieb es wagt, die irren Geister anzusprechen, und die Handschrift ohne Grausen an dieser Stätte selbst zu lesen,

dann

aber ein Herz und ein Gebet vor Gott bringt, so selbigem wohlgefällt." Beim Lesen dieser Schrift war Wilhelms

ganzes Herz in Mitleid und Liebe aufgegangen; die Fehler, die er nie begangen, erschienen ihm an den Gefallnen nur als Schwächen menschlicher Natur, doch ihre Tugenden bewundernswerth. Er warf sich,

als er bis ans Ende gelesen, auf

seine Kniee,

und betete mit vielen Thränen:

„Gott, o mein Gott! wenn eins deiner schwa­ chen Kinder wagen darf,

Verzeihung für das

andre zu erflehen, o so erbarme dich der Armen, die so schwer gebüßt!

Sind wir nicht alle

schwach, und alle Kinder deiner Vaterliebe?" Drauf ging er wieder in den Hain, die Schatten noch einmal zu fragen, was er thun solle, um sie zu erlösen, und ein solches Herz vor

Gott zu bringen,

das ihm wohlgefalle.

Denn alles war er zu thun entschlossen, und y)är' es auch das Schwerste und Härteste.

Als er

aber an die Stätte kam um Mitternacht, da hob sich keine bleiche Gestalt mehr aus ihrem Blut, und kein trauerüder Schatten wallte den Felsweg nieder; aber zwei Streifen eines wun­ derbar milden Lichtes stiegen auf, daß die Sträu­ cher und die Bäume in dem hellen Scheine lieb-

ltch wiederglänzten.

Die lichten Wellen hoben

sich zum Himmel auf, und etn unbeschreiblich süßeS,

rührendes Getön umfloß den Züngling,

worin er klar die Worte unterschied: Segen, Segen dir! wir scheiden, Geh'n nun ein zur ew'gen Ruh; Du erlöstest uns vom Leiden, Herz voll Mild' und Demuth du. Segen, Segen dir, und Dankt Nicht verdammt im reinen Herzen Hast du, wo in Schuld und Schmerzen Dein verrrrter Bruder sank. *

*

*

Ob der Segen sich bewahret? Fragt des dunk.eln Schicksals Macht! Mild im Sternenlicht verkläret, Strahlt uns Antwort durch die Nacht.

III.

Der rasende Roland. Vier und zwanzigster Gesang.

Don

DI« »otf«. Ilt.

Streckfuß.

4

Eine der wesentlichsten Eigenthümlichkeiten deS Ariost ist die behagliche Bequemlichkeit, die, zuweilen in Nachlässigkeit übergehend, aus jeder Stanze seines großen Gedichts uns gar behag­ lich anspricht- Wer daher in einer Uebersetzung uns ein getreues Bild des Originals wiedergeben will, muß, nach meiner Ansicht, vor allen Dingen diesen über das Ganze verbreiteten Ton zu finden suchen, und, gilt eS ein Opfer, lieber eine Etnzelnhett, als ihn, aufopfern. Eher ist ihm eine Nachlässigkeit, als irgendwo peinlicher Zwang, erlaubt. Der höchst verdienstvolle GrieS ist bet seiner Uebersetzung von andern Grundsätzen aus­ gegangen. Bet der Wichtigkeit und Schwie­ rigkeit der Aufgabe habe ich daher geglaubt, daß es der Mühe werth sei, einen zweiten Versuch zu ihrer Lösung zu machen.

Da- vorliegende Bruchstück giebt sich als Probe einer neuen Uebersehung,

deren erster

Theil bald erscheinen wird. Daß ich da- Ziel,

welche- ich mir selbst

steckte, nicht erreicht habe, weiß ich.

Genug,

wenn ich glauben darf, mich ihm genähert zu haben» Str.

I. ©er -leib' am Leim nicht mit den Flügeln kleben, Wer seinen Fuß auf Amors Ruthen stellt; Denn Wahnsinn nur ist's, sich der Lieb ergeben. Wie dieß aus aller Weisen Wort erhellt. Wohl Jeder wird von Tollheit Proben geben, Wenn ihn

auch just nicht Roland« Wuth befallt;

War ist auch toller, als sich selbst verderben, Nur um ein fremdes Gut sich zu erwerben?

2. Viel sind der Wirkungen, doch ewig Eine Die Thorheit nur, aus der sie all' entstehn. Sie gleicht dem großen pfaddurchkreuzten Haine;, Wer ihn betreten hat, muß irre gehn, Der eine hier, der dort verführt vom Scheine. Den Schluß sollt ihr in einem Worte sehn: Noch, über jedes Leiden, Kett' und Banden Verdient, wem liehend seine Jahre schwanden»

3 lind sagt mir Einer: Kamerad, erst renne Nicht selbst so blind, dann warn' uns vor dem Fall — So sag' ich, daß ich meinen Fehl erkenne Jetzt bei des Geistes Hellem Intervall. Ich strebe jetzt, und hoffe, daß ichs könne, Nicht mitzutanzen mehr bei diesem Ball; Doch ist's nicht gleich nach Wunsche mir gelungen, Weil bis ins Mark da- Uebel eingedrungen.

4. Ich sagt' euch, Herr, im vorigen Gesänge, Daß Roland, wuthentzündet und bethört, Die Waffen auszieht, sie in tollem Drange Zerstreut, das Kleid zerreißt, wegwirft das Schwert, Die Bäum' entwurzelt — daß im Wiederklange Man sein Gebrüll aus Wald und Felsen hört. Hierher rief ein'ge Bauern nach dem Tone Ihr Stern, vielleicht zu schwerer Sünden Lohne.

5. Schnell floh'n sie fort, als sie die Proben sahen, Die hier der Narr von seiner Starke-gab; Doch ein'ge, statt sich zu entfernen, nahen, Wie öfter sich'- bei jähem Schreck begab.

Der Narr stürzt auf sie zu, sie einzufahen, Ergreift den Einen, reißt den Kopf ihm ab Mit Leichtigkeit, wie man vom Baum im Spiele Den Apfel -richt/ die Blume von dem Stiele.

6. Er faßt am Bein / mit drohender Geberde/ Den schweren Rumpf, den er zur Keule macht. Und streckt ein Paar entschlafen hin zur Erde, Das sicher erst am jüngsten Tag erwacht. Die andern sind, daß ihnen Rettung werde, Auf schnellen Lauf mit schnellem Rath bedacht; Doch hatte sie der Narr gewiß ereilet, Hatt' er sich nicht bei ihrem Vieh verweilet.

7. Die Bauern, durch das Beispiel klug, entrinnen, Und lassen Sichel, Hack' und Pflug im Feld. Der steigt auf's Haus, der auf der Kirche ginnen, Weil Werd' und Ulm' er nicht für sicher hält, Von dort zu sehn das rasende Beginnen. Mit Fußtritt, Faust, Gebiß und Nägeln fällt Er alles an, zertrümmert Pferd' und Kühe, Und Eile braucht'-, daß eins nur ihm entfliehe.

8Und toller Lärm ertönt von allen Seiten, Auf jedem Gut ist wüthendes Geschrei. Man höret hier und dort zum Sturme läuten, Der bläst bas Horn und jener die Schalmei. Wohl taufende sieht man vom Berge gleiten, Man stürzt mit Schleuder, Pfeil und Spieß herbei, Indeß empor wohl tausend andre wallen. Nach Bauernart den Narren anzufallen.

9So schlagen auf das Salzgeflad die Wellen Bei Auster- Blasen, spielend im Beginn, Doch sieht man schpn die zweite voller quellen, Und noch gewalt'ger stürzt die dritte hin, Bi- jedesmal die Wäffer reicher schwellen, Stets tiefer schlagen auf den Strand dahin; So hat die Schaar um Roland zugenommen, Die aus dem Thal und von dem Berg gekommen.

io. Er tödtete sogleich wohl zehn und zehen, Wie sie der Zufall führt in seine Hand, Und deutlich zeigt' es sich, von ferne stehen, Sei hier allein des Lebens sichres Pfand.

Ihn kann man immer unyerwundct sehen, Werl ferne Haut dem Ersen widerstand. Ihn ließ des Himmels König nicht verletzen, Um zu des Glaubens Wachter ihn zu seyen.

Ilt

Doch hatte Ryland irgend sterben können, So war er hier zu sterben in GefahrUnd lernen konnt' er, sich vom Schwerte trennen, Es sei zu kühn, bei solcher Feinde Schaar. Doch diese steht man schon von dannen rennen, Weil jeder Streich auf ihn vergebens war. — Und hin nach einem kleinen Flecken ziehet Nun Roland, da er keinen Feind mehr stehet. 12. Nicht Groß, noch Klein, war mehr darin geblieben, Denn alle trieb die bange Furcht heraus, Mit groben Speisen, wie die Bauern lieben, War reich versehn ein jedes kleine Haus. Von Hunger und von Ungeduld getrieben, Sucht er nicht lang das Brot von Ercheln aus. Gekocht und roh, was er zuerst erblicket, Wird in den Magen rasch hinabgcschicket.

13*

Drauf rennt er fort, und wie sie ihm erscheinen, Jagt er die Thier' und Menschen durch das Land. Er hott die Ziegen ein, in Busch und Hainen Ist ihm das leichte Reh nicht zu gewandt. Er ringt mit Baren und mit wilden Schweinen, Und wirft sie nieder mit der bloßen Hand, Und eilt, voll wilder Gier, in feinen Magen Ihr Fleisch mit Haut und Haar hinabzujagen. 14-

So eilt er auf und ab im Franken laude, BlS er sich einst an einer Brücke sieht, Worunter hin in hohem steilen Strande Ein breiter Strom mit reichen Wässern zieht. Erbauet ist ein Thurm an Ufers Rande, Von wo man schaut, was weit und breit geschieht. Was dort er that, sollt ihr wo anders hören; Jetzt muß ich wieder zu Aerbinen kehren. 15

.

Serbin, als Roland von ihm fortgeschritten, Wrll dorten nur noch kurze Zeit verziehn, Und laßt sein Roß darauf mit kleinen Tritten Den Pfad geh'n, welchen nahm der Paladin.

Und als er kaum zwei Meilen weit geritten/ Sah er gebunden einen Retter ziehn, Auf einem Klepper, den von beiden Seiten Als Wächter zwei Geharnischte begleiten.

l6. Jerbin erkennt ihn, als er hingezogen, Auch Isabella, die ihn nah erschaut. Es war der Odorich, der ihn betrogen, Der Wolf, dem er des Lammes Hurh vertraut. Vor allen war ihm stets Zerbin gewogen, Und gab ihm in Verwahrung seine Braut, In Hoffnung, daß auch hier er seine Treue Ihm, wie vorher in allen Dingen, weihe.

17. Gerad' erzählte, wie es ihr ergangen, Die Jungfrau, wie in Angst und Kümmerniß Ein kleiner Nachen rettend sie empfangen, Bevor das Meer ihr leckes Schiff zerschmiß; Wie Odorich Gewalt an ihr begangen, Wie man sie drauf in eine Grotte riß, Und noch war sie zum Ende nicht, da sahen Den Missethäter sie gefesselt nahen.

6o 18»

Von jenen, die daher den Frevler brachten, Ward Jsabell' erkannt, und jeder meint Von dem Zerbin mit richtigem Erachten, Er sei ihr Herr und Isabellens Freund. Bestätigt wird's, da sie das Schild betrachten, Auf dem das Wappen seines Stamms erscheint, Bis sie vollkommen ihrer Meinung trauen, Wie sie des Ritters Angesicht erschauen. 19. Sie springen ab, und eilen hochentzücket Mit offnen Armen zu auf den Zerbin, Umarmen ihn, wo sich's bei Höher» schicket, Mit bloßem Haupt und mit gebognen Knie'«. Serbin, als er den Ersten angeblicket, Erkennt für Coreb von Biscaya ihn; Der And're ist Almon, und beide blieben Mit Odorich zum Schutze seiner Lieben. 20.

Und Almon spricht: Da es durch Gott geschehen, Daß Jsabclla wieder bei dir sei, So kann ich leicht, mein theurer Herr, ersehen, Es sei auch dir nicht mehr die Ursach' neu,

öl Warum wir hier mit diesem Schurken gehen. Das Fraulein hat gewiß dir wahr Und treu Erzählt, wie arg ihr dieser mitgespielet, Sie/ die am meisten sich verletzt gesichtet.

21. Wie, um sich meiner Obhut zu entheben, Er mich gefoppt, das weißt du sicherlich, Auch wie er drauf verwundete Coreben; Denn, sie zu schützen, nahm der über sich. — Doch was nach meiner Rückkehr sich begeben. Da- hört' und sah sie nicht, und konnte dich Deswegen auch davon nicht unterrichten; So höre denn die Folge der Geschichten r

22. Schnell kam ich von der Stadt bi- hin zum Meere Mit Pferden, die ich in der Elle fand, Stets forschend, wo doch die Gesellschaft wäre, Die weit zurückgeblieben war im Land. Ich komme vorwärts, komme bis zum Meere, Zum Ort, wo ich sie erst verließ am Strand, Ich blick' umher, und finde nichts von ihnen, Als frische Spuren, die im Sand erschienen.

23. Nun leitet mich die Spur auf meinen Wegen/ Bis sie in wildem Walde sich versteckt. Dort tont sogleich ein Aechzen mir entgegen, Und dieser liegt am Boden hingestreckt. Ich frag' ihn Od'richs und des Fräuleins wegen, Und wer ihn so mit Wunden zugedeckt; Kaum nennt er das Verbrechen und den Thäter, So eil' ich durch's Gebüsch nach dem Verrather. 24. Den ganzen Tag nun lauf' ich auf und nieder, Doch keine Spur, die weiter mir sich bot. Dann kehr' ich Abends zu Coreben wieder, Um den war rings von Blut der Rasen roth. Ein wenig später, und für seine Glieder War in der Welt nichts, als die Grube, noth, Und Mönch und Priester, um sie zu beerden, Nicht Arzt und Bett, um wieder heil zu werden. 25. Ich ließ zur Stadt ihn aus dem Walde schaffen, Und legt' ihn dort in eines Gastfreunds Haus» Die Pfleg' und ein erfahrner Wundarzt raffen Aus seiner Krankheit ihn geschwind heraus.

Und, wohl versehn mit Pferden und mit Waffen Ziehn mir, um Ooorich zu suchen, aus, Den an Biscaya's Könrgshof wir fanden, Wo ich darauf mit ihm den Kampf bestanden. 26.

Der Fürst, vor dem ich gleich Gehör gefunden, Und meines guten Kampfs Gerechtigkeit, So auch das Glück, das fich mit mir verbunden, Das öfters, wem es will, den Sieg verleiht, Dieß alles macht, daß ich ihn überwunden, Und daß er mein Gefangner ward im Errett. Der Fürst, der weiß, wie er die Pflicht verletzet, Hat ganz in meine Wittkühr ihn gefttzet. 27.

Nicht tobten wollt' ich ihn, noch lasten flüchten, Nein, zu dir führen fest und wohl geschnürt, Damit du könntest nach Gefallen richten, Ob Tod, ob andre Strafe ihm gebührt. Du seist bei Karl, so heißt's in den Gerüchten, Und das hat mich auf diesen Weg geführt, Wo ich, Gottlob, dich wider alles Hoffen Bereits in dieser Gegend angetroffen.

28Gottlob auch, daß sich mir das Fräulein zeiget, Die bei dir ist,

xoic i n>et§ ich selber nicht.

Schon dacht' ich mir, durch diesen Buben schweiget Wohl stets von Isabellen das Gerücht. — Serbin hört Almon schweigend an, und neiget, Auf Odorich hinblickend, das Gesicht, Vor Kränkung düster — nicht vor Haß und Grolle-— Daß solche Freundschaft also enden solle. 29Und als Almon zu sprechen aufgehöret, Staunt lange noch Serbin mit trübem Blick, Daß der, den er vor allen hochgeehret, So zum Derräther ward an seinem Glück. Doch aus dem langen düstern Staunen kehret Mit einem Seufzer endlich er zurück, Und wendet zum Gefangnen sich, und fraget: Obs wahr sei, was Almon von ihm gesaget?

30. Und Odonch, der auf den Knieen lieget, Beginnt:

o Herr, auf dieser Erde sieht,

Man von der Sünde, was da lebt, besieget, Gut oder schlecht macht wenig Unterschied,

Nur daß der Schlechte gleich dem Kampf erlieget, Wenn in der Brust ein kleiner Wunsch entglüht; Der Gute wird sich zu vertheid'gen streben, Doch, ist der Feind zu stark, sich auch ergeben.

31. Wenn du auf eine Feste mich gesctzet Als Hauptmann, und vom ersten Sturm erschreckt, Hätt' ich dem Feind mich nimmer widersetzet, Und seine Fahne eilig aufgesteckt, Dann hatt' ich schändlich meine Pflicht verletzet, Und blieb mit einem Brandmal stets befleckt; Doch wenn ich der Gewalt gewichen wäre. Nicht Schande hätt'ich dann, nein Ruhm und Ehre.

.

32

Je mächtiger des Feindes Heere waren, Je mehr verdient Entschuld'gung, wer verlor. Der Feste gleich sollt' ich die Treu bewahren. Als läge rings umher der Feind davor; Die höchste Klugheit rief ich kriegserfahren Und Sinn und List zu ihrem Schutz empor; Und dennoch ward ich endlich überwunden, Weil unerträglich ich den Sturm gefunden.

D>e Harfe. III.

5

33. Er spricht'- und zeigt — euch alles zu berichten, Was er gesprochen, währte gar zu lang — Er zeigt, daß zur Verletzung seiner Pflichten Kein kleiner Wunsch ihn riß, nein, heft'ger Drang. Und ward die Demuth je belohnt von Früchten, Wenn je das Flehn des Herzens Zorn bezwang, So war's, da Od'rich alles angeführet, Was jemals ein verhärtet Her- gerühret.

34Ob er so großes Unrecht solle rächen, Schwankt irr' der Ritter zwischen ja und nein. Er ist versucht, bedenkt er das Verbrechen, Den Missethäter gleich dem Tod zu weth'n. Doch hört er auch des Mitleids Stimme sprechen, Fällt ihm die lange, inn'ge Freundschaft ein; Sie treibt ihn an, Verzeihung zu gewähren, Und löscht die heiße Wuth in Mitleidszähren.

35. Indeß Zerbin noch so in Zweifeln weilet, Ob er verhaftet ihn zur Strafe spart, Ob er die Freiheit wieder ihm ertheilet, Ob durch den Tod er sich vor ihm verwahrt,

Da kommt das Prachtroß wiehernd hergeeilet, Des Zügels jüngst beraubt von Mandricard, Und bringt dahin die Alte, derentwegen Jerbin noch jüngst dem Tode fast erlegen.

36. Das Roß, das ihre Stimmen hier vernommen. Kam aus der Ferne zwischen sie gerannt; Die Alte trug es, die umsonst beklommen Um Hülfe schrie, und bang die Hände wand; Als sie Zerbin nun zu Gesicht bekommen, Streckt' er zum güt'gen Himmel seine Hand, Der jene zwei, die er allein muß Haffen, Nun gänzlich seiner Willkühr überlaffen.

37* Er laßt sie halten, und will nun entscheiden, Was mit dem bösen Weib zu machen sei. Er denkt ihr Nas' und Ohren abzuschneiden, Und leben soll sie, der Verbrecher Scheu! Dann will er lieber doch die Geier weiden Mit ihrem Fleisch — so denkt er mancherlei, Welch' eine Zücht'gung er für sie erkieset, Bis er am Ende folgendes beschließet?

38Er wendet sich, und spricht zu seinen Treuen: Das Leben sei dem Odorich gewährt, Und kann ich auch nicht gänzlich ihm verzeihen, Doch ist er nicht so großer Strafe werth; So mögt ihr denn für dießmal ihn befreien, Weil Liebe zum Verbrechen ihn bethört; Denn leichter kann man jede Schuld vergessen, Ist Amorn dran ein Antheil beizumessen.

39Wohl fester« Sinn hat Amor umgewendet, Verführt hat er wohl bessern Mann, als ihn, Hat größere Verbrechen schon vollendet, Als das uns allen jetzt so gräulich schien; Ich nur bin strafbar; denn ich war verblendet, Ihm aber werde seine Schuld verzieh'«. Verblendet war ich, daß ich nicht erkannte, Wie stets das Stroh am Feuer leicht entbrannte. 40.

Er blickt auf Odorich: Für dein Vergehen, Spricht er, bescheid' als Straf' ich dir die Müh', Ein Jahr hindurch dieß Weib um dich zu sehen, Don ihrer Seite weichen darfst du nie.

Bei Tag und Nacht, bei Gehen oder Stehen, Auch kerne Stunde bleibe ohne fie. Und wollte jemand etwa fie verletzen, So sollst du bis zum Tod dich widersetzen.

41. Gebieten soll fie dir nach Wohlgefallen; Mt wery fie will, fei gleich zum Kampf bereit; Du sollst mit ihr dieß ganze Jahr durchwallen Das Frankenland, so lang es ist und breit. So spricht Zerbin.

Da Od'richs Haupt zu fallen

Verdienet hatt' ob seiner Schändlichkeit, So stellt' er ihn in eines Abgrunds Nahe, Da braucht es Glück, daß er nicht untergehe.

42. Unzahlich viele Frau'n und Männer waren Von diesem Weib gestürzt in Neid und Schmach; Wer sie beschützt, dem stellen drum zu Schaaren Auf jedem Weg die Feinde rastlos nach. So werden beide nun die Straf erfahren, Sie, für das alles, was sie einst verbrach, Er, daß er sich der Bübin angenommen, Und lange wird er nicht dem Tod entkommen.

43Es läßt Serbin dieß alles sich versprechen Von Odorich mit einem Eid, und spricht. Wenn er die Treue jemals sollte brechen, Und käme wieder vor sein Angesicht, So woll' er's gleich mit grausem Tode rächen; Er höre dann auf Bitt' und Flehen nicht. Drauf kehrt er sich zu Almon und Coreben, Und läßt die Freiheit dem Gefangnen geben.

44Goreb, als Almon eingewilligt, schnallte, Doch zögernd nur die Kett'ihm von der Hand, Weil beider Herz ein innrer Grimm durchwallte, Daß er nicht die verdiente Strafe fand. Es nahm der Schurke die verfluchte Alte, Und zog dann ab — was weiter draus entstand, Hat uns Turpin in seinem Buch verhehlet, Doch find' ichs deutlich anderswo erzählet.

45Der Autor, wer er fei, will ich nicht sagen, Schreibt, daß ein Tag nicht völlig noch verging, Als Odorich, zu enden seine Plagen, Sich gegen Eid und Treu' schon unterfing,

Um ihren Nacken einen Strick zu schlagen, Und sie damit an eine Ulme hing. Mit ihm hab' Almon, wo

{i

sieht nicht beschrieben,

Ein Jahr darauf dasselbe Spiel getrieben.

46. Zerbin, der, da ihn Rolands Spuren leiten, Sie zu verfolgen nun nicht mehr verschiebt, Laßt Nachricht noch ertheilen seinen Leuten,./ Die sicher schon die Sorg' um ihn betrübt. Er laßt sie auch noch mancherlei bedeuten, Das uns nichts angeht — diesen Auftrag giebt Den beiden er — sie reisen auf der Stelle, Und niemand bleibt bei ihm, als Isabelle.

47Zerbin und Jsabella, gleich verbunden Sind sie durch Lieb' dem edeln Paladin, Daß beide vor dem Wunsche, zu erkunden, Was ihm geschah, im ganzen Herzen glüh'n, Ob er den Sarazenen aufgefunden, Dem es gelang, ihn von dem Roß zu zieh'n, Es will Zerbin nicht eh'r zum Heere kehren, Als bis drei Tage ganz verflossen wäreir,

48So lange will der Graf, nach seinen Worten/ Noch warten auf den Ritter ohne Schwert. Nun zieht Serbin umher an allen Orte»/ Wo er, daß Roland da war, nur erfährt. So kommt er endlich zu den Bäumen dorten, Die sein Geschick den Paladin gelehrt. Er fleht die Quelle, fleht die nahen Steine, Und die Verwüstung in dem ganzen Haine.

49. Hier fleht er etwas Schimmerndes vom Weiten, Das nah für Rolands Panzer wird erkannt. Dabei sein Helm — nicht jenen, den vor Zeiten Als Almonts Wehre schon der Ruf genannt — Auch tönet aus des Waldes Dunkelheiten Ein Wiehern her, und nach dem Ton gewandt, Erblickt er Brilliador, auf fettem Rasen, Den Zaum herab am Bügel hängend, grasen.

50. Auch Durindanen sucht er zu erblicken, Und findet sie auch bald, der Scheide blos. Er findet auch das Oberkleid in Stücken Zerstreut vom Grafen auf des Waldes Moos. —

Zerbin und Isabell', mit trüben Blicken Seh'n sie'S, in Zweifeln ob des Freundes Loos. Auf alles riechen beide, ausgenommen, Daß Roland hier um den Verstand gekommen.

Zr. Und hatten sie die Spur von Blut gesehen, So glaubten sie, daß er ermordet sei; Indessen sah'n sie einen Bauer gehen, Und zitternd kam er längst dem Bach herbei. Er sah vorhero von den Felsenhöhen Des Unglückseel'gen wilde Raserei, Wie er sein Kleid zerriß, dann sich gebadet Im Blut der Bauern, und sonst viel geschadet. 52. Der Bauer, von Zerbin befragt, bezeuget, So weit er's kennt, des Paladins Geschick. Der Ritter hört's, und zweifelt noch und schweiget, Und kommt von seinen Zweifeln schwer zurück. Doch sei es, wie es immer woll', er steiget Vom Pferde, trüb mit thränenvollem Blick, Und trägt mit frommem Mitleid die zerstreuten Reliquien herbei von allen Seiten.

53Auch Jsabella ist vom Pferd gestiegen, Und sammelt mit der Waffen tf;euren Rest. Da kommt ein Mädchen, Schmerz in allen Zügen, Das tiefe Seufzer öfters hören läßt. Um dem, der etwa fragte/ zu genügen, Wer diese sei und welcher Schmerz sie preßt, Werd' id) ihm Flördelisens Namen nennen, Die nirgend den Geliebten finden können.

54Verlassen wurde sie von Brondimarten, Doch sagt' er, eh' er ging ihr nicht ein Wort; Und in Paris vergeh'« ihr im Erwarten Sechs Monden oder acht, dann eilt sie fort Von Meer zu Meer, und sucht den Bangerharrten, Und sucht von Land zu Land an jedem Ort, Nur nicht in Atlas zaubrischem Palaste, Der doch gerad den Theuren in sich faßte.

55. Wenn ihre Schritte sich zum Schlosse wandten, Das Atlas durch des Zaubers Kunst erbaut, So hätte sie mit Rüd'ger, Brodamanten, Ferrau und Roland irrend ihn geschaut.

Doch da Astolf verjagt den Negromanten Mit seines Wunderhornes Schreckens Laut, Co war er nach Paris zurückgekehret, Doch hatte sie davon noch nichts gehöret.

56. Wie ich euch schon gesagt, der Zufall sandte Jetzt Flördelisen zu dem Liebespaar; Wo sie die Waffen und das Pferd erkannte, Das ohne seinen Herrn geblieben war, tlnd auf die jammervollen Spuren wandte Sie hin den Blick, und sah nun selber klar, Wovon der Bau'r ihr Kunde schon ertheilet, Der 'S sah, wie Roland rasend fortgeeilet.

57Dort ordnet nun Zerbin die ganze Wehre, Hangt die Trophäe an eine Fichte hin; Daß ihrer auch kein RitterSmann begehre, Aus diesem Land, kein fremder Paladin, So schreibt er an den Stamm die kurze Lehre: Die Rüstung Rolands. Und vas hat den Sinn: Sie anzurühren möge keiner wagen, Der's nicht vermag, mit Roland sich zu schlagen.

58* Als mm dieß Werk vollbracht, schwingt ohne Weilen Sich unser Ritter wieder auf sein Pferd; Doch sieht er sich vom Mandricard ereilen, Der gleich den Blick auf diese Fichte kehrt, Und ihn ersucht, ihm Kunde zu ertheilen, Was dieß bedeute? — Wie er's angehört, Nimmt gleich der Heidenkönig von der Fichte Das Schwert herab mit fröhlichem Gesichte.

5Y. Und spricht: Mein isis seit lang. Wer kann mich schmähen, Wenn's hier zurück in meine Hände fällt; Ich nehm' es mir, ohn' Unrecht zu begehen, Hier und an jedem andern Ort der Welt; Denn Roland hat, mir nicht im Kampf zu stehen Es weggeschleudert und sich toll gestellt; Doch will er so der Feigheit Schande mindern, So wird mich das in meinem Recht nicht hindern, 60.

Da schreit Zerbr'n: Nichts hast du mit zu schaffen; Nimm's nicht, sonst sei

auf blut'gen Streit bedacht.

Nahmst du auf solche Weise Hektors Waffen, So hast du's diebisch, nicht mit Recht, vollbracht.

Und ohne alles weitre Reden raffen Voll Kraft und Muth sich beid'empor zur Schlacht, Und schon umher wohl hundert Streiche klangen. Eh' sie noch völlig im Gefecht befangen.

61. Cs scheint Zerbin ein Blitz, sich s« entringen Dem Ort, nach welchem Durindana fahrt; Er laßt sein Roß bald da, bald dorthin springen, Der Gemse gleich, wo es sich sicher kehrt, Und also nur kann ihm der Strauß gelingen; Denn trifft ihn nur ein Schlag von jenem Schwert, So wird es nicht der Liebesgeister schonen, Die in ihm, wie im Myrtenschatten, wohnen.

62. So wie der schnelle Hund, aufs Schwein gehetzet, Das er im Felde fern der Heerde sieht, Es oft umkreist, bald da, bald dorthin setzet — Doch jenes harrt, bis einmal er's versieht; So schaut Zerbin nun,

wie er unverletzet

Des Schwertes Hieb' und Stichen sich entzkehh Daß er davon so Ehr' als Leben trage, Und recht zur Zeit zurückweich' oder schlage.

63. Hingegen, wo, um Unheil anzustiften, Des Heiden Schwert voll oder leer sich neigt, Da scheint'- ein Atpenwind aus Bergesschlüften, Im Marz zum Sturz des grünen Hains erzeugt; Jerbrochne Aeste dreht er in den Lüften, Bald rof’t er, daß zum Grund der Baum sich beugt. Schützt auch Zerbin sich lange vor den Streichen/ So muß zuletzt doch einer ihn erreichen.

64. Er kann nicht einen großen Hieb vermeiden, Der zwischen Schwert und Schild zum Busen führt; Ob Harnisch ihn, ob Panzerhemd bekleiden, Von gutem Stahl, in manchem Strauß bewährt, Doch weichen beide der Gewalt des Heiden Und nehmen in sich auf das grause Schwert; Durch Küraß, Sattel, dringt es bis zum Rücken Des Pferdes ein, und alles geht in Stücken.

65. Ihn hatte wie ein Rohr der Hieb wohl mitten Gespalten, wenn der Arm md;t seitwärts sprang. Doch ist in'S Fleisch noch kaum das Schwert geglitten, Jndem's zur Haut und wenig tiefer drang.

Die Wunde, die so wenig eingeschnitten, Ist dennoch mehr als eine Spanne lang. Man steht vom Hellen Stahl bis zu den Füßen Das warme Blut in rothem Streife fließen.

66. So stickte einstens mit geschicktem Fleiße Auf Silberstoff ein schönes Purpurband Die zarte Hand von Alabasters Weiße, Die aus der Brust mir oft das Herz entwandt. Nichts hilft- Zerbinen, daß er in dem Preise Des Kriegs, der Kraft und mehr des Muthes stand. Da an der Waffen Feinheit, an Vermögen, Tartariens Fürst zu weit ihm überlegen.

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67

Wohl mußte man den Hieb für größer halten, Als er es war; so drang das Blut hervor; Drum fühlt das Fraulem sich das Herz zerspalten, Das in der Brust des Lebens Gluth verlor. Doch höher in Zerbinens Busen wallten Verdruß und Zorn und Muth und Kraft empor. Er faßt das Schwert mit beiden Händen wieder, lind donnert auf den Helm des Tartars nieder.

8o

68Bis zu dem Halse seines Rosses beuget Beim Streiche sich der stolze Sarazen, Und war der Helm durch Zauber nicht erzeuget, So mußte durch das Haupt der Degen gehn; Allein zu schneller, grauser Rache steiget Er nun empor, läßt keine Zeit vergeh'n, Und nach des Gegners Kopf erhebt der Heide Das Schwert, daß er ihn bis zur Brust zerschneide.

69. Zerbin, mit schnellem Aug' und Geist, enteilet Sogleich zur rechten Hand mit seinem Pferd; Doch hatt' er noch zu lange sich verweilet; Denn seinen Schild ergreift das scharfe Schwert, Den es von oberst bis zu unterst theilet, Und drunter löst's des Armes Schien', und fahrt Dort in den Arm, zerreißet unserm Streiter Das Kleid, und dringt bis in den Schenkel weiter.

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70

Zerbin versucht es nun auf allen Wegen, Bald hier, bald da, doch immer ohne Glück; Denn auf der Rüstung bleibt von seinen Schlägen Auch nirgends die geringste Spur zurück.

Der Feind, vom Anfang her ihm überlegen, Wird es noch mehr tn jedem Augenblick. Schon hat Zerbin acht Wunden oder sieben, Sein Schild ist weg, halb nur der Helm geblieben.

71. Und immer mehr von seinem Blut verlieret Jerbin, man sieht, daß ihn dre Kraft verläßt. Doch in dem tapfern yeldenherzen spüret Er nichts davon, es hält den Körper fest. Indessen naht, von bleicher Angst geführet, Das Fräulein Daralicen, und gepreßt Die Stimme, fleht sie, doch um Gotteswillen Den grausen unglücksvollen Kampf -u stillen.

72. Und edel, so wie schön, nicht überzeuget, Was für ein Ende noch der Handel nimmt, Hat Daralice sich dem Flehn geneiget, Und bald den Freund zu Fried' und Ruh gestimmt. Die Rache in Zerbinens Busen schweiget Beim Flehn desFräuleins, das in Thränen schwimmt. Und nach dem Weg, den sie gewählt, gewendet, Verläßt den Streit um's Schwert er unvollendet.

Die Hatfe.

ITT.

6

73E6 siehet Flördetis' umsonst verspritzet Da- Blut Zerbino's für des Grafen Schwert, Und weint, und schlägt die Stirn, von Zorn erhitzet, Doch schweigend, und von tiefem Leid beschwert. Sie meinet, hätt' es Brandimart beschützet, So blieb es ungeraubt — wenn er's erfährt, So soll, sie hofft'-, eh' lange Zeit vergangen. Der Räuber nicht mehr mit der Beute prangen.

74» Sie sucht vom Abend bis der Tag erblichen, Nach Brandimart umher im ganzen Land; Doch war sie weit von seiner Spur gewichen, Der schon vorher sich nach Paris gewandt. So lange war sie Berg und Thal durchstrichen, Bis sie sich einst an einer Brücke fand, Wo sie den armen Paladin ersiehet — Doch seh'n wir nun, was mit Jerbin geschiehet.

75. Zwar kann er kaum sich mehr im Bügel fassen, Weil vieles Blut noch immer ihm entfließt, Doch, daß er Rolands Schwert sich rauben lassen, Ist, was ihn mehr, als jeder Schmerz, verdrießt,

Bis, mit der Wärm', ihn auch der Zorn verlassen. Und nach und nach ihn starrer Frost umschließt. Es wachst der Schmerz, der ihn so wild durchwühlet, Daß er vor ihm sein Leben fliehen fühlet.

76Vor Schwache kann er nun nicht weiter gehen, Und sinkt dahin an einer Quelle Bord. Das fromme Mädchen weiß, ihm beizustehen, Nicht, was sie thut und spricht; sie sieht ihn dort Blos, weil er ohne Hülfe bleibt, vergehen; Denn wett umher ist kein bewohnter Ort, Woher man eiligst einen Arzt ihm brachte, Der ihn geschickt und schnell verbinden möchte.

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77

Sie kann nichts thun, als sich umsonst beklagen; Sie schilt den Himmel taut mit bangem Schrei'n r Ach, warum schlang mich nicht in jenen Tagen Der Ocean mit seinen Wogen ein! — Zerbin, der matt auf sie den Blick geschlagen, Fühlt bei der Freundin Jammern größ're Pein, Als die,

womit die Schmerzen ihn durchdringen,

Oie immer näher ihn dem Tode bringen.

78. So wolle, spricht er, mich noch ferner lieben, Mein theureü Herz, wenn auch mein Leben schwand, Wie mich des Todes Schmerzen nicht betrüben. Nur daß du hülflos bleibst in fremdem Land. Warst du an einem sichern Ort geblieben, Zur Zeit, da mich die letzte Stunde fand, So stürb' ich froh und seelig und zufrieden, Ich wäre ja an deiner Brust verschieden.

79Doch da mich jetzt ereilt die letzte Stunde, Und du nun bleibst, Gott weiß, in wessen Hand, So schwör' ich dir bei diesem Aug' und Munde, Bei diesem Haar, das fesselnd mich umwand, Daß ich verzweifelnd zu dem finstern Schlunde Der Hölle sinke, daß mich dort im Land Der Strafen keine quälender wird fassen, Als der Gedanke, wie ich dich verlassen. 8o. Und Isabelle hat mit lautem Weinen Ihr Angesicht zu ihm herabgeneigt, Und, ihren Mund verbindend mit dem seinen, Der schmachtend sich so wie die Rose zeigt,

Die auf dem Busch erblaßt, noch bei dem Scheinen Der Fruhlingssonne von dem Sturm gebeugt, Beginnet sie: O denke nicht, mein Leben, Du wollest ohne mich der Erd' entschweben.

81. Vor dem, mein Herz, soll keine Furcht dich fassen; Zum Himmel, wie zur Hölle, folg' ich dir; Zugleich wird unser Geist die Welt verlassen, Und ewiglich vereinet bleiben wir. Kaum bricht dein Blick, kaum seh'ich dich erblassen, So todten mich die innern Qualen hier, Und wenn nicht sie, so sei es dir geschworen, Noch heut soll dieses Schwert mein Herz durchbohren.

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82

Von unsern Körpern hoff' ich auch das Beste Im Tod, und Beßres, als sie je erlebt. Vielleicht, daß hier ein Wanderer die Reste Der Liebenden in einem Grab begrabt. Sie sprach es, und an ihre Lippen preßte Sie seinen Mund, dem schon der Geist entschwebt. Nlcht wrll sie weichen, bis er ganz verhauchet, Bis auch des Lebens letzte Gluth verrauchet.

83. Noch spricht Serbin, und seine Stimme steiget. Ich bitt', ich flehe, Theure, höre mich, Bei jener Liebe, die du mir gezeiget, Du , die für mich dem Vaterland entwich, Ja, ich befehl's, so lange Gott dir schweiget, So lebe fort, und er nur rufe dich.' — Auch werde die Erinn'rung nie getrübet, Daß ich, so viel man kann, dich stets geliebet.

84Gott wird vielleicht dir einen Helfer senden, Der dich beschütze vor Gefahr und Leid. Durch ihn ja mußte fich zur Höhle wenden, Der Paladin, der tapfer dich befreit. Gott zog dich, ihm sei Dank, aus Od'richs Handen, Cr riß dich aus des Meeres Fahrlichkeit, Und wenn dir endlich jede Hoffnung fehlet, Dann fei der Tod als klein'res Leid erwählet.

85. Er spricht'-, doch schwächer stets, stets leiser reget Der Odem sich, der endlich ganz entflieht. Er endete, so wie das Licht es pfleget, Wenn seine letzte Nahrung nun verglüht.

Wer sagt es, welchen Schmerz das Fraulein heget, Da sie ihn bleich und ausgestreckt ersieht, Als kalt wie Eis der Leichnam ihres lieben Zerbin in ihrem treuen Arm. geblieben.

86» Sie laßt sich auf den blut'gen Körper fallen, Den sie mit heißer Thränensiuth benetzt. So schreit sie auf, daß. Busch und Feld, erschallen, Die rings umher ihr wildes Leid entsetzt. So faßt der Schmerz sie an mit seinen Krallen, Daß Wang' und Brust die eigne Hand verletzt. Sie reißt ins goldne Haar mit wildem Grame, Und stets ertönt umsonst der theure Name.

87

'

In solche Wuth und Raserei versenket Eie nun der Schmerz, der ihre Brust verzehrt, Daß sie nicht mehr an's Wort des Freundes denket Und schon das Schwert nach ihrem Busen kehrt. Allein ein frommer Eremite lenket Hierher den Schritt, der ihrem Vorsatz wehrt, Em Eremit, der aus der nahen Zelle Alltäglich herkam zu der reinen Quelle.

88

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Der ehrwürdige Mann, der hohe Güte 3u seines Geistes Heller Klugheit fügt. Der, Lieb' und Huld im trefflichen Gemüthe, Stets durch sein Wort wie durch sein Beispiel siegt, Er spricht ihr zu, bi- sich die Schmerzentglühte Nun in Geduld in ihre Leiden fügt; Gleich einem Spiegel laßt er sie die Frauen De- alt- und neuen Testamentes schauen. 89Er zeiget ihr, wie jede wahre Freude Nur Gottesfurcht dem Menschenleben schenkt, Daß schnell und spurlos jede Hoffnung scheide, Die außerdem in's Menschenherz sich senkt. Hub dahin bringt er'S, daß, trotz ihrem Leide, Er sie vom grausamen Beginnen lenkt; Daß sie nun wünschet, ihr zukünft'ges Leben Dem Dienste Gottes einzig hinzugeben. 90. Doch will sie nicht der großen Lieb' entsagen, Nock scheiden von dem Leichnam ihres Herrn. Sie will vielmehr ihn immer bei sich tragen, Er sei ihr nie bei Nacht noch Tage fern.

S9 Der Eremit, in seines Alters Tagen Noch stark und rüstig, hilft der Jungfrau gern. Serbin wird ans sein traur'qes Roß geladen — Dann zieh'n sie weiter' auf des Waldes Pfaden.

9i. ' Mit ihr allein hat sich der kluge Alte, Da sie so schön ist, nicht dahin gewandt, Wo seine Iell' in wilder Felsenspalte Ganz nahe dorten sich versteckt befand; Denn zu sich sagt' er: Mit Gefahr wohl halte Ich Fackel dort und Stroh in einer Hand. Er trauet nicht der Klugheit, noch den Jahren, Und will vor der Dersuchung sich bewahren.

92. Er will sie lieber nach Provence leiten, Weil dort ein schönes, reiches Kloster stand, Wo fromme Frau'n dem Herrn ihr Leben weihten, Nah bei Marseille an des Meeres Strand. Vorhero ließ er einen Sarg bereiten, In einem Schloß, das er am Wege fand. Ihn nimmt er mit, mit Peche dicht begossen, Und drinnen liegt Zerbinens Leib verschlossen.

95. Auf obern Seitenpfad, der sie verhüllte, Aieh'n beide nun durch manche

Tage

fort;

Denn da der Krieg die Gegend rings erfüllte, So war es sichrer am entlegnen Ort. Am Ende kam ein Ritter her und brüllte Sie an mit Schimpf und unehrbarem Wort. Von ihm sollt ihr an seinem Orte hören; Jetzt laßt uns zu Tartariens König kehren.

94. Als jene ihren Kampf beendigt hatten, Wie ich gesagt, begibt der Jüngling nun Sich hin zum Bach, um in den frischen Schatten Nach solchen Mühen wieder auszuruhn, Entzäumt sein Roß und läßt es auf den Matten, Mit zartem Gras bedeckt, sich gütlich thun. Nicht lange war er da, als er von weiten Vom Berg in's Thal fleht einen Ritter reiten.

96Und Daralice, als sie aufgeblicket, Erkennt ihn gleich, und zeigt ihn ihrem Freund Und spricht: Wenn mich die Ferne nicht berücket, So ist es Rodamont, der dort erscheint.

Er hat zum Kampf mit dir sich angeschicket, Weil mein Verlust ihm große Schande scheint; Stark ist sein Arm, und seine Rache blutig, Drum, Theurer, gilt es tapfer seyn und muthig.

96. So hebt der gute Falk, den Schnepf' und Ente, Taub' oder Drossel um sich nähern seh'n, In weiter Luft, die ihn von jenen trennte, Das Haupt empor, und macht sich froh und schön, Wie Mandncard, als ob's nicht fehlen könnte, Als müßt' er siegend diesen Kampf bestehn, Freudig und kühn sein Roß faßt, in die Bügel Den Fuß setzt, mit der Hand ergreift die Zügel. 97t Als sie so nah sind, daß des Einen Dräuen Und stolzes Wort der Andre wohl verstand, Fängt Atgie'rs König an, ihm zuzuschreien, Ihm drohend mit dem Haupt und mit der Hand, Es solle Mandricarden bald gereuen, Daß er, von thörichtem Gelüst entbrannt, So ohne Scheu erreget seine Rache, Die schon empor ein ält'reö Zürnen fache.

98Und Mandricard erwiedert ihm: Mich jaget In keine Furcht dein Lärmen und dein Dräun. Nur der, so nichts von Waffen weiß, verzaget, Ern Weib, ein Kind, vor solchem leeren Schrei'n, Nicht ich, dem mehr als Ruh' der Kampf behaget. Gern laß ich mich in alle Schlachten ein, Bewehrt und unbewehrt, zu Fuß, zu Pferde, Sei's in den Schranken, sei's auf offner Erde.

99Sieh, so ertönt ihr Schimpf, ihr Schrei'n, ihr Toben, Sie zieh'n das Schwert und ihre Rüstung schallt; So faßt der Sturm, der erst sich leis erhoben. Den Eschenstamm, die feste Eiche bald; Er wirbelt dann den dunkeln Staub nach oben, Und Bäum' und Hauser stürzen der Gewalt. Er schlägt das Schiff hinab zum Meercö-Schlunde; Das Vieh, zerstreut im Walde , geht zu Grunde. ICO.

Das wuthentbrannte Herz in beiden Rittern, Die Kraft, die nirgends so die Erde.nährt, Gebähren Streiche, gleich den Ungemittern, Und einen Kampf, so wilden Saamens werth.

Es macht die Erd' ein Schreckenston erzittern/ Wenn nun zusammentrifft der Heiden Schwert; Man sieht die Funken bis zum Himmel sprühen, Ja tausend Fackeln tausendfach entglühen. 101.

So sind die beiden Könige im Streite, Und keiner ruht/ verschnaufet nimmer nicht, Versuchet es von der und jener Seite, Ob da der Rüstung Schupp' und Masche bricht. Doch keiner weicht auch nur um Daumens Breite, Als schloß' um sie sich Wall und Mauer dicht. Als wär' die Unze Erd' im höchsten Preiße, Entweichet keiner aus dem engen Kreise. 102.

Und wie umher nun tausend Streiche zücken, Trifft einmal der Tartar des Andern Haupt, Mit beiden Handen, daß vor seinen Blicken Von Fackeln rings er sich umkreiset glaubt. Nach hinten schlagt sein Kopf des Pfades Rucken, Als war' ihm plötzlich jede Kraft geraubt. Schon bügellos, vom Sattel fast getrieben, Ist er beschimpft in Gegenwart der Liebe.

103*

Doch wie der Bogen/ stark und gut bereitet, Von feinem Stahl, mit schwerer Last behängt, Je mehr mit ihm die Hand des Spanners streitet, Je tiefer Hebel ihn und Winde drangt, Mit desto größrer Wuth dem Zwang entgleitet, lind größer« Schaden macht, als er empfangt, So hebet Rodamont sich nach dem Streiche, Daß er dem Feind ihn doppelt wieder reiche. 104,

Grad' da, wohin deö Tartar- Hieb gefahren, Hat er den Streich ihm wieder beigebracht; Allein, da Hektors Waffen ihn bewahren, So hat er nicht das Antlitz wund gemacht; Doch so betäubt er gänzlich den Tartaren, Daß er nicht weiß, obs Tag ist oder Nacht. Der grimme Rodamont will ohne Weilen Durch einen zweiten Hieb den Kopf ihm theilen. 105.

Da« Pferd, entsetzt, wie es da- Schwert erblicket, Das pfeifend aus der Höh' sich niederschwingt, Hilft seinem Herrn, zum eignen Leid berücket, Indem'- mit einem Satz nach hinten springt,

So daß das Schwert, dem Mann, nicht ihm gezückct, Ihm mitten durch den Kopf zerschneidend dringt; Es wehret Hektors Helm nicht dem Verderben, Wie bei dem Herrn; drum muß das Arme fterben.

io 6. Es fallt — der Tartar, nicht betäubt mehr, gleitet Herab, indem er Durindanen dreht, Und über ihn ist Zornes -Gluth verbreitet, Die in sein Herz des Pferdes Tod geweht. Der Afriker, ihn umzurennen, reitet Wild auf ihn zu —

Allein der Tartar steht

Fest, wie ein Fels, um den die Wogen fließen. Es stürzt das Roß — er hält sich auf den Füßen.

.

107

Der Afriker läßt bei des Rosses Schwanken Die Bügel gleich, stemmt sich am Sattel an, Kommt auf die Fuß' auch leicht und ohne Wanken; So flehn die Heiden denn Mann gegen Mann. Ihr Jörn, ihr Haß und Stolz kennt keine Schranken; Doch wie der Kampf mit größrer Wuth begann, Da kommt ein Bote eiligst hergerennet, Deß Ankunft nun die beiden Kämpfer trennet.

icfi. Es kommt ein Bote von der Mohren Heere, Wie viele abgeschickt durch's Frankenland; Daß jeder gleich zu feinen Fahnen kehre, Hauptmann und Ritter, sind sie ausgesandt, Weil Kaiser Karl vor ihrem Lager wäre, Das, ringsum von der Christen Heer umspannt, Dem mächtigen Andrang sicher bald erliege, Wenn nicht ein jeder gleich zur Hülfe fliege. leg. Der Bote kennt, sobald er sie gesehen, Die Ritter, nicht am Kleid und Wappen bloß, Noch sichrer an der Schwerter macht'gem Drehen, An einziger Gewalt in Hieb und Stoß. Drum wagt er auch nicht zwischen sie zu gehen; Denn ihre Wuth, ihr Zürnen ist so groß, Daß keiner wohl ihn darum schonen möchte, Weil er an sie vom König Kundschaft brachte. HO.

Er eilet, daß er Daralicen sage, Wie Agromant, Marsil und Stardilan, Mit kleiner Schaar in wenig sichrer Lage, Vom Christenvolk sich rings umschlossen sah'n.

Er bittet drauf, daß e- das Fräulein wage, Den wuthentbrannten Kämpfern sich zu mch'n, Sie möge doch den wilden Streit beenden Und beid' als Retter in da- Lager senden.

in. Da- Fräulein nun, voll hohen Muthes, leget Sich zwischen sie und spricht: Ihr Beiden, hört, Bei aller Liebe, die ihr für mich heget, Bewahrt zu nützlicherm Gebrauch da- Schwert, Daß unserm Volk damit ihr helfen möget, Da- dort im Lager großen Drang erfährt. E- harrt' auf schnelle Hüls' — ihr sollt eü retten Und bleibt die Hülfe aus, auf Tod und Ketten. 112. Der Bote sagt, die Ritter anzutreiben. Noch wie die Christen nah ihr Volk bedrohn, Und übergiebt dem Sohn Uliens ein Schreiben, An ihn gesandt vom König Trojan- Sohn, Worauf die Beiden sich nicht langer sträuben; Schnell ist dem Herzen jeder Groll entfiohn. Und, bis der Tag der Rettung ist erschienen Dem Mohrenvolk, ist Friede zwischen ihnen. Die Harfe.

III.

£

II3Doch ist ihr Schluß, sobald es wird geschehen, Daß von dem Lager ab die Christen ziehn, Soll langer ihre Freundschaft nicht bestehen; Dann soll auf's neu der wilde Kampf entglühn, Bis daß sie durch das Recht der Waffen sehen, Wem der Besitz des Frauleins fei verliehn. Die laßt sie letzt in ihre Hände schwören, Daß keiner eher sott den Frieden stören.

114. Die ungeduld'ge Zwietracht war zugegen, Sie, jedem Frieden, iedem Stillstand feind. Auch wollte sich der Stolz dazwischen legen, Und sah voll Zorn die Feinde schnell vereint; Doch können sie nichts gegen den vermögen, Der alles gleich besiegt, wo er erscheint, Nichte gegen Amors Macht, vor dessen Pfeilen Besiegt die Zwietracht und der Stolz enteilen. 115. So wurde hier ein Strllestand beschworen, Wie's dem gefallt, der über sie vermag; Eins ihrer Rosse war indeß verloren, Da das des Tartars todt am Boden lag. Zur rechten Zeit ersehn sie Brigliadoren, Der sich am Bach mit frischem Grase pflaq; Was folgte, werd' ich künftighin beschreiben, Jetzt will ich, mit Verlaub, hier stehen bleiben.

IV.

Briefe von der See, aus London und Lissabon an eine Freundin ln Deutschland.

Bruchstücke einer in den Jahren 1805 und 1806 gemachten Reise.

Von F. CH. A. Hasse.

An Bord des King George, auf der Höhe von Hmum, den 5. August.

3* nehme Abschied vom festen Lande und von Ihnen.

Sie haben in diesem Augenblick viel­

leicht den schönen

Winterberg erstiegen,

und

blicken hinab nach Böhmen, hinab nach Sach­ sen: da- Meer

sehen Sie doch nicht.

die Alpen sah, kann

sich das Meer denken;

wer das Weltmeer sah, denken.

Wer

kann sich die Alpe»

Das Erhabene ist erhaben.

Seyn

Sie zufrieden mit dieser Beschreibung, meine liebe Freundin!

Besser wird Ihnen die neueste

ästhetische Schule das Schöne Bedarf es aber dessen? richtigste Aesthettker.

nicht erklären.

Der Spiegel ist der Das haben

Ihre Freundinnen längst gewußt.

Sie und Doch ich

vergesse, daß ich auf dem Verdeck stehe, baß die Wellen um mich her sprühen,

daß

der

Wind immer heftiger Cheap rauscht. Hintersegel.

durch

den gosset und

Ich rede vom Mittel« und

Zum Glück stand ich hier,

als

plötzlich — wie man einen Ast knickt — der Daum brach.

Der Baum, liebe Freundin, ist

ein Stamm von Tannenholz, der ungefähr drei öicttcl Ellen im Durchmesser hat.

Er spannt

das Mainsail, oder das große Segel aus, und ist am Hauptmaste befestigt. vor Anker legen.

Wir mußten uns

Ein« Stunde von uns liegt

ein zweites Paketboot, der Lord Aukland, des heftigen Windes wegen ebenfalls vor Anker. Bon dorther wird

ein Zimmcrmann

geholt,

der den zerbrochenen Baum durch eine hölzerne Büchse

wiederherstellen

soll.

Während

der

Wundarzt den Arm unsers MainsailS verbindet und schient, beschreibe ich Ahnen meine Woh» nung. Unser Schiff führt englische Flagge. sind alle bewaffnet.

Wir

Dle sechs Kanonen auf

dem Verdeck sind fchußfret gestellt.

Doch fürch­

ten wir eben keinen Besuch von holländischen Kapern, da mehr als zwölf englische Kriegs«

schiffe im deutschen Meere kreuzen. herum sieht es bunt genug aus. Tauwerk,

Segel,

Kloben und

Um mich Da liegen Anker;

ein

Dutzend Matrosen — wilde und doch sehr gut­ müthige Menschen — laufen geschäftig hin und her, klettern auf und nieder; hier machen Rei­ sende ihre erste Bekanntschaft;

dort lagert sich

eine fröhliche Familie um ihren Vater und ihre Mutter.

Sie erinnern Sich, liebe Freundin,

daß der russische Gesandte D. v. St. das Paketbeot für hat.

sich

und sein Gefolge gemiethet

Sein Gefolge ist ansehnlich.

Deutsche,

Engländer, Franzosen und Danen mischen sich

mit Russen.

Das größte Interesse gewahren

mir die lebhaften, jungen Russen, die Söhne des Gesandten.

Eine Frage jagt die andre;

ein Scherz den andern-

Was machen die bei­

den Boussolen in ihrem kleinen Schildhäuschen auf dem Verdeck? Ist der Kanarienvogel, der unter ihnen hängt, der Steuermann des King George? Und die Striche und die Ziffern an der Schiefertafel sind sie Zauberformeln, welche diese wunderbare Welt regieren?

Selbst die

io4

jüngere Schwester, die kleine zarte Helene, faßt Muth auf dem schwankenden Boden Und trip­ pelt bald zum Vater, bald zur Mutter» bald zu ihrer Bonne hin, als ob ste eben erst des Gehenlerncns sich freute. Und diese liebens­ würdige Familie, — denken Sie Sich, liebe Freundin, die glückliche Fügung! faß wenig Minuten vorher, als der Daum nieder aufs Verdeck stürzte, unter dem Schatten des großen Segels. Der heftige Wind hatte sie hinunter in die Kajüte getrieben. Zetz» scherzt Alles über die große chirurgische Kur. Mitten unter unS ordnet und befiehlt ein kleiner, runder, freund­ licher Mann, mit einem wahren VollmondSgesicht, unser Kapitän, Thierri Sauters. Der Koch kommt, und holt frisches Fleisch aus dem Boote, das vor uns auf dem Verdeck sich be­ findet. Zener Hühnerstall nicht wett davon wird als VorrathSkammer für jetzt noch ge­ schont. Wir sind auf drei Wochen versorgt. Es wird täglich zweimal Thee getrunken, und ein­ mal gespeist. Der Kapitän ist unser Wirth. Schon raucht es auS der Küche herauf. Zch

seh« hinunter, und der halbgeräucherte Matrose in schmutzigen Schtfferhvsen am Heerde scheint nichts weniger zu seyn, alsein englischer Koch. Steigen Sie jetzt mit mir eine niedliche, mit einem seinen Teppich, der mit stählernen Stäben «ingespannt ist, belegte Wendeltreppe hinunter. Einige zwanzig Bettstellen sind im mittlern Raume, in dem Gesellschaftszimmer, an beiden Wänden in zwei Reihen über einander «ertheilt; jede so lang wie ein Mensch, und so hoch, daß man sich zur Noth darin etwa- auf­ richten kann. Unsere kleine Republik war bald geordnet. Die Seiten «Kajüten bewohnen der Gesandte und seine Gemahlin. Die Familie und wir sind in der mittlern Gallerte. Unter mir liegt der kleine Alexander. Wir können un­ bequem die Hand reichen. Feine Vorhänge von Zitz verbergen denen, die im Parlour oder Sprachzimmer sich aushalten, jene DedkabinS, oder Dettkabinettchen. Ueberall sieht man engli­ sche Reinlichkeit, Sauberkeit und Eleganz. Spiegel, Glasthüren, Fußteppiche, niedliche Klappstühle, kleine Otfen mit messingnen Schir-

men ttt Nischen , und ein bequemer Tisch in der Mitte, der festgeschraubt wird, machen das ein­ fache Geräth unserer Wohnung aus.

Das Licht

fällt von oben herein, durch ein großes Glasfenster unter einem Gitter; jenes wird wegge­ nommen,

damit Seeluft herabströmen kann.

Von unserer Gesellschaft haben erst zwei die Seekrankheit. Theilnahme. lachen, diesem

Unsere Engländer beweisen viel Sie sind die Einzigen, die nicht

wenn ein Franzose unter uns sich bet mal

de

mer

etwas komisch gebcrdet.

Eben wird der Tisch gedeckt, hin und her sich wiegt.

so sanft er auch

Morgen mehr.

An Bord den 8- August.

Zch bln seekrank, große,

liebe Freundin.

erhabene Meer,

gestern und vorgestern, beschwerliche Wasserreise

DaS

mein Entzücken von ist verschwunden; ist geblieben.

die Das

Beste ist, ich liege ruhig in meinem sechs Schuh langen,

dritthalb Schuh hohen und breiten

io? Bettkämmercheü, zu dem ich über das Kloset meines lieben, seekranken Alexanders hinaufsteigen muß, ziehe die Vorhänge zu,

kümmere

mich um das Verdeck und die unruhige See gar nicht, sondern hange meine kleine Gemäldegallerte, die Bilder von dem festen Lande,

in

meinem traulichen Boudoir oder Schmollztmmerchen auf.

Harwich den ir. August. Nach kleinen Abenteuern und großer Lange­ weile sind rott endlich heute früh um 6 Uhr in den Hafen von

Harwich eingelaufen.

Die

Sonne beleuchtete schon die ersehnte Küste. wir ausstikgm,

läuteten alle Glocken.

Als

Es war

die Geburtstagsfeier eines königlichen Prinzen. Das Pakelboot begrüßte das Land mit drei Schüssen und erhielt denselben Gegcngruß. Sie finden mich in dem Gasthofe der drei Cups (Decher); ein für alle nach frischem Wasser lechzende Zuruf'.

Seeleute

gewiß

sehr willkommener

Das erste, was ich sah, war «ine IelängerZelieber-Laube; bas zweite war auch eine; daS dritte ein junger Rosenstrauch mit aufgeblühten Knospen, und das vierte — ein Friedhof. Dieß alles, liebe Freundin, sieht man aus den vier Fenstern unsers Pariours. Denn jedes HauS, das nur einigen Anspruch auf Ton hat, nimmt den Fremden in einem großen, schön meublirten Gesellschaftssaale auf. Wie froh bin ich, fest zu stehen, und dort die junge Stofe, hier ein frisches Grab mit dem bekränzten Denksteine, die beiden Grenzpunkte unserer Spanne Zeit, auf dieser schönen Insel zuerst wieder zu erblicken. Und was schließen beide Punkte «ln! Ich habe diesen herrlichen Morgen, diese ersten Bilder des neuen Lebens vor mir, jene düstre Oede beS furchtbaren Meeres hinter mir; bin ich doch wie ein Träumender, den die Sage der Wor« welt aus den Armen des Todes über die dunkle Atlantis hin in die Inseln der Seligen ge» führt hat!

London, Westminsier. Derkley-Square, den 14. Aug.

Wic flogen durch einen englischen Garten; wir zogen langsam durch eine ungeheure Häu­ ser« Menschen-und Waarenmasse, und langten endlich in Thomas Hotel an, um den bunten Wirrwarr eines peinlichen Abends, wo Alles in Bewegung und nichts in Ordnung war, in einem englischen Bette, das bequemste, das ich kenne, und seit vielen Tagen mein erstes, zu verschlafen. Dieß, liebe Freundin, ist die Ge­ schichte deS gestrigen Tages, wo wir vier und siebzig englische Meilen von Harwich biö London zurückgelegt haben.

den 22. Augi

Zch habe die unruhigsten Tage meines Lebens in London verlebt. Wer könnte London beschrei­ ben wollen, in der ersten Unruhe deS Staunens und Dewunderns? Doch was mich bis jetzt am meisten angezogen hat, ist der durchaus origi­ nale Volkscharaktrr des Dritten. ES ist ja

überall nur der Mensch, der das Große sieht, versteht oder hervorbringt!

Denken Sie Sich,

liebe Freundin, einen gesunden, kräftigen Mann voll schlichten Menschenverstandes,

der durch

Nachdenken, Fleiß und Ordnung reich geworden ist, und sich nun gütlich thut, ohne dabei die Arbeit, die ihm zum Bedürfniß geworden ist, zu vergessen: und Sie haben das Bild des echten Engländers, wie man es zu Hunderten und Tausenden auf dem Strand und den übrigen Hauptstraßen der City, auf Lloyds Kaffeehause, auf der Börse, ja selbst auf dem Vauxhall, mit­ ten im Getümmel

des Tanzes, sehen kann.

Denken Sie Sich, wie dieser Engländer ein Haus baut, einen Garten anlegt, nichts

als Bequemlichkeit und

und dabei

Genuß,

oder

Ruhe und Comfortableness, Erquickung nach vieljähriger, beharrlicher Anstrengung vor Au­ gen hat, und Sie werden die Landhäuser und Parks, welche so viele Dörfer und Städte Eng­ lands mit der Hauptstadt verbinden, nicht unbe­ greiflich finden.

Denken Sie Sich dabei den

klügsten Genuß eines wohlerworbenen und wohl-

gegründeten Reichthums, der des ruhige und befriedigte Leben mit einigen Gaben der Kunst freundlich schmückt, in einem malerisch schönen Lande, auf einem fruchtbaren Boden, unter einer Masse von zehn Millionen Menschen ver­ breitet: und Sie haben, wie ich glaube, ein allgemeines, richtiges Bild von Südbritannien. Alles ist hier, so kommt es mir wenigstens vor, auf Arbeit, die Nutzen, Ruhm und Gewinn bringt, auf Sicherheit nach der Gefahr, auf Bequemlichkeit nach der Beschwerde, auf einen stillen heitern Abend nach einem stürmi­ schen Tage berechnet; und dieß Alles ist in eine folgerechte Lcbensordnung gebracht, der die ganze handelnde Welt in und außerhalb England sich gern unterwirft. Der Wohlstand deS brlttischen Volks ist un­ erschütterlich: denn er quillt hervor auS dem Schooße der Mutter Erde, und aus dem Füll­ horn des Fleißes. Zwei und dreißig Millionen Morgen Landes (acres) können nicht besser an­ gebaut seyn, alS sie eS sind; doch liegen noch sieben Millionen unbenutzt; dafür giebt es aber

auch eine halbe Million Bettler, wovon die mei» sie» das Erste jener drei Worte— die Arbeit — nie kannten, oder vergaßen, und darüber die beiden Andern — Nutzen und Genuß — ver­ loren. Indeß haben selbst die Bettler auf den Straßen in London ihr stummes Gewerbe — denn ansprechen dürfen sie die Mildthätig­ keit der Vorübergehenden nicht — nach echtbrittlscher Sitte eingerichtet. Auch sie finden gegen Mitternacht ihren Klub, ihre Taverne, ihren Porter, Musik und Tanz. — Doch, ich ver­ gesse mich, liebe Freundin! Die Statistik nimmt sich wunderbar aus in dem Briefe an eine jung« Dame. Zch wollte Ihnen nur so viel sagen, daß die tausend einzelnen wunderbaren Erschei­ nungen, welche mich hier vom frühsten Morgen an bis tief in die Nacht umgeben, Folgen, ja zum Theil die tausendjährige Frucht jener drei Worte sind, welche seit Alfreds des Angelsachsen Zeit in Old England herrschen und walten. Nur Eins muß ich noch hinzufügen. Der Dritte ist zugleich für den wahren Ruhm mit Kopf und -Herz empfänglich: daher kann hier jede Kraft

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des edlem Menschen herrlich gedeihen; und zum Zeichen, daß zuletzt Alles auf das Verhältniß zu Gott sich beziehen muß, wenn es wahr, gut und ewtg heißen soll, hat man dem menschlichen und dem bürgerlichen Verdienste, den Newtons und Händel-, wie den Howard- und Cooks, Denk­ mäler in den Kirchen errichtet. Sie wissen, baß die Westminsterabtri und die Kathedralkirche St. Paul- die Tempel de- menschlichen Gentes und de- brittischen Ruhm- sind. Jenes Meister­ werk der alten deutschen, sonst gothisch genann­ ten , Baukunst kennen Sie au- Abbildungen; diese ist rin große-, ernstes Werk der neuern Kunst. Ich habe heute von der hohen Kuppel der Paulskirche in den Londner WolkcnhtMMcl hinabgesehn. Gestern befand ich mich in dem Mittelpunkte der Handelswelt, in der Rotunde der Börse. Hter stehen Sklavenhändler auBarbados — denn noch ist Wilberforee'S Erlö­ sungswerk nicht vollendet —; dort Pflanzer von Jamaika; hier Chinafahrer, dort Armenier auder Levante und Kaufleute de- Norden- im Wechselgespräch — ein summender Dienen­ de Harfe. III. 8

schwärm ohne Flügel! — beisammen; alle Wände und Pfeiler sind mit den Ankündigun­ gen deS Fleißes und der Erfindungskraft, von der Seeuhr herab bis zum Zahnstocher, ange­ füllt. Kein Kaffeehaus in der Welt, die hollän­ dischen vielleicht ausgenommen, kann ernsthaftere Gäste haben, als Lloyds. Große Folianten mit Schiffernachrichten, Glocken und Windstrlchuhrcn sind die einzigen Gerathe von Bedeutung in den schönen, durch Kuppeln von Krystalloder Flintglas erleuchteten Zimmern; alles Uebrige besteht in kleinen Tischen, Bänken und — Dlntenfäffcrn. Um mich her sehe ich ein außer­ ordentliches Gedränge und die größte Stille. Aber die Augen fragen, die Mundwinkel ant­ worten. Noltaire'ö Hurone würde sich hier mit­ ten in einem Hause für stille Wahnsinnige zu befinden glauben.

Den 3°. August.

Ich

sucht.

habe neulich das German Theatre beDie Gesellschaft des Unternehmers,

Herrn Schirmer, besteht größtentheils aus Kin­ dern.

Sie

führen

deutsche

Operetten

auf.

Einige der kleinen Roecmsse spielen recht artig. Ernsthafte Männer hören ihnen aufmerksam zu; sie verstehen kein Wort; aber ihre Lieblinge wer­ den oft genug von ihnen encoret.

So nennt

man hier das Aufrufen zum Wiederholen.

Den

Franzosen ist es noch nicht gelungen, ein Theater in London einzuführen; am wenigsten wird dieß jetzt geschehen.

Nur auf den Gefängnißschiffen

in Plymouth, höre ich, führen die krtegsgefangenen Franzmänner spiele auf.

kleine französische Schau­

zur großen Eraöhltchkett des Altbrttten Die großen

Theater Londons sind im

Sommer geschlossen.

Daher habe ich den klei­

nen Betty, so wie den großen Kemble und die berühmte SiddonS nicht gehört, bloß in hun­ dert Kupferstichen gesehen.

Dagegen fand ich

in dem Haymarket-Theater und auf AstleyS Amphitheater den Londoner Zohn Bull in feiner vollen Glorie.

Vor acht Tagen wurden „die

Schneider, eine Tragödie bet warmem Wetter" gegeben.

Die Ritter vom Bügeleisen waren

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darüber höchst aufgebracht. „Sie, die men of trade — achtbare Handelsleute — wären, schrieben sie drohend an die Managers oder Di­ rektoren, sollten sich von Leuten, die nicht zum trade gehörten, ja selbst keinen bürgerlichen Stand hätten, zum Gelächter machen lassen! das sei ein Verbrechen der beleidigten Nation! “ — Es blieb dennoch bei der Ankündigung. Nun war der Krieg erklärt. Zn Masse begaben sich die Schneider in und vor das Schauspielhaus. Mehrere hundert Stimmen brüllten: no taylors! Man solle das Stück nicht aufführen. Der grö­ ßere Theil der übrigen Zuschauer schrie: Go on! fangt an! Ein Schauspieler trat auf und redete zum Volk. Vergebens. Endlich ging der Vor­ hang in die Höhe — und zwei ehrbare Meister mit ihren Gesellen in full job, in voller Arbeit, mit großen Schnetderschreren bewaffnet, faßen auf der Bühne am Schneidertische. Der Lärm ward furchtbar. Man warf ein großes Messer nach dem ersten Schauspieler. Die Constabler geboten Ruhe. Man wollte sie über die Galle­ rte Hinabstürzen. Da drang dir Wache ein.

Einig« dreißig Schneider wurden ins Gefängniß geführt; die übrigen aus einander gejagt. Das Getöse dauerte fast zwei Stunden. Endlich ward das Stück zum großen Jubel der Sieger bis um Mitternacht gegeben. Die ehritchen Schneider haben sich durch diesen heroischen Feldzug — der den Plan deS Stücks, welches «in travestirtes Heldentrauerspicl ist, im Haufe selbst mit tragikomischer Kraft parodirte — zum Gelächter der Stadt gemacht. Doch bemerkte das Morgenblatt des nächsten TageS im lustig entschuldigenden Tone: die Gefangenen — all Irishmen — sämmtlich wackere Inländer — hätten sich als Männer von Charakter in ihr hartes Schicksal zu fügen gewußt. — Die Dekorationen und die Musik dieses Schauspiel­ hauses sind mittelmäßig. Auf Astley'S KunstUrkusbühne war die Musik sogar — wie ich wenigstens sie hörte — abscheulich. Die Schau­ spieler kleiden sich reich und gut. Ich sah den Honey-Moon, die Flitterwochen, und den Sylvester Daggerwood. Herr Elliston spielte den Duke of Aranza sehr brav; auch Herr

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Palmer der Jüngere den Mädchenfetnd Ro­ lands. Mrs. Gtbbs trug nach meinem Gefühle zu stark auf. Auch war ihre Rolle als Juliane an sich widrig. Ueberhaupt zeichnet das Starke, Derbe, Groteske, und im Sentimentalen eine mit dem innig Zärtlichen in Gegensatz gebrachte Grausamkeit, die das Herz weniger rühren, als zermalmen soll, dieses Schauspiel und diese Schauspieler aus. Daher sagte eine Französin: les Anglois n’aiment pas ce qui est fort

Der Hol ney-Moon, Honig-Mond, ist ein Dolksstück, voller Ungereimtheiten und reich an tollen Ein­ fällen, indessen glücklich auf den ehrlichen John Bull und fein muSkelkräftrges Zwergsell berech­ net. — Herr Decamp spielte den Sylvester Dagqerwood, einen rasenden Poeten, mit außer­ ordentlicher Gewandtheit und Wahrheit. Der dreizehnjährige Master Oscar Byrne tanzte schön, hatte aber nicht die Physiognomie deS Liebesgottes. Doch urtheilen Sie nicht, liebe Freundin, nach diesen Proben ungünstig von Covemgarden, von Drurylane, von der großen bien, mais ce qui est bien fort.

Oper und dem Ballet.

Die Britten zeigen auch

hier, daß sie viel und weit gereist sind, daß sie Sinn und Geschmack, und was noch mehr ist, daß sie Gold vollauf haben-

Besaßen sie doch

bis jetzt den berühmten Dallctmeister, Herrn Augustin Noverre, auf ihrer Insel, die jedes große Talent vom festen Lande her zu sich zieht. Dieser seltne Künstler, der in seinen schönen Tagen als der vollendetste Menuettänzer wegen der feinen Anmuth und der edeln Haltung ln seiner

Kunstbewcgung,

allgemeln

bewundert

wurde, und der für die mimisch rhythmische Kunst als Lehrmeister undBalletdichtcr mehr als irgend ein andrer Künstler feines Faches geleistet hat, starb vor wenig Tagen (den 23. Aug.) sie» bcn und siebzig Jahr alt in ftintM Hause zu St. Stephan zu Norwich. ein geborner Schweizer.

Er war bekanntlich

Garrick hatt« ihn be­

wogen, nach England zu kommen, wo er sein treuer Freund und Beschützer blieb. —

Den zi. Aug.

DaS glänzendste Schauspiel der Londoner Welt habe ich bis jetzt in Vauxhall gesehen. Wir fuhren Abends um y Uhr dahin, und blie­ ben bis früh um 3 Uhr. Ohne etwas zu genießen, ja kaum ohne mich zu sehen, hatte ich nichts zu thun, als zu sehen. Denken Ste Sich ungefähr zehntausend wohlgekleidete, größtenthetls junge Und schöne Menfchen, die fashionable world, die elegante Welt von London, in den Zauber­ gärten der Armida. Tempel, Grotten, Sterne, Bogenhallen und Säulengänge blitzen in tausend bunten Lichtern; zadllose Spiegelwände verviel­ fältigen die unaufhörlich wechselnde Dildrrschau, und ein großer Cirkus mit erleuchteten Dogenge­ wölben umschließt den Feenpark. Von allen Seiten schallt und ruft türkische Musik. Zn der Rotunda, ln den Sälen, ja in den Alleen des Gartens selbst, auf den DvulinqrlnS, bilden, trennen und vereinigen sich in stetem Wechsel Zirkel von Tänzern und Tänzerinnen. Gruppen kommen und gehen. Alles verwirret sich in Pracht und löset sich in Schönheit. Man will

fett und bleibt stehen; man will dorthin eilen, und wird hierher gezoqen. So taucht man mit Lust auf und nieder in einem Meer von Ver­ gnügen ! Dieses glänzende Fest hatten die Unterneh­ mer zu Ehren des Herzogs von $orf im mi­ litärischen Style angeordnet. Dadurch erhielt das Ganze eine erhebende, sinnbildliche Bedeu­ tung. Dabei herrschte eine Ruhr und Ord­ nung, wie ich sie in London nicht erwartet hätte, und wie ich sie weder im Prater zu Wien fand, noch im Prado zu Madrid wie­ der zu finden glaube. Zch hörte nichts als Musik und Gesang, kein widriges Summen vieler lautsprechender Menschen. Zch sah nichts, als frohe, dem Genuss? der Augen ganz sich hingebende Frauen und blühende Mädchen. Wohlgcrüche dampften; alle Farben brannten in Kristallgläsern; und aus den Bogen des Cir­ kus winkte die Freude — im Zitronendufte zur vollen Punschbowle. Denn daß der rauchende Punschnapf, die Sinnspitz« oder Pointe aller brittischen Schaufeste, auch hier feine Würde

behaupte, darf ich Ihnen und Ihrem freund­ lichen Theezirkel nicht verschweigen. Die Börse und Vauxhall: so sieht der Tag in London aus, so die Nacht. Beide trennen die Doppel­ seite des Lebens. Dort regiert der sinnend ernste Gott der brtttifchen Welt, genannt Business, Geschaftsfleiß; hier walten Zocus und Phantasus. Dort feiert der leise summende Bienen­ schwarm des Gewerbes ferne bedeutungsvollen Mysterien; hier halten Freude und Sinnenlust ihr lautes Bacchanal.

London den i. Sept.

Wo ich heute war, liebe Freundin, da wür­ den Sie mit vollem Herzen und heitern Sinnen so gern wie ich gewesen seyn. Zch habe den schönen Wohnort Thomsons gesehen, die rei­ zenden Anhöhen am User der Themse, wo dieser Sänger der reinsten Empfindung seine Zahreszetten dichtete. Auch Förster war in Nichmonds Hlll. Sie haben seine Briefe gelesen. Zch sollte darüber schweigen. Aber wer spricht nicht gern,

wer hört nicht gern von diesem schönen Zdyllenlande? Ich kenne keine Landschaft, die das Herz so innig an sich zöge, als Rlchmonds Htll. Die großen Naiurqegenden und die rei­ zenden Thäler des Elb - und Rleser gebtrqs haben mich entzückt. Der herrliche Donaustrom von Rcgensburg bis Wien hat mich mit Bewunde­ rung erfüllt. Hier schmolz die Bewunderung mit dem Entzücken, die Siebe mir der Andacht zusammen. Aber London und Nichmond, welch' ein wunderbarer Wechsel! dort trägt die maje­ stätische Themse mit ihrer Fluch gegen zweitau­ send Schiffe und den Welthandel; hier schwimmt auf ihrem klaren, ruhigen Gewässer ein Geßner'scher Kahn in dem Elysium der Natur. Man verlebt Tage und Wochen in dem Gewühle der ungeheuern Hauptstadt; man ist noch trunken von der Nachtfeicr in Vauxhall: und jetzt verschwindet plötzlich das kolossale Panorama der Kunst; der mächtige Dreizack des stolzen Britanniens versinkt mir seinen Wundern und mit — seinen Sünden in der

heiligen Lethe einer Weit voll Anmuth

und

Unschuld. — Wir stiegen oberhalb der Westminsterbrücke in einen Kahn, über den ein reines weißes Tuch gespannt war, und ruderten im Angesichte der stolzen üppigen Gebieterin deS OceanS, einer stillen Einsiedelei entgegen, Ruhe und des Friedens.

in die Helmath der Mit jeder Krümmung

des Stromes verschleierte sich ein großes Ge­ mälde nach dem andern;

das Blendende ent­

wich; sanfte Hoffnung, kindliche Rührung ka­ men uns aus dem blauen Himmel, aus dem grünenden Gebüsch mit freundlich offenen Armen entgegen.

Augen und Herz wurden

endlich

ein Blick in die Wohnungen der Seligen. Zch begreife nunmehr den Ton des zarten innigen Gefühls, der von Thomsons Laute die­ sen Hügel herabwehte, der die Einwohner Lon­ dons rührte und zu der Empfindung aller Völ­ ker sprach.

Die Großen und Reichen sind sei­

nen Tönen nachgezogen.

Längs dem Strome

hinauf liege» die Landsitze der Lords.

Auch

der Markgraf von Anspach hat sich hier angesiedelt; und seine Gemahlin, die Lady Craven, hat — damit die Kunst auch hier täusche — in den malerischen Ruinen einer schönen gothi­ schen Kapelle ein niedliches Theater angelegt, wo sie als Dichterin und Schauspielerin zu­ gleich glänzt.

Sie sind besorgt, liebe Freun­

din, daß die Künsteleien der feinern Sinnlich­ keit auch diesem Sitze der ungeschminkten Na­ tur sich aufdringen möchten. nichts!

Trotz dem,

Fürchten Sie

daß der Londnee seine

Küche nach RichmondS Hill gebracht,

daß er

«in Schauspielhaus mitten in das schlichte Dorf gesetzt, daß er große Lotteriezettel und ähnliche Leimruthen

deö 'Eigennutzes an Wohnungen

geklebt hat, in

denen

man

Die Genügsamkeit

Geßner'scher Hirten und Schäfer erwartet: die Natur ist mächtiger, als die Verführung der Kunst.

Thvmson'S HauS steht noch;

man

kennt seinen Lteblingsplatz und bewahrt den Tisch, auf dem er schrieb, als ein Heiligthum.

Wer

ruft nicht seinen frommen Wunsch, dessen Ge­ währung der Himmel und sein eignes Herz

hier ihm darboten, in die stille, sehnsuchtsvolle Brust zurück: An elegant sufficiency, Content, Retirement, rural quiet, friendship», books, Progressive virtue, and approving Heaven!

(Ein freundliches Auskommen, Befriedigung, Zurückgezogenheit, Landeejiille, Freundschaft und ein gutes Buch, Erhebung zur Tugend und der Beifall Gottes!) Auch der König hat hier der Natur gehul­ digt. Er hat auf der Spitze des Hügels einen großen, reichen Part angelegt, und — ver­ schlossen. Die britttschen NabobS sind ihm gefolgt. Mitten unter den ländlichen Wohnun­ gen stehen ihre Landhäuser; und sie sind, dieß muß jeder bekennen, sehr geschmackvoll. Ich genoß die Ansicht dieses einfach großen Natur­ gemäßes in der feinen und zahlreichen Gesell­ schaft, in der ich mich befand, wie ein Ein­ siedler. Vor uns lag die Themse, und schwarze Kohlenschiffe bargen sich unter dem Schatten

her Ulmen.

Ein großer Boulingrin schimmerte

zu den offenen Thüren des Gartensaales herein. Es wurde Abend. Helden Ufern her.

Die Glocken tönten von So schwamm ich unter Trau»

mm und Ahnungen in die wüste Welt zurück. Nichts störte mich.

Die größere Gcsel'schaft

fuhr in Wagen nach der Stadt.

Zn der elncn

Ecke der Barke träumte sich Herr F... in seine liebe Piccardie zurück; in der andern versetzte ich mich mit Thomson und Richmonb an das heimathliche User der Elbe; während der Aka» demtkcr aus Tobolsk unsern jungen Russen in der süßen Sprache des Vaterlandes Mährchen erzählte, und auch sie in stille Träume einwiegte. Wie viel verschiedene Gefühle in dem kleinen Raume eines KahnS!

Nach neun Uhr sahen

wir den Glanz der Hauptstadt und die erleuch­ teten Bogen der Westminstcrbrücke wieder.

London den n. Sept. Unser Hotel liegt ln Berkley - Square.

So

nennt man den großen, freien, ebenen und ge»

vierten Platz vor unsern Fenstern. Von alle» Seiten umschließen ihn schine Häuser, und süd­ lich der Part des Landsdown'schen Palastes. Von diesem Palaste, der eine der ersten Merk» Würdigkeiten Londons ist, sage ich Ihnen ein anderes Mal mehr. Heule führe ich Sie in den Square. Da- eiserne Gitter öffnet sich; wie treten aus einen großen schönen ovalen Rasenplatz — der englische Rasen ist weich und dicht wie dunkelgrüner Sammet — von Dlutnenhecken und ClumpS malerisch eingefaßt. Aus der Milte erhebt sich die kolossale Statue des Kö» Nigs Georg III. zu Pferde, von Bronze- Sie ist ihrer schönen Umgebungen nicht würdig. Zwar hat der Künstler die Statue des Mark Aurel in Rom, über welche Sie das schöne Wort von Düpaty in seinen Briefen über Ita­ lien gelesen haben, sich zum Vorbilde genom­ men; aber die Ausführung ist ihm ganz ver­ unglückt. Lassen wir den plumpen römische» Imperator auf seinem schwerfälligen Kutrassier» oder Londoner Körner-Pferde! Das schöne, eiserne Geländer mit den hohen Laternenstöcken,

welches diese grüne Vase in der steinigen Hauserwüste von London einsiedlerisch umgtebt und des NachtS erleuchtet, ist der Betrachtung wer­ ther, als jene Schmeichelei von Bronze.

Von

der Menge, Größe und Schönheit der eisernen Gitter, welche man in London auf allen öffent­ lichen Plätzen und vor mehrern tausend Häu­ sern, mehr als Mannshoch antrifft, in Deutschland,

hat man

wo eS doch auch nicht an

Eisen fehlt, keine Vorstellung.

Unser Bou-

lingringitter ist zum Theil, wie auf den mei­ sten Squares, sechzig zählt,

deren London überhaupt gegen von schön geordnetem Heckenges

büsch versteckt.

Zeder Hausbesitzer am Square

hat einen Schlüssel dazu;

es ist ein seltener

Genuß, mitten tn dem Lärm dieser ungeheuern Stadt,

aus dem Kohlen - Hebel

und schwarzen Häusermaffen,

der grauen

die durch ihre

ellenhohen Schornsteine dem Ganzen ein fin­ steres, barbarisches Ansehen geben,

in einen

stillen, grünen, einsamen, von Wohlqerüchen erfüllten,

Mit Schattengängen und Dlumen-

fitzen geschmückten Naturtempet zu entfliehen. Die Harfe. III.

9

Für die häuslichen Engländerinnen, welche die Natur, rin Buch und ihre Kinder lieben, sind diese Plätze, die rote durch Zauberet aus einem englischen Park oder aus einem französischen Garten herausgehoben

und vor ihre Häuser

hingesetzt zu seyn scheinen, eigentlich geschaffen; und man kann in

der Anlage derselben über­

haupt, wie in der feinen und zarten Ausfüh­ rung,

die hohe Kultur der etiglifchen Nation

nicht verkennen.

Doch wenn kommen Sie vor

lauter Ausrufungen in den Square selbst? So rote wir uns ihm süßesten Blumenduft.

nähern,

athmen wir den

Große und kleine, mit

Absicht gewählte, doch ohne Kunst und Regel hingepflanzte Blumen blühen

hier und dort,

frei und verborgen in freundlicher Zusammen(Mung,

Es scheint, sic haben sich unter rin­

ander in die größere Hälfte des Zahres ge­ theilte

Aber vor allen breitet unter ihnen die

süße Resede ihre zarten Blüthen auS.

Diese

Pflanze, die zahlreich in einzelnen Kronen den Boden bedeckt, bringt jenen aromatischen Ge­ ruch hervor, der mit dem Londoner Steinkoh-

len«Dampfe so wunderbar wechselt.

Ein sanft

in die Höhe steigendes Beet mit allerlei Blu­ men und schönem Gebüsch oder Gehölze, aufs sorgfältigste rein gehalten von allem GraS und jeder Pflanze, die das Ganze für das Auge nicht verschönern hilft, zieht sich in einem gro­ ßen, parabolischen Eirund an der innern Seite des Gitters herum.

An dasselbe schließt sich

der breite Hauptgang an.

Den mittlern großen

Platz durchschneiden zwei in vier Rasenmatten.

schmale Quergänge

Zm Mittel steht der

größte kronenartige Dusch (Clump) von male­ risch geordneten Laubhölzern, Cypressen, kana­ dischen Kiefern und Lerchenbäujnchen.

Es ist

durch kleinere in sich verschlungene Gange vier­ fach getheilt,

und das Innere wiederum mit

niedlichen Blumenbeeten eingefaßt.

Hier befin­

den wir uns im Mittelpunkte, unmittelbar vor dem hohen Fußgestelle,

auf welchem die schon

erwähnte Bildsäule steht.

Ein richtiges Gefühl

hat die schönsten Sitze,

welche wir in diesem

Square finden, um jenes Fußqestell herum an­ gelegt.

Auf diese Art werden wir nie durch

den Anblick der Statue selbst gestört,

sondern

blicken ungesehen und frei über dcn sammctnen Teppich der kleinen Wiese hinein in die ruhi­ gen

Schattensitze

Frühlings.

der blühenden

Zwei kleinere

Kinder deS

Clumps stehen auf

jeder Seite de- nördlichen und südlichen Rasen­ platzes ; in beiden wechseln einzelne bald größere, bald kleinere Bäume mit dichterem Gesträuch, so daß jedes jur malerischen Einheit deS Gan­ zen wesentlich beiträgt.

Zch möchte um nicht-

jenes junge Apfelbäumchen hingeben,

welches

sich eben so sehr auf diesem weichen Rasen zu gefallen scheint,

als die Kleinen,

demselben spielen.

welche auf

Daß Alles in der besten

Ordnung gehalten wird, daß jeder Square sei­ nen Gärtner hat,

daß die Gänge mit dem

kleinsten Kiese fest gestampft sind, daß nie der Staub von der Straße her auf diesem Ruhe­ sitze der nachbarlich sich versammelnden kleinen und großen Naturfreunde, sich einsinden, noch Blüthen, Blätter und Gras je bleichen kann, ist buchstäblich wahr. es gut,

daß

Die Engländer wissen

Reinlichkeit und Ordnung die

Grundbedingungen der Schönheit sind. liebe Freundin, aus.

sieht

So,

unser Dcrkley - Square

Er gehört nebst dem Portman - Square

zu den schönsten Plätzen

in London; doch ist

der schönste von allen der Grosvenvr-Square, •mit der Statue Georgs II. zu Pferde.------- —

Plymouth-Dock, am Ufer des bttttischen Kanals den

21.

Oktober.

Wir reisten den 15. Oktober von London ab. Nebel und Regen umhüllten uns mehrere Mei­ len weit, bis die Sonne den Himmel und bas schöne Land vov mir aufklärte. reizende Umgcbltngen.

London hat

Doch sind die Landsitze

der englischen Großen nach Harwich, Dover und längs der Themse schöner, prächtiger und zahlreicher,

als in

dem westlichen England.

Hier ln Wiltshire scheint selbst die Bevölkerung abzunehmen.

Erst in Devonshire, in der Näh«

des romantischen Cornwallis,

wird das Land

fruchtbarer; und in schönen Hügelketten um-

schlingen bekränzte Wiesen, Gärten und Felder die ältesten Städte der Insel. Das Land gleicht etwas dem sächsischen Erzgebirge. Le­ bendige Hecken, hochgewipfelte Bäume, Bu­ chen und Eichen theilen die Felder ab, welche in der Ntedrung an die sanften Bergrücken sich lehnen. Die Landstraße läuft an dem Abhange des Gebirges hin, welches das Meer im Sü­ den dämmt. Doch öffnet sich hier und da die­ ser Wall, und man erblickt in seiner erhabenen Ruhe das große Meer, die blaue Ferne des Kanals. Sie müssen wissen, daß ich absicht­ lich meinen Sitz, hoch und frei, auf der Out­ side unserer Stage-Coach, gewählt habe. Neben mir sitzen ein englischer Seekapitän, der vor Kopenhagen und bet Kadix focht, und ein ehr­ licher Cornwalliser Pächter, der nie auf daMeer kam und außer den Hauptstädten wenig von Europa weiß. Sie hielten anfangs mich und meine Begleiter für französische Kriegsge­ fangene; denn unser Weg geht nach Plymouth, wo die Gefangenen bewacht werden. Zhr Er­ staunen war nicht gering, als sie hörten, daß

wir Russen und Deutsche sind.

Der Cornwal-

liser lernte (n aller Geschwindigkeit die Geo­ graphie von Deutschland — in einer Nuß — von mir.

Zum Glück wußte er schon, baß

Dien die Residenz des deutschen Kaisers sei, in Ansehung Berlins war' er ungewiß, dem König von Preußen gehöre;

ob es

auch schien

eS ihm lieb zu seyn endlich zu erfahren,

daß

die Residenz des Kurfürsten von Sachsen Dres­ den heiße.

Seine

Verwunderung

aufs Höchste, als er sah,

stieg aber

daß ich die Solda­

ten von der deutschen Legion seines Königs, einige Hannoveraner,

die

sich

von Charmvuth befanden,

in einem Posthaufe vollkommen verste­

hen konnte, und daß sie mich eben so gut ver­ standen.

Er glaubte, die Sprache der Sach­

sen und die der Hannoveraner wären zwei ver­ schiedene Sprachen.

Ich versicherte ihm aber,

daß alle Deutsche deutsch sprächen und sich volle kommen wohl verständen, die deutschen Philo­ sophen ausgenommen. Schade, daß er auf diese Bemerkung nicht achtete!

So hätte sich ein

metaphysisches Wechselgespräch zwischen einem

englischen Seekapitän und einem Cornwalliser oder altcimbrischen Farmer mit ihrem FellowTraveller, einem deutschen Doktor der Phi­ losophie, über die schweren Mundarten der Herren Wagner, Dardtlt, Röschlaub, Görres, Schelltng, Frchte, u. a. m- entsponnen. Eö müßte sich in meiner Reisebeschreibung sehr gut ausnehmen. Doch desto besser, daß meine wackern Reisegefährten sich um alle Philosophen nichts kümmerten. Ich konnte sie über das Land befragen, daS wie eine Situarionskarte vor uns ausgebreitet lag. Auch war eben Jahrmarkt in Axminster, wo uns die fettesten Schöpse, die ich je gesehen, in den Weg traten. Kleine und große Pferde trugen Männer, Wei­ ber und Kinder, Ems oft die ganze Farptlie, zu dem Jahrmärkte. Die berittenen Ladies in Ihren großen hellrothen Mänteln leuchteten wie Flammen auS der Ferne. Dieß gab der Land­ schaft ein muntres Leben; denn es fehlt an Dör­ fern. Man kann überhaupt von England nicht sagen, daß es hier Dauern gebe. Die soge­ nannten Dörfer bestehen auS fünf bis sechs.

höchstens zehn kleinen Strohhütten, die wie das Elend

selbst aussehen würden, wenn sie nicht

mitten in einer reichen Feld» und Gartenflur lägen.

Oft sieht man nur einzelne Cottages,

die mit den Landsitzen der großen Grundetgenthümer und den Wohnungen der reichen Pächter abzuwechseln scheinen.

Jene Hütten bewohnen

arme Unterpächter.und Tagearbetter. waren

die

Dagegen

Städte auf unserem Wege groß,

schön und reich.

Eure Reihe glänzender Waa-

renlaager im verjüngten Londoner Maßstab-, die zu beiden Setten der Straße uns entgegenschimmerten,

zeigten deutlich,

daß in diesem

Lande Alles zuletzt auf Gewerbe und Handel an­ komme.

Der Grundeigenthümer und der Pach­

ter handeln mit den

Erzeugnissen

des Bodens;

der arme Tagelöhner, der nichts besitzt, handelt mit seinen Fäusten und mit seinen Schweiß­ tropfen.

So im Kleinen,

wie im Großen.

Das Post» und Fuhrwesen, der Straßenbau, die Erziehung, der geistige Bedarf des Men­ schen, alles wird nach Handelsgrundsähen be­ trieben; aber der Gemeingeist und die National-

3 38 ehre greifen in die Speichen dieses Triebrades cm, oder beide sind vielmehr die Hauptwelle desselben.

Diese kaufmännische Betriebsamkeit

erhöht die Kräfte von wenigstens sechs Millio­ nen Menschen durch den allgemeinen Umschwung auf das fünffache.

Der Franzose nennt dieses

Volk eine nation boutiquiere, Unrecht. sache,

allein sehr mit

Der Einzelhandel ist nicht die Haupt­

sondern nur das tausendastige Geäder

eines frischen Herzblutes, oder mit andern Wor­ ten, die unendlich kleine Verzweigung des Welt­ handels,

dessen auf Britanniens Boden tief*

gewurzelter Stamm

seine Krone hoch erhebt,

und der weit über Meer und Land hinschattet. Doch ich will ja nicht von Statistik sprechen. Suchen Sie, liebe Freundin, auf der Karte die Städte Egham, Bagshot, Basingstoke, Salis­ bury,

Dorcester,

Exeter auf,

Honniton,

Drldport und

um mich auf dem Wege nach Ply*

mouth wieder zu finden. Städte sind die interessanteren.

Die lehtern fünf Bei Salisbury

in Wiltshire auf einer Ebene in der saltsburyschen Heide befinden sich die berühmten Ueber-

reste eines alten Druidentempels.

Ungeheuer

große Steine auf einem Hügel in einem Zirkel und über etnandergeseht, die unter dem Namen Stonehenge bekannt sind,

werden wenigstens

von den britrtschen Gelehrten dafür angesehen. Betrachten Sie diese sonderbar gestalteten Steinblöcke in dem Folianten, welchen D. William Stuckeley (tm Zahre 1740) mit vielen Kupfern herausgegeben hat. sie sieht,

Denn die Ebene, wo man

ladet eben nicht zu sich ein.

Die

Lüneburger Heide ist gegen sie ein Paradies! Doch ist dieses Denkmal vielleicht das älteste aus der europäischen Vorzeit,

wenn nicht die

Ruine eines Druidentempets bet Tours in Frank­ reich

ihm auch diesen Vorzug streitig macht.

Exeter ist uralt, und sonderbar zusammengescho­ ben.

Manche Straßen sind hier und in Ply­

mouth nicht viel weiter, als die Flurgänge eines großen Hauses.

Auch hat Erster noch einige

Thore, einige Stücken Mauer und den Stadt­ graben behalten, was ich bisher in keiner Stadt fand.

Dagegen sind die Thäler und Hügel,

die Parks, die Gartenhäuser und die Daum-

gänge um Exeter herum schöne Erinnerungen an den mehr als hundertjährigen Frieden, dessen sich England in seinem Innern erfreut.

Jedes Land,

hauS hat seinen schön geformten und freundlich «ingefaßten dichtes,

Rasenplatz,

seinen Blumenhügel,

kronenartigrs Laubgebüsch, schön ge­

wundene Kiesgänge, und Pappelrethcn, die eS mit der Landstraße verknüpfen.

Ich vergesse

den Morgen des 17. Oktobers nicht, wo über diesem schönen Hügellande die Sonne aufging. Der Thau war auf den Wiesen gefroren.

Sie

hatten ihre dunkle weiche Decke noch nicht ab­ gelegt.

Eine Pcrlensaat auf grünem Sammet!

Die Dlumenhügel vor den Gartenhäusern prang­ ten im schönsten Farbenschmucke, und vom Bo­ den auf stieg der Duft der bescheidenen Resebc. Zn den fernern

und tiefern Thälern lag der

Morgennebel; als ich aber den Berg erstiegen, verschwand das Hügelthal mit der Stadt, mit seinen Gärten,

Blumen und Wasserspiegeln.

Unter mir wogte auf und nieder das von dem Morgcnltchte bewegte, aufsprühende Nebelmcer.

in

rithlichen

Blitzen

Jetzt stieg die Sonn«

höher, und aus dem Meere taucht« empor ein schönes Land.----------------

Folniourh den -6, Oktober. Der Daran und sein Gefolge ist gestern hier angekommen.

Morgen will der Townsend nach

Lissabon segeln. seine Passagiere.

Dieses Pakelboor hat schon Wir schiffen uns daher auf

dem Lord Aukland ein.

Der Baron hat dieses

Pakctboot ganz für sich gemiethet.

Er zahlt

für Fracht und Kost fünfhundert Guineen.

Die

übrigen kleinen Ausgaben betragen zwischen vier­ zig bis fünfzig Guineen. Masten.

Das Schiff hat drei

Die Reise selbst soll bei dem besten

Winde sieben Tage dauern.

Sie kann aber

auch drei Wochen währen.

Len 27. Oktober.

Der Townsend ist in den Hafen zurückge­ kehrt.

Der Wind ist heftig, das Meer unge-

stüm. Die Luft ist dennoch mild. Ein warwer Hauch von Süden weht diese Küste an. Ich ahne den schönen Himmel Italiens jen­ seits der großen Atlantis, die hier unter mei­ nen Füßen an die torntschen Vorgebirge an­ braust, und aus der Brandung zu mir auf­ sprüht. Ich habe heute eine schöne Landschaft gesehen: Gebirg und Thal, einsame Stroh­ hütten, alte ehrwürdige Kirchthürme, Fischer­ wohnungen Harfe. IIT.

Standest du mit fester Größe Neben Markus Tullius? Und entlarvtest du die Blöße Sylla's oder Marius? Hast du oft im Rednerstreite Wider ChatamS Sohn gekämpft Und an Foxens edler Seite Seinen Herrschersinn gedampft?

Hast du selbst in Zions Nahe Frommer Duldung Pflicht gelehrt Und auf Tabors stolzer Höhe Dich vor Israel verklärt? Waltest du mit stillem Segen Ueber Marezolls Gebet? Strömt dir Gevierts Lied entgegen, Wenn es heiß gen Himmel fleht?

Schlichtest du des Zweifels Fehde Mit Ernestis Deutungskraft Und durch Jollikofers Rede Jeden Kampf der Leidenschaft?

Hast du gern bei Mosheims Lehren Mit Jerusalem verweilt? Hat dich vor Berlins Altaren Tellers Stimme wohl ereilt?

Hat im andachtvollen Sehnen Heß und Spalding dich erkannt? Hast du dich mit Harfentonen Hin au Lavatern gewandt? Hat/ umstrahlt von deinem Glanze, Reinhards Mund uns oft entzückt? Hat ein Zweig von deinem Kranze Ammons heitre Stirn geschmückt?

Ja, du hast, als Auserkohrne, Dir die Rede eingeweiht! Deines Schooßes Erstgebohrne Nanntest du Beredsamkeit. In der Rede mildem Feuer, Durch der Lehre zarten Sinn Bist du mehr, als durch die Leier, Des Gefühles Herrscherin.

Ihr allein ist Färb' und Meißel Und die Saite Unterthan/ Ihr, die auch der Strafe Geißel Vor Tyrannen schwingen kann. Durch die Rede knüpfst du Seelen Zu der Freundschaft Sympathie, Und ihr geistiges Vermählen Ist dein Abglanz, Harmonie? W.

Das

Kreuz.

sinnige Form des Kreuzes, du bist ein Bild mir der Wahrheit: Auf den Wegen

getrennt,

führet zusammen

das Ziel. L. M. Büschenthal.

Auf dem Grabe eines Herrgottsthierchen, *) von Kindern in einer Nußschaale beerdigt.

Schtummre, früh berufen; Kinderhändchen schufen Dir ein frommes Grab; Und mit Thränen streuen Sie, es einzuweihen, Blumen drauf herab. Wenig große Leben Mag's auf Erden geben, Welche, so wie du, Mt der Unschuld Sehnen Und mit Kinderthränen Uebergeh'n zur Ruh'. Zu dem Todesthale Trug dich eine Schaate Süßer Baumesfrucht; *) So nennt man an einigen Orten ein rothes, schwarz getüpfeltes Käferchen.

Doch im kleinsten Schälchen Wird dein liebes Seelchen Einst von Gott gesucht.

Als du hier geschmachtet, Krochst du unbeachtet An der Erde fort; Doch zu schönerm Loose Ruft aus ihrem Schooße Einst dich Gottes Wort.

Herren oder Damen Gaben Seinen Namen Dir vielleicht im Scherz; Mög' in jenem Leben Er ein Recht dir geben Auf sein Vaterherz L. M. Büschenthal.

Weltpreis der Minne.

Der König. Hold Mädchen, mit Vertrauen Hör' meinen Worten zu! Seit dich ich that erschaue»/ Verlor mein Herz die Ruh'; Mir bimst, wenn ich dich sehe, Wohl in der Fern' und Nähe Kein Weih so schön, wie du.' Der Sänger. Du Schönste aller Schönen, Mir ward in Herzens Grund, Seit dich ich sah, ein Sehnen, Ein tiefes Sehnen kundIch darf dir's nicht bekennen $ Die Augen mögen nennen, Was dir verschweigt mein Mund!

Der König. Willst du dein Her- mir geben, So führ''ich dich -u Roß Zu steten Wonneleben Wohl in mein König-schloß; Mein Jepter, Macht und Ehren Mag Alle- dir gehören, Mein Reich gar weit und groß!

Der Sänger. Ich Armer kann nicht Kronen Dir bieten, Macht und Reich; Des Liedes freiem Sohne Ward Reichthum nicht zugleich; Im Land der süßen Töne, Am Quell der ew'gen Schöne, Dort liegt mein luftig Reicht

Der König. ES ist von Marmorsteine Mein Schloß gar schön gebaut; In rothem Goldes-Scheine Man alle Wände schaut;

Mit reiche« Perlenbanden, Mit prahlenden Gewänden, Schmückt man die Königsbraut.

Der Sänger. Ich kann nicht Schätze biete« Mit dieser treuen Hand, Doch schmückt mit duft'gen Blüthen Sich oft mein freundlich Land. Und höh're Lieb' entflammet Des Dichter« Brust; er stammet Au« ihrem Vaterland.

Da« MädchenMein bester Dank gebühret, Ihr edeln Freier, Euchi Dein Land, o König, zieret So Glanz, al» Macht zugleich; Doch nicht da» Irdischschöue, Ich wähl, o Fürst der Töne, Dein unsichtbare« Reich I

33o Nicht Hoheit mich verblendet, Nicht Gold, hoch schimmernd Erz; Jum Glück der Liebe wendet Sich einzig hin mein Herz! Ich wähle, wa- bestehet, Den irdischen Sinn erhöhet, Wnb siegt ob Zeit und Schmerz! Louise Brqchmann.

I

m

Garten.

September

Äank dem

i8i3*

Kater, dessen Güte

Blumen, Früchte, schön und zart, Veilchen und Kastanienblüthe, Seinen Kindern aufbewahrt! Daß mit reicher Fülle Spenden Er den Garten grün umwölbt, Sich die Traub' an den Geländen Reifend bläuet, und vergelbt.

Daß er hier Gewittern wehrte, Die sich rund umher gethürmt; Daß er dieses unversehrte Friedenseiland uns geschirmt! Seht! auf unsern Blumenbeeten Blüht hier veilchenblauer Phlox, Dort die Pracht der herbstlich spaten Astern und des Rosenstocks. Blumen in der Schönheit Fülle Prangen, ihres Siegs gewiß; Demurhvolle Blatterhütte Birgt die rothe Berberis. Wie im dichtumlaubten Raume, Von der Frucht herabgesenkt, Mit dem Ast der Honigpfiaume Sich der Apfelzweig verschränkt! Wo sich süße Feigen röthen, Rankt der Kürbiß unterm Blatt, Ilebellaunigten Propheten Werther, als die Königsstadt.

Ruhig rieselt dort die Quelle, Friedlich spielt der Fisch im Teich; Silbern steigt des Springbrunns-Welle Ueber schwankendes Gesträuch.

Wie verlorne Geifierkunde, Wie vom Grabe frisch bekränzt, Rauscht's im dunkeln Hintergründe, Von den Platanen begränzt.

Seht, wie jene grünen Matten Sonnenhelle überfliegt! Es entweicht vor ihr der Schatten — Furcht verschwindet, Hoffnung siegt!

Drum, wie, stets zum Licht gewendet, Diese Sonnenrosen blüh'n, Blickt, von Strahlen ungeblendet/ Unser Auge stets auf Ihn!

Der die Lilien bekleidet, Döglein unterm Himmel nährt, Das verirrte Üanirirchen weidet Schutz dem scheuen Reh gewährt.

Denn es tont aus fernen Räumen, Singt zur Engelharmonie, Säuselt uns aus allen Bäumen : „Seid ihr nicht viel mehr als sie?" Arthur vom Nordstern.

Die Erscheinung an der Quelle.

Äort, im Gewölbe hoher Buchenschatten, An jenes heil'gen Brunnens *) Blumenrande, Lag ich und sann auf weichen Maien-Matten; Die Phantasie naht' mit dem Zauberbande, Und rückte mich auf Regenbogen-Schwingen Hinüber zu des Glaubens-Sonnenlande; Am Wunderquell, den würdig zu besingen, Der Barde glüht, und den an grauen Mauern Der Edlen Wappen brüderlich umschlingen: ) Der St. Elisabeth - Brunnen unweit Marburg.

Wo einst Elisabeth in Andachts-Schauern Vor Gott gekniet, — dort lag ich hingegossen, Den Liebling meiner Seele zu betrauern. Von Bildern, wie von Laubgewind', umschlossen, Von Phantasie'« der Vorzeit hehr umwoben, Von Lickt, wie Quellenfiuten, rings umflossen, Und diesem Erdenthale sanft enthoben, Stieg ich empor, und sieh', dem Hain' entschwebte Er Lichrgebild, das deutete nach oben. Und als mein Geist dieß zu erforschen strebte, Da ward mir klar des Winkes hohe Meinung, Da wußt' ich, was mein Herz so sehr belebte! Es war die Sehnsucht seliger Vereinung, Jetzt war des Geistes Innres ausgeschlossen, Und sankt entschwand dre himmlische Erscheinung. Mein Wesen, wie von Götterkraft umflossen, Ward kühn, zu trotzen jedem Schicksals-Schlage, Und wie der Hoffnung Schauer sich ergossen, Da strahlt' es hell, wie bei verjüngtem Tage; Es regte freier sich des Geistes Leben, Und Preis erwalrrgte der Schwermuch äUage.

Noch seh' ich Engel jenen Ort umschweben, Wo stille Opfer die Betrachtung bringet, Und Trost-Erscheinungen den Busen heben; Der Wonnedank des Feiernden durchdringet Des Haines Schattendom, die Säulenhalle, In deren Heiligthum mein Lied verklinget! — K. W. Iusti.

Jäger

und

Hirtin.

Wettgesang.

Er. Auf

Bergen und Heiden

Und lustigen Höh'n, Da blüh'n meine Freuden, Da lieb' ich zu geh'n; Da folg' ich den Hirschen Mit tödtendem Blei; Nur Jagen und Birschen, Macht muthig und frei.

Sie. Im Thal nur umfangen Mich Frohsinn und Lust; Da schweigt mein Verlange» In sehnender Brust; Auf blumiger (gebe* Im Lerchengefild, Umruht mich die Heerde Der Lammte so mild! — Er. Bei nächtlicher Stunde Dem Lager «ntflieh'n; Mit Iagdspies und Hunde Au Busche zu zieh'n; Den Gemsbock erreichen, Den Eber befieh'n — Wa- giebt« dem zu gleichen? War wäre so schön? Sie. In röthlichen Lenzen, Im sonnigen Thal,

Umspinn' ich mit Kränzen Manch hirtliches Mahl; Das prangende Mieder Mit Blüthen beschneit; Die lässigen Glieder Dom Westwind erfreut.' Er.

Das Echo zu wecken Durch (Stimme und Horn; Sich schlummernd zu strecken, Am rinnenden Born; — Den Luchs zu beschleichen Im Felsenverließ/ Umrankt von Gesträuchen — Wie loh'nend, wie süß i

Den Abend zu trinken Am duftigen Rain; Dem Trauten zu winken Zum Nachtigallhain; Oie Harfe. III,

Beim Ruf der Schalmeien Mit wallender Brust Zum Tanz sich zu reihen — Welch himmlische Lust!

Er. Schon Liebchen zu leiten Den Waldfleg entlang, Und Minne erbeuten In stürmischem Drang;

Sie. Am Treuen zu hangen, In schwellendem Kuß — O seel'ges Verlangen, O Göttergenuß l —

Cr. Mein Lieb' ist wohl ferne, Mein Wetdwerk vollbracht; Schon künden die Sterne Die liebende Nacht —

Sie.

Mein Kräuter ging schlafen Vom Schlummer berückt, Mit Hunden und Schafen In's Moosbett gedrückt! Er. Komm, Schönste, und kose Vertraulich mit mir! Schnell welket die Rose — Sie welket auch Dir! Sie. Die Rose verglühet Doch grünt noch ihr Reiß —

Das Leben entfliehet, Drum nütz' es mit Fleiß! Er. So laß Deine Herde, Laß Sorgen und Harm — Und sonder Gefährde Umfängt Drch mein Arm!

Sie. Versprich mich -u bergen. Bis morgen es tagt, Vor Zaubrern und Zwergen Und wüthender Jagd. Er. Ich will Dich umschließen In all meiner Wehr, Vor Zaubrern und Riesen Und wüthigem Heer. Bergein von der Haide Dom Thalwald herauf, Erreichten sich beide In freudigem Lauf. Wohl ruhte die Erde, Wohl ruhte das Meer, Und Hüter und Herde Und Tartsch und Gewehr; Doch die sich im Liede Stillliebend erkannt, Trug harmloser Friede In'S schönere Land. Fr. Krug v. Nidda.

D i e Lebensquelle.

den Bergen springt die Quelle, Will empor zum Himmel wallen, Sucht und kann den Weg nicht finden, Irrt mit jugendlicher Schnette; — Zu des Thales tiefen Gründen Soll sie von dem Berge fallen. Stürzend ringt sie, sich zu hatten, Braust von jeder Klippe wieder, Doch es drückt mit Schicksals-Watten, Sie die Hand der Schwere nieder. Unten fließt sie still, die Welle, Und die Götter sind versöhnet; Willig senkt sich Himmelshelle, Die die Friedliche verschönet; Die sich küssend zu ihr neiget, Und ihr nah aus hoher Ferne Sonn' und Mond im Arme zeiget, Und die ruhig gotdnen Sterne. G. A. H. Gramherg.

Die Gärten der Großen.

,Jff doch nicht freie Gotteswelt, Ist nur ein ärmliches Beginnen, Sind Bäum' in Reih' und Glied gestellt, Und Maulwurfshaufen mitten innen, Und Rasen laufend nach der Schnur, Ist armes Menschenhandwerk nur. Indeß, was nur Natur erschafft, In reicher Fülle zwanglos blühet,

Empor sich hebt mit voller Kraft, Und ohne daß ihr drum euch mühet, Mit Teppichen die Flur bedeckt, Und in Smaragden hin sich streckt. Ihr führt herbei den Wasserstrahl Mit langer Arbeit vieler Hände, Daß aus verborgenem. Kanal Er ferne kühle Gabe spende, Und treibt ihn wunderbar und kraus Aus seinem engen Bett heraus.

Saht ihr den Niagara schon? Vernahmt des alten Rhemes Toben? Saht ihr bis zu des Himmels Thron Den Geifer glühend dort erhoben? Erblicktet den Velins nie? Das Flutgebiet bei Tivoli? O! schweigt beschämt von Jenem nur. Was mühsam eure Kunst erzeuget, Wenn vor dem Nachtwerk der Natur Anbetend ihr die Kniee beuget, Und zwangt sie nicht in Fesseln ein; Nur frei kann Göttliches gedeih'» l Versailles isi3
So, Freundin! wünsch' ich Dir die schönen Zeichen Der Auferstehung liebevoll zu reichen.

Und wenn der Pfeil unausgesprochner Schmerzen Tief in der Seele Grund zu dringen strebt, Wenn bittres Weh sich regt im Mutterherzen, Und Dein Gemüth von Ahndung zitternd bebt.

Dann stammen noch des Glauben-*) Helle Kerzen/ Die Liebe blüht, die ew'ge Hoffnung lebt, Und an der Himmelfahrt geweihtem Tage Hebt sich der Geist mit kräft'germ Flügelfchlagk

Der Lebensfürst ist glorreich auferstanden Und hat bezwungen auch den letzten Feind, Entrungen hat er sich des Todes Banden Und herrschet nun, ein Gott, mit Gott vereint, Er zieht uns nach zu den gelobten Landen, In welchen nie ein Gottgeliebter weint; Da werden in der Schönheit Regionen Die Freunde mit der Freundin ewig wohnen.

Mesferfchmid. *) Fides, Caritas, Spes

im Innern des Ringes.

Sonnet.

Befangen von de- eignen Zaubers Band, Steht zweifelnd da die richtende Kamöne: Ob sie den Pinsel, ob die Saite kröne. Beseelt von ihrer Schwester Meisterhand. Denn was sie sprach, als sie das Höchste fand, Vernehmen wir in der Madonna Schöne; Und einen Engel zeigen diese Töne, Die Sprache aus der Geister Vaterland. Den Himmel finden, und nach ihm sich sehne n, Lehrt uns des Liedes hoher Siegeston, Lehrt uns der Seherblick, voll Wehmuthsthränen. Doch wird Dein Geist sich einst dem Staub entraffen, Und singst mit Engeln Du vor Gottes Thron; Dann findest dort Du, was Du hier ge­ schaffen.

Sonnet.

Aje Welt beschenkend, weißt Du zu entbehren, Und unterm Drucke wächst Dein freier Sinn; In Leiden seh' ich Dich als Siegerin, Seh' in dem Dunkel lichtvoll Dich verklären. Drum muß ich Deinen Sieg, Dein Leiden ehren; Drum neigt mein Herz sich zu dem Deinen hin; Doch Deines Streben- herrlichsten Gewinn Empfängst Du droben, in der Geister Sphären. Und wie Du Erd' und Himmel zart verbindest, In Deiner Schmerzen, Deiner Liebe Band, So werden, wenn, ein Engel, Du entschwindest, Sich beide zart und liebend Dir bewegen; Die Erde weint an Deines Grabes Rand, Es kömmt der Himmel lächelnd Dir entgegen. B.

An einen Klavierspieler.

Ä6le in des goldnen Frühlings hellen Tagen Die Maienglöckchen duftig uns umflüstern, Hör' ich so silbern dich den Flügel schlagen;

JOb schwere Sorgen auch den Geist umdüstern, Wie Zephyr kannst du ihn von hinnen tragen, Dem Kraft und Leichtigkeit sich mild verschwistern; Wie Abendlüftchen Blüthe niederstreuen Geh'n deine Traume durch der Töne Reihen.

An die Muse der Harfe.

>93enn deine Hände an die Saiten rühren, Als betetest du hin durch Sonnenstrahlen: Scheinst alte Bilder du emporzuführen, Es geh'n noch Glaub' und Lieb' in Erdenthaten,

Der Klang erschließt 6(6 Schreins vcrbllchne Thüren, Worin der Psalter ruht, dem Auge malen Sich Sänger auf dem regen goldnen Grunde, Mit Liedern süßer Lieb' und reicher Kunde.

An einen Flötenspieler.

„Wo Rose» blüh'n, da klagen Nachtigallen." Nach dem Persischen.

Äöie Rosen ihre weichen Düste gießen, Wenn sie -es Sehnsuchthauches Kuß berühret, Fühlt man der Flöte zart'fie Seel' entfließen, Wenn an die Lippen du sie hold geführetz In diesen Klangen wohnen alle Süßen, Die je ein Herz beseligt und verführet z Drum soll ein Kranz aus Rosen dich umwallen, Wo Rosen blüh'n, da klagen Nachtigallen! Jsidorus.

An Friedrich Freiherrn von Fouqu?.

3>nt Maiwaldschatten unter Nachtigallen, Am Felsenspring, in junger Eichen Runde/ Seltsam umtönt von heil'ger Sagenkurrde, Sah Fei und Elfen ich voruberwallen,

And riesig tauchen graue Ritterhallen Dielthurmig auf aus schauerlichem Grunde; Ruckschweift der Geist zu altgermanschem Bunde; Schlachthörner, Schilde hör' ich freudig schallen. O Heldensanger, seltne Wunderblumen Erschlossen sich in Vaterlandes Gauen, Seit uns dein Lied der Sagen viel gelichtet! Ja, was Du Edler uns zum Trost errichtet, Ein kindlich Herz mag gläubig ihm vertrauen, Still niedergeh'N in Deinen Heiligthumen! F. Krug von Nidda.

Der Frau HofrLthin Henriette Rochlitz. Am Vermählungstage igio.

ö daß ich Dich zuerst mit diesem Namen grüßte! Mir sagt'- mein Herz / daß der willkommne Ton Des frommen Sängers kleines Lied versüßte; Ein bräutlich Lächeln brächt' er mir zum Lohn l Zwar/ niit dem ersten Kuß, den Hoffnung küßte, Des Freundes Hoffnung, wardst Du unser schon; Doch herrlicher bist heute Du zu schauen, Die reizendste im Kranz der Dichterfrauen ! Im Osten ging die zarte Mäht' im Schwanger Die Rose liebte lang die Nachtigall; Entzündet von der Schönsten zum Gesänge Ward sie der Nächte zauberischer Schall; Und röther färbte sich der Rose Wange, Der Liebe Glück vernahm der Widerhall. Die holde Sage ist im rauhen Norden — Ich seh's entzückt — sie ist erfüllet worden. Die Harfe. III.

Und süßer noch wird nun das Lied ertönen, Das schmachtend sonst der Rose Liebe stahl. Dem Dichter nur gebührt die Huld des Schönen; Don ihm geliebt erscheint'- als Ideal. Drum soll man ihn nicht selbst mit Lorbern krönen; An fremder Glut entzündet sich sein Strahl; Die Liebe nur leiht ihm die schönsten Lieder, Was er empfing, giebt der Beglückte wieder. Doch Ihr theilt Alles! windet denn zusammen Den Lorber und der Liebe Mirtenreis. Gesang und Liebe, die von Oben stammen, Seid Ihr des Dichters und der Muse Preis. Glüht, Ihr Geliebten, wie vereinte Flammen, Entzündet an der Sonne Strahlenkreis; Man soll gleich Sternen,

die verbündet brennen,

Bei Friedrich Rochlitz, Henrietten nennen! F. Ä i n d.

Einer an

ihrem

Dichtersfrau, Geburtstage.

©en Priester in Apollo'S Tempelhalten, Deß Lieder süß und wundervoll ertönen, Dir ward's vergönnt, ihn holder noch zu krönen. Als jene Lorbern, die sein Haupt umwallen. Denn neidenswerth ist Dir ein Loos gefallen: Des Gängers Leben reizvoll zu verschönen; Ihn mit des Schicksals Tücken zu versöhnen Durch Deiner Liebe weiches Busenwallen. So möge denn, wie feines Liedes Flammen, Erlöschen nie der keuschen Fackel Glut, Die rein auf Deines Herzens Altar lodert; Bis einst der stillere Gott, mit ihr zusammen. Die Fackel senkt in Lethe's dunkle Flut, Und Euch hinauf zu schönern Freuden fodert^ L. M. B.

DeS

Dichters

Antwort.

Akrostichon.

8ie§ je der Gott mir süß die Saiten schallen, Melodisch hört' auch Dein Lied ich ertönen; Begeistert sangst du Wahres mit dem Schönen, Und stehst umlorbert in Apollo's Hallen. Ja, mild und freundlich ist Dein Loos gefallen; Sanft nahtest Du, der Treue Fest zu krönen; Cythere selbst, Dein Schicksal zu versöhnen, *) Hieß Deine Brust auch für die Freundschaft wallen. Erhebe denn Dein ?ied mit mir zusammen; Nach hohem Ziele führt Dich hoher Muth, Titanen schlägst Du, wenn Dein Geist es fodert! Hat auch der stille Gott verlöscht die Flammen, **) An Phöbus Strahl entzündet neue Glut Leicht jener Gott, deß Fackel doppelt lodert. •) **) Diese Stellen erhalten durch den Schluß des folgen­ den SonnetS, so weit nöthig, Erläuterung.

A. d. H.

Antwort auf vorstehendes Sonnet. Akrostichon.

§rel und edel, wie ein Held gesinnt, Ringend, sich das Höchste zu erstreiten. Jauchzt Dein Genius der Schwierigkeiten — Endet muthvoll, was er kühn beginnt. Doch für Deines Freundes Mängel blind Ehrst Du selber

feine Schattenseiten,

Reichst den frischen Lorberschmuck der Saite» Ihm, deß Kranze langst verblichen sind. Charis liebt, es lieben Dich die Musen, Hcv, und jeder Freude Hochgefühl Keimt und reist

in Deinem zarten Busen.

Jammervoll und früh zerrissen, trauert Nächtlich meines Lebens Saitenspiek, Durch das nur der Schwernutth Lispel schauert.

Charade. Der Frau Hofschauspielerin Schirmer, geb. Christ. Nach der Vorstellung am 30. Oktober isu*

5Benn je der schön're Theil von Deinem Wesen, Der meine zweite Sylbe leicht erkennt, Den alle Grazien und das Talent, Und jede Tugend sich zum Sitz erlesen, Wenn er, als ob die Himmlischen vergaßen, Daß er sich einst aus ihrem Chor getrennt, Gefahr besorgt, und was mein Erstes nennt, Sich wünscht, um von der Sorge zu genesen; Dann schwebe schnell mein Ganzes, solch ein Sylphe, Als gestern Dich zum Wunderspiel beseelt, Mein Erstes bietend, Dir herab zu Hülfe, Entferne Alles, was das Zweite quält, Und starke Dich, noch lang die Zaubereien, Die unsre Herzen fesseln, zu erneuen. Seyfried.

An

Frau

Henriette

Schütz-HLndel,

nach einigen dramatischen Darstellungen.

Es ist die Kunst ein hrldenmüthig Streb«»/ Da» Höchste zu erschaffen für da- Lebe«/ Der Formen spröde Stoffe zu bezwingen/ Dem Rohen kühn da» Zarte abzuringen. Und daß die irdisch ungeflalte Masse Verherrlicht nun der frohe Sinn erfasse/ So blüht im Reich der Farben und der Töne Vollendet da- Erhabene und Schöne. So hat e» sich int' Genius entzündet; So hat es Deine Lippe uns verkündet! Vermocht hast D»/ in schöpferischen Bildem De» Sänger« reiche Kräfte un» zu schildern. Und al« du sprachst, da lächelten die Muse«/ Und höher schwoll der sanft bewegte Busen, Und stärker schlug da« Herz für Deutschlands Ehre, Daß Göthe ihm, daß Schiller ihm gehöre. W.

A n

. . . .

Vor einer Vorstellung des Barbiers von Sevilla/ am 8. November 1794.

Ei ja! das fehlte noch zum Unglück meiner Tage, Dich Almaviva's Rolle spielen seh'n! Es ist wohl ohnehin schon so um mich geschehn, Daß ich mich oft mit gittern frage, Wie wird's am Ende noch ergeh'n? — Wir Dichter sind hierinnen übler dran, Als andre Wesen unsers Gleichen; Legt jemand nur bei uns ein Fünkchen Feuer an, Gleich pflegt die Glut das Sparrwerk za erreichen. Und eh' dann noch, geweckt durch lichterlohe Flammen, Die Weisheit, die ohn'dem sich gern etwas verweilt. Herbei mit ihrem Eimer eilt, Stürzt schon das ganze Haus zusammen! — So mqg ein Andrer denn im Bader von Seville Dich, liebe Gräfin, glänzen sehn.

Was mich betrifft, so will ich in der Stille Au meinem Fabeldichter geh'n. Mehr werth, als Kants Philosophie, Sind immer Fabeln mir gewesen, Und ans den Montag will ich die Vom Licht und von der Mücke lesen. Hauswald.

Die Harfe.

III.

26

In der Meißner Gegend Stammbuchblatt.

Ziehende Schiffe Zwischen den Bergen so grün, Ihr südlich blühenden Gitter Vor de» Strome» Silberblau, Alte Burg du Auf der Eichenhöh', Dom Thurm noch grüßend der Ritter, An den Bergen hinauf Mokgenverklarung, Jur Landschaft nieder Abendschein, Und ihr lieben Gestalten, Die ihr umschwebtet den Pilger, Wie seiner Sonne Strahl, Grüß' euch, grüß' euch tausendmal!

1812. Isidoru».

's t e t M

tl/ttl

s cs-

Den Lesern und Freunden der Harfe glaubt der Verleger auch nachstehende in diesem Jahre bei ihm erschienene Werke empfehlen zu dürfen: Die Schuld.

Trauerspiel

in vier

Akten von Adolph Müllner. Auf Schrbp. gebunden mit l Kupfer i Thlr. 8 Gr. Auf geglättetem Velinpapier in Atlas gebunden 2 Thlr. 16 Gr. Das Verlangen, diese ergreifend schone Tra­ gödie gedruckt zu sehen, von der seit ihrer ersten Erscheinung auf der Bühne alle Tageblätter spre­ chen, war so allgemein, daß es uns nur der An­ zeige zu bedürfen scheint, daß dieselbe in einem äußern Gewände erschienen ist, das ihrem innern Gehalte entspricht;

besonders

die Ausgabe auf

Velinpapier ist sehr schon und eignet sich ganz zu einem geschmackvollen Geschenke. Johannes,

ein

Drama

von

F. A.

Krummacher, gr. 8. 1815. mit einem schönen Titelkupfer. Schrbp. i Thlr. 20 Gr. Drckp. i Thlr. 12 Gr. Der Verfasser dieses dramatischen Gedichtes, und die liebliche und geistreiche Welse, mit wel­ cher er besonders religiöse Stoffe glücklich behan­ delt, sind der gebildeten Welt hinreichend bekannt, und es bedarf hier nur noch der Versicherung, daß ein Publikum, welches die Weltbeqebenheiten und den Kampf des Lichtes und der Finsterniß, der frommen Deutschheit und des heidnischen Welscbthums mir religiösem Sinn betrachtet, auch durch

diese Darstellung eines solchen herrlichen, siegrei­ chen Kampfes innig angezogen, erfreuet und er­ hoben werden wird. Erzählungen für unverdorbeneFamkLien. 8. ir—ior B. brosch. 8 Thl. i6Gr. Der erste Band enthält einige liebliche Erzäh­ lungen von dem leider! zu früh verstorbenen Carl Graß und einige andere von seinem Freunde Bergmann, meist kräftige, biedere Worte, dieser Band ist auch einzeln zu haben. Die Fort­ setzung entstand aus dem Wunsche mehrerer Lieb­ haber einer angenehmen und schuldlosen Unterhal­ tung, die Zeitschriften Journal für Frauen, sowie die Fortsetzung derselben Selene (1805 bis 1808) zu einem niedrigern Preise kaufen zu können, und enthält nichts anders als diese; darin aber eine vortreffliche Auswahl von Erzählungen und Gedichten, die dem Titel, den sie führen­ gewiß entsprechen. Lieder aus der Fremde. Von sächsi­ schen Streitern während der Tren­ nung vom Vaterlande gesungen. Schweizerpap. brosch. 1 Thlr. Druckpap. brosch. 16 Gr. Wir dürfen annehmen, daß diese kleine Samm­ lung nicht blos den sächsischen Landsleuten der edeln Sänger eine willkowmne Gabe ist. Jedes fühlende Herz wird sich eines Vereines freuen, aus dem solche Schöpfungen flössen, und selbst der Kunstrichter wird das Buch nicht unbefriedigt aus der Hand legen. —