Die Geschichte der Technischen Hochschule in Wien 1914-1955: Verdeckter Aufschwung zwischen Krieg und Krise (1914-1918) 9783205202202, 9783205201311

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Die Geschichte der Technischen Hochschule in Wien 1914-1955: Verdeckter Aufschwung zwischen Krieg und Krise (1914-1918)
 9783205202202, 9783205201311

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Technik für Menschen 200 Jahre Technische Universität Wien, herausgegeben von Sabine Seidler Band 1/1

Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

DIE GESCHICHTE DER TECHNISCHEN ­H OCHSCHULE IN WIEN 1914–1955 Teil 1: Verdeckter Aufschwung zwischen Krieg und Krise (1914–1937)

THE TECHNISCHE HOCHSCHULE IN VIENNA 1914–1955 Part 1: Hidden Growth between War and Crisis (1914–1937)

2016 BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Hauptgebäude der k. k. Technischen Hochschule in Wien, 1895 Foto: C. H. Hassack © 2016 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co.KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, 1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Übersetzung: Word Up!, LLC Korrektorat: Kathrin Wojtowicz, Wien Graphisches Konzept: Büro mit Aussicht Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20131-1

INHALTSVERZEICHNIS TABLE OF CONTENT VORWORT DER REKTORIN FOREWORD FROM THE RECTOR

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EINLEITUNG INTRODUCTION

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Expansion und ­Reformbedarf The Need for Expansion and Reform

Paulus Ebner IDEOLOGISCHE GRÄBEN: STUDENTISCHE POLITIK 1925–1933 IDEOLOGICAL RIFTS: STUDENT POLITICS 1925–1933

Juliane Mikoletzky FORTSCHRITT MIT HINDERNISSEN. DIE K. K. TECHNISCHE HOCHSCHULE IN WIEN ZU BEGINN DES 20. JAHRHUNDERTS PROGRESS WITH ROADBLOCKS. THE IMPERIAL ROYAL TECHNISCHE HOCHSCHULE IN VIENNA AT THE BEGINNING OF THE 20TH CENTURY 17 Juliane Mikoletzky EIN KRIEG DER INGENIEURE? DIE WIENER „TECHNIK“ UND DER ERSTE WELTKRIEG A WAR OF ENGINEERS? THE VIENNA “TECH” AND WORLD WAR I 29 Verdeckter Aufschwung zwischen Krieg und Krise Hidden Growth Between War and Crisis Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner ÜBERGÄNGE UND RAHMENBEDINGUNGEN: DIE TH IN WIEN ZU BEGINN DER ERSTEN REPUBLIK TRANSITIONS AND GENERAL CONDITIONS: THE TH IN VIENNA AT THE START OF THE FIRST REPUBLIC

Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner POLITIK UND HOCHSCHULAUTONOMIE: LEHRENDE UND STUDIERENDE 1918–1925 POLITICS AND ACADEMIC AUTONOMY: TEACHERS AND STUDENTS, 1918–1925

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Weltwirtschaftskrise und Austrofaschismus The World Economic Crisis and Austrofascism Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner FINANZIELLE AUSZEHRUNG UND POLITISCHE REPRESSION: DIE TECHNISCHE HOCHSCHULE IN WIEN IM „STÄNDESTAAT“ 1933–1937 FINANCIAL ATTRITION AND POLITICAL REPRESSION: THE TH IN VIENNA IN THE STÄNDESTAAT, 1933–1937 133 VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN INDEX OF AUTHORS

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BILDNACHWEIS PHOTO CREDITS

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Inhaltsverzeichnis  | 5

VORWORT DER REKTORIN FOREWORD FROM THE RECTOR Die Technische Universität Wien, gegründet am 6. November 1815 als k. k. Polytechnisches Institut, feiert ihren 200. Geburtstag. Ihre institutionellen Wurzeln liegen im Bereich der militärischen und gewerblich-technischen Fachschulen, die in ganz Europa seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden. Hintergrund dieser Neugründungen war ein wachsender Bedarf der staatlichen Verwaltungen, des Militärs und der Wirtschaft an Fachkräften mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung. Heute sind wir eine moderne Forschungsuniversität. Mehr als 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, forschen und lehren an Österreichs größter naturwissenschaftlich-technischer Forschungs- und Bildungseinrichtung. Voraussetzung für eine weiterhin erfolgreiche Weiterentwicklung der TU im Spannungsfeld von Forschung, Lehre und Innovation ist ein Forschungsumfeld, das qualitativ hochwertige Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung gleichermaßen fördert. Diese Ausgewogenheit, fokussiert in fünf Forschungsschwerpunkten, ist aktuell unser Erfolgsrezept. Dazwischen lagen Jahre der fachlich-inhaltlichen Ent­ wicklung, getriggert durch den steigenden Bedarf an Technikern und vermehrt auch Technikerinnen, allerdings auch motiviert durch gesellschaftliche und politische Prozesse, die kritisch zu betrachten sind. In der aktuellen universitätspolitischen Auseinandersetzung nimmt die Diskussion um die gesellschaftliche Verantwortung der Universitäten wieder einen breiten Raum ein, eine Verantwortung, der wir in der Vergangenheit nicht immer gerecht geworden sind. Die TU Wien hat sich das Motto „Technik für Menschen“ gegeben, ein Signal nach innen und nach außen, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst und auch bereit sind, diese zu übernehmen. Sabine Seidler Wien, im September 2015

The TU Wien, founded on 6 November 1815 as the k.k. polytechnisches Institut (Imperial Royal Polytechnic Institute), is celebrating its 200th anniversary. The roots of the institution are the military and commercial-technical vocational schools that have existed across Europe since the beginning of the 18th century. These schools were founded to address the growing need in public administration, the military, and economics for skilled workers with an educational background in technology and the natural sciences. Today, the TU Wien is a modern research university. More than 4,500 employees work, research, and teach at Austria’s largest institution for research and education in the natural sciences and engineering. A prerequisite for the continued success of the TU Wien’s further development in the fields of research, teaching, and innovation is a research environment that equally encourages high-quality fundamental and application-oriented research. This balance, focused in five main research areas, is our current recipe for success. In the meantime, years of focussing on specialised content development have passed, triggered by a growing demand for technicians both male and female, although this has at times been driven by societal and political processes that must be regarded with a critical eye. The discourse surrounding the societal accountability of universities holds a key position in current university policy discussions; an accountability that we have not always lived up to in the past. The TU Wien chose the motto “Technology for people” as an internal and external signal of our awareness of accountability and of our willingness to assume responsibility. Sabine Seidler Vienna, September 2015

Vorwort der Rektorin | 7

EINLEITUNG INTRODUCTION Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war für Ös­ terreich eine Periode tiefgreifender Umbrüche: Zwei Weltkriege, mehrere politische Systemwech­ sel einschließlich des vorübergehenden Verlustes der staatlichen Eigenständigkeit, Wirtschafts- und Währungskrisen, aber auch ein beschleunigter tech­ nologischer Wandel führten zu massiven gesell­ schaftlichen Veränderungen. Jeder einzelne dieser Aspekte hat seine Spuren auch im Bildungssystem des Landes hinterlassen und damit die Entwicklung der TU Wien – damals noch (k.​k.) Technische Hoch­ schule in Wien – unmittelbar beeinflusst. Nicht we­ nige Strukturmerkmale, die die TU Wien heute noch prägen, wurden in diesen Jahren grundgelegt. Dennoch ist über die Geschichte der TU/TH Wien in dieser Zeit erstaunlich wenig bekannt. Das mag zum Teil daran liegen, dass die Geschichte der technischen Bildung und ihrer Institutionen in Österreich immer noch ein Stiefkind der Forschung ist, zumal die systematische wissenschaftliche Reflexion über die eigene Geschichte an den österreichischen Universitäten technischer Richtung kaum organisatorisch verankert ist. Aber im Falle der TU Wien haben auch die klassischen Anlässe institutioneller Selbstvergewisserung und Betrachtung der eigenen Vergangenheit, die jeweiligen „runden“ Bestandsjubiläen, wenig zur Erhellung ihrer Geschichte im 20. Jahrhundert beigetragen. Selektive Erinnerung: Die Geschichte der TU Wien im Spiegel ihrer Jubiläen Tatsächlich scheinen die Jubiläen der TH in Wien bzw. der TU Wien meist unter keinem besonders guten Stern gestanden zu sein, eine besondere „Erinnerungskultur“ hat sich daher nicht entwickelt. So wurde eine Feier des

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The first half of the 20th century was a period of pro­ found changes for Austria: Two World Wars, sever­ al political system changeovers including a tempo­ rary loss of state autonomy, economic and currency crises, and accelerated technological change came together to bring about massive changes in soci­ ety. Each one of these aspects also left its mark on the country’s educational system and therefore had direct influence on the development of the TU Wien – still known as the (Imperial Royal) Techni­ sche Hochschule at the time. Quite a few structural characteristics, which continue to influence the TU Wien today, were established during these years. Nevertheless, there is a surprising amount of ignorance about the TU/TH Wien’s history during this time period. This may partially be due to the fact that the history of technical education and its institutions in Austria is still the “red-headed stepchild” of research, especially since systematic academic reflection on Austrian technical universities’ own history is barely grounded in their organisation. But in the TU Wien’s case, even the classic occasions of institutional self-assurance and contemplation on its own past, each of the “great” anniversaries, have done little to illuminate its 20th century history. Selective Memory: The History of the TU Wien as Mirrored by its Anniversaries In reality, the TH in Vienna/TU Wien’s anniversaries had not seemed to go well for the most part. Therefore, a “culture of remembrance” was not developed. A celebration of the Imperial Royal Polytechnic Institute’s 50th anniversary in Vienna was briefly discussed in 1865, but soon rejected since there were fears of it being overshadowed by the University of Vienna’s 500-

50jährigen Bestandes des k. k. polytechnischen Instituts in Wien im Jahr 1865 zwar kurz diskutiert, jedoch bald verworfen, weil man fürchtete, damit im Schatten der 500-Jahr-Feierlichkeiten der Universität Wien unterzugehen.1 Anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums der nunmehrigen k. k. Technischen Hochschule in Wien 1890 gab der neu gewählte Rektor des Jahres 1890/91, Josef Finger, in seiner Inaugurationsrede zwar, abweichend von der üblichen Thematik einer solchen Ansprache, einen Überblick über die bisherige Geschichte der Hochschule, besondere Feierlichkeiten waren aber nicht vorgesehen.2 Dies sollte anlässlich der 100-Jahr-Feier 1915 umso ausgiebiger nachgeholt werden: Die Vorbereitungsarbeiten dafür begannen bereits 19113 – der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 machte jedoch fast alle Planungen zunichte. Nur die von Joseph Neuwirth, einem im Geist des Positivismus ausgebildeten Kunsthistoriker, herausgegebene Festschrift, die bei Kriegsausbruch schon sehr weit gediehen war, konnte doch noch erscheinen. Inhaltlich ist sie, verständlicherweise, ganz auf die Geschichte der Hochschule im 19. Jahrhundert ausgerichtet, die Entwicklungen des beginnenden 20. Jahrhunderts und insbesondere der Krieg wurden zwar erwähnt, entzogen sich jedoch einer weitergehenden Beurteilung, zumal der Kriegsverlauf damals noch in keiner Weise abzusehen war.4 In einer ähnlichen Situation fand sich die TH in Wien, trotz völlig veränderter politischer Rahmenbedingungen, 1940, im 125. Jahr ihres Bestandes wieder: Die „Ostmark“ stand wiederum im zweiten Jahr eines Weltkriegs, und die verfügbaren Mittel waren knapp. Zwar gab es eine – für die Kriegszeit sogar recht opulente – Jubiläumsfeier5 und es erschien sogar, wenn auch erst post festum 1942, eine recht schmale Festschrift.6 Auch sie, stark chronikalisch angelegt, hat den Schwerpunkt ihrer Darstellung im 19.  Jahrhundert und fokussiert zudem auf die technisch-wissenschaftlichen Leistungen der Angehörigen des Hauses. Der Autor, der Professor für Mechanik Alfred Lechner, der sich auch unabhängig von dem Jubiläum sehr für die Geschichte der TH Wien und der technischen Wissenschaften interessierte, folgte damit den Anforderungen, die der Historiker Franz Schna-

year anniversary.1 On the occasion of the Imperial Royal Technische Hochschule’s 75th anniversary in 1890, the newly elected Rector for 1890/91, Josef Finger, gave an overview of the institution’s history up to that point, deviating from the usual topics for such speeches. A special celebration, however, was not planned.2 This would later be extensively made up for on the occasion of the 100th anniversary celebration in 1915. Preparations began as early as 19113 – however, the outbreak of World War I in 1914 put a stop to virtually all plans. Only the commemorative publication written by Joseph Neuwirth, an art historian trained in the spirit of positivism, and which was already quite advanced by the time the war broke out, could be published. Understandably enough, its content was entirely tailored towards the history of the Hochschule in the 19th century. The developments of the early 20th century and, in particular, the war were indeed mentioned, but at the time they could not be subjected to a more extensive assessment, especially since the course of the war could not have been foreseen in any way at the time.4 Despite a completely altered political framework, the TH in Vienna found itself in a similar situation in 1940 on the occasion of its 125th anniversary: The “Ostmark”, again, was in the second year of a World War, and there were barely any funds available. There was a single anniversary celebration – almost downright opulent for wartime –5 and there was even a slim commemorative publication, which was not published until 1942 post festum.6 This publication, mostly written in an annalistic style, also focused on depicting the 19th century, as well as highlighting the university members’ technical and scientific achievements. The author, Professor of Mechanics Alfred Lechner, was, even beyond the occasion of the anniversary, highly interested in the history of the TH Wien and the technical sciences, and met the standards that historian Franz Schnabel had set for the history of a technical college.7 A full 20 of the 252 pages of the works were dedicated to the TH in Vienna’s “General History” from 1918 to 1940, following the Nazi ideology in its interpretation of events, labelling Austria’s Anschluss and the TH in Vien-

Einleitung  | 9

bel an die Geschichte einer technischen Hochschule gestellt hatte.7 Der „allgemeinen Geschichte“ der TH in Wien von 1918 bis 1940 werden in einem Schlusskapitel ganze 20 der insgesamt 252 Seiten des Werks gewidmet, die in ihrer Deutung der Ereignisse den Vorgaben der NS-Ideologie insofern folgen, als der „Anschluss“ Österreichs und die Eingliederung der TH in Wien in das reichsdeutsche Hochschulsystem als Ziel und Höhepunkt der Entwicklung apostrophiert werden.8 Somit konnte die TH in Wien erst 1965 erstmals die Gelegenheit wahrnehmen, mit der Feier ihres 150jährigen Bestandes ein Jubiläum mit einem umfangreichen Festprogramm zu begehen, zu dem wiederum die Veröffentlichung einer, nunmehr dreibändigen, Festschrift gehörte.9 Auch sie spiegelt den damaligen „Zeitgeist“ wider: Zusammengestellt am Ende einer stark restaurativen Ära der österreichischen Hochschulgeschichte, firmiert hier wiederum einerseits die Geschichte des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Gründungsperiode des k. k. polytechnischen Instituts, andererseits werden die Aufbauleistungen und Errungenschaften der Hochschule in den zwanzig Jahren nach Kriegsende gefeiert. Weder die Ereignisse des Ersten noch jene des Zweiten Weltkriegs, weder die Jahre der Ersten Republik und des Ständestaates noch jene der nationalsozialistischen Ära werden explizit thematisiert, sondern allenfalls kursorisch und oft in verharmlosender oder beschönigender Weise angesprochen.10 Dies entsprach durchaus dem damaligen allgemeinen Umgang mit der jüngeren Vergangenheit und unterschied sich nicht von der Haltung anderer Universitäten, die damals ein Jubiläum begingen.11 Dies wird nachvollziehbar, wenn man sich klar macht, dass die Mehrzahl der damaligen Angehörigen des Professorenkollegiums der TH in Wien den Ersten Weltkrieg und die Zwischenkriegszeit, alle jedoch die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg miterlebt hatten und in unterschiedlicher Weise und Intensität in die Geschehnisse involviert gewesen waren.12 Keiner von ihnen konnte ernsthaft Nicht-Wissen für sich geltend machen – aber gerade dies verhinderte eine offene Diskussion der jüngeren Vergangenheit. Die Tatsache,

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na’s integration into the German Reich’s college system as the goal and height of its development.8 Only in 1965, the TH in Vienna was able to take, for the first time, the opportunity to celebrate its 150-year anniversary with a comprehensive festive programme, includeding a three-volume commemorative publication,9 which was likewise a reflection of the spirit of the times. Compiled at the end of a strongly restorative era of Austrian university history, it delineates the history of the 19th century, the founding period of the Imperial Royal Polytechnic Institute in particular, and celebrates the college’s development work and achievements during the 20 years after the end of the last war. Neither the events of the First nor the Second World Wars, nor the years of the First Republic and the “Ständestaat” and of the Nazi era are explicitly discussed; at most, they are addressed in a cursory and often trivialising or euphemistic manner.10 This was very much in conformity with the general handling of the recent past at the time and did not differ from how other universities handled their anniversary celebrations back then.11 It becomes understandable when one realises that the majority of the former members of the TH in Vienna’s Council of Professors had witnessed the first World War and the inter-war period, and all of them had lived through the Nazi era and the second World War and had been involved in the events in many ways and to various extents.12 None of them could seriously claim ignorance – which was precisely what prevented an open discussion of the recent past. The fact that the Council of Professors entrusted, of all people, Heinrich Sequenz, the last Nazi Rector at the TH in Vienna (1942 – 1945) and again Professor at the university since 1954, with publishing the commemorative volumes may be regarded as programmatic in this light. The same holds true for the establishment and festive unveiling of a memorial for the TH in Vienna’s World War II victims and the creation of a corresponding “remembrance book”: Both were also initiated in conjunction with the 150-year anniversary, where the listed causes of death for university members was shortened to “war events”.13 This acknowledgement of war losses

Abbildung1: Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Figure 1: Memorial for the dead of the First World War.

Abbildung2: Denkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Figure 2: Memorial for the dead of the Second World War.

dass das Professorenkollegium ausgerechnet Heinrich Sequenz, den letzten NS-Rektor der TH in Wien (1942– 1945) und seit 1954 wieder Professor an der Hochschule, mit der Herausgabe der Festschrift betraute, kann in diesem Licht geradezu als programmatisch angesehen werden. Das Gleiche gilt für die Errichtung und feierliche Enthüllung eines Denkmals für die Gefallenen des Zwei-

also served to disguise the true causes for the many victims of the Nazi regime. Even the TU Wien’s 175th anniversary celebration in 1990 still had the usual idea of focusing on the institution’s early days and celebrating the university’s current achievements.14 The stories of the first half of the century were not seen at all in this approach. Neverthe-

Einleitung  | 11

ten Weltkriegs aus den Reihen der Angehörigen der TH in Wien und die Schaffung eines entsprechenden „Gedenkbuches“: Beides wurde ebenfalls im Zusammenhang mit dem 150-Jahr-Jubiläum initiiert, wobei die Ursachen für den Tod der Hochschulangehörigen auf das Kriegsgeschehen verengt wurden.13 Damit fungierte die Anerkennung der Kriegsverluste zugleich als Verschleierung der wahren Ursachen für die Opfer des NS-Regimes. Auch für die Jubiläumsfeierlichkeiten der TU Wien zum 175jährigen Bestehen 1990 findet sich noch das gewohnte Bild der Fokussierung auf die Frühzeit der Institution einerseits und die Feier der aktuellen Leistungen der Universität andererseits.14 Die Geschichte der ersten Jahrhunderthälfte kam bei diesem Ansatz gar nicht erst in den Blick. Dennoch hatte sich inzwischen das gesellschaftliche Klima in Österreich deutlich verändert. Die Geschichte der TU Wien im 20. Jahrhundert: Ansätze zu einer Erinnerungskultur Es sollte erst der „Waldheim-Affäre“ und des „Bedenkjahres“ 1988 bedürfen, bis die österreichische Gesellschaft und mit ihr die Hochschulen begannen, sich intensiver mit ihrer Geschichte in der NS-Zeit und der entsprechenden Vorgeschichte zu befassen.15 An der TU Wien setzte die Arbeitsgruppe „Technik und Faschismus“ der Hochschülerschaft mit einem Symposium zu diesem Thema am 6. Mai 1988 im Festsaal der TU Wien einen ersten Schritt, der jedoch vorerst ohne weitere Auswirkungen blieb.16 Am 22. Juni 1995 wurde im ersten Hof des Hauptgebäudes der TU Wien eine Gedenktafel für die „Opfer von Rassismus und Faschismus“ enthüllt, wobei die Anregung dazu wiederum auf die HTU zurückging; die Finanzierung wurde vom damaligen „Verband der Freunde der TU Wien“ mit einer namhaften Summe unterstützt. Begleitet wurde die Enthüllung von einer Podiumsdiskussion am 21. Juni zum Thema „Die Verantwortung der Universitäten für die Verhinderung von Faschismus und Rassismus“.

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less, something in the Austrian societal climate had now changed significantly. The History of the TU Wien in the 20th Century: Approaches to a Commemorative Culture Generally speaking, it wasn’t until the “Waldheim affair” and the 1988 “commemorative year” when Austrian society, and along with it the institutions of higher education, began to address their history during the Nazi era and the accompanying events leading up to it more seriously.15 At the TU Wien, on 6 May 1988, a student work group on “Technology and Fascism” took the initial step with a symposium on the topic in the TU Wien’s ceremonial hall, a step that nonetheless did not have an effect for the time being.16 On 22 June 1995, a commemorative plaque for the “victims of racism and fascism” was unveiled in the courtyard of the TU Wien’s main building; this was done, again, on the initiative of the TU Wien Student Union (HTU) and was funded with a considerable sum by what was then the “Association of Friends of the TU Wien”. The unveiling was accompanied by a podium discussion on 21 June on the topic of “Universities’ Responsibility in Preventing Fascism and Racism.” In 1999, once more at the suggestion of the Student Union, the TU Wien Senate commissioned a research project on the history of the TU Wien during the Nazi era, funded by the then BM:BWK (Federal Ministry of Education, Science, and Culture) and carried out by TU Wien Archives in 2001 – 2003 (Director: J. Mikoletzky, Research Associate: Werner M. Schwarz). The project’s results were presented at an exhibition of the archives in 2003 at Prechtl Hall, accompanied by a brochure.17 These results form a fundamental basis for these two sub-volumes of the current commemorative publication. In addition, over the last 20 years, members of the archive’s academic staff have published numerous articles on various individual aspects of the TU Wien’s history in the 19th and 20th century.18 In the 2012/13 winter semester, a seminar was held on the history of the TH in Vienna under National So-

1999 beauftragte der Senat der TU Wien, wiederum auf eine Anregung der HTU hin, ein Forschungsprojekt zur Geschichte der TH in Wien in der Zeit des Nationalsozialismus, das mit einer Förderung durch das seinerzeitige BM:BWK vom Archiv der TU Wien in den Jahren 2001–2003 durchgeführt wurde (Leitung: J. Mikoletzky, wiss. Mitarbeiter: Werner M. Schwarz). Die Ergebnisse des Projekts wurden u. a. im Rahmen einer Ausstellung des Archivs 2003 im Prechtl-Saal präsentiert und eine Begleitbroschüre dazu verfasst.17 Sie bilden eine wesentliche Grundlage der vorliegenden Teilbände der Festschrift. Darüber hinaus haben die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs in den letzten 20 Jahren zahlreiche Beiträge zu einzelnen Aspekten der Geschichte der TU Wien im 19. und 20. Jahrhundert veröffentlicht.18 Im Wintersemester 2012/13 wurde unter Mitwirkung des Archivs an der TU Wien ein Seminar zur Geschichte der TH in Wien im Nationalsozialismus abgehalten, im Rahmen eines universitätsübergreifenden Projekts der Österreichischen HochschülerInnenschaft, dessen Ergebnisse ebenfalls publiziert wurden.19 Es ist also doch Einiges geschehen in den letzten Jahren, das zu einer genaueren Beurteilung der Geschichte der TH in Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beitragen kann, und das den Versuch einer zusammenfassenden Darstellung unserer bisherigen Kenntnisse rechtfertigt. Dabei hat sich immer wieder erwiesen, dass ein Verständnis der Geschichte der Hochschule in der NS-Zeit ohne den Rückblick auf die Situation der vorangegangenen Jahrzehnte bis hin zum Ersten Weltkrieg, dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, nicht möglich ist. Das gilt nicht nur für die politische Geschichte, sondern auch für die Geschichte der Entwicklung der Hochschulen als Lehr- und Forschungsanstalten und für die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie. Daher werden wir diesen Zeitraum mit in unsere Darstellung einbeziehen. Der erste Teilband wird die Geschichte der (k. k.) Technischen Hochschule in Wien vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ende der Ersten

Abbildung 3: Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus an der TH Wien im 1. Hof des Hauptgebäudes. Figure 3: Commemorative plaque for the Nazi victims of the TH Wien in the first courtyard of the Main Building.

cialism, assisted by the TU Wien Archives, as part of an inter-university project by the Austrian Students’ Union, the results of which were also published.19 So we may state that in recent years, there have been several developments that have led to a more precise assessment of the history of the TH in Vienna during the first half of the 20th century, and which justify the attempt to provide a summarised description of our present knowledge. Time and time again, it has become obvious that the history of the university during the Nazi era cannot be understood without looking back at the situation in the decades leading up to World War I, the “great seminal catastrophe of the 20th century”. This not only applies to political history, but also to the history of the Hochschulen as teaching and research institutes and for the development of science and technology.

Einleitung  | 13

Republik umfassen, der zweite Teilband die Periode vom „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich bis zur Wiedergewinnung der staatlichen Selbständigkeit mit dem Staatsvertrag 1955 und damit bis zum Ende der eigentlichen „Nachkriegszeit“. Für die österreichischen Hochschulen beinhaltet dies den Abschluss der „Entnazifizierung“ und das Ende der Rekonstruktion des Lehrkörpers, den Abschluss der eigentlichen Wiederaufbauphase und den Eintritt in den „Kalten Krieg“, der auch und gerade für die technische Forschung von Bedeutung werden sollte. In organisationsrechtlicher Hinsicht erhielten die österreichischen Hochschulen mit dem HOG 1955 erstmals eine einheitliche rechtliche Grundlage – für die TH in Wien speziell bedeutete dies das endgültige, auch formale Ende der Gültigkeit des Organisationsstatuts von 1872 und damit eigentlich erst den tatsächlichen Abschluss des 19. Jahrhunderts. Es scheint also aus mehreren Gründen sinnvoll, mit dem Jahr 1955 eine Zäsur zu setzen. Wir sind uns bewusst, dass wir in unserer Darstellung kein abschließendes Bild geben können – zu viele Fragen bleiben noch immer offen; wenn wir damit Ausgangspunkte für weitere Forschungen anbieten können, wäre unser Ziel erreicht. Zum Zustandekommen der hier präsentierten Ergebnisse haben viele mit beigetragen: In erste Linie ist hier Werner Michael Schwarz zu danken, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojekts zur TU Wien im Nationalsozialismus durch seine Recherchen ganz wesentliche Ergebnisse erarbeitet hat. Wir bedanken uns auch bei vielen unserer Archivbenutzer und -Benutzerinnen, die uns durch ihre Anfragen oft auf das Schicksal von Personen, die in jener Zeit Hörerinnen und Hörer oder Angehörige der Hochschule waren, aufmerksam gemacht haben. Schließlich bedanken wir uns auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Archivs, die bei der Vorbereitung von Ausstellungen zum Thema durch Recherchen, Restaurierungen und die Anfertigung von Reproduktionen unverzichtbare Unterstützung geleistet haben. Wien, im September 2015 Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

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Therefore, we will include this time period in our description. The first sub-volume will cover the history of the (Imperial Royal) Technische Hochschule in Vienna from the beginning of the 20th century to the end of the First Republic; the second sub-volume will include the period from Austria’s Anschluss to the German Reich to the reclamation of state sovereignty with the 1955 treaty, and up to the end of the current “post-war period”. For Austrian universities, this included the end of “de-nazification”, the end of teaching staff reconstruction, the end of the actual reconstruction phase, and the beginning of the Cold War, which carried highly important implications for technical research. From an organisational law standpoint, the 1955 College Organisation Act (HOG 1955) gave Austrian Hochschulen a uniform, legal basis for the first time – for the TH in Vienna, this specifically meant the definitive and formal end of the 1872 Organisation Statute’s validity and along with it the actual end of the 19th century. For a lot of reasons, it made sense to set a turning point in 1955. We are aware of the fact that it is not possible to provide a conclusive picture in our description – too many questions still remain unanswered. However, if we can even provide starting points for additional research, then our objective would be met. Many have contributed to the results presented here. First and foremost, we would like to thank Werner Michael Schwarz who, as a Research Associate of the Research Project on the TU Wien in National Socialism, has produced crucial findings. We would also like to thank many of our archive users who, through their inquiries, have often called our attention to the fate of people who, at that time, were students or members of the college. Finally, we also wish to thank the archive employees, who have provided indispensable help in preparing exhibitions on the topic through research, restoration, and the manufacture of reproductions. Vienna, September 2015 Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

Anmerkungen/Notes 1 Joseph Neuwirth (Hg.), Die k. k. Technische Hochschule in Wien 1815–1915, Wien 1915, 277ff. 2 Josef Finger, Fünfundsiebzig Jahre des Bestandes der Wiener k. k. Technischen Hochschule. In: Inaugurationsbericht 1890/91, zugleich selbständiger Druck, Wien 1891, 4. 3 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1324-1911/12. 4 S. Neuwirth (Hg.), Die k. k. Technische Hochschule in Wien, 339–42 und 675–77. 5 S. AT TUWA, Rektoratsakten, Sonderlegung 125-Jahr-Feier, RZl. 1294–1939/40.; s. auch Bericht des abtretenden Rektors Fritz Haas, in: Inaugurationsbericht 1943, Wien 1943, 6ff. 6 Alfred Lechner, Geschichte der Technischen Hochschule in Wien 1815–1940, Wien 1942. 7 Vgl. Lechner, Geschichte, VII. Die explizite Berufung auf Schnabel in diesem Kontext scheint auch insofern bemerkenswert, als dieser, der bis 1936 eine Lehrkanzel für Geschichte an der TH Karlsruhe innehatte, 1936 als „Systemvertreter“ der Weimarer Demokratie entlassen worden war. Er erhielt erst nach dem Krieg wieder eine Professur für Geschichte an der Universität München. 8 Lechner, 196–216. 9 Heinrich Sequenz (Hg.), 150 Jahre Technische Hochschule Wien, 3 Bde., Wien 1965. 10 Vgl. dazu beispielhaft den ansonsten immer noch lesenswerten Beitrag von Rudolf Wurzer, Die Stellung der Technischen Hochschule in Wien im Ablauf ihrer Geschichte, in: 150 Jahre Technische Hochschule Wien, Bd. 1, hrsg. v. Heinrich Sequenz, Wien 1965, 14–155. 11 Vgl. dazu für die Universität Wien: Margarete Grandner/Gernot Heiss/Oliver Rathkolb (Hg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955, Innsbruck/Wien/München/Bozen 2005. Ähnlich auch die 100-Jahr-Festschrift der Hochschule für Bodenkultur: 100 Jahre Hochschule für Bodenkultur 1872–1972, Bd. 1: 100-Jahr-Bericht, Wien 1972, oder die Festschrift 150 Jahre Montanuniversität Leoben, 1840–1990, hrsg. v. Friedwin Sturm, Leoben 1990. Für die Entwicklung der Erinnerungskultur an österreichischen Universitäten siehe den Sammelband Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert. Austrofaschismus, Nationalsozialismus und die Folgen, hrsg. v. der österreichischen HochschülerInnenschaft, Wien 2013. 12 Vgl. dazu die Kurzbiographien der Mitglieder des Professorenkollegiums in: Sequenz (Hg.), 150 Jahre Technische Hochschule Wien, Band 2, 487–563. 13 Das Denkmal wurde 2008 im Zuge der Sanierung des Mittelrisaliten, ebenso wie sein Pendant zur Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, aus der Aula des Hauptgebäudes entfernt. 14 Symposium und Publikation: Johann Joseph Prechtl, Sichtweisen und Aktualität seines Werkes, hrsg. v. Christian Hantschk, Wien/Köln 1990; Symposium zur Geschichte der Mechanik (ZOIAV 1990). 15 Vgl. z. B. für die Universität Wien: Gernot Heiss u. a., Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945, Wien 1989. 16 Zum Programm vgl. htu-info Nr. 12/1988, Mittelseiten. 17 Juliane Mikoletzky, „Von jeher ein Hort starker nationaler Gesinnung“. Die Technische Hochschule in Wien und der Nationalsozialismus. Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien, H. 8, Wien 2003. 18 S. u. a.: Juliane Mikoletzky, „Mit ihm erkämpft und mit ihm baut deutsche Technik ein neues Abendland“. Die Technische Hochschule in Wien im Nationalsozialismus. In: ÖZG 10/1999, 51–70; dies., Hochschule und Industrie in Österreich am Ausgang des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Technischen Hochschule in Wien. In: 25. Österreichischer Historikertag, St. Pölten 2008, Tagungsbericht, St. Pölten 2010, 518–24; dies., Bücher für den Endsieg. Zur Rolle der Bibliothek der TH in Wien 1938 – 1945. In: MÖSTA, Sonderband 12, Wien 2013, 353–75; dies., „An der Seite der Heerführer steht der Ingenieur“. Hochschulen, Technik und Krieg 1914 – 1918. In: WirtschaftTechnik und das Militär 1914–1918, hrsg. v. Herbert Matis/Juliane Mikoletzky/Wolfgang Reiter, Wien 2014, 349–68. Paulus Ebner, Eine komplizierte Verstaatlichung. Die Oesterreichische Versuchsstation und Akademie für Brauindustrie in Wien als Vorläuferinstitution einer Studienrichtung der Hochschule für Bodenkultur, in: 25. Österreichischer Historikertag, St. Pölten 2008, Tagungsbericht, St. Pölten 2010, 525–30. Ders., „Die Bediensteten nichtdeutscher Nationalitäten sind vom Dienst sofort zu entheben.“ Erzwungene Veränderungen im Personalstand österreichischer Hochschulen 1918–1920, gehalten beim Ignaz-Lieben-Symposion 2011 in Wien (Drucklegung in Vorbereitung). 19 Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert: Austrofaschismus, Nationalsozialismus und die Folgen, hrsg. v. der Österreichischen HochschülerInnenschaft, Wien 2013.

Einleitung  | 15

EXPANSION UND ­REFORMBEDARF THE NEED FOR EXPANSION AND REFORM Nicht immer fallen politische Zäsuren mit solchen in der Entwicklung der Wissenschaft und ihrer Organisationen zusammen. Im Falle des Ersten Weltkriegs handelte es sich aber um ein einschneidendes Ereignis, das die ganze Gesellschaft ergriff und dessen politische Folgen die Rahmenbedingungen auch für die weitere Entwicklung der TH in Wien entscheidend verändert haben. Daher sollen in einem ersten Kapitel zunächst die Situation der Hochschule zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in der Folge die tiefgrei­ fenden Veränderungen durch den Ersten Weltkrieg skizziert werden. Political turning points do not always coincide with those in science and scientific or­ ganisations. World War I, however, was a drastic event that took hold of society as a whole and whose political consequences drastically altered framework conditions, including those for the TH in Vienna’s continuing development. This first chapter will therefore describe the state of the institution at the beginning of the 20th century and the subsequent radical changes caused by World War I.

Juliane Mikoletzky

FORTSCHRITT MIT HINDERNISSEN. DIE K. K. TECHNISCHE HOCHSCHULE IN WIEN ZU BEGINN DES 20. JAHRHUNDERTS PROGRESS WITH ROADBLOCKS. THE IMPERIAL ROYAL TECHNISCHE HOCHSCHULE IN VIENNA AT THE BEGINNING OF THE 20TH CENTURY Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erleb­ te die Wiener Technische Hochschule in mancher Hinsicht einen Höhepunkt ihrer bisherigen Entwick­ lung: Einige der lang erstrebten standespolitischen Ziele hatten erreicht werden können, der Zustrom der Studierenden bewegte sich nach einer länge­ ren Phase der Stagnation auf neue Rekordmarken zu und eine Reihe bedeutender Erweiterungsbau­ ten hatten die stets beklagte Raumnot zumindest vorübergehend lindern können. Dennoch wurde von Seiten der Professoren weiterhin erheblicher Reformbedarf gesehen und auch die politischen Konflikte insbesondere unter den Studierenden nahmen an Schärfe zu. Trotz unbestreitbarer Fortschritte, sowohl in der Entwicklung der technischen Wissenschaften im Allgemeinen als auch hinsichtlich der Situation an der Hochschule, erscheinen die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg an der damaligen k. k. Technischen Hochschule in Wien als eine Periode voller Spannungen und mehr oder weniger offen ausgetragener Konflikte. Die Gründe dafür waren vielfältig. Studierende und Lehrende Die Zahl der Studierenden hatte im Studienjahr 1908/09 erstmals in der Geschichte der Hochschule die 3 000er Marke übersprungen und 1910/11 mit 3 220 Inskribierten, davon 2 997 ordentliche Hörer, einen vorläufigen

During the first decade of the 20th century, the TH in Vienna experienced a high point in its develop­ ment in certain respects. Firstly, it was possible to achieve several of the long sought-after profession­ al policy goals, and the influx of students was final­ ly setting new records after a longer phase of stag­ nation. A series of additional buildings was able to mitigate, at least for a time, the often-lamented dearth of space. Nevertheless, the professors still saw a significant need for reform, and political con­ flicts, particularly among the students, intensified greatly. Despite indisputable progress both in the development of the technical sciences in general and with respect to the situation of the universities, the years leading up to World War I at what was then the Imperial Royal Techni­ sche Hochschule in Vienna emerged as a period full of tension and conflicts that were more or less dealt with openly. There were many reasons for this. Students and Teachers In the 1908/09 academic year, the number of students surpassed 3,000 for the first time in the history of the institution, reaching an initial high point in 1910/11 with 3,220 enrolled students, of which 2,997 were degree programme students.1 This growth took place in spite of the entrance restrictions introduced in the 1903/04 academic year, which gave priority to students from Lower

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Höhepunkt erreicht.1 Dieser Zuwachs erfolgte trotz einer ab dem Studienjahr 1903/04 eingeführten Zugangsbeschränkung, die Hörern aus Niederösterreich (einschließlich Wien) sowie aus jenen Kronländern, die über keine eigene technische Hochschule verfügten, den Vorrang einräumte gegenüber Studienwerbern aus den übrigen Kronländern. Erst an dritter Stelle sollten Ausländer aufgenommen werden.2 Der Grund dafür war der schon seit dem ausgehenden 19.  Jahrhundert immer wieder von Seiten des Professorenkollegiums und der Rektoren beklagte Mangel an personellen und materiellen Ressourcen. Ein knappes Viertel der Hörer war jüdischer Konfession – dies entsprach annähernd ihrem Anteil an den Studierenden der Universität Wien; es waren aber etwa fünfmal so viele wie z.  B. an der TH Graz. Sie stellten damit die zweitgrößte Konfessionsgruppe nach den Katholiken.3 Nach ihrer geographischen Herkunft rekrutierten sich die Hörer zu rund 50  % (50,5  % für 1913/14) aus Niederösterreich und Wien, die zweitgrößte Gruppe waren Studierende aus den östlichen Kronländern Cisleithaniens – Böhmen, Mähren, Slowakei und Galizien –, während Hörer aus den Ländern der ungarischen Krone zahlenmäßig kaum ins Gewicht fielen. Ausländische Hörer waren mit 4–5 % vertreten, mit leicht rückläufiger Tendenz in den Jahren unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs.4 Auch hier dominierten die östlichen Anrainerstaaten der Habsburgermonarchie: Russland, Rumänien und Bulgarien. Frauen waren seit 1908 als „Hospitantinnen“ (das waren nicht-inskribierte Gäste ohne Zeugnisanspruch) zugelassen, seit dem WS 1913/14 konnten sie als außerordentliche Hörerinnen für ein Lehramtsstudium der Darstellenden Geometrie inskribieren; ihre Anzahl war jedoch mit fünf a. o. Hörerinnen im Studienjahr 1913/14 noch verschwindend gering.5 Den mehr als 3.000 Studierenden standen (im WS 1913/14) insgesamt 75 Lehrpersonen gegenüber, davon 39 ordentliche Professoren, 17 a. o. Professoren, 19 Honorarprofessoren und Supplenten sowie als „Hilfskräfte“ 101 Angehörige des wissenschaftlichen „Mittelbaus“

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Austria (including Vienna) and crown lands without an own technical university over student applications from the remaining crown lands. Foreigners were third in line for acceptance.2 This was due to the lack of personnel and material resources, a situation repeatedly lamented by the Council of Professors and the Rectors since the end of the 19th century. Almost a fourth of students were Jewish – this was approximately equal to the percentage of Jewish students at the University of Vienna; however, it was five times greater than at the TH Graz, for instance. This group of students therefore constituted the second-largest religious denomination after Catholics.3 Looking at geographic origin, about 50% of students (50.5% for 1913/14) were from Lower Austria and Vienna. The second-largest group consisted of students from the Eastern Crown lands of Cisleithania – Bohemia, Moravia, Slovakia, and Galicia, while students from the countries of the Hungarian Crown made up only a negligible number. Foreign students were represented at around 4-5%, with a slight declining trend in the years immediately preceding the outbreak of World War I.4 Of this percentile, the adjacent eastern states of the Hapsburg monarchy were predominant: Russia, Romania, and Bulgaria. Women were allowed only as “guest students” (non-enrolled guests with no right to a certificate) starting in 1908. As of the 1913/14 winter semester, they were permitted to enrol as extraordinary students for teacher training in Descriptive Geometry. However, the number of such students during the 1913/14 academic year was still extremely small – only five.5 There were a total of 75 professors (in the 1913/14 winter semester) for more than 3,000 students. Of these, 39 were full professors, 17 were professors, and 19 were honorary professors and substitute teachers. These were joined by the 101 members of the scientific “mid-level faculty positions” of assistants, adjuncts, and teachers.6 This resulted in an average teacher-to-student ratio of roughly 40 students per teacher, which was deemed too high compared to other European colleges; a ratio of 12 students per teacher was apparently regarded as ideal,

der Assistenten, Adjunkten, Lehrer.6 Daraus ergab sich ein durchschnittliches Betreuungsverhältnis von ca. 40 Hörern je Lehrkraft, was im Vergleich mit anderen europäischen Hochschulen ähnlicher Größe als deutlich zu hoch empfunden wurde; als optimal wurde offenbar ein Verhältnis von 12 Hörern je Lehrkraft angesehen, wie es etwa Prof. Jüptner 1911 für die technischen Hochschulen in Zürich und Berlin errechnet hatte.7 Räumliche Ressourcen Klagen über zu geringe räumliche Kapazitäten gehörten seit Jahrzehnten zum festen Bestand nahezu jedes der jährlichen Rechenschaftsberichte über die jeweilige Amtszeit der Rektoren. Ab 1867 waren zwar sukzessive alle Trakte des Hauptgebäudes aufgestockt worden, bis hin zum Aufsetzen eines dritten Stockwerks auf den Vordertrakt mit einer spektakulären Anhebung des gesamten Dachstuhls 1898. Aber erst nach der Jahrhundertwende gelang mit dem Bau des Elektrotechnischen Instituts in der Gußhausstraße 1902/03 erstmals ein Ausgreifen über den Standort am heutigen Karlsplatz hinaus. Mit dem Zubau an der Karlsgasse in den Jahren 1907–1909 konnten weitere Raumressourcen gewonnen werden. Dennoch blieben angesichts der raschen Entwicklung und Ausdifferenzierung der technischen Disziplinen, insbesondere des wachsenden Bedarfs an Laboratorien, viele Wünsche nach Erweiterung offen. Insbesondere die im Panigltrakt untergebrachten Chemielaboratorien waren inzwischen technisch völlig unzureichend. Neubauprojekte wurden hier seit den 1880er Jahren verfolgt, und um 1910 machte man sich sehr konkrete Hoffnungen, dass ein bereits bis zur Baureife gediehenes Vorhaben für den Neubau eines Chemisch-technischen Instituts auf dem Gußhausareal bald realisiert werden könnte. Dieses scheiterte aber, ebenso wie Forderungen nach der Errichtung neuer maschinentechnischer Laboratorien, an der mangelnden Bereitschaft des Unterrichtsministeriums, die dafür benötigten Summen freizugeben. Da halfen auch wiederholte, statistisch untermauerte, ausführliche Vergleiche mit der Si-

as calculated by Prof. Jüptner in 1911 for the technical colleges in Zurich and Berlin.7 Spatial Resources For decades, complaints about insufficient space had been a permanent fixture in virtually every annual report on the respective Rector’s term of office. As of 1867, additional storeys were successively added to all of the wings of the main building. This even included the placement of a third storey on the front wing, with the entire roof truss being stunningly elevated in 1898. But an initial expansion beyond the location on what is today Karlsplatz was only achieved after the turn of the century with the construction of the Electrical Engineering Institute on Gußhausstraße in 1902/03. It was possible to procure additional spatial resources thanks to the addition at Karlsgasse in 1907 – 09. Nevertheless, there was still a need for expansion in light of the rapid development and differentiation of the various technical disciplines, and a growing demand for laboratories in particular. For instance, the chemical laboratories housed in the Panigl tract were utterly and technically insufficient at the time. New construction projects had been endeavoured at the site since the 1880s, and in 1910, there was finally real hope that a construction project for building a new Chemical Technical Institute at the Gußhaus grounds could be quickly carried out. This failed, however, due to the Ministry of Education’s unwillingness to approve the sums required, as did the demands to create new machine technology laboratories. Repeated, statistically-supported, detailed comparisons with other technical universities, particularly in Germany and Switzerland, showing how the TH in Vienna consistently lagged behind, did not help matters either.8 Scientific and Organisational Differentiation The growing need for space could be attributed to the increasing number of enrolled students since the 1890s. However, it was also a consequence of the progress in

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tuation anderer technischer Hochschulen, insbesondere in Deutschland und der Schweiz, bei denen die TH in Wien stets ziemlich schlecht abschnitt, nicht weiter.8 Fachliche und organisatorische Ausdifferenzierung Hintergrund für die wachsende Raumnot war einerseits die insbesondere seit den 1890er Jahren stetig ansteigende Zahl der Inskribierten. Andererseits war sie aber auch eine Folge der Entwicklung der technischen Wissenschaften seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese führte ab Ende der 1860er Jahre zu einer starken Ausdifferenzierung der Lehrkanzeln an der TH in Wien.9 Organisatorischer Auslöser dafür war zunächst die Einführung des Fachschulsystems an allen technischen Hochschulen der Monarchie, am damaligen Wiener Polytechnischen Institut mit dem Organisationsstatut von 1865. Dieser Ausbau der Lehrkanzeln war jedoch selbst bereits eine Antwort auf neue Bedürfnisse, die sich aus den Anforderungen von Industrie und Wirtschaft an die technischen Hochschulen ergaben. Damit einher ging eine langsame Aufwertung des Stellenwerts der Forschung gegenüber der Lehre, auch wenn der gesetzliche Auftrag der Hochschulen weiterhin und noch auf lange Zeit in der Ausbildung zukünftiger Ingenieure lag. An der Wiener „Technik“ bemühte man sich so seit den 1890er Jahren – durchaus in Konkurrenz zu Einrichtungen wie dem TGM – um den Ausbau von Materialprüfungs- und Versuchsanstalten, wie sie andere Hochschulen, insbesondere in Deutschland, aber auch in der Schweiz, bereits besaßen.10 1901 erfolgte die Berufung von Ludwig v. Tetmajer mit dem ausdrücklichen Auftrag, in Wien das bestehende mechanisch-technische Laboratorium zu einer technischen Versuchsanstalt nach dem Vorbild der von ihm in Zürich geschaffenen EMPA auszubauen. Bereits 1909 wurde vom Ministerium die Errichtung einer Versuchsanstalt für Gas- und Feuerungstechnik durch Hugo Strache (damals noch Privatdozent und selbständiger Unternehmer) genehmigt, und die im folgenden Jahr verabschiedete „Lex Exner“ öffnete den Weg

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technical sciences since the mid-19th century. This led to a strong differentiation of the Chairs at the TH in Vienna since the late 1860s.9 The organisational catalyst for this was initially the introduction of a “school” system at all the technical Hochschulen of the monarchy brought about at the former Vienna Polytechnic Institute by the 1865 Organisational Statute. However, this expansion of Chairs was itself a response to new demands on technical Hochschulen from industry and business. This went hand-in-hand with a slow but steady increase in the importance of research for teaching, even if the legal mandate of the Hochschulen continued to be the education of future engineers for a long time to come. The Vienna “Tech” endeavoured in this way since the 1890s – clearly in competition with institutions such as the TGM – to develop material testing and assessment institutes like the ones other Hochschulen already had, particularly in Germany, but in Switzerland as well.10 In 1901, Ludwig v. Tetmajer was appointed and explicitly tasked with upgrading the existing mechanical technical laboratory in Vienna into a technical testing institute based on the model of the Swiss Federal Laboratories for Materials Testing and Research (EMPA), which he had established in Zurich. As early as 1909, the ministry gave Hugo Strache (at the time still a private lecturer and independent entrepreneur) authorisation to set up a testing institute for gas and furnace technology, and the “Lex Exner” adopted the following year paved the way for the state authorisation of these facilities. It was crystal clear that the testing institutes would not only offer a source of income, but the problems brought to the Hochschule in the form of external testing requests would provide great experience and be essentially vital to raising new research questions and therefore stimulating the continued development of technical sciences. The opening of the hydromechanical testing laboratory in the new Karlstrakt in 1909, and Prof. Schaffernak’s hydraulic engineering laboratory (which was later upgraded to a hydrological testing institute) were additional milestones in this development.

zu einer staatlichen Autorisierung dieser Einrichtungen. Dabei war man sich durchaus klar darüber, dass die Versuchsanstalten nicht nur eine gewisse Einnahmequelle bieten würden, sondern dass die aus der Praxis in Form externer Prüfaufträge an die Hochschule herangetragenen Probleme geradezu lebenswichtig seien, um neue Fragestellungen zu generieren und so die Fortentwicklung der technischen Wissenschaften zu stimulieren. Die Errichtung des Hydromechanischen Versuchslabors durch Prof. Budau im neuen Karlstrakt 1909 sowie des Wasserbaulabors durch Prof. Schaffernak (das später zu einer Hydrologischen Versuchsanstalt ausgebaut werden sollte), waren weitere Meilensteine. Die Neugründung einer, zunächst außerordentlichen, Lehrkanzel für Luftfahrt und Automobilwesen ebenfalls 1909, und ihre Besetzung mit Richard Knoller zog die Errichtung eines eigenen aeromechanischen Laborato-

Abbildung 1: Das Hydromechanische Versuchslabor (Querschnittszeichnung, um 1930). Figure 1: Hydromechanical testing laboratory (sectional drawing, about 1930).

The establishment of a Chair for Aviation and Automotive Technology, initially as an extraordinary Chair, also took place in 1909, with Richard Knoller at the helm, and entailed the creation of an aeromechanical laboratory in the 2nd courtyard of the main building, where a wind tunnel was built for testing purposes for the first time. The establishment is particularly noteworthy as only very little funds from the Ministry of Education were used to finance the laboratory, although it did receive subsidies from the Ministry of War and a significant industry donation from the Krupp/Berndorf company.

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Abbildung 2: Das Aeromechanische Laboratorium. Figure 2: The Aeromechanical Laboratory.

riums im 2. Hof des Hauptgebäudes am Karlsplatz nach sich, in dem erstmals ein Windkanal für Versuchszwecke geschaffen wurde. Bemerkenswert ist diese Gründung auch deshalb, weil die Finanzierung des Laboratoriums nur zu einem geringen Teil aus Mitteln des Unterrichtsministeriums, zum größeren Teil durch eine beachtliche Industriespende der Firma Krupp/Berndorf sowie durch einen Zuschuss des Kriegsministeriums erfolgte. Auch die Errichtung einer Unterabteilung für Elektrotechnik 1909 im Rahmen der Maschinenbauschule sowie die Schaffung einer Lehrkanzel für Schiffbau 1910, die mit dem Marine-Ingenieur Heinrich Wagner besetzt und 1912 ebenfalls zu einer Unterabteilung aufgewertet wurde, zeugen von der äußerst dynamischen Entwicklung insbesondere in jenen Fachbereichen, die nicht nur Anforderungen der Wirtschaft, sondern durchaus auch politisch-militärische Interessen abdeckten.

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The 1909 establishment of a sub-department for Electrical Engineering in the School of Mechanical Engineering and the creation of a Chair for Ship Construction in 1910, which was taken up by marine engineer Heinrich Wagner and upgraded into a sub-department in 1912, are testimony of the extraordinarily dynamic development, particularly in departments associated not only with economic requirements but political and military interests as well. The demand for the construction of much-needed laboratory capacities reflected these developments, as did the 1912 State Examination Regulation Reform (RGBl. 59/1912). This was preceded by a long discussion process, in which not only universities, but also societal institutions such as the Federation of Austrian Industry and the Austrian Engineers and Architects Association (ÖIAV) were heavily involved as well. A survey on the matter was conducted by the Ministry of Education in 1908.11 In 1911, a Council of Professors Committee wrote a report “On the Reform of the Technische Hochschule in Vienna”, listing the fundamental areas in need of reform.12 Students were “overloaded” due to the large and ever-growing quantity of compulsory subjects; university instructors were “overburdened”, and also had a very high exam load due to the great numbers of lectures and lab exercises, thus limiting their research capabilities. Then came the feeling, which apparently all participants shared, that the existing system was able to do justice to neither the development of the sciences nor the requirements for preparing students for professional practice. This made the fundamental question of technical higher education a topic of discussion that was being increasingly addressed: Should it focus on professional education for engineers, or should the objective be a scientifically-sound basic education with the ability to undergo independent, continuous training or even conduct independent research? The discussion surrounding the necessary university reforms, which also persisted in the following years of war, impressively reflected this gradual shift. The Council of Professors of the TH in Vienna apparently tried to find practical middle ground. There tended

Die Forderung nach dem Ausbau entsprechender Laborkapazitäten reflektierte diese Entwicklung ebenso wie die Reform der Staatsprüfungsordnung von 1912 (RGBl. 59/1912). Dieser ging ein langer Diskussionsprozess voraus, an dem sich nicht nur die Hochschulen, sondern vor allem auch gesellschaftliche Institutionen wie die Industriellenvereinigung und der Österreichische Ingenieurund Architektenverein (ÖIAV) maßgeblich beteiligten. 1908 wurde von Seiten des Unterrichtsministeriums dazu eine Enquete durchgeführt,11 1911 verfasste ein Komitee des Professorenkollegiums einen Bericht „über die Reform der Technischen Hochschule in Wien“ 12, der die wesentlichen Bereiche mit Reformbedarf benannte: „Überlastung“ der Studierenden durch eine große und noch wachsende Anzahl von Pflichtgegenständen, „Überbürdung“ der Hochschullehrer, die zusätzlich zur großen Anzahl an Vorlesungen und Übungen auch eine sehr hohe Prüfungsbelastung hatten, was ihre Forschungskapazitäten beschnitt. Dazu kam das offenbar bei allen Beteiligten vorhandene Gefühl, mit dem bestehenden System weder der Entwicklung der Wissenschaften noch den Bedürfnissen der Vorbereitung der Studierenden auf die Berufspraxis gerecht werden zu können. Damit wurde eine Grundfrage der technischen Hochschulbildung thematisiert, die sich jetzt offenbar verstärkt stellte: Sollte sie eher auf die Berufsausbildung von Ingenieuren abheben oder sollte eine wissenschaftlich fundierte Grundausbildung mit der Befähigung zur selbständigen Fortbildung oder gar zur eigenständigen Forschung angestrebt werden? Die Diskussionen um eine als notwendig erachtete Hochschulreform, die auch in den folgenden Kriegsjahren anhalten sollten, reflektieren diese allmähliche Gewichtsverlagerung eindrücklich. Das Professorenkollegium der TH in Wien versuchte in der Praxis offenbar, einen Mittelweg einzuschlagen: So forderte man tendenziell eine Verringerung der Pflichtgegenstände und damit der Stundenbelastung, mehr Wahlfächer, um eine Spezialisierung zu ermöglichen, und zusätzlich mehr wirtschaftliche sowie rechts- und staatswissenschaftliche Gegenstände, um die Hörer einerseits besser auf eine Tätigkeit in der Wirtschaft vorzu-

to be a general demand for fewer compulsory subjects and thus fewer study hours, more electives allowing for specialisation, and furthermore more subjects on economics, law, and political science in order to better prepare students for participating in the economy and make it easier for them to reach the coveted, upper administrative positions in civil service. Nevertheless, when the new State Examination Regulation Reform was adopted, students were mainly the ones who vehemently protested against it and ultimately won a longer transitional period to the 1917/18 academic year.13 Professional Policy Questions and (Higher Education) Policies The discussion on State Examination Regulation Reform is an example of how closely substantive questions on class and education were connected with professional policy matters. The technische Hochschulen of the Monarchy were able to score a few successes at the beginning of the new century, bringing an end to years of endeavours for a status rapprochement with the universities. In 1901, the THs were awarded the long-desired right to award doctorates; as of 1903/04 Rectors of the technical universities were permitted to use the title Rector Magnificus and wear a chain of office. However, there was still a desire to top off the formal conclusion of a technical course by awarding a title – Austrian THs were still not permitted to grant the title of “Dipl.-Ing” (graduated engineer) for their studies. Now, efforts aimed to achieve legal protection of the “Ing.” (engineer) label for technical studies graduates; a matter that would continue to be pursued, even during the war years. Tension and upheaval amplified calls for the reform of THs and other universities as well also appeared in other segments of university policy on the eve of World War I. As in Germany, the Rectors’s conferences (which were more or less regular meetings of the rectors of all universities and colleges, as well as among the individual universities and the THs) created in 1910 at the initiative of

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bereiten und ihnen andererseits den ersehnten Zugang zu höheren Verwaltungspositionen im Staatsdienst zu erleichtern. Als die neue Staatsprüfungsordnung dann allerdings erlassen wurde, waren es vor allem die Studierenden, die zunächst heftig dagegen protestierten und schließlich eine längere Übergangsfrist bis zum Studienjahr 1917/18 erstritten.13 Standesfragen und (Hochschul-)Politik Die Diskussion über die Reform der Staatsprüfungsordnung zeigt beispielhaft, wie eng inhaltliche Fragen des Unterrichts und der Ausbildung mit standespolitischen Anliegen verknüpft waren. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts konnten die technischen Hochschulen der Monarchie einige Erfolge verbuchen, die langjährige Bemühungen um eine statusmäßige Annäherung an die Universitäten zum Abschluss brachten: 1901 wurde ihnen das lang ersehnte Promotionsrecht verliehen, seit 1903/04 durften die Rektoren der technischen Hochschulen den Titel „Rector Magnificus“ führen und eine Amtskette tragen. Noch offen war allerdings der Wunsch, den formalen Abschluss eines technischen Studiums mit der Verleihung eines Titels zu krönen – der Titel „Dipl.-Ing.“ war den österreichischen technischen Hochschulen verwehrt geblieben. Nun gingen die Bestrebungen dahin, einen gesetzlichen Schutz der Bezeichnung „Ing.“ für Absolventen eines Technikstudiums zu erreichen, ein Anliegen, dass auch in den Kriegsjahren weiter verfolgt wurde. Auch in anderen Bereichen der Hochschulpolitik zeigten sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs Spannungen und Verwerfungen, die den Ruf nach einer „Hochschulreform“ an den technischen Hochschulen, aber auch an den Universitäten, lauter werden ließen. Die ab 1910, ausgehend von einer Initiative des damaligen Rektors der TH in Wien, Hans Freiherr v. Jüptner, ins Leben gerufenen Rektorenkonferenzen – mehr oder weniger regelmäßige Zusammenkünfte der Rektoren aller Universitäten und Hochschulen, aber auch

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Abbildung 3: Gedenkmünze zur Verleihung des Promotionsrechts, Rückseite. Figure 3: Coin commemorating the granting of the right to award doctorates, rear.

former Rector of the TH in Vienna, Hans Freiherr v. Jüptner, established a platform for discussion and a network for mutual representation of interests.14 Nevertheless, creating a unified, proactive political counterbalance to the Ministry of Education from this informal meeting of colleges and universities with drastically different professional, regional, and political interests proved to be downright difficult. Nevertheless, it was possible to convene five general Rectors’ conferences by the end of the monarchy, the majority of which took place in Vienna. In addition, a series of separate conferences of Rectors from technical colleges and universities was held as well. The Rectors’ conferences covered a wide range of topics: Hierarchical disputes between individual Hochschulen, or between universities and THs were on the agenda as well as matters of salary and funding, the question of status and salary scales for “scientific assistants”, the admission of women to study particularly at THs (they were at the time only allowed to study at faculties of philoso-

der Universitäten und der technischen Hochschulen für sich – sollten hier, ähnlich wie in Deutschland, eine Diskussionsplattform und ein Netzwerk zur gemeinsamen Interessensvertretung bilden.14 Allerdings erwies es sich als recht schwierig, aus den eher lockeren Treffen von Hochschulen und Universitäten mit höchst unterschiedlichen fachlichen und regionalpolitischen Interessen einen einheitlich agierenden politischen Gegenspieler des Unterrichtsministeriums zu formen. Dennoch gelang es, bis zum Ende der Monarchie fünf allgemeine Rektorenkonferenzen einzuberufen, die Mehrzahl davon in Wien. Zusätzlich fanden auch noch eine Reihe von separaten Konferenzen der Rektoren der technischen Hochschulen bzw. der Universitäten statt. Die Themenpalette der Rektorenkonferenzen war breit: Rangstreitigkeiten zwischen einzelnen Hochschulen sowie zwischen Universitäten und technischen Hochschulen standen ebenso auf der Tagesordnung wie besoldungsrechtliche Fragen, etwa betreffend die Kollegiengelder, die Frage nach der rechtlichen und besoldungsmäßigen Stellung der „wissenschaftlichen Hilfskräfte“, die Zulassung von Frauen zum Studium insbesondere an den technischen Hochschulen (auch an den Universitäten waren sie ja einstweilen nur an den Philosophischen und seit 1900 an den Medizinischen Fakultäten zugelassen) sowie das Verhältnis zwischen „autonomer“ Entwicklung der Wissenschaften und dem Ausmaß staatlicher Eingriffe in die Hochschulen. Dazu kamen immer wieder, insbesondere in der Kriegszeit, kurzfristig auftretende Probleme, deren gemeinsame Lösung zumindest versucht wurde. Ein weiteres Problem, das die TH in Wien ebenso wie alle anderen Universitäten und Hochschulen der Monarchie schon seit den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts nachhaltig beschäftigte, waren die wachsenden Nationalitätenkonflikte und insbesondere die antisemitischen Strömungen. Sie wurden vor allem innerhalb der Studentenschaft ausgetragen, oft in Form von gewaltsamen Zusammenstößen vor oder in den Hochschulen.15 Die Studierenden hatten schon seit dem späteren 19. Jahrhundert ein sehr differenziertes Vereinsleben entwi-

Abbildung 4: Die Rektorskette der TH/TU Wien. Figure 4: Rector’s chain.

phy and, as of 1900, at university faculties of medicine as well), the relationship between “autonomous” scientific progress and the extent of state intervention in educational institutions. In addition, there were problems that briefly and repeatedly surfaced during wartime, for which a common solution was at least attempted. Another problem that had preoccupied the TH in Vienna along with the rest of the monarchy’s universities and colleges since the last decades of the 19th century was growing nationality conflicts, and anti-Semitic trends in particular. These occurred primarily within the student body, often in the form of violent encounters in front of or inside the buildings.15 Students had already developed a very differentiated associative life since the late 19th century. There were roughly 100 different associations registered at the TH in

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ckelt – an der TH in Wien waren um 1900 rund 100 verschiedene Vereinigungen registriert, so dass das Rektorat 1910 versuchte, durch einen sog. „Numerus clausus“ die Anzahl der zugelassenen Burschenschaften, Korporationen, Landsmannschaften und Interessensvereinigungen zu begrenzen und damit auch das Konfliktpotential etwas einzugrenzen. Die meisten dieser Vereinigungen waren mehr oder weniger ausgeprägt weltanschaulich, wenn auch (noch) nicht parteipolitisch ausgerichtet. Insbesondere die (deutsch-)nationalen und die jüdischen und liberalen Gruppen lieferten sich seit Mitte der 1890er Jahre vor den Toren des Hauptgebäudes der TH Wien im Resselpark immer wieder auch tätliche Auseinandersetzungen. Nachdem der „Waidhofener Verband“ der Burschenschaften 1896 seine offen antisemitische Ausrichtung propagiert und jüdischen Studierenden die „Satisfaktionsfähigkeit“ aberkannt hatte, kam es noch im Herbst desselben Jahres zu schweren Auseinandersetzungen währen der Inaugurationsfeier, ebenso 1911/12. Wiederholt gab es studentische Streiks, teils aus politischen Gründen, wie etwa 1908 anlässlich der „Wahrmund-Affäre“, als dem Innsbrucker Professor für Kirchenrecht Ludwig Wahrmund, der sich kritisch gegenüber dem katholischen Ultramontanismus geäußert hatte, das Abhalten seiner Vorlesung verboten wurde. Darauf fand im Juni ein studentischer Generalstreik statt, mit Demonstrationen vor der Technik und vor dem Parlament, der erst mit der Versetzung Wahrmunds nach Prag beendet wurde. Teils ging es auch um interessenpolitischen Anliegen der Studierenden, etwa anlässlich der Reform der Staatsprüfungsordnung 1912/13, als der Ausschuss der deutschen Hörer gegen deren Erlassung protestierte. Diese Unruhen führten gelegentlich zur Aussetzung von Inaugurationsfeiern oder sogar zur zeitweisen Schließung der Hochschule, obwohl die Professoren, zumindest an der TH in Wien, sich im Allgemeinen darum bemühten, zu den Studierenden ein „väterlich-wohlwollendes“ Verhältnis zu pflegen, das durchaus Konsultationen in Sachfragen von studentischem Interesse zuließ.16

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Vienna in 1900, which in 1910 prompted the Rectorate to use a “numerus clausus” policy to limit the number of authorised fraternities, corporations, national associations, and interest groups, consequently limiting the potential for conflict. Most of these groups were for the more or less ideological, albeit not (yet) biased towards a political party. In particular, (German) national, Jewish, and liberal groups were continually behind physical confrontations in front of the gates of the TH in Vienna’s main building in Resselpark as of the mid-1890s. After the “Waidhofen Association” (Waidhofener Verband) of the fraternities publicly propagated its anti-Semitic bias in 1896 and denied Jewish students “the right to honour challenges”, serious altercations took place during the inauguration ceremony in autumn of the same year, as well as in 1911/12. There were repeated student strikes, some for political reasons, such as in 1908 due to the Wahrmund Affair, when Innsbruck Professor of Canon Law Ludwig Wahrmund, who had criticised Catholic Ultramontanism, was prohibited from giving his lecture. As a result, a general student strike took place in June, with demonstrations in front of the Vienna ”Tech” and the parliament, only ending when Wahrmund was transferred to Prague. This also had to do, in part, with political concerns of students, for example on the occasion of the 1912/13 State Examination Regulation Reform, when the Committee of German Students protested against its enactment. These riots occasionally led to the suspension of inauguration ceremonies or even to the partial closing of the university. This was even though the professors of the TH in Vienna generally endeavoured to maintain an at least “gentle and fatherly” relationship with the students, which by all means left leeway for counselling on issues that were of interest to students.16 Shortly before the outbreak of the war, there were numerous contradictions and tensions as a whole, which, on the one hand, heralded new developments; on the other hand, they also presented many open questions that the educational authorities apparently could not or would not address.

Insgesamt bestanden kurz vor Kriegsausbruch zahlreiche Widersprüche und Spannungen, die einerseits neue Entwicklungen ankündigten, andererseits aber auch viele offene Fragen enthielten, die insbesondere die Unterrichtsverwaltung offensichtlich nicht angehen konnte oder wollte.

Abbildung 5: Flugblatt zur Wahrmund-Affäre. Figure 5: Flyer concerning the Wahrmund Affair.

Anmerkungen/Notes 1 Vgl. dazu die Übersicht bei Joseph Neuwirth (Hg.), Die k. k. Technische Hochschule in Wien 1815–1915, Wien 1915, 644. Siehe auch die vergleichenden Übersichten für die technischen Hochschulen der Monarchie bei Rudolf Wurzer, Die Stellung der Technischen Hochschule in Wien im Ablauf ihrer Geschichte, in: 150 Jahre Technische Hochschule Wien, Bd. 1, hrsg. v. Heinrich Sequenz, Wien 1965, 14–155. 2 Vgl. AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1337–1902/03; 2608–1903/04. 3 Vgl. Wurzer, Technische Hochschule, 69. 4 Vgl. die Angaben bei Neuwirth (Hg.), Die k. k. Technische Hochschule, 646; zur Stellung ausländischer Studierender s. Juliane Mikoletzky, Die historische Entwicklung der Stellung von AusländerInnen und Frauen an österreichischen Hochschulen, in: Gleichbehandlung im Hochschulbereich, hrsg. v. Manfred Prisching/Werner Lenz/Werner Hauser, Wien 2008, 55–80. 5 Zum Studium von Frauen an technischen Hochschulen siehe Juliane Mikoletzky/Ute Georgeacopol-Winischhofer/Margit Pohl, „Dem Zuge der Zeit entsprechend…“. Zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich am Beispiel der Technischen Universität Wien, Wien 1997, hier 29ff.

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6 Vorlesungsverzeichnis, Studienpläne und Personalstand der k. k. technischen Hochschule in Wien 1913/14, 118–37 (eigene Auszählung). 7 Komitee-Bericht über die Reform der Technischen Hochschule in Wien, Wien: Selbstverlag 1911, Anhang: Grundsätze für die Hochschulreform, vorgeschlagen von Prof. Freiherrn Jüptner v. Jonstorff, 10; ähnlich auch: Emanuel Czuber, Gedanken über eine Reform der technischen Hochschulen, Wien: Verlag der Technischen Hochschule 1913, 11, wo für die TH in Wien 1912/13 eine Relation von 40,2 Studierenden je Lehrperson berechnet wird. 8 Vgl. dazu u. a. August Prokop, Antrittsrede als Rektor am 17. Oktober 1896, in: Inaugurationsbericht 1896, Wien 1896, 67–103; auch separat: August Prokop, Ausbau und Ausgestaltung der k. k. technischen Hochschulen Österreichs, Wien 1896; Czuber, Gedanken. 9 Zur den Organisationsreformen vgl. Juliane Mikoletzky, Vom Polytechnischen Institut zur Technischen Hochschule. Die Reform der technischen Studien in Wien, 1850–1875, in: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte, Wien 1995, 79–100. 10 Vgl. dazu etwa die nachdrückliche Einforderung eines Ausbaus des Versuchswesens bei Prokop, Antrittsrede, 82. Zur Einrichtung von Versuchsanstalten an der TH in Wien vgl. auch Juliane Mikoletzky, Hochschule und Industrie in Österreich am Ausgang des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Technischen Hochschule in Wien, in: 25. Österreichischer Historikertag St. Pölten 2008. Tagungsbericht, St. Pölten 2010, 518–24. 11 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1360–1907/08. 12 Eigenverlag der TH in Wien, Wien 1911. 13 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 3386–1911/12, 3504; 3890; 4240. 14 Vgl. Walter Höflechner, Die Österreichische Rektorenkonferenz, Wien 1989. 15 Vgl. zum Folgenden für die TU Wien: Paulus Ebner/Juliane Mikoletzky, Vom Studentencomité zur HTU. Zur Geschichte der Studierenden an der TU Wien und ihren Vorgängerinstitutionen (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien, H. 9), Wien 2006, hier bes. 22–26. 16 Vgl. dazu Joseph Neuwirth, Beiträge zur Geschichte der Studentenschaft der k .k. Technischen Hochschule in Wien, Wien 1916; ders., Die Studentenschaft, in: Neuwirth (Hg.), k. k. Technische Hochschule, 641ff.

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EIN KRIEG DER INGENIEURE? DIE WIENER „TECHNIK“ UND DER ERSTE WELTKRIEG A WAR OF ENGINEERS? THE VIENNA “TECH” AND WORLD WAR I Das Diktum vom Ersten Weltkrieg als „Krieg der In­ genieure“ wurde oft herangezogen, um die schon von den Zeitgenossen beobachtete neue Qualität der Kriegsführung zu charakterisieren, die in einem gegenüber früheren Waffengängen verstärkten Einsatz technischer Innovationen gesehen wurde. Aus heutiger Sicht wird man dieser These nur be­ dingt zustimmen können. Unbestreitbar ist aber, dass gerade die Ingenieure der Technik und auch sich selbst sehr bald eine herausragende Rolle in diesem Krieg zugeschrieben haben. Sicher ist auch, dass die Hochschulen und Universitäten und ihre Angehörigen in umfassender und vielfältiger Wei­ se vom Krieg betroffen waren. Im Folgenden soll für die TH in Wien aufgezeigt werden, in welcher Weise die Hochschule in das Kriegsgeschehen ein­ bezogen und wie sie dadurch nachhaltig verändert wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestanden sowohl international als auch im Inneren der Habsburgermonarchie vielfältige politische und gesellschaftliche Spannungen, denen die Politik eher ratlos gegenüberstand und für deren Lösung zunehmend militärische Aktionen ventiliert wurden.1 Außenpolitisch galt vor allem der Balkan als Dauerkrisenherd, innenpolitisch verschärften sich soziale Unruhen ebenso wie die Spannungen zwischen den Nationalitäten der Monarchie. Latent wurde eine Aufrüstung des Heeres vorangetrieben, die zumindest indirekt auch an der TH in Wien Auswirkungen hatte: Der Ausbau von Einrichtungen wie etwa des Aeromechanischen Laboratoriums, die (auch) der militärisch relevanten Forschung dienen konnten, mag hier als Beispiel ge-

The dictum of the Great War as the “War of En­ gineers” has often been used to exemplify a new quality of warfare that was already perceived as it happened. Its defining mark was an increased use of technological innovation as compared to earlier methods of warfare. From today’s perspective, we can only partly agree with this theory. It is undis­ puted, however, that engineers in particular quick­ ly began to credit technology as well as themselves with a prominent role in this war. It is also certain that the institutions of higher education and their members were affected by the war directly and in multiple ways. For the TH in Vienna, we will take a look at how the institution was implicated in the war scenario and how it was permanently changed because of this. At the beginning of the 20th century, there was a plethora of social and political tension, internationally and within the Habsburg Monarchy. Politics were at a loss, and the solution was increasingly seen as being military action.1 In foreign policy, the Balkans were the main centre of ongoing dissent; domestic politics were confronted with increasing social tension as well as tension between the Monarchy’s different nationalities. ­Latently, the armament of the military was pursued, which had at least indirect implications for the TH in Vienna. The expansion of institutions that (among other things) provided research that was relevant for military applications, like the Aeromechanical Laboratory, may serve as an example. The Kriegsleistungsgesetz (War Contributions Act) affected university members, as did the 1912 Wehr­gesetz (Defence Act). In particular the Wehrgesetz,

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nannt werden. Das Kriegsleistungsgesetz tangierte die Hochschulangehörigen ebenso wie das Wehrgesetz von 1912. Insbesondere das Wehrgesetz, das u. a. die Ausdehnung der Einjährig-Freiwilligen-Begünstigung und damit des Einstiegs in die Reserveoffizierslaufbahn auf breitere Kreise zum Ziel hatte, wurde von den Rektoren der technischen Hochschulen ausgiebig diskutiert, vor allem unter dem standespolitischen Gesichtspunkt, eine Schlechterstellung von absolvierten Hörern technischer Hochschulen gegenüber Absolventen von Staatsgewerbeschulen zu verhindern.2 Dennoch traf die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gattin in Sarajewo am 28. Juni 1914, einem Sonntag, auch die Wiener Technische Hochschule wie ein Schock. Das Rektorat sandte am 2. Juli ein Beileidstelegramm an das Kaiserhaus, eine entsprechende Pressemitteilung erging an alle Wiener Tageszeitungen. Für den folgenden Donnerstag, den 3. Juli, 12 Uhr mittags, wurde eine feierliche Trauersitzung des Professorenkollegiums im Festsaal angesetzt, alle Vorlesungen, Übungen und Prüfungen an diesem Tag fielen aus.3 Danach ging vorerst, zumindest nach außen hin, für einige Wochen alles seinen gewohnten Gang. Kriegsbeginn und Kriegsbegeisterung Mit der österreichischen Kriegserklärung an Serbien am 28. Juli 1914 und der am 31. Juli verkündeten allgemeinen Mobilmachung wurden auch die TH in Wien und ihre Angehörigen unmittelbar in den Krieg involviert.4 Dass die Tragweite der Ereignisse des Sommers 1914 zumindest erahnt wurde, zeigt die Äußerung von Johann Sahulka, Rektor der TH in Wien zur Zeit des Kriegsausbruchs: Im Rechenschaftsbericht über seine Amtsperiode vom Oktober 1914 stellte er fest, es sei klar, „dass nun der gewaltigste Krieg, wie ihn nie zuvor die Weltgeschichte gekannt hat, bevorsteht, dass es sich um Sein oder Nichtsein des Vaterlandes, dass es sich auch darum handelt, ob die deutsche Kultur und Industrie sich weiter in segensbringender Weise entwickeln oder zurückge-

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which aimed to expand privileges for one-year volunteers and thus of the initial career phase of reserve officers to the broader public, was extensively discussed by the rectors of all THs, mainly from a status policy point of view. Their aim was to avoid graduates of THs being ranked less favourably than graduates of Staatsgewerbeschulen (State Trade Schools).2 Nevertheless, the assassination of the Austrian heir presumptive Franz Ferdinand and his wife in Sarajevo on 28 June 1914, a Sunday, came as a shock to the Vienna TH and the rest of society. The Rectorate sent a telegram of condolence to the Imperial Family on 2 July, and a press release went out to all Viennese newspapers. For the following Thursday, 3 July 1914, the Council of Professors scheduled a meeting of mourning in the ceremonial hall and all lectures, laboratory exercises, and exams were cancelled for the day.3 Afterwards, for the time being, everything continued in its usual routine for a few weeks, at least in appearance. The Outbreak of the War and War Enthusiasm Austria’s declaration of war on Serbia on 28 July 1914 and the general mobilisation declared on 31 July, directly involved the Technische Hochschule in Vienna and its members in the war.4 The existence of a presentiment of the implications of the events of the summer of 1914 is evident in a statement by Johann Sahulka, Rector of TH in Vienna at the time the war broke out. In his account of his term of office, dated October 1914, he noted that it was clear “that we are now facing the most enormous war of all history, that the stakes are not only the life or death of the fatherland, but also the question of whether German culture and industry shall continue its beneficial development or be forced back.” At the same time, he emphasised the special role of technology for this war, writing that it excites “the astonishment of the whole world […] because of the wonderful achievements of technological science that have gained such great importance for the welfare of the state not only in peace, but also in war.”5 These words reflect the en-

drängt werden soll.“ Zugleich hob er die besondere Rolle der Technik für diesen Krieg hervor: dieser errege „das Staunen der ganzen Welt […] wegen der ans Wunderbare grenzenden Leistungen der technischen Wissenschaften, welche die größte Bedeutung für die Wohlfahrt des Staates nicht bloß im Frieden, sondern auch im Kriege erlangt haben.“5 In diesen Worten spiegelt sich die geradezu enthusiastische Aufnahme des Kriegsausbruchs auch durch die Professorenschaft, wie sie durch viele ähnliche Aussagen dieser Tage bezeugt wird, ebenso wie die verbreitete deutsch-nationale Einstellung und das noch recht ungebrochene Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der modernen Technik wider. Die Mobilmachung griff tief in das Leben der Hochschule ein. Alle ihre Angehörigen waren von der Einberufung betroffen, wobei die Studierenden zahlenmäßig das größte Kontingent jener stellten, die zur Kriegsdienstleistung eingezogen wurden. Im November 1914 standen bereits ca. 2500 Studierende (78  % der Inskribierten des Vorjahres) im Feld.6 Auch diejenigen unter ihnen, die (noch) nicht einrücken mussten, waren offenbar, zumindest teilweise, von der allgemeinen Kriegsbegeisterung der ersten Tage angesteckt. Die Burschenschaften und wehrhaften Vereine wollten, in Erinnerung an die Studentenlegionen, die in der Revolution von 1848 eine so wesentliche Rolle gespielt hatten, eine „Akademische Kriegslegion 1914“ organisieren, um, wie es in einem Flugblatt hieß, „alle Kraft in den Dienst der völkischen Sache zu stellen“, wobei es ihnen offenbar um die Aufstellung einer kämpfenden Freiwilligen-Formation ging. Dazu wurde eine „Akademische Anmelde- und Auskunftsstelle für freiwillige Kriegsdienstleistung“ gegründet.7 Der spätere Professor und Rektor der TH Wien in den Jahren 1942–1945, Heinrich Sequenz, berichtet dazu in seiner Autobiographie: „Wir jungen Studenten wollten mitkämpfen und meldeten uns zur Akademischen Legion 1914, deren Abzeichen ein Eisernes Kreuz war, das von einem Bande mit dem Spruche ‚Ehre, Freiheit, Vaterland‘ umschlossen wurde. Einer der Schirmherren dieser Akademischen Legion war der damalige Rektor

Abbildung 1: Flugblatt mit Aufruf zur Teilnahme an der „Akademischen Legion 1914“. Figure 1: Pamphlet with call to join the “Academic Legion 1914”.

thusiastic reception of the outbreak of war among the professors, born witness to by many similar statements from the time, as well as to widespread attitudes of German nationalism and a still unbroken confidence in the promises of modern technology. Mobilisation deeply affected life at the TH. All its members were affected by the conscription, with students being the strongest contingent of those drafted into active service. In November 1914, 2,500 students (78 % of the prior year’s enrolled students) were already in the field.6 At least some of those who were not (yet) enlisted were clearly infected by the general enthusiasm for war in the early days. The Burschenschaften and armed associations aimed to organise an “Academic War Legion 1914”, modelled on the Students’ Legion that had

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Abbildung 2: Aufruf zum „Hilfsdienst“ vom 5. August 1914 Fig. 2: Call to “Assistance Services“, dated 5 August 1914.

der Wiener Technischen Hochschule, Professor Sahulka. Wir sollten mit den deutschen Freiwilligen-Verbänden eingesetzt werden.“8 Dies erwies sich freilich bald als Wunschdenken: Die Mitglieder der „Akademischen Legion“ wurden keineswegs, wie erhofft, zusammen mit deutschen Kommilitonen an der Front eingesetzt, sondern aufgefordert, sich freiwillig zu „Hilfsdiensten“ in der Heimat zu melden. Auch fiel die Unterstützung der Wiener Universitätsrektoren für diese Aktion eher zurückhaltend aus; der Rektor der Wiener Universität, Wettstein, distanzierte sich in einem Schreiben an seinen Amtskollegen von der TH in

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played such a notable role in the 1848 revolution, in order to, according to a pamphlet, “commit the entirety of their forces to serving the nation’s interests”; their goal was clearly the establishment of a volunteer fighting corps. An “academic enlistment and information service for voluntary war service” was founded for the purpose.7 Heinrich Sequenz, later a professor and TH Wien Rector in the years 1942–1945, notes in his autobiography: “We, the young students, wanted to participate in the fight and enlisted in the Academic Legion 1914, the insignia of which was an Iron Cross enclosed by a band with the maxim ‘Honour, Freedom, Fatherland’. One of the patrons of this Academic Legion was Professor Sahulka, Rector of the TH at the time. We were to be deployed with the German volunteer corps.”8 This, however, soon proved to be wishful thinking: The members of the “Academic Legion” were not deployed at the front with their German fellow students as hoped, but summoned to report for “assistance services” at home as volunteers. The support of the Viennese university rectors for this campaign was also rather subdued; the Rector of the University of Vienna, Richard Wettstein, emphatically repudiated any active promotion of the formation of such a “free corps”, and though Sahulka donated 100 Kronen to the “enlistment and information service”, there are no records of any further efforts on his part.9 It seems like a macabre counterpoint that the last three survivors of the Engineers Corps of the “real” Academic Legion of 1848 met in Vienna in 1915, probably for the last time. They donated a picture of Karl Heinrich Spitzer to the TH, a student who had been killed on 13 March 1848 as the first victim of the Revolution during the protests in Herrengasse who was later exalted as a “hero of freedom” (and who, incidentally, was Jewish).10 As early as 28 July 1914, i.e. the day of the declaration of war on Serbia, and before official mobilisation, the Ministry of Culture and Education issued a pamphlet calling those students who had yet not been conscripted to report to civil volunteer service. The Viennese Rectors’ Conference issued a similar “announcement” on 5 Au-

Wien, Sahulka, ausdrücklich von der Behauptung einer aktiven Befürwortung der Bildung eines solchen „Freikorps“, und Sahulka selbst spendete zwar 100 Kronen für die Anmelde- und Auskunftsstelle, weitere Aktivitäten von seiner Seite sind aber nicht aktenkundig.9 Wie ein makabrer Kontrapunkt dazu mutet an, dass sich die letzten drei Überlebenden des Technikerkorps der „echten“ Akademischen Legion von 1848 im Jahr 1915 zum wohl letzten Mal in Wien trafen. Sie schenkten der Hochschule ein Bildnis des Hörers Karl Heinrich Spitzer, der am 13. März 1848 als erstes Opfer der Revolution bei den Protesten in der Herrengasse getötet und danach zum „Freiheitshelden“ stilisiert wurde (und der außerdem jüdischer Konfession war).10 Bereits am 28. Juli 1914, also am Tag der Kriegserklärung an Serbien und noch vor der offiziellen Mobilmachung, hatte das Ministerium für Cultus und Unterricht ebenfalls ein Flugblatt verteilen lassen, das jene Studierenden, die noch nicht einberufen worden waren, aufforderte, sich zur freiwilligen zivilen Dienstleistung zu melden. Die Wiener Rektorenkonferenz erließ nach kurzer Beratung am 5. August eine ähnlich lautende „Kundmachung“.11 Die Rektoren hatten vereinbart, die verschiedenen Bereiche möglicher Hilfsdienstleistungen unter den Hochschulen aufzuteilen, wobei der TH Wien die Aushilfe in staatlichen und Gemeindeämtern und in technischen Betrieben zugewiesen wurde. Die Studierenden griffen diese Aufrufe zunächst mit Begeisterung auf, und Rektor Sahulka versuchte unermüdlich, Hörer seiner Hochschule als Hilfskräfte an öffentliche und private Dienststellen zu vermitteln. Bald zeigte sich jedoch, dass dies gar nicht so einfach war. Einerseits bestand gerade zu Kriegsbeginn, trotz der Einberufung vieler Arbeiter, eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, da viele Betriebe in Erwartung eines kurzen Kriegsverlaufs ihre Produktion eingestellt und ihre nicht dienstverpflichteten Beschäftigten entlassen hatten.12 Diese waren wenig erbaut davon, dass sie nun durch „freiwillige“ Helfer ersetzt werden sollten. Der „Bund der Technischen Beamten Österreichs“ beschwerte sich sogar in einem geharnischten Brief beim Rektorat der TH

gust after a brief deliberation.11 The rectors had agreed to divide different fields of possible assistance services amongst the universities, with the TH assigned to assist state and municipal offices and technical enterprises. The students initially greeted these calls enthusiastically, and Rector Sahulka tirelessly tried to place students of his Hochschule in assisting positions at public and private agencies. Soon, however, this proved to be less than easy. On the one hand, there was high unemployment at the beginning of the war even despite the conscription of many workers as many enterprises expected the war to be a short one and had ceased production, making their non-conscripted workforce redundant.12 The dismissed workers were less than happy about being replaced by “voluntary” assistants. The “Bund der Technischen Beamten Österreichs” (Austrian Association of Technical Civil Servants) even filed a sharp complaint with the Rectorate of the TH in Vienna about this matter of “dirty competition”.13 Also, it quickly became clear that the students often did not have the necessary practical qualifications to work, for instance, as chauffeurs, tram conductors, or machine operators, and there was no time to “drill” them, as their training was often referred to. So in the end, only a very few students of the TH could be placed in the field of public administration, where they were, for instance, employed by the Imperial and Royal War Ministry in the optical telegraph service and at the Imperial and Royal Ministry of Trade in the Mail and Telegraph Department.14 It was not until around 1916, that businesses and public offices started actively requesting “Technicians” (for example the aircraft factory in Wiener Neustadt, the Patent Office, and other institutions).15 By this time, however, there were hardly any students available: in autumn 1916, the number of enrolled students had fallen from 2,976 students in 1913–14 to an absolute low of 555 students.16 For university staff, a ban on vacation leave was imposed on 29 July.17 Members of the scientific and non-scientific staff who were fit for military service were quickly conscripted or volunteered for service as far as they were not indispensible to the running of the TH.

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Wien über diese „Schmutzkonkurrenz“.13 Zudem stellte sich ziemlich rasch heraus, dass die Studierenden oft gar nicht über die gesuchten praktischen Qualifikationen, etwa als Chauffeure, Straßenbahnfahrer oder als Bedienungspersonal von Maschinen verfügten, und für ihre „Abrichtung“, wie die notwendige Einarbeitung oft genannt wurde, war keine Zeit. So konnten am Ende nur einige wenige Technikhörer in den Bereich der öffentlichen Verwaltung vermittelt werden, wo sie u. a. im k. u. k. Kriegsministerium für den optischen Telegrafendienst und im k. k. Handelsministerium zur Dienstleistung bei der Post- und Telegraphendirektion eingesetzt wurden.14 Erst ab etwa 1916 wurden tatsächlich von Seiten der Betriebe und öffentlichen Stellen aktiv „Techniker“ angefordert (so z.  B. von den Flugzeugwerken Wiener Neustadt, vom Patentamt und von anderen Einrichtungen).15 Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings kaum noch Studierende verfügbar: Im Herbst 1916 war die Zahl der Inskribierten von 2 976 ordentlichen Hörern im Studienjahr 1913/14 auf ihren absoluten Tiefstand von 555 Hörern gesunken.16 Für das Personal der Hochschule war bereits am 29. Juli eine Urlaubssperre verhängt worden.17 ­Wehrfähige Angehörige des wissenschaftlichen und des nichtwissen­­schaftlichen Personals, sofern sie nicht für den laufenden Geschäftsbetrieb der Hochschule unentbehrlich waren, wurden rasch eingezogen oder meldeten sich freiwillig zum Militärdienst. Zu diesen gehörte auch der damals 57jährige Rektor Sahulka, auf dessen Dienste als k  .u.  k. Landsturmoffizier allerdings aus Altersgründen von Seiten der Militärbehörden verzichtet wurde.18 Im Herbst 1914 waren dann bereits 55 wissenschaftliche und 34 nichtwissenschaftliche Bedienstete der Hochschule eingerückt.19 Angehörige des wissenschaftlichen Personals, insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs und Professoren, wurden dabei oft nicht an die Front geschickt, sondern zur Arbeit in ihrem Fachgebiet an militärische Dienststellen zugeteilt. Spätestens ab dem Studienjahr 1915/16 machte sich an der Hochschule ein empfindlicher Personalmangel bemerkbar. So musste im Dezember 1915 die mecha-

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One of the volunteers was Rector Sahulka, who was 57 years old at the time; his services as an Imperial Royal Landsturm officer, however, were declined by the military authorities due to his age.18 In autumn 1914, 55 scientific and 34 non-scientific university staff members had already enlisted.19 Members of the scientific staff, in particular young academics and professors, were often not sent to the front, but instead assigned to military departments to work in their area of expertise. In the term of 1915–16, the critical lack of staff at the university became undeniable. For example, in December 1915, the Mechanical- technical Testing Laboratory had to delay its launch because all auxiliary staff members were in active service.20 The Hochschule therefore increasingly applied for the exemption of scientific and administrative staff from active service in order to ensure that teaching and, more importantly, war-related research could continue – not always successfully though, and not on such a scale as is seen later, in World War II. In conclusion, however, we may note that the staff resources of the university were more or less exhausted. The War Mobilisation of Civil Society Another novelty in this war was the scale on which the resources of civil society were exploited for war, beyond and above direct military service. At the beginning of the war in particular, this was mainly based upon voluntary actions, often with a charitable orientation. Soon, however, state-decreed measures and a forced recourse to private means were added. The TH in Vienna and its members contributed, as did all other Austrian universities. The initial enthusiasm was manifest in a flood of volunteer activities: these included registrations to assistance services, such as “refreshment duties” for soldiers departing to the front, or donation drives with a charitable background. The Rector of the TH in Vienna, for example, initiated a Collection of Funds and established an assistance

nisch-technische Versuchsanstalt die Aufnahme ihrer Arbeit verschieben, weil sämtliche Hilfskräfte eingerückt waren.20 Daher wurde zunehmend um die Befreiung von wissenschaftlichem und administrativem Personal vom Kriegsdienst angesucht, um den Lehr- und vor allem den kriegswichtigen Forschungsbetrieb aufrecht erhalten zu können – nicht immer mit Erfolg, und auch nicht in so großem Ausmaß, wie es später für den Zweiten Weltkrieg zu beobachten ist. In Summe lässt sich jedoch festhalten, dass die personellen Ressourcen der Hochschule quantitativ weitgehend ausgeschöpft wurden. Die Mobilisierung der Zivilgesellschaft für den Krieg Neu in diesem Krieg war auch das Ausmaß, in dem die Ressourcen der Zivilgesellschaft, über den direkten Wehrdienst hinaus, für den Krieg herangezogen wurden. Vor allem zu Kriegsbeginn erfolgte dies vielfach auf freiwilliger Grundlage, oft mit eher karitativer Ausrichtung. Bald kam jedoch die staatlich verordnete und zwangsweise Inanspruchnahme privater Mittel hinzu. Die TH in Wien und ihre Angehörigen leisteten dazu ebenso wie die anderen österreichischen Hochschulen ihren Beitrag. Die erste Begeisterung bei Kriegsbeginn manifestierte sich auch in einer Welle freiwilliger Aktivitäten: Die Meldungen zu Hilfsdiensten, wie etwa „Labediensten“ für die einrückenden Soldaten, gehörten ebenso dazu wie Spendensammlungen mit karitativem Hintergrund. So initiierte der Rektor der TH in Wien noch im Juli 1914 eine Sammlung von Geldspenden und die Errichtung eines Hilfsfonds für die Unterstützung der Angehörigen eingerückter „Diener“ und sonstiger niederrangiger Bediensteter der Hochschule, deren reguläre Bezüge bei Einberufung zugunsten des Wehrsoldes eingestellt wurden.21 Hier galt es vor allem, Wartezeiten zwischen der Einstellung der bisherigen Gehaltszahlungen und der Auszahlung des Wehrsoldes zu überbrücken, was für Familien mit geringem Einkommen oft problematisch war. Ebenfalls kurz nach Kriegsausbruch richtete die Hochschule eine Sammelstelle für Soldatenlektüre ein, die

Abbildung 3: Propagandabild: Beschwörung der „Waffenbrüderschaft“ zwischen der Habsburger Monarchie und dem Deutschen Reich. Figure 3: Propaganda Poster, confirming the “brotherhood in arms” of the Habsburg Monarchy and the German Empire.

fund to support the families of enlisted “servants” and other low-ranking TH employees, whose regular income was ceased and replaced by soldiers’ pay as early as July 1914.21 It was mainly a matter of bridging the gap between the cessation of the regular salary and the payment of the soldiers’ pay, a transition that often caused problems for low-income families. Also shortly after the outbreak of the war, the TH established a Collection Point for Soldier Reading Material, organised by the Rector’s office, which sent daily and weekly papers along with books to soldiers at the front. The recipients’ letters of thanks – mostly on Feld-

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von der Rektoratskanzlei organisiert wurde und die Tages- und Wochenzeitungen sowie Bücher an die im Feld stehenden Soldaten versandte. Die Dankschreiben der Empfänger – meist in Form von Feldpostkarten – ergaben schließlich eine Sammlung von weit über 12.000 Stück, die eigentlich dem Archiv der Hochschule hätten übergeben werden sollen. Ihr Verbleib war bisher nicht feststellbar. Ab 1916 schlossen sich alle Wiener Hochschulen zu der Aktion „Bücher ins Feld“ zusammen, die im letzten Kriegsjahr zum Versand „tragbarer Feldbibliotheken“ überging.22 Anfang August 1914 erfolgte die Einrichtung einer Sanitätswerkstätte in den Räumen der TH Wien, die Tragbahren und Ähnliches für die Versorgung von Kranken herstellte und damit u. a. das Verwundetenspital der Hochschule für Bodenkultur belieferte.23 Auch an der TH in Wien wurde bereits kurz nach Kriegsbeginn ein sogenanntes Kriegshilfsspital errichtet. Am 14. August 1914 erfolgte nach einer entsprechenden Anfrage des Rektors die ministerielle Genehmigung dafür.24 Das Kriegshilfsspital, militärisch der Rudolfstiftung zugeordnet und unter der ärztlichen Leitung des Medizinalrats Dr. Fritz Euler, war von 1914–1916 im Karls­ trakt des Hauptgebäudes untergebracht – zunächst nur in einigen Räumen, nahm es bald aber fast den ganzen Gebäudeteil ein. Das Kriegshilfsspital wurde weitgehend aus Spenden finanziert: Bis 1916 waren dafür 676.672,97 Kronen und umfangreiche Sachspenden aufgebracht worden. Die Leitung der Verwaltung nahm ein „Spitalskomitee“ des Professorenkollegiums wahr, dessen Obmann zunächst Prof. Sahulka, ab 1916 Prof. Gustav Jäger war. Neben 27 Berufspflegerinnen betätigten sich zahlreiche Ehefrauen und Töchter von Professoren des Hauses ehrenamtlich als Hilfspflegerinnen und bei anderen administrativen Tätigkeiten. Neben der ärztlichen Versorgung und der Verpflegung wurde auch an das geistige Wohl der Patienten gedacht: Regelmäßige Gottesdienste für alle Konfessionen wurden ebenso angeboten wie Lesestoff (Bücher und Tageszeitungen) und Bildungsmöglichkeiten, von „Analphabetenkursen“ bis hin zu Kursen

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post (army postal service) cards – grew to a collection of more than 12,000 items that were purportedly placed in the university archives. So far, we have been unable to locate their whereabouts. From 1916, all Viennese universities joined forces for the “Books to the Field” campaign, which evolved into the mailing of “portable field libraries” in the final year of the war.22 At the beginning of August 1914, a Sanitätswerkstätte (medical workshop) was established at the TH in Vienna, which produced stretchers and similar items for tending to the wounded, supplying the casualty ward at the College of Natural Resources, among others.23 Also at the TH in Vienna, a so-called Kriegshilfsspital (War Assistance Hospital) was established shortly after the start of the war. On 14 August 1914, the hospital was sanctioned by the ministry following an application by the Rector.24 The Kriegshilfsspital – militarily assigned to the Rudolfsstiftung hospital – was directed by Medizinal­ rat Dr. Fritz Euler. From 1914 to 1916, it was based in the Karlstrakt wing of the main building – at first in a few rooms, but it soon spread across nearly the whole wing. The Kriegshilfsspital was funded mainly by donations: by 1916, a total of 676,672.97 Kronen and extensive donations of goods had been collected. The administration of the hospital was carried out by the “Hospital Committee” of the Council of Professors; its chairman was first Professor Sahulka and then, starting in 1916, Professor Gustav Jäger. In addition to 27 professional nurses, many professors’ wives and daughters volunteered as assistant nurses and for administrative tasks. Besides medical care and meals, the spiritual welfare of patients was also cared for: regular services for all confessions were provided, along with reading material (books and newspapers), and educational opportunities ranging from “literacy courses” to accounting and stenography. Entertainment programmes for convalescing soldiers were also organised. Public recognition was not long in coming: on 7 February 1915, Archduke Franz Salvator and Archduchess Marie Valerie visited the hospital; in 1916, its staff was honoured by the Red Cross.

in Buchhaltung oder Stenographie. Auch Unterhaltungsprogramme für die rekonvaleszenten Soldaten wurden organisiert. Die öffentliche Anerkennung dafür blieb nicht aus: Am 7. Februar 1915 besuchten Erzherzog Franz Salvator und Erzherzogin Marie Valerie das Spital, 1916 wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vom Roten Kreuz ausgezeichnet. Trotz allem verlief das Zusammenleben von Hochschule und Spital nicht immer friktionsfrei – so mussten die Durchgangstüren vom Haupttrakt in den Karlstrakt gesperrt werden25, und bald kam es zu Beschwerden von Professoren über Belästigungen durch Klavierspiel in den an die Hörsäle angrenzenden Räume des Spitals während ihrer Vorlesung.26 Als der Zustrom an Verwundeten im Sommer 1916 stark abnahm, wandten sich die Spitalskomitees der Wiener Hochschulen gemeinsam an das Ministerium und ersuchten um Auflösung der Kriegshilfsspitäler, die schließlich vom k. u. k. Militärkommando per 20. August 1916 befohlen wurde. Von der TH Wien aus wurden die verbliebenen Kranken in die Rudolfstiftung überführt. Die Räumlichkeiten im Karlstrakt wurden für eine Nutzung im Hochschulbetrieb rückadaptiert und die verbliebenen Spendenmittel für die Unterstützung invalider Hörer der Hochschule gewidmet. Mit Ende 1916 konnte das Kriegshilfsspital in der TH in Wien endgültig geschlossen werden. In seinen zuletzt 314 Betten waren bis dahin insgesamt 34.742 Patienten aufgenommen worden. Zum Gedenken wurde von Prof. Max Fabiani für die Förderer und Mitglieder des Spitalskomitees ein Erinnerungsblatt entworfen, das dem gedruckten Rechenschaftsbericht beigelegt wurde.27 Kriegsanleihen Die Finanzierung des Krieges erfolgte auch in der Habsburgermonarchie sehr bald in großem Umfang durch den staatlichen Zugriff auf private Mittel. Im November 1914 wurde die erste von insgesamt acht Kriegsanleihen aufgelegt, die letzte noch im Frühjahr 1918. Zunächst

Abbildung 4: Gedenkblatt an das Kriegshilfsspital der TH in Wien. Fig.4: Commemorative notice for the war hospital of the TH in ­Vienna.

Nevertheless, the cohabitation of the university and the hospital was not always without friction – for example, the doors leading from the main wing into the Karlstrakt wing had to be locked,25 and soon there were complaints from professors about their lectures being disrupted by pianos playing in the hospital wards next to the lecture halls.26 When the influx of casualties declined in summer 1916, the hospital committees of the Viennese universities collectively applied to the Ministry and asked for a

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dissolution of these war hospitals, which was finally ordered by the Imperial and Royal Military Command on 20 August 1916. The remaining wounded were transferred from the TH to the Rudolfstiftung hospital. The rooms in the Karlstrakt wing were readapted for university purposes, and the remaining funds were donated to the aid of invalid students. At the end of 1916, the war hospital at the TH in Vienna was finally closed. A total of 34,742 patients had been admitted to its beds, of which there were 314 at the end. A commemorative notice for the sponsors and the members of the Hospital Committee was designed by Professor Max Fabiani and attached to its accountability report.27 War Bonds

Abbildung 5: Aufruf zur Beteiligung an der 5. Kriegsanleihe. Fig. 5: Appeal for contributions to the 5th war bond.

wurden sie aus freiwilligen Spenden bedient. Das Rektorat rief die Angehörigen der TH Wien auf, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten, und sie taten dies auch. Ab 1915 wurden zunehmend auch die Gelder der gut dotierten Stiftungsfonds der Hochschule in Kriegsanleihen angelegt.28 Die Zeichnungsprospekte versprachen eine sichere Veranlagung, da ja der Staat dafür haftete. Damit waren diese Papiere aus der Perspektive traditioneller Stiftungsverwaltungen als „mündelsicher“ qualifiziert. Zugleich übten die staatlichen Instanzen Druck auf die Inhaber von Stiftungskapitalien aus, diese in Kriegsanleihen anzulegen. So hieß es etwa anlässlich der Begebung der 4. Kriegsanleihe im April 1916 in einem Rundschreiben der k.  k.  nö. Statthalterei: „Fürwahr ist

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In the Habsburg Monarchy as well, the war was soon funded on a large scale through the state’s accessing of private funds. In November 1914, the first of a total of eight war bonds was issued; the last was in the spring of 1918. At first, they were based on voluntary donations. The Rectorate called upon the members of the TH in Vienna to do their bit, and they did. From 1915, the funds of the well-stocked endowment funds of the TH were increasingly invested in war bonds.28 The issue leaflet promised a secure investment, as the state vouched for it. This meant that these shares were qualified as “giltedged” from the viewpoint of traditional endowment administrations. At the same time, state authorities exerted massive pressure on the owners of endowment capital to invest in war bonds. For example, on the occasion of the issue of the fourth war bond in April 1916, a circular by the Imperial and Royal Lower Austrian Government stated: “In truth, it is the unconditional duty of any Austrian who has cash, deposits, bank assets, stock, or anything of value that can be turned into money to sign the fourth war bond to his full ability.”29 When the fifth war bond was issued in autumn 1916, the rectors of Austrian universities were directly addressed by the Ministry of Education and called on to

Abbildung 6: Werbematerial für die 5. Kriegsanleihe (Postkarte). Fig. 6: Promotion material for the 5th war bond (postcard).

es unbedingte Pflicht eines jeden Österreichers, der Bargeld, Einlagen oder Guthaben bei Geldinstituten, Wertpapiere oder überhaupt Werte besitzt, die in Geld umgewandelt werden können, nach seinem vollen Können auf die vierte Kriegsanleihe zu zeichnen.“29 Anlässlich der Auflegung der 5. Kriegsanleihe im Herbst 1916 wurden die Rektoren der österreichischen Hochschulen von Unterrichtsministerium direkt angeschrieben und aufgefordert, „im Falle einer Neuanlage von Stiftungsgeldern, die zur dortigen Verwaltung gehören und im Falle der Fruktifizierung von Stiftungsinteressen sich nach Tunlichkeit an der 5. Kriegsanleihe zu beteiligen.“30 Zu diesem Zeitpunkt musste jedoch das Rektorat der TH Wien melden, dass bereits alle vorhandenen Stiftungsgelder verausgabt waren.31 Dies sollte sich später bitter rächen, da infolge des verlorenen Kriegs und der folgenden Inflation die Stiftungsvermögen auch der TH in Wien weitgehend vernichtet wurden. Private Spenden, auch von den Hörern der TH Wien, konnten aber weiterhin gesammelt und für Kriegsanleihen zur Verfügung gestellt werden, so dass insgesamt von der Hochschule und ihren Angehörigen erhebliche Geldsummen aufgebracht wurden.

Abbildung 7: Urkunde über eine Spende von 2000 Kronen durch die Hörer der TH in Wien, 1916. Fig. 7: Deed for a donation of 2,000 Kronen from TH in Vienna students, 1916.

“contribute to the fifth war bond according to feasibility in case of the reinvestment of endowment funds under their administration or in case of fructification of endowment interests.”30 The TH in Vienna Rectorate, however, had to report that all existing endowment funds had already been spent.31 This was to have bitter repercussions, as the TH’s endowment funds were annihilated due to the loss of the war and the inflation that followed in its wake. Private donations from TH in Vienna students also continued to be collected and put towards war bonds; the university and its members mustered significant amounts of money in this way.

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Materialsammlungen

Collection of Materials

Mangel an Rohstoffen, insbesondere von Metallen, für die Herstellung von Rüstungsgütern machte sich schon bald nach Kriegsbeginn bemerkbar. Auch hier wurde mithilfe von Sammelaktionen auf private Ressourcen zugegriffen. Ab dem Studienjahr 1914/15 erging an die Hochschulen die Aufforderung, sich an den Metallsammlungen zu beteiligen, insbesondere von Kupfer und anderen NE-Metallen. Die TH Wien spendete im Zuge der wiederholten Sammlungsaufrufe 1915 insgesamt acht Doppelzentner Kupfer, Messing und Blei, das Elektrotechnische Institut allein lieferte zusätzlich 11.136  kg Kupfer und 558  kg andere Buntmetalle ab.32 Der Vorschlag von Prof. Jüptner, das historische Kupferdach des Hauptgebäudes abzudecken und zu spenden, wurde allerdings vom Professorenkollegium einhellig abgelehnt und brachte der Hochschule außerdem eine herbe Rüge von Seiten der Zentralkommission für Denkmalpflege wegen eines solchen „Barbarismus“ ein.33 Einmütige Ablehnung, und zwar gleichermaßen von allen Hochschulen und Universitäten der Monarchie, gab es gegenüber der beabsichtigten Beschlagnahme allfälliger Platinvorräte, da Platin für viele wissenschaftliche Geräte und Analyseverfahren unabdingbar war. Die Technik-Professoren Bamberger, Wilhelm Suida und Vort­mann wiesen in einer eigenen Petition an das Ministerium darauf hin, dass Platin auch für die kriegswichtige Auftragsforschung benötigt werde.34 Ebenfalls aufgrund amtlicher Aufforderungen wurden an das k. u. k. technische Militärkomitee Fernrohre und andere optische Sehhilfen abgeliefert. Sie erwiesen sich allerdings in den meisten Fällen als völlig veraltet oder für eine militärische Verwendung unbrauchbar und wurden wieder retourniert.35 Intensiv beansprucht wurden dagegen die Räumlichkeiten, insbesondere die Laboratorien der TH Wien. Diese wurden von den verschiedensten öffentlichen Stellen, zivilen wie militärischen, zur Nutzung angefordert und, da sie wegen der immer geringer werdenden Zahl an Studierenden oft leer standen, zunächst auch bereitwillig überlassen.

A lack of raw materials, in particular metals, for the production of armaments became evident soon after the war had started. Here, too, collection campaigns sourced private resources. Starting in the 1914–15 school year, universities were also summoned to contribute to the collection of materials, in particular copper and other non-ferrous metals. In the course of recurring campaigns in 1915, the TH Wien donated a total of eight quintals of copper, brass, and lead; the Electrical Engineering Department alone provided an additional 11,136 kilograms of copper and 558 kilograms of other non-ferrous metals.32 Professor Jüptner’s proposal to strip and donate the historical copper roof of the main building, however, was universally dismissed by the Council of Professors, and earned the TH a serious reprimand from the Monuments Office because of its “barbarism”.33 The proposed requisitioning of possible platinum stocks was also met with universal refusal from all Hochschulen and universities of the Monarchy, as platinum was indispensable to many scientific apparatuses and analytical methods. In their petition to the Ministry, TH professors Max Bamberger, Wilhelm Suida, and Georg Vortmann emphasised that platinum was also necessary for war-related research commissions.34 In accordance with official requests, telescopes and other optical visual aids were submitted to the Imperial and Royal Technical Military Committee. In most cases, however, they proved to be completely out-dated or unsuitable for military use, and were duly returned.35 What was intensely utilised, on the other hand, were the premises, in particular the TH Wien laboratories. They were requisitioned for use by different public agencies, civil as well as military, and initially readily relinquished, as they often went unused due to the decreasing number of students.

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As early as 1914, several rooms at the Institute of Electrical Engineering on Gusshausstraße as well as the machine laboratory were ceded to the War Ministry

Bereits 1914 wurden dem Kriegsministerium mehrere Räume im Elektrotechnischen Institut in der Gußhausstraße sowie das Maschinenlaboratorium für die Ausbildung von Offizieren und Mannschaften zur Verfügung gestellt.36 Es folgten Räume im Hauptgebäude für das flugtechnische Laboratorium,37 die Nutzung des Labors für Chemische Technologie durch das k. u. k. Bergbauamt38 sowie die Einquartierung der Heeres-Approvisionierungsstelle im Hörsaal I.39 Zu Kriegsende waren noch folgende Stellen in den Gebäuden der TH Wien untergebracht40: •• an das Fliegerarsenal wurden überlassen drei Zeichensäle der Maschinenbauschule, das Aeromechanische Laboratorium im zweiten Hof des Hauptgebäudes (Lehrkanzel für Luftschifffahrt und Automobilwesen, Prof. Knoller) und das Mechanisch-technische Laboratorium der Technischen Versuchsanstalt (Prof. Kirsch) •• im Labor der Lehrkanzel für anorganische Chemie im Panigltrakt (Prof. Bamberger) arbeiteten ebenfalls Offiziere des Fliegerarsenals, aber auch der Gemeinsame Ernährungsausschuss des Versuchslaboratoriums der Abteilung 19G [ehemals Referat für den Gaskampf, J.M.] und das Labor der Abteilung 7P des k. u. k. Kriegsministeriums; die Sektion II des Gemeinsamen Ernährungsausschusses belegte außerdem im Elektrotechnischen Institut einen Zeichensaal und zwei weitere Räume •• bei Prof. Jüptner im Labor der Lehrkanzel für Chemische Technologie Anorganischer Stoffe war das Bergund Hüttenlaboratorium untergebracht •• ebenfalls im Elektrotechnischen Institut belegte die Versuchsabteilung für das Telegraphen- und Signalwesen insgesamt drei Zeichensäle und sieben weitere Räume, die Flieger-Radio-Versuchsstelle sechs Räume und die Versuchsstelle des k. u. k. Kriegsministeriums acht Räume. Im Hauptgebäude am Karlsplatz waren außerdem noch untergebracht •• das Zentralnachweisbureau des k. u. k. Kriegsministeriums, Abt. H1 und H2, im Zeichensaal der Maschinenbauschule, außerdem nutzte es mehrere Räume der Lehrkanzel für Theoretische Physik (Prof. Mache)

for the training of officers and troops.36 Later, rooms in the main building were relinquished for the Aeronautics Laboratory,37 the Laboratory of Chemical Technology was used by the Imperial and Royal Mining Office38 and the Army’s Service Corps was quartered in Lecture Hall I.39 At the end of the war, the following institutions were still housed in buildings of the TH Wien:40 •• The Aviation Arsenal had the use of three design rooms of the Mechanical Engineering school, the Aeromechanical Laboratory in the second courtyard of the main building (Chair of Aviation and Automotive Transport, Prof. Knoller) and the Mechanical Technical Laboratory of the Technical Research Centre (Prof. Kirsch); •• Officers of the Aviation Arsenal also worked in the laboratory of the Chair of Inorganic Chemistry in the Panigl wing (Prof. Bamberger), sharing with the Joint Nutrition Committee of the Research Laboratory of Department 19G (formerly the Unit for Gas Combat) and the laboratory of Department 7P of the Imperial and Royal War Ministry; Section II of the Joint Nutrition Committee also used a design room and two other rooms at the Institute of Electrical Engineering; •• The laboratory of the Chair of Chemical Technology of Inorganic Substances, Prof. Jüptner, housed the Mining and Metallurgy Laboratory; •• Also at the Institute of Electrical Engineering, the Research Department for Telegraphy and Signalling occupied a total of three design rooms and seven other rooms, Air Force Radio Research six rooms, and the Research Department of the Imperial and Royal War Ministry eight rooms. In addition, the following institutions were quartered in the main building at Karlsplatz: •• The Zentralnachweisbureau (Central Information Bureau) of the Imperial and Royal War Ministry, Departments H1 and H2, in the design room of the Mechanical Engineering school, which also used several rooms of the Chair of Theoretical Physics (Prof. Mache);

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•• die Vermisstenabteilung des Roten Kreuzes, die vier Zeichensäle und einen weiteren Raum der Lehrkanzel für Hochbau (Prof. Artmann) belegte.

•• The Missing Persons Department of the Red Cross occupied four design rooms and one room of the Chair of Structural Engineering (Prof. Artmann).

Außerdem wurde auch die Hochschulbibliothek intensiv durch militärische Stellen genutzt. Schon diese Übersicht zeigt, dass die Hochschule einen beträchtlichen Teil ihrer Raumkapazitäten für militärische Zwecke wissenschaftlicher und administrativer Art abtreten musste, wobei teilweise die Professoren dort gleichzeitig als Dienstverpflichtete kriegsrelevante Forschungen durchführten.

In addition, the TH’s library was extensively used by a variety of military agencies. This overview alone shows that the TH had to cede a significant part of its premises to military purposes of a scientific or administrative nature, with its professors carrying out war-related research in their capacity as enlisted soldiers. Research for War

Forschung für den Krieg Die wachsende Einbeziehung der Forschungskapazitäten von Hochschulen und Universitäten in diesen Krieg hatte es so bisher nicht gegeben und sie war, wie sich bald zeigte, durchaus im beiderseitigen Interesse. Insbesondere die an der Hochschule tätigen Wissenschaftler stellten ihre fachliche Expertise in vielfältiger Weise zur Verfügung. Dies konnte z.B. durch die Erstellung von Gutachten erfolgen, etwa für eine Patronenmaschine der Dynamit Nobel AG in St. Lambach/Stmk.41 Sehr oft wurden sie im Rahmen ihrer Verpflichtung zum Militärdienst für kriegsrelevante Forschungen herangezogen. So war Prof. Max Bamberger als k. k. Landsturm- Oberingenieur auch in der staatlichen Pulverfabrik Blumau tätig, ebenso wie sein damaliger Adjunkt und tit.  a.  o.  Professor der Chemischen Technologie organischer Stoffe, Friedrich Böck. Der Assistent von Gustav Jäger an der Lehrkanzel für Physik, Franz Aigner, arbeitete an Problemen der Raumakustik und führte im Auftrag des Kriegsministeriums Untersuchungen zum Unterwasserschall und zu Ortungsmöglichkeiten für U-Boote durch42, die Honorardozenten L. Freund und A. Praetorius forschten im Rahmen ihrer Verpflichtung zum Sanitätsdienst zur radioaktiven Fremdkörperlokalisierung bei Verwundeten43, um nur einige Beispiele zu nennen.

The growing inclusion of universities into the war was a new factor that was, as soon became evident, in both parties’ mutual interest. In particular, the scientists working at the TH made their specific expertise available in a number of ways, for example by providing expertise, e.g. on a cartridge machine proposed by the Dynamit Nobel AG company in St. Lambach in Styria.41 Professors were often mobilised for war-related research as part of being drafted into military service. For instance, Prof. Max Bamberger was an Imperial and Royal Landsturm Chief Engineer, and also worked at the state gunpowder factory in Blumau, as did his assistant at the time, Associate Professor of Chemical Technology of Organic Substances Friedrich Böck. Gustav Jäger’s assistant at the Chair of Physics, Franz Aigner, worked on problems of spatial acoustics and studied underwater acoustics and the echolocation of submarines on behalf of the War Ministry,42 Honorary Associate Professors L. Freund and A. Praetorius researched the radioactive localisation of foreign objects in casualties as part of their duties to medical service,43 to name only a few examples. In general, we may assume that as the war progressed, nearly all chairs and professors at the TH were involved in war-related research in some way, or had at least offered their cooperation.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass mit fortschreitender Kriegsdauer nahezu alle Lehrkanzeln

Immediately after the outbreak of war for instance, the professors of the Chair of Geodesy, which had only

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und Professoren der Hochschule irgendwie in kriegsrelevante Forschungen einbezogen waren oder ihre Mitarbeit zumindest anregten. So boten gleich zu Kriegsbeginn die Professoren der erst 1910/11 neu errichteten Lehrkanzel für Geodäsie und des Instituts für Photogrammetrie, Dokulil und Doležal, dem Kriegsministerium ihre Mitwirkung bei photogrammetrischen Arbeiten, insbesondere für die Aerophotogrammetrie an. Dabei hoben sie die hervorragende Ausstattung ihrer Einrichtungen mit „allen modernen Hilfsmitteln der Photogrammetrie“ hervor und wiesen auf mögliche Anwendungsbereiche hin, insbesondere im „Hinblicke auf die Ausgestaltung, welche die Flugtechnik in neuester Zeit erfahren hat“. Das Kriegsministerium war zumindest zum damaligen Zeitpunkt offenbar nicht wirklich interessiert und meinte, dass die Professoren „ihrem Lehrberufe nicht entzogen werden“ sollten und man ihre Dienste am ehesten „bei der in Wien stattfindenden Ausarbeitung der stereophotogrammetrischen Feldelaborate“ in Anspruch nehmen könne.44 Einige Lehrkanzeln und Lehrpersonen der TH Wien waren dafür besonders aktiv in die kriegsrelevante Forschung eingebunden: Sehr eng war die Zusammenarbeit Richard Knollers mit dem k. u. k. Luftfahrtarsenal. Er konstruierte, wenn auch mit geringem Erfolg, mehrere Flugzeugtypen, so für die Firma Albatros, und führte in dem von ihm entworfenen Windkanal der Forschungsstelle des Fliegerarsenals in Fischamend Propellerprüfungen durch.45 Das Aeromechanische Laboratorium, dessen Errichtung 1910 bereits mit Zuschüssen des Heeres finanziert worden war, stand ebenfalls seit 1914 ganz für militärische Forschungen zur Verfügung. Wie eng die Kooperation mit dem Fliegerarsenal war, legte Knoller Ende 1917 in Beantwortung eines Vorschlags des damaligen Kommandanten des Fliegerarsenals, Major Petróczy, auf Errichtung einer „Technischen Auskunftei“ nach deutschem Vorbild dar. In seiner Stellungnahme wies Knoller darauf hin, dass seine Lehrkanzel ohnehin mit dem Fliegerarsenal eng zusammenarbeite, „und findet der

recently been established, in 1910–11, and of the Institute of Photogrammetry, Dokulil and Doležal, offered their cooperation in photogrammetric projects, in particular for aero-photogrammetry, emphasising their institutions’ excellent facilities, which were equipped with “all the modern tools of photogrammetry,” going on to indicate possible applications, particularly “in view of recent developments in aircraft technology”. The War Ministry was not really interested, at least at the time, and opined that the professors should “not be detracted from their teaching duties,” and that their services could be used, if at all, “in the analysis of stereo-photogrammetric field output based in Vienna”.44 Some chairs and teaching staff of the TH Wien, however, were particularly active in war-related research: Richard Knoller closely collaborated with the Imperial and Royal Aviation Arsenal. He constructed several aircraft prototypes, though with little success, for instance for the Albatros company, and conducted propeller tests in the wind channel of the Aviation Arsenal in Fischamend, which he had designed.45 The Aeromechanical Laboratory, which had been built as early as 1910 with support from the Army, was also completely at the disposal of military research starting in 1914. In late 1917, Knoller indicated how close the cooperation with the Aviation Arsenal was when he answered a proposal by Major Petróczy, Aviation Arsenal Commander, to establish a “Technical Information Service” following the example of the Germans. In his comment, Knoller pointed out that his chair was already in close collaboration with the Aviation Arsenal in any case, “and the suggested exchange of test results in a regular occurrence”.46 The cooperation of the scientists of the chemical-technical chairs with military agencies was also intensive. Max Bamberger and Friedrich Böck, from the Chair of Experimental Chemistry I – Inorganic Chemistry, were detached to the gunpowder factory in Blumau for military service; both worked on different gas warfare issues. Bamberger, who had developed breathing apparatuses for miners to provide protection in firedamp explosions, researched

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von dort angeregte Austausch der Versuchsergebnisse in normaler Weise statt.“46 Intensiv war auch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der chemisch-technischen Lehrkanzeln mit militärischen Stellen. Max Bamberger und Friedrich Böck von der Lehrkanzel für Experimentalchemie I Anorganische Chemie, beide zur Kriegsdienstleistung an die Pulverfabrik in Blumau abkommandiert, arbeiteten gemeinsam an verschiedenen Problemen des Gaskriegs. Bamberger, der vor dem Krieg Atemschutzgeräte für Bergleute als Schutz bei Schlagwetterexplosionen entwickelt hatte, forschte zusammen mit Böck an der Weiterentwicklung dieser Geräte zum Einsatz als Gas-Schutzmasken sowie an Verfahren zur Luftregenerierung in U-Booten. Zusammen mit seinem Assistenten Josef Nussbaum arbeitete Bamberger über stickstofffreie Sprengstoffe auf Basis von Wasserstoffsuperoxyd, die auch für zivile Sprengungen nutzbar waren.47 Böck arbeitete auch an der Entwicklung von Giftgas. Ebenso wie Bamberger war er ab 1916 Mitglied der neu errichteten „Wissenschaftlichen Beratungsstelle für den Gaskampf“ und seit 1917 Leiter des Versuchslaboratoriums der Abt. 19G des k. u. k. Kriegsministeriums, „das in den Räumen der Technischen Hochschule installiert wurde.“48 Aus einem Bericht über einen Unfall mit Gaskampfstoffen in Böcks Labor aus dem Jahr 1931 (damals schon in der Dreihufeisengasse am Standort Getreidemarkt) erfahren wir, dass dieser nicht nur mindestens seit 1917 an Gaskampfstoffen gearbeitet hatte, sondern offensichtlich auch etliche Proben davon immer noch in seinem „Privatlabor“ aufbewahrte (was darauf hindeuten könnte, dass er an dieser Materie noch bis in die Zwischenkriegszeit arbeitete).49 Bei dem Unfall war u.a. eine Flasche mit in Dimethylsulfat gelöstem Bromcyan aus ungeklärter Ursache explodiert, was zum Zerschellen einer Flasche mit Gelbkreuz geführt hatte. In großem Umfang wurde die seit 1909 bestehende Versuchsanstalt für Brennstoffe, Feuerungsanlagen und Gasbeleuchtung, geleitet von Hugo Strache, mit Aufträgen des k. u. k. Kriegsministeriums betraut: So wurden dort Arbeiten über „destruktive Destillation“ von Kohle, Toluol–Gewinnung (Sprengstoff), Teeruntersuchungen

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the development of these devices for use as gas protection masks together with Böck, as well as methods to regenerate air in submarines. Together with his assistant Josef Nussbaum, Bamberger worked on nitrogen-free explosives based on hydrogen superoxide, which were also suitable for civilian applications.47 Böck also worked on the development of poison gas. He and Bamberger became members of the newly established “Scientific Advisory Committee on Gas Warfare” in 1916, and Böck became Director of the experimental laboratory of Department 19G of the Imperial and Royal War Ministry in 1917, which “was installed on the premises of the Technische Hochschule”.48 From a 1931 report on an accident with gas for military use in Böck’s laboratory (already located in Dreihufeisengasse at the Getreidemarkt facility), we learn that he had not only worked on gas for military use since as early as 1917, but clearly still kept quite a few samples in his “private lab” (which might suggest that he continued working on the matter in the interwar period).49 In the reported incident, a bottle with cyanogen bromide dissolved in dimethyl sulphate exploded for unknown reasons, causing a bottle of mustard gas to shatter. The research laboratory for fuels, firing systems, and gas lighting, directed by Hugo Strache, received largescale commissions from the Imperial and Royal War Ministry. For instance, it conducted research on the “destructive distillation” of coal, toluene extraction (explosives), tar analyses, and coal gasification in special generators for tar and ammonia production. Starting in late 1916, Strache explored the extraction and large-scale production of fatty acids and soaps.50 In 1917, the research centre conducted, among others, experiments in toluene, glycerine, and fatty acid extraction (for ammunition production) for Department 7P of the War Ministry, comparative analyses of acetylene and oxygen burners for field searchlights for the Krems Weapons Battalion, and, commissioned by Field Armorer Leopold v. Schleyer, research on the usability of a type of Turkish slate for the production of “engine fuels”.51

sowie über Kohlevergasung in speziellen Generatoren zur Gewinnung von Teer und Ammoniak durchgeführt. Ab Ende 1916 befasste Strache sich mit der Gewinnung von Fettsäuren und Seifen und deren Herstellung im Großbetrieb.50 1917 wurden in der Versuchsanstalt u.a. für die Abteilung 7P des Kriegsministeriums Versuche zur Gewinnung von Toluol, Glyzerin und Fettsäuren (zur Herstellung von Munition) durchgeführt, für das Kampfmittelbataillon Krems a/D. vergleichende Untersuchungen von Azetylen- und Sauerstoffbrennern für Feldscheinwerfer und im Auftrag des Feldzeugmeisters Leopold v. Schleyer Untersuchungen über die Verwendbarkeit eines türkischen Schiefers für die Gewinnung von „motorischen Betriebsstoffen“.51 Diese Beispiele sind keineswegs erschöpfend, können aber die Bandbreite der an der TH Wien betriebenen kriegsrelevanten Auftragsforschung illustrieren. In den 1914 – 1918 und auch noch in den ersten Nachkriegsjahren abgefassten Dissertationen fanden entsprechende Themen ebenfalls ihren Niederschlag, da solche Arbeiten meist entweder aus der Mitwirkung an Forschungsvorhaben eines Professors erwuchsen oder aus beruflichen Praxiserfahrungen, und das hieß für viele Technik-Absolventen in dieser Zeit oft: aus den Erfahrungen, die sie während ihrer militärischen Dienstverpflichtung gemacht hatten. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit von A. Brauch zur Strohaufschließung für Futterzwecke.52 Selten weisen die Themenstellungen so direkt auf militärische Anwendungsbezüge hin wie bei der Dissertation von L. Lichtenhaldt über „Studien und Erfahrungen an Feldseilbahnen im Kriege“53, aber an einigen Arbeiten aus dem Umfeld der Versuchsanstalt für Gas- und Feuerungstechnik lassen sich die entsprechenden Zusammenhänge gut aufzeigen. So dissertierte Karl Glaser 1917 „Über die Bildung von Ammoniak beim Erhitzen von Koks mit Calciumhydroxid“54; Strache als Gutachter sprach dieser Arbeit „grossen praktischen Wert“ für das auch kriegsrelevante Problem der Ammoniakerzeugung zu. Heinrich Hiller promovierte „Über die Gewinnung der schwefeligen Säure aus den Abgasen von Feuerungsanlagen“55 – auch dies ein Thema, das die Ge-

These examples are by no means exhaustive, but serve to illustrate the range of war-related contract research conducted at the TH Wien. The dissertations submitted in 1914–1918, as well as in the early post-war years, also reflect similar and related subjects, as these works usually stemmed from collaborating in a professor’s research project or from practical professional experience, which, for graduates of the TH in this time, often meant experiences they had made during their military service. One example is A. Brauch’s thesis on straw maceration for use as fodder.52 Only rarely does a problem refer as directly to military applications as in the case of L. Lichtenhaldt’s doctoral thesis on “Studies and Experiences in Field Cableways in the War”,53 but several papers from the Research Centre for Gas and Firing Systems clearly indicate links. For instance, the title of Karl Glaser’s 1917 dissertation was “On the Release of Ammonia when Heating Coke and Calcium Hydroxide”.54 As a reviewer, Strache judged this paper to have “great practical value” for the problem of ammonia production, which was indeed war-related. Heinrich Hiller did his doctorate thesis “On the Extraction of Sulphurous Acid from Firing Systems Exhaust”,55 another problem related to the production of substances that were at least partly used in the armament industry. This was also true for the dissertation of Ferdinand Heyd from 1918 on “Contributions to the Understanding of Oil and Destruction Gas. Oil Gas and the Cracking Process. Chlorination of the Gas. Bromination of the Gas. The Extraction of Glycerine and Its Derivatives.”56 About this work, second reviewer Wilhelm Suida concluded it was “really a summary the work conducted at Professor Strache’s laboratory”.57 In addition to opportunities for research and qualification work, cooperation with military agencies also had other benefits for the scientists. For this reason, a number of excursions and “study trips” to arms industry institutions and even into the war zone were organised for individual professors and for larger groups of members of the Council of Professors.

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winnung von Stoffen betraf, die zumindest auch in der Rüstungsindustrie verwendet wurden. Die galt ebenso für die Dissertation von Ferdinand Heyd aus 1918 über „Beiträge zur Kenntnis des Öl- bzw. Destruktionsgases. Das Oelgas und der Krakprozess. Die Chlorierung des Gases. Die Bromierung des Gases. Die Gewinnung des Glycerins und seiner Abkömmlinge“.56 Über diese meinte der Zweitgutachter Wilhelm Suida abschließend, sie sei „eigentlich ein zusammenfassender Bericht über die Arbeiten im Laboratorium des Herrn Prof. Dr. Strache“.57 Neben Gelegenheiten für Forschungs- und Qualifizierungsarbeiten ergaben sich aus der Kooperation mit den militärischen Stellen auch andere Gewinne für die Wissenschaftler. So fanden eine Reihe von Exkursionen und „Studienreisen“ einzelner Professoren oder auch größerer Gruppen von Mitgliedern des Professorenkollegiums zu rüstungsrelevanten Einrichtungen und sogar in das Kriegsgebiet statt. Die erste derartige Besichtigung galt der k. u. k. Pulverfabrik in Blumau: Am 28. April 1916 besuchten 25 Mitglieder des Professorenkollegiums die dort neu errichtete Kunstsalpeter-Erzeugungsanlage. Im Anschluss übermittelte das Professorenkollegium als Dank eine Spende von 100 Kronen für wohltätige Zwecke, die einem bei einer Explosion am Tage des Besuchs verunglückten Arbeiter zugewendet wurde.58 Einige Monate später folgte eine ähnliche Exkursion zur staatlichen Munitionsfabrik in Wöllersdorf.59 Waren dies eher Tagesausflüge, so bedurften Studienreisen ins Kriegsgebiet deutlich umfangreicherer Vorbereitungen. Vom 15. bis 30. September 1915 konnten die Professoren Halter, Kleinwächter und Saliger (alle drei der Fachschule für Bauingenieurwesen angehörig) auf Einladung des Chefs des Feldtransportwesens, Oblt. d. Generalstabs Johann Straub von Burgauhof, eine größere Anzahl von „Kriegsbauten“ in den kurz zuvor von der russischen Armee zurückeroberten Gebieten Galiziens, der Bukowina und Nordungarns besichtigen.60 Vorgeschlagen wurden von Straub die Benzin-Elektrische Feldbahn Borgo – Dorna Watra, „mit 600 m langem Holzobjekt“, Brückenwiederherstellungen über den Pruth

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The first visit of this kind was to the Imperial and Royal Gunpowder Factory in Blumau. On 28 April 1916, 25 members of the Council of Professors visited the newly built artificial saltpetre production facility there. In return, the Council of Professors donated 100 Kronen for charitable purposes, which were contributed to a worker killed in an explosion on the day of the visit.58 Some months later, a similar excursion was organised to the state munitions factory in Wöllersdorf.59 While these excursions were more or less day trips, study trips into the battle zone required much more preparation. From 15–30 September 1915, Professors Halter, Kleinwächter, and Saliger (all three members of the School of Civil Engineers) were able to visit a number of “military constructions” in parts of Galicia, the Bukovina, and northern Hungary that had just been recovered from the Russian army, on the invitation of the Chief of Field Transport, First Lieutenant of the General Staff Johann Straub von Burgauhof.60 Straub suggested visiting the petrol-electric Borgo–Dorna Watra railway, “with a 600-meter-long wooden object”, bridge reconstructions over the Pruth and Dnjestr rivers, and a number of viaducts as well as a visit to the tunnel near Miechów, “possibly by automobile”. Considerable bureaucratic effort was involved, as each participant had to be issued an “open order” to access the battle zone, certificates for free transport on the Austrian and Hungarian Railways, and also “a passport with a photograph”, something not at all self-evident at the time. On the professors’ request, they were even granted permission to take photographs of “technically interesting objects”, albeit with the restriction that they were not to be published before the end of the war.61 Although in the end, they were not able to visit all proposed sites, the travellers seem to have been duly impressed. At any rate, the Rector of the TH in Vienna, Richard Schumann, expressed in a letter of thanks to Straub his “glad conviction (…) that the Austrian Army knows how to utilize all the technological achievements to such an excellent degree that its accomplishment in bridge construction is unlikely to be equalled by any other nation”. Also, the TH had received

und den Dnjestr sowie eine Reihe von Viadukten, und auch ein Ausflug zum Tunnel bei Miechow, „eventuell mit dem Automobil“. Der bürokratische Aufwand war enorm, mussten doch nicht nur eine „offene Order“ für den Zugang zum Kriegsgebiet sowie Freifahrt-Berechtigungen für österreichische und ungarische Eisenbahnen, sondern auch, was damals noch nicht selbstverständlich war, „ein Reisepass mit Photographie“ von jedem Teilnehmer beigebracht werden. Auf Wunsch der Professoren wurde sogar eine Foto-Erlaubnis für „technisch interessante Objekte“ erteilt, allerdings mit der Einschränkung, dass vor Kriegsende keine Veröffentlichung erfolgen durfte.61 Zwar konnten schließlich doch nicht alle vorgeschlagenen Objekte besucht werden, doch dürften die Reisenden beeindruckt gewesen sein. Jedenfalls äußerte der damalige Rektor der TH Wien, Richard Schumann, in seinem Dankschreiben an

Abbildung 8: Mitglieder des Professorenkollegiums der TH in Wien in Wöllersdorf. Fig. 8: Members of the TH Wien Council of Professors in Wöllersdorf.

“a multitude of suggestions from the professors” for the future of teaching at the university.62 On the other hand, a proposed journey to the “German-occupied Belgian territories” for “comparative purposes” does not seem to have taken place.63 This makes clear that the cooperation of scientists of the TH in Vienna – professors as well as young academics – with diverse civilian, state, and military agencies was common practice and involved nearly all faculties, at least in engineering. Formally, such cooperations were mainly contract research, either commissioned by the military, other public authorities, or by private suppliers.

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Straub seine „freudige Überzeugung […], dass die österreichische Armee alle Errungenschaften der Technik in so vorzüglicher Weise zu nutzen versteht, dass die Leistungen des Brückenbaues im Kriege wohl von keinem anderen Staate erreicht werden.“ Außerdem habe man „mannigfache Anregungen bei den Fachprofessoren“ für die Zukunft des Hochschulunterrichts erhalten.62 Eine von Saliger im Oktober 1915 beantragte Bereisung des „von Deutschland besetzten Gebietes in Belgien“ zu „Vergleichszwecken“ dürfte dagegen nicht zustande gekommen zu sein.63 Das Zusammenwirken von Wissenschaftlern der TH Wien – Professoren ebenso wie Nachwuchswissenschaftlern – mit den verschiedensten privaten, staatlichen und militärischen Stellen wurde also während des Krieges gängige Praxis und betraf nahezu alle Fachbereiche, zumindest der Ingenieurwissenschaften. Der Form nach gestalteten sich Kooperationen weitgehend als Auftragsforschung, sei es von Seiten militärischer oder sonstiger öffentlicher Stellen, sei es von Seiten privater Zuliefererfirmen. Dabei scheinen öffentliche Auftraggeber dominiert zu haben, was dazu passen würde, dass in der Habsburgermonarchie die rüstungsrelevante Industrie stärker in staatlicher Hand war als im Deutschen Reich. Allerdings entsteht der Eindruck, dass solche Kooperationen sich hauptsächlich als individuelle Zusammenarbeit ergeben haben, meist auf der Basis persönlicher Beziehungen, die schon vor 1914 als „normale“ Arbeitsbeziehungen bestanden hatten, wie sie für Wissenschaftler an technischen Hochschulen nicht unüblich waren. Ansätze zur Planung und Koordination von Forschungen lassen sich erst spät erkennen, wie im Falle der 1917 von Petróczy angeregten (und nicht realisierten) „Technischen Auskunftei“. Bei der Zusammenarbeit der Hochschule mit den militärischen Stellen handelte es sich jedenfalls – trotz der häufigen Form der Dienstverpflichtung – nicht unbedingt um eine einseitiges „Ausbeutungsverhältnis“. Vielmehr verstanden es die Wissenschaftler, ihre Verpflichtungen auch als neue Ressource für eigene Zwecke zu nutzen – sei es als Chance zur Gewinnung von Erfahrungen, die

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It seems that state clients predominated, which would be compatible with the fact that the arms industries of the Habsburg Monarchy were government-controlled to a much higher degree than in the German Reich. However, it appears that such collaborations arose mainly from individual cooperations, mostly based on personal relationships that had been “normal” working relationships pre-1914, something not uncommon for scientists at universities of technology. Attempts at planning and coordinating research only become manifest later, as in the case of the “Technical Information Service” proposed by Petróczy in 1917 (never realised). In any case, the collaboration of the TH with military agencies was – despite the common format of military drafting – not necessarily a unilateral “exploitative relationship”. Rather, the scientists were able to use their duties as a new resource for their own goals – whether as a chance to gain experience leading to new research topics, as career-promoting qualification work, or as an argument to demand new resources (which must have been welcome in view of the tendency to underfinance the TH that had been deplored long before the war). Studying During the War Formal Conditions of Studying The opening of the 1914–15 term, as usual in early October, at first occasioned much uncertainty in the university administration because of the ongoing conscription of students and staff members. In September 1914, the Rectors of the Technische Hochschulen in Brno, Prague, and Graz were still busy trying to coordinate the question of the rules and deadlines of registration, both with each other and with the Ministry of Education.64 Problems were feared, in particular for those students who had already been conscripted for military duty or whose conscription was imminent, as they might not be able to meet deadlines for inscription and for exam registration, but should not suffer disadvantages because of it. Special regulations had to be worked out. In addition, most THs appear to have been unable to publish clear class schedules

sich in neue Forschungsfragen oder auch karrierewirksam in Qualifizierungsarbeiten umsetzen ließen, sei es als Argument zur Forderung nach neuen Ressourcen (was angesichts der schon vor dem Krieg beklagten tendenziellen Unterfinanzierung der Hochschulen sehr willkommen sein musste). Studieren im Krieg Formale Studienbedingungen Die Eröffnung des Studienjahrs 1914/15, üblicherweise für Anfang Oktober angesetzt, sorgte bei der Hochschuladministration zunächst für zunächst große Unsicherheit angesichts der laufenden Einberufungen sowohl von Studenten als auch von Angehörigen des Personals. Die Rektoren der technischen Hochschulen in Brünn, Prag und Graz versuchten sich noch im September 1914 un-

Abbildung 9 und 10: Flugblatt (links) und Kundmachung (rechts) des Rektorats der TH in Wien zum Studienbeginn 1914/15. Fig. 9 and 10: Leaflet (left) and announcement( right) by the Rectorate of the TH in Vienna about the start of the 1914–15 term.

listing the available lecture halls, as some teaching staff had enlisted, and some of the premises had been requisitioned for military use. The TH Wien finally set the deadline for inscription for 12–24 October 1914, choosing to maintain the admission limitations according to the regional origin of students that had been valid since 1903. A number of special measures for students conscripted into military service had been taken by this time. Enlisted students were able to apply for the reimbursement of paid fees and outstanding fees could be deferred.65 They also were given privileges permitting them to take individual exams.66

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Allgemeine Abteilung General department 147

217

1914/15

1389

403

124

602

148

54

58

1915/16

681

205

57

284

58

22

55

1916/17

625

152

40

258

80

25

70

1292

311

87

568

198

58

70

SoSe 1918

Irregular students

Chemisch­tech­nische Schule School of technical chem­ istry 212

a.o. Hörer_­innen

Maschinenbau­schule School of mechanical engi­ neering 1235

engineering

270

Bauingenieurschule School of construction

1112

Total

3193

Insges.

1913/14

Studienjahr Academic Year

Bau-(Architektur-) Schule School of architecture

Tabelle 1: Die Hörer_innen der TH in Wien, 1914–1918/ Table 1: TH Wien students, 1914–1918

Quelle/Source: Inaugurationsberichte 1914–1918

tereinander und mit dem Unterrichtsministerium darüber abzustimmen, nach welchen Regeln und innerhalb welcher Fristen die Inskriptionen vorgenommen werden sollten.64 Probleme wurden insbesondere für jene Hörer befürchtet, die bereits zur Kriegsdienstleistung einberufen waren bzw. deren Einberufung kurz bevorstand, da sie Fristen zur Inskription oder zur Anmeldung zu Prüfungen vielleicht nicht würden einhalten können, aber auch nicht benachteiligt werden sollten. Hier mussten Sonderregelungen erst ausgearbeitet werden. Auch war es offenbar an den meisten Hochschulen nicht möglich, schon zu Semesterbeginn genaue Studienpläne mit den verfügbaren Hörsälen anzugeben, da sowohl Lehrpersonal eingerückt war als auch Räumlichkeiten der Hochschulen bereits für militärische Zwecke in Anspruch genommen wurden. Die TH Wien setzte schließlich die

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A completely new element was a mandatory vaccination against smallpox, introduced in 1915 at the request of the Council of Professors, as an increased risk of infection was assumed from the use of the TH premises for military and hospital purposes. Since this time, inscription has only been possible upon presentation of a vac.67 The admission of foreign students now necessitated special regulation, even though their number was not very high at the TH Wien. Two decrees by the Ministry of Education, dated 13 and 23 October 1914, basically prohibited the admission of foreign students from Belgium, Great Britain, Japan, Russia, Montenegro, Serbia, and France, all nations now defined as enemies. Students from these states were allowed neither to inscribe nor to register for exams. Individual exceptions were, however, possible, in particular to the benefit of Russian Jews.68

Inskriptionsfrist für den 12. – 24. Oktober 1914 fest, wobei die seit 1903 geltenden Aufnahmebeschränkungen hinsichtlich der regionalen Herkunft der Hörer beibehalten werden sollten. Für zum Kriegsdienst verpflichtete Hörer waren inzwischen eine Reihe von Sonderregelungen getroffen worden. So konnten eingerückte Hörer die Rückzahlung bereits geleisteter Studiengebühren beantragen, noch zu leistender Gebühren konnten gestundet werden.65 Für die Ablegung von Einzel-Prüfungen wurden ebenfalls Vergünstigungen gewährt66. Ein ganz neues Element war die 1915 auf Antrag des Professorenkollegiums eingeführte Impfpflicht gegen die Blattern, da man wegen der Inanspruchnahme der Räumlichkeiten der Hochschule zu militärischen und Spitalszwecken von einer erhöhten Infektionsgefahr ausging. Seitdem war ohne Impfzeugnis eine Inskription nicht möglich.67 Die Zulassung ausländischer Studierender bedurfte nun einer besonderen der Regelung, auch wenn ihre Zahl an der TH in Wien ohnehin nicht sehr groß war. Zwei Erlässe des Unterrichtsministeriums vom 13. und 23. Oktober 1914 untersagten grundsätzlich die Zulassung ausländischer Hörer aus den nun als Kriegsgegner firmierenden Staaten Belgien, Großbritannien, Japan, Russland, Montenegro, Serbien und Frankreich; diese durften weder inskribieren noch sich zu Prüfungen anmelden, wobei individuelle Ausnahmen, insbesondere zugunsten russischer Juden, möglich waren.68 Der Kreis dieser „feindlichen Ausländer“ erweiterte sich im Kriegsverlauf: So gehörten etwa seit dem Kriegseintritt Italiens 1915 auch italienische Staatsangehörige dazu,69 seit 1916 auch Rumänen.70 Eine weitere Herausforderung stellten die Flüchtlinge aus jenen Kronländern im Osten der Monarchie dar, in denen Kampfhandlungen stattfanden. Für die Wiener Technik betraf dies vor allem Hörer der TH in Lemberg. Diese blieb zu Beginn des Studienjahres 1914/15 geschlossen, da die Stadt im August 1914 von den russischen Truppen erobert worden war und fast ein Jahr gehalten wurde.71 Viele der Lemberger Hörer flüchteten

Abbildung 11: Liste Lemberger Hörer, die 1915 an der TH in Wien inskribert waren und um Stundung der Unterrichtsgebühren ansuchten. Figure 11: List of Lviv students enrolled at the TH Wien in 1915 who petitioned for the deferment of tuition fees.

This group of “enemy foreigners” grew over the course of the war: since joining the war in 1915, Italian nationals were among them,69 and Romanians as well in 1916.70 Another challenge was the influx of refugees from the Crown Lands in the east of the Monarchy, which had become battle zones. For the TH in Vienna, this mainly meant students from the TH in Lviv, which remained closed at the start of the 1914–15 term as the city was

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nach Westen und suchten auch an der TH in Wien um Aufnahme an. Manche von ihnen hatten Verwandte in Wien, bei denen sie unterkommen konnten, andere hatten keine Verbindung mehr mit ihrer Familie und keine Dokumente bei sich, viele verfügten über keine Mittel, um ihren Lebensunterhalt und ihr Studium zu bestreiten. Schon im Dezember 1914 suchten galizische Hörer erstmals um „gnadenweise Befreiung“ von der Zahlung des Unterrichtsgeldes an, wobei sie sich auf eine entsprechende Regelung für Hörer an der Universität Wien bezogen. Das Unterrichtsministerium genehmigte vorerst eine Stundung bis zum Ende des Wintersemesters. Ein weiteres Kollektivgesuch um Gebührenerlass von 74 Hörern vom März 1915 für das Sommersemester wurde von der Stipendienkommission der TH in Wien jedoch nicht befürwortet, da sich herausgestellt habe, dass viele der Lemberger Studierenden gar nicht mittellos seien bzw. nicht um Befreiung angesucht hätten; das Ministerium genehmigte daher wieder nur einen vorläufigen und befristeten Erlass der Studiengebühren (s. Abbildung 11).72 Den ebenfalls aus Lemberg geflohenen Professoren stellte die Hochschule einen Raum zur Verfügung, wo sie den Kontakt zu ihren früheren Studenten halten konnten.73 Die ehemaligen Lemberger Hörer organisierten sich offenbar auch bald selbst; so suchte ein „Komitee der Organisation der ehemaligen Hörer der Lemberger Technik“ 1915 um Überlassung eines Hörsaals für eine „Hauptversammlung“ an74, und auch andere Organisationen, wie der Kriegsfürsorgeverein „Brüderliche Hilfe“, bemühten sich um Unterstützung der Flüchtlinge.75 Dass die Mehrzahl der Lemberger Studierenden sich an die deutschsprachigen, nicht an die tschechischsprachigen Hochschulen begeben hatte, geht aus einer entsprechenden Anfrage des Rektorats der Deutschen TH in Prag an die TH in Wien hervor, vermutlich, weil die große Mehrheit der Flüchtlinge aus Galizien jüdisch und daher deutschsprachig war.76 Eine anlässlich dieser Anfrage erstellte Übersicht des Rektorats der TH in Wien vom 5. April 191677 zeigt überdies, dass die Mehrzahl der „Lemberger“ nach der Rück-

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Abbildung 12: Meldebuch eines ehemaligen Lemberger Hörers (1915/16). Figure 12: Study records book of a former Lviv Student (1915/16).

conquered by Russian troops in August 1914 and subsequently held for nearly a year.71 Many of the Lviv students fled west and applied for admission at the TH in Vienna. Some of them took refuge with relatives in Vienna, others had no contact with their families and lacked documentation, and many had no means whatsoever to support themselves or pay for their studies. As early as December 1914, Galician students asked for a “merciful exemption” from paying tuition fees, referring to such an arrangement that had been made at the University of Vienna. The Ministry of Education initially authorised a deferment until the end of the winter term. A second collective petition by 74 students for a dispensation from their fees for the summer term of 1915 in

Tabelle 2: Übersicht über die Herkunft der Hörer der TH in Wien 1914/15 bis 1915/16 Table 2: Overview of student origin at the TH in Vienna 1914–15 to 1915–16 Semester Semester

WS/Winter 1914/15

Hörer insgesamt Total No. of Students

Davon ehemalige Lemberger Hörer No. of Students from Lviv

Sonstige Ausländer No. of Other Foreign Students

1.389

118

39

SS/Summer 1915

759

92

34

WS/ Winter 1915/16

658

21

65

eroberung Galiziens durch die Armee der Monarchie wieder nach Hause zurückkehrte. Zugleich illustriert sie den insgesamt starken Rückgang der Hörer an der TH in Wien. Studieninhalte Quantitativ lassen sich schon bald nach Kriegsbeginn Veränderungen des Studienangebots erkennen, weil aufgrund der Reduktion der Anzahl von Hörern und Lehrenden Vorlesungen oft nicht in dem Umfang abgehalten werden konnten, wie es studienplanmäßig vorgesehen war. So kündigte z.B. der Dekan der Maschinenbauschule im Dezember 1914 für das Wintersemester 1914/15 eine tiefgreifende Umstrukturierung und Reduktion des Stundenplanes an, da viele Lehrende bereits zur Kriegsdienstleistung einberufen wurden oder ihre Einberufung in naher Zukunft bevorstehe und Supplierungen nicht immer organisiert werden könnten. Strukturell dagegen werden zumindest anhand der Vorlesungsverzeichnisse keine wesentlichen Änderungen der Studienpläne und der angebotenen Vorlesungen ersichtlich. Das entsprach offenbar auch der Situation an anderen Universitäten.78 Nur schwer feststellen lässt sich, inwieweit in die Vorlesungen und Übungen inhaltlich Fragestellungen der aktuellen kriegsrelevanten

March 1915 was not supported by the grants commission of the TH Wien, which argued that it appeared as if many Lviv students were not destitute at all or had not petitioned for dispensation; the Ministry therefore again only approved a provisional and limited remission of tuition fees (see Fig. 11).72 As to the professors who had also fled from Lviv, the TH provided them with a room which they could use to keep in touch with their former students.73 The former Lviv students seem to have quickly organised themselves, too. For instance, a “Committee of the Organisation of Students of the TH in Lviv” applied for the use of a lecture hall for its “general assembly”74, and other organisations were formed, too, such as the Fraternal Help War Relief Association (Kriegsfürsorgeverein “Brüderliche Hilfe”), which endeavoured to provide support to the refugees.75 The question of why the majority of students from Lviv turned to German-speaking instead of Czech-speaking universities is clarified by a query of the Rectorate of the German TH in Prague to the TH in Vienna as probably being due to the fact that the great majority of refugees from Galicia were Jewish, and therefore German-speaking.76 An overview put together by the Rectorate of the TH in Vienna from the 5 April 1916 survey data,77 also shows

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Forschungen eingebaut wurden. Hinweise darauf, dass dies zumindest gelegentlich intendiert war, gibt es jedoch: So erbaten und erhielten die Professoren Kleinwächter, Saliger und Halter anlässlich ihrer Studienreise zu Kriegsbauwerken an der Ostfront 1915 die Erlaubnis zur Anfertigung von Fotografien „technisch interessanter Objekte“ für Unterrichtszwecke. Im Jahr 1916 wurden Kleinwächter und Saliger durch das k.u.k. Technische Militärkomitee mit Erlaubnis des Kriegsministeriums – und nach persönlicher Fürsprache des neuen Ehrendoktors der Hochschule, Ehz. Leopold Salvator – Lichtbilder als Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, die von den verschiedensten Dienststellen aufgenommen waren (so vom k. u. k. Militärgeographischen Institut, von der Luftfahrttruppe, vom Eisenbahn-Regiment und aus den Beständen des Kriegsarchivs).79 Andererseits las Oswald Dirmoser, seit 1910 Honorardozent für Allgemeine Maschinenkunde, von 1914 bis 1918 überraschenderweise schlicht „Allgemeine Maschinenkunde für Architekten und Bauingenieure“, obwohl er im Hauptberuf Oberingenieur bei der Generaldirektion der Škoda-Werke in Wien und Spezialist für den Geschützrohrbau war (von ihm stammten die Konstruktion der Rohre für den 30,5cm-Mörser, das 30,5 cm-Schiffsgeschütz und für die 42cm-Haubitze). Eine Ausnahme scheint das Verbot der Vermittlung neuester technischer Erkenntnisse dort, wo es das militärische Geheimhaltungsinteresse erforderte, gewesen zu sein: dies musste der Privatdozent Franz Aigner erfahren, der für das Studienjahr 1916/17 eine Vorlesung über sein Habilitations-Thema „Unterwasserschall, -Telegraphie und -Telefonie“ angekündigt hatte.80 Dazu hatte er bereits am 25.  Oktober 1916 beim Kriegsministerium um Erlaubnis angefragt und auf Aufforderung des Ministeriums ein Skriptum seiner ersten Vorlesungsstunde vorgelegt wobei er betonte, dass es sich beim Thema seiner Vorlesung um ein neues Gebiet handle, wozu die Literatur „äußerst zerstreut“ sei und „von Vorlesung zu Vorlesung der betreffende Stoff mühsam zusammengesucht und verarbeitet werden muss“. Mit Erlass des k. u. k. Kriegsministeriums, Marinesektion, vom 25. November

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that the majority of the students from Lviv returned home after the Monarchy’s army regained Galicia. At the same time, it illustrates an overall strong decrease in student numbers at the TH in Vienna. Curricula On a quantitative level, changes in the range of courses become apparent soon after the outbreak of war, as lectures often could not be held as listed in the curricula due to the decreasing numbers of students and teaching staff. For example, the Dean of the Mechanical Engineering School announced a radical restructuring and reduction of the curriculum for the winter semester 1914–15 in December 1914, as many teachers had already been conscripted or were awaiting imminent conscription, and it was not always possible to organise substitute lessons. Seen from the structural level, on the other hand, no fundamental changes in the curricula and the range of lectures are apparent, at least in the course catalogues. This seems to correspond to the situation at other universities.78 It is difficult to determine the extent to which war-related research topics were included in lectures and applied laboratory exercises. There are, however, indications that this was intended in some instances at least: For example, Professors Kleinwächter, Saliger, and Halter applied for and were granted permission to take photographs of “technically interesting objects” for teaching purposes on the occasion of their visit to military structures at the Eastern Front in 1915. In 1916, Kleinwächter and Saliger obtained photographs for teaching material from the Imperial and Royal Technical Military Committee by permission of the War Ministry – and after a personal intervention of the new Honorary Doctor of the TH, Archduke Leopold Salvator – which had been taken by different departments (e.g. by the Imperial and Royal Military Cartography Institute, by the Aviation Troops, the Railway Regiment, and from the Kriegsarchiv (War Archives).79 Surprisingly, on the other hand, a 1914 to 1918 lecture by Oswald Dirmoser, Honorary Lecturer in General

wurde ihm jedoch sowohl die Abhaltung einer Vorlesung über „Unterwasser-Schall-Telegraphie“ als auch die Veröffentlichung seiner einschlägigen Patente untersagt, da er als technischer Leiter der Hydrotelegraph-Gesellschaft in Gumpoldskirchen, die in geschäftlicher Verbindung sowohl mit der k. u. k. Kriegsmarine als auch der kaiserlichen deutschen Kriegsmarine stehe, als Geheimnisträger gelte. Selbst nach Kriegsende würde sich das Kriegsministerium eine Genehmigung allfälliger Vorträge vorbehalten. Aigners vorsichtiger Versuch, die Freiheit der Wissenschaft zu verteidigen, indem er meinte, dass „die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit physikalischer Vorträge als solcher nicht in Frage kommen könne“, wurde vom Kriegsministerium zurückgewiesen. Hier erwies sich die persönliche Verflechtung von Wissenschaft mit dem „militärisch-industriellen Komplex“ als nachteilig für die Lehre. Eine ganz andere Konzession an den Krieg stellte die Einführung einer Vorlesung von Leopold Freund über „Die Gefahren und die Verhütung von Geschlechtskrankheiten“ ab dem Wintersemester 1914/15 dar. Hier ging es wohl in erster Linie um den Schutz der an die Front einberufenen Studierenden. Dagegen war ein Angebot des Chefarztes des Kriegshilfsspitals, Euler, eine regelmäßige Vorlesung zur „Ätiologie und Prophylaxe der wichtigsten Kriegsseuchen“ zu halten, vom Professorenkollegium als nicht für eine technische Hochschule passend abgelehnt worden.81 Standespolitik und Hochschulreform In der allgemeinen politischen Positionierung folgte das Professorenkollegium der TH in Wien dem Muster der übrigen deutschen Hochschulen: Fast das gesamte Kollegium unterzeichnete das sogenannte „Weihnachtsmanifest“ vom 25. Dezember 1915, mit dem 855 deutsche Hochschullehrer für die Zeit nach Kriegsende den „wirtschaftlichen Zusammenschluss Österreich-Ungarns mit dem Deutschen Reich“ forderten.82 Ebenso zahlreich traten die Professoren der Wiener Technik 1916 der „Österreichischen Waffenbrüderlichen Vereinigung“ bei, die mit dem Ziel der „Pflege aller kulturellen Beziehungen mit dem ver-

Machine Technology since 1910, was simply titled “General Machine Technology for Architects and Civil Engineers”, even though his main occupation was Chief Engineer at the Škoda factory in Vienna as a specialist in gun barrel design (he constructed the barrels for 30.5 centimetre mortar, 30.5-centimetre ship cannons, and the 42-centimetre howitzer). One exception seems to have been the prohibition on communicating the latest technical insights where military interest dictated secrecy: Associate Professor Franz Aig­ ner learned this to his disadvantage in 1916–17 when he announced a lecture on his habilitation subject “Underwater Acoustics, Telegraphy, and Telephony”.80 He had already asked for permission at the War Ministry on 25 October 1916, and submitted a script of his first lecture at the request of the Ministry, emphasising that the subject of his lecture was a new field on which literature was “extremely scattered” and “the relevant material must be painstakingly collected and collated from lecture to lecture”. By decree of the Imperial and Royal War Ministry Navy Section, on 25 November, he was prohibited from holding his lecture on “underwater sonic telegraphy” as well as from publishing his respective patents, with the argument that he was considered a person with security clearance due to his position as Technical Director of the hydrotelegraph company in Gumpoldskirchen, which had business connections to the Imperial and Royal Navy as well as the German Imperial Navy. Even after the end of the war, the War Ministry continued to withhold approval of any contracts. Aigner’s cautious attempt at defending the freedom of science, arguing that “the permissibility or impermissibility of physics lectures as such may not be questioned,” was rejected by the War Ministry. In this case, the personal involvement of science with the “military industrial complex” proved detrimental to teaching. A completely different concession to the war was the introduction of a lecture by Leopold Freund on “The Dangers and the Prevention of Venereal Disease” in winter term 1914–15. Its aim was probably primarily to protect the students enlisted at the front. In contrast, the offer of the Chief Physician of the Kriegshilfsspital, Euler, to

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bündeten deutschen Nachbarreiche“ gegründet worden war. In diese deutsch-nationale Stimmung fügt sich auch ein Antrag Professor Saligers an das Professorenkollegium der TH in Wien vom November 1916 ein „auf Pflege und Reinhaltung der deutschen Sprache im Dienstgebrauche der Technischen Hochschule“, da der „durch den Krieg hervorgerufene Aufschwung des vaterländischen Empfindens […] uns eine Höherwertung unserer Eigenart und unseres vornehmsten völkischen Besitzes, der deutschen Sprache, gebracht“ habe. Das Professorenkollegium empfahl in seiner Sitzung vom 17. November 1916 die Unterstützung dieses Antrages „mit dem Beifügen, dass sich diese Bestrebungen natürlich nicht auf termini technici erstrecken.“83 Die praktischen Folgen dieser patriotischen „Aufschwünge“ sollten die Geschichte der TH in Wien in der Zwischenkriegszeit nachhaltig bestimmen. Ungeachtet der kriegerischen Ereignisse wurde die Beratung über standespolitische Themen aus der Vorkriegszeit fortgesetzt. So wurde das Anliegen einer Gehaltsreform für die Hochschulprofessoren auf den Allgemeinen Rektorenkonferenzen 1915 und 1917 weiter betrieben – auch, wenn die Opportunität einer solchen Debatte angesichts der kriegsbedingten allgemeinen Einschränkungen durchaus angezweifelt wurde.84 Das Rektorat der TH Wien forderte weiterhin die Zuerkennung einer Virilstimme für die Technik-Rektoren im nö. Landtag und initiierte 1916 einen Antrag an die Konferenz der Rektoren technischer Hochschulen, dass die Pflicht der Professoren zum Tragen einer Amtsuniform bei offiziellen Anlässen als nicht mehr zeitgemäß abgeschafft werden möge, eine Forderung, der sich auch die Amtskollegen anschlossen. 85 Die meisten dieser und anderer Angelegenheiten wurden vor Kriegsende nicht mehr entschieden, doch konnten die Ingenieure in einer für ihren Status wichtigen Angelegenheit einen Erfolg erzielen: Nach jahrzehntelangen Bemühungen gelang es, einen gesetzlichen Schutz für den Titel „Ingenieur“ zu erwirken. 1916 hielt der Österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein angesichts der kriegsbedingt wachsenden Nachfrage nach akademisch ausgebildeten Ingenieuren die

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hold a regular lecture on the “Aetiology and Prophylaxis of the Primary War Epidemics” was rejected as unsuitable for a university of technology.81 Professional Politics and Academic Reform In its general political positions, the Council of Professors of the TH in Vienna followed the pattern of other German universities: Nearly the entire council signed the so-called “Christmas Manifesto” of 25 December 1915, in which 855 German university teachers demanded an “economic integration of Austria-Hungary with the German Reich” for after the war.82 An equally high number of professors of the TH in Vienna joined the “Austrian Association of Comrades in Arms”, which had been founded with the explicit aim of “promoting all cultural relations with allied neighbouring German realms”. This German-national atmosphere was also behind Professor Saliger’s proposal to the Council of Professors of the TH in Vienna in November 1916 calling to “foster and keep pure the German language in official use at the Technische Hochschule”, as the “rise in patriotic feeling occasioned by the war […] has given us a higher regard for our character and our noblest national treasure, the German language”. In its session on 17 November 1916, the Council of Professors recommended supporting this proposal, “with the addendum that, naturally, these efforts do not extend to termini technici.”83 The practical consequences of this patriotic “upsurges” had a lasting influence on the history of the TH in Vienna between the wars. Regardless of war events, political policy discussions from the pre-war years were continued. For example, the issue of salary reforms for TH professors continued to be pushed at General Rectors’ Conferences in 1915 and 1917 – even though the opportuneness of such debates was considered questionable in view of the general cutbacks due to war.84 The TH Wien Rectorate still demanded that the rectors of technical universities be given a full vote (votum virile) in the Lower Austrian parliament, and presented a proposal in 1916 to the Conference of Rectors of THs

Gelegenheit für günstig, um neuerlich einen Vorstoß für einen solchen Titelschutz zu unternehmen. Tatsächlich legte das Ministerium für öffentliche Arbeiten noch im Herbst 1916 einen Verordnungsentwurf vor, dem die Rektorenkonferenz der Hochschulen technischer Richtung am 21. Oktober weitgehend zustimmte. Mit Datum vom 14. März 1917 erging dann eine Kaiserliche Verordnung, durch die „die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung ‚Ingenieur‘ festgelegt“ wurde86, und zwar in erster Linie für Absolventen technischer Hochschulen mit abgelegter II. Staats- oder Diplomprüfung. Auch die Diskussion um eine inhaltliche Reform des technischen Studiums wurde in den Kriegsjahren fortgesetzt, und zwar im Wesentlichen im gleichen Sinne wie bisher, nämlich mit dem Ziel einer stofflichen Entlastung einerseits und einer Modernisierung der Inhalte andererseits. Hier hatte der Krieg zwar neue Inhalte entstehen lassen, aber nichts an der grundsätzlichen Sichtweise geändert. Auch in diesem Zusammenhang ist die geschlossene Ablehnung der Hochschulen gegenüber der Etablierung von militärwissenschaftlichen Fächern zu sehen. Anfang 1917 war das k. u. k. Armeeoberkommando im Wege des Unterrichtsministeriums mit dem Vorschlag an die Technischen Hochschulen der Monarchie, die Hochschule für Bodenkultur und die veterinärmedizinische Hochschule sowie die Akademie der bildenden Künste und die Kunstakademien herangetreten, an allen Hochschulen (und im weiteren auch an den Universitäten) Vorlesungen aus „militärwissenschaftlichen Disziplinen“ einzuführen, und zwar als Pflichtvorlesungen mit Prüfungspflicht.87 Als Lehrende wollte das k. u. k. Kriegsministerium Offiziere entsenden, die zumindest für die Anfangszeit noch nicht einmal ein Doktorat hätten haben müssen. Dieses Ansinnen erfuhr eine selten einhellige Ablehnung durch sämtliche betroffenen Hochschulen.88 In den oft sehr ausführlichen Stellungnahmen wurde einerseits auf den inakzeptablen Eingriff in die Hochschulautonomie hinsichtlich der Rekrutierung und Qualitätssicherung des Lehrpersonals abgehoben. Andererseits wurde darauf hingewiesen, dass eine solche Erweiterung der Pflichtstunden den

asking to abolish the requirement to wear a formal uniform on official occasions as it was out-dated, a demand shared by their colleagues in office.85 Most of these and many other issues were not decided before the end of the war, however, the engineers were indeed able to succeed in a matter of great import for their status: after decades of efforts, they managed to obtain the legal protection of the title of “Engineer”. In 1916, in view of a growing demand for academic engineers, the Austrian Association of Engineers and Architects thought the moment auspicious to renew their attempts to gain legal protection of the title. In fact, the Ministry of Public Works submitted a draft bill as early as autumn 1916, which the Rectors’ Conference of THs passed with a majority on 21 October. Dated 14 March 1917, an Imperial Decree was issued that “determined the right to bear the official title of ‘Engineer’”,86 mainly reserved for graduates of THs after their second state or diploma exam. The discussion regarding the content reform of technical studies continued through the first years of war, essentially in the same vein as before, i.e. aiming to reduce content and to modernise it at the same time. Although the war gave rise to new content, basic views did not change. The uniform refusal of the THs to establish military science courses is also part of this context. In early 1917, the Imperial and Royal Army Command had approached the THs of the Monarchy, the College of Natural Resources, the College of Veterinary Medicine, the Academy of Fine Arts, and the other art academies via the Education Ministry, proposing to introduce mandatory lectures in “military science” at all Hochschulen (and later at universities, too) with required exams.87 The Imperial and Royal War Ministry wanted to dispatch officers to teach, who would, at least initially, not even have been required to have a PhD. This intention was met with a – rare – uniform rejection of all academic institutions concerned.88 Their often extremely elaborate responses concentrated primarily on the inacceptable interference in academic autonomy and the recruitment and quality control of their teaching staff. On the other hand, they also pointed out that such an expansion of mandatory

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Bemühungen um eine Reform des Studiums völlig zuwiderlaufe: Gerade an den technischen Hochschulen strebe man, angesichts des Fortschritts der technischen Wissenschaften, eine Entlastung der Studienpläne bei stärkerer Spezialisierung an, wolle aber zugleich durch die Einführung rechts- und betriebswissenschaftlicher Fächer die „Praxistauglichkeit“ der jungen Ingenieure in Friedenszeiten verbessern. Militärwissenschaftliche Fächer könnten dazu nichts beitragen.89 Ein studienrelevantes Thema, das während der Kriegszeit zunehmend virulent wurde, war die Frage des Frauenstudiums. Vor allem ab 1916 häuften sich die Gesuche von Frauen, die zum Studium auch von ingenieurwissenschaftlichen Fächern zugelassen werden wollten, und sei es als außerordentliche Hörerinnen. Sie wurden zwar vom zuständigen Unterrichtsministerium weiterhin ausnahmslos abgelehnt, an den technischen Hochschulen veränderte sich allerdings die Stimmungslage zugunsten einer generellen Zulassung von Frauen als ordentliche Hörerinnen. Hier hatte der Einsatz von Frauen in der Rüstungsindustrie, insbesondere in den chemischen Labors, und auf „Männerarbeitsplätzen“ in der übrigen Arbeitswelt den entscheidenden Durchbruch gebracht90, da ihnen nunmehr die Eignung zu solchen Tätigkeiten nicht mehr prinzipiell abgesprochen werden konnte. Insbesondere die böhmischen technischen Hochschulen setzen sich nachdrücklich dafür ein, und die letzte Konferenz der Technik-Rektoren in der Monarchie am 24. Juni 1918 formulierte schließlich einen Antrag an das Unterrichtsministerium, Frauen zumindest grundsätzlich zum Studium zuzulassen. Ein weiteres Problem, das von den Rektoren der TH in Wien auch während des Krieges immer wieder artikuliert wurde, war der Raummangel an der Hochschule. Hier schien sich jedoch im letzten Kriegsjahr Abhilfe anzubahnen: 1917 wies der neue Stadtbaudirektor von Wien, Heinrich Goldemund, die Hochschule auf die Grundfläche zwischen Aspangbahnhof und Landstraßer Gürtel hin, die für die „Errichtung der Institutsneubauten der Technischen Hochschule in jeder Beziehung vorzüglich geeignet“ wäre91. Mit Unterstützung durch den ÖIAV und den damaligen Wiener Bürgermeister Dr.

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courses ran completely counter to the efforts to reform curricula: In particular the THs, in view of the progress of technical sciences, were aiming to unclutter the fields and increase specialisation, while improving the “practical applicability” of young engineers in peacetime by introducing legal and business management courses. Requiring military science courses would not contribute to these aims.89 A study-related issue which became increasingly virulent over the war was the question of women’s studies: in particular from 1916, there was a rising number of applications by women for admission to engineering courses, if only as irregular students. They were still rejected without fail by the Ministry of Education. At the THs, however, the mood was changing in favour of a general admission of women as regular students. Women’s work in the armament industries, in particular in chemical laboratories, and at “men’s workplaces” had brought an overall decisive turn in opinion,90 as it was now impossible to deny women’s general ability to do such work. The Bohemian THs were particular adamant in favour, and the last conference of the Rectors of THs in the Monarchy, on 24 June 1918, finally drafted a proposal to the Ministry of Education requesting that women be admitted to studies at least in principle. Another problem the Rectors of the TH in Vienna articulated repeatedly, even during the war, was the lack of space at the TH. In this matter, a solution seemed to be in the pipeline in the last year of the war. In 1917, Heinrich Goldemund, the new Urban Planning Director of Vienna, suggested the site between the Aspang rail station and Landstraßer Gürtel for a TH expansion, as it was “eminently suited in every respect for the construction of new institute buildings for the TH”.91 With the support of the ÖIAV and Mayor of Vienna Dr. Weiskirchner, a joint endowment by the City of Vienna and the Austrian Industrial Association was established, raising industry donations of 2 million Kronen through the “Kaiser Karl Widmung der Industrie und der Gemeinde Wien zur Ausgestaltung der Wiener Technik” (Kaiser Karl Endowment of Industries and the Municipality of Vienna for the Expansion of the TH in

Weiskirchner gelang es, eine gemeinsame Stiftung der Stadt Wien und der Österreichischen Industrie einzurichten, die mit Hilfe einer eigens gegründeten „Kaiser Karl-Widmung der Industrie und der Gemeinde Wien zur Ausgestaltung der Wiener Technik“ eine Spende der Industrie von 2 Mill. Kronen aufbrachte und in einen Fonds einzahlte, aus dem ein Teil des fraglichen Grundes erworben wurde; einen weiteren Teil stellte die Gemeinde Wien zur Verfügung.92 Parallel dazu wurden die Verhandlungen über eine formelle Widmung dieser „Aspanggründe“ für Neubauten der TH in Wien geführt, die jedoch vor Kriegsende nicht mehr abgeschlossen werden konnten. Kriegsmüdigkeit und Kriegsende Mitte 1916 machten sich auch an der TH Wien für kurze Zeit Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Krieges bemerkbar, die jedoch bald enttäuscht wurden. Dennoch wird der Wunsch nach Frieden immer mehr spürbar; so hoffte der scheidende Rektor des Jahres 1915/16, Gustav Jäger, für seinen Nachfolger Bamberger: „Möge der allersehnte Friede, der mir nicht beschieden war, Ihnen erblühen.“93 Der Tod des alten Kaisers Franz Joseph am 21. November 1916 war nicht dazu angetan, die Stimmung zu heben; auch vom neuen Kaiser Karl I. erwartete man in erster Linie einen ehrenvollen Friedensschluss. Die „Huldigungsdeputation“ der Hochschulen technischer Richtung anlässlich seiner Thronbesteigung am 29. Jänner 1917 wurde vom damaligen Rektor der TH in Wien, Bamberger angeführt.94 Der Alltag an der Hochschule war inzwischen vor allem von Mangelerscheinungen geprägt. Schon seit 1915 ergingen wiederholt Erlässe, die zum sorgsamen Umgang mit Papier, Drucksorten, Spagat etc. aufforderten; Altpapier war abzuliefern, auch bei Heizung und Beleuchtung musste eingespart werden. Ab dem Wintersemester 1916/17 wurden daher größere Hörsäle nicht mehr genutzt, um Heizkosten zu sparen, und seit 1917 sollten aus Kostengründen auch die Urkunden für

Abbildung 13: Gründung des Wirtschaftsverbandes der Hochschüler Wiens. Figure 13: Foundation of the “Economic Union of Vienna Students”.

Vienna), founded for this purpose and paid into a fund from which part of the site in question was purchased; another section was donated by the Municipality of Vienna.92 Parallel to this, negotiations for the formal dedication of the “Aspang grounds” for new developments for the TH in Vienna were taking place, which, however, were not to be concluded before the end of the war. Battle Fatigue and the End of the War In mid-1916, short-lived hopes of an imminent end to the war emerged at the TH in Vienna, too, which were,

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Ehrendoktorate nicht mehr von Hand kalligrafiert, sondern gedruckt werden (wobei sich in der betreffenden Sitzung des Professorenkollegiums Max Ferstel – erfolglos – dafür einsetzte, überhaupt etwas sparsamer mit der Verleihung von Ehrendoktoraten umzugehen, immerhin waren 29 Ehrendoktorate seit 1914 vergeben worden, die Mehrzahl davon 1917). Offenbar führte der Sparzwang auch wiederholt zu administrativen Vereinfachungen, etwa bei der Verwaltung der Studierenden­ unterlagen.95 Die zunehmende Inflation konnte auch durch mehrere „Teuerungszulagen“ nicht kompensiert werden, insbesondere nicht für jene Hochschulangehörigen, die ohnehin wenig verdienten. Hier versuchte man gegenzusteuern durch die Errichtung von Gemeinschaftseinrichtungen, etwa die Schaffung einer gemeinschaftlichen Einkaufsorganisation aller Wiener Hochschulen96 oder gemeinsamer Mittagstische, wie der „Gemeinschaftsküche der Studentenfürsorge“ in der Weihburggasse. Die Studierenden gründeten den „Wirtschaftsverband der Hochschüler Wiens“, der noch vor Kriegsende 1918 eine Enquete betreffend Studentenwohnungen durchführte.97 Die Bereitschaft, öffentlichen Stellen weitere Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, scheint mit anhaltender Kriegsdauer, insbesondere ab 1917, geschrumpft zu sein. Ein Grund war, dass die Heeresstellen sich nicht immer an Zusagen hielten und z.B. weniger als die versprochene Menge an Heizmaterial lieferten, was angesichts der wachsenden Kohlenknappheit gravierend war.98 Zudem begannen im Laufe des Jahres 1917 die Studierenden wieder in größerer Zahl an die Hochschule zurückzukehren, und die Hörsäle wurden vermehrt für Unterrichtszwecke benötigt. Daher drängte das Rektorat die militärischen Stellen jetzt allmählich, die Räume wieder frei zu geben. Für die zurückkehrenden Studierenden wurden seit 1917 eigene Überbrückungskurse, sogenannte „Kriegskurse“ eingerichtet, um ihnen den Einstieg in das Studium zu erleichtern. Schon früher hatte es Erleichterungen bei der Ablegung der Staatsprüfung gegeben.99

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however, soon disappointed. Nevertheless, the desire for peace became increasingly palpable. For instance, outgoing Rector of the year 1915–16, Gustav Jäger, wished his successor Bamberger: “May the much longedfor peace, which was not granted to me, blossom in your time.”93 The death of old Emperor Franz Joseph on 21 November 1916 did not improve the mood; what was expected of the new Emperor Karl was mainly an honourable peace. The “deputation of homage” of the THs on occasion of his 29 January 1917 accession to the throne was led by Bamberger, now the Rector of the TH in Vienna.94 Daily life at the TH was now mainly characterised by lack and deficiency. Since 1915, decrees repeatedly called for the careful use of paper, printed materials, string, etc. Scrap paper was collected; heating and lighting were used sparingly. For this reason, the larger lecture halls were no longer used as of winter term 1916–17 in order to save on heating costs, and after 1917, even the certificates for honorary doctorates were no longer done in by hand in calligraphy, but printed by machine for reasons of cost (in the Council of Professors meeting addressing this issue, Max Ferstel unsuccessfully advocated a more judicious award of honorary doctorates in general; 29 honorary doctorates had been awarded since 1914, most of them in 1917). The need for cost reduction also seems to have led to several administrative simplifications, in the management of student data, for instance.95 The TH was unable to compensate for increasing inflation, even after several “inflation bonuses”, in particular for those members of staff who earned little anyway. There were attempts to mitigate this by establishing joint facilities, for example, the creation of a joint procurement organisation for all Viennese universities,96 or shared lunches such as the “students’ welfare common table” in Weihburgasse. The students founded the “Economic Union of Vienna Students”, which conducted a study of student housing before the end of the war in 1918.97

Auch sonst begann die Hochschule, sich gedanklich auf den künftigen Frieden einzurichten. Schon im November 1917 hatte Prof. Czuber einen Antrag an das Professorenkollegium betreffend die Aufgaben der Hochschule beim Übergang zum Frieden gerichtet.100 Er erwartete einen erhöhten Andrang von teilweise unterqualifizierten Studenten, die ihre Schulbildung mit einer Notmatura abgeschlossen hatten. Für diese werde man mehr Lehrpersonal benötigen, und Czuber schlug vor, sich dafür schon jetzt beim Unterrichtsministerium um ein eigenes „Aufbau-Budget“ zu bemühen – ein sehr weitsichtiger Vorschlag, wie sich bald zeigen sollte. Aber man dachte auch schon weiter: so machte man sich auch im Ministerium schon Gedanken darüber, wie man bei dem erwarteten Nachkriegs-Bauboom ausländische Architekten, insbesondere aus München, am besten ausschalten könnte101, und die TH Wien ebenso wie die Deutsche TH in Prag versuchten beim Ministerium zu intervenieren, um eine Bevorzugung von Hochschulangehörigen bei der Demobilisierung zu erreichen.102 Merkwürdig mutet es an, dass sich angesichts all dieser vorbereitenden Gedanken der Eintritt des Friedens selbst – ebenso wie übrigens die kurze „Novemberrevolution“ – in den Akten der Hochschule kaum niederschlägt. Das mag damit zusammenhängen, dass Ende Oktober 1918 sowohl ein neues Rektorat antrat als auch ein neues Studienjahr begonnen hatte, vielleicht aber auch damit, dass die Monarchie sich vor ihrem endgültigen Zerfall in einer Art Schwebezustand befand. Erinnerungskultur Die Erinnerung an den Krieg sollte schon von Amts wegen bewahrt bleiben; daher erging am 28.  April 1915 ein Erlass des Unterrichtsministeriums an die Hochschulen mit der Anweisung, alle auf das Kriegsgeschehen bezüglichen Akten „rigoros zu hinterlegen [… ], um die spätere Geschichtsforschung auf alle Gebiete des gegenwärtigen Feldzuges erstrecken zu können“.103 Aber auch an den Hochschulen begann man sehr bald, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Erinnerung an

The readiness to provide premises to public agencies seems to have diminished over the course of the war, in particular after 1917. This was due in part to the military not always keeping their promises and, for example, providing less than the promised amount of heating material, which was a serious problem in view of the growing shortage of coal.98 Also, the students began to return to the Hochschule in growing numbers throughout 1917, and lecture halls were increasingly needed for teaching. Therefore, the Rectorate urged the military authorities to relinquish their premises. For returning students, special supplementary courses, so called “War Courses” were introduced in order to facilitate their return to studies. Before this, there had already been some concessions in state exams.99 The TH also started adjusting to the coming peace in other ways. As early as November 1917, Prof. Czuber submitted a proposal to the Council of Professors regarding the TH’s tasks in the transition to peace.100 He expected a higher influx of partially under-qualified students who had finished their secondary education with a “Notmatura” (emergency diploma). This would necessitate additional teaching staff, and Czuber proposed to begin advocating for a “rebuilding budget” with the Education Ministry – a very far-sighted proposal, as would soon become apparent. But some considerations were even more far-reaching: at the Ministry, they were thinking about how to best exclude foreign architects, in particular those from Munich, from the expected post-war building boom,101 and the TH in Vienna as well as the German TH in Prague tried to mobilise support at the Ministry for a preferential demobilisation of their members.102 It seems strange that, in view of all these preparative thoughts, the arrival of peace itself – as well as the shortlived “November Revolution” – hardly left a trace in the TH archives. This may be connected to the fact that a new Rectorate came into office at the end of October 1918 and a new term had started, but possibly also to the Monarchy being in a kind of limbo before its final dissolution.

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die gefallenen Angehörigen und Studierenden bewahrt werden sollte. Schon im ersten Kriegsjahr beschloss das Professorenkollegium der TH Wien, ein Erinnerungsbuch mit den Namen der einberufenen Hochschulangehörigen anzulegen und nach Friedensschluss zum Gedächtnis an die Gefallenen im Hof des Hauptgebäudes eine Eiche zu pflanzen.104 Nachrichten über die gefallenen Angehörigen der Hochschule wurden gesammelt und ihre Namen bis 1917 jährlich in den Inaugurationsberichten veröffentlicht.105 Schon 1915 wurde, wie auch an anderen Hochschulen, die Schaffung eines Denkmals angeregt106, ein Jahr später die Anlage eines „Ehrenbuches“ für die Gefallenen, für das auch eine entsprechende Kommission eingesetzt wurde.107 Eine erste, vorläufige Bilanz kurz nach Kriegsende machte deutlich, dass die Studierenden den größten Blutzoll zu zahlen hatten: 124 namentlich bekannte gefallene Hörer wurden bis 1918 verzeichnet, insgesamt kam man auf die Namen von 270 gefallenen Hochschulangehörigen.108 1921 machte Prof. Schumann den Vorschlag, statt eines Ehrenbuches eine Gedenktafel für die Gefallenen zu errichten; er wurde vom Professorenkollegium angenommen und zugleich ein Ausschuss aus den Architektur-Professoren Krauss, Theiss und Schimkowitz eingesetzt.109 Im Oktober 1923 wurde in der Aula des Hauptgebäudes eine Gedenktafel nach dem Entwurf von Krauss und Schimkowitz mit den Namen der während des Ersten Weltkriegs gefallenen Angehörigen der Hochschule angebracht, letzte Ergänzungen erfolgten noch 1925.110 Die Tafel ist heute nicht mehr zu sehen. Sie wurde 2008 im Zuge der Renovierung des Mittelrisaliten abgenommen.

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Commemorative Culture The authorities were interested in upholding a memory of the war; therefore, a 28 April 1915 decree by the Ministry of Education instructed universities to “rigorously archive” all documents regarding war events, “in order to enable future historiography to study all aspects of the current campaign.”103 But the universities themselves also began to think about how to preserve the memory of fallen staff and students at an early stage. In the first year of the war, the Council of Professors of the TH in Vienna decided to establish a commemorative book with the names of all enlisted university members and, after peace was declared, to plant an oak tree in the courtyard of the main building in memory of the casualties.104 The names of and news about fallen TH members were collected and published annually in the inauguration reports until 1917.105 As early as 1915, the creation of a memorial was suggested,106 and, as at other universities, a “book of honour” for the casualties was suggested a year later, for which a committee was duly installed.107 A preliminary balance shortly after the end of the war showed that students had paid the heaviest toll: 124 names of fallen students had been recorded by 1918; in total, the number of fallen TH members rose to 270.108 In 1921, Professor Schumann proposed to establish a memorial plaque for the casualties instead of a book; the Council of Professors adopted the proposal and a committee made up of architecture professors Krauss, Theiss, and Schimkowitz was appointed.109 In October 1923, a memorial plaque designed by Krauss and Schimkowitz was installed in the auditorium of the main building of the TH, bearing the names of TH members who had fallen in World War I; the last amendments were made in 1925.110 The memorial plaque is no longer on view, as it was removed in 2008 in the course of a renovation of the central avant-corps.

Anmerkungen/Notes 1 Die Literatur zur Geschichte des Ersten Weltkriegs ist äußerst umfangreich und im Zusammenhang mit dem Gedenkjahr 2014 noch weiter angewachsen. Als umfassendste Darstellung für Österreich sei daher hier nur auf das Werk von Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburger Monarchie, Wien, Köln, Weimar 2013, hingewiesen. Zur bisher wenig beleuchteten Rolle von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik für den Krieg vgl. Herbert Matis, Juliane Mikoletzky, Wolfgang Reiter (Hg.), Wirtschaft, Technik und das Militär 1914 – 1918. Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg. Wien – Berlin 2014. 2 Zum Aeromechanischen Laboratorium vgl. Juliane Mikoletzky, Fortschritte mit Hindernissen, in diesem Band; betr. die Stellungnahmen der Technikrektoren zur Wehrgesetznovelle von 1912 s. AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2330-1911/12. 3 S. Ebd., RZl. 2171/8-1913/14; 3766-13/14; 3849-1013/14. 4 Zur Involvierung der TH in Wien vgl. Juliane Mikoletzky, „An der Seite der Heerführer steht der Ingenieur“: Hochschulen, Technik und Krieg 1914 – 1918 am Beispiel der Technischen Hochschule in Wien, in: Matis, Mikoletzky, Reiter (Hg.), Wirtschaft, Technik und das Militär, 349 – 68; für die österreichischen Hochschulen, insbesondere die Universität Graz vgl. Walter Höflechner, Baumeister des künftigen Glücks, Graz 1988, bes. 84 – 110; für die Universität Wien u.a.: Klaus Taschwer, „Ein seltsamer Körper war diese Universität im Kriege.“ Die Alma Mater Rudolphina in den Jahren 1914 – 1918 – und danach. In: Alfred Pfoser/Andreas Weigel (Hrsg.): Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Wien 2014, 386 – 393. Für technische Hochschulen in Deutschland s. u.a.: Ute Schneider/ Thomas Lange (Hrsg.): Kriegsalltag. Darmstadt und die Technische Hochschule im Ersten Weltkrieg, Darmstadt 2002; Bettina Gundler, Technische Bildung, Hochschule, Staat und Wirtschaft. Entwicklungslinien des Technischen Hochschulwesens 1914 – 1930. Das Beispiel der TH Braunschweig. Braunschweig 1991; Johanna Zigan, Der Erste Weltkrieg als Katalysator für die Akzeptanz der Ingenieurwissenschaften am Beispiel der RWTH Aachen. Mag. Arbeit Aachen 2007; Trude Maurer, Kollegen, Kommilitonen, Kämpfer: Europäische Universitäten im Ersten Weltkrieg, Stuttgart 2006. 5 Inaugurationsbericht 1914/15, Wien 1915, 5f. 6 Vgl. dazu die Übersicht ebd., 7 – 10. 7 AT TUWA, Rektoratsakten RZl. 4300-1913/14. 8 Heinrich Sequenz, Jahrgang 1895, Wien (Selbstverlag) 1970, 11. Sequenz, der offenbar persönlich von den Ereignissen des Ersten Weltkriegs stark geprägt war, hat dann später als Rektor während des Zweiten Weltkriegs nochmals versucht, eine solche „Akademische Legion“ aufzustellen, allerdings mit bedeutend weniger Resonanz. 9 AT TUWA, Rektoratsakten RZl. 4300-1913/14. Die Aktion scheint weitgehend auf Wien beschränkt geblieben zu sein, s. dazu Höflechner, Baumeister, 84, Anm. 1. 10 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1006-1915/16. Inaugurationsbericht 1915/16, 66. 11 AT TUWA, Rektoratsakten 1913/14, (Mob.Akt), darin: RZl. 4291-1913/14: Aufruf zum „Hilfsdienst“ vom 5.8.1914; RZl. 4444, 45381913/15; 317-1914/15. Inaugurationsbericht 1914/15, 11. 12 S. dazu u.a. Herbert Matis, Wirtschaft, Technik und Rüstung als kriegsentscheidende Faktoren, in: Matis, Mikoletzky, Reiter (Hg.), Wirtschaft, Technik und das Militär, 11 – 50. 13 AT TUWA, Rektoratsakten, Mob.Akt, RZl. 4298-1913/14. 14 Ebd., RZl. 4444 und 4538 ex 1913/14; RZl. 317-1914/15; RZl. 4275-1913/14. 15 Ebd. 1914/15, RZl. 1533-1914/15 (Technische Abteilung der k. k. Luftschiffabteilung); RZl.116 und 215 ex 1916/17 (Stellenangebote des Patentamts); RZl. 1189-1915/16. 16 Statistische Übersicht über die Entwicklung der Hörerzahlen von 1913/14 bis Kriegsende in: Inaugurationsbericht 1918/19, Wien 1918, 33. 17 AT TUWA, Mob. Akt, RZl. 4187-1913/14. 18 AT TUWA, Rektoratsakten, Mob.Akt, RZl. 4204-1913/14. 19 S. Inaugurationsbericht 1914/15, 7 - 10. 20 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 583-1915/16. 21 Ebd., RZl. 4199-13/14 (Einstellung der Bezüge); 4217-13/14 Sammlung von Spenden. 22 Vgl. dazu die Inaugurationsberichte 1914/15, 10; 1915/16, 6f., 1917/18, 19. S. auch Edmund Richter, Die Sammelstelle für Soldatenlektüre an der Technischen Hochschule in Wien, Wiener Zeitung Nr. 144, 15. Juni 1916, 13f., sowie AT TUWA, Sonderlegung „Sammelstelle für Soldatenlektüre“. 23 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 4295, 4418 und 4469 ex 1913/14. Einige der damals hergestellten Hocker befinden sich heute noch im Universitätsarchiv. 24 Inaugurationsbericht 1914/15, Rede des abtretenden Rektors Sahulka, S.6. Vgl. zum Folgenden auch: Das Kriegshilfsspital der k. k. Technischen Hochschule in Wien. Gesamtbericht erstattet vom Spitalskomitee, Wien 1916. 25 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1036-1914/15. 26 Ebd., RZl. 464-1915/16.

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27 Ebd., RZl. 110-1916/17. 28 Vgl. zum erstmaligen Zeichnungsaufruf für eine Kriegsanleihe Ebd., RZl. 439-1914/15. Zur Einlage von Stiftungsgeldern s. u.a. Juliane Mikoletzky/Paulus Ebner, „Für dürftige und würdige Hörer“. Stiftungsstipendien am k. k. polytechnischen Institut und an der Technischen Hochschule in Wien, 1815 – 1945, Wien 2011, 27. 29 TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1257 ex 1915/16. 30 Ebd., RZl. 222 ex 1916/17. 31 Ebd., RZl. 222-1916/17. 32 S. Inaugurationsbericht 1915/16, 8f. ; AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1089 und 1095 ex 1915/16. 33 Ebd., RZl. 1437-1914/15; Sitzungsprotokoll des Professorenkollegiums vom 9. Juni 1915. 34 Ebd., RZL. 1338-1914/15. 35 Ebd., RZl. 2023, 2065 - 1914/15; RZl. 17-1915/16. 36 Ebd., RZl. 2085-1914/15 und RZl. 1073-1918/19. 37 Ebd., RZl. 805 und RZl. 882-1915/16. 38 Ebd., RZl. 1070-1915/16. 39 Ebd., RZl. 90-1916/17. 40 S. Inaugurationsbericht 1918/19, 6f. 41 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 20-1916/17, mit Vorakten aus 1915/16. 42 Vgl. AT TUWA, Personalakt Franz Aigner; s. auch ebd., Habilitationsakt Franz Aigner. 43 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 852-1915/16; Ebd., Personalakten A. Praetorius und L. Freund. 44 Ebd., RZl. 550-1915/16. 45 Vgl. dazu detailliert u.a. Reinhart Keimel, Luftfahrzeugbau in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwart. Oberhaching 2003, 281ff. Zum „Knoller-Programm“ s. auch Andreas Resch, Flugzeuge der österreichisch-ungarischen Luftfahrttuppe, in: Matis, Mikoletzky, Reiter (Hg.), Wirtschaft, Technik und das Militär, 73 – 96, hier 86ff. 46 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 227-1917/18, Einsichtsbemerkung Knollers vom 16.11.1917. 47 AT TUWA, Personalakt Max Bamberger. 48 Ebd., Personalakt Friedrich Böck, Diensttabelle mit Lebenslauf aus dem Jahr 1946; vgl. dazu auch den Beitrag von Rudolf Werner Soukup, Das k.u.k. technische Militärkomitee im Spannungsfeld von Industrie und Wissenschaft, in: Matis, Mikoletzky, Reiter (Hg.), Wirtschaft, Technik und das Militär, 307-24. 49 Vgl. AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 72- 1931/32. Mit Bromverbindungen hatte das österreichische Heer mindestens seit 1915 experimentiert. Vgl. Manfried Rauchensteiner, Der erste Weltkrieg und das Ende der Habsburger-Monarchie. Wien-Köln-Weimar 2014, 561. 50 AT TUWA, Personalakt Hugo Strache. 51 Vgl. AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1508-1916/17, Ansuchen um Freistellung von Mitarbeitern vom Kriegsdienst. 52 AT TUWA, Rigorosenakten, Rig.Zl. 2/14-1918/19. 53 Ebd., Rig. Zl. 2/7 – 1916/17. 54 Ebd., Rig. Zl. 2/12 – 1916/17. 55 Ebd., Rig. Zl. 2/13 – 1916/17. 56 Ebd., Rig. Zl. 2/6 – 1917/18. 57 Ebd., Gutachten W. Suida. 58 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1116-1915/16. S. auch ebd., Protokoll der Sitzung des Professorenkollegiums von 14. Mai 1916. Zu Blumau vgl. u.a.: Klaus Dieter Mulley/Hans Leopold (Hrsg.), Österreichs Pulverschmiede. Rüstungsindustrie am Steinfeld/Groß-Mittel und Pottendorfer Linie. Pottendorf 1996. 59 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 641-1916/17. 60 Vgl. zum Folgenden ebd., RZl. 2065 A-1914/15 (Sammelakt). 61 Ebd., RZl. 2149-1914/15; 49-1915/16 in: RZl. 2065 A-1914/15. 62 Vgl. ebd. Saliger hat über diese Reise auch in seiner Autobiographie berichtet und darauf hingewiesen, dass er und Kleinwächter später über ihre Reiseerlebnisse auch Vorträge in der Urania gehalten haben: Saliger über Kriegsbrückenbau, Kleinwächter über Eisenbahnen im Kriegsgebiet). Rudolf Saliger, Ein Leben in Technik, Wissenschaft und Deutschheit. Erinnerungen I, Masch. Ms. Wien 1943, 250 – 253. 63 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 118-1915/16. 64 Vgl. zum Folgenden AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 24-1914/15. 65 Einzelbeispiele: Ebd., RZl. 638, 639, 653-1914/15. 66 Ebd., RZl.1076-1914/15. 67 Ebd., RZl. 1705-1914/15. 68 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 402 und 403 ex 1914/15; Erlass des Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 13.10.1914, Zl. 2862 und vom 23.10.1914, Zl. 3165.; 1192-14/15; Vgl. zur Situation an der Universität Wien: Taschwer, Ein seltsamer Körper, 388. 69 Ebd., RZl. 1641 und 1888 ex 14/15.

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70 Ebd., RZl. 2692-1915/16. 71 Zu Kriegsflüchtlingen aus Galizien in Wien vgl. Gabriele Kohlbauer-Fritz, „Elend überall wohin man schaut“. Kriegsflüchtlinge in Wien, in: Pfoser/ Weigel (Hrsg.): Im Epizentrum des Zusammenbruchs, 96 – 103. 72 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 461-1914/15; 733 A, B (Namensliste mit Anträgen auf Befreiung); RZl. 40-1915/16. 73 Inaugurationsbericht 1915/16, 10. 74 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1207-1914/15. Die Versammlung fand am 27. März 1915 im Hörsaal 3 statt. 75 Ebd., RZl. 1723-1914/15. 76 Vgl. dazu auch Kohlbauer-Fritz, Elend; Taschwer, Ein seltsamer Körper. 77 Tabelle nach AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1121-1915/16. 78 Vgl. für die Universität Wien: Taschwer, Ein seltsamer Körper. 79 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2008-1915/16. 80 Ebd., RZL. 366-1916/17. 81 Ebd., RZl. 1487-1914/14. 82 Ebd., RZl. 783-1915/16. 83 Ebd., RZl. 318-1916/17. 84 Vgl. dazu Höflechner, Baumeister, 87ff. 85 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1447-1916/17; Höflechner, Baumeister, 92f. 86 RGBl. Nr. 130/1917. S. dazu auch AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1560-1916/17. 87 Ebd., RZl. 753-1916/17, in: RZl. 1288-1918/19. 88 Vgl. dazu für die Hochschule für Bodenkultur: Paulus Ebner, Politik und Hochschule. Die Hochschule für Bodenkultur 1914 – 1955, Wien 2002, 24f. 89 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1353-1916/19; 90 Vgl. dazu Mikoletzky et al.: „Dem Zuge der Zeit entsprechend“, bes. 41ff. 91 S. Inaugurationsbericht 1917/18, 19ff. 92 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 953, 1398 und 1915 ex 1917/18 93 Inaugurationsbericht 1916/17, Wien 1916, 14. 94 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 344 und 419 ex 1916/17. 95 Ebd., RZl. 96 Ebd., RZl. 78-1917/18. 97 Ebd., RZl. 1007 und 1864 ex 1917/18. 98 Vgl. dazu etwa die Verbrauchsmeldungen der betroffenen Lehrkanzeln, AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 302-1817/18. Beschwerden verschiedener Lehrkanzeln über versprochenes, aber dann nicht geliefertes Heizmaterial: Ebd., RZl. 110-1917/18. 99 Ebd., RZl. 663; 962; 908; 910 ex 1917/18 100 Ebd., RZl. 301-1917/18; Sitzungsprotokoll des Professorenkollegiums vom 21. November 1917. 101 Ebd., RZl. 688 – 1917/18. 102 Ebd., RZl. 900 und 1157 ex 1917/18. 103 Ebd., RZl. 1477-1914/15. 104 Ebd., RZl. 1697-1914/15. 105 S. Inaugurationsberichte 1914/15, 10; 1915/16, 49 – 52; 1916/17, 29f; 1917/18, 29. 106 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 615 -1915/16. 107 Ebd., RZl. 1816-1917/18. 108 Vgl. Inaugurationsbericht 1918/19, 19. 109 AT TUWA, Sitzungsprotokoll des Professorenkollegiums vom 14. Dezember 1921, TOP 10. 110 Inaugurationsbericht 1923/24, Wien 1923, S.10f.; Ebd., Rektoratsakten, RZl. 836-1925/26.

Ein Krieg der Ingenieure? Die Wiener „Technik“ und der Erste Weltkrieg  | 65

VERDECKTER AUFSCHWUNG ZWISCHEN KRIEG UND KRISE HIDDEN GROWTH BETWEEN WAR AND CRISIS Die Jahre vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise werden oft als eine Periode wirtschaftlicher Stagnation und anhaltender politischer Tur­ bulenzen an den Hochschulen wahrgenommen. Diese Perspektive ist nicht unberech­ tigt – sie verdeckt aber manchmal den Blick auf die organisatorischen Reformen und Innovationen, die es in dieser Periode auch gab. In der Folge sollen für die TH in Wien beide Aspekte angesprochen werden, wobei den zunehmenden politischen Konflikten eine wichtige Rolle zukommt. The years between the end of World War I and the start of the global economic crisis are often perceived as a period of economic stagnation and ongoing political turbu­ lence at higher educational institutions. This point of view is not without validity, how­ ever, it does sometimes obscure the many organisational reforms and innovations that took place in this era. Both these aspects of the history of the TH Wien will be looked at more carefully in the following chapters, whereby it will be seen that ever-rising po­ litical conflicts play a significant role.

Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

ÜBERGÄNGE UND RAHMENBEDINGUNGEN: DIE TH IN WIEN ZU BEGINN DER ERSTEN REPUBLIK TRANSITIONS AND GENERAL CONDITIONS: THE TH IN VIENNA AT THE START OF THE FIRST REPUBLIC Viele der Ereignisse, die 1938 zur Machtübernah­ me der Nationalsozialisten an den österreichischen Hochschulen und Universitäten führten und sie begleiteten, lassen sich nur begreifen, wenn auch die vorangegangenen Jahre mit in den Blick ge­ nommen werden. Oft reichen die Wurzeln sogar noch bis weit in die Vorkriegszeit zurück. Das gilt auch für die Technische Hochschule in Wien. Bis­ her fehlt jedoch eine eingehende Darstellung ihrer Geschichte in der Zwischenkriegszeit.1 Dies kann auch in diesem Band, schon aus Umfangsgründen, nicht geleistet werden, doch soll zumindest eine Übersicht über die Verhältnisse an der Hochschu­ le in den Jahren 1918 bis 1938 gegeben werden, insbesondere bezogen auf jene Aspekte, die für das Geschehen ab März 1938 von Bedeutung wa­ ren. Als entscheidende Phasen erwiesen sich dafür die unmittelbare Nachkriegszeit bis etwa zur Mit­ te der 1920er Jahre sowie die Jahre ab 1930, als die Weltwirtschaftskrise die Hochschulen erreichte und innerhalb wie außerhalb der Universitäten für eine Verschärfung des politischen Klimas sorgte. Als Karl Zsigmondy, Rektor der nunmehrigen Technischen Hochschule in Wien (das „k. k.“ war, als kleines, äußerlich sichtbares Zeichen der großen Veränderungen, im Herbst 1918 aus ihrem Namen gestrichen worden), am 25. Oktober 1919 den Rechenschaftsbericht über seine Amtszeit vorlegte, konnten er und seine Zuhörer auf bewegte Zeiten zurückblicken. Nach der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg und dem

Many of the events leading up to and accompany­ ing the coming into power of the National Social­ ists at Austrian universities in 1938 can only be understood by taking into account the preceding years. The roots often reach far back into the prewar years. This is also true for the Technische Hoch­ schule in Vienna. A comprehensive account of its history during the interwar period has not yet been written.1 While we are not able to provide a such history in this volume, for reasons of scale alone, we shall at least provide an overview of conditions at the TH in the years from 1918 to 1938, in par­ ticular with regard to those aspects that influenced the events that started in March 1938. The decisive periods proved to be the immediate post-WWI years up to the mid-1920s, and the years after 1930, when the global economic crisis impacted the universities and led to an escalation of political tension. When Karl Zsigmondy, Rector of the Technische Hochschule in Vienna (the prefix “k. k.” – Imperial Royal – had been struck from the name in the autumn of 1918 as a small but visible sign of the tremendous transformations taking place), submitted his accountability report for his time in office on 25 October 1919, he and his audience could look back on turbulent times. After the defeat of Austria-Hungary in the Great War, and the subsequent collapse of the Monarchy in late autumn 1918, they found that they were now citizens of a “rump state” named Austria, the viability of which was doubted by many. Important industrial regions had been lost to new-

Übergänge und Rahmenbedingungen: Die TH in Wien zu Beginn der Ersten Republik  | 67

darauf folgenden Zusammenbruch der Monarchie im Spätherbst 1918 fanden sie sich wieder als Bürger eines „Rumpfstaates“ Österreich, dessen Lebensfähigkeit von vielen Seiten bezweifelt wurde: Bedeutende Industriegebiete waren durch die Errichtung der Nachfolgestaaten verloren gegangen, dafür blieb der neuen Republik neben den finanziellen Folgen des verlorenen Krieges auch die Belastung mit einem nunmehr überdimensionierten Beamtenapparat und mit Verwaltungsstrukturen, die auf die Beherrschung eines Großreichs ausgerichtet waren. Aus dieser Konstellation heraus erwuchs der in allen politischen Parteien verbreitete Wunsch nach einem Anschluss an das Deutsche Reich, der soeben durch den Friedensvertrag von St. Germain verboten worden war. Diese Entscheidung löste in Österreich, nicht zuletzt unter den Angehörigen der Hochschulen, große Verbitterung aus. Auch die Wiener Technische Hochschule war von diesen Veränderungen direkt und indirekt betroffen. Zahlreiche ihrer Angehörigen waren gefallen oder noch nicht wieder in die Heimat zurückgekehrt. Die vorhandenen Gebäude und Einrichtungen befanden sich nach vier Kriegsjahren ohne Instandhaltungsinvestitionen zum Teil in einem desolaten Zustand, zum Teil mussten sie nach ihrer Nutzung für militärisch-technische Zwecke neu adaptiert werden. Es mangelte an Heizmaterial, an Lebensmitteln und an sonstigen Gütern des täglichen Bedarfs. Schließlich hatte die Hochschule durch den Zerfall der Donaumonarchie nicht nur einen beträchtlichen Teil ihres geographischen Einzugsgebiets, sondern auch des Arbeitsmarkts für ihre Absolventen verloren. So konnte Rektor Zsigmondy mit Recht seiner Sorge um „das auskömmliche Unterkommen so vieler Ingenieure in unserem klein und bitterarm gewordenen Staat“ Ausdruck geben.2 Dabei hatten sich gerade die Ingenieure, beflügelt von dem enormen, durch den Krieg ausgelösten Technologieschub, für die Zeit nach dem Friedensschluss eine führende Rolle als Experten für den materiellen und sozialen Wiederaufbau Österreichs erwartet. Stattdessen sah sich das Rektorat der TH in Wien im Jahre 1923 sogar

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ly founded successor states, while the new republic was left not only with the financial burdens of the lost war but also with a now-oversized civil service apparatus and administrative structures geared toward the control of a great empire. A desire for a union with the German ­Reich grew from this constellation, a desire that was shared across the political spectrum, and which had just been prohibited by the St. Germain Peace Treaty. This decision met with much bitterness in Austria, not least amongst the members of the universities. The TH in Vienna was directly and indirectly implicated in these changes. Many of its members had fallen in battle or had not yet returned home. After four years of war without investments in maintenance, some of the existing buildings and facilities were in a desolate state, and some had to be readapted after being used for military purposes. Heating material, food, and other daily necessities were scarce. Finally, the collapse of the Danube Monarchy meant that the TH had not only lost a large part of its geographic catchment area, but also of the employment market for its graduates. Thus, Rector Zsigmondy rightly expressed concerns about “the adequate employment of so many engineers in our now small and desperately poor nation”.2 And this although it was the engineers in particular who had been inspired by the enormous technology push triggered by the war, who were expecting to take on a leading role as experts in the material and social reconstruction of Austria. Instead, in 1923, the Rectorate even saw itself compelled to publicly advise against starting a course of studies “because of the overcrowding of academic technical studies”.3 In hindsight, and in spite of these bleak expectations, the 1920s in particular proved to be a period of expansion and modernisation for the Vienna TH. In this decade, huge building extensions and the restructuring of the teaching and research facilities were begun. In fact, there was a striking “push for innovation” at the TH in Vienna in the medium-term. Particularly in terms of organisation, it soon became clear that the war had helped along certain develop-

genötigt, öffentlich von der Aufnahme eines Studiums „wegen Überfüllung der akademischen technischen Studien“ abzuraten.3 Trotz dieser düsteren Aussichten erweisen sich, im Nachhinein betrachtet, insbesondere die 1920er Jahre für die Wiener Technische Hochschule als eine Ausbauund Modernisierungsphase. In diesem Jahrzehnt wurden umfangreiche bauliche Erweiterungen und Neustrukturierungen der Lehr- und Forschungsmöglichkeiten eingeleitet. Tatsächlich gab es an der TH Wien mittelfristig einen beachtlichen „Innovationsschub“. Vor allem im organisatorischen Bereich zeigte sich bald, dass der Krieg gewissen Entwicklungen, die sich schon vor 1914 angekündigt hatten, zum Durchbruch verholfen hatte: So geht die Errichtung eigener Unterabteilungen (und damit auch Studienrichtungen) für Gas- und Feuerungstechnik und für Technische Physik ab dem Studienjahr 1920/21 bzw. 1922/23 auch auf die Bedeutung dieser Bereiche für die kriegsrelevante Forschung zurück. Die Forderung nach einem Institut für Fernmeldetechnik (das 1928 realisiert wurde) nahm ihre Legitimation vom Aufschwung der Forschungen zu Telephonie und Telegraphie in der Kriegszeit. Auch die Umstellung des ursprünglich viersemestrigen „Geodätischen Kurses“ auf ein Vollstudium des Vermessungswesens mit zwei Staatsprüfungen, bereits im Jahr 1914 gefordert,4 wurde ab dem Studienjahr 1925/26 durchgeführt und zugleich eine eigene Unterabteilung eingerichtet. Bereits mit Verordnung vom 11. November 1923 waren im Rahmen einer Gesamtreform des Architekturstudiums an der Fachschule für Hochbau (Architektur) Meisterklassen eingeführt worden, in Anlehnung an die Meisterschulen der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dagegen konnten die Fortschritte der Luftfahrtforschung durch die Restriktionen des Friedensvertrags von St. Germain nicht voll genutzt werden. Ebenfalls nicht realisiert wurde der wiederholte Vorschlag im Jahr 1919, an den Hochschulen ein Fach „Kriegstechnik“ einzuführen (diesmal in erster Linie mit der Intention, arbeitslosen Offizieren einen standesgemäßen Broterwerb zu verschaffen). Er scheiterte in glei-

ments that had already been in the making before 1914: For instance the establishment of sub-departments (and thus courses of study) of Gas and Firing Technology and of Technical Physics starting in 1920–21 and 1922–23, respectively, was also due to the importance of these fields for war-related research. The demand for an Institute of Telecommunications Technology (realised in 1928) took its legitimacy from the boom in telephony and telegraphy research during the war years. The transition of the four-term “Geodesy Course” into a full study programme on surveying with two state exams, which had been demanded as early as 1914,4 was carried out starting in 1925–26, with a sub-department being established at the same time. Master classes had already been introduced by a decree dated 11 November 1923 as part of a complete reform of the architecture programme at the School of Architecture, modelled along the master classes at the Academy of Fine Arts in Vienna. Progress in aviation research, on the other hand, could not be fully explored due to the restrictions of the St. Germain Peace Treaty. Another unrealised proposal, repeated in 1919, was the introduction of the subject of “war technology” (this time primarily with the intention of creating employment befitting their status for unemployed officers). It failed in a similar way and due to similar arguments as prior initiatives.5 The TH in Vienna response, by Rector Karl Kobes, not only pointed out the difficulties of teaching the extensive subject matter on a manageable scale and emphasised the clearly civilian character of the TH, but added another argument that was hard to contradict: within the current student body, and following their historical experience, there was “a deep aversion against any intellectual activity that is closely tied to preparing and executing wars. The consequence of which is that in all likelihood, lectures in ‘war technology’ – if these were really to be introduced – would be nearly completely avoided by the students.”6 What was enormously important for the further development of TH Wien was its acquisition of the rights of use for two new locations: the so-called “Aspang-

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cher Weise und mit ähnlichen Argumenten wie frühere Initiativen.5 Die Stellungnahme der TH Wien durch den damaligen Rektor Kobes betonte nicht nur die Schwierigkeiten, die ohnehin vorhandene Stofffülle in einem vertretbaren Umfang zu vermitteln und hob auf den eindeutig zivilen Charakter der technischen Hochschulen ab, sondern fügte dem noch ein weiteres, kaum schlagbares Argument hinzu: In der derzeitigen Studentenschaft bestehe nach den historischen Erfahrungen „eine tiefgehende Abneigung gegen jede geistige Betätigung, welche nähere Zusammenhänge mit der Vorbereitung oder Durchführung von Kriegen […] aufweist. Die Folge hievon ist, dass aller Voraussicht nach Vorlesungen über ,Kriegstechnik‘ – falls solche tatsächlich zur Einführung gelangten – seitens der Studierenden so gut wie gänzlich gemieden werden würden.“6 Von enormer Bedeutung für die weitere Entwicklung der TH Wien war die Erlangung der Nutzungsrechte für zwei neue Standorte: die 1917 für die Hochschule gewidmeten sogenannten „Aspanggründe“ zwischen Aspangbahnhof und Landstraßer Hauptstraße, gedacht als Standort für größere Labors und Versuchsanlagen, und – noch bedeutsamer – die Gewinnung des Areals der ehemaligen Kriegsschule und des Technischen Militärkomitees am Getreidemarkt, die wohl in erster Linie den Bemühungen und der guten Vernetzung von Max Bamberger zu verdanken war. Damit konnte eine lange erwünschte Erweiterungsmöglichkeit insbesondere für die Chemisch-technische Fachschule, aber auch für die Maschinenbauschule realisiert werden. Auch auf dem Gelände des Elektrotechnischen Instituts in der Gußhausstraße und im Hauptgebäude am Karlsplatz wurden bauliche Erweiterungen vorgenommen. 1926 wurde unter Prof. Friedrich Schaffernak das Hydrologische Institut errichtet, 1920 erreichte Prof. Urbanek die Einrichtung einer Lehrwerkstätte für Maschinenbaustudenten, 1926 entstand ein „Übungsbauhof“ für angehende Architekten und Bauingenieure. Auch die Einrichtung eines Erdbaulabors anlässlich der Berufung von Karl von Terzaghi 1929 gehört zu diesen grundlegenden Neuerungen der Zwischenkriegszeit. Erst in der Weltwirt-

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gründe” between the Aspang train station and Landstraßer Hauptstraße, given to the TH in 1917, which were planned as a location for larger laboratories and test facilities, and – even more important –the area of the former War School of the Technical Military Committee on Getreidemarkt, which was probably mainly due to the efforts and networking skills of Max Bamberger. This allowed the TH to realise a long-desired expansion of the School of Chemical Technology in particular, as well as of the School of Mechanical Engineering. Building expansions also took place on the premises of the Electrical Engineering Institute in Gußhausstraße and in the main building on Karlsplatz. In 1926, the Hydrological Institute was built under Prof. Franz Schaffernak; in 1920, Prof. Urbanek submitted the approval of the establishment of a teaching workshop for Mechanical Engineering students, and in 1926, a “practice building yard” was built for future architects and civil engineers. The establishment of a soil mechanics laboratory on the occasion of the appointment of Karl von Terzaghi in 1929 is another fundamental innovation of the interwar period. These expansions were only disrupted by the global economic crisis in the early 1930s, due to the dramatically deteriorating financial situation of both state and private industry. The admission of female students to the Austrian THs is another very important social innovation. Starting with the 1919–20 school year, women were first permitted to enrol as regular students of technology studies; their number amongst students of the TH in Vienna, however, was initially quite low, remaining below 5% until 1940.7 At the same time, the first female research assistants or university assistants, who had completed their academic training at a university, were appointed – though likewise in negligible numbers.8 The first female research assistant seems to have been chemist Dr. Else Lant-Ekl (she was employed with Professors Bamberger and Strache from 1918 to 1923). The fact that these women were often employed under discriminatory conditions is illustrated by the example of chemist Dr. Margarete Richter – she was appointed by Prof. Flamm in 1919, on

Abbildung 1a: Der Bauhof. Figure 1a: The “Bauhof” (practice builing yard).

schaftskrise Anfang der 1930er Jahre kam die Ausbautätigkeit aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Finanzlage von Staat und Industrie allmählich zum Stillstand. Als wesentliche soziale Innovation ist die Zulassung von Frauen zum Studium an den österreichischen technischen Hochschulen zu sehen. Seit dem Studienjahr 1919/20 durften Frauen erstmals auch als ordentliche Hörerinnen technische Studien inskribieren, ihr Anteil an den Studierenden der Technischen Hochschule in Wien blieb jedoch vorerst sehr gering und lag bis 1940 stets deutlich unter 5 %.7 Zugleich wurden auch die ersten weiblichen „wissenschaftlichen Hilfskräfte“ bzw. Assistentinnen aufgenommen, die ihre wissenschaftliche Ausbildung an der Universität abgeschlossen hatten – wenn auch vorerst nur in verschwindend geringer Zahl.8 Die erste Assistentin überhaupt dürfte die Chemikerin Dr. Else Lant-Ekl gewesen sein (sie war von 1918 bis 1923 bei den Professoren Bamberger und Strache beschäftigt). Dass sie oft unter diskriminierenden Bedingungen eingestellt wurden, zeigt das Beispiel der Chemikerin Dr. Margarete Richter – sie wurde 1919, auf ausdrückliche Empfehlung des Geschäftsausschusses des Professorenkollegiums, von Prof. Flamm erst eingestellt, nachdem sich kein geeig-

Abbildung 1b: Karikatur der Arbeit im Bauhof von H. Horner (um 1930). Figure 1b: Working at the “Bauhof”: Caricature of H. Horner (about 1930).

the express recommendation of the executive committee of the Council of Professors, only because there was no suitable male candidate, and for six months only, after which an adequately qualified male candidate was found, and Dr. Richter had to leave the TH. Another novelty after the war was a stronger orientation of the TH towards the non-academic public. One measure that explicitly served this goal was the foundation, following up on considerations from the pre-war period, of the “Free Association of Popular Technical Education” (Freie Vereinigung für technische Volksbildung) in 1919, directed by Prof. Rudolf Halter. It aimed to provide a technology-oriented version of the well-es-

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neter männlicher Kandidat fand, und auch dies nur für sechs Monate; danach fand sich dann doch ein hinreichend qualifizierter männlicher Bewerber, und Dr. Richter musste die Hochschule verlassen. Neu ist nach dem Krieg auch eine stärkere Hinwendung der Hochschule zur außeruniversitären Öffentlichkeit. Ausdrücklich diesem Ziel diente 1919 die noch an Überlegungen aus der Vorkriegszeit anknüpfende Gründung der „Freien Vereinigung für technische Volksbildung“ unter der Leitung von Prof. Rudolf Halter. Sie wollte eine technikspezifische Variante der traditionsreichen „Wiener Universitätskurse“ anbieten.9 Öffnung nach außen signalisierte auch die Schaffung des „Außeninstituts“ 1926 auf Initiative von Prof. Engelbert Wist, das der Weiterbildung von bereits im Beruf stehenden Ingenieuren dienen sollte. Realisiert werden konnten solche Umstrukturierungen und Erneuerungen allerdings oft nur durch die Einwerbung beachtlicher Finanz- und Sachmittelspenden von Seiten der Industrie. So konnte 1921 durch einen Spendenaufruf an die Industrie ein Betrag von immerhin 4,3 Mio. Kronen aufgebracht werden.10 Die Gründung eines „Verbandes der Freunde der Technischen Hochschule in Wien“ im Jahre 1926 sollte für dieses Bedürfnis eine dauerhafte institutionelle Basis schaffen.11 Die staatlichen Dotationen für die Hochschulen, schon zu Zeiten der Monarchie nicht gerade üppig bemessen, verloren infolge der Nachkriegsinflation zunehmend an Wert, was zunächst jede längerfristige Finanzplanung illusorisch machte. Nach der Währungsreform 1925 mit der Ablösung der Krone durch den Schilling traten zwar ruhigere Zeiten ein, jedoch waren inzwischen die Dotationen wertmäßig auf etwa 25  % des Friedensstandes abgesunken.12 In der Folge begannen die Universitäten und Hochschulen mit einer Pressekampagne, auch in der Öffentlichkeit auf ihre Nöte aufmerksam zu machen. Im Februar 1926 publizierten die vier Hochschulen technischer Richtung (die Technische Hochschule in Wien, die Technische Hochschule in Graz, die Montanistische Hochschule in Leoben und die Hochschule für Bodenkultur) unter Federführung der TH in Wien eine gemeinsame

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tablished “Vienna University Courses”.9 A more open attitude towards the public was also signalled by the creation of the Extension Centre (Außeninstitut) in 1926, on the initiative of Prof. Engelbert Wist, which aimed to provide further training to engineers who already were active professionals. These restructuring measures, however, could often only be realised by raising considerable amounts of funding and in-kind donations from the industries. In 1921, a call for donations from private industry raised the amount of 4.3 million Kronen.10 The 1926 foundation of the “Association of the Friends of the TH in Vienna” aimed to create a lasting institutional basis for this purpose.11 Government endowments for the academic sector, which had already been far from lavish under the Monarchy, were increasingly devalued by post-war inflation, which resulted in the impossibility of any longterm financial planning. After the currency reform of 1925, with the Krone being replaced by the Schilling, times became calmer, but the value of funding had by then been reduced to 25% of peacetime funds.12 The universities began a media campaign to alert the public of their troubles. In February 1926, the four Hochschulen with a technical orientation (the TH in Vienna, the TH in Graz, the Montanistische Hochschule in Leoben, and the College of Natural Resources) published a joint memorandum led by the TH in Vienna, the “Memorandum on the Plight of the Hochschulen with a Technical Orientation”.13 They emphasised the great importance of teaching and research in technology for the development of the Republic of Austria, demanded an overall increase of funding as well as a “one-time subsidy” to mitigate the consequences of the war, and concluded with the warning appeal: “Austerity is the order of the day for our country, for society as a whole as well as for each individual. But even better than saving money is earning money! And spending on the development of our intellectual and technical strengths has always been the most rewarding of all investments.”14 In fact, university funding was indeed significantly increased between 1927 and 1931; however, because of the low initial level

„Denkschrift über die Notlage der Hochschulen technischer Richtung“.13 Darin wiesen sie auf die große Bedeutung von technischer Lehre und Forschung für den Aufbau der Republik Österreich hin, forderten neben einer generellen Anhebung der Dotationen zumindest eine „einmalige Beihilfe“ zum Ausgleich der Kriegsfolgen und schlossen mit dem mahnenden Appell: „Sparsamkeit ist für unser Land, sowohl für das Volk wie für jeden Einzelnen, das Gebot der Stunde. Aber besser noch als Sparen ist Verdienen! Und die für die Entwicklung der geistigen und technischen Kräfte gemachten Aufwendungen sind noch immer unter allen Investitionen die lohnendsten gewesen.“14 Tatsächlich wurden zwischen 1927 und 1931 die Hochschuldotationen deutlich erhöht, blieben aber angesichts des niedrigen Ausgangsniveaus weiterhin unzureichend, wie die beständigen Klagen auch der TH-Rektoren in ihren jährlichen Rechenschaftsberichten eindrücklich belegen. Die finanzielle und personelle Auszehrung der Hochschulen, die sich während der Weltwirtschaftskrise verschärfte und in den Jahren des „Ständestaats“ ab 1933 bewusst betrieben wurde, gehörte daher zu den Dauerthemen der österreichischen Wissenschaftspolitik der Zwischenkriegszeit und führte wiederholt zu heftigen Konflikten mit den Unterrichtsbehörden. Die Akzeptanz der Republik durch die Hochschulen und ihre Repräsentanten wurde dadurch gewiss nicht erhöht. Darüber hinaus bestanden aber noch weitere Konfliktfelder. Der Übergang zur Ersten Republik Unmittelbar nach dem politischen Umsturz hatte sich die Professorenschaft der Wiener Technischen Hochschule, ebenso wie diejenige der anderen Universitäten „Deutsch-Österreichs“, durchaus auf den Boden des neuen Staates gestellt: Anfang November 1918 richtete das Professorenkollegium eine Loyalitätserklärung an den deutschen Staatsrat mit folgendem Wortlaut: „Das Professorenkollegium der Wiener technischen Hochschule begrüsst die aus dem Schosse des Volkes hervorgegangene neue Regierung Deutsch-Oesterreichs auf

it still remained insufficient, as is recorded by the ongoing complaints of the TH Rectors in their annual accountability reports. The depletion of funding and staff at the universities became more serious during the global economic crisis, and was deliberate during the years of the Ständestaat from 1933, was therefore an ongoing issue in Austrian academic politics of the interwar years, and repeatedly led to sharp conflict with the education authorities. Acceptance of the Republic by the universities and their representatives clearly suffered from this fact, as well as from the other fields of conflict. Transition to the First Republic Immediately after the political upheaval, the professors of the TH in Vienna, as those of all other universities of “German-Austria”, had accepted the new state: at the beginning of November 1918, the Council of Professors addressed a declaration of loyalty to the German State Council worded as follows: “The Council of Professors of the TH in Vienna heartily welcomes the government that has risen from the midst of the people of German-Austria and wishes to express its hopes that it will lead our people, which must now determine its fate, its relations to its neighbours, and to the world as a whole, with a firm and faithful hand to the salutary use of these rights. The TH in Vienna gladly offers its services to our newly-founded fatherland in order to contribute within its field of activity to the rebirth of the German people after its trials, and it confidently expects to be provided the means to fulfil these functions.”15 These elaborations, which in comparison to those of other universities are rather vague, clearly allude to the right to self-determination of the “German nation” typical for the era. However, they seem quite moderate – clearly, the TH intended to wait and see how events would unroll. Developments went toward an escalation of national tensions. A few days after the declaration of the “Republic of German-Austria”, the Cabinet Council (its function comparable to the later Ministerial Council) presented guidelines for dealing with state employees that were

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das herzlichste und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sie unser Volk das nun über seine Geschicke, seine Beziehungen zu den Nachbarn und zur weiten Welt selbst zu bestimmen hat, mit fester und treuer Hand zur heilbringenden Ausübung dieser Rechte führen werde. Die Wiener Technische Hochschule stellt sich freudig in den Dienst des neubegründeten Vaterlandes, um in ihrem Schaffensbereiche an der Wiedergeburt des deutschen Volkes aus schwerer Prüfung mitzuwirken, von dem sie die Mittel zur Lösung ihrer grossen Aufgaben mit Zuversicht erhofft.“15 Diese, im Vergleich zu den Äußerungen anderer Hochschulen ziemlich wolkigen, Formulierungen lassen die zeittypischen Anspielungen auf das Selbstbestimmungsrecht der „deutschen Nation“ deutlich erkennen. Dennoch wirken sie durchaus moderat – offensichtlich wollte man erst einmal abwarten, wie die Dinge sich entwickeln würden. Sie entwickelten sich in Richtung einer Verschärfung der nationalen Gegensätze. Wenige Tage nach Ausrufung der „Republik Deutschösterreich“ legte der Kabinettsrat (funktional vergleichbar mit dem späteren Ministerrat) am 23. November 1918 Richtlinien für den Umgang mit Staatsbediensteten vor, die einen Tag später im nicht-amtlichen Teil der Wiener Zeitung auf Seite 1 publiziert wurden. Eine solche Maßnahme war notwendig geworden, weil durch die Gründung von neuen Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Monarchie die Frage der Staatsbürgerschaft der Staatsdiener noch ungeklärt war. Die Richtlinien galten für alle staatlichen Institutionen und sollten die Loyalität der Staatsbediensteten zur Republik Deutschösterreich sichern, sie waren also keineswegs Teil einer bewussten Wissenschaftspolitik. Als einziges Kriterium zur Feststellung der eingeforderten Loyalität galt nicht das Bekenntnis zur republikanischen Staatsform oder zum österreichischen Staat oder gar zur deutschen Republik, sondern die festzustellende deutsche Nationalität der Beamtinnen und Beamten. Unter Punkt IV findet sich folgende Anordnung: „Die nichtdeutschen österreichischen Staatsbediensteten, die für eine einstweilige Verwendung nicht in Betracht

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published on page 1 of the non-official section of the Wiener Zeitung newspaper the next day. This measure had become necessary because the issue of state employee citizenship remained unresolved after the foundation of new nations from the territory of the former Monarchy. The guidelines applied to all state institutions and aimed to secure the loyalty of state employees to the Republic of German-Austria; thus, they were not part of a conscious science policy. The only criteria for determining the requisite loyalty was not a commitment to the republican form of government, nor to the Austrian state, nor even the German Republic, but only the German nationality of a civil servant, which had to be determined. Point IV contains the following order: “Non-German Austrian state employees who have been ruled out for transitional use must be relieved of their duties immediately, with pay to be cancelled.” Procedures for determining nationality were communicated in a circular by the State Office of Finances on 4 December 1918. The examination was based on the 1910 census statement of nationality, the language of education, the national affiliation of one’s parents, possible memberships in nationally oriented associations, and similar factors. At the end of the catalogue of criteria, it stated: “The statements of the individual will also be accorded some importance.”16 Employees classified as “German” were to take their pledge of allegiance to the Republic as soon as possible. Those cases judged to be doubtful had to be examined by the departments; university members classified as “doubtlessly non-German” had to be suspended. A template for the decree of suspension was attached. The manner in which these instructions were implemented at the TH in Vienna is shown in a resolution by the Council of Professors on 6 December 1918, which “explicitly emphasised the German character of the TH clearly established in the past” and declared “in an appeal to all students in this regard that it would do its utmost not only to define German as the language of teaching and official relations without a question, but

kommen, sind unverzüglich unter Einstellung ihrer Aktivitätsbezüge zu entheben.“ Die Durchführungsmodalitäten für die Erhebungen zur Nationalität wurden in einem Schreiben des Staats­ amtes der Finanzen vom 4. Dezember 1918 mitgeteilt. Die Überprüfung stützte sich auf das Nationalitätsbekenntnis bei der Volkszählung von 1910, die Sprache der Ausbildung, die nationale Zugehörigkeit der Eltern, die eventuelle Mitgliedschaft in national definierten Vereinen und Ähnliches. Am Ende des Kriterienkatalogs fand sich noch der Satz: „Auch dem eigenen Bekenntnis ist eine gewisse Bedeutung beizumessen.“16 Die als „deutsch“ eingestuften Bediensteten sollten so schnell wie möglich das Gelöbnis auf die Republik ablegen. Jene Fälle, die als zweifelhaft beurteilt wurden, mussten von den Dienststellen überprüft werden, diejenigen Universitätsangehörigen, die als „zweifellos nichtdeutsch“ eingestuft wurden, waren vom Dienst zu entheben. Ein Muster des Enthebungsdekrets war beigefügt. In welcher Form diese Anweisungen an der TH in Wien umgesetzt wurden, zeigt ein Beschluss des Professorenkollegiums vom 6. Dezember 1918. Darin wurde der „in der Vergangenheit klar begründete[.] deutsche[.] Charakter der Hochschule ausdrücklich betont und in einem bezüglichen Aufrufe an die gesamte Studentenschaft erklärt, dass es bestrebt sein werde, nicht nur die deutsche Sprache als Unterrichts- und Amtssprache unzweifelhaft festzulegen, sondern auch dafür zu sorgen, dass den im Lehrkörper befindlichen, zur deutsch-österreichischen Nation sich nicht bekennenden Angehörigen fremder Nationalität, insoweit diese nicht als Lektoren an der Hochschule fremde Sprachen dozieren, die Lehrausübung entzogen werde.“17 Dass diese Ankündigung ernst zu nehmen war, belegen die administrativen Maßnahmen an der Hochschule. Binnen kürzester Zeit wurden Nachforschungen zur Nationalität der Bediensteten angestellt und entsprechende Listen erstellt. Noch im Dezember 1918 erfolgten die Vereidigungen der öffentlich Bediensteten der TH in Wien auf die Österreichischen Republik, wobei nach den erhaltenen Unterlagen die allermeisten An-

Abbildung 2: Richtlinien zum Umgang mit den Staatsbediensteten (Wiener Zeitung vom 24. November 1918). Figure 2: Guidelines for dealing with state employees (Wiener Zeitung, 24 November 1918).

also to make sure that those members of the faculty who are of foreign nationality and who do not clearly commit to the German-Austrian nation will be suspended from teaching, as far as they are not teachers of foreign languages at the TH.”17 The serious nature of this announcement is documented by the administrative measures taken at the TH. Within a short period of time, inquiries into the nationality of employees were conducted and relevant lists were compiled. Still in December 1918, public employees at the TH in Vienna were sworn in to the Austrian

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gehörigen der Hochschule für die deutsche Nationalität votierten – auch jene die, wie Emil Abel oder Leopold Freund, später als „Volljuden“ vertrieben werden sollten.18 Auf einer dieser Listen waren in der Kategorie der national „Zweifelhaften“ vier Tschechoslowaken (die Assistenten Cermak, Meznik, Kienast sowie der Diener Slama) und ein Italiener (der Architekt Maximilian Fabiani) aufgelistet, in der Kategorie der zweifellos Nichtdeutschen drei Tschechoslowaken (die Assistenten Benesch, Hejtmanek und Jakubec) und zwei Jugoslawen (der Mathematiker Suppantschitsch und der Aushilfsdiener Burczik). Damit waren zwei Professoren auf dieser Liste zu finden: Der unter den „Zweifelhaften“ genannte ordentliche Professor für Baukunst, Max Fabiani, war noch von der k.  k. Verwaltung im September 1918 in seine Heimatregion Görz und Gradisca geschickt worden, um den Aufbau der durch den Krieg zerstörten Landstriche mit

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Abbildung 3a und b: Nationalitätserklärungen von Leopold Freund (3a) und Emil Abel (3b). Figure 3a and b: Nationality declarations of Leopold Freund (3a) and Emil Abel (3b).

Republic; according to recorded documents, most TH members opted for German nationality, including those who, like Emil Abel and Leopold Freund, were later expelled as “full Jews”.18 One of these lists of individuals of “doubtful” nationality included four Czechoslovakians (Assistants Cermak, Meznik, Kienast, and the servant Slama) and one Italian (architect Maximilian Fabiani). The category of doubtlessly non-German nationals listed three Czechoslovaki-

zu organisieren. Für die Abhaltung seiner Lehrveranstaltungen in Wien musste in der Zwischenzeit ein Supplent angestellt werden. Als Fabiani seine Tätigkeit nach dem Waffenstillstand unter italienischer Verwaltung fortsetzte, wurde er brieflich ersucht, nach Wien zurückzukehren. Anfang Jänner 1919 äußerte er aber, dass er den ihm übertragenen Aufgabenbereich nicht aufgeben und sich somit seine Rückkehr verzögern werde. Daraufhin wurde er rückwirkend mit 31. Dezember 1918 vom Dienst enthoben. Für den Architekten der Wiener Urania bedeutete dies das Ende seiner akademischen Laufbahn. Der außerordentliche Professor für Mathematik Richard Suppantschitsch/Rihard Zupancic konnte seine Karriere hingegen fortsetzen. Er hatte sich zur slowenischen Nation bekannt. Nach seiner Enthebung von der TH in Wien ging er 1919 an die neu gegründete Universität Ljubljana. Noch ein dritter Hochschullehrer verlor aus nationalen Gründen sein Amt: Der ordentliche Professor für Meteorologie und Klimatologie der Hochschule für Bodenkultur, Josef Liznar, dessen Venia auch eine Lehrverpflichtung an der TH in Wien beinhaltete, wurde als „Tscheche“ seines Amtes enthoben.19 Dass sich die neuen Regelungen auch auf wissenschaftliche Qualifizierungsverfahren auswirken konnten, zeigt das Beispiel der Habilitation des Elektrotechnikers Milan Vidmar.20 Vidmar, Absolvent der TH in Wien, hatte am 13. April 1918 um die Erteilung der Venia legendi für „Bau und Betrieb elektrischer Maschinen“ angesucht. Das Verfahren ging erfolgreich vonstatten, das Kolloquium fand am 30. Oktober 1918 statt, „welches […] die Kommission […] ganz vorzüglich befriedigte.“21 Es fehlte nur noch der Probevortrag, für den Vidmar schon Themenvorschläge eingereicht hatte. Es wurde dafür jedoch kein Termin mehr anberaumt. Sein Fall wurde am 12. Dezember 1918 im Professorenkollegium diskutiert. In direktem Zusammenhang damit wurde der Beschluss gefasst, „bis auf weiteres keine fremdsprachigen Privatdozenten zuzulassen.“22 Die einzige Gegenstimme kam von Professor Arthur Budau. Das schon laufende Verfahren Vidmars wurde aber nicht abgebrochen, vielmehr wurde

ans (Assistants Benesch, Hejtmanek, and Jakubec) and two Yugoslavians (mathematician Suppantschitsch and temporary servant Burczik). Two full professors could thus be found on the list: Full Professor of Architecture Max Fabiani, listed as “doubtful”, was sent by the Imperial Royal administration to his home region of Goricia and Gradisca in September 1918 to help organise the reconstruction of the war-devastated region. His teaching in Vienna was delegated to a substitute lecturer in the interim. When Fabiani continued his activity after the armistice under Italian administration, he was sent a letter asking him to return to Vienna. However, in early 1919, he replied that he would not abandon the task assigned to him, and that his return would therefore be delayed. This resulted in his retroactive suspension as of 31 December 1918. For the architect of the Vienna Urania, this meant the end of his academic career. Professor of Mathematics Richard Suppantschitsch/ Rihard Zupancic on the other hand was able to continue his career. He opted for the Slovenian nation and after his suspension at the TH in Vienna, he went on to the newly-founded University of Ljubljana in 1919. Another university teacher also lost his position due to nationality: Full Professor of Meteorology and Climatology at the College of Natural Resources Josef Liznar, whose venia included teaching duties at the TH in Vienna, was suspended as a “Czech” national.19 The fact that the new regulations also had repercussions on qualification procedures is evident in the example of Milan Vidmar, an electrical engineer.20 Vidmar, who had graduated from the TH in Vienna, had applied for a venia legendi in the “construction and operation of electrical machines” on 13 April 1918. The procedure was successful, the colloquium took place on 30 October 1918, “which […] was to the extreme satisfaction of the committee”.21 The only missing requirement was the sample lecture; Vidmar had already submitted proposals for its subject. However, no date was convened. His case was discussed in the Council of Professors on 12 December 1918. In direct relation to this, the resolution

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ihm am 4. Februar 1919 ein Bescheid übergeben, der im Original nicht erhalten ist, inhaltlich aber wohl dem oben zitierten Schreiben des renommierten Professors und Mitglieds der Habilitationskommission, Carl Hochenegg, entsprochen haben dürfte. Dort heißt es abschließend: „In Anbetracht des mittlerweile eingetretenen Zerfalles von Oesterreich und des Umstandes, dass sich Euer Hochwohlgeboren nicht zum Deutsch-Oesterreichischen Staate zählen [Vidmar hatte sich für die jugoslawische Staatsbürgerschaft entschieden, J.  M.] und daher kaum die Absicht haben dürften die Docentur an unserer Hochschule wirklich ausüben zu wollen, beehrt sich das gefertigte Rektorat die Anfrage zu stellen, ob Sie auf der die weitere Behandlung Ihres Ansuchens wünschen – In Erwartung Ihrer geschätzten Rückäusserung Hochachtungsvollst“ [Streichungen im Original, J. M.] Vidmar dürfte darauf verzichtet haben – er wurde im Mai 1919 ebenfalls an die neue Universität Ljubljana berufen und dabei wurde sein Habilitationsverfahren als abgeschlossen anerkannt.23 Ljubljana war die erste und für 50 Jahre auch die einzige Universität Sloweniens. Von Anfang an besaß sie auch eine technische Fakultät, die zunächst aus vier ordentlichen Professuren bestand. Zwei von ihnen hatten eine enge Verbindung zur TH in Wien, die auch weiterhin gepflegt werden sollte. Gelegentlich ergaben sich aus heutiger Sicht eher kuriose Probleme. So war auch Clemens Holzmeister, damals Assistent an der Bauschule der TH in Wien, Gegenstand von Nachforschungen. Der später weltberühmte Architekt war heimatrechtlich nach Santa Leopoldina in Brasilien zuständig. Sein Großvater war einst aus dem Stubaital nach Brasilien ausgewandert, sein Vater schon lange vor Clemens’ Geburt wieder nach Tirol zurückgekehrt, doch hatte er dort das Heimatrecht nicht mehr erworben. Somit galt Clemens Holzmeister 1918/19 als brasilianischer Staatsbürger. Dank einer positiven Stellungnahme von Rektor Zsigmondy konnte der den „zweifelhaften“ Fällen zugeordnete Architekt, der im Dezember 1918 den Eid auf Deutsch-Österreich nicht ablegen

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was taken “not to admit any foreign-language private lecturers until further notice”.22 The only vote against was Professor Arthur Budau’s. Vidmar’s ongoing procedure was not aborted, however; he was handed a notification on 4 February 1919 that is not recorded in the original, the contents of which probably corresponded to the letter by Carl Hochegg, a renowned professor and member of the habilitation committee, which is quoted above. It concludes by stating: “In view of the disintegration of Austria that has taken place in the meantime, and of the fact that your Excellency does not regard himself as a national of the German-Austrian state [Vidmar had opted for the Yugoslav citizenship, J.M.] and therefore can hardly intend to actually exercise the lectureship at our educational institution, the signed Rectorate has the honour to enquire whether you insist wish a further processing of your application – in expectation of your estimated answer, Most respectfully” [change as in the original, J.M.]. Vidmar seems to have abstained from further action – he, too, was appointed to the new University of Ljubljana, where his habilitation procedure was accepted as completed.23 Ljubljana was the first university of Slovenia, and remained its only one for 50 years. From the start, it had a technical faculty, which had only four full professors at first. Two of them had close relations to the TH in Vienna, a tradition which continued to be cultivated. Sometimes, problems arose that appear rather curious from today’s point of view. For instance, Clemens Holzmeister, at the time an Assistant at the TH Building (Architecture) School, was also the object of investigations. In terms of residence law, the architect, who later became world-famous, was subject to the Santa Leopoldina jurisdiction in Brazil. His grandfather had emigrated to Brazil from the Stubai Valley, and although his father had returned to Tyrol long before Clemens was born, he had not reapplied for residency there. Thus, Clemens Holzmeister was classified as a Brazilian citizen in 1918– 19. Thanks to a positive statement by Rector Zsigmondy,

durfte, im Amt bleiben.24 Um jedoch keine Probleme bei einer Verlängerung seiner Assistentenstelle zu bekommen, suchte Holzmeister mit Erfolg um die Aufnahme in den Heimatverband seiner Geburtsgemeinde Fulpmes in Tirol an. Interessanterweise hatte seine brasilianische Staatsbürgerschaft in der Monarchie keine Probleme bei der Aufnahme als Assistent gemacht. Einer der wenigen Fälle, in denen ein Betroffener vehement und erfolglos gegen die amtliche Zuordnung seiner Person zu einer Nationalität kämpfte, betraf den Assistenten an der Lehrkanzel für Höhere Geodäsie und Sphärische Astronomie, Georg Meznik. Meznik gehörte ebenfalls zu den „offenen Fällen“ des Jahres 1918. Er äußerte sich, eben von der Kriegsdienstleistung nach Wien zurückgekehrt, in einem Brief vom 5. Jänner 1919 an seine Lehrkanzel zu seiner nationalen Identität: Er sei 1877 in Wien geboren, hier heimatberechtigt und habe nie außerhalb von Wien einen Wohnsitz gehabt. Er habe in Wien die deutsche Volks-, Mittel- und Hochschule besucht und beherrsche „eine nichtdeutsche Sprache des ehemaligen Österreich-Ungarn, in welcher ich mich jedoch nur radebrechend und selbst nicht immer so – verständigen kann.“25 Zu seiner Herkunft gab er an, dass die Mutter aus Bayern stamme. Sein Vater sei 1869 nach Wien gekommen, habe seither hier ununterbrochen gelebt und besitze seit 20 Jahren das Heimatrecht. Er selbst sei „nicht Mitglied eines nichtdeutschen Vereines, stehe nichtdeutschen Vereinen gänzlich ferne“, er lese auch keine nicht-deutschen Zeitungen. Trotz einer positiven Stellungnahme seines Vorgesetzten, Prof. Richard Schumann, wurde Georg Meznik mit 30. Juni 1919 enthoben. Letztlich zählten seine Erklärungen weniger als die Tatsache, dass sein Vater Tscheche war, und dass er bei seiner Inskription an der Technischen Hochschule in Wien im Jahr 1896 als Nationalität „cechoslavisch“ angegeben hatte. Fälle wie dieser, der hier pars pro toto für die an der „Technik“ enthobenen Assistenten und allgemeinen Bediensteten stehen soll, erklären, warum allein die Stadt Wien in den Jahren 1918 bis 1920 ca. 150.000 Angehörige der tschechischen Minderheit durch Rückwanderung

architect Holzmeister, who was ranked a “doubtful” case and thus not allowed to take the oath of German-Austria in December 1918, was able to continue in office.24 In order to avoid problems with the renewal of his assistantship tenure, Holzmeister successfully applied for admission into the Heimatverband of Fulpmes in Tyrol, the municipality he was born in. It is interesting to note that his Brazilian citizenship had not caused any problems for his employment as an assistant in the Monarchy. One of the few cases in which the concerned party vehemently, and unsuccessfully, fought the official assignation of his person to a nationality was Georg Meznik, an assistant at the Chair of Advanced Geodesy and Spherical Astronomy. Meznik also was amongst the “open cases” of 1918 and gave a statement on his national identity in a letter to his Chair, dated 5 January 1919, when he had just returned from military service: He was born in Vienna in 1877, had residency rights here, and had never resided outside of Vienna. He had attended German-language primary and middle schools and the TH in Vienna, and spoke “one of the non-German languages of former Austria-Hungary, in which, however, I can only communicate brokenly, and even this not in all cases.”25 Regarding his origin, he stated that his mother was originally from Bavaria. His father had come to Vienna in 1869, and had lived there since without interruption, and had acquired residency right 20 years earlier. He himself was “neither a member of a non-German association, nor has connection whatsoever to non-German associations”; and also did not read any non-German newspapers. In spite of the positive opinion of his superior, Prof. Richard Schumann, Georg Meznik was suspended on 30 June 1919. Ultimately, his declarations were less decisive than the fact that his father was Czech, and that he had listed his nationality as “czechoslav” [sic] when enrolling at the TH in Vienna in 1897. Cases like this, which we cite as pars pro toto for all suspended assistants and general staff members at the TH, explain why the City of Vienna alone lost around 150,000 members of the Czech minority to remigration in the years 1918 to 1920, as the suspended general

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verloren hat. Die enthobenen Angehörigen des allgemeinen Personals an der TH in Wien gehörten nämlich, wie an der Hochschule für Bodenkultur, ausschließlich der tschechischen Volksgruppe an. Vergleicht man den Fall Holzmeister mit dem von Meznik, der im Gegensatz zu Holzmeister das Heimatrecht in Wien besaß und auch Kriegsdienst geleistet hatte, so fallen die unterschiedlichen Wertungen umso deutlicher auf: Zumindest an der TH in Wien ging es ganz offensichtlich um „Herkunft“ in einem „völkischen“ Sinn. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass die junge Republik große Schwierigkeiten hatte, sich eine der Größe des Landes angemessene, loyale Beamtenschaft zu sichern und es sich, soweit dies zu eruieren war, bei den Richtlinien zum Umgang mit Staatsbediensteten nicht um eine Revanchemaßnahme gegen die übrigen Nachfolgestaaten der Monarchie handelte, so zeigen sich im Verhalten der Hochschulverwaltung zwei bemerkenswerte und für die Zukunft bedeutsame Umstände: Zum einen stellt der Rückgriff auf eine „Volkszugehörigkeit“, die faktisch höher zu bewerten sei als die Staatsbürgerschaft, für die Hochschulgeschichte der Ersten Republik, und nicht nur für diese, einen verhängnisvollen Präzedenzfall für die Umsetzung des „Studentenrechts“ an der TH in Wien und an der Hochschule für Bodenkultur, später auch an der Universität Wien dar. Zum zweiten ist hervorzuheben, dass die Universitätsleitung binnen kürzester Zeit – von der Zusendung der Richtlinien bis zur Abgabe der Listen beim Staatsamt waren nur 12 Tage vergangen – die Biographien der Bediensteten nach nationalen Gesichtspunkten überprüfen konnte und, wie der Fall Meznik beweist, dabei bereit war, über die Selbsteinstufung der Betroffenen hinwegzugehen. Sehr ähnliche Vorgänge werden dann auch im März 1938 zu beobachten sein. Politisierung und Überfüllungskrise Der Übergang zur Republik führte zu einer deutlichen Politisierung der Hochschulen: Schon im Dezember 1918 hatte der „Verein der Assistenten und Konstrukteure, Sektion Technische Hochschule“ eine Denkschrift

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staff at the TH in Vienna, as at the College of Natural Resources, were all members of the Czech minority. When comparing the case of Holzmeister with Mez­ nik’s case, who, contrary to Holzmeister, had residency rights in Vienna and who had also served in the war, the differing evaluations become even more obvious: at least at the TH in Vienna, the issue was clearly “origin” in a “völkisch” (ethnic-nationalist) sense. Even though we must take into account that the young Republic had great difficulty in assuring a loyal body of civil servants adapted to the size of the country, and, as far as we can determine, the guidelines for dealing with state employees were not a measure of revenge against the other successor states of the Monarchy, the attitude of the TH administration still shows two remarkable factors that are relevant for future developments: The recourse to a “national affiliation” that was in fact rated higher than citizenship set a disastrous precedent, not only in the history of universities in the First Republic, for the implementation of a “student law” at the TH in Vienna and at the College of Natural Resources, and later at the University of Vienna. Secondly, we need to emphasise that the university administration checked the employees’ biographies with regard to nationality within the shortest possible time – it took only twelve days from the delivery of the guidelines until the lists were submitted to the State Council and, as the case of Meznik proves, the self-assessment of the concerned parties was readily dismissed. Very similar processes can also be observed in March 1938. Politicisation and the Crisis of Overcrowding The transition to the Republic led to a clear politicisation of the Hochschulen: As early as December 1918, the “Association of Assistants and Design Engineers, TH Section” published a memorandum “regarding the demands of academic assistants at the TH in Vienna”.26 It highlighted the “complete lack of rights” for assistants, the great number of different work contracts, and the lack of social and economic security for young academ-

Abbildung 4a und b: Wahlaufruf der sozialistischen Studierenden zum Bezirksarbeiterrat Wieden 1919 (4a) und Mitteilung der Ergebnisse (Anschlag), mit antisemitischen Kommentaren (4b). Figure 4a and b: Call to elections by the Social Democratic students for the Wieden district labour council in 1919 (4a), and poster announcing the results (4b), with antisemitic comments.

„betreffend die Forderungen der wissenschaftlichen Hilfskräfte an der Techn. Hochschule in Wien“ herausgegeben.26 Darin wurde auf die „vollkommen rechtlose“ Stellung der Assistenten, die große Anzahl verschiedener Anstellungsverhältnisse und die fehlende soziale und wirtschaftliche Absicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses hingewiesen und eine Verbesserung der Verhältnisse gefordert – tatsächlich erfolgte 1921 eine Neuordnung der Stellung der „qualifizierten wissenschaftlichen Hilfskräfte“.27 Die anfängliche vorsichtig-positive Einstellung der Hochschullehrer zur Republik Deutschösterreich verwandelte sich jedoch in eine deutlich ablehnende Haltung,

ics, demanding an improvement of the situation – and the status of “qualified academic assistants” was indeed reorganised in 1921.27 The initially cautiously positive attitude of higher education teachers towards the Republic of German-Austria turned into a definite hostile position after the St. Germain Peace Treaty prohibited a union with the German Reich. The professors, who were after all civil servants and had taken an oath to the Republic, generally refrained from radical public commentary. Nevertheless, some Rectors of the TH in Vienna made their positions towards the new state very clear, in particular in their annual accountability reports. Thus the outgoing Rector

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nachdem mit dem Friedensvertrag von St. Germain ein Anschluss an das Deutsche Reich untersagt worden war. Zwar hielten sich insbesondere die Professoren, die ja als Beamte auf die Republik vereidigt worden waren, in der Öffentlichkeit mit allzu radikalen Kommentaren meist zurück. Dennoch fanden einige Rektoren der Technischen Hochschule in Wien, insbesondere in ihren jährlichen Rechenschaftsberichten, deutliche Worte gegenüber dem neuen Staat. So meinte der abtretende Rektor des Jahres 1919/20, Karl Kobes, der bereits in seiner Inaugurationsansprache 1919 kritische Worte gefunden hatte, in seiner Abschiedsrede im Oktober 1920, sicher auch unter dem Eindruck des Nachkriegselends: „Warum wird bei jeder Gelegenheit ein solches Geschrei um die Republik erhoben, als ob diese die allein selig machende Staatsform wäre? […] Es nützt alles nichts, um die Erfüllung der unbedingten Notwendigkeiten jedes menschlichen Zusammenlebens ist dauernd nicht herumzukommen. Kein Klassenkampf, sondern der Kampf aller Klassen gegen die völlige Verwahrlosung in jeder Beziehung, keine Diktatur des Proletariats, sondern ehrliche Freiheit und verständnisvolles Zusammenwirken aller zum Wohle des Ganzen, keine schemenhafte Internationale, sondern den realen in der Heimaterde wurzelnden nationalen Staat christlich-deutscher Kultur, in welchem dem bodenständigen Volk der Ertrag seiner Arbeit gesichert ist, nicht aber von Volksfremden eingeheimst wird. Zur Option nur die, welche wirklich nach ‚Rasse und Sprache zur deutschen Mehrheit der Bevölkerung Österreichs gehören‘.“28 Die Rede wurde vor allem von den Sozialdemokraten als skandalös empfunden und führte, neben einer Reihe von scharfen Presseartikeln, auch zu einer Interpellation im Nationalrat. Dass den hier angedeuteten Vorstellungen an der TH in Wien durchaus eine entsprechende Politik folgte, belegen nicht nur die noch zu behandelnden Bestimmungen der frühen 1920er Jahre zum Numerus clausus und zum Studentenrecht. In nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmten Dokumenten wurden die Dinge auch deutlicher beim Namen genannt. So erklärte Emil Artmann, Rektor des Jahres 1920/21, als Berichterstatter des Ausschusses für studentische An-

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of the year 1919–20, Karl Kobes, who had already expressed criticism in his inaugural speech in 1919, was clearly still under the impression of post-war hardship, saying in his parting speech in October 1920: “Why is such a fuss made about the Republic at every occasion, as though it were the only form of government leading to salvation? […] It is no use, the fulfilment of the absolute necessities of human coexistence cannot be avoided in the long term. Not a class war, but the war of all classes against complete dilapidation in every respect, not a dictatorship of the proletariat, but honest freedom and the compassionate collaboration of all for the good of the whole community, not a shadowy international, but the real national state of the Christian-German culture rooted in our native soil, in which the autochthonous people may be sure of the profits of its work, instead of having them reaped by foreigners. As an option, only those who really ‘belong to the German majority of the Austrian population according to race and language’.”28 The speech was seen as scandalous, especially by Social Democrats, and in addition to a number of sharp articles in the press it also occasioned an interpellation in the National Parliament. That the concepts hinted at here were followed by corresponding policies at the TH in Vienna is not only substantiated by the numerus clausus regulations and student law of the early 1920s is a topic that we will come to later. The language was even clearer in documents not intended for the public eye. In his function as a rapporteur of the Committee on Student Affairs, Emil Artmann, Rector in 1920–21, declared in his “draft response” to a submission of the German Student Union regarding admission restrictions for foreign students, dated 22 December 1922 and referring to a resolution of the Council of Professors dating from December 1918, that he aimed to do his utmost to keep members of non-German nationalities from teaching positions at the TH: “In all matters regarding appointing new teaching staff, the Council of Professors has acted true to its promise; it will continue to stand for maintaining the purely German character of the TH without exception.”29 That this “promise” was in fact fulfilled for

gelegenheiten in seinem „Beantwortungsentwurf“ auf eine Eingabe der Deutschen Studentenschaft betreffend Aufnahmebeschränkungen für ausländische Hörer vom 22. Dezember 1922, unter Hinweis auf den Beschluss des Professorenkollegiums vom Dezember 1918, Angehörige nicht-deutscher Nationalität vom Lehramt an der Hochschule möglichst fernhalten zu wollen: „Diesem Versprechen getreu ist das Professorenkollegium in allen Fragen der Einstellung neuer Lehrkräfte vorgegangen; es wird auch in Zukunft dafür einzustehen wissen, dass der rein deutsche Charakter der Hochschule ausnahmslos gewahrt bleibe.“29 Dass dieses „Versprechen“ tatsächlich weitgehend erfüllt wurde, lässt sich unter anderem an der vergleichsweise geringen Zahl jener Mitglieder des Lehrkörpers, die 1938 aus „rassischen“ Gründen entlassen wurden, ablesen. In Einzelfällen gibt es auch direkte Belege dafür: So wurde 1919 die Bestellung von Robert Frankl als Assistent zunächst mit explizit antisemitischen Argumenten zu verhindern gesucht; dass er seine Stelle nach nur einem Jahr aufgab, dürfte ebenfalls kein Zufall gewesen sein.30 Der Aufruf zu Arbeiterratswahlen 1919 deutete schon die zukünftigen Bruchlinien an: wöhrend das Rektorat (mit offenen Namenslisten) und auch die Vertreter des wissenschaftlichen Personals sich ausdrücklich gegen Arbeiterratswahlen an der TH in Wien aussprachen, wurden sie durch die Studentenvertretung dennoch abgehalten. Von den 322 abgegebenen Stimmen entfielen 206 auf die Sozialdemokraten.31 Die deutliche Distanzierung gegenüber dem neuen Staat lässt sich auch an dem bald mit beträchtlichem Selbstbewusstsein vorgetragenen Bestehen auf Wahrung der „Autonomie“ der Hochschulen erkennen, die bis zum Beginn der 30er-Jahre ein ständiges Spannungsfeld zwischen der Unterrichtsverwaltung und den Hochschulen darstellte. Verstanden wurde sie als weitgehende Selbständigkeit der Hochschulen bei der Regelung dessen, was sie als ihre inneren Angelegenheiten verstanden. So formulierte das Professorenkollegium der TH in Wien in einem Beschluss vom 26.  Februar 1919 an die Adresse des Staatsamts für Unterricht (damals mit

Abbildung 5: Unterschriftenliste des Personals der TH in Wien gegen eine Beteiligung an den Arbeiterratswahlen. Figure 5: List of signatures of the TH in Vienna staff against participating in labour council elections.

the most part is made clear, amongst other facts, by the comparatively small number of members of the teaching staff who were dismissed for “racial” reasons in 1938. In certain cases, there is also direct proof: in 1920 for instance, the appointment of Robert Frankl to the position of academic assistant was initially disputed based on anti-Slavic and antisemitic arguments: the German Student Union protested against his appointment, as only “Ger-

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dem Sozialdemokraten Otto Glöckel besetzt): „Es bedarf keiner besonderen Begründung für die Behauptung, dass die den Hochschulen gesetzlich gewährleistete Autonomie nicht nur die Freiheit in Forschung und Lehre verbürge, sondern aus als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes und der Selbstverantwortungspflicht einen der Grundpfeiler bilde, auf welchen die Freiheit des Volkes sich gründet.[…] Das Professorenkollegium […] beharrt auf dem ihm zustehenden Vorschlagsrechte in allen den Unterricht und die Verwaltung der Hochschule betreffenden Fällen und weist jeden, mit seiner ausschließlichen Verantwortlichkeit unvereinbaren Eingriff zurück.“32 Welchen Gebrauch die Hochschule von dieser „Autonomie“ machen sollte, zeigte sich bald im Zusammenhang mit dem Numerus clausus von 1923 und dem Studentenrecht von 1924. Die Zahl der Mitglieder des Lehrkörpers nahm, im Unterschied zur Entwicklung der Studentenzahlen, bis Ende der 1920er Jahre zu, allerdings mit erheblichen Verschiebungen zwischen den einzelnen Gruppen: Die Anzahl der ordentlichen Lehrkanzeln und der ihnen zugeordneten Professuren wurde von 43 (1918) auf 56 (1930) aufgestockt und hielt sich dann etwa auf diesem Niveau. Die Zahl der a. o. Professoren blieb gering, dagegen stieg diejenige der Privatdozenten im genannten Zeitraum von 33 auf 57, die der Honorardozenten und Supplenten von 29 auf 38, und die der Assistenten und sonstigen wissenschaftlichen Hilfskräfte von 99 auf 109. Insbesondere die starke Zunahme der Privatdozenten, der keine entsprechende Ausweitung der Professorenstellen entsprach, indiziert die Entstehung eines Karriere-Engpasses für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der mit ein Grund gewesen sein dürfte für die deutlich höhere Anfälligkeit gerade dieser Gruppe für den Nationalsozialismus. Für den Studienbetrieb brachte das Kriegsende außerordentliche Belastungen mit sich. Bereits seit dem Herbst 1917 strömten die bisher eingerückt gewesenen Studentenjahrgänge an die österreichischen Universitäten und Hochschulen zurück und stellten sie vor fast unlösbare organisatorische Probleme. An der Technischen

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man Aryans” were supposed to be appointed, and the Executive Committee of the Council of Professors concurred with this argument in spite of the fact that Frankl had been an Austrian citizen since 1919. It was likely no coincidence that he resigned from his position only a few months later.30 The call for Labour Council elections in 1919 was an indication of the future frontlines: while the Rectorate (with open lists of names) and also the “stewards” of academic personnel took an explicit stand against electing labour councils at the TH in Vienna, elections were nonetheless held by the students. Of the 322 votes cast, 206 were for the Social Democrats.31 The clear distance the universities took from the new state is also visible in their insistence on maintaining “autonomy”, a demand which they presented with considerable confidence, and which led to constant tension between them and the educational administration until the early 1930s. Autonomy was seen as the far-reaching independence of the universities concerning the regulation of what they understood to be their internal affairs. Thus the Council of Professors of the TH in Vienna formulated a resolution on 26 February 1919, addressed to the State Office of Education (then headed by Otto Glöckel, a Social Democrat) stating: “No particular reason needs to be given for stating that the legally granted autonomy of the Hochschulen not only guarantees the freedom of research and teaching, but also, as an expression of the right to self-determination, forms one of the pillars on which the freedom of the people rests. […] The Council of Professors [...] insists on its vested right of proposal in all matters concerning the teaching and administration at the TH, and repudiates any interference not consistent with its exclusive responsibility.”32 The use the TH in Vienna was to make of this “autonomy” soon became clear from the context of the 1923 numerus clausus and the 1924 Students Law. The teaching staff increased until the late 1920s, in contrast to the development of student numbers; there were, however, considerable shifts in the sizes of the different groups. The number of assigned chairs and

Hochschule in Wien waren im Studienjahr 1918/19 bereits über 4 000 Hörer inskribiert, der vorläufige Höhepunkt der Studierendenzahlen wurde jedoch erst 1921/22 mit 5 220 Inskribierten erreicht (s. Abbildung 6). Danach setzte ein kontinuierlicher Rückgang ein, der bis zum Ende der Ersten Republik (und darüber hinaus) anhielt. Die Ursachen dafür waren zunächst in der bis weit in die 1930er Jahre hinein andauernden ungünstigen Wirtschaftslage Österreichs und den dadurch bedingten schlechten Berufsaussichten auch für Ingenieure und Techniker zu suchen, seit 1933 zusätzlich in der Bildungspolitik des Austrofaschismus, die bewusst auf eine Beschränkung des Hochschulzugangs abzielte. Mit Erlass des Unterrichtsministeriums vom 26. Juli 1933 (Zl. 9124–I/1) gegen die „Überfüllung der österreichischen Hochschulen“ wurde eine Reduzierung der ausländischen Hörerinnen und Hörer (die man bis dahin wegen der von diesen zu entrichtenden, deutlich höheren Studiengebühren gern gesehen hatte) angestrebt.33 Der Erlass sollte primär Studierende aus dem nunmehr nationalsozialistischen Deutschen Reich fern halten. Darüber

Abbildung 6: Die Studierenden an der TH in Wien 1918-1945. Figure 6: Students at the TH in Vienna 1918–1945.

full professorships was increased from 43 (1918) to 56 (1930), and thereafter remained more or less at this level. The number of professors stayed low, while the number of private lecturers increased from 33 to 57 over this period, honorary lecturers and substitutes from 29 to 38, and the academic assistants and other research assistants from 99 to 109. In particular the sharp increase in private lecturers, which was not reflected by a corresponding increase in tenured professorships, indicates the development of a career bottleneck for young academics; this may have been one reason for the distinctly higher susceptibility of this group to National Socialism. The end of the war brought extraordinary burdens to the daily running of studies. As of autumn 1917, students that had so far been in military service flooded back to Austrian universities, confronting them with near-insoluble problems of organisation. In the term of

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hinaus steuerte das Regime des Ständestaats angesichts steigender Mittelschüler/innenzahlen und wachsender Arbeitslosigkeit unter Akademikern generell eine „Beschränkung des Gesamtumfangs des Mittelschulwesens“ an.34 Auch infolge dieser Maßnahmen sanken ab 1932/33 an der TH in Wien die Hörer/innenzahlen deutlich ab. Die Überfüllungskrise der ersten Nachkriegsjahre führte unter den Studierenden an der Wiener „Technik“, wie an allen österreichischen Hochschulen, zu heftigen Verteilungskämpfen um die knappen Ressourcen. Dabei ging es um den Zugang zu Labor- und Zeichensaalplätzen und zur für das Studium notwendigen Literatur ebenso wie um das Recht zur Beanspruchung der verschiedenen Sozialeinrichtungen der Hochschule für die Studierenden, wie etwa der „mensa technica“, die angesichts der allgemein schlechten Ernährungslage überlebenswichtig werden konnte. Die materielle Lage der Studierenden war oft prekär, zumal die ursprünglich wohldotierten Stiftungen und Stipendien durch die Nachkriegsinflation auf einen Bruchteil ihres früheren Werts zusammengeschmolzen waren. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die TH in Wien über eine beträchtliche Anzahl von meist gut dotierten Stipendienstiftungen zur Unterstützung sozial benachteiligter Studenten verfügt.35 Seit der Frühzeit des k. k. polytechnischen Instituts waren solche Stiftungen von Privatpersonen errichtet worden, deren Stipendien zumeist an soziale Bedürftigkeit und einen guten Studienerfolg geknüpft waren. Später kamen Landesstipendien hinzu, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts bestand eine ausdifferenzierte Stipendienlandschaft, die einem nicht geringen Teil der Hörer das Studium erst ermöglichte.36 Nach Kriegsende war das in Kriegsanleihen investierte Geldvermögen der Stiftungen weitgehend verloren. So musste die Stipendienkommission der TH in Wien im Juli 1923 konstatieren, dass „das Stipendienwesen der Techn. Hochschule gänzlich lahmgelegt worden“ sei; der gesamte Zinsertrag der 1923 noch bestehenden 37 Stiftungen mit einem nominellen Kapital von 1,7 Millionen Kronen wurde auf 50.000 Kronen geschätzt. Daher

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1918–19, more than 4,000 students were already enrolled at the TH in Vienna, but the temporary peak of student numbers wasn’t reached until 1921–22 with 5,220 students (see Fig. 6). After this, a steady decrease set in, which continued until the end of the First Republic (and beyond). This decline was primarily caused by the unfavourable economic situation in Austria, which continued far into the 1930s, and the lack of career prospects for engineers and technicians. This was accompanied by Austrofascist education policies that started in 1933, which consciously aimed to limit access to higher education. A Education Ministry decree dated 26 July 1933 (Zl. 9124-I/1) against the “overcrowding of Austrian Hochschulen” aimed for a reduction of the number of foreign students (who had until then been welcome, if only for the higher tuition fees they paid).33 The decree was mainly meant to keep out students from now-National Socialist Germany. In addition, the Ständestaat regime aimed for a general “limitation of the extent of secondary schooling overall” in light of the growing numbers of secondary school pupils and increasing unemployment amongst academics.34 These measures also contributed to markedly decreasing student numbers at the TH in Vienna from 1932–33. Critical overcrowding in the early post-war years led to sharp competition for scarce resources amongst TH students, as at all other Austrian universities. It concerned access to laboratory and design room space, necessary textbooks, and the right to use the diverse social facilities for students, including the “mensa technica”, which was sometimes a matter of life or death during the widespread food crisis. The material situation of students was often precarious, in particular as originally well-funded trusts and scholarships had been reduced to a fraction of their value by post-war inflation. Before World War I, the TH in Vienna had administered a good number of often well-funded scholarship trusts to provide support to disadvantaged students.35 Since the early years of the Imperial Royal Polytechnic Institute, these trust funds had been established by private individuals, and scholarships were mostly disbursed

schlug die Kommission eine Vereinigung aller kleineren Stiftungen in einer größeren Gesamtstiftung vor.37 Dieses Projekt konnte jedoch erst nach der im März 1925 in Kraft tretenden Währungsreform (damals erhielt man für 10.000 Kronen 1 Schilling) und der Verabschiedung des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes,38 das auch die Permutation und Zusammenlegung entwerteter Stiftungen erlaubte, in Angriff genommen werden. Dabei gab es aber noch ein weiteres Hindernis: Aufgrund des Vertrags von Saint-Germain mussten bestehende Stiftungen an die Nachfolgestaaten abgetreten werden, wenn sie, wie es in einem Erlass des Unterrichtsministeriums hieß, „ausnahmslos nur für die nunmehrigen Neuausländer bestimmt sind“ und am 28. Juli 1914 bereits eingerichtet waren.39 Entsprechende Nachforschungen dauerten bis 1927 an. Letztlich wurden fast alle kleinen Stiftungen aufgehoben, da sich auch nach der Vereinigung nicht das gesetzlich vorgegebene Stiftungsvermögen von mindestens 1000 S erreichen ließ.40 Krieg und Inflation überlebt haben vor allem jene Stiftungen, die mit Immobilien ausgestattet waren. Infolgedessen fiel der Anteil der Stipendienbezieher unter den Studierenden von 11,06  % im letzten Vorkriegs-Studienjahr 1913/14 auf einen Tiefstand von 0,7  % im Studienjahr 1923/24, das waren 31 Stipendien für 4 430 Studierende. Bis zur Mitte der 1930er Jahre blieb der Anteil der mit Stipendien ausgestatteten Hörerinnen und Hörer unter 2  %, um erst danach wieder deutlich anzusteigen (vgl. Abbildung 7). Dies wurde möglich aufgrund von zusätzlichen Spenden und der Errichtung neuer Stipendienstiftungen. 1924 wurde mit Rektoratsbeschluss ein neues „Studentenstipendium der TH in Wien“ geschaffen, das vorerst pro Semester 2.000.000 Kronen zur Vergabe brachte.41 Die dafür notwendigen Mittel stammten zum großen Teil aus den neu eingeführten Auditoriengeldern. Für die Zuerkennung der Stipendien wurde in erster Linie der Studienerfolg und erst in zweiter Linie die soziale Bedürftigkeit berücksichtigt. In den Jahren nach 1926 entstanden noch einige neue private Stiftungen, es lässt sich aber insgesamt eine klare Verschiebung in

on condition of social need and academic performance. Later, federal scholarships were added, and towards the end of the 19th century, a well-developed scholarship landscape had emerged, which for quite a number of students was a necessary precondition for studies.36 After the end of the war, the trust fund assets, which had been invested in war bonds, had been lost for the most part. For instance in July 1923, the Scholarship Committee of the TH in Vienna had to face the fact that “the scholarship system at the TH has come to a complete standstill”. The total interest revenue of the 37 trust funds still in existence in 1923, with a nominal capital of 1.7 million Kronen, was estimated at 50,000 Kronen. This led the committee to suggest a consolidation of all smaller funds into a larger combined fund.37 However, this project could not be initiated until March 1925, after the currency reform became effective (with an exchange rate of 1 Schilling to 10,000 Kronen) and the Law on the Simplification of Administration was passed,38 which also allowed for the consolidation of devalued trust funds. There was, however, one more challenge: The St. Germain Treaty stipulated that existing trust funds had to be ceded to successor states, if they, as the Education Ministry decree said, “are exclusively intended for newly foreign nationals” and were already in existence on 28 July 1914.39 Investigations on this issue continued until 1927. Finally, nearly all small trust funds were annulled because even a consolidation would not have resulted in the legal minimum fund assets of at least 1,000 Schillings.40 The trust funds that survived both war and inflation were mostly those that were based upon real estate. Due to this, the percentage of scholarship students fell from 11.06 % in the last pre-war term 1913–14 to a low of 0.7 % in 1923–24, or 31 scholarships for 4,430 students. Until the mid-1930s, the percentage of scholarship students remained below 2 %; only after that, did it markedly increase (see Fig. 7), something made possible through additional donations and the establishment of new scholarship trusts. In 1924, a new “student scholarship of the TH in Vienna” was created by resolution of the Rectorate; initially

Übergänge und Rahmenbedingungen: Die TH in Wien zu Beginn der Ersten Republik  | 87

Abbildung 7: Studierende mit Stipendien und Unterrichtsgeld-Befreiungen an der TH in Wien, 1918–1938. Figure 7: Students with scholarships and tuition fee exemptions at the TH in Vienna, 1918–1938.

Richtung staatlicher oder korporativer Studienbeihilfen erkennen. Erstmals vergab auch das Unterrichtsministerium „Studienunterstützungen“. Aus dem korporativen Bereich sind das Stipendium der Wiener Kammer für Arbeiter und Angestellte (1924) oder die Reisestiftung des NÖ Gewerbevereins (1928) zu erwähnen. Die TH in Wien bemühte sich, diese Defizite durch eine großzügige Handhabung der vollständigen und teilweisen Befreiung von der Zahlung des Unterrichtsgeldes zumindest etwas zu kompensieren, was sich in einem deutlichen Anstieg der Befreiungen von insgesamt etwa 10–15 % der Hörer vor dem Ersten Weltkrieg auf 25 bis knapp 30 % in den 1920er und 30er Jahren niederschlug.42

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awarding 2,000,000 Kronen per term.41 The funds for this came for the most part from the newly introduced auditorium fees. For a scholarship to be awarded, academic success was first taken into consideration, and social need only secondly. In the years following 1926, several more new private trust funds were established; however, there was a marked general trend towards state and corporate scholarships. For the first time, the Education Ministry also began to award “study subsidies”. From the corporate world, the scholarship of the Viennese Chamber of Labour (1924) and the travel fund of the Lower Austrian Trade Federation (1928) come to mind. The TH in Vienna took pains to compensate for these deficits by a generous use of complete or partial exemptions from tuition fee payments at least to an extent, which was reflected in a marked increase of exemptions from a total of ca. 10–15 % of students before the Great War to 25 to almost 30 % in the 1920s and 1930s.42

Als „Schuldige“ an der Misere wurden sehr bald vor allem jene nunmehr ausländischen Studierenden ausgemacht, die aus den neu gegründeten Nachfolgestaaten der Donaumonarchie und anderen osteuropäischen Ländern stammten. Tatsächlich war der Anteil ausländischer Hörer/innen an der TH in Wien in den ersten Nachkriegsjahren mit 25–30 % zunächst recht hoch. Viele von ihnen waren jüdischer Konfession und kamen aus den neu geschaffenen Staaten Osteuropas, wo ihnen oftmals ein Studium aus rassistischen Gründen verwehrt wurde. Diese Sachlage bildet den Hintergrund für die studienrechtlichen Neuregelungen, die ab Mitte der 1920er Jahre zuerst an der TH in Wien und an der Hochschule für Bodenkultur, später dann auch an der Universität Wien eingeführt wurden.

The “guilty party” for this predicament was very soon identified as being those foreign students who came from the newly founded successor states of the Danube monarchy and other Eastern European countries. In fact, the percentage of 25–30 % of foreign students at the TH in Vienna was indeed initially rather high in the post-war years. Many of them were of Jewish denomination and came from the newly created states of Eastern Europe, where they were often excluded from studying due to race. This situation formed the background of the student law reforms that were introduced in the mid-1920s, first at the TH in Vienna and the College of Natural Resources, and later at the University of Vienna as well.

Anmerkungen/Notes 1 Zur Geschichte der TH in Wien in der Zwischenkriegszeit liegen bisher nur unzureichende Überblicksdarstellungen vor: Alfred Lechner, Geschichte der Technischen Hochschule in Wien 1815–1940, Wien 1942; Rudolf Wurzer, Die Stellung der Technischen Hochschule in Wien im Ablauf ihrer Geschichte, in: 150 Jahre Technische Hochschule Wien, hrsg. von Heinrich Sequenz, Bd. 1, Wien 1965, 91–110; Erich Jiresch/ Juliane Mikoletzky, k. k. polytechnisches Institut – Technische Hochschule – Technische Universität Wien, Wien 1997 (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien, Heft 3). 2 Rede des abtretenden Rektors Dr. Karl Zsigmondy in: Bericht über die feierliche Inauguration für das Studienjahr 1919/20, Wien 1919, 7. 3 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2182–1922/23. 4 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 239–1914/15. 5 S. dazu den Beitrag von Juliane Mikoletzky, Ein Krieg der Ingenieure? Die Wiener „Technik“ und der Erste Weltkrieg, in diesem Band. 6 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1288–1918/19. 7 Zur Entwicklung des Frauenstudiums an der TH in Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vgl. Juliane Mikoletzky/Ute Georgeacopol-Winischhofer/Margit Pohl: „Dem Zuge der Zeit entsprechend …“. Zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich am Beispiel der Technischen Universität Wien, Wien 1997 (= Schriftenreihe des Universitätsarchivs der Technischen Universität Wien, Bd. 1), 109ff. 8 Vgl. für das Folgende: Mikoletzky et al., „Dem Zuge der Zeit entsprechend“,162ff. 9 Vgl. dazu den Beitrag von Juliane Mikoletzky, Zwischen Wissensvermittlung und Interessenpolitik. Technische Volksbildung an der Technischen Hochschule in Wien bis 1938, in Band 14 der vorliegenden Festschrift. 10 AT TUWA, RZl. 660–1921/22. 11 Vgl. dazu Juliane Mikoletzky, 1872-1926-1997: Vom Förderverband zur Absolventenvereinigung. Der Verband der Freunde und Absolventen der TU Wien. Wien 1997 (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien, Heft 4), bes. 20ff. 12 Vgl. Walter Höflechner, Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938, Graz 1988, 219. 13 Vgl. Hofrat Dr. Heinrich Mache, in: Bericht über die feierliche Inauguration des für das Studienjahr 1926/27 gewählten Rector magnificus Hofrat Ing. Hugo Seidler (…) am 30. Oktober 1926, Wien 1927, 6–11. 14 Denkschrift über die Notlage der Hochschulen technischer Richtung in Österreich. Überreicht von den Technischen Hochschulen in Wien und Graz, der Hochschule für Bodenkultur in Wien und der Montanistischen Hochschule in Leoben, Wien 1926, 3. 15 AT TUWA, RZl. 152 ex 1918/19. 16 AT TUWA, RZl. 464-1918/19, fol. 10v. 17 Vgl. AT TUWA, Protokoll des Professorenkollegiums vom 6. Dezember 1918. 18 AT TUWA, RZl. 464-1918/19, fol. 5r. (Abel). Der Honorarprofessor Freund war an der Universität Wien vereidigt worden: Ebd., 6v. 19 AT TUWA, Personalakten, PA J. Liznar, RZl. 845-1918/19.

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20 Vgl. für das Folgende: AT TUWA, Habilitationsakt Vidmar. 21 Ebd., Schreiben Prof. Carl Hochenegg an Vidmar, eigenh. Konzept, undatiert. 22 AT TUWA, Protokoll der Sitzung des Professorenkollegiums vom 12. Dezember 1918. 23 Schriftl. Mitteilung von Herrn Dr. Joze Ciperle, Archiv der Universität Ljubljana, v. 26. 10. 2000. Vidmar, ein Fachkollege und Freund des späteren Rektors der TH in Wien, Heinrich Sequenz, hielt sich dennoch später oft zu Gastvorträgen in Wien auf. 24 AT TUWA, Personalakten, PA C. Holzmeister, RZl. 2643/1918-19. 25 Zitiert nach: AT TUWA, Personalakt G. Meznik, RZl. 158-1919/20. 26 Selbstverlag, Wien 1918. 27 AT TUWA, RZl. 34–1921/22. 28 Bericht über das Studienjahr 1919/20, erstattet am 23. Oktober 1920 vom abtretenden Rektor Dr. Karl Kobes […] Wien 1920, 11f. 29 AT TUWA, RZl. 752–1922/23. Der Entwurf wurde übrigens einstimmig angenommen. 30 AT TUWA, Personalakt R. Frankl; RZl. 2039–1919/20; 80–1920/21. 31 AT TUWA, RZl. 545–1919/20. 32 TUWA, RZl. 1428–1918/19. Für ähnliche Meinungsäußerungen sowie zum Problem der „Hochschulautonomie“ generell vgl. u. a. Höflechner, Baumeister, 225ff. und 267ff. 33 Vgl. dazu Juliane Mikoletzky, Historische Entwicklung der Stellung von AusländerInnen und Frauen an österreichischen Hochschulen, Wien 2008 (Schriften zum Bildungsrecht und zur Bildungspolitik Band 12), 55–80. 34 Vgl. Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 5, Wien 1988, 282 ff. 35 Vgl. zum Folgenden: Juliane Mikoletzky/Paulus Ebner, „Für dürftige und würdige Hörer“. Stiftungsstipendien am k. k. polytechnischen Institut und an der Technischen Hochschule in Wien, 1815–1945, Wien 2011 (=Veröffentlichungen des Universitätsarchiv der TU Wien, Heft 10). 36 Dazu ausführlich Mikoletzky/Ebner, ebd., 19ff. Das Verzeichnis der Stiftbriefe für die von der k. k. technischen Hochschule in Wien verwalteten und an ihr zur Verleihung gelangenden Stipendienstiftungen, Wien 1913, verzeichnet 50 Stiftbriefe. 37 AT TUWA, Stiftungen allgemein, RZl. 2418–1922/23 und 2232–1923/24. 38 BGBl. 277/1925. 39 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2396–1920/21 40 AT TUWA, Stiftungen allgemein, Verzeichnis der endgültig aufzuhebenden Stiftungen. 41 AT TUWA, Stiftungen allgemein, RZl. 2359–1923/24. 42 Angaben zur Anzahl und/oder zum Prozentsatz der Stipendiaten und der Befreiungen finden sich in den meisten Inaugurationsberichten der fraglichen Periode, allerdings bringen die – wohl aus Geldmangel ohnehin sehr knapp gehaltenen – Berichte der ersten Hälfte der 20er Jahre nur summarische Hinweise auf die schlechte soziale Lage der Studierenden. Hier sind auch die Original-Zusammenstellungen für die Berichts-Statistiken meist nicht mehr vorhanden.

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Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

POLITIK UND HOCHSCHULAUTONOMIE: LEHRENDE UND STUDIERENDE 1918–1925 POLITICS AND ACADEMIC AUTONOMY: TEACHERS AND STUDENTS, 1918–1925 Nachdem sich die österreichischen Universitäten und Hochschulen 1918 als „deutsch“ erklärt hat­ ten, mischten sich in die Überfüllungsdiskussion bald antislawische und antisemitische Forderun­ gen, die auf einen Ausschluss solcher „fremdvölki­ scher Elemente“ von den „deutschen“ Hochschu­ len Österreichs abzielten. Als Protagonisten traten, auch an der TH in Wien, zunächst die Mitglieder der traditionellen studentischen Vereinigungen und Korporationen auf. Als Widerpart agierten haupt­ sächlich die Verbände sozialistischer und jüdischer Studierender. Die Konflikte zwischen diesen beiden Lagern sollten für die ganze Zeit der Ersten Repub­ lik prägend werden. Die Burschenschaften und Korporationen hatten sich, nach einer kriegsbedingten Unterbrechung, ab 1918 wieder neu konstituiert und schlossen sich nun zu politischen Allianzen zusammen. Typisch für die österreichische Situation in der Zwischenkriegszeit war dabei eine Aufspaltung in zwei rivalisierende – wenn auch fallweise kooperierende – Lager, die „nationalen“ und die „katholischen“ Korpsstudenten.1 Beide zusammen repräsentierten den größten Teil der Studierenden. Insbesondere die „nationalen“ Vereinigungen zeichneten sich durch einen manifesten Antisemitismus aus, der sich jener Argumentationsmuster bediente, die schon vor dem Krieg wiederholt zu heftigen und mit großer Aggressivität betriebenen Auseinandersetzungen geführt hatten. Ihre Satzungen enthielten meist schon seit den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts einen „Arierparagraphen“, der jüdische Hörer von der Mitgliedschaft ausschloss.

After the Austrian universities and Hochschulen had declared themselves “German” in 1918, the discus­ sion of overcrowding soon merged with anti-Slavic and antisemitic demands to exclude “foreign eth­ nic elements” from the “German” universities of Austria. The protagonists of this movement were initially to be found amongst the members of tradi­ tional student fraternities and corporations, at the TH in Vienna and elsewhere. Counteracting views were mainly voiced by the associations of socialist and Jewish students. The conflicts between these two camps were formative throughout the entire existence of the First Austrian Republic. Starting in 1918, fraternities and corporations reconstituted after the disruption of the war, and now formed political alliances. Typical of the Austrian interwar period was a separation into two rival – although sometimes cooperating – camps, the “national” and the “Catholic” student corps.1 Taken together, these two groups represented the majority of students. The “national” associations in particular were characterised by a manifest antisemitism, using argumentative patterns that had already repeatedly led to violent and aggressive debates even before the war. Most of their statutes had included an “Aryan paragraph” excluding Jewish students from membership since the last decades of the 19th century. Jewish students therefore started to found their own associations in the 1880s, which likewise covered a broad political spectrum. In addition, a large number of new student associations were created after 1918, some of them explicitly oriented along political parties.

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Die jüdischen Studierenden hatten daher seit den 1880er Jahren eigene Vereinigungen gegründet, die in sich ebenfalls ein breites politisches Spektrum abdeckten. Zusätzlich entstanden nach 1918 zahlreiche neue studentische Vereinigungen, teilweise mit explizit parteipolitischer Ausrichtung. Dazu gehörten sozialdemokratische, kommunistische (ab 1921) und „national-freiheitliche“ Vereinigungen, die aber jeweils nur eine Minderheit der Studierenden vertraten. An der TH in Wien waren dabei sozialistische Vereinigungen zunächst relativ stark präsent: Die Gründungsversammlung des Vereins sozialistischer Studenten fand am 4. April 1919 im Hörsaal 18 statt.2 In der Folge verfügte die Hochschule über eine zwar kleine, aber offenbar sehr lebendige „Sektion Technik“ des Sozialistischen Akademiker- und Studentenvereins, die unter ihren Obleuten Stephan Mittler, Erich Wong und Rudolf Bohmann durch eine rege Veranstaltungstätigkeit auf sich aufmerksam machte.3 Daneben tauchten neue „deutsch-nationale“ und „deutsch-völkische“ Gruppen auf, die sich in der politischen Praxis dem „nationalen“ Lager zurechneten. Unter den Letzteren finden sich schon früh Vereine, die sich als „nationalsozialistisch“ bezeichnen. So wurde bereits am 16. Juni 1919 eine „Deutsche Akademische Vereinigung der Nationalsozialisten“ an den Wiener Hochschulen gegründet.4 An der TH in Wien konstituierte sich im Frühjahr 1923 eine „Nationalsozialistische Studentengruppe Technische Hochschule Wien“. Das erste erhaltene Dokument, ein Schreiben an das Rektorat der TH in Wien mit dem Ansuchen um die Zuteilung einer Anschlagtafel im Hauptgebäude, datiert vom 14. März 1923.5 Die Gruppe dürfte ziemlich aktiv gewesen sein. Noch im Oktober desselben Jahres gründete sie eine „Nationalsozialistische Propagandastelle“, wofür sie zusätzliche Aushangflächen vom Rektorat erbat (und erhielt). Als Lokal an der Hochschule nutzte sie die Räumlichkeiten der „Deutschen Lesehalle“ im Karlstrakt des Hauptgebäudes, eines der ältesten Studentenvereine an der TH in Wien, was auf bestehende ideologische Gemeinsamkeiten zwischen beiden Vereinigungen hinweist. Parallel zur Wiedererrichtung des studentischen Vereinswesens gab es ab 1919, nicht zuletzt unter dem

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Amongst these were social-democratic, communist (as of 1921) and “national freedom” associations, which, however, only represented a minority of students. At the TH in Vienna, socialist associations were initially very strongly represented, with the inaugural assembly of the Verein sozialistischer Studenten (Association of Socialist Students) being held in Lecture Hall 18 on 4 April 1919.2 In the following years, the TH had a small but apparently very active “TH Section” of the Sozialistischer Akademiker- und Studentenverein (Association of Socialist Academics and Students), which gained some notoriety under chairmen Stephan Mittler, Erich Wong, and Rudolf Bohman by organising a great number of events.3 New “German-national” and “German-ethnic” groups also emerged, forming part of the political right wing. Amongst the latter, there are a few early associations that called themselves “national socialist”. For instance, on 16 June 1919, a “German Academic Association of National Socialists” was founded at the Viennese universities.4 At the TH in Vienna, a “TH in Vienna National Socialist Student Group” constituted itself in spring 1923. The first recorded document relating to this group, a letter to the TH in Vienna Rectorate requesting the allocation of a notice board in the main building, is dated 14 March 1923.5 The group was apparently quite active. In October of the same year, they founded a “National Socialist Propaganda Office”, for which they requested additional notice boards from the Rectorate (which they were granted). The group’s TH offices were located on the premises of the association “Deutsche Lesehalle” in the main building’s Karlstrakt wing, one of the oldest student associations at the TH in Vienna; a fact that points towards existing ideological common ground between the two associations. From 1919 on, parallel to the reconstitution of the various student associations, there were also attempts to create an overall body of representation for student interests, not least under the influence of the Soviet Movement in neighbouring Bavaria and Hungary, in which one may recognize an early form of today’s Öster-

Einfluss der Rätebewegung im angrenzenden Bayern und in Ungarn, Bestrebungen zur Schaffung einer allgemeinen Interessenvertretung der Studierenden, in der man eine Vorläuferin der heutigen Österreichischen Hochschülerschaft sehen kann. Die Errichtung von Studentenvertretungen, die aus Wahlen nach dem gleichen, direkten Verhältniswahlrecht hervorgehen sollten, wurde von Otto Glöckel, dem sozialdemokratischen Unterstaatssekretär für das Unterrichtswesen, durchaus gefördert. Ein „interfraktioneller Hochschulausschuss“, in dem alle studentischen Gruppierungen gleichberechtigt vertreten waren, bestand allerdings nur für wenige Wochen im Spätherbst 1918, da dieses Vertretungsmodell sowohl von der Mehrheit der Studierenden als auch von den Hochschulbehörden selbst abgelehnt wurde. Hier wünschte man sich vielmehr eine „deutsche“ Studentenvertretung mit einer Beschränkung des Wahlrechts auf ordentliche Hörer „deutscher Volkszugehörigkeit“. Eine solche Organisation konstituierte sich als Deutsche Studentenschaft im Juli 1919 auf dem ersten Deutschen Studententag in Würzburg, an dem auch Vertreter österreichischer Hochschulen teilnahmen. Sie gliederten sich diesem neuen Dachverband, gleichsam in Vorwegnahme eines Anschlusses, als „Kreis VIII“ an. In Österreich beanspruchte diese Deutsche Studentenschaft für sich das Alleinvertretungsrecht für alle Studierenden, begrenzte aber die Mitgliedschaft auf „deutsch-arische“ Hörer. An jeder Hochschule, so auch an der TH in Wien, wurden nach diesem Muster lokale „Deutsche Studentenschaften“ eingerichtet, die – ohne Genehmigung, aber mit Duldung des Staates – bis zum Beginn der 1930er Jahre tätig waren und sich als eines der aktivsten Elemente in der Hochschulpolitik dieser Zeit profilierten. An der TH in Wien konstituierte sich am 21. November 1918 zunächst eine „Allgemeine Technikerversammlung“ als Studentenausschuss.6 Vermutlich ist darunter jener bei Witzmann erwähnte „unpolitische Hochschulausschuss“ zu verstehen, den er (aus nationalsozialistischer Sicht) als einen „Tummelplatz der Juden“ charakterisierte, in dem „politisiert und gestritten“ wurde, und

Abbildung 1: Ansuchen der Nationalsozialistischen Studentengruppe Technische Hochschule Wien um eine Anschlagtafel, 1923. Figure 1: Request of a notice board by the TH in Vienna National Socialist Student Group, 1923.

reichische Hochschülerschaft (Austrian Students’ Union). This establishment of student representation based on equal, direct, proportional election was actively supported by Otto Glöckel, the social-democratic Undersecretary of Education. An “inter-factional Hochschul committee” in which all student groups were equally represented existed for only a few short weeks in late autumn 1918, however, this model of representation was rejected by a majority of students as well as the university authorities themselves. They preferred “German” student representation, restricting the right to vote to full-time students of “German national affiliation”. Such an organisation was constituted as the German Student Union in July 1919 at the German student conference in

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Abbildung 2: Die Kreiseinteilung der Deutschen Studentenschaft (Stand 1933). Figure 2: The division into districts of the German Student Union (in 1933).

der im Dezember 1918 durch „eine Anzahl deutscher Techniker, Angehörige der ‚Deutschen Lesehalle‘ und anderer waffenstudentischer Korporationen“ gesprengt und durch einen „nationalen“ Hochschulausschuss ersetzt wurde.7 Aktenmäßige Hinweise auf diesen Vorgang konnten bisher nicht aufgefunden werden. Tatkräftige Unterstützung fanden die „nationalen“ Studierenden durch die Universitätslehrer, die, wie bereits im vorigen Kapitel geschildert, in ihrer großen Mehrheit das Leitbild einer „deutschen“ österreichischen Hochschule ebenfalls befürworteten. Unter Berufung auf die „Hochschulautonomie“ setzen sie in der Folge Normen, die den Wünschen und Forderungen der „nationalen“ Studenten weitgehend entgegenkamen. Die TH in Wien erwies sich dabei wiederholt als Vorreiterin bei der Erlassung antidemokratischer und antisemitischer Richtlinien. Im Folgenden soll die Entstehungsgeschichte jener Maßnahmen nachgezeichnet werden, die in erster Linie dazu beigetragen haben, den Ruf der Hochschule als Hort völkisch-nationalen Gedankenguts zu begründen.

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Würzburg, with representatives of Austrian universities also in attendance. They joined this new umbrella organisation as “Kreis VIII” (District VIII), somewhat anticipating the Anschluss with Germany. In Austria, the German Student Union claimed the right to sole representation of all students, but limited membership to “German Aryan” students. At each university, including the TH in Vienna, local German Student Unions were established along this model, which – not officially sanctioned, but tolerated by the state – were active until the early 1930s and distinguished themselves as one of the most active elements in academic politics of this period. Initially, a “General Assembly of Technicians” was constituted at the TH in Vienna on 21 November 1918 as a students’ committee.6 We assume that this is the same “apolitical Academic committee” Witzmann refers to, which he characterised – from a National Socialist point of view – as a “playground of Jews” in which people “talk politics and quarrel”, and which was brought down in December 1918 by “a number of German TH students, members of the ‘Deutsche Lesehalle’, and other waffenstudentische Korporationen (duelling fraternities)” and replaced by a “national” academic committee.7 We have so far been unable to find any documented evidence of these events. These “national” students were actively supported by an academic teaching staff that, as described in the previous chapter, also advocated the model of a “German” Austrian university. Referring to “academic autonomy”, they proceeded to set standards that largely coincided with the wishes and demands of the “national” students. Here, the TH in Vienna repeatedly proved to be a pioneer in promulgating antidemocratic and antisemitic guidelines. Below, we will sketch a history of the measures that in the first place contributed to establishing the Hochschule’s reputation as a hotbed of national völkisch ideology.

Der Numerus clausus von 1923 an der TH in Wien

The 1923 Numerus Clausus at the TH in Vienna

Am 8. März 1923 erließ das Professorenkollegium der TH in Wien mit einstimmigem Beschluss und in Erfüllung der Forderungen der Deutschen Studentenschaft eine Aufnahmebeschränkung für ausländische Hörer, die nunmehr nur noch „nach ihrer tatsächlichen Eignung“ zugelassen werden sollten.8 Der Entstehungsprozess dieser Regelung gibt beispielhaft Auskunft darüber, wie sich das Zusammenspiel zwischen der völkisch-nationalistischen Mehrheit der Studierenden und der Professorenschaft gestaltete. Hintergrund der Maßnahme war die tatsächlich gegebene Überfüllung der Hochschule in den ersten Nachkriegsjahren – noch nie zuvor hatte die TH in Wien so viele Hörer gehabt. Als Auslöser für die Einführung eines formellen Numerus clausus fungierte jedoch die Wahl des jüdischen Historikers Samuel Steinherz zum Rektor der Prager Universität im Herbst 1922, auf die auch in Österreich von „nationalen“ Kreisen an den Hochschulen mit heftigster Empörung reagiert wurde.9 Die Deutsche Studentenschaft an der TH in Wien nahm sie zum Anlass, das Professorenkollegium in einem Schreiben vom 27. November 1922 zu einer Beschränkung sowohl jüdischer Lehrkräfte als auch jüdischer Studierender auf einen Anteil von 10 % an der jeweiligen Gesamtzahl und zum Ausschluss jüdischer Hochschullehrer vom Zugang zu akademischen Ämtern und Funktionen aufzufordern. Begründet wurde dieses Ansinnen mit dem Verdacht, es handle sich bei den „Vorfällen der letzten Zeit“ (gemeint sind die Kontroversen anlässlich der Wahl von Steinherz) um „einen planmässigen Vorstoss des Judentums gegen unsere deutschen Hochschulen“, daher wolle man an der TH in Wien „Beschlüsse herbeiführen, die den unseren deutschen Hochschulen drohenden Gefahren begegnen und welche die heiligsten Naturrechte unseres Volkes für die Zukunft sichern helfen.“10 Typisch an der vorgetragenen Argumentation ist die nachgerade grotesk wirkende Umkehrung von Ursache und Wirkung. Am selben Tag fanden in Wien „Sympathiekundgebungen“ mit den Prager Studierenden gegen die Wahl von

On 8 March 1923, the Council of Professors at the TH in Vienna unanimously passed a resolution to restrict the admission of foreign students, who were now to be admitted only “according to actual suitability”, thus meeting the demands of the German Student Union.8 The evolution of this provision illustrates the interplay between the national völkisch majority of students and the professors in an exemplary manner. The background of this measure was a genuine overcrowding of the TH during the early post-war years – never before had the TH had so many students. What triggered the introduction of a formal numerus clausus, however, was the election of the Jewish historian Samuel Steinherz as Rector of the University of Prague in autumn 1922, an event that met with intense outrage amongst “national” academic circles in Austria and elsewhere.9 The German Student Union at the TH in Vienna used the occasion to call for the Council of Professors to restrict the percentage of both Jewish teaching staff and Jewish students to a maximum of 10 % of the respective total, and to exclude Jewish teachers from academic office and functions in a letter dated 27 November 1922. This request was based on the suspicion that “the latest events” (referring to the controversy surrounding Steinherz’ election) were a “planned Jewish attempt aimed against our German universities”; therefore, the goal was to “bring about measures that counteract the dangers threatening our German universities, which help secure the most sacred natural rights of our people for the future” at the TH in Vienna.10 What is typical in the proposed argument is the downright grotesque inversion of cause and effect. On the same day, there were “demonstrations of sympathy” with the Prague students against Steinherz’ election in Vienna. At the University of Vienna, the German Student Union submitted a similar memorandum – the events at the TH in Vienna were part of a “concerted action” organised by the völkisch-national German Student Union.11

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Steinherz statt; an der Universität Wien übergab die Deutsche Studentenschaft ein ähnliches „Memorandum“ – es handelte sich bei den Vorgängen an der TH in Wien um den Teil einer „konzertierten Aktion“ der völkisch-nationalen „Deutschen Studentenschaft“.11 Das Professorenkollegium der Wiener Technischen Hochschule reagierte darauf nicht etwa mit empörter Zurückweisung des Ansinnens (obwohl man sich über die Verfassungswidrigkeit der geforderten Aufnahmebeschränkungen im Klaren war), sondern in der für solche Anträge üblichen Weise: Es wurde ein Ausschuss zur Beratung der Angelegenheit eingesetzt. Mitglieder waren neben dem damals in Vertretung des erkrankten Rektors Karl Mayreder amtierenden Prorektor, Max Ferstel, die Professoren Rudolf Saliger, Emil Artmann und Hans Frisch. Zumindest die drei Letztgenannten waren eindeutige Protagonisten des „deutschnationalen“ Lagers, die später teilweise zum Nationalsozialismus überschwenkten. Nach einer Sitzung am 19. Dezember wurde der Ausschuss um die Professoren Julius Urbanek und Leopold Oerley erweitert und trat am 8. Januar 1923 zu einer neuerlichen Sitzung zusammen. Im Auftrag des Ausschusses verfasste Artmann mit Datum vom 11. Januar 1923 einen „Beantwortungsentwurf“, in dem hinsichtlich der Forderung nach Fernhaltung jüdischer Lehrpersonen auf den Beschluss vom 6. Dezember 1918 über den „deutschen Charakter“ der Wiener Technischen Hochschule und die bisherige Auswahlpraxis verwiesen, die Wahl akademischer Funktionäre jedoch ausschließlich in das Ermessen des dafür zuständigen Professorenkollegiums gestellt wurde. Hinsichtlich der Aufnahme „fremdstaatlicher Bewerber“ (was im gegebenen Kontext in erster Linie auf ostjüdische Studienwerberinnen und -werber zu beziehen ist), wurde dem Wunsch der Deutschen Studentenschaft entsprochen und ein Auswahlverfahren „nach Maßgabe der tatsächlichen Eignung“ vorgeschlagen. Gerechtfertigt wird die gewünschte Ausschließung „fremdstaatlicher“ jüdischer Hörerinnen und Hörer vom Studium an der TH in Wien mit einer im Interesse der Qualitätssicherung notwendigen „Abwehr dieser für ein Studium an deutschen

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The Council of Professors at the Vienna TH did not react by disgustedly rejecting this request (although it was aware of the fact that such access restrictions were unconstitutional), but instead in the usual manner for such requests: a committee was formed to consult on the matter. Its members were, in addition to Max Ferstel, the Prorector officiating in place of Rector Karl Mayreder, who was ill, Professors Rudolf Saliger, Emil Artmann, and Hans Frisch. At least the latter three were unequivocal protagonists of the “German-national” camp. Some of them later moved on to become National Socialists. After a session on 19 December, the committee was expanded to include Professors Julius Urbanek and Leopold Oerley, and reconvened on 8 January 1923 for another session. On behalf of the committee, Artmann outlined a “draft response” dated 11 January 1923. Regarding the demand to keep out Jewish teaching staff, it referred to the resolution of 6 December 1918 on the “German nature” of the Vienna TH, and the past practice of selection. The election to academic office, however, was expressly left to the discretion of the relevant Council of Professors. Regarding the admission of “foreign applicants” (which, in this context, mainly refers to Eastern European Jewish applicants), it complied with the demands of the German Student Union, proposing a selection procedure “based upon true suitability”. The desired exclusion of “foreign” Jewish students from studying at the TH in Vienna is justified by the necessary “defence against those who are usually little or not at all suited for studying at a German university, the more so as their deciding motive is not a desire to be included in the German intellectual culture, but above all the opportunity to study at these universities, and only at these” in the interest of maintaining the quality of studies.12 At the same time, another committee was established to draft the implementing regulations. The concept reply drafted by Artmann was unanimously carried (according to the protocol, including the vote of Professor Emil Abel, who was Jewish).13 On 21 January 1923, the first “German Hochschultag of German-Austria” was organised by the German Student Union; delegations of pro-

Hochschulen in der Regel wenig oder nicht Geeigneten, dies umso mehr, als nicht der Wunsch zur Aufnahme deutscher Geisteskultur für sie bestimmend ist, sondern vor allem die Möglichkeit an diesen und nur an diesen Hochschulen zu studieren.“12 Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, einen weiteren Ausschuss mit der Erarbeitung von Durchführungsbestimmungen zu beauftragen. Das von Artmann entworfene Antwortkonzept wurde in der Sitzung des Professorenkollegiums vom 15. Januar 1923 einstimmig (d. h. laut Protokoll auch mit der Stimme des jüdischen Professors Emil Abel) angenommen.13 Am 21. Januar 1923 fand in Wien der von der Deutschen Studentenschaft veranstaltete erste „Deutsche Hochschultag Deutsch-Österreichs“ statt, an dem neben Studierenden auch Abordnungen der Professorenschaft aller österreichischen Hochschulen teilnahmen. Die dort gestellten Anträge betrafen nicht nur die bereits bekannten Forderungen nach Zulassungsbeschränkungen für ausländische und inländische Juden, sondern wollten u. a. auch festgestellt wissen, dass Juden „wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen […] anderer Rasse sind“ und daher in Österreich als Minderheit zu gelten hätten. Die anwesenden Vertreter der Professorenschaft stimmten den Forderungen weitgehend zu, nur gegen einige davon, die politisch all zu heikel schienen, wurde „Vorbehalt“ angemeldet. Die konkreten Auswirkungen des Hochschultags an der TH in Wien zeigten sich in der folgenden Sitzung des Professorenkollegiums am 21. Februar. Nach dem Bericht von Artmann wurden die von der Deutschen Studentenschaft aufgestellten Forderungen diskutiert und in jenen Punkten, die von Seiten der Professorenschaft Zustimmung gefunden hatten, in Abänderung des bereits verabschiedeten „Beantwortungsentwurfes“, entsprechende Beschlüsse gefasst. Dazu gehörte in erster Linie die Einführung eines Numerus clausus für „fremdstaatliche“ Hörer jüdischer Abstammung, die auf 10 % der Hörerinnen und Hörer der jeweiligen Fachschule begrenzt werden sollten, ebenso wie die detaillierten Änderungswünsche für die Gestaltung der Nationale, damit in Zukunft die „Volkszugehörig-

Abbildung 3: Schreiben von Siegfried Popper wegen Zurücklegung seines Ehrendoktorats. Figure 3: Letter by Siegfried Popper regarding the return of his honorary doctorate.

fessors from all Austrian universities participated. The proposals submitted at this occasion not only focussed on the all-too-familiar demands for access restrictions for foreign and Austrian Jews, but included demands to establish that Jews “are of a different race, which science has clearly demonstrated”, and should therefore be regarded as a minority in Austria. The professorial representatives in attendance largely approved these demands, only expressing some “reservations” against a few politically sensitive issues. In the following session of the Council of Professors at the TH in Vienna on 21 February, the practical impact of the Hochschultag became clear. According to Artmann’s report, the demands of the German Student Union were discussed and resolutions on the points that had been approved by the professors were passed, thus amending

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keit“ bei der Inskription präzise erfasst werden könne. Die Prüfung der Aufnahmegesuche ausländischer Hörerinnen und Hörer sollte die Dekanskonferenz übernehmen. Gleichzeitig wurde der bereits bestehende Ausschuss für eine Anpassung des Organischen Statuts der Hochschule mit der Schaffung eines „Studentenrechts“ beauftragt, „mit der Weisung, eine tunlichste Angleichung in allen das völkische Interesse der Hochschule betreffenden Fragen an die für die Universitäten geltenden Bestimmungen heranzuführen.“14 In der Kollegiumssitzung vom 28.  Februar wurde auf Antrag von Prof. Urbanek die Prüfung der Aufnahmegesuche statt an die Dekanskonferenz an einen eigenen Ausschuss übertragen. (Hier könnten ähnliche Überlegungen wie an der Universität Wien eine Rolle gespielt haben: Dort hatte man diese Funktion ebenfalls zuerst den Dekanen zugewiesen, dies aber wieder geändert wegen der Befürchtung, es könnte ja einmal ein Dekan gewählt werden, der nicht mit deutsch-völkischen Ansichten sympathisierte).15 Ferner wurde eine entsprechende Kundmachung an die Studierenden beschlossen und am 5. März 1923 am Schwarzen Brett der Hochschule angeschlagen. Sie kündigte grundsätzliche Aufnahmebeschränkungen für ausländische Studierende nach ihrer „tatsächlichen Eignung und ihrer Volkszugehörigkeit unter Bedachtnahme auf volkswirtschaftliche Interessen“ an sowie zusätzlich eine Beschränkung auf 10  % der Studierenden je Fachschule für jüdische Bewerberinnen und Bewerber. Die Durchführung solle einem besonderen Ausschuss übertragen werden, „gegen dessen Entscheidung keinerlei Berufung zulässig ist“.16 Aus den Durchführungsbestimmungen dieses Numerus clausus ergibt sich die eindeutig antisemitische Ausrichtung dieser Maßnahme: Die Zulassungsbedingungen für nicht-jüdische und jüdische Aufnahmswerber waren unterschiedlich; maßgeblich für die Zuordnung war nicht die Staatsbürgerschaft, sondern die sog. „Volksbürgerschaft“ und damit ein letztlich rassistisches Kriterium. Die Vorgehensweise der TH in Wien erregte großes öffentliches Aufsehen und bewog einen der ers-

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the “draft reply” that had already been decided. This included first and foremost the introduction of a numerus clausus for “foreign” students of Jewish descent, limiting their number to 10 % of total students at each school, as well as detailed requests for the modification of the registration of nationality in order to allow for a precise recording of “national affiliation” at the time enrolment. The examination of applications from foreign students was delegated to the Conference of the Deans’. At the same time, the existing Committee for the Amendment of the Statute of TH Bodies was charged with drafting a “Student Law” and instructed to “do its utmost to adapt it to provisions applicable to universities in all questions regarding the völkisch interests of the TH.”14 Following Prof. Urbanek’s proposal, the council session of 28 February assigned the examination of applications to a special committee instead of the Conference of the Deans. (This may have been based on similar considerations as those voiced at the University of Vienna, where this function had also initially been assigned to the Deans but was revised, however, because of fears that a Dean without sympathy for the German-völkisch views might be elected.)15 Furthermore, it was resolved to make an announcement to this effect to the students, which was posted on the TH noticeboard on 5 March 1923. It announced fundamental enrolment restrictions for foreign students according to their “true suitability and national affiliation, taking into account economic interests”, as well as an additional limitation of Jewish applicants to 10  % of the students of each school. Implementation was assigned to a special committee, “the decisions of which cannot be appealed”.16 The regulations regarding the implementation of this numerus clausus clearly demonstrate the antisemitic focus of the measure: admission rules for non-Jewish and Jewish admission applicants were different, with the decisive factor of classification not nationality, but so-called Volksbürgerschaft (ethnic citizenship), and thus ultimately a racist criteria. The TH in Vienna’s policy caused quite a public stir and induced one of the first Honorary Doctors of the TH, Siegfried Popper, a retired

ten Ehrendoktoren der Hochschule, den in Prag lebenden General-Schiffbauingenieur i.  P. Siegfried Popper, sein Ehrendoktorat unter Protest zurückzulegen.17 Proteste gab es auch von Seiten der jüdischen und sozialdemokratischen Hochschülerschaft. Die Deutsche Studentenschaft zeigte sich zwar nicht völlig zufrieden (man wünschte sich eine strenge Handhabung der Auswahlkriterien und eine grundsätzliche Abweisung von „Ostjuden und Juden der Staaten, in denen ein Numerus clausus für jüdische Studenten besteht“), sah die ganze Angelegenheit aber doch als einen Schritt in die gewünschte Richtung an.18 Mit Datum vom 8. März wurden die Beschlüsse des Professorenkollegiums dem Unterrichtsministerium zur Kenntnisnahme übermittelt. Dieses beanstandete die

Abbildung 4: Ausländische Studierende an der TH in Wien, Wintersemester 1918/19 - Sommersemester 1938. Figure 4: Foreign students at the TH in Vienna, winter term 1918–19 to summer term 1938.

General Naval Engineer living in Prague, to return his honorary doctorate in protest.17 Jewish and social-democratic students also protested. The German Student Union, albeit not completely satisfied with the measures (it wished for a more rigorous application of eligibility criteria and a categorical refusal of “Eastern Jews and Jews from those states where there is a numerus clausus for Jewish students”), still saw the matter as a step in the desired direction.18 The Ministry of Education was notified of the decisions of the Council of Professors on 8 March, which

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Regelung vor allem aufgrund drohender außenpolitischer Verwicklungen: So hatte sich, nach Einschaltung jüdischer Hilfsorganisationen, der Kommissär des Völkerbundes für die Fürsorgeaktion für russische Flüchtlinge, Fridtjof Nansen, an die österreichische Bundesregierung mit dem Bedenken gewandt, „dass die Einführung eines Numerus clausus an der Wiener Technischen Hochschule geeignet sein könnte, ihm die Erfüllung einer seiner Aufgaben, nämlich der Hilfeleistung für die aus Osteuropa geflüchteten Studierenden, zu erschweren“19; außerdem wurde auf mögliche Schwierigkeiten bei der Platzierung einer österreichischen Auslandsanleihe hingewiesen (es war die Zeit, als Bundeskanzler Seipel eine Sanierung der österreichischen Staatsfinanzen mit Hilfe des Völkerbundes zu erreichen suchte) und das Professorenkollegium ersucht, seinen Beschluss nochmals

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Abbildung 5: Die Studierenden an der TH in Wien nach dem Religionsbekenntnis, Wintersemester 1918/19 - Sommersemester 1938. Figure 5: Students at the TH in Vienna by religious affiliation, winter term 1918–19 to summer term 1938.

objected to the regulation mainly on the grounds of its threatening impact on foreign policy. For instance, following an intervention of Jewish relief organisations, Fridtjof Nansen, the League of Nations’ Commissioner for Refugees and involved in providing relief for Russian refugees, intervened with the Austrian government, voicing his concern “that the introduction of a numerus clausus at the TH in Vienna might result in hindering the fulfilment of tasks, namely the support of students forced to flee from Eastern Europe”.19 In addition, the government emphasised possible difficulties in the approval of foreign loans for Austria (this

zu überdenken.20 Dieses fasste am 6. Juni 1923 einen Beharrungsbeschluss und setzte die Ausarbeitung von Durchführungsrichtlinien für den „Aufnahmsausschuss“, der die „Eignungsprüfung“ ausländischer Studienwerberinnen und -werber durchführen sollte, fort. Sie wurden Anfang Oktober 1923 veröffentlicht (sie unterschieden sich nicht wesentlich von jenen Vorgaben, die zuvor vom Unterrichtsministerium abgelehnt worden waren) und blieben bis zur gesetzlichen Beschränkung der Aufnahme von Ausländern an österreichischen Hochschulen 1933 in Kraft. Ihre Auswirkungen waren nachhaltig und lassen sich auch statistisch nachweisen (vgl. dazu die Abbildungen 4 und 5). Das „Studentenrecht“ von 1924 In engem zeitlichen und teilweise auch sachlichen Zusammenhang mit der Zulassungsbeschränkung für ausländische jüdische Studierende stand die Einführung eines „Studentenrechts“, d.  h. einer Verfassung der lokalen Studentenschaft als „offizieller“ Vertreterin studentischer Interessen gegenüber der Hochschulleitung, die insbesondere die Wahlen zu den studentischen Vertretungskörperschaften regelte.21 Auch in diesem Falle war die TH in Wien die erste österreichische Hochschule, die eine solche Regelung einführte. Erarbeitet und beschlossen wurde die „Studentenordnung“ 1924 unter dem Rektorat von Rudolf Halter, in Kraft gesetzt hat sie sein Amtsnachfolger Rudolf Saliger (der 1938 als „kommissarischer Rektor“ die nationalsozialistische Macht­ übernahme an der Hochschule leiten sollte). Sie trat ab dem Studienjahr 1924/25 erstmals in Kraft, vorerst auf ein Jahr befristet, wurde in der Folge jedoch, mit unwesentlichen Modifikationen, wiederholt verlängert. Kernstück war eine Wahlordnung für die Studentenvertretung, die ein nach „Nationen“ differenziertes Wahlrecht vorsah (wobei auch die Gesamtheit der jüdischen Hörer/ innen als „Nation“ galt), das sogenannte „deutsch-arische“ Studierende stark begünstigte und der Deutschen Studentenschaft als Vertretung der Studierenden „deutscher Nation“ darüber hinaus das Alleinvertretungsrecht

was at the period when Chancellor Seipel was trying to secure a recovery of Austrian state finances with the help of the League of Nations), and asked the Council of Professors to reconsider its decision.20 However, on 6 June 1923, the council decided to persist and continued developing implementation guidelines for the Admissions Committee, which was to carry out the “qualification exams” for foreign applicants. These were published in early October 1923 (the wording did not differ in essence from the requirements which had earlier been rejected by the Ministry of Education), and remained in force until legal admission restrictions for foreigners were introduced at Austrian universities in 1933. Their impact was a lasting one, as proved by the statistics (see figures 4 and 5). The 1924 “Student Law” There is a close temporal and also factual connection between the admission restrictions for foreign Jewish students and the introduction of a “Student Law”, i.e. the constitution of a local student body to “officially” represent student interests to the university administration, specifically regulating elections to student representative bodies.21 In this case, too, the TH in Vienna was the first Austrian university to introduce such a provision. The 1924 Studentenordnung (Student Regulations) was developed and passed under Rector Rudolf Halter, and implemented by his successor Rudolf Saliger (who went on to direct the National Socialist takeover of the TH in 1938 as “acting rector”). The Student Law was enacted in the 1924–25 term and was initially limited to one year, but was repeatedly renewed with marginal modifications. Its core was the regulation of elections to student representation, stipulating a differentiated franchise according to “nations” (with the entire Jewish student body counted as one “nation”), which strongly favoured “German-Aryan” students while granting the sole representation of all students before academic authorities to the German Student Union, representatives of the “German nation”.

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für alle Studierenden gegenüber den akademischen Behörden zusprach. Das „Studentenrecht“ war in Zusammenwirken von Rektorat und Professorenkollegium der TH in Wien mit den Vertretern der Studierenden, insbesondere der Deutschen Studentenschaft, ausgearbeitet worden, wobei die jüdischen, die sozialdemokratischen und kommunistischen Vertreter das (1923 in Form der „Nationen“ abgebildete) „Volksbürgerschafts“-Prinzip grundsätzlich, aber erfolglos abgelehnt hatten. Seine Vorgeschichte reicht ebenfalls bis in das Jahr 1919 zurück. Wohl in Reaktion auf die Selbstorganisation der Studierenden in den Hochschulausschüssen im Laufe des Jahres 1918 und den wachsenden Einfluss der „völkisch-nationalen“ Gruppen hatte das Staatsamt für Unterricht in einem Erlass vom 12. Februar 1919 kundgemacht, dass eine studentische Mitwirkung bei der zukünftigen Gestaltung der Hochschulen zwar erwünscht sei, nicht jedoch in der Form von „Studentenräten“. Ein weiterer Erlass vom 7. April 1919, der in erster Linie die Zulassungsmodalitäten für in- und ausländische Bewerberinnen und Bewerber zum Studium regelte, um den Massenandrang an den Hochschulen besser zu bewältigen, ordnete die umgehende Schaffung eines „allgemeinen studentischen Hochschulausschusses“ an. Zugleich wurden dafür gewisse Rahmenrichtlinien formuliert: Die „Schaffung einer solchen, aus der Gesamtheit der Hochschule hervorgegangenen Interessenvertretung [erscheint] unumgänglich geboten“ und es sei „empfehlenswert“, „die Wahl dieses Ausschusses unter Zugrundelegung des gleichen, direkten Verhältniswahlrechtes bei Berücksichtigung einer Vertretung der als Gäste zu bezeichnenden fremdländischen Studierenden anzuordnen und dass als Wirkungskreis des Ausschusses im allgemeinen die Teilnahme an der Verwaltung studentischer Wohlfahrtseinrichtungen, die Mitwirkung bei Disziplinarverhandlungen gegen Studierende, die Vorbringung von Wünschen und Beschwerden in Studienangelegenheiten sowie Beratungen über allgemeine studentische Fragen in Aussicht zu nehmen wäre.“22 Zugleich wurde das Rektorat aufgefordert, Kontakt mit den

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The Student Law was developed in cooperation between the Rectorate, the Council of Professors of the TH in Vienna, and student representatives, in particular the German Student Union. Jewish, social democratic, and communist student representatives categorically but unsuccessfully rejected the “ethnic nationality” principle (which had been mapped into “nations” in 1923). The history of the Student Law also goes back to 1919. Probably responding to the self-organisation of university committees throughout 1918, and the growing influence of “völkisch-national” groups, the State Office of Education announced in a decree dated 12 February 1919 that it welcomed student involvement in the future organisation of the universities, however, not in the form of “student councils”. Another decree dated 7 April 1919, which mainly concerned improved admission modalities for national and foreign applicants in order to better cope with large numbers of applications, ordered the immediate creation of a “general university student committee”. At the same time, it formulated a framework: “The creation of a representation of the university as a whole [seems] to be absolutely essential”, going on to say that it was “advisable” to “order the election of such a committee on the basis of equal, directly proportional representation, including the representation of foreign students, who are to be described as guests, and that the activities of the committee in general should be the participation in disciplinary procedures against students, the submission of wishes and complaints in matters regarding studies, as well as for consultation on general student issues.”22 The Rectorate was requested at the same time to contact the students and to submit pertinent draft statutes within 14 days. Sitting Rector Zsigmondy welcomed the “irrefutable and timely demand to create a representative organ for all students”, and continued: “We can only unreservedly endorse the guidelines for the election of this committee as proposed by the State Office.”23 The deadline, however, proved too short. Although both the Council of Professors and the student representatives elaborated draft statutes, a joint consultation was not held until 13 June 1919. Its mem-

Studierenden aufzunehmen und binnen 14 Tagen einen entsprechenden Satzungsentwurf vorzulegen. Der damalige Rektor Zsigmondy begrüßte in seinem Antwortschreiben die „unabweisliche[.], zeitgemässe[.] Forderung der Schaffung einer aus der Gesamtheit der Studierenden hervorgegangenen Interessensvertretung“ und fuhr fort: „Den vom Staatsamte angegebenen Richtlinien bei der Wahl dieses Ausschusses kann h.  o. nur rückhaltlos zugestimmt werden.“23 Die zeitliche Vorgabe erwies sich allerdings als viel zu kurz. Zwar erarbeiteten sowohl das Professorenkollegium als auch die studentischen Richtungsvertretungen Satzungsentwürfe, zu einem gemeinsamen Beratungsgespräch kam es jedoch erst am 13. Juni 1919. Teilnehmer waren für die Hochschulleitung Josef Neuwirth, der auch den Entwurf für das Professorenkollegium verfasst hatte, sowie der Konzipist Christoph Bauer als Schriftführer, von Seiten der Studierenden für den Deutschen Burschenbund/Deutschnationale Studentenschaft die Hörer Kurt Rosche, Fritz Metzger und Franz Roth24, für den katholisch-deutschen Hochschulausschuss der spätere Bundeskanzler Julius Raab, damals Hörer des Bauingenieurwesens und aktiver Studentenfunktionär, für den Akademischen Verband jüdischer Sozialisten Poale Zion Herbert Weißmann und Paul Schiller, für die Sozialdemokratische Studentenund Akademiker-Vereinigung Robert Fodermayer und Ernst Hofmann und für die national-freiheitliche Studentenschaft Franz Nimmrichter und Hugo Wurzel. Das Sitzungsprotokoll vermittelt, obwohl als Beschlussprotokoll abgefasst, und obwohl es ausschließlich die Beiträge der studentischen Vertreter, nicht die Äußerungen von Neuwirth verzeichnet, doch einen Eindruck der Argumentationslinien und Kräfteverhältnisse. Als erste erhalten die Vertreter der deutsch-nationalen Studentenschaft Gelegenheit, ihren Entwurf zu erläutern: Er sieht eine Teilung in „akademische Vollbürger“ und solche mit minderem Status vor, wobei die „Vollbürgerschaft“ sich nach der jeweiligen deutschen „Volkszugehörigkeit“, ausdrücklich unabhängig von der Staatsbürgerschaft, bestimmen soll. Deutsche und nicht-deutsche Hörerinnen und Hörer sollen verschiedene Vertretungskörper erhalten, wobei den

bers were Josef Neuwirth for the university administration, who had also written the draft of the Council of Professors, clerk of the rector’s office Christoph Bauer as secretary, students Kurt Rosche, Fritz Metzger, and Franz Roth from the German Fraternity/German-national Student Union,24 Julius Raab for the Catholic-German University Committee, a civil engineering student and an active student leader at the time, who would later go on to become Chancellor of Austria, Herbert Weißmann and Paul Schiller for the Poale Zion Academic Association of Jewish Socialists, Robert Fodermayer and Ernst Hofmann for the Social-Democratic Students and Academics Association, and Franz Nimmrichter and Hugo Wurzel for the national-liberal students. The meeting protocol, although written as a minutes of voting decision and thus only recording the contributions of student representatives and not Neuwirth’s commentary, still offers insight into the overall lines of argumentation and power relations. First, German-national student representatives were allowed to explain their draft proposing a division of students into “full academic citizens” and those with reduced status, with “full citizenship” determined by “ethnic affiliation”, expressly regardless of national citizenship. German and non-German students were to have different bodies of representation, and non-German representatives (and irregular students) would have only a consulting role yet no voting rights. In addition, “German” students would have one seat for every 200 votes, the second group one seat for 400 votes, with the total number of seats for this group not to exceed 10 % of “German” student seats. “Ethnic affiliation” was to be determined in “an appropriate manner”, e.g. also by proof of membership in such associations that only accept German members according to their statutes (i.e., in plain language, those with an Aryan paragraph). These regulations were implicitly directed against Jewish students, a fact obvious to all those participating in the discussion. Julius Raab declared to “agree to the German Student Union’s proposal” for the Catholic-German group he represented, in particular to the limitation of seats for non-Germans.

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nicht-deutschen Vertretern (gemeinsam mit den außerordentlichen Studierenden!) nur ein beratendes Stimmrecht zukommen soll. Außerdem soll für die „deutschen“ Studierenden je ein Mandat auf 200 Wähler entfallen, für die zweite Gruppe dagegen auf je 400 Wähler, wobei insgesamt die Zahl der Mandate für diese nicht mehr als 10 % der Mandatszahl der „deutschen“ Studierenden betragen soll. Festzustellen sei die Volkszugehörigkeit „in geeigneter Weise“, z. B. auch durch Beleg der Mitgliedschaft in solchen Vereinigungen, die statutengemäß nur deutsche Mitglieder aufnehmen (d. h. im Klartext: solche mit Arierparagraphen). Diese Bestimmungen richteten sich implizit in erster Linie gegen jüdische Studierende, was allen Beteiligten an diesem Gespräch auch völlig klar war. Julius Raab erklärte sich für die von ihm vertretene katholisch-deutsche Gruppe „mit dem Vorschlag der D. N. St. einverstanden“, insbesondere auch mit der Mandatsbeschränkung für Nicht-Deutsche. Weißmann und Hofmann als Vertreter der jüdischen und sozialistischen Studierenden wenden sich vor allem gegen die unterschiedlichen Wahlrechte und fordern gleiches Wahlrecht für alle ordentlichen Hörer bzw. verwahren sich gegen Regelungen, die das Staatsgrundgesetz verletzen. Außerdem fordern beide einen gleichen Mandatsschlüssel für In- und Ausländer sowie die Einreihung in die Gruppe der voll Wahlberechtigten durch einfache Erklärung der „deutschen Volkszugehörigkeit“. Die Nationalfreiheitlichen fordern einen einheitlichen Schlüssel von 100  Stimmen je Mandat, sind aber mit einer Begrenzung der Mandatszahl für „Ausländer“ auf 10 % einverstanden. Der Satzungsentwurf, der schließlich vom Rektorat der TH in Wien im September 1919 dem Staatsamt für Unterricht zur Genehmigung vorgelegte wurde, kommt den Wünschen der Deutsch-nationalen und der katholischen Studentenschaft weit entgegen. Er sieht zwar nur einen Vertretungskörper vor, in dem es aber ordentliche und außerordentliche Mitglieder geben soll. Für die außerordentlichen Mitglieder ist nicht nur eine 10-%-Quote, sondern auch ein ungünstigerer Mandatsschlüssel vorgesehen (300 statt 200 Stimmen je Mandat). Außerdem wird als das für die Zuordnung

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Weißmann and Hofmann, representatives of the Jewish and Socialist students, were above all opposed to the unequal franchise, demanding equal representation for all regular students and strongly objecting to any regulations in violation of the national constitution. Both demanded the same distribution of seats for nationals and foreigners, and classification as a fully franchised voter by simple declaration of “German national affiliation”. The national-liberal group demanded a uniform key of 100 votes per seat, but agreed to a limitation of seats for “foreigners” to 10 %. The draft statutes that the Rectorate of the TH in Vienna finally submitted to the National Office of Education for approval in September 1919, however, largely met the demands of German-national and Catholic students, although it provided for a single body of representation encompassing both regular and irregular members. There was a quota of 10 % for irregular members, and it included a measure for an even less favourable key of 300 instead of 200 votes per seat. In addition, the decisive criterion for determining classification was defined as proof of “Heimatrecht” (right of residence) in German-Austria or in the German Reich, or affiliation to the “German nation”. Students whose right of residence in German-Austria was granted after 1 August 1914 (thus affecting those who opted for German-Austrian residency after the collapse of the Monarchy) were required to vote as irregular members. The Office of Education approved these statutes by decree on 13 September 1919, on several conditions. These included the provision that, instead of national affiliation, the basis for status determination be proof of German or Austrian citizenship or, in the case of national affiliation, other official documents, and that the provision regarding students opting for German-Austria be struck entirely. On 7 October, the Council of Professors appealed against the Office of Education’s amendments, and demanded – referring to the allegedly frequent falsification of Heimatrecht documents – the reconstitution of the original version. From university records it is not clear if the Education Office standards prevailed in the end; in any case, there is an – undated – printing proof for the Student

maßgebliche Kriterium der Nachweis des Heimatrechts in Deutschösterreich oder im Deutschen Reich bzw. der Zugehörigkeit zum „deutschen Volkstum“ definiert. Dabei müssen Studierende, deren Heimatberechtigung in Deutschösterreich nach dem 1. August 1914 erteilt wurde (das betrifft die Optanten nach dem Zerfall der Monarchie), in der Kategorie der außerordentlichen Mitglieder wählen. Mit Erlass des Unterrichtsamts vom 13. September 1919 wurde diese Satzung genehmigt mit der Auflage, u.  a. anstelle der Volkszugehörigkeit den Nachweis der deutschen oder österreichischen Staatsbürgerschaft bzw. zur Feststellung der Volkszugehörigkeit amtliche Dokumente zugrunde zu legen und die Bestimmung betreffend die Optanten gänzlich zu streichen. Am 7. Oktober erhob das Professorenkollegium Einspruch gegen die Änderungsvorschriften des Staats­ amts und verlangte – auch unter Hinweis auf angeblich häufige Fälschungen von Heimatscheinen – die Wiederherstellung der ursprünglichen Fassung. Es ist aus den Akten der Hochschule nicht klar ersichtlich, ob man sich hier nicht letztlich doch an die Vorgaben des Unterrichts­ amts gehalten hat; jedenfalls liegt eine – undatierte – Druckfahne für eine Satzung der Studentenschaft vor, in der dessen Anforderungen berücksichtigt sind. Da sich an anderen Hochschulen vergleichbare Vorgänge abspielten – so hatte die Universität Wien bereits im Juni 1919 einen Satzungsentwurf mit vergleichbarem Inhalt zur Genehmigung an das Unterrichtsamt übermittelt und mit den gleichen Abänderungsauflagen zurückgestellt bekommen25 –, wurden jedoch die für den 20. Oktober 1919 angesetzten Wahlen zu den Studentenvertretungen mit Erlass vom 18. Oktober 1919 von Seiten des Unterrichtsamts vorläufig verschoben.26 Dennoch fanden in der nächsten Zeit offenbar ohne Berücksichtigung des Unterrichtsamts Wahlen zu Studentenvertretungen statt. Am 19. November 1919 wurde an der Universität Wien ein „deutsch-arischer“ Hochschulausschuss, unter Ausschluss der sozialistischen, jüdischen und freiheitlichen Studierenden, gewählt. 1921 veranstaltete die Deutsche Studentenschaft an verschiedenen Hochschulen „Kammerwahlen“, deren Ergebnisse von

Abbildung 6: Unterschriften der studentischen Vertreter 1919, darunter auch die des späteren Bundeskanzlers Julius Raab. Figure 6: Signatures of all student representatives in 1919, among them that of the later Chancellor of Austria, julius Raab.

Union statutes in which all its requirements are fulfilled. Since comparable events took place at other universities – the University of Vienna, for instance, had already submitted draft statutes with similar content for approval to the Office of Education in June 1919, which had been returned with the same amendments25 and the student representative elections scheduled for 20 October 1919 temporarily postponed by a decree of the Office of Education dated 18 October 1919.26 Still, student representative elections seem to have taken place with no regard of the Office of Education decision shortly afterward. On 19 November 1919, the University of Vienna elected a “German-Aryan” student committee, excluding socialist, Jewish, and liberal students. In 1921, the German Student Union held “chamber elections” at various universities, the results

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den jeweiligen Rektoren offenbar anerkannt wurden.27 An der TH in Wien fanden sie am 3./4. Mai statt und erbrachten eine überwältigende Mehrheit für die völkisch-nationalen Gruppen. Daneben konstituierten sich auch die jüdischen und die sozialistischen Studierenden in Form von Hochschulausschüssen. Während die aus den von der Deutschen Studentenschaft organisierten Wahlen hervorgegangenen Vertretungen von Seiten der Rektoren de facto als Gesprächspartner akzeptiert wurden, so auch an der Wiener „Technik“, ist nicht ganz klar, inwieweit dies auch für die anderen Hochschulausschüsse galt. Aus einzelnen erhaltenen Dokumenten im Archiv der TU Wien lässt sich vermuten, dass hier zumindest bis 1923 das Rektorat auch mit ihnen Gespräche führte. Bewegung in die Sache kam dann in der Folge des Wiener Deutschen Hochschultags vom Januar 1923. Am 14. November 1923 überreichte die Deutsche Studentenschaft an der TH in Wien dem Professorenkollegium als Ergebnis einer am selben Tag abgehaltenen Vollversammlung eine Eingabe, in der es vorrangig um die Regelung von Studien- und Prüfungsangelegenheiten ging. Abschließend bot die Deutsche Studentenschaft darin mit beträchtlichem Selbstbewusstsein dem Professorenkollegium die Zusammenarbeit an, „da ja Professoren wie Studenten das gleiche Interesse haben“, kombiniert mit einer Drohung für den Fall, dass diese Zusammenarbeit verweigert würde: Die Deutsche Studentenschaft „würde sich auch bei Ablehnung dieses Wunsches nach Zusammenarbeit, der rein von ideellen Gesichtspunkten geleitet ist, nicht der Nachahmung eines bolschewistischen Rätesystems folgt, zu ihrem größten Bedauern in eine solche gegnerische Front (gegenüber dem Professorenkollegium, d. Verf.) gedrängt sehen. Als einen praktischen Vorschlag aber, gestattet sich die Deutsche Studentenschaft, beauftragt durch ihre Vollversammlung, den Entwurf eines ,Studentenrechtes‘ einzureichen mit der Bitte um eine ehebaldige zustimmende Erledigung im Erlasswege.“28 Der im Akt einliegende „Entwurf zu einer Verordnung des Akademischen Senates (Professorenkollegiums) einer Hochschule“, unterzeichnet vom Kreisleiter

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of which seem to have been recognised by the respective rectors.27 At the TH in Vienna, they were held on 3 and 4 of May and resulted in a landslide victory for the völkisch-national groups. Parallel to this, Jewish and socialist students were also organising into separate university committees. While the representatives elected by the German Student Union elections were de facto the accepted interlocutors of the rectors, at the Vienna TH, and elsewhere, it is unclear whether and how this was true for other university committees. Sparse records in the TU Archives indicate that the Rectorate also met with them, at least until 1923. The matter really got moving in the wake of the Viennese Deutsche Hochschultag (German University Assembly) in January 1923. On 14 November 1923, the German Student Union at the TH in Vienna submitted a petition to the Council of Professors that was the result of a general assembly that had been held that same day, mainly focusing on the regulation of studies and examination issues. In its conclusion, the German Student Union offered its cooperation to the Council of Professors, proof of its impressive confidence that “professors and students have the same interests” combined with the threat that, should said cooperation be refused, the German Student Union “which is motivated by purely idealistic motives and not an imitation of a Bolshevist system of councils, would see itself forced into opposition (authors’ note: to the Council of Professors) with the greatest regret. As a practical proposal, however, the German Student Union submits a draft of a “Student Law”, authorized by its general assembly, and asks for a speedy decision by decree.”28 The “Draft for the Regulation of the Academic Senate (Council of Professors) of a Hochschule”, signed by Paul Frank, District Chairman of the German Student Union, is the work of the Austria-wide German Student Union and seems to have been submitted at other Hochschulen in this form, too. At the TH in Vienna, the submission was referred to the Committee of Student Affairs (Chair: Prof. Hans Frisch) on 21 November 1923. Before

der Deutschen Studentenschaft, Paul Frank, stammt aus der Werkstatt der gesamtösterreichischen Deutschen Studentenschaft und dürfte in dieser Form auch an anderen Hochschulen eingereicht worden sein. An der TH in Wien wurde die Eingabe am 21. November 1923 an den „Ausschuss für studentische Angelegenheiten“ (Obmann: Prof. Hans Frisch) zur Berichterstattung verwiesen. Bevor der Ausschuss sich noch äußerte, nahm der Verband der sozialistischen Studenten- und Akademikerorganisationen am 27. März 1924 zur Frage des Studentenrechts Stellung und übermittelte dem Professorenkollegium gleichzeitig in Abschrift den Entwurf eines „Bundesgesetzes betreffend die Hochschülerausschüsse (Studentenkammern)“, der etwa zeitgleich von den Abgeordneten Leuthner, Glöckel und Genossen im Nationalrat eingebracht worden war.29 Der Gesetzes­ entwurf, der Kammerwahlen auf der Basis eines gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts vorsah, war zuvor vom Delegiertentag der sozialistischen Studenten gebilligt worden und sollte auch an der TH in Wien als „Grundlage weiterer Verhandlungen“ dienen. Wie noch zu zeigen sein wird, wurde offenbar vom damaligen Rektor, Prof. Halter, den Vertretern des sozialistischen wie des jüdischen Hochschulausschusses zugesagt, mit ihnen vor der Erlassung eines „Studentenrechts“ an der Hochschule Kontakt aufzunehmen. Tatsächlich nahm am 3. Juli 1924 der Ausschuss für studentische Angelegenheiten den vom Berichterstatter Emil Artmann vorgelegten Entwurf eines Studentenrechts für die TH in Wien einstimmig an. Anwesend waren außer Artmann noch die Professoren Saliger, Oerley, Urbanek und Frisch sowie der Kanzleidirektor Bauer.30 In der Sitzung des Professorenkollegiums wird unter TOP II dieser Entwurf von Artmann vorgelesen und, offenbar ohne Diskussion, einstimmig angenommen. Der Entwurf sah die Gliederung der Studentenschaft in „Nationen“ nach „Abstammung und Muttersprache“ vor, mit einer Mindestquote von 5 % Anteil an der Hörerschaft für die Bildung einer „Nation“. Der Begriff „Deutsche Studentenschaft“ wurde als Bezeichnung für die Angehörigen der „deutschen Nation“ normiert und dieser weitestge-

the committee had time to respond, the Association of Socialist Student and Academic Organisations delivered their opinion on the issue of Student Law on 27 March 1924, including a copy of a draft for the “Federal Law on Student Committees (Student Chambers),” which was proposed in parliament by MPs Leuthner, Glöckel, and comrades at roughly the same time.29 The proposed bill, which provided for chamber elections based on an egalitarian, secret, and direct ballot, had been approved by the Delegates’ Conference of Socialist Students, and aimed to serve as a “basis for further negotiations” at the TH in Vienna, too. As we shall demonstrate, Rector Prof. Halter seems to have promised to contact the socialist and Jewish committee representatives before passing a “Student Law” at the TH. In fact, on 3 July 1924, the Committee of Student Affairs unanimously passed the student law drafted for the TH in Vienna that had been submitted by Rapporteur Emil Artmann. In addition to Artmann, Chancellery Director Bauer and Professors Saliger, Oerley, Urbanek, and Frisch were present.30 The draft was read by Artmann at the Council of Professors’ meeting under Agenda Item II and passed, seemingly without further discussion. The draft provided for the division of students into “nations” according to “descent and mother tongue”, with a minimum quota of 5 % of students in order to form a nation. The term “German student body” was defined as designating members of the “German nation”, and the German Student Union was accorded far-reaching rights of representation for all students; all other nations, incidentally, were allowed only to speak for themselves. The classification in a “nation” was to be done according to records, in cases of doubt the relevant “nation” was to decide on the matter itself. (This meant de facto that Jewish students would be unable to classify themselves as part of the “German” nation.) In addition, a mandatory fee of 10,000 K per term was stipulated for all students. For the time being, this “Student Law” was to be valid for one year. On 25 July, Rector Halter sent this “report” to the Ministry of Education for its information, simultaneously re-

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hende Vertretungsrechte für die Gesamtheit der Studierenden eingeräumt, während die übrigen „Nationen“ nur für sich sprechen können sollten. Die Zurechnung zu einer „Nation“ sollte aufgrund der Eintragungen in den Nationalen erfolgen, in Zweifelsfällen sollte die jeweilige „Nation“ selbst über die Zurechnung entscheiden. (Dies bedeutete de facto die Unmöglichkeit für jüdische Studierende, sich selbst der „deutschen“ Nation zuzurechnen.) Außerdem wurde ein Zwangsbeitrag für alle Studierenden in Höhe von 10.000 K je Semester vorgeschrieben. Dieses „Studentenrecht“ sollte vorerst für ein Jahr gelten. Am 25. Juli übermittelte Rektor Halter diesen „Bericht“ zur Kenntnisnahme an das Unterrichtsministerium und erbat außerdem die Genehmigung für das Einheben des Zwangsbeitrags.31 Eine Reaktion des Unterrichtsministeriums ist – wie übrigens in ähnlichen Fällen an der Universität Wien und an anderen Hochschulen auch – nicht aktenkundig geworden. Dies war die Sachlage, als der Nachfolger Halters als Rektor, Rudolf Saliger, „am 22. d. M. [= September 1924, d. Verf.] bei Übernahme der Amtsgeschäfte die Verfügung [traf], dass der Betrag von 10.000 K obligatorisch eingehoben und das Studentenrecht angeschlagen wird.“32 Letzteres erfolgte am 24. September 1924. Diese Entscheidung fand sofort ein beträchtliches Presseecho: Vor allem die Arbeiterzeitung und die Neue Freie Presse, aber auch andere Blätter kommentierten die Erlassung eines so offen diskriminierenden Wahl- und Vertretungsrechts als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und als Triumph der „Hakenkreuzler“. Im Rektorat der Hochschule trafen in den nächsten Tagen auch Protestschreiben der sozialistischen, der jüdischen und der freiheitlichen Studentenvertretungen ein. Der Verband der sozialistischen Studenten Österreichs bedauerte, dass das Professorenkollegium, „entgegen einer ausdrücklich voriges Jahr gegebenen Zusage das Studentenrecht in Wirksamkeit treten liess, ohne sich vorerst mit den einzelnen Gruppen in Benehmen zu setzten.“ Die ausführliche inhaltliche Kritik wandte sich auch gegen den Zwangsbeitrag und stellte in Aussicht, dass sich die

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questing permission to levy the mandatory fee.31 There is no recorded response by the Ministry of Education – as, incidentally, is the case in similar circumstances at the University of Vienna and other universities. This was the situation when Rector Halter’s successor Rudolf Saliger “decreed when taking office on the 22nd [authors’ note: September 1924] that the mandatory amount of 10,000 K is to be levied and the Student Law to be posted”.32 The code was duly posted on 24 September 1924. The decision was met with a considerable echo in the press, particularly in the Arbeiterzeitung and the Neue Freie Presse, but other newspapers also commented on the holding of such a discriminatory election and the passing of the representation law as a breach of the principle of equality and a Nazi triumph. The TH Rectorate received protest letters from socialist, Jewish, and liberal student representatives in the days that followed. The Association of Socialist Students in Austria regretted that the Council of Professors acted “contrary to their explicit promise of last year that it would not allow the Student Law to pass without first coming to an agreement with all the diverse groups”. Its comprehensive criticism of content included opposition to the mandatory fee, and promised that socialist students would “under no circumstances participate in elections based on this decree”. On the same day, six representatives for the German-liberal students (“Budowisa, etc.”) presented themselves at Rector Saliger’s office “about the matter of the student law and inauguration. In the course of the discussion, one representative threatened terror and violence”.33 The 1924–25 inauguration ceremony was scheduled for 25 October. The German-democratic Academic Students Association’s protest note, dated 28 September, primarily emphasises the violation of the constitutional principle of equality, and the Jewish Academic Committee’s comment from 1 October likewise expresses its frustration that the decree had been issued “contrary to His Magnificence’s promise in the summer term not to issue a decree without first informing the Jewish students”. There is therefore no doubt that Saliger bypassed the “minority

sozialistischen Studierenden „unter keinen Umständen an einer durch den Erlass zustande gekommenen Wahl beteiligen werden.“ Am gleichen Tag wurden sechs Vertreter der deutsch-freiheitlichen Studenten („Budowisa etc.“) bei Saliger vorstellig „wegen Studentenrecht und Inauguration. Im Verlauf des Gesprächs von einem Vertreter die Drohung mit Terror und Gewalttat“.33 Die Inaugurationsfeier für das Studienjahr 1924/25 war für den 25. Oktober angesetzt. Die Protestnote der deutsch-demokratischen Hochschülervereinigung vom 28. September weist vor allem auf den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung hin und die Stellungnahme des Jüdischen Hochschulausschusses vom 1. Oktober äußert ebenfalls Enttäuschung darüber, dass „entgegen der Zusicherung Sr. Magnifizenz im Sommersemester, keinen Erlass ohne die vorherige Verständigung der jüdischen Studentenschaft zu publizieren“, die Kundmachung erfolgt sei. Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, dass Saliger mit seiner Entscheidung die „Minderheitsfraktionen“ der Studentenschaft übergangen hat. Nicht klären ließ sich bisher, ob dies bewusst erfolgte, oder ob er von den Zusagen Halters keine Kenntnis hatte. Die eingegangenen Protestschreiben wurden am 27. Oktober 1924 an den Vorsitzenden des Ausschusses für studentische Angelegenheiten, Frisch, übergeben; er erstattete am 5. November im Professorenkollegium Bericht und beantragte, vorerst keine Änderungen an dem Wortlaut des Studentenrechts vorzunehmen.34 Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Am 8. November wurde den betreffenden Hochschulausschüssen ein Antwortschreiben des Rektors übermittelt, worin er die getroffene Regelung als einen „ersten Versuch“, dieser schwierigen Materie näherzutreten, verteidigte und eventuelle Abänderungen von zukünftigen Erfahrungen mit der Handhabung abhängig machte. Wenige Tage später, am 13. November, reichte der Rechtsanwalt Dr. Robert Lazarsfeld im Namen von 40 (jüdischen) Hörern der TH in Wien eine Forderung ein, den bei der Inskription zwangsweise eingehobenen „Organisationsbeitrag“ von 10.000 K zurückzuzahlen, da diese

factions” with his decision. It has not been so far possible to clarify whether he did so consciously, or if he had been unaware of Halter’s promises. The letters of protest were delivered to the Chair of the Committee of Student Affairs, Prof. Frisch, on 27 October 1924. He duly reported to the Council of Professors on 5 November and moved to not change the wording of the Student Law for the time being,34 a motion that was unanimously passed. On 8 November, the concerned academic committees received a response from the Rector in defence of the regulation as an “initial attempt” to approach a difficult matter and stating that possible amendments would depend on future experiences with its application. A few days later, on 13 November, the lawyer Dr. Robert Lazarsfeld submitted a demand for a refund of the 10,000 K “organisational fee” levied at inscription in the name of 40 (Jewish) TH in Vienna students, arguing that they did not feel represented by the German Student Union, and threatening legal action in case of a refusal. The students were granted a refund from university funds in December 1924.35 The passing of the Student Law at the TH in Vienna is closely linked to the person of Rector Saliger, both in contemporary reactions and through research. There is no doubt that he was the person who decided for its enactment in autumn 1924, and as a member of the Consultation Committee, he very likely also participated in drafting it. His political views had always been “German-national”, and he surely lent a sympathetic ear to the ideas of the German Student Union (he later became a member of the NSDAP). However, we may not overlook the fact that all decisions taken by the Council of Professors in this matter were unanimously passed, according to the meeting minutes. In any case, it is interesting that Saliger felt compelled to publicly justify his actions. On 26 September 1924, only two days after Student Code was published, he released a press statement attempting to explain the reasons for his steps. He stated that the situation was difficult for the university administration as it did not have one single interlocutor for stu-

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sich von der Deutschen Studentenschaft nicht vertreten fühlten, und drohte im Falle der Verweigerung mit einer Klage. Den betreffenden Hörern wurde eine Rückzahlung an der Universitätskassa im Dezember 1924 zugebilligt.35 Die Erlassung des „Studentenrechts“ an der TH in Wien wird sowohl in den zeitgenössischen Reaktionen als auch in der wissenschaftlichen Literatur mit der Person des Rektors Saliger verknüpft. Zweifellos war er derjenige, der im Herbst 1924 dessen Inkraftsetzung entschieden hat, und als Mitglied des Beratungsausschusses hat er wohl auch an seiner Formulierung mitgewirkt. Seinen politischen Ansichten nach war er immer „deutsch-national“ eingestellt und hat mit Sicherheit mit den Vorstellungen der Deutschen Studentenschaft sympathisiert (später sollte er auch Parteimitglied der NSDAP werden). Andererseits sollte nicht übersehen werden, dass sämtliche in dieser Causa vom Professorenkollegium der TH in Wien gefassten Beschlüsse nach den Protokollen einstimmig gefasst wurden. Bemerkenswert erscheint jedenfalls, dass sich Saliger zu einer öffentlichen Rechtfertigung seines Handelns veranlasst sah. Schon am 26. September 1924, zwei Tage nach der Kundmachung des Studentenrechts, verfasste er eine Pressenotiz, in der er die Gründe für seinen Schritt zu erläutern versuchte: Die Situation sei für die Hochschulverwaltung bisher unerfreulich gewesen, da es keinen einheitlichen Ansprechpartner in der Studentenschaft gegeben habe, sondern verschiedene Gruppen mit in wesentlichen Punkten völlig unversöhnlichen Standpunkten. „Gegen die akademischen Behörden wurde in- und ausserhalb der Hochschule zuweilen der Vorwurf der Parteilichkeit erhoben, wenn sie mit der Kammer als Vertreterin der Studentenschaft Verkehr pflegten, ohne gleichzeitig auch mit allen anderen Gruppen ins Einvernehmen zu treten. Die akademischen Behörden empfanden solche Vorwürfe stets als sehr peinlich, zudem dies häufig mit Erwägungen der Parteipolitik oder Weltanschauung verquickt waren.“36 Diese Ansicht sollte man nicht von vornherein als „Propagandalüge“ abtun, spiegelt sie doch auch die sehr reale Unfähigkeit insbesondere der aka-

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dents, but instead several different groups whose views were completely and essentially irreconcilable. “Both within and without the TH, the academic authorities were sometimes accused of partiality when dealing with the chamber as a student representative without coming to an agreement with all other groups at the same time. The academic authorities always felt such accusations deeply, the more as this was often linked to considerations of party politics or ideology.”36 This view should not be summarily dismissed as a “propagandistic lie”, as it reflects the very real inability of academic teachers in particular to credibly live up to the fiction of an “apolitical science” in a highly politicised era, or to abandon it as inadequate. Saliger presents the division into nations as “natural” on the one hand, and on the other as being the only possible solution based on experience in order to guarantee the orderly coexistence of different groups at the TH. The Council of Professors had provided the framework for the students: “These will now be responsible to fill the given framework with good content, benefitting all students and promoting peace at the TH.” What might be the reasons for this justification? On the one hand, the media storm of protest seems to have taken its toll (it is characteristic that even in 1938, after the “Upheaval”, Saliger still remembered with some bitterness how he had been abused as a “Nazi rector” in 192437). On the other hand, we cannot exclude that he (and some of his colleagues as well) really thought that this arrangement would achieve something that seems to have been a real concern of the Council of Professors, and which he repeatedly addresses in his justification: the re-establishment of reasonably peaceful conditions at the TH, thus allowing teaching to proceed in an orderly manner. It is not only the threat of riots during his inauguration ceremony, noted a day before, that would make this proposition plausible. The years since 1918 had been characterised by student demonstrations and violence between student groups, at the TH and elsewhere. In particular in 1923, there is already evidence of brutal heckling by völkisch groups and by National So-

demischen Lehrer wider, die Fiktion einer „unpolitischen Wissenschaft“ in einer hoch politisierten Zeit entweder glaubwürdig zu leben oder als inadäquat aufzugeben. Die Gliederung nach Nationen wird von Saliger als einerseits „natürliche“, andererseits nach den bisherigen Erfahrungen als einzig mögliche Lösung hingestellt, um ein geordnetes Miteinander der verschiedenen Gruppen an der Hochschule zu gewährleisten. Das Professorenkollegium habe den Rahmen für die Studierenden vorgegeben: „An diesen wird es liegen, die gegebene Form mit gutem Inhalt zu füllen, zum Wohle aller Studenten und des Friedens an der Hochschule.“ Was könnten die Gründe für diese Rechtfertigung gewesen sein? Einerseits dürfte der mediale Proteststurm Wirkung gezeigt haben (es ist bezeichnend, dass sich Saliger noch 1938, nach dem „Umbruch“, in einer Rede mit einer gewissen Verbitterung daran erinnerte, wie er 1924 von allen Seiten als „Hakenkreuzrektor“ beschimpft worden sei37). Andererseits ist nicht auszuschließen, dass er (und mit ihm manche seiner Kollegen) möglicherweise selbst glaubte, mit der getroffenen Regelung das zu erreichen, was wohl tatsächlich ein Anliegen des Professorenkollegiums gewesen war und was er auch in seinem Rechtfertigungsartikel wiederholt angesprochen hatte: die Wiederherstellung einigermaßen friedlicher Zustände an der Hochschule, die eine geordnete Durchführung des Lehrbetriebs erlauben würden. Nicht nur die von ihm notierte Drohung vom Vortag mit Unruhen während seiner Inaugurationsfeier würde dies plausibel machen. Die Jahre seit 1918 waren geprägt gewesen von studentischen Demonstrationen und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den studentischen Gruppierungen, auch an der „Technik“, und gerade für das Jahr 1923 finden sich hier vermehrt Hinweise auf brutale Störaktionen völkischer und auch schon nationalsozialistischer Gruppen, die sozialistische und jüdische Kommilitonen nicht nur auf und vor dem Gelände der Hochschule verprügelten, sondern sie zu diesem Zweck sogar aus den Vorlesungen heraus holten.38 Solche Aktionen wurden mit Sicherheit auch von den ansonsten in ihrer Mehrheit „national“ eingestellten Professoren der

Abbildung 7: Rückforderung des „Organisationsbeitrags“ durch den Rechtsanwalt Dr. Lazarsfeld. Figure 7: Demand of lawyer Dr. Lazarsfeld for a refund of the “organisational fee”.

cialists, who not only beat up socialist and Jewish fellow students both on and off the TH premises, but actually pulled them out lectures in order to do so.38 Such activities were surely not to the taste of the professors at the TH in Vienna, even though most did have “national” inclinations. At any rate, the wish for things to calm down is comprehensible. It is equally obvious, however, that the “solution” he found, with its blend of nationalism, antisemitism, and a highly deficient understanding of democracy, would not work, and that Saliger’s paternalistic attitude was not suited to “modern times”. However, regarding the culpability for passing a Student Law for the TH in Vienna that was based on unlawful premises,

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TH in Wien nicht goutiert. Dass es hier einen Wunsch nach Ruhe gab, ist immerhin nachvollziehbar. Ebenso klar ist allerdings, dass die gefundene „Lösung“ mit ihrer Mischung aus Nationalismus, Antisemitismus und einem höchst defizitären Demokratieverständnis keine sein konnte, und dass Saligers paternalistische Attitüde dem sich ankündigenden Geist der „neuen Zeit“ nicht adäquat war. Die Verantwortung für die Erlassung eines auf gesetzwidriger Grundlage agierenden „Studentenrechts“ für die TH in Wien ist aber wohl dem gesamten Professorenkollegium zuzuweisen. Allerdings verdient auch das Verhalten des Unterrichtsministeriums in diesem Zusammenhang Berücksichtigung: Durch seine ausbleibende Reaktion auf die eingereichten Studentenrechts-Entwürfe gleich mehrerer Hochschulen, die alle in der gleichen Weise gegen den Gleichheitsgrundsatz verstießen, mag es zwar formal im Recht gewesen sein, da es, wie Höflechner argumentiert hat, damals noch „keine Grundlage für die nicht vereinsrechtliche Bildung von Körperschaften“ gegeben habe;39 zugleich hat es de facto auf politische Gestaltung verzichtet und so den Hochschulen erst jenen Spielraum eröffnet, den die Studentenschaft und Rektoren wie Saliger dann in ihrem Sinne ausnutzen konnten. Dass es dafür durchaus Alternativen gab, zeigen frühere Beispiele: So hatte Otto Glöckel seinerzeit die ersten Satzungsentwürfe für eine verfasste Studentenschaft als nicht verfassungskonform zurückgewiesen und selbst der (auch damals schon im Amt befindliche) Unterrichtsminister Schneider hatte noch 1923 (allerdings offenbar unter außenpolitischem Druck) Vorschläge für einen Numerus clausus mit entsprechenden Auflagen hinsichtlich gesetzwidriger Bestimmungen retourniert. Die Erlassung des Studentenrechts an der TH in Wien hatte Vorbildwirkung. Noch im gleichen Jahr führte die Hochschule für Bodenkultur eine ähnliche Regelung ein, die Universität Wien folgte erst 1930 mit einem vergleichbaren „Studentenrecht“, das dann allerdings 1931 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.

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all members of the Council of Professors must be called to account. Still, the behaviour of the Ministry of Education in this context also needs to be taken into account. It remained silent on the submitted student law drafts of more than one university, all of which violated the principle of equality in the same way. It may have been formally correct, because, as Höflechner argued at the time, there “was no basis for the formation of corporations contrary to the law of association”,39 but at the same time, the ministry de facto refused to take political action thus allowing the universities the freedom that the Student Union and rectors like Saliger were able to use as they saw fit. Two examples demonstrate that the ministry would indeed have had other options: Otto Glöckel had previously rejected the initial draft statutes for the constitution of a student union as unconstitutional, and even Education Minister Schneider (still in office at the time) had returned proposals for a numerus clausus with significant amendments of illegal provisions as late as 1923 (though seemingly under pressure from abroad). The enactment of the Student Law at the TH in Vienna set an example. In the same year, the College of Natural Resources introduced similar regulations; the University of Vienna followed suit with a comparable “Student Code” in 1930, which was suspended by the constitutional court in 1931.

Anmerkungen/Notes 1 Zur Geschichte der Studierenden in Österreich in der Zwischenkriegszeit vgl. u. a. Helge Zoitl, „Student kommt von Studieren!“ Zur Geschichte der sozialdemokratischen Studentenbewegung in Wien, Wien/Zürich 1992; Erich Witzmann, Der Anteil der Wiener waffenstudentischen Verbindungen an der völkischen und politischen Entwicklung 1918–1938, phil. Diss. Wien 1940; für die Universität Innsbruck vgl. Michael Gehler, Student und Politik. Der Kampf um die Vorherrschaft an der Universität Innsbruck 1918–1938, Innsbruck 1990. Die jüdischen Studentenvereinigungen behandelt u. a. Harald Seewann, Zirkel und Zionisten, Graz 1990. Für die TU Wien vgl. Paulus Ebner/Juliane Mikoletzky, Vom Studentencomité zur HTU. Zur Geschichte der Studierenden an der Technischen Universität Wien und ihren Vorgängerinstitutionen (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien, Heft 9), Wien 2006. 2 Vgl. Zoitl, Sozialistische Studenten, 184. 3 Vgl. dazu und zur Geschichte der sozialistischen Studenten in der Ersten Republik allgemein Zoitl, Sozialistische Studenten. 4 Witzmann, Waffenstudenten, 133. 5 Vgl. AT TUWA, Sonderlegung Vereine, Mappe NS-Studentengruppe Technische Hochschule Wien. 6 Zoitl, Sozialistische Studenten, 185. 7 Witzmann, Waffenstudenten, 39. 8 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 25–1923/24. 9 Zu den Vorfällen um Steinherz vgl. Zoitl, Sozialistische Studenten, 375ff.; Höflechner, Baumeister, 320ff.; Gerhard Oberkofler, Samuel Steinherz (1857–1942). Biographische Skizze zu einem altösterreichischen Juden in Prag, Innsbruck/Wien/Bozen 2008. 10 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 752–1922/23, Schreiben der Deutschen Studentenschaft vom 27. 11. 1922. 11 Vgl. Höflechner, Baumeister, 320. 12 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 752–1922/23, Beantwortungsentwurf Emil Artmann vom 11. 1. 1923. 13 AT TUWA, Sitzungsprotokoll des Professorenkollegiums vom 15.1.1923. 14 Ebd., Sitzungsprotokoll des Professorenkollegiums vom 21.2.1923, TOP 2. 15 Vgl. Höflechner, Baumeister, 321. 16 AT TUWA Rektoratsakten, RZl. 752–1922/23, Kundmachung (Entwurf). 17 Vgl. AT TUWA, Ehrendoktorate, Mappe Siegfried Popper, Schreiben Poppers an das Rektorat der TH in Wien vom 11. März 1923. 18 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2482–1929/20, darin Schreiben der Deutschen Studentenschaft der TH in Wien vom 23. März 1923 an das Professorenkollegium. 19 Ebd., RZl.1988–22/23: Schreiben des BMU an das Rektorat der TH in Wien vom 9. Mai 1923. 20 Zum Studentenrecht vgl. u. a. Brigitte (Lichtenberger-)Fenz, Volksbürgerschaft und Staatsbürgerschaft. Das Studentenrecht in Österreich 1918–1932, phil. Diss. Wien 1977; gedruckt u. d. T: „Deutscher Abstammung und Muttersprache“. Österreichische Hochschulpolitik in der Ersten Republik, Wien/Salzburg 1990. 21 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1783–1918/19. 22 Ebd., Konzept, undatiert. 23 Vgl. ebd., Protokoll der Beratungen vom 13.6.1919. 24 Der Deutsche Burschenbund hatte sich am 16. 11. 1918 als Aktionsgemeinschaft der „völkischen“ Gruppen konstituiert, vgl. Witzmann, Waffenstudenten, 24f. ; Zoitl, Sozialistische Studenten, 147. Laut Witzmann, 134 und 50 hatte er am 14. 6. 1919, also am Tag nach der hier besprochenen Unterredung, eine Einheitsfront mit den katholisch-deutschen Studenten gebildet. 25 Vgl. Höflechner, Baumeister, 294ff.; Fenz, Studentenrecht, 34–45. 26 Vgl. AT TUWA, RZl. 375-1919/20; Protokollbuch (Originalakt nicht auffindbar). 27 Zoitl, Sozialistische Studenten, 247, 284. 28 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 990–1923/23. 29 AT TUWA, Rektoratsakten RZl. 2364–1923/24. Laut einem handschriftlichen Vermerk wurde der Antrag mit der Nr. 126/A am 18.7.1924 dem Ausschuss für Erziehung und Unterricht zugewiesen und dort zumindest bis zum 26.9.1924 „nicht erledigt“. 30 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 3350–1923/24, Aktennotiz. 31 Ebd., Konzept auf dem Umschlagbogen, S. 1r. Anders als bei Höflechner, Baumeister, 340, vermerkt, hat also auch die TH in Wien beim Ministerium um eine Bestätigung des Studentenrechts angesucht. 32 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 3350–23/24, Aktennotiz auf dem Umschlagbogen. 33 Ebd., handschriftliche Notiz Saligers vom 25. 09. 1924. 34 AT TUWA, Sitzungsprotokoll des Professorenkollegiums vom 5. 11. 1924, TOP 10. 35 AT TUWA, Rektoratsakten, bei RZl 1854–25/26. 36 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 40–1924/25. 37 Vgl. Inaugurationsbericht 1938, 66. 38 Vgl. etwa TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1402–1922/23 betreffend eine Aktion von Mitgliedern der „Kammer“ der Deutschen Studenten-

Politik und Hochschulautonomie: Lehrende und Studierende 1918–1925  | 113

schaft am 05. 03.1923, die jüdische Hörer aus einer Konstruktionsübung heraus zum Verlassen des „akademischen Bodens“ aufforderten; aus den erhaltenen Akten geht hervor, dass dies nicht der einzige Zwischenfall dieser Art um diese Zeit war. 39 Höflechner, Baumeister, 340.

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Paulus Ebner

IDEOLOGISCHE GRÄBEN: STUDENTISCHE POLITIK 1925–1933 IDEOLOGICAL RIFTS: STUDENT POLITICS 1925–1933 Unter den Bedingungen des 1924 erlassenen Stu­ dentenrechts verschärfte sich die Polarisierung unter den Studierenden weiter. Die Deutsche Stu­ dentenschaft festigte ihre privilegierte Position durch ein breites Angebot an Dienstleistungen und Service-Einrichtungen und zog damit einen großen Teil der Studierenden auf ihre Seite. Die außerhalb der Deutschen Studentenschaft stehenden sozialis­ tischen Studenten etablierten in schroffer Opposi­ tion dazu parallele Strukturen. Bei den immer wie­ derkehrenden, von nationaler Seite provozierten Gewalttätigkeiten waren auch an der TH in Wien vor allem jüdische Studierende das Ziel von Atta­ cken. Die Deutsche Studentenschaft an der TH in Wien – Service und Rassismus Seit ihrer Etablierung als offizielle Studentenvertretung war die Deutsche Studentenschaft an allen Universitäten bemüht, eine breite Palette an Dienstleistungen und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung anzubieten. Gegliedert war sie dazu in sogenannte Ämter. An der TH in Wien bestanden ein Innenamt, ein Bildungsamt, ein Amt für Leibesübungen und ein Wirtschaftsamt.1 Das Letztere war wohl das wichtigste – es koordinierte u. a. soziale Dienste, wie das Wohnungsamt und das Amt für Nebenerwerb, aber auch eine Druckereistelle, ja sogar eine Wechselstube wurden betrieben. Gesundheit und Körperpflege wurden mit der Akademischen Krankenhilfsstelle, der Bekleidungsstelle und der Friseurstube gefördert. Das Bildungsamt unterstützte mit einer Bücherei und einer Lehrmittelstelle das Studium direkt. Auch Einrichtungen, die Ferialpraxis und Arbeitsplätze im Ausland organisierten, wie der Österreichischen Fe-

Under the terms of the Student Law passed in 1924, the polarisation between students contin­ ued to deepen. The German Student Union consol­ idated its privileged position by providing a broad range of services and service institutions, thereby gaining the support of a majority of students. The socialist students, who were not part of the Ger­ man Student Union, established sharply opposed parallel structures. In the recurring violence pro­ voked by the nationalist camp, it was mainly Jew­ ish students who were targeted in attacks that took place at the TH in Vienna and elsewhere. The German Student Union at the TH in Vienna – Service and Racism After being established as the official student representative, the German Student Union aimed to offer a broad range of different services and leisure activities at all universities. To this end, it was organised into so-called Ämter (departments). At the TH in Vienna, there were an Internal Affairs Department, an Education Department, a Department of Sports, and an Economic Affairs Department.1 The latter was probably the most important one – amongst other tasks, it coordinated social services provided by the Housing Department and the Department of Supplementary Income, but also a printing service and even a currency exchange. Health and hygiene were promoted by the Academic Health Care Office, the Clothing Centre, and a barbershop. The Education Department supported studies directly, with a library and a textbook collection. Institutions organising holiday internships and jobs abroad, for instance the Österreichi­ sche Ferialtechnikerdienst (Austrian Technicians’ Holiday Internship Service) and the Amerika-Werkstudenten­

Ideologische Gräben: Studentische Politik 1925–1933Ideologische Gräben: Studentische Politik 1925–1933  | 115

rialtechnikerdienst und der Amerika-Werkstudentendienst, förderten die Bindung der Studierenden an die Deutsche Studentenschaft. Viele weitere Angebote sollten vor allem Freizeitaktivitäten der Studierenden ermöglichen und erleichtern, wie zum Beispiel die Kunststelle, die verbilligte Theaterkarten vermittelte, die „Fotostube“ oder der Kraftfahrdienst, dessen Angebot aus Autofahrkursen, einer Autovermietung, diversen Versicherungen und bedeutend verbilligtem Benzin bestand. Ein ganz wesentlicher Aspekt der Arbeit der Deutschen Studentenschaft war das breit gefächerte Sportund Kulturangebot, das vom Amt für Leibesübungen organisiert und in den acht Jahren seines Bestehens laufend ausgebaut wurde. Skikurse und Möglichkeiten zu günstigen Ferienarrangements in Wintersportdestinationen wurden genauso angeboten wie Studentenferienlager, die zur allgemeinen körperlichen Ertüchtigung dienten. Die Aufladung von Sport mit deutschnationaler Ideologie war von Anfang an gegeben. In den frühen 1930er Jahren traten die ideologischen Ziele jedoch immer deutlicher zutage. Spätestens 1932 machte das Amt für Leibesübungen kein Hehl aus seinen wahren Zielen: „[D]a wir inmitten schwerster Kämpfe stehen, ruht unsere letzte Hoffnung auf dem zusammengeballten Lebenswillen unseres Volkes, sich rücksichtslos und kraftvoll zu behaupten und in entscheidender Stunde zum Angriff überzugehen. […] Selbsterziehung, Wehrhaftmachung, Willensstählung, getragen von einem widerstandsfähigen, gesunden Körper, müssen das Ziel unserer akademischen Jugend sein!“2 In diesem Sinne bot die Deutsche Studentenschaft auch Ferienarbeitslager an,3 die stets mit politischen Zielen wie „Grenzlandarbeit“ verbunden waren.4 Das letzte große Projekt der Deutschen Studentenschaft, die Abhaltung von „Wehrlagern“ in den Sommerferien, konnte nicht mehr realisiert werden; ihre Auflösung kam diesen Plänen zuvor. Auch bei den kulturellen Veranstaltungen lässt sich eine immer stärker werdende Ideologisierung feststel-

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dienst (American Student Trainee Service) helped bind the students to the German Student Union even more. Many more offers provided mainly leisure activities to the students, for example the Cultural Service, which procured theatre tickets at a discount, the “Photography Point”, or the Motor Traffic Service, which offered driving lessons, a car rental, and a number of different insurance options along with discount petrol. A key aspect of the German Student Union’s work was the broad range of sports and culture activities, organised by the Department of Sports and continuously expanded over the eight years of its existence. Skiing courses and offers of cheap vacation arrangements in winter sports destinations were offered as well as student summer camps for physical training. The infusion of sports with German-National ideology was a given from the start. In the early 1930s, however, its ideological goals became ever more apparent. By 1932 at the latest, the Department of Sports ceased to conceal its true aims: “[A]s we are in the midst of tough battles, our last hope is the vitality of the masses of our people, and its will to stand its ground forcefully and ruthlessly, and to attack at the decisive hour. […] Self-education, resilience, steeling of the will, all are sustained by a robust, healthy body and must be our academic youth’s goals!”2 With this in mind, the German Student Union also offered summer camps,3 always linked to political goals such as “borderland work”.4 The last great project of the German Student Union, the organisation of “defence camps” during the summer holidays, could not be realised; its dissolution forestalled these plans. This increasingly pervasive ideologisation can also be seen in cultural events. The slideshows and film nights organised by the Movie Point were at first dominated by expert talks, but in later years, the number of events with clearly militarist and imperialist content grew.5 The programming of the events had strikingly close connections to Austrian, and sometimes German, big industries. There was a particular emphasis on the involvement of dignitaries from academic life as well as business.

len. In den von der Lichtbildstelle angebotenen Dia- und Filmabenden dominierten zunächst die Fachvorträge, in späteren Jahren finden sich jedoch immer mehr Veranstaltungen eindeutig militaristischen und imperialistischen Inhalts.5 Bei der Programmierung der Veranstaltungen ist eine enge Verbindung zur österreichischen und zum Teil auch zur deutschen Großindustrie auffallend. Besonderer Wert wurde auf die Einbindung von Honoratioren aus Wissenschaft und Wirtschaft gelegt. Trotz der erkennbaren inhaltlichen Radikalisierung der politischen Linie durch den wachsenden Einfluss des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) ab 1931 wurde explizite Parteipolitik weitgehend vermieden, da die Deutsche Studentenschaft den immer schwieriger werdenden Spagat zwischen der deutschnationalen und der katholischen Richtung bewältigen musste. Festzuhalten ist aber, dass große Unternehmungen wie Voith, Böhler, Perlmooser, ja sogar Julius Meinl nichts dabei fanden, im Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft neben dem Völkischen Beobachter oder dem Kampfruf, dem Wochenblatt der Wiener Nationalsozialisten, zu inserieren.6 Inserate von Parteizeitungen anderer politischer Richtungen als der nationalsozialistischen gab es im Jahrbuch nicht. Da jüdische Studierende der Deutschen Studentenschaft nicht beitreten konnten und nicht-jüdische, sozialistische und liberale Hörer sie wegen ihrer rassistischen Konzeption boykottierten, fanden die Kammerwahlen immer nur in einem engen ideologischen Rahmen statt, nämlich zwischen deutschnationalen Listen, die manchmal getrennt, manchmal gemeinsam antraten, und einer katholisch-deutschen Liste. Parteilisten waren – gemäß der Fiktion der unpolitischen Ausrichtung der Deutschen Studentenschaft – zunächst nicht zugelassen, deshalb sahen sich die nationalsozialistischen Studierenden zu Kandidaturen unter wechselnden Listennamen veranlasst, zumeist mit den Adjektiven „völkisch“ und „sozial“ versehen. Bei den Wahlen zur Deutschen Studentenschaft vor 1925, also vor ihrer Anerkennung als offizielle Studierendenvertretung, traten jeweils eine Liste der deutschnationalen Verbindungen

Abb. 1: Autos des Kraftfahrdienstes der TH in Wien (Mietwagen). Figure 1: Motor Traffic Service cars at the TH in Vienna (rental cars).

In spite of the visible radicalisation of its political line, caused by the growing influence of the National-Socialist German Students’ League (NSDStB) as of 1931, explicit party politics was avoided for the most part, as the German Student Union had to manage an increasingly difficult balancing act between its German-National and Catholic wings. In any case, however, big businesses like Voith, Böhler, Perlmooser, and even Julius Meinl, did not hesitate to place their adverts in the Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft (German Student Union yearbook) next to those of the Völkischer Beobachter or the Kampfruf, the Vienna National Socialists’ weekly.6 It featured no adverts of party newspapers besides the National Socialist ones. As Jewish students were excluded from membership in the German Student Union, and non-Jewish socialist and liberal students boycotted it because of its underlying racist concept, chamber elections always took place within a narrow ideological framework, i.e. between German-national lists, which were sometimes up for election separately, sometimes united, and one Catholic-German list. Party lists were at first not eligible for election – because of the tale of the non-political orientation of the German Student Union – therefore, the National Social-

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Tabelle 1: Ergebnisse der „Kammerwahlen“ der Studentenschaft an der TH in Wien 1921–1831 (Zahl der Mandate)/Table 1: Results of the “Chamber elections” of the Student Union at the TH in Vienna, 1921– 1931 (number of seats)8 Jahr Year

Katholisch-deutsche ­Liste/Catholic-German

Völkische Front, ­völkischer Block

NSDStB NSDStB

Mandate insgesamt Total seats

1927

5

20

*

25

1929

6

19

*

25

1931

5

 8

12

25

Anm.: * = nicht angetreten; Comment: * = no candidature

und eine der „Finken“, der Nicht-Korporierten, an. Diese Listen der nicht farbentragenden Studenten standen den Couleurstudenten in puncto Nationalismus und Antisemitismus um nichts nach. Im Gegenteil, bei den frühen Kammerwahlen waren deklarierte Nationalsozialisten eher auf den „Finken-Listen“ als bei den Waffenstudenten zu finden. Die Aussöhnung der Nationalsozialisten mit den sich als elitär verstehenden schlagenden Verbindungen ist erst ein Produkt der späten 1920er Jahre.7 Auf der Grundlage des Studentenrechts wurden die Kammerwahlen von 1927 bis 1931 durchgeführt. Die erhaltenen Wahlergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. Es waren jeweils nur zwei oder drei Listen vertreten: die „deutsch-völkische“ (1931 in zwei Listen aufgespalten) und die „katholisch-deutsche“ Liste. Das nationale Lager erreichte bei allen Kammerwahlen jeweils ca. 75– 80 % der Stimmen bzw. 19 oder 20 der 25 Mandate. Das katholische Lager kam bei den Wahlen immer auf ca. ein Fünftel der Stimmen und auf 5 oder 6 Mandate. Damit stellten die deutschnationalen Studenten auch die jeweiligen Sprecher der Deutschen Studentenschaft, die katholischen Studenten spielten lange Zeit den Part einer loyalen Minderheit und besetzten einzelne Referatsposten. Bei den Kammerwahlen des Jahres 1931 erzielten der NSDStB zwölf Mandate, der „Völkische Block“ acht, die katholisch-deutsche Liste fünf Sitze.

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ist students were forced to enter the elections under changing list names, in most cases sporting adjectives like “völkisch” (ethnic-national) or “social”. In the German Student Union elections prior to 1925, i.e. before its recognition as the official student representation, party lists of German-national fraternities and of the “Finken”, the non-corporative fraternities, competed against each other. In terms of nationalism and antisemitism, these lists of non-couleur-wearing students were an even match to the couleur students. On the contrary, in earlier Chamber elections, declared National Socialists were more likely to stand for election on the “Finken” lists than on those of the Waffenstudenten, the fencing fraternities. The National Socialists’ reconciliation with the Waffenstudenten and their elitist self-perception didn’t take place until the late 1920s.7 Chamber elections based on the Student Code were held from 1927 to 1931, with results painting a clear picture. Only two to three lists were represented: the “German-völkisch” list (which separated into two lists in 1931) and the “Catholic-German” list. The national camp obtained around 75–80 % of votes or 19 to 20 of the 25 seats in all Chamber elections. The Catholic camp always had about a fifth of the votes, or 5 to 6 seats. Thus, the German-national students always supplied the speaker of the German Student Union and, for a long time, the

Abb. 2: Plakat der Völkisch-sozialen Arbeitsgemeinschaft, 1929. Figure 2: Poster of the Völkisch-soziale Arbeitsgemeinschaft, 1929.

Noch wichtiger als das Wahlergebnis war die Wahlbeteiligung, denn die Propaganda wurde weniger gegen konkurrierende Listen als gegen die außerhalb der Studentenschaft stehenden Gruppen geführt. Während Letztere für einen Boykott eintraten, warben Erstere vor allem für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung. Der große Rückhalt für die Deutsche Studentenschaft unter den nicht-jüdischen und nicht-sozialistischen Studierenden, ebenso wie die enorme politische Mobilisierung, drückte sich in der stetig steigenden Beteiligung an den Hochschulwahlen aus: Sie stieg von 54 % 1927 auf 78 % 1929 bis auf 87,7 % im Jahr 1931. Auch wenn

Abb. 3: Boykottaufruf der sozialistischen Studenten für die Kammerwahlen 1931. Figure 3: Call for a boycott of the 1931 Chamber elections by the Socialist students.

Catholic students played the part of a loyal minority, chairing individual departments. In the 1931 Chamber elections, the NSDStB gained 12 seats, the “Völkischer Block” eight, and the Catholic-German list five seats. What was even more important than the results was voter turnout, as propaganda was directed less against competing lists than against the groups outside the Student Union. While the latter advocated a boycott, competing lists were mostly campaigning for a high turnout.

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sich diese Prozentzahlen nur auf die Mitglieder der Deutschen Studentenschaft beziehen, so stellt die Beteiligung an den Wahlen von 1931 doch einen Rekordwert an österreichischen Hochschulen dar. Berücksichtigt man weiters, dass der Organisationsgrad des Verbandes sozialistischer Studenten an der TH in Wien vergleichsweise hoch war, so kann man davon ausgehen, dass fast alle nicht-sozialistischen Stimmberechtigten bei den Kammerwahlen 1931 ihre Stimme abgegeben haben. Umgelegt auf die Gesamtzahl aller ordentlich Inskribierten ergibt sich eine Wahlbeteiligung von deutlich mehr als 70  % aller in diesem Jahr inskribierten Hörerinnen und Hörer. Die über ein Jahrzehnt relativ konstanten Wahlergebnisse belegen nachdrücklich, dass die große Mehrheit der Hörer und Hörerinnen an der Wiener Technischen Hochschule in der Zwischenkriegszeit mit deutschnationalen und antisemitischen Positionen sympathisierte. Ein großer Teil stand schon lange vor 1938 den Ideen des Nationalsozialismus positiv gegenüber. Jüdische und sozialistische Studierende Innerhalb der Hochschule hatte die Deutsche Studentenschaft das Recht auf Mitwirkung an der Regelung studentischer Angelegenheiten und an Fragen der akademischen Disziplin. Auch die Abgabe von Stellungnahmen zu allgemeinen, vaterländischen, kulturellen, wirtschaftlichen und Bildungsfragen wurde ihr zugestanden. Gerade dieser Alleinvertretungsanspruch stieß bei den an der Technischen Hochschule in Wien traditionell stark vertretenen jüdischen und sozialistischen Studenten auf heftigen Widerstand. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hatte ein reiches jüdisches Vereinsleben bestanden, das in sich ebenfalls sehr differenziert war, von bürgerlich bis sozialistisch, von religiös gebunden bis laizistisch-zionistisch. 1918/19 wurde die jüdisch-sozialistische Poale Zion-Bewegung noch in die Beratungen um die Schaffung eines allgemeinen Studentenrechts einbezogen, der Jüdische

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The strong support for the German Student Union amongst non-Jewish and non-socialist students, as well as the enormous political mobilisation, are illustrated by the steadily increasing turnout in university elections: it rose from 54 % in 1927 to 78 % in 1929, and 87.7 % in 1931. Even though these percentages only represent German Student Union members, voter turnout in the 1931 elections still remains a record number for Austrian universities. Taking into account that the organisational level of the Verband sozialistischer Studenten (League of Socialist Students) at the TH in Vienna was comparatively high, we may assume that nearly all eligible non-socialist voters in the 1931 Chamber elections did in fact vote. When applied to the total number of regular students, the voter turnout was well above 70 % of all students enrolled that year. These election results, which remained more or less constant over a decade, clearly prove that the great majority of students at the Vienna TH during the interwar period were sympathetic to German-national and antisemitic positions and that a great number of them looked favourably on the ideas of National Socialism long before 1938. Jewish and Socialist Students Within the TH, the German Student Union had the right to participate in the regulation of student affairs and in issues of academic discipline. It was also granted the right to submit opinions on general, patriotic, cultural, economic, and education issues. This claim to sole representation met with strong opposition from the Jewish and socialist students at the TH in Vienna, groups which were both traditionally well-represented at the institution. Since the late 19th century, a varied array of Jewish clubs and societies had been established there. These were strongly differentiated and included bourgeois as well as socialist, religious, and secular-Zionist tendencies. In 1918–19, the Jewish-socialist Poale Zion movement was still involved in consultations on the establish-

Hochschulausschuss war auch an der „Technik“ aktiv und meldete sich bei als antisemitisch empfundenen Entscheidungen zu Wort. Daneben gab es auch eine Reihe jüdischer Studentenverbindungen, beispielsweise die Unitas, die den Technikstudenten und späteren Schriftsteller Arthur Koestler zu ihren Mitgliedern zählte. Mit der Anerkennung der Deutschen Studentenschaft als allgemeine Studierendenvertretung 1924 verloren die jüdischen Verbände jedoch deutlich an hochschulpolitischem Gewicht. Die Technische Hochschule in Wien war aber auch eine Hochburg der sozialistischen Studenten. Der Verband sozialistischer Studenten bemühte sich, durchaus dem austromarxistischen „Mainstream“ folgend, ebenfalls um ein möglichst breites Angebot an Dienstleistungen für seine Mitglieder: Ein erfolgreicher Studienabschluss sollte klassenbewussten Studenten möglich gemacht werden, ohne dass diese mit der bürgerlichen Welt allzu engen Kontakt pflegen mussten.9 Auch von dieser Seite gab es günstige Angebote für sportliche und kulturelle Aktivitäten. Das Studium wurde durch eine Bibliothek, die auch alle wichtigen technischen Zeitschriften führte, erleichtert. Beispielsammlungen und Unterstützungskurse ergänzten die Förderangebote. Daneben wurde Musik- und Sprachunterricht angeboten und auch Autofahrkurse waren im Repertoire der sozialistischen Studierenden. Wegen der fehlenden Kontakte zur Industrie blieb die Vermittlung von Ferialpraxis-Stellen allerdings weitgehend auf den Bereich der Wiener Kommunalverwaltung beschränkt. Besonders Ende der zwanziger Jahre erlebte der Verband sozialistischer Studenten an der TH in Wien eine echte Hochblüte. Die Zahl der Mitglieder betrug 1929 immerhin 684, das waren mehr als 20 % der Inskribierten.10 Dementsprechend hatten Technikstudenten wichtige Funktionen innerhalb des Gesamtverbandes inne: 1929 wurde mit Erich Wang ein Wiener Technikstudent zum Obmann der sozialistischen Studenten gewählt; Ing. Georg Weissel, Absolvent der Chemisch-technischen Fachschule der TH in Wien, stand ab 1927 an der Spitze der Akademische Legion genannten Hochschul-

ment of a general Student Code; the Jewish University Committee was active at the TH, too, speaking up when decisions were felt to be antisemitic. There also was a number of Jewish fraternities, for instance Unitas, of which the TH student and later author Arthur Koestler was a member. When the German Student Union was recognized as the general students’ representation in 1924, however, the role of Jewish associations in university politics greatly diminished. However, the TH in Vienna also was a stronghold of socialist students. The League of Socialist Students also aimed to provide a broad range of services to its members, following the Austromarxist “mainstream” in this. Class-conscious students were to be provided with the opportunity to successfully complete their studies without the need of all-too-close contact with the bourgeois world.9 This camp, too, offered cheap sports and cultural activities. Studies were made easier by a library of all important technology journals. Collections of examples and supporting courses supplemented these opportunities for aid. In addition, the Socialist students’ repertory included music and language courses and driving lessons. Because of the lack of contacts in industry, however, holiday internship placements were mostly confined to the Vienna municipal administration. The League of Socialist Students of the TH in Vienna was at its zenith in the late 1920s. In 1929, its members numbered an impressive 684 individuals, more than 20 % of enrolled students.10 Accordingly, TH students also held important functions within the overall organisation. In 1929, Erich Wang, a student at the TH in Vienna, was elected chairman of the socialist students. Engineer Georg Weissel, a graduate of the Chemical-technical College of the TH in Vienna directed the Akademische Legion (Academic Legion), the university section of the Republikanischer Schutzbund (Republican Protection League; not to be confused with the Heimwehr battalion of the same name with the opposite political orientation), and Richard Bohmann, the head of the TH in Vienna Section of the League of Socialist Students, also

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abteilung des Republikanischen Schutzbunds (nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen, aber politisch konträr orientierten Heimwehrbataillonen), und Richard Bohmann, der Leiter der Sektion Technik des Verbandes sozialistischer Studenten, spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle.11 Ein weiterer prominenter sozialdemokratischer Funktionär war der spätere Erste Nationalratspräsident und Verkehrs- und Verstaatlichtenminister Karl Waldbrunner (1906–1980). Nach dem Scheitern der Installierung eines einheitlichen Hochschulausschusses befanden sich die sozialistischen Studierenden in scharfer Opposition zur Deutschen Studentenschaft und auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zu manchen Vertretern des Professorenkollegiums. An der TH in Wien lieferte seit 1928 ein Anschlagkasten (Kiosk) der sozialdemokratischen Studierenden, den diese vor dem Hauptgebäude errichtet hatten, beständig Anlass für Streitereien. Unmittelbar davor war ihnen das Anschlagsrecht innerhalb der Hochschule wegen „politischer“ Meinungsäußerungen in ihren Anschlägen und Flugschriften entzogen worden. Im Herbst 1929 musste die Hochschule nach heftigen Prügeleien für zwei Wochen gesperrt werden; vermutlich Mitglieder der Deutschen Studentenschaft hatten am 9. November 1929 den aus Holz gefertigten Kiosk in den Hof des Hauptgebäudes geschleppt und dort verbrannt, ehe die Aufsichtsorgane mit einem Feuerlöscher zur Stelle sein konnten. Angeblich hatten sie sich von einem kritischen Artikel gegen Bundeskanzler Schober provoziert gefühlt.12 Daraufhin spendete die Metallarbeitergewerkschaft einen neuen, aus Stahl gefertigten Kiosk, der mit Genehmigung des Magistrats vor dem Hauptgebäude auf gemeindeeigenem Grund (und somit außerhalb des Zugriffsrechts der akademischen Behörden) aufgestellt werden durfte. Durch diese Position erreichten die sozialistischen Studenten viel mehr Öffentlichkeit als zuvor. Die Deutsche Studentenschaft fühlte sich provoziert und versuchte zusammen mit dem Professorenkollegium, den Kiosk zu verbieten. Daher wurde der Metallkiosk geradezu zur Ikone der sozialistischen Studierenden und

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played a major role.11 Another eminent social-democratic functionary was Karl Waldbrunner (1906–1980), who was later to become first President of the National Council and Minister of Traffic and Nationalised Industries. After the failure to establish a unified university committee, the socialist students were in sharp opposition to the German Student Union, and there were also tensions in their relations with some members of the Council of Professors. At the TH in Vienna, a poster kiosk the social-democratic students had erected in front of the main building in 1928 was a bone of contention in ongoing disputes. Immediately prior to setting up the kiosk, they had been refused the right to post information within the university on the grounds of having “political” opinions in their posters and flyers. In autumn 1929, the TH had to be closed for two weeks in the wake of serious fighting. Most likely, it was members of the German Student Union who had dragged the wooden kiosk in question into the courtyard of the main building on 9 November 1929 and burnt it before supervisory bodies could arrive with a fire extinguisher. Allegedly, they had felt provoked by an article criticising Federal Chancellor Schober.12 Following this incident, the metal workers’ union donated a new steel kiosk, which was erected on municipal property in front of the main building by permission of the municipal authorities (thus removing it from the domain of the academic authorities). This location gave the Socialist students much more publicity than before. The German Student Union felt provoked and, in cooperation with the Council of Professors, attempted to prohibit the kiosk. This turned the metal kiosk into something of an icon for socialist students and, for a short time, its picture was on the title page of the student guide for TH socialist students. In 1931 and 1932, attacks on the kiosk served as a pretext for the physical assault of Jewish and socialist students time and time again. As far as the attacks didn’t cross certain lines, the thugs were quite able to count on a degree of understanding from the professors, who also felt the kiosk to be a thorn in their side. As early

bildete für kurze Zeit das Umschlagsmotiv des Studienführers der sozialistischen Technikstudierenden. In den Jahren 1931 und 1932 dienten Anschläge am Kiosk immer wieder als Vorwand für körperliche Übergriffe auf jüdische und sozialistische Studenten. Sofern die Übergriffe gewisse Grenzen nicht überschritten, konnten die Schläger durchaus mit einem gewissen Verständnis der Professoren, denen der Kiosk ebenfalls ein Dorn im Auge war, rechnen. Schon 1931 klagte der damalige Rektor, Prof. Franz Jung, in einem Schreiben an das Unterrichtsministerium, dass an dem „Kiosk“ ständig „aufreizende Anwürfe gegen die, die überwältigende Mehrheit der Studierenden vertretende Deutsche Studentenschaft“ veröffentlicht würden.13

Abb  .4a: Umschlag des Studienführers der Sozialistischen Studentenschaft 1930/31 mit Kiosk. Figure 4a: The Socialist students’ kiosk on Resselplatz. Cover of a student guide for TH Socialist students. Abb. 4b: Der Kiosk der sozialistischen Studenten im Resselpark – Stein des Anstoßes für die Deutsche Studentenschaft und das Rektorat. Figure 4b: The Socialist students’ kiosk on Resselplatz – a bone of contention for the German Student Union and the Rectorate

as 1931, Prof. Franz Jung, at the time TH Rector, complained in a letter to the Ministry of Education about the constant publication of “provocative accusations against the German Student Union, which represents the vast majority of students” in the kiosk.13 In fact, the posters displayed in the kiosk were mainly directed against “national” students, and in particular against the protagonists of the NSDStB. For instance, in June 1932, a social-democratic notice denounced the assassination of workers and the desecration of Jewish cemeteries by National Socialists in Germany, and made

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Tatsächlich richteten sich die am Kiosk ausgehängten Plakate vornehmlich gegen die „nationalen“ Studierenden und insbesondere gegen die Protagonisten des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB). So prangerte im Juni 1932 ein sozialdemokratischer Anschlag die Ermordung von Arbeitern und die Schändung jüdischer Friedhöfe durch die Nationalsozialisten in Deutschland an und machte sich über den „Rassenwahn“ der NS-Anhänger lustig, was wieder einmal zu einer größeren Schlägerei vor dem Haupteingang führte.14 Auffallend ist, dass die Hochschulbehörden in den aktenkundig gewordenen Fällen in der Regel versuchten, die Schuld an den Auseinandersetzungen den sozialistischen und den jüdischen Studenten zu geben, und sei es nur, dass ihnen provozierendes Verhalten zur Last gelegt wurde. Nur so ist wohl nachzuvollziehen, dass Rektor Jung in seiner Abschiedsrede den Studenten, trotz einer ganzen Reihe gewalttätiger Vorkommnisse, für das Studienjahr 1930/31 ein positives Zeugnis ausstellen konnte, das in einer jahrzehntelangen Tradition professoraler Duldsamkeit gegenüber deutschnationalen Übergriffen stand: „Das Verhalten der Studentenschaft während des abgelaufenen Studienjahres war musterhaft. Dank ihrer Besonnenheit konnten gewisse durch äußere Umstände verursachten Erregungen die Ruhe nur ganz vorübergehend stören.“15 Verschärfung des Klimas (1932–1933) Die Vertiefung der Wirtschaftskrise trug wesentlich zur weiteren Radikalisierung der Studentenschaft bei. Einer Erhöhung der Studiengebühren stand eine chronische Unterdotierung der Hochschulen gegenüber. Die Studienbedingungen verschlechterten sich nach 1930 noch einmal, die Perspektiven für Absolventinnen und Absolventen waren nach wie vor katastrophal. Daher traten 1932 und 1933 unabhängig voneinander alle Studentenorganisationen gegen die Anhebung der Kollegiengelder auf. Dabei machte erstmals auch eine Gruppe von kommunistischen Studierenden unter dem Namen Rote

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fun of the “racial delusions” of Nazi supporters, which once more led to a violent fight in front of the main entrance.14 What is striking, however, is that according to the recorded cases, the university authorities usually tried to blame the altercations on the Jewish and socialist students, if only by accusing them of provocative behaviour. This is the only explanation that can be found for the fact that Rector Jung, in his farewell speech for the year of 1930–31, was able to give a favourable report of the students in spite of a series of violent incidents, in the decades-old tradition of professorial forbearance for German-national assaults: “The Student Union’s behaviour during the past year was exemplary. Thanks to their good sense, certain commotions caused by external circumstances were only able to disturb the peace very temporarily.”15 Aggravation of the Political Climate (1932–1933) The deepening economic crisis was an important factor contributing to the further radicalisation of students. An increase of tuition fees was accompanied by a chronic lack of funds for the universities. Study conditions worsened once again after 1930, and career perspectives for graduates remained abysmal. Therefore, all student organisations independently opposed the increases in tuition in 1932 and 1933. For the first time, this also drew attention to a group of Communist students, the Rote Studentengruppe (Red Student Group), who criticised the tactics of the League of Socialist Students from the left. With this background, and in view of the growth and coming into power of the NSDAP in Germany, there was a continued increase of violent incidents at the TH in Vienna, which had their sad climax in 1932 to 1934. These violent assaults were always perpetrated by German-national students and directed against fellow students who they judged to look Jewish. In rare cases only (one exception was the conflict surrounding the kiosk)

Abb. 5: Streuzettel für den Gebührenstreik. Figure 5: Flyer for the strike against tuition fees.

Studentengruppe auf sich aufmerksam, die die Taktik des Verbandes sozialistischer Studenten von links kritisierten. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache des Erstarkens und der Machtübernahme der NSDAP in Deutschland ist an der TH in Wien eine weitere Zunahme von gewalttätigen Zwischenfällen zu beobachten, die in den Jahren 1932 bis 1934 einen traurigen Höhepunkt erreichte. Die gewaltsamen Übergriffe gingen immer von den deutschnationalen Studenten aus und richteten sich gegen Kommilitonen, die ihrer Meinung nach jüdisch aussahen. In den seltensten Fällen (eine Ausnahme war der Konflikt um den Kiosk) lösten Ereignisse an der Technischen Hochschule diese Gewalttaten aus. Meist waren es Zeitungsartikel der sozialdemokratischen oder als „jüdisch“ bezeichneten Presse, Gerüchte oder gewalttätige Auseinandersetzungen an anderen Hochschulen, die als willkommene Auslöser dienten. Am Anfang dieser Eskalation stand der 16. Oktober 1932, als ein bewaffneter Angriff von Nationalsozialisten auf ein sozialdemokratisches Parteiheim in Simmering mit dem Tod von vier Menschen, darunter zwei

Abb. 6: Erstes Auftreten der „Roten Studentengruppe“. Figure 6: First appearance of the “Rote Studentengruppe”.

did events at the TH trigger the attacks. In most cases, newspaper articles in the social-democratic or so-called “Jewish” press, rumours, or violent incidents at other universities served as welcome triggers. At the beginning of this escalation was 16 October 1932, when four people died in an armed attack of National Socialists against social-democratic party quarters in Simmering; two National Socialists, one female passer-by, and a policeman. The National Socialist students at the university and at the TH in Vienna were so enraged about this incident that it came to violent assaults against Jewish students in both main buildings. There were veritable hunts against them: According to the police report, the fights in the main building of the TH in Vienna lasted from 9:45

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Nationalsozialisten, eine Passantin und ein Polizist, endete. Die nationalsozialistischen Studenten an der Universität und an der TH in Wien waren über den Vorfall so erregt, dass es am 17. Oktober zu heftigen Übergriffen, ja zu regelrechten Jagden auf jüdische Hörer in den jeweiligen Hauptgebäuden kam: Laut Polizeibericht dauerten die Schlägereien im Hauptgebäude der TH in Wien von 9:45 bis 10:30 Uhr, wobei 13 Hörer (fast ausschließlich jüdisch), zum Teil schwer verletzt wurden. Die Unruhen dauerten danach auch noch in der Umgebung an und forderten mindestens einen weiteren Schwerverletzten. Einem Brief eines von dem Gewalt­ exzess betroffenen Bruderpaares an Bundespräsident Miklas lässt die Situation an der TH in Wien erahnen: „Um ungefähr halb 10, es war gerade eine Mathematik-Vorlesung, stürmte eine Horde Hakenkreuzler den Hörsaal. Da wir nicht die Absicht hatten, uns mit den Rowdies abzugeben, wollten wir die Technik verlassen. Wir kamen ungehindert in die Aula. Ich (Bruno) wollte gerade durch die halboffene Tür hinaus, als mich einige Hakenkreuzler mit dem Rufe: ‚Halt ein Jude, Rache für Simmering‘ zurückrissen. Nun stürzten sich ungefähr hundert oder noch mehr der Helden über mich und schlugen mit Gummiknüppel, Stahlruten und Stöcken auf mich ein. Als mein Bruder hörte, wie ich schrie ‚Hört doch schon auf, ich kann ja nicht mehr‘, eilte er mir zu Hilfe, mit dem einzigen Erfolg, dass auch er niedergerissen wurde und noch ärger zugerichtet wurde als ich.“16 Diese Schilderung und die Bitte an den Bundespräsidenten um Schutz für ein geregeltes Studium hatten zur Folge, dass das Rektorat seitens des Bundesministeriums zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde. Diese schließt mit der Bemerkung: „Die Verletzten haben bisher in Rektoratskanzlei keine Anzeigen erstattet; es gelang auch dem Hochschulpersonal nicht, einen Angreifer stellig zu machen.“17 Ähnliche Vorfälle wiederholten sich in den kommenden Wochen, bestanden aber zumeist in Übergriffen auf Einzelpersonen. In dieser aufgeheizten Atmosphäre entstand nun eine neue Front: Im Dezember 1932 war die seit Kriegs-

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to 10:30 a.m., in which 13 students (nearly all of whom were Jews) were injured, some seriously. Afterwards, the disturbances continued in the surrounding area, with at least one man being seriously injured. A letter from two brothers, both victims of this excessive violence, to Federal President Miklas gives us some idea of the situation at the TH in Vienna: “At about half past nine, the mathematics lecture had just started when a mob of Nazis stormed the lecture hall. We had no intention of having anything to do with these rowdies, and simply wanted to leave the university. We had no trouble getting to the assembly hall. I (Bruno) wanted to leave through the halfopen door, when several Nazis pulled me back, calling ‘Stop, a Jew! Revenge for Simmering!’ Then, about one hundred or more of these heroes jumped on me and started to beat me with nightsticks, steel rods, and sticks. When my brother heard me cry, ‘Now stop it, I can’t bear it any more’, he rushed to help me, only to be seized, too, ending up in a worse state than I.”16 This description and a plea for the protection of regular studies was submitted to the Federal President and resulted in the Federal Ministry demanding a comment from the Rectorate. This comment concludes with the following remark: “The injured have not yet pressed charges in the Rectorate Chancellery; university staff have also been unable to identify any of the attackers.”17 Similar incidents continued over the following weeks, though these were mostly assaults on individuals. In this heated atmosphere, a new frontline formed: In December 1932, the coalition of German-national and Catholic students in the German Student Union, which had been in power since the end of the war, collapsed after a confrontation between the Cartellverband (Catholic fraternity association) and nationalist students at the University of Vienna. However, when the Catholic students opted out in the wake of this, it did not lead to the collapse of the German Student Union. Following a pattern set by the Rector of the University of Vienna, Othenio Abel, the Rectorate of the TH in Vienna also declared that German descent and matriculation automatically made one a member of the German Student Union, and that

ende amtierende Koalition aus deutsch-nationalen und katholischen Studierenden in der Deutschen Studentenschaft zerbrochen, nachdem es an der Universität Wien zu einem Zusammenstoß von CV und nationalen Studenten gekommen war. Der daraufhin folgende Austritt der katholischen Studierenden führt aber nicht zum Zusammenbruch der Deutschen Studentenschaft. Einer Vorlage des Rektors der Universität Wien, Othenio Abel, folgend, erklärte auch das Rektorat der TH in Wien, dass man durch deutsche Abstammung und die Immatrikulation automatisch Mitglied der Deutschen Studentenschaft und ein Austritt nur per Exmatrikulation möglich sei. Eine Zurücklegung von Funktionen sei natürlich erlaubt.18 Damit stellte auch die nun von einer Koalition aus NSDStB und Völkischen geleitete Deutsche Studentenschaft weiterhin den Alleinvertretungsanspruch und wurde darin von den Rektoraten bestätigt. Dennoch wurde der Ton noch rauer: In einer Denkschrift vom 18. Jänner 1933 verlangte der NSDStB die sofortige Einführung eines Numerus clausus, um der „Verjudung“ der „deutschen Forschungs- und Lehranstalten Österreichs“ Einhalt zu gebieten und forderte „alle Akademiker, voran die akademischen Lehrer und Behörden“ dazu auf, „die Studentenschaft in ihrem Kampf zu unterstützen“.19 Nach einer kurzen Beruhigung ging es nach der für die NSDAP erfolgreichen, unter Terrorbedingungen ab­ gehaltenen deutschen Reichstagswahl vom 5. März 1933 auch an den österreichischen Hochschulen wieder los. Am 9. März 1933 richtete sich die Aggression erneut gegen den Kiosk des Verbandes sozialistischen Studenten. Dieses Mal wurde die Metallkonstruktion schwer beschädigt. In einem Bericht des Rektorats an das Bundesministerium für Unterricht wird darauf verwiesen, dass sich die Attacke auf hochschulfremden Boden abgespielt habe und im Hauptgebäude selbst „nicht der geringste Zwischenfall“ zu verzeichnen gewesen sei. Das Rektorat äußerte sich auch zu dem Umstand, dass die Polizei am Tatort einen großen eisernen Metallstößel vorgefunden hatte: „[Es] liegt von keiner chemischen Lehrkanzel eine Mitteilung über eine allfällige Entwendung eines solchen Stössels vor.“20 Disziplinarische Folgen hatte dieser

Abb. 7: Flugblatt der NS-Studenten der TH in Wien, verteilt am 22. 10. 1932. Figure 7: Flyer of the Nazi students at the TH in Vienna, distributed on 22 October 1932.

withdrawal from it was only possible by exmatriculation. Of course, the resignation of functions was permissible.18 This meant that the German Student Union, now led by a coalition of NSDStB and the Völkische, still claimed sole representation and was confirmed in this by the Rectorate. The tone became even rougher still: In a memorandum dated 18 January 1933, the NSDStB demanded the immediate introduction of a numerus clausus in order to stop the “Judaification” of “German research and teaching institutions in Austria”, and called upon “all academics, in particular academic teachers and authorities” to “support the Student Union in its struggle.”19

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Übergriff nicht, weil die Polizei nicht auf Hochschulboden tätig wurde. Nur wenig später, am 28. März 1933, ersuchte schließlich der damalige Rektor Primavesi in mehreren parallelen Schreiben an die Bundespolizeidirektion, das Unterrichtsministerium und sogar an Bundeskanzler Dollfuß persönlich um die Beseitigung des Anschlagkastens, der daraufhin offenbar tatsächlich behördlich entfernt wurde und gewissermaßen symbolisch für die in diesem Monat durch die Ausschaltung des österreichischen Parlaments in die Wege geleitete Verdrängung der Sozialdemokratie aus dem politischen Leben der Republik stehen kann.21 Damit endete eine lange Zeit der als „Provokation“ für die Völkischen empfundenen Propaganda der sozialistischen Studierenden durchaus im Sinne des Rektorats der TH in Wien. Inzwischen fanden weitere schwere Übergriffe statt, so am 22. März ein Überfall auf einen Zeichensaal der Architekturfakultät: Dabei gab es acht Verletzte, die alle jüdischer Konfession waren. Bedeutsam sind die Unruhen vom 10. Mai 1933, als es Prügeleien im ganzen Haus gab, denn erstmals waren nicht nur Juden und Sozialdemokraten, sondern auch katholische Studierende unter den Opfern. Ganz allgemein konnte die Ruhe an den Hochschulen nur mehr mit äußerster Mühe aufrechterhalten werden. Im Juli 1933 zog die christlich-soziale Regierung die Konsequenzen und löste die als nationalsozialistische Vorfeldorganisation agierende Deutsche Studentenschaft auf. Zusammenfassend ist zu sagen: Die Eskalation der Gewalt dieser Jahre an der TH in Wien war zwar von Studierenden ausgegangen, ohne die stillschweigende Duldung oder gar das Einverständnis des Lehrkörpers der Hochschule wäre sie aber nicht möglich gewesen. Die Professorenschaft kam den Forderungen der Deutschen Studentenschaft mit großer Bereitwilligkeit sehr weit entgegen. Charakteristisch für das Klima an der TH in Wien war weiterhin ein traditionell sehr paternalistischer Stil gegenüber den Studierenden. Im Vergleich zu den Äußerungen etwa einzelner Rektoren der Universität Wien ist zudem eine Tendenz zur Konfliktvermeidung, sowohl

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After a short respite, things started to heat up at the Austrian universities, too, after the German Reichstag elections of 5 March 1933, which had been held under conditions of terror and led to the triumph of the NSDAP. On 9 March 1933, aggression again focused on the kiosk of the League of Socialist Students. This time, the metal structure was severely damaged. A report by the Rectorate to the Federal Ministry of Education points out that this attack had taken place off university premises and that within the main building itself, “not the merest incident” had been reported. The Rectorate also comments on the fact that the police had found a large iron pestle on the crime scene: “[There] are no reports from any of the chemistry chairs that such a pestle may have been stolen.”20 There were no disciplinary measures after this incident, and police did not enter university premises. Only a few weeks later, on 28 March 1933, Rector Primavesi personally requested the removal of the kiosk in several parallel letters to the Federal Police Directorate, the Ministry of Education, and even to Federal Chancellor Dollfuß, and it subsequently seems to have been removed by the authorities, and thus stood as a symbol of the exclusion of Social Democracy from the political life of the Republic in that month, which was facilitated by the elimination of the Austrian Parliament.21 Much to the satisfaction of the TH in Vienna Rectorate, this ended a long period of propaganda by socialist students, considered a “provocation” by the völkisch students. In the meantime, there were several more serious assaults. For instance, an attack on a design room of the Faculty of Architecture on 22 March where eight were injured, all of them Jewish. On 10 Mai 1933, there was significant unrest, with fights throughout the building; for the first time, not only Jews and Social Democrats were amongst the victims, but Catholic students as well. In general, peace at the universities could only be kept with much effort. As a consequence, the Christian-social government dissolved the German Student Union, which had acted as a National Socialist front organisation, in July 1933. In conclusion, it can be said that, although the escalation of violence at the TH in Vienna was initiated by

gegenüber „widerspenstigen“ Studierenden als auch gegenüber den Unterrichtsbehörden, zu erkennen: Freiräume wurden zwar genutzt, auf eine offene Auseinandersetzung wollte man es aber wohl nicht ankommen lassen und suchte – wie etwa im Falle des Numerus clausus – „legalistische“ Auswege. Dort, wo studentische Forderungen von den Professoren abgelehnt wurden, geschah dies weniger aus prinzipiellen als aus Opportunitätsgründen: So wurde z.  B. die 1923 ebenfalls von der Deutschen Studentenschaft geforderte schriftliche Verpflichtung ausländischer jüdischer Absolventen, ihren Beruf niemals in Österreich ausüben zu wollen, „nicht empfohlen“, da man sich davon negative Rückwirkungen auf österreichische Absolventen erwartete. Auch der gewünschten Kennzeichnung von Büchern jüdischer Autoren mit einem sechszackigen Stern wurde nicht zugestimmt.22 Schließlich können die an der Wiener Technischen Hochschule lehrenden Professoren in ihrer Mehrheit keineswegs die Rolle des „unpolitischen Wissenschaftlers“ für sich beanspruchen, auch wenn sie dies – wie Rektor Saliger im Jahr 1924 – häufig vorgaben. Erkennbar ist vielmehr eine wachsende Distanzierung von den Grundregeln des Staatswesens, dessen „Diener“ sie als Beamte doch eigentlich waren. Die Erfahrungen in den folgenden Jahren des Ständestaats waren allerdings gewiss nicht geeignet, um die wachsende Staatsdistanz und die schon seit der frühen Nachkriegszeit verbreiteten antidemokratischen und antisemitischen Grundeinstellungen zu ändern.

students over the years, it would not have been possible without the tacit consent and even approbation of the TH teaching staff. The professors willingly went out of their way to meet the German Student Union’s demands. Another characteristic trait of the climate at the TH in Vienna was the continuing paternalistic, traditional style of relations with students. Compared, for instance, to the comments of various rectors of the University of Vienna, we can note a tendency to avoid confrontation, both with “recalcitrant” students as well as with the education authorities. Although freedom was exploited, open disputes were seen as something to be avoided, and – as in the case of the numerus clausus – “legalist” loopholes were preferred. Where student demands were refused by the professors, this was less due to principle than to opportunism. Thus, for example, the demand of the German Student Union for a written statement by foreign Jewish graduates to never practice their profession in Austria was “not recommended”, as negative repercussions on Austrian graduates were feared. The desired marking of books by Jewish authors with a six-pointed star was also not granted.22 Finally, the majority of professors who taught at the Vienna TH could not lay claim to the role of the “apolitical scientist”, even though they often pretended to, like Rector Saliger in 1924. In fact, what we see is a growing distance from the fundamental principles of the nation they “served” as civil servants. Experiences over the following years in the Ständestaat, however, were certainly not likely to change this growing distance from the state and the advancement of anti-democratic and antisemitic views in the early post-war years.

Anmerkungen/Notes 1 Vgl. Jahrbuch für das Studium an der Technischen Hochschule in Wien 1929/20, Wien 1929, 67. Die Ämtereinteilung änderte sich bis 1937 geringfügig. 2 Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft Technische Hochschule Wien 1932/33, Wien 1932, 68. 3 Vgl. Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft Technische Hochschule Wien 1931/32, Wien 1931, Bildteil nach 96. 4 Ausführliche Schilderung der Arbeitslagerwochen in: Jahrbuch der Deutschen Studentenschaft 1932/33, 70f. 5 Vgl. ebd., 42ff., bes. 46–48. 6 Ebd., vor 17 („Völkischer Beobachter“), 67 („Kampfruf“). 7 Anselm Faust, Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, Studenten und Nationalsozialismus in der Weimarer Republik, Bd. 1, Düsseldorf 1973, 42ff.

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8 Quellen: 1927: AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1499–1926/27; 1929: Der Student, 10 (1929/30), Nr. 8, 10; 1931: Der Student, 12 (1931/32), Nr. 4, 16. 9 Vgl. Dieter Langewiesche, Zur Freizeit des Arbeiters. Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung österreichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der Ersten Republik, Stuttgart 1979 und Oskar Negt/Alexander Kluge, Öffentlichkeit und Erfahrung, Frankfurt 1972. 10 Wolfgang Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt. Geschichte der sozialistischen Jugendbewegung in Österreich, Wien 1979, 214. 11 Vgl. Neugebauer, a. a. O., S. 215 und Sozialistisch-akademische Rundschau 2 (1929), Nr. 6, 9 und 3 (1930), Nr. 3, 13. 12 Aus der Sicht der Angreifer Wilfried Deschka, Die Wiener Studentenunruhen, in: Der Student. Deutsche Akademische Rundschau 10 (1929), Nr. 19, 8; aus der Sicht der sozialistischen Studenten: Die Wiener Techniker im Kampf, in: Sozialistisch-akademische Rundschau 2 (1929), Nr. 6, 1–2. 13 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1123–1930/31. 14 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1762–31/32. 15 Franz Jung, Bericht über das abgelaufene Studienjahr 1930/1931, in: Bericht über die feierliche Inauguration des für das Studienjahr 1931/32 gewählten Rector Magnificus Ing. Dr. techn. Julius Urbanek, Wien 1932, 10. 16 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 163–1932/33 (bei Sammelakt 1419–1932/33). 17 Ebd. 18 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 496–1932/33 (bei Sammelakt 1419–1932/33). 19 Ebd. (Aufruf vom 18. 1. 1933). 20 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1045/1932–33. 21 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1155–1932/33. 22 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 375–1919/20.

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WELTWIRTSCHAFTSKRISE UND AUSTROFASCHISMUS THE WORLD ECONOMIC CRISIS AND AUSTROFASCISM Nach der kurzen wirtschaftlichen Erholungsphase ab Mitte der 1920er Jahre wuchsen die politischen Spannungen mit der 1929/30 einsetzenden Wirtschaftskrise neuerlich an. Die nun rasch wechselnden Regierungen griffen zu immer rigoroseren Sparmaßnah­ men, von denen auch die Hochschulen hart betroffen waren. Dies führte bald zu einer Krise des gesamten politischen Systems, die durch die Etablierung eines autoritären „Ständestaates“ keineswegs gelöst, sondern letztlich verschärft wurde und den Boden für die nationalsozialistische Übernahme 1938 vorbereitete. After the brief economic recovery phase of the mid-1920s, political tension rose once again, together with the economic crisis of 1929/30. The now quickly changing gov­ ernments grasped at increasingly stringent austerity measures, which dealt hard blows to the THs and others. This soon led to a crisis of the entire political system, which was by no means solved by the establishment of the authoritarian Ständestaat but instead aggravated, thus preparing the ground for the National Socialist takeover in 1938.

Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

FINANZIELLE AUSZEHRUNG UND POLITISCHE REPRESSION: DIE TECHNISCHE HOCHSCHULE IN WIEN IM „STÄNDESTAAT“ 1933–1937 FINANCIAL ATTRITION AND POLITICAL REPRESSION: THE TH IN VIENNA IN THE STÄNDESTAAT, 1933–1937 Die mittleren 1920er Jahre hatten Österreich eine gewisse wirtschaftliche Erholung gebracht und damit auch an den Hochschulen eine etwas ruhi­ gere Phase ermöglicht, obwohl die politischen Auseinandersetzungen auf akademischem Boden niemals ganz nachließen. Die Ende 1929 begin­ nende Wirtschaftskrise zwang jedoch die nun rasch wechselnden Regierungen zu immer rigoroseren Sparmaßnahmen, von denen auch die Hochschulen hart betroffen waren. Sie führte in den folgenden Jahren zu einer Krise des gesamten politischen Sys­ tems, die durch die Aushebelung des Parlaments durch Engelbert Dollfuß und die Etablierung eines autoritären „Ständestaates“ keineswegs gelöst, sondern letztlich verschärft wurde und den Boden für die nationalsozialistische Übernahme 1938 vor­ bereitete. Die TH in Wien in der Weltwirtschaftskrise Die bereits geschilderte politische Radikalisierung der Studentenschaft spielte sich vor dem Hintergrund anhaltender finanzieller Engpässe ab, von denen alle Angehörigen der Hochschulen betroffen waren.1 Besetzungssperren und Personalabbaumaßnahmen schränkten den Spielraum und die Leistungsfähigkeit der österreichischen Hochschulen immer mehr ein, ungeachtet der rückläufigen Hörerzahlen. So mussten ab 1931 die Assistentenstellen um bis zu 15 % und die Zahl der wissenschaftlichen Hilfskräfte um 33  % verringert werden. An

The mid-1920s brought some economic recovery to Austria, leading to a slightly more peaceful period at the universities, although political unrest on ac­ ademic ground never completely ceased. The eco­ nomic crisis starting in 1929, however, forced the rapidly changing governments to enact ever more rigorous austerity measures, which also impacted the universities. In the following years, it caused a crisis of the entire political system, which was by no means resolved by Engelbert Dollfuß outma­ noeuvring the parliament and the establishment of the authoritarian “Ständestaat”, but ultimately exacerbated, preparing the ground for the National Socialist takeover of 1938. The TH in Vienna in the Global Economic Crisis The political radicalisation of the students previously discussed played out against the background of prolonged financial shortages that had an impact on all members of the universities.1 Attrition and staff cuts continued to limit the scope and performance of the Austrian universities, in spite of dwindling student numbers. From 1931 for instance, assistant professorship posts had to be cut by 15 %, and the number of graduate assistants by 33 %. In 1931–32, at the TH in Vienna alone, 33 academic assistants and graduate assistant positions were wither cut completely or downsized by massively reducing the working hours.2 The Council of Professors’ report to the Ministry of Education, pointed out that this meant that

Finanzielle Auszehrung und politische Repression: Die Technische Hochschule in Wien im „Ständestaat“ 1933–1937   | 133

der TH in Wien wurden im Studienjahr 1931/32 allein 33 Stellen von Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräften ganz eingespart oder durch massive Stundenkürzungen verringert.2 Vergebens wies das Professorenkollegium in einem Bericht an das Unterrichtsministerium darauf hin, dass damit für den Ingenieurnachwuchs „nicht nur eine der letzten Möglichkeiten [wegfällt], eine seiner Vorbildung entsprechende Stellung zu finden“, sondern auch die Chance für eine wissenschaftliche Vertiefung.3 Mit dem Hochschulassistentengesetz von 1934 (BGBl. 1934/329) wurden eine Neustrukturierung der verschiedenen Kategorien des wissenschaftlichen Personals außerhalb der Professorenschaft vorgenommen – seitdem gab es nur noch „Hochschulassistenten“ (mit drei Besoldungsklassen) und vertragsmäßige wissenschaftliche Hilfskräfte. Es folgten Frühpensionierungsaktionen („Beurlaubung gegen Wartegeld“), ab 1932 die Zwangspensionierung von Professoren mit 65 Jahren sowie im Dezember 1933 die Anwendung der Bestimmungen des sogenannten „Doppelverdienergesetzes“ (Verordnung über den Abbau verheirateter Personen im Bundesdienst und andere dienstrechtliche Maßnahmen, BGBl. 1933/545). Letzteres zielte vor allem auf den Abbau verheirateter Frauen ab, war aber an der TH in Wien (ebenso wie im übrigen Bundesdienst) nur von äußerst geringem Effekt: Es konnte nur eine Kanzleibeamtin entlassen werden, da in den übrigen relevanten Fällen das Familieneinkommen unter den vorgeschriebenen Grenzbeträgen lag.4 Freiwerdende Stellen, insbesondere Professuren, wurden entweder gar nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung besetzt, so dass der scheidende Rektor Franz List im Herbst 1936 in seinem Bericht über das Studienjahr 1935/36 darauf verwies, dass die Personaleinsparungen an der Hochschule – trotz eines Rückgangs der Studierenden um fast 40 % in den letzten drei Jahren – „weit über das Maß hinaus [gehen], das noch eine Weiterführung eines wissenschaftlichen Hochschulunterrichts in einem dem Range einer Technischen Hochschule würdigen Ausmaße sichert.“5

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young engineers “not only [lost] one of the last opportunities to find a position befitting their training”, but also the chance of academic specialisation.3 The 1934 Hochschulassistentengesetz (Academic Assistants’ Act, BGBl. 1934/329) restructured all categories of academic personnel except for professors – after which remained only the “Hochschulassistenten” (academic assistants) in three pay brackets, and contracted graduate assistants. These measures were followed by early retirement campaigns (“suspension against waiting pay”), and, as of 1932, the forced retirement of professors at 65 years of age, and the application of the so-called Doppelverdienergesetz (Double Income Act – a law stipulating the removal of married individuals from federal service and other administrative measures, BGBl. 1933/545). The latter mainly targeted married women; at the TH in Vienna, however, as well as in federal civil service in general, it had hardly any effect: only one female chancellery officer was discharged, since in all other relevant cases, the family income was below the specified threshold.4 Vacancies, in particular professorships, were either not filled at all or only with a long delay, so the parting Rector Franz List pointed out in his report in autumn 1936 on the 1935–36 term that personnel cuts at the TH – in spite of a decline of student numbers by nearly 40 % over the past years – went “far beyond an extent that would guarantee the continuation of academic teaching on a scale worthy of a Technische Hochschule”.5 These measures were exacerbated by massive cuts in endowments, i.e. regular budgets. These were at first halved, and after 1932 no endowments were allocated at all. The increases in college and tuition fees prescribed as a result were unable to alleviate the financial straits, but did drive the students to the streets in protest demonstrations and strikes. In addition, construction loans were cancelled, making infrastructure improvements nearly impossible. Nor were the industries in a position to fill the gap with donations after 1930, in contrast to the years after 1918. In 1932, the high-voltage laboratory was opened, the last major structural change made possible by the substantial cash and in-kind do-

SoSe 1929 Summer 1929

SoSe 1930 Summer 1930

SoSe 1931 Summer 1931

SoSe 1932 Summer 1932

SoSe 1933 Summer 1933

SoSe 1934 Summer 1934

SoSe 1935 Summer 1935

SoSe 1936** Summer 1936**

SoSe 1937** Summer 1937**

Tabelle 1: Übersicht über den Rückgang ausgewählter Kategorien des wissenschaftlichen Personals an der TH in Wien, 1929–1937/Table 1: Overview of the decline of selected categories of academic staff at the TH in Vienna, 1929–1937

o. Prof. Full Professorships

55

56

52

53

*

49

*

49

45

a. o. Prof. Associate Professorships

 8

 8

 7

 6

*

 6

*

 7

 8

o. Ass. Academic Assistants

17

19

24

23

*

22

*

92

75

a. o. Ass. Associate Assistants

90

92

96

90

*

83

*

*

*

wiss. Hilfskräfte Contracted Assistants

87

87

82

80

*

85

*

77

89

Eigene Berechnungen. Quelle: Inaugurationsberichte 1928/29–1936/37/Source: Inauguration reports 1928/29–1936/37. * = Keine Angaben ** Ab 1935: Hochschulassistenten und vertragsmäßige wiss. Hilfskräfte. * = not specified ** As of 1935: Academic Assistants and Contracted Academic Assistants

Dazu kamen massive Kürzungen der Dotationen, also der ordentlichen Budgets. Diese wurden zunächst um 50% zusammengestrichen, ab 1932 wurden dann gar keine Dotationen mehr zugewiesen. Die im Gegenzug verordneten Erhöhungen von Kollegiengeldern und Studiengebühren konnten die Finanznot zwar nicht beheben, trieben aber die Studierenden zu Protestdemonstrationen und Streiks auf die Straße. Außerdem wurden auch die Baukredite gestrichen, so dass Verbesserungen der Infrastruktur kaum noch mög-

nations the Association of Friends of the TH in Vienna had raised.6 Afterwards, this source seems to have dried up as well. Political Upheaval Political changes were added to these economic limitations, ones that had a lasting impact on TH members. In March 1933, Federal Chancellor Dollfuß had sidelined

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lich waren. Anders als nach 1918 sah sich ab 1930/31 auch die von der Krise gebeutelte Industrie kaum noch in der Lage, mit Spenden einzuspringen. 1932 war das letzte Jahr, in dem an der TH in Wien mit der Eröffnung des Hochspannungslabors noch eine größere bauliche Veränderung vorgenommen werden konnte, auch dies unterstützt mit beträchtlichen Geld- und Sachspenden, die durch den Verband der Freunde der TH in Wien aufgetrieben wurden.6 Danach scheint auch diese Quelle weitgehend versiegt zu sein. Politische Umbrüche Zu den wirtschaftlichen Beschränkungen kamen politische Veränderungen, die ebenfalls das Leben der Hochschulangehörigen nachhaltig betrafen. Im März 1933 hatte Bundeskanzler Dollfuß das Parlament ausgehebelt und mit seiner Regierung die „Alleinherrschaft“ übernommen, nachdem die NS-Machtergreifung in Deutschland im Januar 1933 in Österreich die Furcht vor (oder auch die Hoffnung auf) einen deutschen Überfall gesteigert hatte. Das Dollfuß-Regime versuchte die offensichtliche Attraktivität der NSDAP durch Nachahmung ihrer Formen zu imitieren und für sich zu nutzen: Alle Beamten, auch die Professoren, wurden im März 1933 neu vereidigt, und zwar nicht mehr auf die Republik, sondern auf die Person des Bundeskanzlers. Die Mitgliedschaft in der neuen Einheitsorganisation der „Vaterländischen Front“ (VF) war für Beamte obligatorisch. Bei Stellenbesetzungen und Berufungen spielten politische Beurteilungen eine oft entscheidende Rolle, und auch akademische Funktionäre durften nur noch aus den Reihen der VF rekrutiert werden.7 Dies erwies sich allerdings als kontraproduktiv und führte im Laufe der Jahre zu einer wachsenden Unterwanderung der Verwaltung auch an der TH in Wien durch illegale Nationalsozialisten. Andererseits sollten nach dem „Umbruch“ 1938 viele der seit 1933 ernannten Professoren und Assistenten als „Systemvertreter“ (gemeint war das „System“ des „Ständestaates“) aus ihren Positionen ent-

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the parliament and taken sole control of the government after the Nazi takeover in Germany in January 1933 had increased fears of (or hopes for) a German invasion. The Dollfuß regime attempted to harness the obvious attraction of the NSDAP by imitating its forms. All civil servants, including professors, were sworn in once again in March 1933, this time not to the Republic, but to the person of the Federal Chancellor. Membership in the new unified organisation, the Vaterländische Front (VF – Fatherland Front) was obligatory for all civil servants. In recruitment and appointments, political assessments often played a crucial role, and academic officials could only be recruited from the ranks of the VF.7 This, however, proved to be counter-productive, leading to an increasing infiltration of the administration by illegal National Socialists, also at the TH in Vienna. On the other hand, after the “Anschluss” of 1938, many of the professors and academic assistants that had been appointed since 1933 were removed from their positions as “agents of the system” (meaning the “system” of the Ständestaat), or at least obstructed in their careers. After the summer of 1933, the confrontations at the universities acquired a new quality. The new masters, however, took much more decisive action against the persistent clashes; in May 1933, the Communist Party was banned, followed by the NSDAP in June. In July 1933, the Education Ministry ordered extensive “measures against the disruption of peace and order”:8 limiting the Anschlagsrecht, i.e. the right to post notices or distribute journals at the TH to Fachvereine, or specialist associations; dissolving the German Student Union; introducing “forced legitimisation9 and establishing “campus patrols” (i.e. a police station) at all universities and Hochschulen – resulting in both students and professors protesting the interference in “university autonomy”. These “pacification measures” included the abolition of the celebratory inauguration of Rectors in autumn 1934.10

fernt oder doch in ihrem Fortkommen behindert werden. Seit dem Sommer 1933 gewannen die Auseinandersetzungen an den Hochschulen eine neue Qualität. Die neuen Herren gingen jedoch viel rigoroser gegen die andauernden Unruhen vor. Im Mai 1933 wurde die kommunistische Partei, im Juni die NSDAP verboten. Im Juli 1933 ordnete das Unterrichtsministerium umfangreiche „Maßnahmen gegen die Störung von Ruhe und Ordnung“ an:8 Die Beschränkung des Anschlagsrechts, also die Erlaubnis, an der Hochschule Plakate oder Zeitschriften auszuhängen, auf „Fachvereine“, die Auflösung der Deutschen Studentenschaft, die Einführung des „Legitimationszwangs“9 sowie die Einrichtung einer „Hochschulwache“ (d.  h. eines Polizeiwachzimmers) an allen Universitäten und Hochschulen – mit dem Ergebnis, dass nun Studenten und Professoren gegen diesen Eingriff in die „Hochschulautonomie“ protestierten. Zu den „Beruhigungsmaßnahmen“ gehörte auch die Abschaffung der feierlichen Inaugurationen für die Rektoren ab Herbst 1934.10 Die Einführung der „Sachwalterschaft der österreichischen Hochschülerschaft“ An die Stelle der aufgelösten Deutschen Studentenschaft trat ab dem Wintersemester 1933/34 die „Sachwalterschaft der österreichischen Hochschülerschaft“, die einerseits die Sozial- und Fürsorgefunktionen der Deutschen Studentenschaft übernahm, andererseits ein funktionales Pendant der VF zur politischen Kontrolle der Studierenden darstellte.11 Ihr gehörten nun alle österreichischen Studierenden ohne Rücksicht auf religiöse Überzeugungen und „rassische“ Ausschließungsgründe an. Dieser formalen Gleichheit der Studierenden standen jedoch keine demokratischen Strukturen zur Seite: Funktionäre wurden nicht gewählt, sondern bestellt. Zum ersten Leiter der Sachwalterschaft der TH in Wien wurde der Maschinenbaustudent Ernst Marboe ernannt.12 Seine Berufung erfolgte auf Vorschlag des gesamtösterreichischen Sachwalters, diese wurde vom Rektorat der

Abbildung 1: Formular der Eidesleistung für Bedienstete, 1934. Figure 1: Form for taking oath for federal employees.

The Introduction of the “Custodianship of the Austrian Student Union” The dissolved German Student Union was replaced by the “Custodianship of the Austrian Student Union” in the winter term of 1933–34, an organization that assumed the social agenda and welfare function of the German Student Union, as well as representing a functional counterpart to the VF in attempting to gain political control of the students.11 Its membership now comprised all Austrian students, without regard to religious beliefs and “race-related” grounds for exclusion. This formal equality of all students, however, was not mirrored in democratic structures, as functionaries were not elected but

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TH in Wien bestätigt und dem Unterrichtsministerium „zur Genehmigung vorgelegt“.13 In der Regel wurde die Position des Sachwalters an ehemalige Funktionäre der Deutschen Studentenschaft aus dem katholischen Lager übertragen. So war der erste Sachwalter an der Universität Wien der spätere Bundeskanzler Josef Klaus (1910– 2001). Auch Klaus’ Nachfolger als Sachwalter brachte es in der Zweiten Republik zu Ministerehren: Heinrich Drimmel (1912–1991) wurde 1935 zum Sachwalter der Hochschülerschaft Österreichs bestellt, hatte diese Funktion bis 1938 inne und war in der Zweiten Republik zehn Jahre lang Unterrichtsminister. Die Auflösung der Deutschen Studentenschaft bedeutete eine schwere Niederlage der deutschnationalen Studierenden, doch bemühten sich die Repräsentanten der Sachwalterschaft von Anfang an um die Integration der großdeutschen und nationalen Mehrheit unter den

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Abbildung 2: Organisationsschema der Sachwalterschaft der österreichischen Hochschülerschaft. Figure 2: Organisational chart of the Custodianship of the Austrian Student Union.

appointed. At the TH Wien, the first Director of the Custodianship was Ernst Marboe, a mechanical engineering student.12 He was appointed at the suggestion of the Austrian custodianship, confirmed by the Rectorate of the TH in Vienna, and his appointment was submitted to the Ministry of Education “for approval”.13 As a rule, the position of custodian was conferred to former functionaries of the German Student Union from the Catholic camp. Thus, the first custodian at the University of Vienna was Josef Klaus (1910–2001), who later became Chancellor of the Republic of Austria. His successor as custodian also went on to become a member of the government in the Second Republic: Heinrich Drimmel

Studierenden in die neue Organisation. Ständig wiederkehrende Appelle wie, „Laßt Euch nicht von wirklichkeitsfremden Fanatikern überreden, die den Deutschen in Euch gegen den Oesterreicher in Euch ausspielen wollen“,14 fruchteten jedoch nichts. Die Beschränkung der Auswahl von Funktionsträgern in den jeweiligen Sachwalterschaften auf das katholische Lager machte die Hochschülerschaft Österreichs für politisch Fernstehende des ehemaligen deutschnationalen Lagers auch nicht gerade attraktiver.15 Angebote an linke Studierende gab es nicht einmal auf der Ebene der Rhetorik. Rechter und linker Aktionismus bis zum Sommer 1934 Zunächst unbeeindruckt vom Parteiverbot und den verschärften Sicherheitsmaßnahmen intensivierten die nunmehr „illegalen“ österreichischen Nationalsozialisten, beflügelt durch die Machtergreifung Hitlers in Deutschland, ihre Destabilisierungsversuche auch an den Hochschulen. An der TH in Wien ging die Anschlagsserie im Wintersemester 1933/34 weiter. So wurden im Herbst 1933 wiederholt Tränengas und Stinkbomben in die Gänge und Hörsäle geworfen, Vorlesungen gestört, jüdische und sozialistische Hörer (oder wer nach seinem Aussehen dafürgehalten wurde) aus den Zeichensälen geholt und mit Stöcken verprügelt, Flugzettel mit propagandistischen und aufhetzenden Inhalten verteilt oder verstreut. Am 16. Oktober explodierte im Hauptgebäude ein Sprengkörper, zeitgleich wurde aus dem dritten Stock über dem Festsaal eine Hakenkreuzfahne entrollt.16 Am 30. Oktober wurde neuerlich in zahlreichen Hörsälen Tränengas geworfen. Immer wieder verhaftete man Studenten der TH in Wien auch bei sonstigen Kundgebungen der NSDAP außerhalb der Hochschule.17 Die Reaktion der Behörden auf derartige Vorkommnisse war allerdings bei Weitem nicht mehr so zurückhaltend wie bis zum Frühjahr 1933. Aufgrund ihrer Beteiligung an den Herbstanschlägen 1933 wurden mehrere Hörer verhaftet und zu mehrwöchigen Arreststrafen in den Anhaltelagern Wöllersdorf und Kaisersteinbruch ver-

(1912–1991) was appointed custodian of the Austrian Student Union in 1935 and continued in this position until 1938; in the Second Republic, he served as the Minister of Education for ten years. The dissolution of the German Student Union was a bitter defeat for the German-national students; however, from the beginning, the representatives of the Custodianship took pains to integrate the großdeutsch and national majority of students into the new organisation. However, recurring appeals such as, “Do not allow yourselves to be persuaded by unrealistic fanatics who want to play off the German in you against the Austrian”14 were unsuccessful. The limitation of officials in the respective custodianships to the Catholic camp did nothing to attract political adversaries from the former German-national camp to the Austrian Student Union.15 Offers of positions to leftist students were not even made on a rhetorical level. Right-wing and Left-wing Actionism up to the Summer of 1934 At first, the now “illegal” Austrian National Socialists were unimpressed by the prohibition of their party and the increased security measures and, buoyed by Hitler’s powerful takeover in Germany, intensified their attempts to destabilise the universities, too. At the TH in Vienna, the series of attacks continued in the winter term of 1933–34. In autumn 1933 for instance, tear gas and stink bombs were repeatedly thrown into hallways and lecture halls, lectures were disrupted, Jewish and Socialist students (or whoever was held to be one because of their looks) were taken from design rooms and beaten with sticks, flyers with propagandist and seditious content were distributed and scattered. On 16 October, an explosive device was detonated in the main building, while at the same time, a swastika flag was unfurled from the third floor above the ceremonial hall.16 On 30 October, tear gas was again thrown into a number of lecture halls. Students of the TH in Vienna were repeatedly arrested at NSDAP rallies outside the TH.17 The authorities’ reaction to such incidents was, however, far from being as restrained as it had been before

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urteilt. Wurde eine Arreststrafe ausgesprochen, musste sich auch der Disziplinarsenat der TH in Wien mit diesen Fällen befassen.18 Dies hatte in der Regel einen Verweis von der Hochschule zur Folge, sei es befristet auf ein oder zwei Semester, sei es auf Dauer und/oder für alle österreichischen Hochschulen. Dass die enge Beziehung von deutschnationalen Studenten zum Professorenkollegium jedoch nach wie vor intakt war, zeigt eine Begebenheit aus dem Bürgerkriegsmonat Februar 1934: Damals ersuchte der damalige Rektor Robert Findeis den Polizeipräsidenten um die Erlaubnis, in Wöllersdorf mit einer Abordnung von Professoren einen Besuch machen und nach dem Rechten sehen zu dürfen.19 Ähnliche Akte der Fürsorglichkeit gegenüber gemaßregelten sozialistischen, kommunistischen oder jüdischen Studierenden sind nicht aktenkundig geworden. Nach dem Februaraufstand 1934 war auch die sozialdemokratische Partei verboten worden und damit gerieten auch die zugehörigen Hochschülervereinigungen in die Illegalität. Die Februarereignisse selbst hatten an der TH in Wien, abgesehen von einer mehrtägigen Schließung der Hochschule vom 12. bis 14. Februar, kaum Spuren hinterlassen. Zwei ehemalige Hörer, der Chemiker Georg Weissel und der Bauingenieur Friedrich Quastler, beide dem Inskriptionsjahrgang 1918/19 angehörig, hatten jedoch an führender Stelle an den Februarkämpfen in Wien teilgenommen. Georg Weissel (1899–1934) hatte Chemie studiert und nach Studienabschluss eine führende Stellung bei der Wiener Berufsfeuerwehr erreicht. Daneben war er auch als Kommandant des Republikanischen Schutzbundes tätig. In Floridsdorf organisierte Weissel den Widerstand gegen Bundesheer und Heimwehr von der Hauptfeuerwache aus. Nach Erstürmung des Gebäudes wurde Weissel verhaftet, nach dem Standrecht wegen „Dienstverweigerung und Aufruhr“ angeklagt, zum Tode verurteilt und am 15. Februar 1934 im Landesgericht Wien gehenkt. Der Bauingenieur Friedrich Quastler wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Beide Urteile wurden säuberlich in die Studienhauptkataloge eingetragen.20

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Abbildung 3: Hauptkatalogeintragung zur Hinrichtung von Georg Weissel. Figure 3: Entry in the Main Catalogue 1918/19, concerning the death sentence on Georg Weissel.

the spring of 1933. Because of their part in the autumn attacks in 1933, several students were arrested and sentenced to some weeks of prison in the detention camps of Wöllersdorf and Kaisersteinbruch. When a prison sentence was passed, the disciplinary senate of the TH in Vienna also had to deal with the case.18 As a rule, it led to the student being expelled from the TH, which was either limited to one or two terms, or permanent, and/or valid for all Austrian universities. The close and continuing relationship between German-national students and the professors, however, is illustrated by an incident from the civil war month of February 1934: At the time, Rector Robert Findeis asked permission from the police commissioner to visit the camps and see whether everything was in order.19 No such acts of consideration towards Socialist, Communist, or Jewish students are on record.

Trotz dieser drakonischen Strafen leisteten einzelne sozialdemokratische und kommunistische Studierende auch an der TH in Wien weiterhin Widerstand gegen das austrofaschistische Regime. Besonders Weissel und sein Schicksal wurden zum Anknüpfungspunkt für Widerstandsaktivitäten. Anlässlich seines ersten Todestages wurden im Februar 1935 Streuzettel und rote Papiersterne verteilt. Die inhaltliche Botschaft war deutlich: Durch die Verwendung von sozialdemokratischen und kommunistischen Symbolen wurde die Einheitsfront von RS (Revolutionäre Sozialisten) und KPÖ betont, wobei die Kommunisten eindeutig das Heft in der Hand zu haben schienen. Inwieweit auch Walter Greif an dieser Aktion beteiligt gewesen ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Walter Greif, aus einer jüdischen Arbeiterfamilie stammend, hatte 1930 das Studium des Maschinenbaus aufgenommen und sich im Verband sozialistischer Studenten engagiert. Nach der Niederlage des Schutzbundes und der Auflösung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ging Greif zur KPÖ. Unmittelbar nach Abschluss seines von Verhaftungen und Verurteilungen geprägten Studiums schloss er sich 1937 dem Kampf der Internationalen Brigaden gegen Franco in Spanien an.21 Auch am nationalsozialistischen Juliputsch 1934, in dessen Verlauf Bundeskanzler Dollfuß ermordet wurde, waren Hörer der TH in Wien beteiligt. Mindesten 13 scheinen in den Akten namentlich auf, drei von ihnen,

Abbildung 4 a und b: Streuzettel mit Erinnerung an den Tod von Georg Weissel. Figure 4a and 4b: Flyers reminding the death of Georg Weissel.

After the February Uprising of 1934, the Social Democratic Party was also banned, forcing their associated university organisations into illegality. The February events themselves hardly left a trace at the TH in Vienna, apart from several days of closing between 12 and 14 February. Two former students, chemist Georg Weissel and civil engineer Friedrich Quastler, both members of the inscription year of 1918–19, had taken part in the February conflicts in Vienna in prominent roles. Georg Weissel (1899–1934) had studied chemistry and, after graduation, he rose to a high position in the Viennese professional fire brigade. He was also an active commander of the Republikanischer Schutzbund (Republican Defence League). Weissel organised the resistance against army and Heimwehr (Home Guard) from the main fire station in Floridsdorf. After the building was stormed, Weissel was arrested, charged with “refusal of duty and insurgency” according to martial law, and sentenced to death and hanged on 15 February 1934 at the Vienna Civil Courthouse. Civil engineer Friedrich Quastler, who, like Weissel, had begun his studies in 1918–19, was sentenced to twenty years of prison. Both sentences were neatly entered into the main student catalogues.20

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Abbildung 5: Partezettel anlässlich der Beisetzung von Engelbert Dollfuß. Figure 5: Dollfuß obituary.

Franz Vogt, Karl Franke und Karl Egner, hatten mit der Waffe in der Hand am Sturm auf das Bundeskanzleramt teilgenommen.22 Bis 1937 konnten rd. 100 Studierende allein an der TH in Wien namentlich festgestellt werden, die aufgrund „illegaler“ politischer Aktivitäten (von Zettelverteilen bis hin zu hochverräterischen Aktionen) einer Disziplinarmaßnahme unterzogen wurden. Diese konnte von Abmahnungen durch den Dekan oder Rektor bis zum dauernden Verweis von allen österreichischen Hochschulen reichen. Oft mussten die Festgenommenen auch noch eine Haftstrafe verbüßen. Bei den angezeigten Delikten handelte es sich in den allermeisten Fällen um nationalsozialistische Aktivitäten. Ruhe vor dem Sturm Mit dem Juliputsch 1934 endete die heiße Phase der Konfliktaustragung an der TH in Wien. Danach hörten studentische Übergriffe auf Kommilitonen und aktionistische Propaganda weitgehend auf. Maßnahmen des Regimes, wie der seit dem Studienjahr 1936/37 verpflichtende Besuch „vaterländischer“ Vorlesungen oder die seit 1935 für die Mitarbeiter der

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In spite of this draconic sentencing, individual Social Democratic and Communist students still continued resistance against the Austro-fascist regime, at the TH in Vienna and elsewhere. In particular Weissel and his fate became a reference for resistance activities. On the occasion of the first anniversary of his death in February 1935, flyers and red paper stars were scattered. The message was clear: By using Social Democratic and Communist symbols, the unified front of the Revolutionary Socialists (RS) and the KPÖ (Communist Party) was underlined; the Communists seem to have been the driving force. Whether Walter Greif also participated in this action cannot be verified. Greif, who came from a Jewish working class family, had started his mechanical engineering studies in 1930, and became active in the Association of Socialist Students thereafter. After the defeat of the Schutzbund and the dissolution of the Social Democratic Workers’ Party, Greif joined the KPÖ. Immediately after graduating from his studies, which were punctuated by arrests and convictions, he joined the International Brigades in their fight against Franco in Spain in 1937.21 Students of the TH in Vienna also participated in the National Socialist July Putsch 1934, in the course of which Chancellor Dollfuß was assassinated. At least 13 of them are named in the files; three of which, Franz Vogt, Karl Franke, and Karl Egner, participated in the armed attack on the Federal Chancellery.22 Approximately 100 students’ names can be identified who suffered disciplinary measures for “illegal” political activities (ranging from distributing flyers to high treason) before 1937. These included calls to order by the Dean or Rector, but also permanent exclusion from all Austrian universities. Often, those arrested also served a prison sentence. In the vast majority of cases, the students were charged for National Socialist activities. The Calm before the Storm The July Putsch in 1934 marked the end of the hottest phase of conflict at the TH in Vienna. Afterwards, assaults on fellow students and actionist propaganda

Hochschule angesetzten jährlichen „Hochschullager“,23 blieben untaugliche Mittel politischer Umerziehung. Insgesamt war die erzwungene relative Beruhigung der Situation an den Hochschulen nur eine oberflächliche. Die nationalsozialistischen Studenten formierten sich zunächst im Untergrund neu und nutzten ab 1936, nach dem Berchtesgadener Juliabkommen zwischen Hitler und Schuschnigg, den neuen Spielraum für „betont nationale“ Kräfte. Ebenso wurden unter den Beschäftigten illegale Strukturen („Betriebszellen“) aufgebaut, die eine rasche Übernahme der Hochschule ermöglichen sollten, sobald sich die Gelegenheit dazu ergeben würde. Es war aber wohl vor allem der zögerlichen wirt­ schaftlichen Erholung Österreichs zuzuschreiben, insbesondere dem sehr langsamen Abbau der im internationalen Vergleich enorm hohen Arbeitslosigkeit, die sich bald unvorteilhaft von dem wirtschaftlichen Aufschwung im benachbarten Deutschen Reich abhob, dass es dem Regime nicht gelang, an den Hochschulen Loyalität gegenüber dem „Ständestaat“ zu erzeugen. Der Bericht des abtretenden Rektors Böck vom Herbst 1937, nur wenige Monate vor dem „Anschluss“, machte sehr anschaulich deutlich, wie katastrophal die Lage an der TH in Wien „im neuen autoritär geführten Ständestaat“24 war: Nur der milde Winter habe die Verantwortlichen „vor beschämenden Kälteferien“ mangels Heizmöglichkeiten bewahrt. Die Beschwerden über den „Austausch von Glühlampen gegen solche mit geringerer Leuchtkraft“ zur „Einsparung von Beleuchtungskosten“ sowie die Abstellung eines Rektoratsbeamten zur Überprüfung der Sparvorschriften wurden ebenfalls erwähnt. Dass unter diesen Bedingungen die Zahl der Studierenden weiter gesunken (um 10  % gegenüber dem Vorjahr) und damit die Einnahmen der Lehrkanzeln aus den Kollegiengeldern weiter geschrumpft waren, passt genauso ins triste Bild wie die Einstellung der Arbeiten an den Labors für die neue Lehrkanzel für Anorganische und Analytische Chemie im Getreidemarkt-Komplex, trotz Zuteilung von Baukrediten in geringem Umfang.25 Die desolate Situation fasst Böck so zusammen: „In der

came more or less to an end. Measures by the regime, such as attendance at “patriotic” lectures, which had been mandatory since the term of 1936–37, or the “university camps”23 organised for the university staff every year since 1935, remained ineffectual means of political re-education. On the whole, the forced comparative calming of the situation at the universities remained superficial. The National Socialist students, who had initially reformed clandestinely, were able to make use of the new scope allowed for “emphatically nationalist” forces in 1936, after the Berchtesgaden Agreement in July. In the same vein, illegal structures (“operation cells”) were organised amongst the staff, aiming to facilitate the quick takeover of the university as soon as an opportunity presented itself. The fact that the regime was unable to generate loyalty for the Ständestaat at the universities, however, seems to be mainly due to the slow economic recovery of Austria, in particular the extremely slow reduction of unemployment in international comparison, which soon stood out unfavourably against the economic upturn in neighbouring Germany. Exiting Rector Böck’s report dating from autumn 1937, only a few months before the Anschluss, clearly illustrates the catastrophic situation at the TH in Vienna in the “new authoritarian Ständestaat”.24 Only the mild winter had saved the administration from “shamefully” having to close the university because of the cold for lack of heating. Complaints about the “exchange of light bulbs against less bright ones” to “save on lighting cost” as well as the delegation of a Rectorate official to check on austerity regulations are also mentioned. The number of students had decreased even more (by 10 % compared to the previous year) under these conditions meant a further dwindling of the Chairs’ income from academic fees, fitting in well with the sad picture that included the stopping of construction work on laboratories for the new Chair of Inorganic and Analytical Chemistry at the Getreidemarkt complex despite of the allocation of a small building loan.25 Böck summarises the desolate sit-

Finanzielle Auszehrung und politische Repression: Die Technische Hochschule in Wien im „Ständestaat“ 1933–1937  | 143

Tatsache, daß der Hochschulbetrieb trotz der seit einem Jahrzehnt sich häufenden Vakanzen in den Ordinariaten und trotz der seit nunmehr sechs Jahren fehlenden ordentlichen Dotationen noch immer zur Not sich aufrecht erhalten ließ, darf bei Gott nicht der Beweis erblickt werden, daß unser geistiges und materielles Besitztum früher übermäßig war und daß auch unter wesentlich und empfindlich geschmälerten Bedingungen die Hochschule ihr Leben weiter zu fristen und ihre Aufgaben klaglos zu erfüllen vermag. Lediglich der […] Bereitwilligkeit aller Angehörigen des Lehrkörpers und seinem hohen Idealismus ist es zu verdanken, daß ein Niederbruch sich bisher noch vermeiden ließ, dessen Reparaturkosten die früher,eingesparte‘ Summe wohl weit übersteigen würde.“26

uation as follows: “In the fact that the running of the TH could still barely be maintained despite chair vacancies having accumulated for a decade now, and in spite of the lack of proper funding for a full six years, can by no means be taken as proof that our mental and material property had been excessive before, or that the TH will be able to continue to survive and fulfil its tasks without complaint under conditions that are substantially and severely diminished. It is only due to […] the willingness of all members of the teaching staff and their high idealism that a collapse has thus far been avoided, the repair of which would probably be far more costly than the sum ‘saved’.”26

Anmerkungen/Notes 1 Vgl. zum Folgenden u. a. Höflechner, Baumeister, 390ff. 2 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 299–1931/32. Vgl. auch den Inaugurationsbericht 1932/33, Wien 1933, 7f. 3 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 299–1931/32. 4 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 458–1933/34. 5 Bericht über das Studienjahr 1935/36, Wien 1936, 5. 6 Inaugurationsbericht 1932/33, 7f; vgl. auch Juliane Mikoletzky, Vom Förderverband zur Absolventenvereinigung, Wien 1997, 33. 7 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1721–1933/34. 8 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 2007–1932/33. 9 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 281 und 730–1932/33. 10 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 29–1933/34. 11 Vgl. zu diesem Prozess: Gerhard Wagner, Von der Hochschülerschaft Österreichs zur Österreichischen Hochschülerschaft. Kontinuitäten und Brüche, Wien (Dipl.-Arb.) 2010, 92–106. 12 Zur Bestellung Marboes vgl. AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 14–1933/34. 13 Ebd. 14 Kurt v. Schuschnigg, Von Österreichs deutscher Sendung, in: Jahrbuch der Hochschülerschaft Österreichs 1934/35, Wien 1934, VII. 15 Wagner, Von der Hochschülerschaft Österreichs, 110. 16 AT TUWA, Rektoratsakten, Sammelakt Studentenunruhen 1933/34, RZl. 119–1933/34. 17 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 492–1933/34. 18 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 248–1933/34. 19 AT TUWA, Rektoratsakten, Sammelakt Studentenunruhen 1933/34. 20 Vgl. AT TUWA, Hauptkatalog der ordentlichen Hörer für das Studienjahr 1918/19, Matr.-Nr. 1352 (Quastler) und 1466 (Weissel). Zu Quastler vgl. auch AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1101–1933/34. 21 Paulus Ebner, Nicht im Ehrenbuch verzeichnet – Walter Greif, in: freihaus 28 (2013), 7f. 22 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1916–1933/34. 23 AT TUWA, Rektoratsakten, RZl. 1831–1935/36; 1300–1936/37. 24 Bericht über das Studienjahr 1936/37, erstattet vom abtretenden Rektor Ing. Dr. techn. Friedrich Böck, Wien 1937, 3. 25 Ebd., 4–8. 26 Ebd., 3f.

144 |  Juliane Mikoletzky, Paulus Ebner

VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN INDEX OF AUTHORS Mag. phil. Dr. phil. Paulus Ebner E010F – Universitätsarchiv Mag. phil. Dr. phil. Juliane Mikoletzky E010F – Universitätsarchiv

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren  | 145

BILDNACHWEIS PHOTO CREDITS COVER Foto: C. H. Hassack VORWORT DER REKTORIN Foto: © Raimund Appel EINLEITUNG Abb. 1: TU Wien, Universitätsarchiv; Abb. 2: TU Wien, Universitätsarchiv, Foto: Kobé; Abb. 3: TU Wien, Universitätsarchiv, Foto: E. Jiresch EXPANSION UND REFORMBEDARF Auftaktbild: TU Wien, Universitätsarchiv FORTSCHRITT MIT HINDERNISSEN Abb. 1- 5: TU Wien, Universitätsarchiv EIN KRIEG DER INGENIEURE? DIE WIENER „TECHNIK“ IM ERSTEN WELTKRIEG Abb. 1- 13: TU Wien, Universitätsarchiv VERDECKTER AUFSCHWUNG ZWISCHEN KRIEG UND KRISE Auftaktbild: TU Wien, Universitätsarchiv ÜBERGÄNGE UND RAHMENBEDINGUNGEN: DIE TH IN WIEN ZU BEGINN DER ERSTEN REPUBLIK Abb. 1–5: TU Wien, Universitätsarchiv; Abb. 6, 7: Grafik J. Mikoletzky POLITIK UND HOCHSCHULAUTONOMIE: LEHRENDE UND STUDIERENDE 1918—1925 Abb. 1-3: TU Wien, Universitätsarchiv; Abb. 4, 5: Grafik J. Mikoletzky; Abb. 6, 7: TU Wien, Universitätsarchiv

146 | Bildnachweis

IDEOLOGISCHE GRÄBEN – STUDIERENDE ZWISCHEN 1925 UND 1933 1–4a, 5–7: TU Wien, Universitätsarchiv; Abb. 4b: Archiv der Landespolizeidirektion Wien, Signatur: 507 - Demonstrationen Sozialistische Studenten WELTWIRTSCHAFTKRISE UND AUSTROFASCHISMUS Auftaktbild: TU Wien, Universitätsarchiv FINANZIELLE AUSZEHRUNG UND POLITISCHE REPRESSION: DIE TECHNISCHE HOCHSCHULE IN WIEN IM „STÄNDESTAAT“ 1933–1937 Abb. 1-5: TU Wien, Universitätsarchiv

200 JAHRE FORSCHUNG UND LEHRE.

„Die Presse“ gratuliert der TU Wien zu ihrem 200-jährigen Jubiläum.