Im Schatten der Eule: Die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien 9783205202325, 9783205201151

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Im Schatten der Eule: Die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien
 9783205202325, 9783205201151

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Technik für Menschen 200 Jahre Technische Universität Wien, herausgegeben von Sabine Seidler Band 12

Eva Ramminger (Hg.)

IM SCHATTEN DER EULE Die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien

IN THE SHADOW OF THE OWL The TU Wien University Library

2016 BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Ansicht der Universitätsbibliothek mit ihrer markanten Eckplastik. © TU Wien, Universitätsbibliothek © 2016 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co.KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, 1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Übersetzung: Word Up!, LLC Korrektorat: Kathrin Wojtowicz, Wien Graphisches Konzept: Büro mit Aussicht Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20115-1

INHALTSVERZEICHNIS TABLE OF CONTENT VORWORT DER REKTORIN FOREWORD FROM THE RECTOR

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VORWORT DER HERAUSGEBERIN FOREWORD FROM THE EDITOR

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Tradition und Innovation: Einblicke in den Bibliotheksalltag Between Tradition and Innovation: A Closer Look at the Library

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Gerhard Neustätter DIE BIBLIOTHEK BARRIEREFREI AN ACCESSIBLE LIBRARY

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Die Bibliothek als realer und virtueller Ort The Library – Both Real and Virtual

Peter Kubalek, Eva Ramminger DAS HAUS HINTER DER EULE: VON DER ANALOGEN ZUR ELEKTRONISCHEN BIBLIOTHEK THE HOUSE BEHIND THE OWL: FROM ANALOGUE TO ELECTRONIC LIBRARY

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Eva Ramminger, Silvia Reisinger, Astrid Böck „ICH LESE GERN!“ – EIN BERUF ZWISCHEN KLISCHEE UND WIRKLICHKEIT “I LOVE TO READ!” – A PROFESSION OF CLICHÉ AND REALITY

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Suchen und finden: Bibliothekskataloge als Mittler zwischen Bestand und Suchenden Searching and Finding: Library Catalogues as an Intermediary between Collection and Users Anna Wieser DER BIBLIOTHEKSKATALOG ALS VERSUCH EINER WISSENSORDNUNG LIBRARY CATALOGUES: ATTEMPTING A KNOWLEDGE SYSTEM

Birgit Bittner AUS DEN SCHÄTZEN DER BIBLIOTHEK: DIE SKIZZEN VON JOSEF KLIEBER FROM THE LIBRARY TREASURE TROVE: THE SKETCHES OF JOSEF KLIEBER

Doris Felder EINE VISION WIRD REALITÄT: DIE VIELEN SCHRITTE ZUR FACHBIBLIOTHEK FÜR CHEMIE UND MASCHINENBAU FROM VISION TO REALITY: THE MANY STEPS TO A CHEMISTRY AND MECHANICAL ENGINEERING LIBRARY 77 Helga Tschiedl EINE VISION BLEIBT (VORERST) VISION. VON DER STUDIENRICHTUNGSBIBLIOTHEK ZUR BAUBIBLIOTHEK – DIE GESCHICHTE EINER IDEE A VISION REMAINS A VISION (FOR NOW). FROM SPECIAL LIBRARY FOR URBAN DESIGN TO A JOINT LIBRARY FOR THE PLANNING AND CONSTRUCTION DISCIPLINES – THE HISTORY OF AN IDEA 83

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Inhaltsverzeichnis  | 5

Traum und Wirklichkeit: Die „optimale“ Forschungsbibliothek Vision and Reality: The “Ideal” Research Library

VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN

Helga Tschiedl, Fritz Neumayer „WENN DIE FEE MIR DAS ERFÜLLEN KÖNNTE …“ – DIE TRAUMBIBLIOTHEK DER PLANENDEN STUDIENRICHTUNGEN AN DER TU WIEN “IF A GOOD FAIRY WOULD GRANT MY WISH …” – THE DREAM LIBRARY OF THE PLANNING DISCIPLINES AT THE TU WIEN

6 | Inhaltsverzeichnis

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INDEX OF AUTHORS

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BILDNACHWEIS PHOTO CREDITS

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VORWORT DER REKTORIN FOREWORD FROM THE RECTOR Die Technische Universität Wien, gegründet am 6. November 1815 als k. k. polytechnisches Institut, feiert ihren 200. Geburtstag. Ihre institutionellen Wurzeln liegen im Bereich der militärischen und gewerblich-technischen Fachschulen, die in ganz Europa seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden. Hintergrund dieser Neugründungen war ein wachsender Bedarf der staatlichen Verwaltungen, des Militärs und der Wirtschaft an Fachkräften mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung. Heute sind wir eine moderne Forschungsuniversität. Mehr als 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, forschen und lehren an Österreichs größter naturwissenschaftlich-technischer Forschungs- und Bildungseinrichtung. Voraussetzung für eine weiterhin erfolgreiche Weiterentwicklung der TU im Spannungsfeld von Forschung, Lehre und Innovation ist ein Forschungsumfeld, das qualitativ hochwertige Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung gleichermaßen fördert. Diese Ausgewogenheit, fokussiert in fünf Forschungsschwerpunkten, ist aktuell unser Erfolgsrezept. Die Universitätsbibliothek ist zentrale Anlaufstelle für Forschende, Lehrende und Studierende gleichermaßen und unterstützt seit ihrer Gründung vor 200 Jahren die Aufgaben der Universität durch ihr bedürfnisorientiertes Angebot an Informationsressourcen und einen benutzerorientierten und effektiven Zugang zu ihren Services. Im Gleichklang mit der Entwicklung der TU Wien verändern sich auch die Anforderungen an ihre Bibliothek als proaktivem Teil des Wissensmanagements. Sabine Seidler Wien, im September 2015

The TU Wien, founded on 6 November 1815 as the k.k. polytechnisches Institut (Imperial Royal Polytechnic Institute), is celebrating its 200th anniversary. The roots of the institution are the military and commercial-technical vocational schools that have existed across Europe since the beginning of the 18th century. These schools were founded to address the growing need in public administration, the military, and economics for skilled workers with an educational background in technology and the natural sciences. Today, the TU Wien is a modern research university. More than 4,500 employees work, research, and teach at Austria’s largest institution for research and education in the natural sciences and engineering. A prerequisite for the continued success of the TU Wien’s further development in the fields of research, teaching, and innovation is a research environment that equally encourages high-quality fundamental and application-oriented research. This balance, focused in five main research areas, is our current recipe for success. The University Library is a central point of contact for researchers, teachers, and students alike. Since it was founded 200 years ago, its mission has been to support the goals of the university with needs-based information resources and efficient, user-oriented access to its ser­vices. Hand-in-hand with the development of the TU Wien, the requirements met by the library have also evolved – a proactive component of knowledge management. Sabine Seidler Vienna, September 2015

Vorwort der Rektorin | 7

VORWORT DER HERAUSGEBERIN FOREWORD FROM THE EDITOR 2015 feiert die Technische Universität Wien ihr 200-jähriges Jubiläum. Im Organisationsstatut des damaligen Polytechnischen Institutes war auch eine Bibliothek vorgesehen, doch waren die Ausmaße dieser ersten Einrichtung noch überschaubar. Als im Jahr 1818 das neue Gebäude am Karlsplatz bezogen wurde, fand die Bibliothek daher zunächst nicht in einer eigenen Lokalität, sondern in den Räumen der Direktionskanzlei Platz.1 Über die beiden Jahrhunderte wuchs sie jedoch zur größten naturwissenschaftlich-technischen Spezialbibliothek Österreichs heran und kann nun heuer nicht nur im Rahmen der Universität, sondern zugleich als Einzelinstitution ihr rundes Jubiläum feiern. Nach allgemeinem Verständnis gelten Bibliotheken als Institutionen, deren Aufgabe es ist, publiziertes Schriftgut zu dokumentieren, es für die Nutzung bereitzustellen und dauerhaft für die Nachwelt zu erhalten. Im Wesentlichen geht es dabei um die Aufbereitung und Weitergabe dieser kulturellen und geistigen Schöpfungen an die jeweils nachfolgenden Generationen – also um Tradition im wörtlichen Sinn. Die Bibliothek an der TU Wien war von Anfang weniger als Archiv-, sondern vielmehr als Studien- und Forschungsbibliothek konzipiert. In Verbindung mit den Zielsetzungen einer modernen Forschungsuniversität trägt sie heute dazu bei, eine optimale Versorgung der Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und der Studierenden mit der für Forschung und Lehre benötigten Literatur sicherzustellen. Dabei bilden zwar die genannten Aufgaben nach wie vor die Basis ihres Selbstverständnisses, doch findet gleichzeitig eine zunehmende Verlagerung ihrer Tätigkeit in Richtung „Vermitteln“ statt: Es geht in verstärktem Maße um die Schaffung von Zugängen zu Informationsressourcen sowie um das Vermitteln von Kenntnissen darüber, wie ein effizienter Umgang mit diesen Ressourcen die eigene Arbeit unterstützen kann.

In 2015, the TU Wien is celebrating its bicentennial. The organisational statute of what was then the Polytechnic Institute provided for a library, among other things, although the scale of the initial facility was quite small. When the institute moved into the new building at Karls­ platz in 1818, the library therefore wasn’t accommodated in separate premises, but in the administrative offices.1 Over the course of two hundred years, this small facility has grown into Austria’s largest science and technology library, and it is therefore admissible for it to celebrate its own bicentennial, along with that of the university. According to general consensus, libraries are institutions entrusted with documenting, making available, and conserving published writings for future generations. Essentially, their work is about processing cultural and intellectual creations and passing them on to the generations to come – i.e. about tradition in its literal meaning. From the very beginning, the TU Wien Library was conceived more as a study and research library than as a pure repository. In accordance with the goals of a modern research university, it now contributes to ensuring that scientists and students are optimally supplied with literature for research and teaching. While the above-mentioned tasks are still the foundations of its self-image, there is also a simultaneous shift of its activities towards “communication”, with an increasing focus on creating access to informational resources as well as on communicating knowledge about ways in which the efficient use of these resources can support academic work. Increasingly, the public is only vaguely aware of these fields of operation. This is essentially due to the fact that the most visible proof of activity for a library until now, i.e. assembling and maintaining an extensive collection of books, is far less concrete in an electronic context. One thing, however, is clear to everyone: The tasks of

Vorwort der Herausgeberin  | 9

Von der Öffentlichkeit werden diese neuen Einsatzgebiete allzu häufig nur mehr diffus wahrgenommen. Dies ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass der bislang sichtbarste Arbeitsnachweis einer Bibliothek, das Anlegen und die Pflege einer raumfüllenden Büchersammlung, in einem elektronischen Umfeld weit weniger anschaulich darstellbar ist. Eines ist jedoch allen klar: Die Aufgaben von Bibliotheken haben sich in der Zwischenzeit merklich verändert und die Wege und Prozesse der Informationsversorgung wurden erheblich ausgeweitet. Auch die Bibliotheken sind heute in vielfältiger Weise mit all jenen Herausforderungen beschäftigt, die die moderne Medienlandschaft an die Gesellschaft stellt. Und sie müssen selbst innovativ agieren, um sich gegenüber den Konkurrenten des freien Marktes zu behaupten. Daher investieren Bibliotheken, neben der Erfüllung traditioneller Kernaufgaben, viel zusätzliches Engagement in die Erarbeitung weiterführender Services mit dem Ziel, neue, bedarfsgerechte Unterstützungsleistungen für die Suche und Nutzung von Literaturquellen anbieten zu können. Der vorliegende Sammelband versucht nun, die verschiedenen Aspekte einer modernen technisch-naturwissenschaftlichen Spezialbibliothek zu präsentieren und beleuchtet zugleich die vielfältigen Entwicklungspfade, die Bibliotheken im Allgemeinen und die Bibliothek an der TU Wien im Besonderen in den vergangenen Jahrzehnten eingeschlagen haben. Gemeinsam mit Astrid Böck, Peter Kubalek und Silvia Reisinger bereiten wir im ersten Teil „Zwischen Tradition und Innovation“ den Boden für die nachfolgenden Beiträge und berichten über die wesentlichen Ereignisse, aber auch über die Veränderungen im bibliothekarischen Arbeitsleben innerhalb der letzten dreißig Jahre. Im zweiten Themenblock „Suchen und Finden“ stellen Anna Wieser, Birgit Bittner und Gerhard Neustätter den Bibliothekskatalog und dessen Nutzung in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. Dabei wird auch ein Blick in die Sammlungen gewährt, wobei hier nur ein singulärer, episodenhafter Ausschnitt auf ein universitätsgeschichtlich interessantes Stück präsentiert werden kann. Der dritte Abschnitt thematisiert

10 | Eva Ramminger

libraries have markedly changed over time, and the paths and processes for supplying and attaining information have expanded considerably. Libraries today address all the diverse challenges that the modern media landscape confronts society with. They also act in an innovative manner themselves, in order to hold their ground against the competition of the free market. This is why libraries invest so much extra effort in developing additional services that go beyond their traditional core tasks, aiming to provide new, needs-oriented support services for the location and use of literature sources. The volume in your hands is a collection of essays that attempts to present different aspects of this modern science and technology library, as well as highlighting the diverse paths that libraries in general, and the TU Wien Library in particular, have followed over the past decades. With Astrid Böck, Peter Kubalek, and Silvia Rei­ singer, the first article, “Between Tradition and Innovation” prepares the ground for the contributions to follow, reporting on the most important events and changes in library work over the past thirty years. In the second segment, “Searching and Finding”, Anna Wieser, Birgit Bittner, and Gerhard Neustätter focus on the library catalogue and its use. This also allows us a glimpse into the collections, although we are only able to present a single episodic detail here: a piece of interest to the university’s history. The third section focuses on the “Library as a Place” and questions the overall relevance of physical library space in the 21st century, as well as sketching the convoluted paths to the realisation of the library at the TU Wien. The last section takes the liberty of daydreaming, arguing against the neglect of traditional library infrastructures, even in the face of service concepts that are increasingly oriented towards a virtual world. The request to contribute our own volume to the TU Wien bicentennial festschrift was no small challenge for the library team. I am therefore all the more pleased that my predecessor, Hofrat Dr. Peter Kubalek, and several colleagues spontaneously and wholeheartedly volunteered to collaborate. I would like to thank them in par-

die „Bibliothek als Ort“, stellt die Frage nach der Relevanz physischer Bibliotheksräume im 21. Jahrhundert und schildert die verschlungenen Pfade zu ihrer Realisierung an der TU Wien. Der letzte Teil verlegt sich aufs Träumen und bezieht Stellung dafür, auch angesichts zunehmend virtuell ausgerichteter Servicekonzepte, traditionelle Bibliotheksinfrastrukturen nicht zu vernachlässigen. Der Aufruf, an der Festschrift der TU Wien mit einem eigenen Teilband beizutragen, bedeutete für das Team der Bibliothek eine nicht unerhebliche Herausforderung. Umso mehr freut es mich, dass sich sowohl mein Vorgänger, HR Dr. Peter Kubalek, als auch einige Kolleginnen und Kollegen spontan zu einer Mitarbeit bereiterklärt haben. Mein Dank gilt daher insbesondere ihnen und der Tatsache, dass sie dieses Thema mit viel Engagement aufgegriffen und bearbeitet haben. Dr. Juliane Mikoletzky und Dr. Paulus Ebner kümmerten sich als Redaktionsteam um die redaktionelle und organisatorische Umsetzung dieses Vorhabens. Ihre Unterstützung ging zeitweise weit über den ursprünglichen Auftrag hinaus und ich bin sehr dankbar, dass dies möglich war. Abschließend geht ein großer Dank an das Rektorat der TU Wien, das durch die ideelle und vor allem auch finanzielle Unterstützung die Drucklegung des Bandes ermöglichte.

ticular for having addressed the subject with such commitment. The editing team, Dr. Juliane Mikoletzky and Dr. Paulus Ebner, took the editing and the organisational implementation of the project upon themselves. Their support far exceeded the original assignment, and I am very grateful that they made this possible. In closing, I would like to thank the Rectorate of the TU Wien for its moral and material support in the production of this volume. Vienna, September 2015 Eva Ramminger

Anmerkung/Note 1 Zahlreiche Hinweise in diesem und in den folgenden Beiträgen zur Geschichte der TU Wien und ihrer Bibliothek stammen von der Archivarin der TU Wien, Dr. Juliane Mikoletzky, der an dieser Stelle sehr herzlich gedankt sei!

Wien, im September 2015 Eva Ramminger

Vorwort der Herausgeberin  | 11

Peter Kubalek, Eva Ramminger

DAS HAUS HINTER DER EULE: VON DER ANALOGEN ZUR ELEKTRONISCHEN BIBLIOTHEK THE HOUSE BEHIND THE OWL: FROM ANALOGUE TO ELECTRONIC LIBRARY Die Universitätsbibliothek der TU Wien ist mit ihrer markanten Eckplastik ein weithin sichtbarer Signalbau und unterstreicht damit die prominente innerstädtische Lage des Campus am Karlsplatz. Diese Aufmerksamkeit wurde ihr nicht in die Wiege gelegt. Die Anfänge der Bibliothek waren zunächst bescheiden, doch wuchs der Bestand rasch an und so erwies sich diese Wiege schon bald als viel zu klein. Es zeigte sich, dass das Thema Raum in der Nachfolgezeit eine dauerhafte Konstante bleiben sollte, denn auch nach mehrmaligem Umzug innerhalb des Hauptgebäudes der Universität waren die verfügbaren Raumressourcen jeweils rasch wieder erschöpft. Dies änderte sich erst im Jahr 1987 durch einen eigenen Neubau. Mit diesem Schritt gelang es nicht nur, dieses Dauerproblem zu lösen, der langwierige Umsetzungsprozess führte auch zu einer grundlegenden Neupositionierung der Bibliothek innerhalb des Campus.

The TU Wien University Library, with its distinctive corner sculpture of an owl, is a highly visible signature building that emphasises the prominent inner-city location of the Karlsplatz campus. However, the library itself was not accorded such notice from the very beginning. Its start was humble, but the inventory quickly grew and its premises soon proved much too small. It became apparent that the issue of space was to remain a constant problem over the years. Even after several relocations within the university’s main building, it soon outgrew the available spatial resources each time. This didn’t change until 1987, when it got its own new building. This step not only succeeded in resolving the ongoing space issue, its drawn-out implementation process also brought about a fundamental repositioning of the library within the campus.

Die Ausgangssituation: ein neues Gebäude für die Bibliothek

In the beginning, there was a scathing verdict: “[The library at the Vienna TH] is amongst the most destitute in Austria. There is a dire lack of shelf space and reading areas, no wardrobes, and its interior furnishings are incompatible with a university of modern technology.”1 The advisory board for libraries, which passed this judgement in 1965, had been appointed roughly a decade earlier as an advisory body to the Federal Ministry of Education, and had already pointed out a number of times that the library facilities had long been unable to keep up with current developments – in particular the upsurge of uni-

Am Anfang stand ein vernichtendes Urteil: „[Die Bibliothek an der Technischen Hochschule Wien] gehört zu den am meisten notleidenden Bibliotheken Österreichs. Es herrscht äußerste Knappheit an Magazinsräumen, Leseplätzen, es gibt keine Garderobe, die Innenausstattung ist unvereinbar mit einer Hochschule, an der moderne Technik gelehrt wird.“1 Der Beirat für Bibliothekswesen, der dieses Urteil im Jahr 1965 fällte, war etwa ein

The Starting Point: A New Building for the Library

Das Haus hinter der Eule: Von der analogen zur elektronischen Bibliothek   | 13

Abbildung 2: Büchermagazin am alten Bibliotheksstandort Karlsplatz, ca. 1985 Figure 2: Library stacks at the former location of the library in the TU main building, ca. 1985

Abbilding 1: Bibliotheksrohbau mit eingerüsteter Säule, 1985 Figure 1: Library shell, with scaffolded column, 1985

Jahrzehnt früher als Beratungsgremium für das damalige Bundesministerium für Unterricht eingesetzt worden und hatte bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ausstattung der Bibliotheken längst nicht mehr mit den aktuellen Entwicklungen – insbesondere dem Aufschwung des Universitätswesens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sowie den Auswirkungen der wachsenden Literaturproduktion – Schritt halten konnte. Dieser Beirat hatte nun eine Studie in Auftrag gegeben mit dem Ziel, den Erhaltungszustand der Universitätsbibliotheken, die damals noch direkt dem Bundesministerium unterstellt waren, zu dokumentieren und entsprechende Entwicklungsszenarien zu skizzieren. Für den Fall der Bibliothek an der Technischen Hochschule Wien wurde konkret empfohlen: „Die Raumprobleme dieser Bibliothek können nur durch einen vollkommenen Um- und Erweiterungsbau gelöst werden […].“ Es dauerte zwar einige Jahre, doch schließlich war es so weit: 1987 wurde der Neubau der Öffentlichkeit übergeben. Dieser Zeitpunkt markierte zweifelsohne einen der Höhepunkte in der Direktionszeit von Josef Wawrosch,

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versities after the end of World War II and the effects of a growing production of literature. The advisory board then commissioned a study in order to document the maintenance of university libraries – which were then still directly subordinate to the Federal Ministry – and to outline suitable scenarios for their development. In the case of the library at the TU Wien, its specific recommendation was as follows: “The problems of space in this library can only be resolved with a complete reconstruction and expansion […]” Although it took some years, in the end the time had finally arrived: In 1987, the new building was opened to the public. This date undoubtedly marks one of the high points of the era of Josef Wawrosch as Library Director, who had taken over from his predecessor Walter Ritzer ten years earlier, and had been confronted with the task of implementing the building project, which had finally entered the concrete planning stage, right after taking up his duties. Finally realised, the new building marked a caesura in the library’s history2 and permanently changed its external perception. It also finally made it possible to respond to innovations in library systems. First, however, the problems of a new construction had to be solved, and changes in the entire library system had to be con-

Abbildung 3: Josef Wawrosch, Bibliotheksdirektor von 1977–1992 Figure 3: Josef Wawrosch, Library Director 1977-1992

Josef Wawrosch (1931–1999)

Josef Wawrosch (1931–1999)

Hofrat Dr. Josef Wawrosch (1931–1999) war von 1977 bis 1992 Bibliotheksdirektor an der TU Wien. Geboren in Wien, promovierte er 1973 an der Universität Innsbruck im Fach Geschichte und Kunstgeschichte. 1955 begann er seine bibliothekarische Laufbahn an der Österreichischen Nationalbibliothek, 1959 arbeitete er an der Bibliothek des Österreichischen Kulturinstituts in Rom, 1962 und 1972 folgten längere Aufenthalte am Österreichischen Kulturinstitut in Paris. Am 1.  Jänner  1977 übernahm er das Amt des Bibliotheksdirektors der TU Wien.

Hofrat Dr. Josef Wawrosch (1931–1999) was the Director of the TU Wien Library from 1977 to 1992. He was born in Vienna and completed his Doctorate in History and Art History at the University of Innsbruck in 1973. In 1955, he began his career as a librarian at the Austrian National Library. In 1959, he worked at the library of the Austrian Cultural Institute in Rome, followed by extended stays at the Austrian Cultural Institute in Paris in 1962 and 1972. On 1 January 1977, he assumed the office of Library Director at the TU Wien.

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der zehn Jahre zuvor die Leitung der Bibliothek von seinem Vorgänger Walter Ritzer übernommen hatte und bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt mit dem Auftrag der Umsetzung des nun endlich konkret werdenden Bauprojektes konfrontiert wurde. Der schließlich realisierte Neubau markierte eine Zäsur in der Geschichte der Bibliothek2 und veränderte ihre Außenwahrnehmung dauerhaft. Auch konnte sie endlich adäquat auf Neuerungen im Bibliothekswesen reagieren. Jedoch galt es zunächst, die Problemstellungen eines Neubaus und der damit unmittelbar einhergehenden Änderungen im Gesamtsystem Bibliothek zu lösen. Als besondere Herausforderung stellte sich hierbei der Wechsel von einer traditionell geführten Magazinbibliothek zu einer Einrichtung mit einem weitgehend für Benutzerinnen und Benutzer zugänglichen, direkt vom Regal ausleihbaren Medienbestand im Sinne einer sogenannten Freihandbibliothek heraus. Dieses auf dem Prinzip des sog. „open plan“ – also einem für Gestaltungsvarianten und Veränderungen offenen Planungsgrundsatz – basierende Raumkonzept3 führte zu einer kompletten Neuaufstellung und berührte in der Folge alle internen Arbeitsabläufe. Diese umwälzenden Arbeiten blieben letztlich auch der Öffentlichkeit nicht ganz verborgen. So fasste Wawrosch noch ein Jahr später den Zustand trotz unterschwelliger Freude über den Neubau mit einem eher nachdenklich klingenden Satz zusammen: „Die Benutzung der Bibliothek ist weiterhin für einen Großteil der Benützer sehr schwierig […].“4 Die Organisation des Bibliothekswesens in den 1980er-Jahren

Abbildung 4 : Elektronische Datenerfassung, 1978 Figure 4: Electronic data capture, 1978

fronted. A particular challenge proved to be the change from a traditionally operated closed-shelf library to an institution with a stock of media mainly accessible to users, with books and other materials being borrowed directly from the shelf, in an open access library system. This spatial concept based on the principle of open plan – i.e. a planning principle open to design variations and changes3 – led to a completely new arrangement that consequently influenced all internal work routines. These sweeping measures ultimately did not remain entirely hidden from the public, and Wawrosch summarised the status quo a year later with a rather pensive statement, in spite of his underlying delight with the new building: “Using the library continues to prove very difficult for most users […].”4 The Organisation of the Library System in the 1980s

Der Bibliotheksalltag jener Zeit war noch stark geprägt von traditionellen Arbeitsstrukturen, die sich am analogen Medium, also dem gedruckten Buch und der gedruckten Zeitschrift orientierten. Zwar gab es an der TU Wien bereits erste Versuche der elektronischen Datenerfassung im Bereich der Inventarisierung, wo man 1978 auf elektronische Dateneingabe umgestiegen war.5 Zwar

The library routine in those days was still marked by traditional working structures fitted to analogue media, i.e. printed books and printed journals. In fact, initial attempts at electronic data recording were made at the TU Wien in the field of cataloguing, where the switch to electronic data entry was made in 1978.5 A year prior to

hatte bereits ein Jahr zuvor die Bibliothek mit dem Auf-

that, the library began investing in a technical infrastruc-

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bau einer technischen Infrastruktur begonnen, die erste Fernverbindungen zu elektronischen Datenbankanbietern – insbesondere in den USA – ermöglichten,6 doch unveränderlicher Dreh- und Angelpunkt des bibliothekarischen Tagesgeschäfts blieb weiterhin der Zettelkatalog. Fast alle Arbeitsabläufe – von der Medienauswahl bis zur endgültigen Bereitstellung für eine nachfolgende Nutzung – bezogen sich auf diesen Kernprozess. Für die Benutzerinnen und Benutzer ermöglichten die Kataloge schließlich den einzigen Sucheinstieg in das Literaturangebot an der TU Wien. Mit der Aufnahme des regulären Betriebes im Neubau wurde es endlich möglich, neue Servicekonzepte einzuführen und damit das Angebot an Dienstleistungen entscheidend zu modernisieren. Der ausschlaggebende Impulsgeber war hierbei der Wechsel zu einer Freihandbibliothek. Die fachlich gegliederte Aufstellung der Bücher erlaubte erstmals ein „Browsen“ am Regal. Dafür wurde in Anlehnung an das Modell der TU München eine neue Aufstellungssystematik entwickelt und für die Forschungsschwerpunkte der TU Wien adaptiert. Zusätzlich war ausreichend Platz eingeplant, um größere Kopierstationen sowie eine 50.000 Bände umfassende Lehrbuchsammlung einzurichten. Die Bibliothek geriet durch das neue – und aufgrund seines auffälligen Fassadenschmuckes durchaus kontrovers diskutierte – Gebäude mit einem Schlag von ihrem früheren, eher versteckten Standort im Mitteltrakt des Hauptgebäudes der TU Wien in eine ausgesprochen exponierte Lage. Hier war nun ein umfangreicher Bestand an Büchern und Zeitschriften einsehbar. Tatsächlich handelte es sich jedoch nur um etwa die Hälfte der an der TU Wien damals verfügbaren Literatur. Der Rest befand sich nach wie vor in etwa hundert unterschiedlich großen Bibliotheken, die sich auf die Institute und Fachbereiche der Universität verteilten. Diese Einheiten befanden sich teilweise an sehr dislozierten Standorten und agierten hinsichtlich Literaturauswahl, Ankauf und fachlicher Betreuung organisatorisch und rechtlich weitgehend autonom. Das bedeutete unter anderem auch, dass die Medienbestände nur teilweise katalogisiert und

Abbildung 5: Freihandbereich in der neuen Bibliothek, Zustand vor Möblierung, 1987 Figure 5: The new library, situation before furnishing, 1987

ture that allowed the first long-distance connections to electronic database providers – in particular in the USA.6 Nonetheless, the constant lynchpin of day-to-day library routines remained the card index. Nearly all processes – from the choice of media to the end supply to users – were related to this core process. For users, the catalogues were the only point of entry for searches in the literature stock made available by the TU Wien. With the start of regular operations in the new building, it finally became possible to introduce new service concepts, which meant a decisive modernisation of the services offered. The main stimulus for this was the change to an open-access library. The subject-related shelving of books enabled users to browse the stacks themselves for the first time. A new shelving system was developed, modelled after the one at the TU Munich and adapted to the core research areas of the TU Wien. In addition, the plan allowed for enough space to install larger copying stations and a textbook library containing 50,000 educational volumes. With its new – and, due to its conspicuous façade decoration, rather controversially discussed – building, the library moved from its earlier, rather hidden location in the central wing of the TU Wien main building to a markedly exposed position in a single stroke. Users were now

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durch individuelle Zugangsregelungen schwer einsehbar waren. Mit dem Universitätsgesetz 1975 (UOG 75) wurde nun der Rahmen für eine stärkere Zentralisierung der bibliothekarischen Verwaltung geschaffen: Die neue rechtliche Grundlage sah unter anderem vor, dass die Bibliotheken an den Universitäten zwar organisatorisch dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zugeteilt blieben, aber nun neu (in der Rolle einer „Hauptbibliothek“) den Status einer „besonderen Universitätseinrichtung“ erhielten. Die Institutsbibliotheken sollten zu Fach- und Fakultätsbibliotheken zusammengefasst und den Hauptbibliotheken administrativ unterstellt werden.7 Dass dies an den Universitäten nicht nur Zustimmung hervorrufen würde, war vorhersehbar und so wurde dieser Aspekt des UOG 75 selbst von bibliothekarischer Seite her eher kritisch kommentiert: „Der Professor, dem bisher eine eigene Bibliothek nur für seine Lehrkanzel zur Verfügung stand, wird es auf jeden Fall als Verschlechterung der Leistung ansehen, wenn sich die Zahl derer, die berichtigt sind, auch seine Buchbestände zu benützen, vervielfacht, von einer räumlichen Zusammenlegung kleinerer Einheiten und dem damit verbundenen Wegrücken aus der unmittelbaren Nähe des Arbeitszimmers gar nicht zu reden!“8 Da die Umsetzung darüber hinaus keine zusätzlichen Personalstellen vorsah, wurde das ambitioniert geplante Vorhaben an den Universitäten letztlich nur teilweise realisiert. Aber es gab auch motivierende Verläufe: So wurde an der TU Wien bereits 1973 auf Betreiben der Professorenschaft die Chemiebibliothek gegründet.9 Im gleichen Jahr vereinten die Institute für Geodäsie (Fach Vermessungswesen) ihre Bestände zu einer zentralen Institutsbibliothek. Mit dem Umzug der Bibliothek 1987 in den Neubau übernahm man gleichzeitig die Betreuung der Bibliothek des Instituts für Städtebau und die Fachbereiche der Informatik entschlossen sich, die Einrichtung eines Sammelschwerpunktes im neuen Bibliotheksgebäude zu unterstützen. Schließlich wurde 1994 nach mehrjährigen Vorarbeiten die neue Fachbibliothek für Mathematik und Physik eröffnet.10

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able to access a large inventory of books and journals in the new library. In fact, however, this constituted only about half the literature available at the TU Wien at the time. The rest still remained in the around one hundred libraries of different sizes spread amongst the institutes and faculties of the university. Some of these units were in remote locations and acted largely autonomously in choosing and purchasing literature and in management, both organisationally and legally. This also meant that the media inventories were not fully catalogued and were difficult to access due to the different access policies. The 1975 University Act (UOG 75) created the framework for a centralisation of library management: This new legal basis now stipulated that libraries at universities remain attached to the Federal Ministry of Science and Research, but were now awarded a new status that of a “main library” and a “special university facility”. The departmental libraries were combined into specialised faculty libraries and administratively subordinated to the main libraries.7 It came as no surprise that this measure did not meet with the unanimous approval of the universities, and this aspect of the UOG 75 was commented on critically, even by librarians themselves: “The professor who so far had his own library for his chair will definitely regard it as a change for the worse when the number of those entitled to use his books multiplies, not to mention the spatial combination of smaller units, and the distance this involves compared to having it in the immediate vicinity of his office!”8 As the implementation also failed to provide for additional personnel, the ambitiously planned project was finally only partially implemented by the universities. However, there were also several more motivating developments: As early as 1973, the Library of Chemistry at the TU Wien was founded at the instigation of its professors.9 In the same year, the Geodesy institutes united their inventories into a central departmental library. The relocation of the library into the new building in 1987 was combined with the transfer of the Institute of Urban Design’s inventory into the main library’s man-

Die schrittweise Modernisierung des Bibliothekswesens „Leider steht im neuen Bibliotheksgebäude von Anfang [an] keine ADV-Unterstützung zur Verfügung, doch wurde vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung eine Ausschreibung für ein Integriertes Bibliothekssystem durgeführt, das schrittweise ein Bibliotheksnetz in Österreich verwirklichen soll.“11 Manche Entwicklungen schienen die Planer etwas überrascht zu haben! Die Umzugs- und Einrichtungsarbeiten waren noch nicht abgeschlossen, als durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung der Zuschlag für ein neues Verwaltungssystem erfolgte. Doch bereits wenige Tage vor der Eröffnung wechselte die TU Wien nun als eine der ersten Anwenderinnen in das neue Bibliotheksorganisationssystem BIBOS. Die gewählte Software war zuvor, seit den 1980er Jahren, zunächst von der damaligen Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien entwickelt worden12 und wurde später von einem kommerziellen Anbieter für den österreichischen Bibliothekenverbund übernommen, vertrieben und weiterentwickelt. Den Schwung der Neuerungen aufnehmend, nützte man den Zeitpunkt, um parallel dazu auch in der formalen und inhaltlichen Katalogisierung der Bücher und Zeitschriften auf ein modernes, auf internationalen Standards basierendes Regelwerk umzusteigen.13 Nun hatte wirklich ein neues Zeitalter begonnen! Um diesen Ablöseprozess noch weiter zu beschleunigen, wurden die bislang gültigen Kartenkataloge verfilmt und über das neue Medium Mikrofiches zugänglich gemacht. Damit erreichte man einen für damalige Verhältnisse fast schon als ideal zu bezeichnenden Zustand: Der bislang als räumlicher Monolith geführte Katalog wurde multiplizierbar und aufgrund des relativ geringen Platzbedarfs als Mikroform nun auch an Orten außerhalb der Bibliothek verfügbar. Zwar waren spezielle Lesegeräte notwendig, um die einzelnen „Fiches“ lesen zu können, doch war dies der erste Schritt von der „fast gewichtslose[n] Karteikarte, deren Lesen und Finden im Katalog noch an eine

Abbildung 6: Erfassung von Neuzugängen mit dem neuen Bibliotheksorganisationssystem BIBOS, 1989 Figure 6: Processing of new acquisitions with the new library organisation system BIBOS, 1989

agement, and the Informatics departments decided to support the establishment of a dedicated collection in the new library building. Finally, in 1994, the new specialised library of Mathematics and Physics opened after several years of preparation.10 The Gradual Modernisation of the Library System “Unfortunately, the new library building did not offer data processing support from the start, but the Federal Ministry of Science and Research issued a tender for an integrated library system which is to gradually create a library network in Austria.”11 Some developments, however, seem to have caught the planners off guard! Relocation and installation had not yet been completed when the Federal Ministry of Science and Research awarded the contract for a new administration system. Only a few days before the opening, the TU Wien switched to the new BIBOS library organisation system, thus becoming one of its first users. The software chosen had been developed in the 1980s by the Social Sciences Study Library of the Viennese Chamber of Labour,12 and was later adopted, distributed, and developed for the Austrian

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gewisse räumliche und taktile Erfahrung gebunden war, […] zur gewichtslosen, allseits abrufbaren Information.“14 Leider stellte sich bald heraus, dass das neue Medium durch seine Fragilität den Ansprüchen des Alltags nicht gerecht wurde. Somit rückte es – auch aufgrund der Tatsache, dass parallel dazu die Inhalte des elektronischen Katalogs stetig anwuchsen – bald wieder in den Hintergrund. Die erste Phase der Umstellung der Verwaltungsprozesse auf EDV endete mit der Einführung des elektronischen Entlehnsystems „aLF“ (allegro Leih-Funktion)15 mit Beginn des Studienjahrs 1995/96. Dabei handelte es sich um ein spezielles Modul des Bibliothekssystems allegro-C, das von der Technischen Universität Braunschweig entwickelt und später an manchen Standorten der BIBOS-Systemlandschaft im Bibliothekenverbund übernommen wurde. Damit war nun auch der papierene Entlehnschein Geschichte geworden und die Bestellung und Ausleihe von Medien direkt im System möglich. In den Jahren danach erfolgten zahlreiche Verbesserungen im Detail, die im Laufe der Zeit auch noch weitere interne Arbeitsbereiche erfassten. Der mit dem Bibliotheksneubau ausgelöste Modernisierungsschub und die Ereignisse der nachfolgenden Jahre führten bald zu einem Nachdenken darüber, wie man sich gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern generell in Zukunft präsentieren wollte. „Die Aufgaben der Bibliothek angesichts der immer mehr an Bedeutung gewinnenden neuen Informationsmedien […] werden sich ändern müssen“, konstatierte Peter Kubalek, der 1992 Josef Wawrosch als Bibliotheksdirektor nachgefolgt war, und verwies damit auf eine zentrale Herausforderung der zukünftigen Bibliotheksarbeit. Veränderte Rahmenbedingungen … Die neuen Informationsmedien und die damit einhergehende Virtualisierung des wissenschaftlichen Informationsangebots begründeten eine nachhaltige Veränderung im Verhältnis zwischen der Bibliothek und ihren Leserinnen und Lesern. Vor allem betraf dies die Art und Weise, in der die angebotenen Dienstleistun-

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library consortium by a commercial provider. Using the impetus of these innovations, the moment was seized to switch to modern formal and content cataloguing rules for books and journals, based on international standards.13 A new age had truly begun! In order to expedite this conversion process, the card catalogues valid up until then were filmed and made accessible on a new medium, microfiche. This led to a nearly ideal state for the conditions of the time. It was now possible to copy the catalogue, which had up until then been managed as a spatial monolith. Because of the relatively low spatial requirements of microfiche, the index also became available at locations outside of the library. Although special reading devices were necessary to read the individual “fiches”, this was the first step away from “nearly weightless catalogue cards, the reading and finding of which was still bound to a certain spatial and tactile experience […] towards fully weightless and universally available information.”14 Unfortunately, it soon became apparent that the new medium was not up to the demands of everyday use, due to its fragility. Therefore – and also because at the same time, the content of the electronic catalogue was quickly growing – it soon faded into the background. The first phase of the transfer of administrative processes into IT was completed with the introduction of the electronic library circulation system “aLF” (allegro loan function)15 at the start of the 1995/96 academic year. It was a special module of the allegro-C library system that had been developed by the Technical University of Braunschweig, which was later adopted by several locations within the BIBOS system landscape in the Library Association. This new system relegated paper loan forms to history, and circulation requests and the individual loans of media could now be done directly in the system. Over the following years, many detailed improvements were made that, over time, extended to include other internal operations. The modernisation push triggered by the new library building and the events of the following years soon led to a reflection on how to present the library to its users

Abbildung 7: Gruppenarbeitsplätze in der Hauptbibliothek Figure 7: Workspace for team work in the main library

gen genutzt wurden: Durch die zügige Einarbeitung der Medienbestände in die elektronischen Kataloge und durch vermehrten Ankauf und Lizenzierung von elektronischen Informationsquellen war ab den 1990er-Jahren ein attraktives Angebot über den Online-Katalog nutzbar geworden. Die Kartenkataloge standen noch sichtbar in den Publikumsbereichen, aber es wurde immer weniger notwendig, die Bibliothek für die Literaturrecherche persönlich aufzusuchen. Die Jubelmeldung „Die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien hat in der zweiten Jahreshälfte 1994 einen Buchbestand von 1 Million Bänden erreicht“16 zeigt zwar, wie nachhaltig sich das gedruckte Buch in der Öffentlichkeit (aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) als „Hart-

in the future. “The tasks of the library will have to change […] given the ways in which the new information media are gaining in importance,” stated Peter Kubalek, who had succeeded Josef Wawrosch as a Library Director in 1992, pointing out a key challenge of future library work. Changing Frameworks … The new information media, and along with them, the virtualisation of scientific information caused a lasting change in how the library and its readers interact, mostly relating to the way in which its services are used. Due to the speedy incorporation of media items into electronic catalogues, and to the increased acquisition and licensing of electronic sources of information, an attractive selection was made available through the online catalogue starting in the 1990s. The card catalogues were

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währung“ im Bibliotheksalltag behauptete. Doch war im Hintergrund der Umstieg auf die elektronische Informationsversorgung längst im Gang. Die fortschreitende globale Vernetzung der Forschungs-Community, die Entwicklungen am wissenschaftlichen Publikationsmarkt, die diesem Trend nachfolgten und ihr Angebot ebenfalls digital zur Verfügung stellten, machten eine schrittweise Anpassung der Ankaufsstrategien erforderlich. Die Bibliothek konzentrierte sich nun schwerpunktmäßig darauf, den zügigen Ausbau der elektronischen Dienstleistungen voranzutreiben. Ziel war es, den Anschluss an die kommerziellen Angebote des Marktes nicht zu verlieren und sich bei den Benutzerinnen und Benutzern auch weiterhin als bewährter Bibliotheksdienstleister zu positionieren.

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Abbildung 8: Neue Gruppenarbeitsräume in der Hauptbibliothek, 2015 Figure 8: New meeting rooms for team work in the main library, 2015

still visible in the public areas, but it became less and less necessary to visit the library in person for literature research. However, the celebratory announcement that: “The book inventory of the TU Wien University Library has reached 1 million volumes in the second half of 1994,”16 shows that the printed book maintained its position in the public view (and also with the staff) as the “hard currency” of library routine. But in the background, the changeover to an electronic provision of information had long since begun.

Abbildung 9: Peter Kubalek, Bibliotheks­ direktor von 1992 bis 2009 Figure 9: Peter Kubalek, Library Director 1992–2009

Peter Kubalek (*1945)

Peter Kubalek (*1945)

Hofrat Mag. Dr. Peter Kubalek (*1945) war von 1992 bis 2009 Bibliotheksdirektor der TU Wien. Kubalek studierte Katholische Theologie und promovierte 1973 an der Universität Wien. In den Bibliotheksdienst trat er im Jahr 1973 an der dortigen Universitätsbibliothek ein, danach wechselte er an die Bundesstaatliche pädagogische Akademie beim Landesschulrat Niederösterreich in Baden und übernahm die Leitung der Bibliothek. Mit Dezember 1992 folgte er Josef Wawrosch auf die Stelle des Bibliotheksdirektors an die TU Wien.

Hofrat Mag. Dr. Peter Kubalek (*1945) was the TU Wien’s Library Director from 1992 to 2009. Kubalek studied Catholic Theology, graduating from the University of ­Vienna with a PhD in 1973. He entered the library service in 1973, at the University Library there, and later moved to the Federal Academy of Pedagogy at the Lower Austrian school board in Baden as Director of the local library. He succeeded Josef Wawrosch as Library Director at the TU Wien in December 1992.

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… erfordern neue Servicekonzepte für eine moderne Bibliothek Die bereits erwähnte Neuausrichtung manifestierte sich ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Das Dienstleistungsangebot löste sich allmählich von jenem einer ausschließlich ortsgebundenen und mit klassischen Angeboten ausgestatteten Institution und verlagerte sich zunehmend in den virtuellen Raum. Rasch erkannte die Bibliothek die Potentiale des Internets: 1995 startete sie mit einer eigenen Homepage und unmittelbar danach begann sie, neben den Katalogdaten auch Teile ihres Bestandes ins Netz zu stellen. Waren es zunächst die Inhalte der abonnierten Zeitschriften, so wurden diese Angebote bald durch die Lizenzierung von elektronischen Büchern (E-Books) ergänzt. 2002 wurde an der TU Wien eine Datenbank zur Erfassung der wissenschaftlichen Publikationen der Universitätsangehörigen (die sog. Publikationsdatenbank) in Betrieb genommen.17 Sie diente der Universitätsleitung primär für Evaluierungszwecke, gleichzeitig stellte sie (bzw. stellt sie noch heute) eine umfassende Dokumentation der publizierten Forschungsergebnisse der TU Wien dar. Für die Bibliothek wurde diese Datenbank zu einer zentralen Ressource für die Übernahme dieser wichtigen Nachweise in den eigenen Katalog. Ergänzt wurde das Angebot durch das von der Bibliothek entwickelte Service TU-Diss.online, das 2003 in Produktion ging18 und zunächst die Dissertationen der TU Wien, ab 2006 auch die Diplomarbeiten mit elektronischem Volltext zugänglich machte. 1999 war es notwendig geworden, das Bibliothekssystem auf eine neue Software zu migrieren. Man wählte das System Aleph 50019 der Firma Ex Libris, das nun im Bibliothekenverbund schrittweise den Vorgänger BIBOS ablöste. Der Zugang zum Online Public Access Catalog und zu den sonstigen Bibliotheksdienstleistungen war jetzt direkt über das Internet möglich. Es verbesserten sich die Funktionalitäten der Benutzerführung (so erfolgte seit 1999 die Kommunikation auf Basis des elektronischen Mailverkehrs), die Verwaltung des individuellen Bibliothekskontos, die Suchfunktionalitäten im Katalog, wie

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Progressive global networking of the research community, developments in scientific publications following this trend, and also making publications available in digital form as well, necessitated a gradual adaptation of acquisition strategies. The library now focused on pressing ahead with the expansion of its electronic services. Its aim was to keep in touch with the commercial offers on the market, while still maintaining its position as a reliable library service with its users. … Require New Service Concepts for a Modern Library The new focus mentioned earlier became manifest in the second half of the 1990s. Services slowly moved from an exclusively local institution with traditional lending into virtual space. The library quickly understood the potential of the internet: In 1995, it launched its own website, and began immediately afterwards to publish not only its catalogue metadata but also parts of its inventory online. While this first meant mainly the content of its journal subscriptions, it was soon complemented by e-book licensing. In 2002, the TU Wien launched a database compiling its staff’s scientific publications (the publication database).17 It was primarily intended for evaluation purposes by the university administration, but at the same time, it represented (and still represents) a comprehensive documentation of published research results at the TU Wien. For the library, this database became a key resource for transferring these important documents into its own catalogue. This was complemented by the library-developed service TU-Diss.online, which was launched in 2003.18 The database made TU Wien PhD theses available electronically in full text form and, starting in 2006, expanded to include diploma theses as well. In 1999, it became necessary to migrate the library system to a new software programme. The chosen system was the Ex Libris system Aleph 500,19 which gradually replaced its predecessor BIBOS within the Library Association. The Online Public Access Catalogue and other

auch insgesamt die Qualität der Katalogeintragungen, die unter anderem von der Möglichkeit der Anreicherung mit Inhaltsverzeichnissen und weiteren relevanten Informationen profitierten. 2012 stieg die Bibliothek mit CatalogPlus20 auf die gegenwärtig gültige Ausbaustufe des Katalogs um - eine suchmaschinenbasierte Rechercheplattform, die auf die bestehenden Grundstrukturen des bisherigen OPAC aufsetzt und gleichzeitig bibliographische Metadaten, Abstracts und Volltexte direkt aus den Verlagsangeboten integriert. Insgesamt wird dies nun als ein wesentlicher Schritt gesehen, die verschiedenen Literaturressourcen und Datenbankinhalte unter einer zen­ tralen Suchoberfläche zusammenzuführen. Der Prozess der „Elektronifizierung“ bibliothekarischer Angebote erfuhr eine maßgebliche Beschleunigung durch eine Entwicklung, die zunächst unter anderen Vorzeichen begann: Kurz vor der Jahrtausendwende hatte sich der Verlagsmarkt aufgrund von Konzentrationsprozessen binnen kürzester Zeit auf wenige Anbieter reduziert. Schließlich kontrollierten nur mehr eine Handvoll Konzerne etwa zwei Drittel des Weltmarkts im Bereich naturwissenschaftlich-technischer Zeitschriften. Gleichzeitig bestand weiterhin der Bedarf der Wissen-

Abbildung 10: Umstieg der Bibliothek auf elektronische Medienangebote: Ausgaben für gedruckte bzw. elektronische Medien, 2000–2014 Figure 10: Conversion of the library to electronic media: Expenditure for printed and electronic media, 2000–2014

library services were now directly accessible via the internet. User guidance functions were also improved (for instance, communication was based solely on e-mail as of 1999). The administration of personal library accounts, the catalogue’s search functions, and the overall quality of catalogue metadata were all improved. The catalogue especially benefitted from the possibility to add tables of contents and a multitude of other relevant information. In 2012, the library switched to the current catalogue expansion stage of CatalogPlus20 – a search engine-based research platform that is superimposed onto the existing basic structures of OPAC, and which integrates bibliographical metadata, abstracts, and full text directly from the publishing sites. On the whole, this is regarded as an essential step in uniting the plethora of different literature resources and database content in a single central search interface.

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schaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre Forschungsergebnisse in genau diesen Zeitschriften zu veröffentlichen. Sie wiesen eine besonders hohe Reputation auf, daher war ein Publizieren dort für die internationale Bewertung ihrer Arbeit unerlässlich. Eine Kostenexplosion bei den Preisen für elektronische Zeitschriften war die Folge.21 Gleichzeitig stagnierte die Budgetlage an den Universitäten. Nicht nur an der TU Wien war man daher zu einschneidenden Stornierungsaktionen gezwungen. Um diesen Abwärtstrend zu stoppen, ging man ab 1999 dazu über, österreichweite Einkaufskonsortien für elektronische Zeitschriften und Datenbanken aufzubauen. Universitäten und Bildungseinrichtungen schlossen sich für das Verhandeln neuer Lizenzverträge zusammen. Zwar wurde damit die Flexibilität in der Ankaufspolitik der einzelnen Bibliotheken teilweise eingeschränkt, doch gelang es andererseits, die jeweiligen Kosten für elektronische Medien zu senken und das Angebot an Inhalten für die einzelnen Institutionen erheblich auszubauen. So sehr damit der Gedanke der Kooperation unter den wissenschaftlichen Bibliotheken gestärkt wurde, so sehr zeigte sich die Kehrseite eines globalisierten Verlagsmarktes. Aus dem Bestreben heraus, dazu Gegenlösungen zu erarbeiten, wurden nun auch in Österreich Aktivitäten vorangetrieben, die das Ziel hatten, die Idee der Openness im Publizieren von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen zu stärken. 2010 bezog die Öster­reichische Universitätenkonferenz (uniko)22 eindeutig dazu Stellung und förderte damit nicht nur eine generelle Sensibilisierung für diese Problematik, sondern gab die konkrete Empfehlung ab, an den Universitäten Repositorien einzurichten und die hier möglichen Publikationsalternativen zu unterstützen. Die Bibliothek der TU Wien initiierte daraufhin ein ganzes Maßnahmenbündel, das nicht nur in einer aktiven Mitarbeit in entsprechenden Gremien mündete,23 sondern unter anderem auch die Erarbeitung eines speziellen Förderprogramms für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Einrichtung des institutionellen Dokumentenservers reposiTUm24 im Jahr 2015 zur Folge hatte.

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Abbildung 11: Zeitschriftauslage für den Fachbereich Chemie Figure 11: Journal rack of the Chemistry Department

The process of the “electronification” of library ser­vices was crucially accelerated by a development that had initially started for very different reasons. Shortly before the start of the new millennium, the publishing market underwent a concentration process and was reduced to a limited number of suppliers within a very short period. In the end, only a small handful of corporate groups had control of about two thirds of the global market for science and technology journals. Despite this, scientists still needed to publish their results in these journals. They enjoyed a particularly good reputation; therefore publishing in them was indispensable to attaining the international evaluation of scientific work. This resulted in exponential increase of the prices of electronic journals.21 At the same time, the overall budget situation of many universities stagnated. This forced the TU Wien, along with numerous other universities, to drastic cut back on their subscriptions. To stop this downward spiral, nationwide purchasing consortiums for electronic periodicals and databases were established as of 1999. Universities and other educational institutions joined forces to negotiate new license agreements. While this step limited the flexibility of the purchasing policies of individual libraries to a certain extent, it successfully lowered the cost of electronic media and in doing so substantially expanding the content individual institutions were able to provide.

Abbildung 12: Entwicklung der Bibliotheksbenutzung 2000–2014 Figure 12: Library use development 2000–2014

Nachdem mit dem UOG 1993 bereits erste Konturen sichtbar wurden, wechselten die Universitäten mit dem Universitätsgesetz 2002 (UG) vollständig in den Status (teil-) autonomer, eigenverantwortlicher und voll rechts- und geschäftsfähiger Institutionen. Der verbliebene Finanzierungsanteil durch den Bund wird nun über eigenständig verhandelte Leistungsvereinbarungen geregelt. Für die Bibliotheken änderte sich die Situation grundlegend: Ihre Zuständigkeit wechselte vom Wissenschaftsministerium direkt an die jeweiligen Universitäten.25 Sie wurden direkt den Rektoraten unterstellt und nehmen seither eine vergleichbare Rolle als Dienstleistungseinrichtung der TU Wien ein, wie andere zentrale Services einer Universität. Die Referenz „zentral“ bzw. „dezentral“ bekam somit eine neue Bedeutung. Für Kubalek ergab sich mit Blickwinkel auf die TU Wien eine klare Strategie, nämlich den „Auftrag der Universitätsleitung ‚so dezentral wie möglich, so

Although the spirit of cooperation between scientific libraries was strengthened in this process, the downside of a globalised publishing market still became apparent. In order to develop counter-strategies, activities were promoted in Austria to strengthen the concept of openness in publishing scientific results. In 2010, the Austrian University Conference (uniko)22 took an unequivocal stand, not only promoting a general awareness of the problem but also giving a specific recommendation to establish repositories at the universities to support available publication alternatives. The TU Wien library initiated a number of measures that not only led to an active collaboration in relevant committees and networks,23 but also resulted in the elaboration of a special support programme for scientists and the implementation of the institutional document server reposiTUm24 in 2015. After the first outlines of this development became visible in the 1993 University Act (UOG 1993), the 2002 University Act (UG 2002) shifted the universities into the status of (partially) autonomous, independent institutions with full legal and contractual capacity. The

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Abbildung 13: Logo des institutionellen Dokumentenservers ­resposiTUm der TU Wien Figure 13: logo of the official document server reposiTUm of TU Wien

zentral wie nötig‘ in die bibliothekarischen Arbeitsabläufe für unsere Universität optimalst [umzusetzen …].“26 Entgegen den vielen Unkenrufen, die bereits seit Langem einen Untergang der Bibliotheken prophezeit hatten, ging ihre Bedeutung als physischer Ort nicht verloren – sie verschob sich nur etwas. Waren es früher mehrheitlich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Kataloge und die Bestände einsahen, zogen sich diese immer mehr zurück. Sie konnten auf die benötigen Ressourcen nun viel bequemer von ihren eigenen Arbeitsplätzen aus zugreifen. An ihrer Stelle kamen die Studierenden – und dies aufgrund des verkehrstechnisch günstig gelegenen Standorts der Bibliothek der TU Wien sogar in Scharen! Tief greifende Veränderungen im baulichen Kontext blieben jedoch aus. Zwar gab es bereits wenige Jahre nach dem Bezug des Neubaus erste (publizierte) Überlegungen,27 die räumliche und technische Infrastruktur weiter zu optimieren, doch resultierte dies nachfolgend – abgesehen von den durch den technologischen Fortschritt notwendig gewordenen Adaptierungen – eher in punktuellen Anpassungen innerhalb des Hauses. Unter Eva Ramminger, die 2010 Peter Kubalek als Bibliotheksdirektorin nachfolgte, wurde hingegen das Konzept der Fachbibliotheken wiederbelebt. Anlass waren die im Zuge des TU-weiten Ausbauprojektes TU UniverCity2015 geplanten Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen am Campus Getreidemarkt, die eine Überarbeitung des bisherigen Servicekonzepts der Chemiebibliothek erforderlich machten. Denn damit ergab sich nach langer Zeit wieder die Möglichkeit, die nach wie vor komplexe

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Abbildung 14: Lehrbuchsammlung in der Hauptbibliothek Figure 14: Textbook collection in the main library

remaining federal funding is now regulated by independently negotiated performance agreements. This fundamentally changed the situation for libraries, with their jurisdiction moving from the Ministry of Science directly to their respective universities.25 They now report to the Rectorate, and their role is now similar to that of a service unit of the TU Wien, just like other central university services. The signifier “central” or “peripheral” has gained new implications. For Director Kubalek, it meant a clear strategy with regard to the TU Wien, i.e. the “task of the university administration to manage library operations ‘as peripherally as possible and as central as necessary’ to achieve optimum results for our university…”.26 Notwithstanding a number of prophecies of doom that have long predicted the decline of libraries, their importance as a physical location was never lost – it only shifted a little. While it used to be mostly scientists who consulted the catalogues and inventories, these have withdrawn more and more. They are now able to access the necessary resources much better from the comfort of their workplace. In their place, students have arrived – and due to the good traffic connections at the TU Wien library’s location, they even come in droves! Profound changes in the building context, however, failed to materialise. While the first (published) reflections on the further optimisation of the spatial and technical

Abbildung 15: Eva Ramminger, Bibliotheksdirektorin ab 2010 Figure 15: Eva Ramminger, Library director since 2010

Eva Ramminger (*1966)

Eva Ramminger (*1966)

Mag. Eva Ramminger (*1966) übernahm das Amt der Bibliotheksdirektorin 2010. Ein Studium für Kunstgeschichte schloss sie 1993 an der Universität Innsbruck ab, in den Bibliotheksdienst trat sie 1985 an der Universitätsbibliothek Innsbruck ein. Von 2003 bis 2010 war sie an der ETH-Bibliothek Zürich tätig.

Mag. Eva Ramminger (*1966) assumed the office of Library Director in 2010. She graduated at the University of Innsbruck in Art History in 1993, and entered library service in 1985 at the Innsbruck University Library. She worked at the ETH Zurich Library from 2003 to 2010.

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Abbildung 16: Plus-Energie-Hochhaus am Getreidemarkt Figure 16: Plus Energy Tower at the Getreidemarkt Campus

Bibliotheksorganisation ein Stück weit weiter zu entflechten. 2014 wurde daher die ehemalige Chemiebibliothek nun neu als eine gemeinsame Einrichtung für zwei Fakultäten, als Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau, wiedereröffnet. Auch wird bereits darüber nachgedacht, diese Konsolidierungen in einer zeitgemäßen Form auch an anderen Standorten der TU Wien fortzuführen. Die Bibliothek heute Heute umfasst die Bibliothek einen Medienbestand von etwa 1,5 Mio. gedruckten Büchern und Zeitschriften-

30 |  Franz G. Rammerstorfer

infrastructure27 appeared only a few years after the library moved into its new location, these later resulted in only limited adaptations inside the building – apart, of course, from adjustments made necessary by technological progress. However, under Eva Ramminger, who succeeded Peter Kubalek as Library Director in 2010, the concept of specialised libraries was revived. This was occasioned by the modernisation and renovation of the Getreidemarkt campus as part of the TU-wide expansion project TU UniverCity2015. This also necessitated a revision of the previous service concept at the Chemistry Library, as this was the first time in years that there had been an opportunity to take a step towards disentangling the complex organisation of the library. In 2014, the former Chemistry Library was reopened as a joint facility for two faculties,

Abbildung 17: Leseraum am Karlsplatz, 1982 Figure 17: Reading room at Karlsplatz, 1982

specialised Chemistry and Mechanical Engineering Library. Thought is already being given continuing similar modernising consolidations at other TU Wien locations.

bänden, 80.000 E-Books, 4.300 lizenzierten Zeitschriften sowie über 50 bibliographischen Datenbanken und Faktendatenbanken.28 Die umfangreichen Bemühungen der letzten 25 Jahre, das Serviceangebot konzentriert auf die Anforderungen in Forschung und Lehre auszurichten, war – soweit sich dies aus heutiger Perspektive beurteilen lässt – erfolgreich und stärkte die Position der Bibliothek als verlässliche Dienstleisterin für Forschung und Lehre an der TU Wien. Während es mit dem Inkrafttreten des UG zunächst schien, als wäre die Stellung der Bibliotheken an den Universitäten geschwächt worden, führte dies, im Nachhinein gesehen, zu einer neuen Dynamik im österreichischen Bibliothekswesen. Die Bib-

The Library Today Today, the library comprises a media collection of roughly 1.5 million printed books and periodical volumes, 80,000 e-books, 4,300 licensed periodicals, and more than 50 bibliographic and factual databases.28 Its extensive efforts to orient services in a focused manner to meet the demands of research and teaching over the last 25 years have been successful – as far as an evaluation is possible from our current standpoint – and it has strengthened its position as a reliable service provider for research and teaching at the TU Wien. While the enactment of the UG 2002 first seemed to have weakened

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liothek ist heute eine proaktiv handelnde Institution, sie ist Mitglied in nationalen und internationalen Fachverbänden. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen sich in den verschiedensten Gremien innerhalb des österreichischen Bibliothekenverbundes sowie in zahlreichen Fachkommissionen und Arbeitsgruppen ein. Ihre Expertise wird herangezogen für die Lösung klassisch-bibliothekarischer, aber auch technischer und sogar rechtlicher Fragestellungen. Innerhalb der TU Wien ist sie mit den Instituten, Fachrichtungen und den verschiedenen Dienstleistungseinrichtungen eng vernetzt. In der Rückschau betrachtet, sind die letzten 25 Jahre in der Geschichte der Bibliothek überaus dynamisch verlaufen. Durch den Neubau galt es nicht nur, einen Standortwechsel abzuwickeln, sondern es ergab sich damit die einmalige Gelegenheit, einen kompletten Erneuerungsprozess in Gang zu setzen. Dieser ist heute weitgehend abgeschlossen und brachte die Bibliothek gleichzeitig in die Lage, auch für die anstehenden Veränderungen gut vorbereitet zu sein. Dass dabei – allem Innovationswillen zum Trotz – nicht nur Kompetenzen im Umgang mit Neuen Medien und Publikationsformen, sondern auch traditionell bibliothekarische Eigenschaften wie Beständigkeit und das Gespür für historische Entwicklungen einen dauerhaften Wert werden einnehmen müssen, ist bereits heute eine große Herausforderung und wird es für die Zukunft noch viel mehr bleiben.

the position of university libraries, in retrospect it led to a new dynamic within the Austrian library system. Today, the library is a proactive institution and a member of national and international professional associations. Its employees take an active part in different bodies within the Austrian library consortium as well as in numerous specialised committees and working groups. Its expertise is consulted to solve traditional library, technical, and even legal problems. Within the TU Wien, it has close ties with the institutes, disciplines, and different service departments. Looking back, the past 25 years of the library’s history have been distinctly dynamic. The new building not only meant organising a relocation, but also provided a unique opportunity to initiate an outright reformation. This having been mostly completed, it simultaneously enabled the library to prepare for imminent change. That such a process involves not only competences in dealing with new media and publication forms, but also traditional librarian characteristics such as constancy and a grasp of historical developments, both of which are highly important, is – in spite of its willingness to innovate – a great challenge today, and something which will become even greater in the future.

Anmerkungen/Notes 1 Josef Mayerhöfer, Ausbauplan der österreichischen Bibliotheken, Wien 1965, 45. 2 Vgl. zur Geschichte der Bibliothek und ihres Gebäudes u. a.: Johann Philipp Neumann, Geschichtliche Darstellung des vorzüglichsten die Bibliothek am k. k. polytechnischen Institute in Wien Betreffenden, Wien 1844; Wilhelm Franz Exner, Das k. k. polytechnische Institut in Wien. Seine Gründung, seine Entwicklung und sein jetziger Zustand, Wien 1861 [darin bes. über die Bibliothek, 66–68], Eduard Fechtner, Die Bibliothek, in: Die k. k. Technische Hochschule in Wien 1815–1915. Gedenkschrift, Wien 1915, 602–609; Walter Ritzer, Die Bibliothek, in: 150 Jahre Technische Hochschule in Wien, Band 2: 1815-1965, Wien 1965, 450-475, Franz H. Tippmann, Die Bibliothek der Technischen Hochschule, in: Die Technische Hochschule Wien, Küssnacht a. Rigi u. a. 1931, 59–63; Walter Jaksch/Edith Fischer/Franz Kroller, Österreichischer Bibliotheksbau, Band 2: 1945–1985. Architektur und Funktion, Wien 1986 [darin bes.: Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien – Hauptbibliothek, 96–105]; Josef Wawrosch (Hg.), Festschrift zur Eröffnung des neuen Gebäudes der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Wien 1988 [darin bes. Wawrosch, Die Bibliothek der Technischen Universität Wien 1965-1987, 47-65]; Juliane Mikoletzky, Bücher für den Endsieg: Die Rolle der Bibliothek der Technischen Hochschule in Wien 1938 bis 1945, in: Brüche und Kontinuitäten 1933 – 1938 – 1945, hrsg. v. Gertrude Enderle-Burcel u. a., Wien 2013, 353–375. 3 Zum Planungsgrundsatz des open plan in Bibliotheken siehe Ulrich Naumann, Grundsätze des Bibliotheksbaus. Von den „Zehn Geboten“ von Harry Faulkner-Brown zu den „Top Ten Qualities“ von Andrew McDonald, in: Bibliotheken bauen und ausstatten, hrsg. v. Petra Hauke/ Klaus Ulrich Werner, Bad Honnef 2009, 24–37.

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4 Bericht über das Bibliothekswesen der Technischen Universität Wien (gemäß § 87 Ab. 6 UOG) 1988, Wien 1989, 3. 5 Karl Stebegg, EDV-Anwendung an der UBTU 1978-1987, in: Wawrosch, Festschrift 1988, 121–137. 6 In den nachfolgenden Jahren wurden dazu zahlreiche Informationsveranstaltungen durchgeführt und gedruckte Hilfestellungen veröffentlicht, so u. a. Otto C. Oberhauser, Bibliographische Datenbasen. Übersicht zum Online-Angebot an der Universitätsbibliothek der TU Wien, Benützungshilfen 5, Wien 1983. 7 Ilse Dosoudil, Universitätsorganisationsrecht und Universitätsbibliotheken, in: Bibliotheken führen und entwickeln: Festschrift für Jürgen Hering zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Thomas Bürger, München 2002, 75–83. 8 Robert Rehberger, Die optimale Betriebsgröße der Fachbibliotheken nach dem Universitäts-Organisationsgesetz (UOG), in: Biblos, 26, Wien 1977, 200f. 9 Zur Geschichte dieser Fachbibliothek siehe Peter Kubalek, Die Chemie-Bibliothek an der Technischen Universität Wien, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, Neue Folge, Band 63/64, St. Pölten 1998, 39–52. 10 Siehe auch Wolfgang Kainz, Die Fachbibliothek Mathematik, in: Fakten, Daten, Zitate, Heft 4, Wien 1984, 17. 11 Bericht über das Bibliothekswesen der Technischen Universität Wien (gemäß § 87 Abs. 6 UOG) 1987, Wien 1988, 2. 12 Siehe dazu u. a. Inge Neuböck/Josef Vass (Hg.), 10 Jahre BIBOS. Festschrift, Wien 1990. 13 Man wählte dabei Regelwerke, die im Zuge mehrerer Initiativen zur Vereinheitlichung der Katalogisierung ab etwa Mitte der 1970er-Jahre für den gesamten deutschen Sprachraum entwickelt wurden. Mit September 1989 wechselte nun die Bibliothek der TU Wien auf die „Regeln für die Alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken“ (RAK-WB) und die „Regeln für den Schlagwortkatalog“ (RSWK). 14 Das Zitat stammt aus einer Publikation, die anlässlich der Digitalisierung des Zettelkataloges der Österreichischen Nationalbibliothek im Jahr 1999 veröffentlicht wurde: Hans Petschar/Ernst Strouhal/Heimo Zobernig (Hg.), Der Zettelkatalog. Ein historisches System geistiger Ordnung, Wien u. a. 1999, 7. 15 Peter Kubalek, Das Entlehnmodul aLF an österreichischen Universitätsbibliotheken, in: Kulturerbe und Bibliotheksmanagement, hrsg. v. Heinz Hauffe, Wien 1998, 479–497. 16 Peter Kubalek, UBTUW = 1 Million Bücher, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Band 47, Heft 1, Wien 1995, 20. 17 Die Publikationsdatenbank wurde von Prof. Karl Riedling am Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien entwickelt und implementiert. Siehe dazu Karl Riedling, Die Publikationsdatenbank der TU Wien, in: Bibliothek – Technik – Recht. Festschrift für Peter Kubalek zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Hans Hrusa, Wien 2005, 151–166. 18 Peter Kubalek/Hans Hrusa, Dissertationen der TU Wien online, in: ZIDline, 10, Wien 2004, 23–25. 19 Wolfgang Hamedinger, Der große Wechsel. Von Bibos zu Aleph 500, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Band 52, Heft 1, Wien 1999, 38–42. 20 CatalogPlus ist heute der zentrale Katalog der TU Wien und erreichbar unter catalogplus.tuwien.ac.at (01.07.2015). 21 Siehe dazu auch Alice Keller, Elektronische Zeitschriften im Wandel: eine Delphi-Studie, Wiesbaden 2001. 22 Empfehlung der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) zu einer Open-Access-Politik der Universitäten. Beschluss vom 10. Jänner 2010. 23 Unter anderem durch Mitarbeit im Open Access Network Austria (OANA), http://www.oana.at (01.07.2015). 24 Das Repositorium der TU Wien ist erreichbar unter repositum.tuwien.ac.at (01.07.2015). 25 Siehe dazu Robert Schiller, Das Universitätsgesetz 2002 und seine organisationsrechtlichen Auswirkungen auf die Universitätsbibliotheken Österreichs, in: Universitätsbibliotheken im Fokus – Aufgaben und Perspektiven der Universitätsbibliotheken an öffentlichen Universitäten in Österreich, hrsg. v. Bruno Bauer u. a., Graz u. a. 2013, 23–32. 26 Bericht über das Bibliothekswesen der Technischen Universität Wien 2004, Wien 2005, 3. 27 Siehe dazu: Josef Wawrosch, Überlegungen zu baulichen Veränderungen eines Neubaues, in: Österreichischer Bibliotheksbau in den neunziger Jahren, Biblos-Schriften Band 155, hrsg. v. Otto Oberhauser, Wien 1991, 47–55. 28 Siehe dazu das Angebot auf der Bibliothekshomepage www.ub.tuwien.ac.at.

Das Haus hinter der Eule: Von der analogen zur elektronischen Bibliothek   | 33

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„ICH LESE GERN!“ – EIN BERUF ZWISCHEN KLISCHEE UND WIRKLICHKEIT “I LOVE TO READ!” – A PROFESSION OF CLICHÉ AND REALITY Die Liebe zu Büchern sowie zur Tätigkeit des Lesens an sich scheint für die Öffentlichkeit eines der hervorstechendsten Merkmale bibliothekarischer Tätigkeiten zu sein, wenn man den genauso oder ähnlich geäußerten Meinungen Glauben schenken mag. Doch es gibt auch ein anderes Bild, eines, das eher wie eine Antithese dazu klingt: „Es ist das Geheimnis aller guten Bibliothekare, dass sie von der ihnen anvertrauten Literatur niemals mehr als die Büchertitel und das Inhaltsverzeichnis lesen.“ Robert Musil musste wissen, wovon er sprach. War er doch von 1911 bis 1913 selbst als Bibliothekar an der damaligen Technischen Hochschule Wien tätig. Der hier zitierte Protagonist aus seinem Hauptwerk Der Mann ohne Eigenschaften gibt auch umgehend eine Begründung dafür: „Wer sich auf den Inhalt einlässt, ist als Bibliothekar verloren!“1 Der Bibliothekar als verträumter Leser, der manische Büchersammler, die strenge Auskunftsbibliothekarin – die öffentliche Wahrnehmung von Berufen konzentriert sich häufig auf einprägsame und nicht immer schmeichelhafte Stereotypen. Dies trifft vorzugsweise auf all jene Berufsgattungen zu, die zwar in der Öffentlichkeit mehr oder weniger präsent sind, deren reale Arbeitssituationen trotzdem diffus geblieben sind – wie dies beim Beruf des Bibliothekars offensichtlich der Fall ist. Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger, die zu Beginn ihrer Laufbahn noch Erwartungen (und vielleicht auch Sehnsüchte) betreffend ein Arbeiten in einem traditionell geprägten Umfeld hegen, werden heute schnell von der Alltagsrealität eingeholt. Der Umgang

A love of books and of reading per se seem to be the most obvious characteristics of a librarian’s work, if we are to believe opinions in this and similar veins. However, there is also another picture, one that seems to be somewhat of an antithesis: “The secret of a good librarian is that he never reads anything more of the literature in his charge than the titles and the tables of content.” Robert Musil must have known what he was talking about. From 1911 to 1913, he worked as a librarian at what was the Technische Hochschule at the time. The figure of the librarian in his main work, The Man without Properties, quoted here, promptly offers an explanation: “Anyone who lets himself go and starts reading a book is lost as a librarian.”1 The librarian as a dreamy reader, the manic collector of books, the severe female librarian at the information desk – public perception of professions often focuses on plausible and in most cases not entirely flattering stereotypes. This is especially true for professions that are more or less present in the public eye, but whose real work nevertheless remains vague – as is clearly the case with librarians. Career entrants who cherish some expectation of (and possibly a longing for) working in a traditional environment are nowadays quickly disabused by everyday reality. Their contact with information and literature is now nearly exclusively virtual, particularly in the field of science. Traditional fields of work, for instance the compilation and maintenance of a central catalogue – which was once one of the core competencies of libraries – are increasingly being relegated to the background. Search

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mit Information und Literatur läuft insbesondere in einem wissenschaftlichen Kontext nahezu ausschließlich auf virtuellen Ebenen ab. Traditionelle Arbeitsfelder, wie beispielsweise der Aufbau und die Pflege eines zentralen Kataloges – ehemals eine Kernkompetenz von Bibliotheken –, rücken immer mehr in den Hintergrund. Suchmaschinenanbieter oder international agierende Verlagshäuser sind längst in diese Domänen eingedrungen und mit einem eigenen, elektronischen Serviceportfolio zu einer mächtigen Konkurrenz herangewachsen. Die Arbeitswelt der Bibliothek ist heute zwar nach wie vor geprägt von einem über viele Jahrhunderte angehäuften Wissen im Umgang mit Literatur. Doch um mit diesen Fähigkeiten heute bestehen zu können, benötigt es eine intensive Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen am Medien- und Kommunikationsmarkt. In diesem dynamischen Umfeld muss die Bibliothek nun äußerst rasch auf die für sie relevanten Veränderungen reagieren und mit entsprechenden Lösungen darauf antworten. Wer jedoch glaubt, dass es sich hier grundsätzlich nur um ein modernes Problem handelt, irrt: Bereits vor etwa 200 Jahren klagte Friedrich Adolf Ebert in seinem Standardwerk Die Bildung des Bibliothekars: „Mit dem veränderten Geiste der Studien, mit der jetzt vorherrschenden Neigung zu eigner und unabhängiger Forschung und freier Schöpfung, mit dem allgemein gewordenen Bestreben, das selbständig zu verarbeiten, was früher nur gesammelt wurde, endlich mit der Entstehung einer Menge literarischer Werke hat [der Bibliothekar] aufgehört, das Orakel für Alt und Jung zu seyn, welches er ehemals war. Dem Leben entfremdet und seiner thätigen Einwirkung auf dasselbe beraubt, bleibt ihm nicht anders übrig, als sich mit dem Archivar zu trösten, den jetzt auch niemand mehr um Belege zu Deductionen anzusprechen begehrt.“2 Ebert gilt als einer der Gründerväter der modernen Bibliothekswissenschaft und seine damalige Besorgnis ob des rasanten Wandels scheint tief zu reichen. Es ist eine merkbare Enttäuschung über den Verlust an Wertschätzung erkennbar, der bisher der bibliothekarischen Expertise entgegengebracht wurde.

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machine providers and international publishing houses have long since penetrated these domains, and grown into a strong competition with their own electronic service portfolios. The working environment of a library is still marked by a knowledge of literature that has been accumulated over centuries. However, in order to stand one’s ground with these abilities, we need to be acutely aware of current developments on the media and communication markets. In this dynamic environment, libra­ ries need to react quickly to relevant changes, and come up with suitable solutions. But if you think that this is basically a modern problem, you are mistaken: Around 200 years ago, Friedrich Adolf Ebert was already lamenting recent developments in his standard work, Die Bildung des Bibliothekars (The Education of the Librarian): “The changed spirit of study, the predominant tendency towards individual and independent research and free creation, with the generalised ambition to independently process what was once collected, finally with the creation of a great amount of literary works, [the librarian] is no longer the oracle for old and young alike that he used to be. Estranged from life and deprived of his active influence on it, he is left to find solace with the archivist, who is likewise no longer approached for evidence and deductions.”2 Ebert is considered to be one of the founding fathers of modern library science, and his past concerns over rapid change run deep. There is a noticeable frustration with the loss of appreciation that had previously been accorded a librarians’ expertise. It only later became evident that the developments Ebert described were part of an essential process of emancipation in science history, which led scientists from pure collection and documentation to real research in the sense of knowledge generation. The current changes within the field of librarian work are not only alarming because of their rapidity, but also because of their considerably more complex links to developments that are relevant to research and teaching, and also to society in general. This also generates insecurity, since, today as then, the concrete, long-term impact of this development on libraries still remains to be seen.

Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass die beschriebenen Entwicklungen Teil eines für die Wissenschaftsgeschichte wesentlichen Emanzipationsprozesses waren und den Wissenschaftler vom reinen Sammeln und Dokumentieren zu echter Forschung im Sinne neuer Wissensgenerierung führten. Die gegenwärtig stattfindenden bibliotheksrelevanten Veränderungen beunruhigen nicht nur aufgrund der Schnelligkeit, mit der diese stattfinden, sondern auch aufgrund der wesentlich komplexeren Vernetzung mit Entwicklungen, die nicht nur auf der Ebene der Forschung und Lehre stattfinden, sondern häufig auch allgemein gesellschaftliche Bezüge aufweisen. Dies begünstigt ebenfalls Unsicherheiten, denn es ist heute wie damals unklar, welche konkreten, langfristigen Auswirkungen dieser Wandel für Bibliotheken haben wird. Das Bibliothekswesen als eigenständige Disziplin Das Zitat Eberts fällt in eine Zeit, in der sich das Bibliothekswesen generell zu professionalisieren begann. Während erste bibliothekswissenschaftliche Ansätze bereits seit der Antike überliefert sind, geht die heute übliche Organisation von Bibliotheken in die Anfänge des 19. Jahrhundert zurück. Um die rasch wachsenden Sammlungsbestände und den steigenden Bearbeitungsaufwand in den Griff zu bekommen, wurde es notwendig, effizientere Arbeitsabläufe zu entwickeln. Ein neues Ordnungsprinzip, das nun auf der funktionalen Trennung in Verwaltungs-, Magazins- und Benutzungsbereiche basierte, führte zu einer weiteren Diversifizierung der einzelnen Tätigkeiten. Dies führte schließlich zur Ausbildung standardisierter Arbeitsabläufe (u. a. dem sogenannten „Lauf des Buches“) und einer eigenen Berufsethik. Etwa zur gleichen Zeit wurde das Polytechnische Institut gegründet und mit ihm auch eine eigene Bibliothek. Johann Philipp Neumann3 war ausersehen, neben seinen Ämtern als Professor für Physik und als Sekretär des ersten Institutsdirektors, auch die Büchersammlung zu betreuen. Der Bibliotheksbestand war zunächst noch

Abbildung 18: Arbeitsplatz im Magazin am Bibliotheksstandort im alten Hauptgebäude der TH Wien, Mitte der 1970er Jahre Figure 18: Workplace in the library stacks at the old Main Building of the TH Wien, mid-1070s

Library Science as an Independent Discipline Ebert’s quote is from a time in which librarianship in general had begun to become more professional. While early library science approaches can even be found in Antiquity, the organisation of libraries as we know it today goes back to the early 19th century. In order to cope with rapidly growing collections and the corresponding increased processing workload, it became necessary to develop more efficient work routines. A new organising

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überschaubar, doch wuchs die Sammlung rasch an. Bereits im Jahr 1840 umfasste sie bereits 12.000 Bände und belegte nach mehreren Übersiedlungen innerhalb des Hauses „drei Säle und zwei längliche Zimmer im zweiten Stocke des linken, neu angebauten Flügels des Polytechnikums“.4 Es wurde daher notwendig, Hilfskräfte anzustellen, um Neumann in der täglichen Bibliotheksarbeit zu unterstützen. Ab 1842 übernahm schließlich Georg Anton Martin die hauptamtliche Betreuung der Sammlung.5 Der Beruf des Bibliothekars nahm als eigenständiges Arbeitsprofil immer konkretere Formen an; das dafür notwendige Fachwissen wurde durch Handbücher6 und sogenannte „Bibliotheks-Instruktionen“ vermittelt.7 Letztere wurden erstmalig 1778 durch die Studienhofkommission, ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts durch das Ministerium für Kultur und Unterricht in Auftrag ge-

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Abbildung 19: Umgang mit besonders schützenswerten Sonderbeständen der Universitätsbibliothek Figure 19: Handling special collections

principle based on a functional separation into administrative, storage, and user areas led to a diversification of personnel tasks. In the end, this resulted in the development of standardised work procedures (the so-called “processing” of a book) and a distinct professional ethos. In this same period, the Polytechnic Institute was founded, with its own library. In addition to his offices as Professor of Physics and Secretary to the first Institute Director, Johann Philipp Neumann3 was designated to supervise the book collection. By 1840, it had already reached 12,000 volumes and, after several relocations within the premises, it came to occupy “three halls and

Abbildung 21: BibliothekarInnen bei ihrer Arbeit, ca. 1975 Figure 21: Librarians at work, ca. 1975

Abbildung 20: Auszug aus dem Inventarbuch, 1949 Figure 20: Extract of an inventory book, 1949

geben und beschrieben die ordnungsgemäße Verwaltung der Bibliothek. Sie widmeten sich, den damaligen Bedürfnissen entsprechend, der Katalogisierung und Verwaltung des Buch- und Zeitschriftenmaterials, der Sicherung des Gebäudes vor Feuer und Diebstahl und unter anderem auch dem „öffentlichen Gebrauche der Bibliothek“8. Ein wichtiger Schritt zur Anerkennung und Sicherstellung des Berufs erfolgte im Jahr 1896, indem die Bibliothekare den Staatsbeamten gleichgestellt wurden.9 1929 wurde schließlich eine eigene Fachausbildung für angehende Bibliothekarinnen und Bibliothekare an den Universitäten und Hochschulen geschaffen. Durch eine eigene „Prüfungsordnung für den wissenschaftlichen und mittleren Bibliotheksdienst“10 wurde sie

two oblong rooms on the second floor of the left-hand, newly-built wing of the Polytechnicum”4. It became necessary to employ help to support Neumann in his daily library duties. Starting in 1842, Georg Anton Martin took over the full-time supervision of the collection.5 The profession of a librarian became more and more defined as a separate work profile; manuals6 and socalled “library instructions” provided the specialised knowledge needed to fill the position.7 The latter, describing the proper management of a library, were first commissioned in 1778 by the Studienhofkommission (Study Commission), and starting in the mid-19th century by the Ministry of Culture and Education. Corresponding to the needs of the time, they addressed the catalogu-

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legitimiert. Die Ausbildung fand berufsbegleitend statt und dauerte 18 Monate, wobei die letzten sechs Monate an der Österreichischen Nationalbibliothek absolviert werden mussten. Sie wurde mit einer kommissionellen Prüfung abgeschlossen. Die Ausbildung konzentrierte sich auf die Fächer Bibliotheksverwaltungslehre, Schriftund Buchwesen, Bibliographie und Geschichte der Wissenschaften sowie auf vertiefte Kenntnisse der Katalogisierungsregeln. Außerdem wurden Prüfungsanwärter eingehend auf die Eignung „für den Dienst an einer Fachbibliothek […] oder für einen besonderen Zweig des Bibliotheksdienstes“ geprüft. Diese Verordnung war für das österreichische Bibliothekswesen ein Meilenstein. Ihr Grundprinzip hielt sich mit einer Novellierung im Jahr 1979 bis zum Ende der 1990er-Jahre. Heute hat sich das Unterrichtsfach Bibliothekswesen durch die verschiedenen Anforderungen in der Medien- und Kommunikationslandschaft stark differenziert. Die klassische Bibliotheksausbildung findet nun für den höheren und gehobenen Dienst im Rahmen eines interuniversitären Masterlehrgangs statt, der in Österreich an mehreren Standorten angeboten wird. Daneben bieten aber auch Fachhochschulen entsprechende Lehrgänge an, die teilweise etwas weiter gefasste Aspekte des Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesens berühren.11 Lange Zeit war das Berufsbild des Bibliothekars in Österreich eine Männerdomäne. Ähnlich dem „Lehrerinnenzölibat“ galt für Bibliothekarinnen im österreichischen öffentlichen Dienst laut gesetzlichen Bestimmungen bis zum Beginn der Ersten Republik, dass sie ihre Stellung aufgeben mussten, wenn sie durch Eheschließung finanziell abgesichert waren.12 Diese Praxis hielt sich im öffentlichen Dienst und somit in wissenschaftlichen Bibliotheken noch viele Jahre länger und verhinderte somit eine organisch gewachsene Berufstradition, wie sie beispielsweise in den angloamerikanischen Ländern zu beobachten ist. Seit den Zeiten von Hedwig Gollob,13 die im Jahr

ing and administration of books and journals, securing the building against fire and theft, and, amongst other topics, the “public use of the library”8. An important step towards recognising and securing the profession came in 1896, when librarians gained equal status with civil servants.9 Finally, in 1929, a specific training course for librarians was created at the universities. It was legitimised by its own “examination regulations for scientific and intermediate library duties”10. The training was extra-occupational and lasted 18 months, with the last six months being completed at the Austrian National Library, finishing with an examination before a commission. The training focused on the subjects of “library administration”, book studies, bibliography, and history of science, as well as an in-depth knowledge of cataloguing rules. In addition, the candidate was thoroughly examined as to his or her eligibility “for service at a specialised library […] or special branch of librarian service”. With one amendment in 1979, its basic precepts remained valid until the end of the 1990s. Today, the subject of librarianship has diversified due to the different requirements of the media and communication landscapes. Traditional librarian training for intermediate and higher service is today an interuniversity master’s programme, offered at various locations in Austria. Fachhochschulen (universities of applied sciences) also offer such programmes, some of which address the broader issues of librarianship, in addition to information and documentation.11 For a long time, the librarian profession in Austria was a male-dominated domain. Until the First Republic, female librarians in Austrian civil service were legally required to resign their profession as soon as they were married and thus financially secure, a practice similar to “female teacher’s celibacy”.12 This practice continued for much longer in public service and thus in scientific libraries, thereby preventing the formation of a professional tradition as can be observed in Anglo-American countries.

1921 als Volontärin und erste weibliche Bibliothekarin in den Dienst an der damaligen Technischen Hochschule eingetreten war, hat sich die Situation jedoch völlig

However, the situation has completely changed since the times of Hedwig Gollob,13 who joined the TH as a trainee, becoming its first female librarian in 1921.

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verändert: Gegenwärtig beträgt der Personalstand der Bibliothek 67 Mitarbeitende,14 wobei davon zwei Drittel weiblich sind. Damit spiegelt sich eine seit Jahren generell hohe Attraktivität dieses Berufs gerade für Frauen wider, was sich nicht nur in entsprechenden Absolventenzahlen bibliothekarischer Fachausbildung, sondern auch in Stellenbewerbungen niederschlägt. Die verwaltungsorientierte Bibliothek „Das Bibliothekspersonale ist verpflichtet, mit dem Publicum in zuvorkommender Bereitwilligkeit und gefälliger Dienstfertigkeit zu verkehren und alles zu vermeiden, was die Benützung der Bibliothek unangenehm und beschwerlich machen könnte, und hat sich selbst zu den beschränkteren Kenntnissen und den Bedürfnissen mancher Leser und besonders der studierenden Jugend herabzulassen.“15 Die Arbeitsprozesse innerhalb einer Bibliothek konzentrierten sich lange Zeit schwerpunktmäßig auf die Verwaltung des Bestandes an Büchern und Zeitschriften. Diese dominierte so sehr, dass man sich immer wieder veranlasst sah, den Aspekt der Nutzung des Bestandes durch interessierte Leser etwas mehr in den Vordergrund zu rücken – wenngleich die, hier aus der „Bibliotheks-Instruction“ aus dem Jahr 1825 stammende Formulierung einen merklichen Dünkel im Umgang mit Nachwuchswissenschaftlern erkennen lässt. Gerade an der TU Wien war es insbesondere der damals eher versteckte Ort der Unterbringung, der nicht unbedingt zu einem gesteigerten Bekanntheitsgrad beitrug. Die Bibliothek konnte daher im mehrfachen Sinn als ein relativ stiller Ort bezeichnet werden. Dies änderte sich im 20. Jahrhundert radikal. Mit zunehmender Relevanz der Bibliothek für den Lehr- und Forschungsbetrieb wurde ein Problem viru­ lent, das sie seit ihren Gründungstagen begleitet hatte: die konstante Platznot. Wiederholte Zeiten der Stagnation – insbesondere verursacht durch die Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – führten zu zeitweise äußerst schwierigen Situationen in der Verwaltung der Bibliothek. Der anhaltende Mangel an Geld, Personal

Abbildung 22: Arbeitssituation Mitte der 1960er Jahre Figure 22: Working conditions in the mid-1960s

Currently, the library has 67 employees,14 two thirds of whom are female. This reflects a profession that has been generally highly attractive for years to women in particular, evident in the graduation numbers in professional librarian training, as well as in job applications. An Administration-Oriented Library “The library’s employees have the duty to address the public with courteous promptness and obliging readiness to serve, and to avoid anything that might cause unpleasantness or difficulty in the use of the library, and must condescend to the more limited knowledge and needs of some readers, and in particular of the studious youth.”15 For many years, work processes within the library were focused on the management of the collection of books and journals, to such an extent that time and time again, more emphasis had to be put on the aspect of the use of the collection by interested readers – even though the wording of the 1825 “library instruction” quoted here does betray a certain level of arrogance in dealing with young academics. At the TU Wien, the rather hidden location contributed considerably to a decrease in the level of awareness of the library. It was indeed a quiet place, on several different levels. This radically changed in the 20th century.

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Abbildung 24: Lesesaal des Dokumentationszentrums, Mitte der 1950er Jahre Figure 24: Documentation Centre reading room, mid-1950s

Abbildung 23: Arbeiten, umgeben von Büchern, Mitte der 1970er Jahre Figure 23: Working surrounded by books, mid-1970s

und Raum drückte erheblich. Doch die Bibliothek blieb kreativ, lebte in diesen Zeiten vor allem durch den Büchertausch und entwickelte sich schrittweise weiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Studierenden und damit der Bibliotheksbenutzer an; auch die Möglichkeiten für einen kontinuierlichen Bestandsaufbau erholten sich langsam, und die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wuchs an – nur das Raumangebot blieb auch in den nachfolgenden Jahrzehnten konstant begrenzt. Wie prekär die Arbeitsverhältnisse selbst noch Ende der 1970er-Jahre waren, zeigt der Zustandsbericht des damals neu in sein Amt eingetretenen Direktors, Josef

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The increasing relevance of the library for research and teaching exacerbated a problem that had existed since its foundation: a constant lack of space. Repeated interludes of stagnation – in particular due to the events of the first half of the 20th century – led to periods of extreme difficulty in managing the library. The ongoing dearth of funds, personnel, and space created considerable pressure. But the library found creative solutions – it survived these times by exchanging books – and continued to gradually develop. After World War II, student numbers and library users increased, and with them the opportunities of permanent collection were slowly revived and the number of employees grew – only the available space remained limited over the following decades. A status report by Director Josef Wawrosch, who had then just taken office, shows the precariousness of working conditions even in the late 1970s: “As regards space, the library is in a condition today that hardly allows for productive and rational operation. The workrooms for book processing are arranged in a manner that could not be less convenient, some of their furnishings are inexpedient and in poor condition. There are workstations in the window recesses of the old stacks that are not screened from passing traffic. Some rooms are not connected to the central steam heating and, in winter, the old air heating system is insufficient.”16

Abbildung 25: Einer der ersten EDV-Arbeitsplätze in der Bibliothek, ca. 1980 Figure 25: One of the first computer workstations in the library, ca. 1980

Wawrosch: „Die Bibliothek ist räumlich heute in einem Zustand, der einen gedeihlichen und rationellen Betrieb kaum mehr zulässt. Die Arbeitsräume für die Buchbearbeitung sind zueinander denkbar ungünstig angeordnet, zum Teil unzweckmäßig eingerichtet und in schlechtem Zustand. Teilweise befinden sich Arbeitsplätze in Fensternischen der alten Magazine und sind von Durchgangsverkehr nicht abgeschirmt. Einige Räume sind nicht an die Warmwasserzentralheizung angeschlossen und im Winter durch die alte Warmluftheizung nur ungenügend beheizt.“16 Dazu kommt, dass die Bibliothek nahezu ohne weitere technische Hilfsmittel geführt wurde. Die Bereitstellung der Lesewünsche erfolgte jeweils direkt aus den Magazinen ohne Lift oder sonstige Transportsysteme – dafür ohne längere Wartezeiten. Trotz offensichtlichem Bemühen um Servicequalität ließ es die Raumsituation hingegen nicht zu, eine optimale Betreuung der Bibliotheksbenutzer zu gewährleisten. Ein weiteres Beispiel: Das Informationspult befand sich in einem Raum hinter dem Lesesaal und war damit so versteckt angesiedelt, dass nur sehr kundige Leserinnen und Leser diese Servicestelle überhaupt finden konnten. Dennoch gelang es der Bibliothek, auch in diesen schwierigen Zeiten mit innovativen Serviceansätzen zu

Abbildung 26: Das Bibliotheks-EDV-System, ein paar Jahre später Figure 26: The library IT system, a few years later

In addition to all this, the library was managed with hardly any additional technical tools. Provision of readers’ requests was done directly from storage, without a lift or other transport systems – but successfully without long delays. In spite of clear efforts to maintain quality service, the spatial situation did not allow the optimum support of library users. One example is that the information desk was in a room behind the reading room, and thus so hidden that only well-versed readers were able to locate the service point. In spite of all this, the library succeeded in providing innovative service approaches even in difficult times:

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punkten: So baute sie in den Jahren von 1950 bis 1973 ein eigenes „Dokumentationszentrum der Technik“ (später: Österreichisches Dokumentationszentrum für Technik und Wirtschaft)17 auf. Dies war die Konsequenz einer logischen Weiterentwicklung bisheriger bibliothekarischer Erschließungsarbeiten. Mit den wachsenden wissenschaftlichen Anforderungen rückten vermehrt inhaltliche Aspekte (und nicht nur jene des formalen Katalogisierens) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Diese Entwicklung zog ungeahnt weite Kreise. Ein Jahr zuvor hatte die UNESCO eine internationale Konferenz in Paris einberufen, um über das Problem der wissenschaftlichen Dokumentation und über das Zusammenarbeiten der Wissensorganisationen auf diesem neu entstehenden Gebiet zu beraten. Auch Otto Lazar,18 damaliger Direktor der Bibliothek, nahm an dieser Veranstaltung teil. Die Mitarbeit Österreichs im Rahmen dieser internationalen Vereinigung brachte den Vorteil, dass wertvolle ausländische Literatur über Bauwesen und Architektur unentgeltlich ins Land kam. Als Gegenleistung musste das Dokumentationszentrum Kurzberichte über die heimische Fachliteratur aus diesen Gebieten an alle Teilnehmerstaaten liefern. Nachdem die Konkurrenz durch internationale Datenbankanbieter die Arbeit der Dokumentationsdienste zunehmend in den Hintergrund rückte, begann die Bibliothek nun als deren Kunde aktiv zu werden. Als öffentlich zugängliche Dienstleistung bot die Bibliothek dazu ab 1981 eine eigene Informationsvermittlungsstelle19 an, die nun Online-Recherchen über verschiedenste Hostsysteme ermöglichte. Das Angebot an CD-ROM-Datenbanken konnte schrittweise ausgebaut werden, sodass die allmähliche Virtualisierung der Informationsrecherche und damit der wissenschaftlichen Information für breitere Benutzerschichten zugänglich wurde. Die serviceorientierte Bibliothek Der Bezug des Bibliotheksneubaus im Jahr 1987 brachte große Veränderungen für den Arbeitsalltag der Biblio-

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From 1950 to 1972, it established a separate Documentation Centre for Technology (later: the Austrian Documentation Centre for Technology and Business),17 which was the consequent and logical continuation of past librarian indexing. With increasing scientific requirements, content aspects (and not only those of formal cataloguing) became the main focus. This development had an unexpectedly broad impact. A year earlier, UNESCO had invited the library to an international conference in Paris in order to discuss the problem of scientific documentation and collaboration between knowledge institutions in this developing field. Otto Lazar18, then Library Director, also participated in the conference. The collaboration of Austria in this international association had the benefit of being able to attain valuable foreign literature on construction and architecture for free. In return, the Documentation Centre provided short reports of domestic literature in these fields. As the competition of international database providers increasingly upstaged the work of documentation services, the library now began to use these services as a client. As a public access service, the library also had a separate information transfer point from 1981 onwards,19 which made online research via different host systems possible. The selection of CD-ROM databases was gradually expanded, gradually making virtual information research and thus scientific information accessible to a broader range of users. A Service-Oriented Library The move to a new library building in 1987 brought great changes to the work routines of the librarians. At long last, there was space in the employees’ offices, the furnishings were new, and the view of Karlsplatz and the Inner City was enviable. The arrangement of rooms and departments was aligned to facilitate book processing, making coordination between departments much easier. Departments that had more contact with users, like interlibrary loan and document delivery, were placed suitably close to the public areas.

thekarinnen und Bibliothekare mit sich. Es gab nun endlich Platz in den Mitarbeiterbüros, die Ausstattung war neu, die Aussicht auf den Karlsplatz und die Innere Stadt beneidenswert. Die Anordnung der Räumlichkeiten und Abteilungen entsprach dem Lauf des Buches in der Bearbeitung, die Koordination zwischen den Abteilungen vereinfachte sich. Abteilungen, die mehr Kontakt mit den Benutzern hatten, wie die Fernleihe und der Literaturdienst, waren entsprechend nahe am Publikumsbereich angesiedelt. Der Weg war nun endlich frei, um sich von einer Verwaltungs- zu einer Dienstleistungseinrichtung zu entfalten. Der erste Schritt dazu ergab sich durch die Neuaufstellung des Bestandes als Freihandbibliothek. Der größte Teil des Bestandes war nun für die Öffentlichkeit direkt zugänglich. Für die Mitarbeitenden bedeutete dies eine radikale Reduktion der bisherigen Transportund Lieferwege, dafür aber die neue Aufgabe der konsequenten Revision der Freihandregale, um die Qualität der systematischen, nach Fachbereichen gegliederten Aufstellungsordnung der Bücher auch dauerhaft sicherzustellen. Darüber hinaus erweiterte sich der Verantwortungsbereich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um neue Aufgaben: Die Lesebereiche waren nun auf fünf Stockwerke verteilt und damit nicht mehr überschaubar, was nun neue Formen der Benutzerbetreuung erforderlich machte. Das freundliche Durchsetzen der Garderobepflicht und der Bibliotheksordnung wurde zur Herausforderung. Zugleich orientierten sich die Entwicklungen im Bi­ blio­thekswesen nunmehr an den Phasen der allgemeinen Technologielebenszyklen. Der eigene PC für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter war nun unverzichtbar. Zahlreiche Bearbeitungsvorgänge wurden dadurch beschleunigt. Die neuen Technologien machten es möglich, sich bis ins Detail damit auseinanderzusetzen, die bisherigen Bibliotheksangebote im Sinne des mit dem Umzug erneuerten Servicegedankens auszubauen und zu optimieren. Der Bestandsaufbau erfolgte gezielt nach Bedarf, unter Berücksichtigung der Forschungsschwerpunkte der

Abbildung 27: Die Ausleihe an der Hauptbibliothek, 2015 Figure 27: Circulation desk at the Main Library, 2015

Finally, the path was free to develop from an administrative into a service institution. The first step in this direction was the rearrangement of the collection into an open-access library. The greater part of the collection was now directly accessible to the public. For the employees, this meant a radical reduction of transport and delivery, while bringing about the new task of constant revising the open-access shelves in order to ensure the lasting quality of systematic shelving according to specialist fields. The responsibilities of the employees now included new tasks: The reading areas were spread across five floors, and thus no longer easily manageable, which demanded new forms of user support. The friendly enforcement of the obligatory use of the wardrobes and other library rules and regulations became a considerable challenge. At the same time, developments in librarianship now aligned with the phases of the overall lifecycles of tech-

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TU Wien und in Zusammenarbeit mit den Fakultäten. Ergebnisse aus der Bibliotheksnutzung flossen direkt in die Schwerpunktsetzung beim Ankauf neuer Medien ein. Besonders die Erwerbung und Katalogisierung profitierten von der Vernetzung: Titeldaten aus Biblio­ thekskatalogen aus Österreich und Europa konnten für den eigenen Online-Katalog genutzt werden. Die Kommunikation mit den Buchhändlern und Verlagen wurde schrittweise auf E-Mail-Verkehr umgestellt. Systemschnittstellen zwischen Erwerbung, Verrechnung und Quästur sparten Zeit und verkürzten die Arbeitsabläufe. Ein automatisches Mahnsystem und die Selbstverbuchung der Entlehnungen durch die Leserinnen und Leser steigerten die Effizienz. Die weltweite Vernetzung der Dokumentenlieferung ermöglichte nun schnelle Antwort- und Lieferzeiten. Die Zukunft der Bibliothek? Heute, im 21. Jahrhundert, stehen die Bibliothekarinnen und Bibliothekare neuerlich vor schwierigen Zeiten: Einerseits wollen sie auch weiterhin den Anforderungen entsprechen, die an den zentralen Informationsdienstleister der TU Wien gestellt werden. Dabei wird die Arbeitsumgebung zwar immer hybrider, die Arbeit selbst dreht sich jedoch nach wie vor um klassische Bibliotheksdienstleistungen, wie Bestandsaufbau, inhaltliche und formale Erschließung von gedruckten und elektronischen Medien sowie deren dauerhafte Archivierung, die Bereitstellung von lokalen Services an den einzelnen Bibliotheksstandorten. Zum anderen eröffnet der elektronische Informationsund Publikationsmarkt gänzlich neue Möglichkeiten und Perspektiven, die ebenfalls diskutiert, bewertet und für eine Aufnahme in den Verantwortungsbereich der Bibliothek vorbereitet werden müssen. Es besteht die Gefahr, im detailgenauen Meistern dieser vielfältigen Problemstellungen den Blick für das Große und Ganze zu verlieren. Denn die Zahl der Mitspieler am Medien- und Informationsmarkt ist unüberschaubar. Die meist international tätigen Akteure bieten eine Produktqualität, die

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nology. A personal computer for each employee now became indispensable. Many processing steps were accelerated. New technologies allowed for looking in detail at how to expand and optimise the library with a view to the commitment to service that had been rekindled by the relocation. The expansion of the collection was targeted according to needs, taking into account the main research areas of the TU Wien and in coordination with the faculties. The results of library use were directly incorporated into creating priorities in the purchase of new media. In particular, purchasing and cataloguing benefited from this type of networking: The library was able to use title data from library catalogues in Austria and throughout Europe for its own online catalogue. Communication with booksellers and publishers was gradually switched to e-mail. System interfaces between purchasing, accounting, and the bursary saved time and shortened work processes. An automated reminder system and the self-registration of loans by readers increased efficiency. The global connection of document supply now allowed for short response and delivery times. The Library’s Future? Today, in the 21st century, librarians are once again facing difficult times. On the one hand, they still aim to meet the requirements of a central information service provider at the TU Wien. While the work environment is becoming increasingly hybrid, the work itself is still about traditional library services such as inventory expansion, content and formal indexing of printed and electronic media, and the lasting archiving of both, as well as providing local services at separate library locations. On the other hand, the market of electronic information and publication opens completely new possibilities and perspectives that need to be discussed, evaluated, and prepared for their inclusion into the library’s field of responsibility. There is a danger of losing the overall picture while addressing the details of these manifold problems because of the vast number of players on the

von Bibliotheken schon alleine aus Ressourcengründen kaum erreicht werden kann. Dennoch muss sie mit diesen Entwicklungen mitgehen, sie kritisch begleiten und in diesem Umfeld ihre eigenen Produkte entwickeln, damit ihre Leistungen auch weiterhin wahrgenommen werden. Sie muss sich zu einem gewissen Maß dem „Mainstream“ anpassen, aber sie muss auch versuchen, sich mit speziellem, individualisiertem Mehrwert auf diesem Markt zu positionieren. Forschung und Lehre agieren heute zwar in einem globalen Wettbewerb, doch findet der Universitätsalltag auch lokal statt, konkret: im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umfeld von Wien – einem Umfeld mit individuellem historischen Hintergrund und eigenständigen geistesgeschichtlichen Bezügen. Das große Potential, das die Bibliothek dabei aufzuweisen hat, speist sich aus einer über 200 Jahre gewachsenen Expertise im

Abbildung 28: Löwenbrunnen von Gero Schwanberg, Eingangs­ halle der Hauptbibliothek Figure 28: Lion’s fountain, by Gero Schwanberg, in the entrance hall of the main library

media and information market. These actors, who are mostly active on an international level, offer a quality of product that is difficult for an individual library to provide, if only for a lack of resources. However, libraries need to follow these developments with a critical eye, and develop its own products in this context, thus making sure its services continue to be in demand. To a certain extent, it must adapt to the “mainstream”, while trying to position itself on the market with specialised, individual benefits. Although research and teaching are already in global competition today, everyday academic life is also a local occurrence in a concrete setting. This setting is the

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Umgang mit Information. Und sie besitzt die Erfahrung, Entwicklungen über lange Zeiträume hinweg zu betrachten (und zu dokumentieren). Die Bibliothekarinnen und Bibliothekare können dieses Wissen nutzen, um daraus optimale Dienstleistungen für den Bedarf an der TU Wien zu formulieren. Dazu werden sie jedoch manche traditionellen Wege verlassen und sich neue Kompetenzen erschließen müssen. Die entsprechende Neugier und eine entsprechende Motivation für Weiterbildung sind aus unserer Sicht daher der Schlüssel für eine erfolgreiche Karriere als Bibliothekarin und Bibliothekar des 21. Jahrhunderts. Es ist zu hoffen, dass damit die öffentliche Wahrnehmung dieses Berufs neue und aktuellere Formen annehmen möge – weg vom Klischee, hin zur Realität. Bis dorthin ist es jedoch noch eine spannende Zeit!

social, economic, and political environment of Vienna, which has a unique historical background and distinct references in the history of ideas. The huge potential the library has to offer is based on its expertise in dealing with information developed over 200 years. And it has the experience of considering (and documenting) developments over the long term. Librarians can use this knowledge in order to draft optimum services for the needs of the TU Wien. This will necessitate the leaving behind of certain traditional paths and the acquisition of new competencies. From our perspective, a lively curiosity and a motivation for continuing education are therefore key for a successful career as a librarian in the 21st century. There is some hope that the public perception of the profession may acquire a new and more current form – away from the cliché and towards a realistic image. But until then, the path will remain interesting!

Anmerkungen/Notes 1 Die Textpassagen stammen aus dem Hauptwerk Robert Musils (1880-1942), Der Mann ohne Eigenschaften, zitiert nach der Ausgabe Hamburg 1952, 473. 2 Friedrich Adolf Ebert (1791-1834), Bibliothekar und zuletzt Direktor der Königlichen Öffentlichen Bibliothek (heute Sächsische Landesbi­ bliothek – Staats- und Universitätsbibliothek) in Dresden, in: Ebert, Die Bildung des Bibliothekars, Leipzig 1820, 7. 3 Johann Philipp Neumann (1774-1849) 4 Eduard Fechtner, Die Bibliothek, in: Josef Neuwirth (Hg.), Die k.k. Technische Hochschule in Wien, 1815-1915. Gedenkschrift, Wien 1915, 602. 5 Josef Wawrosch, Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich, Band 1: Wien, Teil 1, Hildesheim u.a. 1994, 260. 6 Beispielsweise Martin Schrettinger, Versuch eines vollständigen Lehrbuches der Bibliothek-Wissenschaft oder Anleitung zur vollkommenen Geschäftsführung eines Bibliothekärs, München 1808-1829 oder für den österreichischen Raum besonders wichtig: Ferdinand Grassauer, Handbuch für österreichische Universitäts- und Studienbibliotheken sowie für Volks-, Mittelschul- und Bezirks-Lehrerbibliotheken, Wien 1883. 7 Anton Hittmair, Zur Geschichte der österreichischen Bibliotheks-Instruction, in: Mitteilungen des Österreichischen Vereines für Bibliothekswesen 5, Wien 1901, 9-12. 8 Instruction für die k.k. Universitäts-und Studienbibliotheken, provisorisch erlassen mit Stud. Hof-Comm.-Decrete vom 13. Juli 1825, Z. 2930. 9 Walter Ritzer, Die Bibliothek, in: 150 Jahre Technische Hochschule in Wien, Band 2: 1815-1965, Wien 1965, 461. 10 Prüfungsordnung für den wissenschaftlichen und mittleren Bibliotheksdienst in Österreich, Wien 1929. 11 Zur Entwicklung der Ausbildung in wissenschaftlichen Bibliotheken siehe: Gabriele Pum, Ausbildung im wissenschaftlichen Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationsbereich in Österreich. Ein Perpetuum mobile der Zukunft- und weniger der Vergangenheitsbewältigung, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, 65 (2012), Nr. 3/4, 416-443. 12 Christine Köstner, Budgetposten „Bleistift und Papier“ – Bibliothekarinnen in der Österreichischen Nationalbibliothek, in: Ilse Korotin (Hg.), Österreichische Bibliothekarinnen auf der Flucht, Wien 2007, 88. 13 Dipl.-Ing. Dr. phil. Hedwig Gollob (1895-1983) war von 1921 bis 1942 an der TU Wien tätig. Siehe dazu auch: Ute Georgeacopol-Winischhofer, Hedwig Gollob, in: Juliane Mikoletzky/Ute Georgeacopol-Winischhofer/Margit Pohl: „Dem Zuge der Zeit entsprechend“. Zur Geschichte des Frauenstudiums in Österreich am Beispiel der Technischen Universität Wien, Wien 1997, insbes. 233-235. 14 Personalstand der Bibliothek per 31.12.2014.

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15 § 82 Bibliotheks-Instruction aus dem Jahr 1825, zit. in: Grassauer, Handbuch, 140. 16 Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien: Bericht 1977, Wien 1978, 16. 17 Ritzer, Bibliothek, 467f. 18 HR Dr. Dipl.-Ing. Otto Lazar (1891-1983), war von 1946 bis 1956 als Direktor der Bibliothek tätig. 19 Otto Oberhauser, Informationsvermittlung an der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, in: TU-Aktuell, 5, 1980/81, 11.5.1981, 29.

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Anna Wieser

DER BIBLIOTHEKSKATALOG ALS VERSUCH EINER WISSENSORDNUNG LIBRARY CATALOGUES: ATTEMPTING A KNOWLEDGE SYSTEM „die vielen texte die nicht aus ihren büchern können“1

“the many texts that cannot escape their books”1

So beschreibt Ernst Jandl 1977 in seinem Gedicht „bibliothek“ Bücher quasi als Gefängnisse für Texte und evoziert nebenbei die Frage, ob sie denn durch den Akt des Gelesenwerdens befreit werden können – befreit aus Büchern, die ihrerseits in Bibliotheken gehalten werden, doch bringt Jandls Gedicht keine Strophe der Art „die vielen bücher, die nicht aus ihren bibliotheken können“, sondern wendet sich dem Staub zu, der auf ihnen liegt. Das Thema dieses Beitrags aber ist nicht der Bücherstaub, sondern das Wissen in Texten in Büchern in Bibliotheken auf der einen Seite, Personen auf der Suche nach diesem Wissen auf der anderen und wie nun Texte und Suchende einander finden können. Als Instrument der Wahl bietet sich dazu der Bibliothekskatalog an, als Methode das Suchen darin.

This is how Ernst Jandl describes books in his 1977 poem “bibliothek”, as a kind of prison for texts. He raises, en passant, the question of whether they might be freed by the act of being read – freed from their books, kept in libraries. However, Jandl’s poem does not include a stanza on “the many books that cannot escape their libraries”, but turns instead its attention to the dust collecting on them. The subject of this essay, however, is not dusty books, but on the one hand the knowledge in texts in books in libraries, and people looking for this knowledge on the other hand, and how the texts and the searchers may find each other. The tool of choice is generally the library catalogue, the method a search query.

Kurze Geschichte und Wesen des Bibliothekskatalogs Ein Bibliothekskatalog ist ein Verzeichnis aller in einer Bibliothek vorhandenen Publikationen. Er existiert in unterschiedlichen Erschließungs- und Erscheinungsformen, die den Bedürfnissen der jeweiligen Bibliothek, der Art des Bestandes, der Sachkenntnis seiner Bearbeiterinnen und Bearbeiter sowie dem technischen Stand der Zeit entsprechen. Keineswegs gibt es Kataloge, seit es Bibliotheken gibt! Ein Blick in die Geschichte oder auch in gegenwärtige Privatsammlungen zeigt eher,

A Short History and Characterisation of the Library Catalogue A library catalogue is a register of all publications collected in a library. There are different developments and manifestations of such catalogues, each of which corresponds to the needs of a specific library, the nature of its inventory, the expertise of those in charge, and the technical advancements of the time. By no means have catalogues been around since there were libraries! Looking back in history, or at present-day private collections, proves that it is possible for libraries to exist without one. It seems that human memory, including continuous visual recall, is sufficient to keep on top of things

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dass man auch ohne ihn auskommt. Anscheinend reicht das menschliche Gedächtnis samt ständigem visuellem recall aus, um bis zu einem gewissen Umfang den Überblick über eine (eigene) Sammlung zu behalten. Die ursprüngliche Funktion eines solchen Sammlungsverzeichnisses war es wohl, den vorhandenen Besitz zu registrieren; mit dessen zunehmendem Umfang wurde es notwendig, einzelne Werke (wieder) auffindbar zu machen, bis letztlich der Anspruch entstand, alles Wissen allen zugänglich zu machen. Bibliothekskataloge von heute präsentieren sich als Suchportale, die den Inhalt von Katalogen einzelner Bibliotheken oder Bibliotheksverbünden absuchen. Sie enthalten neben allerhand digitalisierter und elektronischer Anreicherung Millionen von Datensätzen (Katalogisaten), die von regelwerkskundigen Katalogisierenden mithilfe bibliotheksspezifischer Software erzeugt werden. Bibliothekskataloge zur Zeit der Gründung des k. k. polytechnischen Instituts waren handgeschriebene Verzeichnisse und stellten eine Zeit lang wohl eine Mischform aus schriftlichem und im menschlichen Gedächtnis gespeichertem Bestandsnachweis dar. Wie und was erschließt die Erschließung? Das Wissen also in den Wörtern, die Wörter in den Texten, die Texte in den Büchern, als deren Stellvertreter die Katalogisate in den Katalogen … Erster Zweck eines Katalogisats (das Ergebnis einer sogenannten Titelaufnahme) ist eine zuverlässige Identifizierung des gesuchten Werkes, was gleich am Katalogeintrag bzw. Treffer in der Suchmaschine erkennbar sein soll. Katalogbenutzer und -benutzerinnen auf der Suche nach Wissen suchen allerdings nicht nach Katalogisaten, sondern nach Inhalten, die also bestmöglich erschlossen werden wollen. Schon bei der Absicht, einen Katalog anzulegen, ergeben sich bei der Frage, welcher Ordnung er folgen und welche Form er annehmen soll, sämtliche Varianten, die im Lauf der Bibliotheksgeschichte tatsächlich und real entstanden sind: Soll die Autorenschaft (Familienname,

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in one’s (own) collection, up to a point. The original function of collection registers was probably to record one’s existing property. As the scope of some collections grew, it became necessary to (re)locate individual works, until finally the requirement surfaces to make all knowledge accessible to everyone. Current library catalogues are presented as search portals, scanning the content of catalogues of an individual library or entire library networks. In addition to all sorts of digital and electronic enhancements, they contain millions of data records (catalogue entries) that are generated by skilled cataloguers with library-specific software. At the time of the foundation of the Imperial Royal Polytechnic Institute, library catalogues were handwritten registers. Presumably, for a time, they were a combination of written inventory evidence and human memory. What Does Cataloguing Catalogue, and How? So the knowledge is in the words, the words are in the texts, the texts are in the books, and the books are represented by a catalogue entry in the catalogues… The first purpose of a catalogue entry (the result of what is called a bibliographic recording) is a reliable identification of the concerned work, which should be immediately evident in the catalogue entry or search engine hit. Catalogue users searching for knowledge, however, do not look for catalogue entries but for content, which therefore needs to be catalogued as well as possible. The mere proposition of setting up a catalogue gives rise to the question of which system to use and which shape it should take, resulting in all the varieties that have in fact developed over the course of the history of libraries. Should authorship (family name, corporate body, author) be the organising element (author catalogue, nominal catalogue), or should it be the title (title catalogue) or both (cross catalogue)? Do we first determine subjects and fill them with the inventory (system-

Körperschaft, Urheber/Urheberin) das ordnende Element sein (Autorenkatalog, Nominalkatalog) oder der Sachtitel (Titelkatalog) oder beides (Kreuzkatalog)? Legt man zuerst Fachgebiete an und füllt sie dann mit dem Bestand (Systematischer Katalog) oder bekommt gar jedes Werk ein oder mehrere Schlagwörter (Schlagwortkatalog)? Reiht man den Bestand einfach chronologisch nach seinem Eintreffen (Nummernrepertorium) oder folgt man seiner Reihung in Magazinen oder Regalen (Standortkatalog)? Mag diese Aufzählung nur ein kleiner Ausschnitt aus der Vielfalt möglicher katalogischer Ordnungssysteme sein, beinhaltet sie doch drei grundlegende Prinzipien jeder Katalogisierung: •• die Formalerschließung oder bibliografische Beschreibung, bei der definierte Bestandteile der vorliegenden Publikation in fixer Reihenfolge beschrieben werden (Sachtitel- und Verfasserangabe, Ausgabebezeichnung, Erscheinungsvermerk, etc.) •• die Sacherschließung oder Inhaltserschließung, die die Werke aufgrund ihres Inhalts beschreibt •• die Aufstellung der Bücher stellt ebenfalls eine Form der Erschließung dar – vor allem in Freihandbibliotheken und nicht denkbar ohne spezifische Systematik •• Formal- und Sacherschließung basieren auf umfangreichen nationalen und internationalen Regelwerken, die sich innerhalb eines Jahrhunderts auch gerne zweibis dreimal ändern können. Erste erhaltene Anweisungen stammen aus Klosterbibliotheken, die diese teils sogar in die Ordensregeln aufnahmen.2 •• Die „Instruction für die k. u. k. Universitäts und Lyceal Bibliotheken“ von 1825 sei als österreichischer Versuch einer Vereinheitlichung der Katalogisierungsregeln erwähnt. Die internationale Anwendung heutiger Regelwerke ermöglicht zumindest den seit geraumer Zeit üblichen internationalen Austausch von Katalogisaten zwischen Bibliotheksverbünden. Kataloge in gar vielen Formen … Abgesehen von der Art seiner Erschließung, die bis in ungeahnte Tiefen reichen kann, benötigt der Katalog natür-

atic catalogue) or should we assign one or several keywords to each work (keyword catalogue)? Do we simply arrange the inventory in chronological order of purchase (number repertory) or do we follow its arrangement in depots or shelves (shelf list catalogue)? Even though this enumeration provides only a small glimpse of the diversity of possible organisational systems for catalogues, it does include the three basic principles of any catalogue: •• Formal cataloguing or bibliographic description, in which defined parts of the publication are described in a fixed sequence (title and author, edition statement, imprint, etc.) •• Subject indexing or content indexing, describing works based on their content •• The arrangement of books is also a form of cataloguing, in particular in open access libraries – and it is unthinkable without a specific system of classification •• Formal cataloguing and subject indexing are based in comprehensive national and international regulations, which may well change twice or three times over a century. The earliest instructions we know of are from monastery libraries, the regulations of which were sometimes even included in the rules of the order.2 •• The 1825 “Instructions for the Imperial and Royal University and Lyceum Libraries” should be mentioned as an Austrian example of an attempt at standardising cataloguing rules. The international application of current regulations allows for the exchange of catalogue entries between library networks; this has been common practice for some time now. Catalogues in Many Shapes … Apart from the system of cataloguing, which may attain surprising depths, a catalogue is obviously in need of an outward physical form – a carrier medium as it were. From Callimachus’ pinakes – wooden tablets attached to the shelves of the Library of Alexandria, recording the papyri stored in them – a long and steady path runs through the bound lists of monastic and private libraries to some of

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lich eine äußere, physische Form – sozusagen ein Trägermedium. Von den Pinakes des Kallimachos – Holztafeln, die an den Gestellen der Bibliothek von Alexandria die darin gelagerten Papyri verzeichneten – führte ein langer und gleich bleibender Weg über handgeschriebene und gebundene Listen der Kloster- und Privatbibliotheken bis zu den teils berühmten Bandkatalogen der wissenschaftlichen Bibliotheken im 18. und 19. Jahrhundert. Hier wurden schlichtweg die Bestandstitel der Reihe nach in unbedruckte Bände eingetragen. Zwar konnten damit bereits Bände nach verschiedenen Kriterien geführt werden, also z. B. nach Autorinnen und Autoren, Sachgebieten, Aufstellungsorten …, der Nachteil jedoch ist evident: Die Aufnahmekapazität eines Bandes war geschlossen und begrenzt, Nachtragsbände gingen auf Kosten der Übersichtlichkeit. Als bibliografischer Meilenstein auf dem Weg des Zugangs zum Wissen kann das Aufkommen des Kartenoder Zettelkatalogs bezeichnet werden, in dem endlich jedes Katalogisat seine eigene Karteikarte erhält (und der somit unbegrenzt erweiterbar wird, ohne seine – alphabetische oder systematische – Ordnung zu verlieren). Über hundert Jahre lang handgeschrieben auf Zetteln, meist im Format etwas größer als A5, führen um 1930 die Verfügbarkeit von Schreibmaschinen, vereinheitlichte Regelwerke und ein internationales Kartenformat (7,5 x 12,5 cm) zum bekannten Bild des Bibliothekskatalogs, wie er jahrzehntelang prägend war, und zwar bis zur Einführung der OPACs (online public access catalogue) in den 1980er Jahren. Dass es darüber hinaus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch Kataloge auf CD-ROM, Mikrofiches und Mikrofilmen gab, die sich besonders zum Austausch zwischen den Bibliotheken eigneten, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Kataloge für Bibliothekare – die ersten 100 Jahre Wie kann man sich nun die Anfänge und ersten Jahrzehnte der Bibliothek des k. k. polytechnischen Instituts und ihre „heranwachsenden“ Kataloge vorstellen, wer konnte wie an die sich vermehrenden Bücher- und Zeitschriften-

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the famous catalogue volumes of the scientific libraries of the 18th and 19th centuries. These simply recorded the inventory titles chronologically in blank volumes. Although this system made it possible to maintain different volumes according to different criteria, e.g. by authors, subjects, shelf location, etc., the disadvantages are evident. The capacity of a single volume was limited, while supplementary volumes were detrimental to clear arrangement. The rise of the index card may be regarded as a milestone in the path towards accessing knowledge, finally giving each catalogue entry its own index card. This system can thus be extended without limitation and without losing its – alphabetical or systematic – order. For more than a hundred years, this type of system used handwritten cards, mostly in a format slightly larger than A5. In the 1930s, the introduction of typewriters and standardised regulations as well as an international card format (7.5 by 12.5 cm) led to the familiar appearance of the library catalogue as we knew it for decades, before OPACs (online public access catalogues) were introduced in the 1980s. For the sake of completeness, we shall also note catalogues on CD-ROM, microfiche and microfilm, which were particularly useful for inter-library exchanges. Catalogues for Librarians – The First Century How, then, may we imagine the beginnings and the first decades of the Imperial Royal Polytechnic Institute’s library and its “growing” catalogues? Who was able to access to the increasing inventory of books and journals? Publications in celebration of past anniversaries provide extensive insight into the history of the library.3 Amongst other things, we are told that in 1815, the basis of the library was composed of the “considerable stocks of books” of the St. Anna Realakademie and of the Collection of Manufacture Products (Fabriksproduktenkabinett): “the books were kept in the administrative offices and were shelved in the roughly-made cabinets of the Fabriksproduktenkabinett”.4 The post of librarian was filled by Johann Philipp Neumann, a versatile and highly

Abbildung 29: Alter Autorenkatalog Figure 30: Old author catalogue. Abbildung 30: Autorenkatalog 1931–1989 Figure 30: Author catalogue 1931–1989

bestände herankommen? Aus den, anlässlich bereits vergangener Jubiläen erschienenen, Festschriften lässt sich ausführlich die Geschichte der Bibliothek insgesamt entnehmen.3 Unter anderem erfahren wir daraus, dass der Grundstock der Bibliothek 1815 aus den „ansehnlichen Bücherbeständen“ der Realakademie zu St. Anna und des Fabriksproduktenkabinetts bestand – „die Bücher befanden sich im Kanzleizimmer der Direktion und waren in den roh gearbeiteten Schränken des Fabriksproduktenkabinetts untergebracht.“4 Als Bibliothekar fungierte der vielseitig und hochgebildete Johann Philipp Neumann in seiner Eigenschaft als Sekretär des Direktors; eine spezielle bibliothekarische Ausbildung gab es noch nicht, Pläne zu einer solchen waren gerade erst im Entstehen. Nach Neumanns Idee startete der k. k. polytechnische Bibliotheksbetrieb mit einer Freihandaufstellung, mit der einzigen Sortierung nach Sprachen und Formaten. Da der Zettelkatalog noch nicht geboren war, erfolgte die Titelaufnahme in einem Bandkatalog, dessen eingeschlossene alphabetische Ordnung naturgemäß bald an ihre Grenzen stieß. Schon 1826 erfolgte eine Neukatalogisierung; man „ließ zunächst ein Nummernrepertorium abfassen, das alle Werke in beliebiger Reihenfolge aneinanderfügt und fortlaufend zählt. Dann schrieb man die

educated man, in his role as the Director’s Secretary. At this time, there was no special training for librarians – the first drafts for training were only just being drawn up. The Imperial Royal Library started out after Neumann’s concept, with open access shelving organised solely according to language and format. As the card index had not yet been invented, the titles were listed in a catalogue volume. They were listed in alphabetical order, and limits were naturally soon reached. The catalogue was reorganised as early as 1826. The library “first had a number repertory set up, assembling all works in a random order and then serially numbering them. Afterwards, titles were written on quarto sheets measuring 24.2 by 18.8 cm, which were filed in strict alphabetical order and stored in locked wooden boxes.”5 Both tools, by the way, are still available at today’s library, in their original state. The serial numbers of these

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Titel auf Quartblätter im Ausmaß von 24,2 x 18,8 cm, ordnete diese streng alphabetisch und bewahrte sie in verschließbaren Holzkästchen auf“.5 Beide Instrumentarien stehen übrigens an der heutigen Bibliothek noch im Original zur Verfügung, die fortlaufende Zählung aus diesem Bandkatalog („Numerus currens“) ist der Beginn der heutigen, noch im Magazinsbestand sichtbaren Signatur. Schon in den 1830er-Jahren begann man an einer Art Sacherschließung zu arbeiten, wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Hilfspersonal wurde eingesetzt und der zunehmende Betrieb erforderte, dass „das Amt des Sekretärs ganz in das des Bibliothekars überging“.6 Dieser bemühte sich denn auch bald um eine hausinterne Instruktion, die Vorschriften zur Führung der Kataloge, zur Bücheraufstellung, Bibliotheksbenützung, Bestandserhaltung und Verrechnung enthielt.7 Sein Nachfolger – Experte für „Lichtbildnerei“ und erster hauptamtlicher Bibliothekar des Instituts – ließ 1850 erstmals den Katalog der Bibliothek gedruckt herausgeben. „Das Grundinventar verzeichnet 6370 Werke nach fortlaufenden Nummern und mit vollständigen Titeln zitiert. Das erste Repertorium enthält dieselben Titel gekürzt und alphabetisch gereiht, das zweite stellt die Werke nach allgemeinen Wissenschaftsgruppen zusammen […], während das Schlagwortregister des dritten Repertoriums auf den Numerus currens rückverweist.“8 Ein Katalog dieser Art erleichterte den Zugang zum damaligen Bestand ungemein; eine bessere und gründlichere bibliographische Erschließung konnte man sich zu dieser Zeit nicht wünschen! In den folgenden Jahrzehnten wurde der eingeschlagene Weg weiter verfolgt: Die Untergruppen zu den Haupt-Wissenschaftsgruppen werden immer reichhaltiger, immer feiner das Alphabet der Schlagwörter, immer umfassender der alphabetische Katalog. Die zweite Auflage des gedruckten Katalogs von 1868 enthielt 10.000 Werke, ein Nachtrag von 1873 geht bis zur Nummer 14.200. Dieser Nachtrag trägt auf seinem Titelblatt erstmals der inzwischen erfolgten Umbenennung des Polytechnischen Instituts in Technische Hochschule Rechnung. Bis in die 1920er-Jahre bewirkten umfassen-

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catalogue volumes (numerus currens) is the origin of the signature still in use in today’s inventory. As early as the 1830s, the library started with a form of subject indexing. Academic and non-academic support staff was employed, and increasing duties required “the office of Secretary to completely merge into that of librarian”6. The librarian consequently also made efforts to develop internal regulation, containing rules for keeping catalogues, shelving books, using the library, stock upkeep, and accounting.7 Neumann’s successor – an expert in “photographic images” and the first full-time librarian at the institute – published the first printed catalogue in 1850. “The basic inventory consists of 6,370 works recorded according to their serial numbers and quoted with full titles. The first repertory contains the same titles in a shortened version and ordered alphabetically, the second groups the works according to general scientific fields (…) while the keyword register of the third repertory refers back to the numerus currens.”8 A catalogue of this kind greatly facilitated access to the stock of books; this was the best and most efficient bibliographic indexing one could wish for at the time! In the following decades, the library continued on this path: The sub-groups of the main scientific fields became increasingly elaborate, the alphabet of keywords became more and more refined, the alphabetical catalogue more and more exhaustive. In 1868, the second edition of the printed catalogue contained 10,000 works, a supplement dated 1873 reaches number 14,200. This supplement takes account of the renaming of the Polytechnic Institute to the Technische Hochschule for the first time. Into the 1920s, extensive additions to the collection, newly emerging subjects, and ambitious library directors provoked profound developments in cataloguing methods. This regarded content by including new sub-groups into the systematic catalogue (printed from 1901 to 1909), which was still based on the 21 main groups of the basic volumes, and in the first attempt at an individual keywording of books. Formal cataloguing still used the large cards called “title copies”.

de Bestandsvermehrung, neu entstehende Fachgebiete und ambitionierte Bibliotheksdirektoren eine profunde Weiterentwicklung der Erschließung: inhaltlich durch das Einfügen neuer Untergruppen im Systematischen Katalog (gedruckt von 1901 bis 1909), der immer noch auf den 21 Hauptgruppen des Grundwerkes basierte, sowie im ersten Versuch einer Einzelbeschlagwortung pro Buch. In der formalen Katalogisierung wurden weiterhin die als „Titelkopien“ bezeichneten großen Zettel angelegt. War der Besuch des Lesesaals ab 1850 und die Entlehnung ab 1901 schon der Allgemeinheit zugänglich, so hatten Leserinnen und Leser zu den Katalogen natürlich keinen Zugang. Tunlichst hatten sie ihren Suchantrag an den Bibliothekar zu stellen, der mit gebotener Sachkenntnis in den gepflegten Verzeichnissen suchte und das Gefundene aus den Regalen holte. Die Bibliothek in ihren Katalogen – die zweiten 100 Jahre Die ersten hundert Jahre der nunmehrigen Bibliothek der Technischen Hochschule können auch im Vergleich

Abbildung 31: Systematischer Katalog Figure 31: Systematic catalogue

While the reading room was open to the public starting in 1850, and borrowing books after 1901, readers, of course, did not have access to the catalogues. They had to address a search query to a librarian, who would then search the orderly registers with the necessary expertise and pull the desired volume from the shelves. The Library in Its Catalogues – the Second Century We may regard the first century of the TH Library as having been fairly successful, even in comparison to other university libraries of the time. Afterwards, war, inflation, and economic crisis noticeably interrupted this path of progress. But in the late 1920s and the early 1930s, great changes were imminent, manifesting in several milestones: As of 1926, courses and testing regulations for librarians-to-be were made mandatory. In cataloguing, the library affiliated itself with Germany, using the

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damaliger Hochschulbibliotheken durchaus als erfolgreich bezeichnet werden. Danach haben Krieg, Inflation und Wirtschaftskrise diesen Weg des Fortschritts merkbar unterbrochen, doch Ende der 1920er, Anfang der 30er Jahre standen große Neuerungen an, was sich in einigen Meilensteinen manifestierte: Ab 1926 wurden Kurse und Prüfungsvorschriften für angehende Bibliothekarinnen und Bibliothekare verbindlich eingeführt. Im Katalogisierungswesen wurde ein Anschluss an Deutschland vollzogen: Die Bibliothek nutzte die „Berliner Titeldrucke“ – ein Vervielfältigungs- und Verteilungsverfahren der Deutschen Staatsbibliothek zum Bezug von Katalog­ karten. 1930 wurde als einheitliches Regelwerk für die formale Erfassung an allen staatlichen Bibliotheken die Anwendung der in Deutschland bereits ab 1912 eingeführten Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken – kurz Preußische Instruktionen – angeordnet. Nach hinhaltendem Widerstand des damaligen Bibliotheksdirektors wurde ab 1931 auch am Karlsplatz „preußisch“ katalogisiert. Die Meinung eines späteren Bibliotheksdirektors und Mitverfassers der TU-Festschrift von 1965 hingegen lautet: „Die Preußischen Instruktionen stellen mit ihren logisch-grammatikalischen Prinzipien das großartigste Dokument methodischen Aufbaues auf dem Gebiete der Katalogisierung dar.“9 (Die Verfasserin dieser Zeilen kann ihm 50 Jahre später zwar Recht geben, muss jedoch ergänzen, dass dieses Regelwerk sich auf grammatikalische Kenntnisse stützt, die Maturierende von heute als Katalogbenützende und auch als Katalogisierende überfordern würde.) Der handgeschriebene Autorenkatalog wurde abgebrochen und ein neuer mit kleinen Kärtchen im internationalen Format und mit entsprechend kleineren Laden angelegt. Diese Kärtchen wurden – so nicht aus den „Berliner Titeldrucken“ zugekauft – mit Schreibmaschinen beschrieben, gelocht und mit Stahlstangen in den Katalogladen gesichert. Bezüglich dieser maschinellen Praxis „regten sich anfangs Widerstände, weil man Zweifel an der Lichtbeständigkeit des Geschriebenen hatte“10 – ob dies auch für die hiesige Bibliothek galt, ist nicht überliefert.

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“Berlin title prints” – the German State Library’s procedure for duplicating and distributing catalogue cards. In 1930, standardised regulations for formal recording were ordered for all public libraries, which were based on the Instructions for Alphabetical Catalogues of Prussian Libraries – or Prussian Instructions for short. After a period of delaying and resistance from the library’s director, cataloguing was done “the Prussian way” at Karls­ platz as of 1931. In contrast to this is the opinion of a later library director and co-author of the TU Festschrift of 1965: “The Prussian Instructions, with their logical and grammatical principles, are the greatest document of methodical organisation in the field of cataloguing.”9 (Although the author of these lines may agree with him 50 years later, she will add that these rules are based on a knowledge of grammar that would be too much to ask of current secondary school graduates, cataloguers and users alike.) The handwritten author catalogue was discontinued, and a new one was set up on small cards in the international format, filed in smaller, fitted drawers. If they were not bought directly from the Berlin title prints, these cards were typewritten, punched, and secured in the catalogue drawers with steel rods. Regarding this mechanised practice, “there were initially cases of resistance, as doubts existed regarding the lightfastness of the ink.”10 Whether this was the case in our library as well is not on record. At the same time as the new author catalogue or nominal catalogue (AC), a keyword catalogue was introduced in which “formal indexing” cards bore one or several keywords and were alphabetically systematised in “content indexing”. Both catalogues are still located on the first floor of the current library; however, their days are numbered, as the AC is being continually incorporated into the online catalogue. For the sake of completeness, we shall also mention the serial catalogue, which records additions to journals, yearbooks, and publication series under a “collective title” – but for a few exceptions, its contents are already recorded in the online catalogue.

Mit dem neuen Autorenkatalog oder N ­ ominalkatalog (AK) wurde gleichzeitig und im selben Format ein Schlagwortkatalog eröffnet, in welchem die „formal erschließenden“ Kärtchen mit einem oder mehreren Schlagwörtern versehen und alphabetisch nach diesen in eine „inhaltlich erschließende“ Ordnung gebracht wurden. Beide Kataloganlagen befinden sich noch im ersten Obergeschoss der heutigen Bibliothek; ihre Tage sind jedoch gezählt, da zumindest der AK fortlaufend in den Online-Katalog eingearbeitet wird. Der Vollständigkeit halber sei noch der damals ebenfalls neu angelegte Fortsetzungskatalog erwähnt, der unter jeweiligen „Gesamttiteln“ den Zuwachs von Zeitschriften, Jahrbüchern und Schriftenreihen verzeichnet – sein Inhalt ist bis auf wenige Ausnahmen bereits im Online-Katalog verzeichnet. Bald nach all diesen Neuerungen hat es in den 1930er und 1940er Jahren allerdings nicht allzu viel zu katalogisieren gegeben, denn aufgrund bekannter wirtschaftlicher und politischer Umstände wurden sogar wichtige Werke nicht angeschafft und bis dahin lückenlos vorhandene Zeitschriften abbestellt. Durch den Krieg wurden auch Bestrebungen der Zusammenführung, Vereinheitlichung und Internationalisierung der Kataloge abgebrochen, die erwähnten „Berliner Titeldrucke“ stellten 1945 ihr Erscheinen endgültig ein. Zum Katalog der Technischen Hochschule Wien ist Nachhaltiges bei Ritzer – wo auch die Geschichte der Auslagerung und Rückführung der Buchbestände spannend

Abbildung 32 (l.): Alter Schlagwortkatalog Figure 32: Old keyword catalogue Abbildung 33 (r.): Schlagwortkatalog 1931–1989 Figure 33: Keyword catalogue 1931–1989

Soon after these innovations, there was little to be catalogued in the 1930s and 1940s. Due to the economic and political circumstances, the library was not able to acquire even important works, and discontinued its subscriptions to journals that had previously been complete up to that point in time. The war also meant that efforts at merging, standardising, and internationalising the catalogues were discontinued; the Berlin title prints mentioned above ceased publication for good in 1945. Enduring information about the catalogue of the TH can be found in writings by Ritzer – who also offers an interesting description of the history of the evacuation and retrieval of books: “The alphabetical catalogue, which had been kept in the international format since 1931, was copied out before being evacuated. It was planned that, in the case that both card indexes made it through the war, one copy would be made available to the public.”11 This was an enduring plan, and the unharmed return of both card indexes meant that access to the catalogue was actually opened to “the public” as planned. In fact, the systematic as well as the keyword catalogue were copied out in the post-war years, and a separate

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beschrieben wird – zu erfahren: „Der seit 1931 im internationalen Format geführte alphabetische Katalog war, ehe man ihn verlagerte, abgeschrieben worden. Wenn beide Karteien den Krieg überdauern, ist vorgesehen, die Kopie dem Publikum zur Verfügung zu stellen.“11 Nachhaltig deshalb, weil die unbeschadete Rückkehr beider Kataloge bedeutete, dass der Zugang zum Katalog wie vorgesehen „dem Publikum“ geöffnet wurde. Tatsächlich wurde in den Nachkriegsjahren auch der Systematische und der Schlagwortkatalog abgeschrieben und ein eigener Raum als „Publikumskatalog“ eingerichtet. So konnten sich also Benutzer und zunehmend Benutzerinnen etwa 130 Jahre nach der Gründung ihrer Bibliothek erstmals selbständig auf dem Weg des Katalogs dem in der Bibliothek gespeicherten Wissen nähern! Dem Umstand, dass wissenschaftliches Publizieren sich zunehmend auf Zeitschriften verlagerte, wurde durch die Gründung und das Betreiben einer Dokumentationsstelle Rechnung getragen. Das erforderte nicht nur, dass Zeitschriftenaufsätze ausgewertet und katalogisiert wurden, sondern in der Folge auch die Umgestaltung eines Hörsaals in einen Zeitschriftenlesesaal. Technisch fortgeschrittene Vervielfältigungsverfahren wie Mikroverfilmung und Fotokopien erlaubten und erleichterten sowohl die Versendung von Artikeln als auch den Austausch ganzer Kataloge unterschiedlicher Bibliotheken, was wiederum den Fernleihverkehr beschleunigte. Die Herstellung von Kopien wurde immer billiger, was 1968 einerseits zur Einrichtung eines Literaturdienstes – heute document delivery – führte, andererseits die Bedeutung der Dokumentationsstelle minderte, sodass diese 1973 geschlossen wurde. „Bald sollten die Literaturrecherchen bei automationsunterstützten Datenbanken die Auskunftstätigkeit der ehemaligen Dokumentationsabteilung in wesentlich effizienterer Weise ersetzen.“12 Der Systematische Katalog wurde im Lauf der Jahre gewissenhaft erweitert, ergänzt und vervollständigt. 1971 wurde die Herausgabe seiner letzten Nachträge für den Bücherzuwachs von 1950 bis 1965 begonnen und 1976 abgeschlossen,13 auf Karteikarten wurde er

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room was established for the “public catalogue”. Thus, users, male as well as the increasingly female users, were able to independently access the knowledge stored in the library by way of the catalogue for the first time! The fact that scientific publication had increasingly shifted to journals was taken into account by founding and running a documentation office. It not only involved processing and cataloguing journal articles, but also, in time, the redesign of a lecture hall into a periodical room. Technically advanced methods of duplication, such as microfilming and photocopies, allowed and facilitated the mailing of articles as well as the exchange of complete catalogues between different libraries, which sped up interlibrary loans. Producing copies became cheaper, which led to the establishment of a literature service – today’s document delivery – but also reduced the importance of the documentation office, which was finally closed in 1973. “Soon, literature searches in semi-automated databases came to replace the former documentation department in a much more efficient manner.”12 Over the years, the systematic catalogue was scrupulously expanded, complemented, and completed. In 1971, the publication of its final supplements, for the additions of the years of 1950 to 1965 was begun. It was completed in 1976.13 It was still continued on index cards from 1965 to the mid-1980s, when it was merged into the new classification that was set up for open access shelving in the new library building. The 1975 University Organisation Act (UOG 1975) turned the Technische Hochschule into a Technical University, and its library thus became a university library. Such a name change brings with it plenty of work for cataloguing, namely a change to all publications bearing its name. The UOG 1975 also enabled the library to document all inventories centrally available at the university, which meant the start of another catalogue – the Central Catalogue of Institutes (ZKI).

von 1965 bis Mitte der 1980er-Jahre noch weitergeführt, bis er dann in der neuen Systematik aufging, die für die Freihandaufstellung im Bibliotheksneubau angelegt wurde. Durch das Universitätsorganisationsgesetz 1975 wurde aus der Technischen Hochschule die Technische Universität, ihre Bibliothek wurde somit zur Universitätsbibliothek. Jede derartige Namensänderung einer Institution bedeutet nebenbei jede Menge Arbeit für die Katalogisation, nämlich eine Titeländerung für alle Namen tragenden Publikationen. Durch das UOG 1975 wurde der Bibliothek auch der zentrale Nachweis aller an der Universität bereitgestellten Bestände ermöglicht und somit noch ein weiterer Katalog begonnen – der Zentralkatalog der Institute (ZKI). Langsam wird alles neu Auch dieser Kartenkatalog folgte noch den Ordnungsregeln der Preußischen Instruktionen (PI). Mittlerweile wurde in den Bibliothekskursen im Fach Katalogisierung parallel zu den PI ein neues Regelwerk unterrichtet, das die seit dem 19. Jahrhundert angestrebte Vereinheitlichung im deutschsprachigen Raum bringen sollte: die RAK-WB, Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken, ein Regelwerk, das bei seiner flächendeckenden Anwendung in Österreich bereits veraltet war, da es einerseits noch auf der Produktion von Katalogkarten statt von Datensätzen fußte, andererseits den rasanten Umwälzungen im Informations- und Publikationswesen nicht angepasst wurde. Mit vielen verbundweiten und hausinternen Adaptionen wird es bis heute angewandt, da wir ganz nah an der Einführung eines quasi-globalen Regelwerks stehen, das RDA – „Ressource Description Access“ – heißt und dessen Bewertung in der Festschrift 2065 nachzulesen sein wird. Bis zum Übergang der 1970er zu den 1980er Jahren umfasste der bibliothekarische Maschinenpark elektrische Schreibmaschinen (immerhin mit Speicherfunktion), Kopierer, Mikrofiche-Lesegeräte und einen Rea-

Slowly Everything Is Changing This card catalogue also followed the systematic rules of the Prussian Instructions (PI). In the meantime, the subject of cataloguing in the librarians’ training programme also taught a new set of rules alongside the PI, which was to bring the standardisation that German-speaking countries had aimed for since the 19th century: the RAKWB, Rules for Alphabetical Cataloguing in Scientific Libraries. These rules were already out of date when they were introduced on a nationwide scale in Austria, as they were still based on catalogue cards instead of data records, and also not adapted to the dynamic changes that had taken place in information and publishing. In many network-wide and internal adaptations, it is still in use today, as we are on the brink of introducing a quasi-global set of rules, the RDA – Resource Description and Access, an evaluation of which will be published in the 2065 memorial publication. Until the transition in the 1970s and 1980s, the library’s machine pool consisted of electrical typewriters (with a memory function, at least), copiers, microfiche readers, and a reader-printer to print out microfilmed publications. Soon afterwards, the age of electronics began to slowly make its first marks, as we can see in an article by the Library Director in 1987: “For the execution of online searches in different databases, we were able to purchase a terminal with two cartridge drives. An information exchange was established and contracts were concluded with the most important database providers. […] The terminal purchased by the library was put to other uses nearly from the start. With very simple programmes, data from newly acquired books was collected for cataloguing and statistical purposes, and processed at the computer centre.”14 With this equipment, the University Library took its first steps towards a dynamically developing information technology that has become one of the greatest challenges to libraries in general. From the start, the TU Library endeavoured to offer the enormous amount of printed technical information to a wider audience in

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der-Printer, der das Ausdrucken von mikroverfilmten Publikationen ermöglichte. Nun setzte das elektronische Zeitalter langsam seine ersten Zeichen, wie einem Beitrag des Bibliotheksdirektors von 1987 zu entnehmen ist: „Für die Durchführung von Online-Recherchen bei verschiedenen Datenbanken konnte ein Terminal mit zwei Kassettenlaufwerken angeschafft werden. Eine Informationsvermittlungsstelle wurde eingerichtet und mit den wichtigsten Datenbankanbietern Verträge abgeschlossen. […] Das von der Bibliothek erworbene Terminal wurde aber ziemlich von Beginn an auch anderwärtig benützt. Mit sehr einfachen Programmen wurden die Daten der neu zugehenden Bücher für die Inventarisierung und Statistik erfasst und am Rechenzentrum verarbeitet.“14 Mit dieser Einrichtung tat die Universitätsbibliothek den ersten Schritt in Richtung einer sich rasant entwickelnden Informationstechnologie, die zu einer der größten Herausforderungen im Bibliothekswesen allgemein wurde. Die Bibliothek der TU Wien war von Anfang an bemüht, die ungeheure Menge gedruckter technischer Fachinformation auf elektronischem Weg sowohl einem breiteren Publikum anzubieten als auch benutzungsfreundlich und effizient zu gestalten. Die Datenbanknutzung der erwähnten Informationsvermittlungsstelle ersetzte die Recherche in hunderte Regalmeter füllenden Fachbibliografien; Zeitschriftenlisten und Inhaltsverzeichnisse wurden z. B. via ftp-Server zur Verfügung gestellt. Als eine der ersten österreichischen Universitätsbibliotheken installierte sie in Zusammenarbeit mit dem Zentralen Informatikdienst einen Web-Server, der als Plattform für lokale Datenbanken diente. Und schließlich kam 1989 die Stunde, in der in allen Katalogen der TU-Bibliothek das letzte Kärtchen eingelegt wurde. Ab nun wurden auch die Titeldaten in einen gemeinsamen Verbundkatalog gespeist; mit dem inte­ grierten Bibliothekssystem BIBOS war die TU-Bibliothek im entstehenden Bibliothekenverbund des österreichischen wissenschaftlichen Bibliothekswesens angekommen. Ab nun konnten Benutzerinnen und Benutzer unter einer einheitlichen Oberfläche online in Katalogen

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electronic form, and to achieve this in an efficient and user-friendly way. Database use in the information exchange we mentioned replaced searches in specialised bibliographies filling hundreds of meters of shelves; journal lists and tables of content were, for instance, made available via ftp server. In collaboration with the Central Informatics Service, ours was one of the first university libraries in Austria to install a web server serving as a platform for local databases. And finally, in 1989, the time came when the last card was added to the TU library catalogues. From then on, title data were also entered into a common network catalogue; the BIBOS integrated library system marked the TU library’s arrival in the emerging network of Austrian scientific libraries. From then on, users were able to search in catalogues of different institutions online, using a standardised interface. Over time, these catalogues were expanded with more and more data from different resources. People now looking for literature at the TU Wien University Library do their research in the CatalogPlus search portal. This provides access to its complete online catalogue, electronic periodicals, and a large part of its e-books, allowing for full-text searches of articles and book chapters. In this way, the library staff of the TU Wien has sought to manage, cultivate, and index the knowledge stored in the library – and thus, we have liberated many a text from its book.

unterschiedlicher Einrichtungen suchen, die im Laufe der Zeit mit immer mehr Daten aus verschiedenen Ressourcen angereichert wurden. Literatursuchende an der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien des Jahres 2015 recherchieren im Suchportal CatalogPlus. Es bietet Zugriff auf den gesamten Bestand des bisherigen Online-Katalogs, die elektronischen Zeitschriftenbestände und einen großen Teil der E-Books, wobei die enthaltenen Volltexte auf Artikel- bzw. Buchkapitelebene gesucht werden können. So haben die Bibliotheksangehörigen der Technischen Universität Wien sich zwei Jahrhunderte lang bemüht, das in der Bibliothek gelagerte Wissen zu verwalten, zu pflegen und zu erschließen – und damit so manche Texte aus ihren Büchern befreit.

Abbildung 34: CatalogPlus Figure 34: CatalogPlus

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Anmerkungen/Notes 1 Ernst Jandl, Bibliothek, in: ders., Die Bearbeitung der Mütze. Gedichte, Darmstadt 1978, 137. 2 Karl Löffler u. a., Einführung in die Katalogkunde, Stuttgart 2005, 31. 3 Hans Kaiser, Peter Kubalek und das Bibliothekswesen an der TU Wien, in: Bibliothek – Technik – Recht. Festschrift für Peter Kubalek zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Hans Hrusa, Wien 2005, 79ff und Josef Wawrosch, Die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien 1965–1987, in: Festschrift zur Eröffnung des neuen Gebäudes der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Wien 1988, 47ff. 4 Walter Ritzer, Die Bibliothek der Technischen Hochschule in Wien, in: 150 Jahre Technische Hochschule Wien 1815–1965, Bd. 2, hrsg. v. Heinrich Sequenz im Auftrag des Professorenkollegiums, Wien 1965, 450–475, hier 451. 5 Ebd., 452. 6 Ebd., 453. 7 Johann Philipp Neumann, Geschichte des k. k. polytechnischen Institutes in Wien bis zum Jahre 1844, Wien [1844]. 8 Ritzer, Bibliothek, 454. 9 Ebd., 462. 10 Löffler, Katalogkunde, 35. 11 Ritzer, Bibliothek, 465. 12 Wawrosch, Universitätsbibliothek 1965–1987, 52. 13 Systematischer Katalog der Bibliothek der k. k. Technischen Hochschule in Wien, Wien 1901–1976. 14 Wawrosch, Universitätsbibliothek 1965-1987, 54.

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Birgit Bittner

AUS DEN SCHÄTZEN DER BIBLIOTHEK: DIE SKIZZEN VON JOSEF KLIEBER FROM THE LIBRARY TREASURE TROVE: THE SKETCHES OF JOSEF KLIEBER Hinter der Signatur 8115 IV des Bibliotheksinventars aus dem Jahre 1856 verbergen sich „Klieber’s Skizzen zu den Wandgemälden und der Kaiserstatue im Saale des k. k. polytechnischen Institutes“. Es handelt sich um einen gerahmten Entwurf für das Standbild von Kaiser Franz I., Grisaille in Ockerkolorit, und um acht Kartons mit fünfzehn Originalentwürfen, Federzeichnungen in Sepia-Tusche, grau laviert und gerastert, für den Figurenfries im Festsaal der Technischen Universität – signiert von Josef Klieber. Die Datierung auf ca. 1836 erfolgte erst im Systematischen Bandkatalog der Bibliothek der k. k. Technischen Hochschule in Wien aus dem Jahr 1902. Aufgrund stilistischer Kriterien sind die Skizzen für den Figurenfries wahrscheinlich schon im Jahr 1819 entstanden1 und wie folgt betitelt: „Geometrie und Feldmeß-Kunst, Bau Kunst“ (Karton 1); „Physik, Chemie“ (Karton  2); „Das Maschinenwesen, Mathematik“ (Karton 3); „Die Grundstein-Legung des Institutes” (Karton 4); „Calligraphie und Geographie, Naturgeschichte” (Karton 5); „Wasser und Brückenbau, Straßen-Bau” (Karton 6); „Die Künste der Pallas“ (Karton 7 und 8).

No. 8115 IV in the library’s 1856 inventory leads us to “Klieber’s sketches for the murals and the Emperor’s statue in the hall of the Imperial Royal Polytechnic Institute”. It is a framed sketch of the sculpture of Emperor Francis I, a grisaille in ochre hues, and eight cardboards with fifteen original designs – pen drawings in sepia ink, washed in grey and screened – for the frieze of figurines in the TU’s ceremonial hall, all signed by Josef Klieber. In the 1902 systematic catalogue of volumes of the library of the Imperial Royal Technische Hochschule in Vienna, they were dated at ca. 1836. Stylistic criteria suggest that the sketches for the frieze probably date from 18191 and were titled as follows: “The Arts of Geometry and Topographical Surveying; The Art of Building” (cardboard 1); “Physics; Chemistry” (cardboard 2); “Mechanical Engineering; Mathematics” (cardboard 3); “The Cornerstone Ceremony of the Institute” (cardboard 4); “Calligraphy and Geography; Natural History” (cardboard 5); “Hydraulic Engineering and Bridge Construction; Roadway Construction” (cardboard 6); “The Arts of Pallas” (cardboards 7 and 8).

Der Künstler Josef Klieber

Artist Josef Klieber

Josef Klieber (geb. 1.  11.  1773 Innsbruck, gest. 7.  12.  1850 Wien) schuf nicht nur den Figurenfries für den Festsaal und die darin mehrmals den Standort wechselnde Statue Kaiser Franz I., sondern auch die auf der Attikamauer des Mittelrisaliten über dem Hauptportal der Technischen Universität befindliche allegorische

Josef Klieber (born 1 November 1773 in Innsbruck, deceased 7 December 1850 in Vienna) not only created the figural frieze for the ceremonial hall and the statue of Emperor Francis I – which was moved within the hall to different positions several times – but also the allegorical group of figures for the attic wall of the central avant-

Aus den Schätzen der Bibliothek: Die Skizzen von Josef Klieber  | 65

Figurengruppe, deren Originalentwurf sich in der Albertina befindet, und welche den „Genius von Österreich, die Minerva an seiner Seite, einen alten Mann, der zwei Zöglinge dem Genius vorstellt, zwei weibliche Figuren mit Attributen der Industrie, einen Flußgott, eine weibliche Figur, die Geschichte vorstellend, und eine Tafel mit der Jahreszahl 1815 vor sich haltend“2 darstellt, sowie die sieben Basreliefs an der Außenfassade zwischen den Säulen und Fenstern des ersten und zweiten Obergeschosses des Mittelrisaliten, welche die Baukunst, die Mechanik, die Physik, die Chemie, die Technologie, die Geschichte und Geographie sowie die Handelswissenschaften und in Summe das „künstlerisch vorgetragene Programm der im Gebäude selbst gelehrten Disziplinen“3 darstellen. Im Jahr 1836 war Josef Klieber bereits Direktor der Graveurschule der Wiener Akademie (von 1814 bis 1845), welche knapp zwei Jahrzehnte lang am Polytechnischen Institut situiert war.4 Nachdem er bereits erfolgreich für seinen Hauptförderer Fürst Johann I. von Liechtenstein tätig gewesen war,5 wurde Klieber daraufhin „häufig zur Ausschmückung von im Bau befindlichen Gebäuden herangezogen und rückte rasch in die Reihe derjenigen Bildhauer ein, die dem vormärzlichen Wien ihr Gepräge gegeben haben.“6 Er wird sogar als „bedeutendster Plastiker des vormärzlichen Wien“7 bezeichnet, dessen bevorzugtes Material neben weißem Marmor der Sandstein war. Klieber lernte bei seiner Tätigkeit für den Fürsten von Liechtenstein den Architekten Joseph Kornhäusel kennen, der als einer der wichtigsten Vertreter des Wiener Klassizismus gilt.8 Klieber schuf in Folge eine Vielzahl an dekorativen Skulpturen für dessen Bauten.9 Die Innengestaltung des Festsaals Die überlebensgroße Statue Kaiser Franz I. aus Carrara-Marmor, deren Sockelinschrift im Entwurf noch „Iustitia regnorum fundamentum“ lautet und in der Ausführung in „Franz I., Kaiser von Oesterreich, Stifter dieser Lehranstalt“ geändert wurde, ebenso wie der Figurenfries in Grisailletechnik für den Festsaal des k. k. Poly-

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corps above the TU’s main entrance. Its design sketch is now conserved at the Albertina. It shows the “Genius of Austria, with Minerva at his side, an old man presenting two pupils to the Genius, two female figures with attributes of industry, a river deity, a female figure representing history, holding a plaque with the date 1815 before her”2, as well as the seven bas-reliefs on the façade between the columns and windows of the first and second story of the avant-corps, representing the Arts of Building, Mechanics, Physics, Chemistry, Technology, History, and Geography, as well as Commercial Science, in short the “artistic presentation of the programme of disciplines taught in the building”3. In 1836, Josef Klieber was already the Director of the School of Engraving at the Vienna Academy of Fine Arts (from 1814 to 1845), which was located at the Poly­ technic Institute for nearly two decades.4 After having successfully worked for his main patron, Johann I, Prince of Liechtenstein5, Klieber was “often consulted in the ornamentation of buildings under construction and quickly entered the ranks of sculptors who have shaped the character of Vormärz Vienna”.6 He is even described as the “most important sculptor of Vormärz Vienna”.7 His preferred materials were white marble and sandstone. During his employment with the Prince of Liechtenstein, Klieber met the architect Joseph Kornhäusel, one of the main protagonists of Viennese Neoclassicism.8 Over the following years, Klieber created a number of decorative sculptures for his buildings.9 The Interior Design of the Ceremonial Hall The larger-than-life Carrara marble statue of Emperor Francis I, the pedestal of which was originally inscribed with “Iustitia regnorum fundamentum”, writing which was later changed to “Francis I, Emperor of Austria, Founder of this School” in the final execution, as well as the figural frieze in grisaille for the ceremonial hall of the Polytechnic Institute are from the hand of Josef Klieber. The artistic direction of the interior design was entrusted to Hofbaurat Peter von Nobile, who had led the

technischen Institutes stammen von Josef Klieber. Mit der künstlerischen Leitung der Innenraumgestaltung war der Hofbaurat Peter von Nobile betraut, der seit 1818 die Leitung der Architekturklasse an der Wiener Akademie innehatte.10 Die Innengestaltung des Festsaals wurde 1836 begonnen und am 19. April 1842 „mit der feierlichen Enthüllung des in ihm aufgestellten Standbildes Franz’ I.“ 11 vollendet. Im Auftrag von Kaiser Franz I. hatte Nobile die Innenraumgestaltung des Festsaals ursprünglich plastisch in Stuck geplant, „also mit hervortretenden Pilastern, Gesimsen und Profilen, mit stuckierten Kapitellen und einer kassettierten Randzone der Decke.“12 Aufgrund von Geldmangel am Ende der Bauarbeiten verfügte Kaiser Ferdinand I. jedoch im Jahr

Abbildung 35: Katalogblatt Klieber aus dem Autorenkatalog vor 1930 der Bibliothek der Technischen Universität Wien Figure 35: Catalogue page for Klieber from the pre-1930 Catalogue of Authors in the TU Library

architecture class at the Vienna Academy since 1818.10 The ceremonial hall’s interior design was begun in 1836, and completed in 1842 “with the solemn unveiling of the statue of Francis I erected there”.11 Commissioned by Emperor Francis I, Nobile had originally planned the interior design of the ceremonial hall to be in sculptural stucco, “with protruding pilasters, cornices, and profiles, with stuccoed capitals and a coffered fringe to the ceiling”.12 Due to lack of funding towards the end of the

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1836 die Vollendung der Festsaaldekoration zur Gänze in scheinarchitektonischer Malerei. Klieber führte die reliefimitierenden Grisaillen, die die Basreliefs andeuten sollten, aus; der Zimmermaler Johann Bschaidner (auch Bscheider oder Bschaider) realisierte die scheinarchitektonische Dekoration.13 Die Ausmalung des Festsaals, der ursprünglich nur als „Großer Versammlungs-, Prüfungs- und Functionssaal konzipiert worden war“,14 ahmt antikisierende Basreliefs in Steintafeln nach und bezweckt die „Versinnbildlichung ausgebreiteter Unterweisungsmöglichkeiten in allen technischen Wissenszweigen, die damals das Institut umfaßt. […] In der Formgebung treten griechische

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Abbildung 36: Teilansicht des Festsaals der Technischen Universität Wien mit Kaiserstatue Franz I. im Vordergrund und Figurenfries im Hintergrund Figure 36: Partial view of the ceremonial hall of the TU Wien with the statue of Emperor Francis I in the foreground and the frieze in the background

construction, however, Emperor Ferdinand I ordered the completion of the ceremonial hall’s decoration in mock architectural paintings. Klieber executed the relief-imitation grisailles that were meant to suggest the bas-reliefs; the house painter Johann Bschaidner (also Bscheider or Bschaider) carried out the mock architectural decoration.13

und römische Details nach jener Art zusammen, die dem akademischen Begriffe des Klassizismus in der Zeit der Erbauung des polytechnischen Institutes gemäß war“.15 Um die klassizistische Einheit der Festsaalgestaltung zu bewahren, setzte Nobile durch, dass Klieber mit der Ausführung der Kaiserstatue in antikem Gewand beauftragt wurde. Die Gestaltung des Festsaals stieß auf zeitgenössische Kritik, denn „die zu Beginn der Entwurfsgeschichte fortschrittlichen Ideen wurden schließlich den Einsparungen und Zensuren geopfert, wodurch die Vollendung so lange verzögert wurde, bis die am Beginn herrschende Stilauffassung von der Zeit überholt war“.16 Das Skizzenblatt „Wasser- und Brückenbau“ Bei den auf den Skizzen dargestellten Inhalten folgte Josef Klieber vermutlich den Vorgaben von Johann Joseph Prechtl, dem ersten Direktor des Polytechnischen Instituts.17 Stellvertretend wird hier das Blatt „Wasser- und Brückenbau“ herausgenommen. Darauf sind acht Figuren in antiker Kleidung dargestellt. Gleich rechts neben der Mittelachse befindet sich die Zentralfigur in Rückenansicht, die als einzige Figur mit einer Toga bekleidet ist und durch ihre ausgestreckte Armhaltung die beiden Bildhälften miteinander verbindet. Der Brückenbau – versinnbildlicht durch Modell und Plan – wird gleich neben dieser Zentralfigur in der Mitte angeordnet und links und rechts vom Wasserbau flankiert. Gleich links neben der Mittelachse sind im Vordergrund zwei große Steinquader zu sehen, die einen Verweis auf die Meisterschaft der Rundbogenbauweise in der römischen Antike geben könnten. „Die römischen Brücken weisen immer gleiche Merkmale auf: Rundbögen aus bearbeitungsfähigen, großen Steinquadern, extreme Nüchternheit, Perfektion und Symmetrie.“18 Bei der Darstellung der Brücke lassen sich gewisse Ähnlichkeiten mit der berühmten Engelsbrücke in Rom feststellen. Sie galt in der Antike als die schönste Brücke der Welt,19 wurde aber im Lauf der Jahrhunderte stark verändert. Ursprünglich erhoben sich in den Pfeilerach-

The painting of the ceremonial hall, which had originally been planned only as the “Great Hall for Meetings, Exams, and Functions”14, imitates faux-antique bas-­reliefs in stone panels and aims to “epitomise the broad education in all technological branches of knowledge that the institute then encompassed. […] In its design, Greek and Roman details combine in the fashion corresponding to the academic concept of neoclassicism at the time the Polytechnic Institute was built.”15 To preserve the neo­ classical unity of the hall’s design, Nobile successfully commissioned Klieber to execute the Emperor’s statue in antique dress. At the time, the hall’s design met with criticism, because “the progressive ideas of the start of the design were in the end sacrificed to economy and censorship, delaying its completion for such a long time that the style prevalent in the beginning was already outmoded by its completion.”16 The Sketch Hydraulic Engineering and Bridge Construction For the content represented in his sketches, it is likely that Josef Klieber followed the specifications of Johann Joseph Prechtl, the first director of the Polytechnic Institute.17 We shall focus here on the sketch titled Hydraulic Engineering and Bridge Construction. It shows eight figures in antique dress. Just to the right of the central axis, we see a back view of the central figure, the only one wearing a toga and who connects the two parts of the picture by stretching out his arm. Bridge Construction – symbolised by a model and plan – is placed immediately adjacent to this central figure in the middle, flanked on both sides by Hydraulic Engineering. Immediately to the left of the central axis, the foreground shows two large stone blocks that could be a hint at the mastery of roundarch construction in Roman Antiquity. “Roman bridges always show the same characteristics: round arches made of large workable stone blocks, extreme austerity, perfection, and symmetry.”18 This portrayal of a bridge shows certain similarities to

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sen Säulen, die mit Siegesgöttinnen bekrönt waren. Im 17. Jahrhundert deutete Bernini dieses Motiv ins Christliche um und setzte Engelsfiguren an ihre Stelle,20 sodass die Brücke „in eines der berühmtesten Bauwerke des römischen Barock“21 verwandelt wurde. Der „konservativen und artefaktfokussierten Definition: Wasserbau bezeichnet künstliche Gegenstände und Verfahren, die die Nutzbarmachung des Wassers oder den Schutz vor Wasser zum Zweck haben“22 zufolge wird in der linken Bildhälfte eine Bauweise zum Schutz gegen das Wasser dargestellt. Die Herstellung von Faschinen ist eine schon sehr alte Technik zur Stromregulierung mithilfe von Reisigbündeln (vor allem aus Weiden- oder Pappelästen) und wird auch heute noch im naturnahen Wasserbau zum Uferschutz angewendet.23 Um lange, dünne Faschinen zusammenbinden zu können, bedient man sich einer wie hier dargestellten Wurstbank, deren lange Pfähle in die Erde eingeschlagen werden.24 Der oben angeführten Wasserbaudefinition gemäß wird auf der rechten Bildhälfte in der Zweierfigurengruppe mit Plan eine Einrichtung zur Nutzung des Wassers dargestellt. Es lassen sich „mehrere, unterschiedlich breite sogenannte Tafelschütze (Schützenwehre) erkennen, die mit Hilfe einer Spindelstange auf und ab bewegt werden können. […] Wenn Entwurf und Ausführung tatsächlich dasselbe zeigen sollen, wenngleich im Entwurf eher naturalistisch, in der Ausführung stark stilisiert, dann wäre an ein Wehr zur Durchflussregulierung oder an eine Kombination eines solchen Wehres mit einer Brücke zu denken. Zuerst einmal fällt die Diskrepanz zwischen der Entwurfsskizze und der tatsächlichen – stark stilisierten – Ausführung auf.“25 Es lassen sich bei allen Skizzenblättern mehr oder weniger starke Veränderungen zu deren Ausführung im Festsaal feststellen, denn „eine stilistische Überarbeitung der Entwürfe hat J. Klieber erst während der Ausarbeitung (1839 vollendet) vorgenommen“.26 Durch

the famous Ponte Sant’Angelo in Rome. In Antiquity, it was considered the most beautiful bridge in the world,19 but was substantially modified over the course of time. Originally, columns crowned with goddesses of victory rose from the pier axes. In the 17th century, Bernini reinterpreted this motif to be Christian, putting angels in their place;20 the bridge thus became “one of the most famous buildings of Roman Baroque”.21 Following the “conservative and artefact-focussed definition, hydraulic engineering designates artificial objects and procedures aiming to utilise or to provide protection against water”22 the left half of the image shows a technique of protection against water, the creation of fascines, which is an ancient technology used to regulate rivers using bundles of brushwood (mainly willow or poplar twigs), still used today for bank protection in ecological hydraulic engineering.23 In order to be able to rope up long, thin fascines, a fascine sausage (represented here) is used, the long stakes of which are sunk into the earth.24 Commensurate to the above-quoted definition of hydraulic engineering, a group of two, standing with a plan in the right half of the image, represents a device made for water use. “Several so-called ‘undershoot weirs’ can be discerned, which can be moved up and down by means of a spindle rod. […] If sketch and finished version are actually supposed to show the same thing, though more realistic in the sketch and highly stylised in the finished version, then we would think of a weir for flow regulation or a combination of such a weir with a bridge. The first thing to strike the beholder is the discrepancy between the design sketch and the actual – highly stylised – finished version.”25 All sketches display more or less noticeable differences to the final versions in the ceremonial hall, for “J. Klieber carried out a stylistic revision of the designs during their execution (completed in 1839).”26 By simplify-

Vereinfachung und Reduktion der Details sowie stärkere Betonung der Bildmitte werden die Bildinhalte teilweise klarer und monumentaler, die Figuren erscheinen gestreckt.27

ing and reducing the detail, as well as putting a stronger emphasis on the centre, some of the content becomes clearer and more monumental, and the figures appear to be elongated.27

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Die Skizzen von Klieber wurden im Jahr 1856 von der Bibliothek des Polytechnischen Instituts zum Preis von 218 Gulden per Dekret übernommen. Das Direktorat der k. k. Akademie der bildenden Künste schlug in einem Schreiben vom 17. Jänner 1856 an das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht das Kaufangebot mit folgender Begründung aus: „[…] die fünfzehn Original-Skizzen dieses Künstlers zu seinen in diesem Saale bemalten Basreliefs unlängst der Akademie zum Ankaufe angeboten worden sind, die Akademie aber das Anerbieten abzulehnen befunden hat, weil sie den Zeichnungen keinen künstlerischen Werth […] beizumessen vermochte. Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß sie für das polytechnische Institut von besonderem Interesse sein mögen, da die Original-Werke sich im Besitze dieser Anstalt befinden, und wenn etwa das eine oder andere beschädigt würde, allerdings eine Wiederherstellung nach diesen Zeichnungen leichter zu bewerkstelligen ist.“28

Abbildung 37: Skizzenblatt von Josef Klieber mit dem Titel „Wasserund Brückenbau“ Figure 37: Sketch by Josef Klieber titled “Hydraulic Engineering and Bridge Construction”

In 1856, Klieber’s sketches were transferred to the Poly­ technic Institute Library for the sum of 218 gulden, by decree. The Directorate of the Imperial Royal Academy of Fine Arts had declined an offer in a letter to the Imperial and Royal Ministry of Education and the Arts, dated 17 January 1856, giving the following reason: “[…] the fifteen original sketches of this artist of his bas-reliefs in this hall have recently been offered to the Academy, but the Academy has seen fit to decline this offer, as it was unable to attribute any artistic value to the drawings. It cannot, however, be denied that these may be of special interest to the Polytechnic Institute, as the original work is in this institution’s possession, and if for instance one or the other might be damaged, its restoration would be easier to accomplish with these drawings.”28

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Anmerkungen/Notes 1 Hildegard Schmid, Josef Klieber, Bd. 1, phil. Diss. Univ. Wien 1987, 189. 2 Johann Joseph Prechtl, Geschichte des kaiserl. königl. polytechnischen Institutes, in: Jahrbücher des k. k. polytechnischen Institutes in Wien, Bd. 1, Wien 1819, 64. 3 Joseph Neuwirth, Die k. k. Technische Hochschule in Wien 1815–1915, Wien 1915, 612. 4 Schmid, Klieber, 33. Neuwirth, Hochschule, 101–109. 5 Josef Klieber, in: Neue deutsche Biographie, Bd. 12, Berlin 1979, 65. 6 Josef Klieber, in: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Bd. 20, hrsg. v. Thieme-Becker, Leipzig 1927, 494. 7 Klieber, in: Neue deutsche Biographie, Bd. 12, 65. 8 Joseph Kornhäusel, in: Österreichisches biographisches Lexikon, Bd. 4, Wien 1969, 133. 9 Klieber, in: Thieme-Becker, Bd. 20, 495. 10 Peter Nobile, in: Thieme-Becker, Bd. 20, 493. 11 Neuwirth, Hochschule, 616f. 12 Mario Schwarz, Die Baugeschichte des Festsaales der Technischen Hochschule in Wien, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Wien 1973, 38. 13 Ebd., 35–40. 14 Juliane Mikoletzky, K. k. polytechnisches Institut – Technische Hochschule – Technische Universität Wien, Wien 1997, 24. 15 Neuwirth, Hochschule, 616. 16 Schwarz, Baugeschichte, 40. 17 Schmid, Klieber, Bd. 1, 185. 18 Angia Sassi Perino, Brücken, Wiesbaden 2006, 16. 19 Silvia Koci Montanari, Die antiken Brücken von Rom, Regensburg 2006, 58. 20 Richard Dietrich, Faszination Brücken, München 1998, 26. 21 Sassi Perino, Brücken, 18. 22 Oliver Parodi, Technik am Fluss, München, 2008, 22. 23 Uwe Schlüter, Pflanze als Baustoff, Berlin 1986, 138. An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Markus Schüll vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie für seine wertvollen Hinweise bedanken. 24 Johann Albrecht Eytelwein, Praktische Anweisung zur Bauart der Faschinenwerke an Flüssen, Berlin 1818, 8. 25 Christoph Ohlig von der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft e. V. hat dankenswerterweise auf meine Bitte zur näheren Bestimmung der Darstellung diese Erläuterung geschickt. Er hat allerdings vorausgeschickt, keine absolut sichere Auskunft geben zu können. 26 Schmid, Klieber, Bd. 1, 185. 27 Ebd., 188. 28 Zitiert nach Schmid, Klieber, Bd. 2, 165.

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Gerhard Neustätter

DIE BIBLIOTHEK BARRIEREFREI AN ACCESSIBLE LIBRARY Verbesserte Inklusion in der Praxis: Vision Impaired Persons (VIP – VIP) Die Universitätsbibliothek bekennt sich zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung und schafft Rahmenbedingungen für den gleichberechtigten Zugang zum Wissen für Menschen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung für den gesamten Lehr- und Forschungsbetrieb. Zur verbesserten Inklusion von behinderten Personen bietet die Universitätsbibliothek der TU Wien mit dem VIP-Computerarbeitsplatz eine technische und organisatorische Infrastruktur, die unter anderem sehbehinderten und blinden Menschen den Zugang zu Studienmaterial erleichtern soll. Die Arbeitsgruppe für Rehabilitationstechnik (FOR­ TEC) am Institut für Allgemeine Elektrotechnik und Elektronik an der TU Wien startete im Jahr 1990 anlässlich des 175-Jahr-Jubiläums der Technischen Universität Wien mit Unterstützung der Österreichischen Nationalbank ein Projekt zur Konzeption und Einrichtung eines VIP-Behindertenarbeitsplatzes. Im Jahr 1993 konnte der erste Musterarbeitsplatz fertiggestellt werden, der damalige Neupreis der IKT-Komponenten betrug 452.000 ÖS. Durch dieses Projekt sollte ein technisches und organisatorisches Konzept erstellt werden, dass es österreichischen Universitäten innerhalb der nächsten Jahre ermöglichen würde, Behindertenarbeitsplätze in der Art des an der TU Wien aufgebauten Musters einzurichten. Es wurden vorwiegend marktübliche Komponenten eingesetzt. Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der intelligenten Integration dieser Komponenten zu einem ganzheitlichen, leicht verständlichen und das Studium fördernden System. Bis zum Jahr 1997 wurden derartige

Abbildung 38: Braillezeilenpins Figure 38: Braille display pins

Improved Inclusion in Practice – Vision Impaired Persons (VIP – VIP) The University Library is committed to provide equal opportunities for persons with disabilities and/or chronic illness, creating a framework that enables equal access to knowledge for persons with disabilities and/or chronic illnesses throughout teaching and research. For a better inclusion of disabled individuals, the TU Wien University Library has a VIP-computer workstation that aims to supply the technological and organisational infrastructure necessary to facilitate the access of vision-impaired and blind people to study materials. The Workgroup for Rehabilitation Technology (FOR­ TEC) at the Institute of General Electrical Engineering and Electronics at the TU Wien launched a project on the development and implementation of a VIP disabilities

Die Bibliothek barrierefrei  | 73

Abbildung 39: Braillebeschriftung Figure 39: Braille caption Abbildung 40: Bildschirmvergrößerungsprogramm Figure 40: Screen magnifying programme

VIP-Computerarbeitsplätze auch an den Universitätsbi­ bliotheken der Universitäten Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Wien eingerichtet. Die Universitätsbibliothek versucht, in Kooperation mit dem Vizerektorat für Lehre den VIP-Computerarbeitsplatz immer auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten. Ein leistungsfähiger Desktop-PC mit Netzanbindung wird zusätzlich zu der üblichen Hard- und Software mit verschiedensten Komponenten ergänzt. Dabei sind im Rahmen einer Grundausstattung insbesondere folgende Teile einzuplanen: ein Großbildschirm (26 Zoll) mit Schwenkarm, ein Vergrößerungsprogramm, ein Kamera-Lesesystem (Nah- und Fernbereich), eine Braillezeile (80  Zeichen), ein Sprachaus- und Eingabegerät, eine Sprachaufzeichnung, ein Eingabe-Zeichentablet, Scanner und OCR-Texterkennung, ein Brailledrucker (grafikfähig) sowie ein ergonomisch verstellbarer Tisch.1

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workstation in 1990, supported by the Austrian National Bank on the occasion of the 175th anniversary of the TU Wien. In 1993, the first prototype workstation was completed; the original price of the ICT components at the time was ATS 452,000. The project aimed to develop a technical and organisational concept enabling Austrian universities to install workstations for disabled persons following the prototype established at the TU Wien. Almost all components were commercially available. The focus of the project was the intelligent integration of these components into an cohesive, easily graspable system to facilitate research and learning. Until 1997, these VIP computer workstations were also installed at the libraries of the Universities of Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, and Vienna. In cooperation with the Vice-Rectorate for Academic Affairs, the University Library aims to ensure that the VIP computer workstation remains state-of-the-art. In addition to standard hardware and software, a powerful desktop-PC with internet access has been upgraded with a variety of components. For basic configuration, the following parts in particular are necessary: a large (26 inch) monitor with pivot arm, a magnifier programme, an optical reading sys-

Nachdem die Erfahrung gezeigt hat, dass neben der Wartung der technischen Ausstattung auch eine personelle Betreuung für behinderte Studierende notwendig ist, wurde an der TU Wien im Jahr 1999 ein Bibliothekar mit Behinderung speziell für die folgenden Aufgaben eingestellt: •• Einschulung und Betreuung von behinderten Bibliotheksbenutzerinnen und Bibliotheksbenutzern in die selbständige Nutzung des VIP-Computerplatzes, •• Unterstützung und Betreuung von behinderten Bibliotheksbenutzerinnen und Bibliotheksbenutzern bei individuellen Literatur- und Datenbankrecherchen, •• Literaturaufbereitung für sehbehinderte und blinde Bibliotheksbenutzerinnen und Bibliotheksbenutzern in einer für sie nutzbaren Form. Die TU Wien bemüht sich, mit diesem umfassenden Serviceangebot im Sinne des Bundes-Behinderten-Gleichstellungsgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention einen gleichberechtigten Zugang für behinderte und/oder chronisch erkrankte Bibliotheksbenutzerinnen und Bibliotheksbenutzer zu ermöglichen. Anmerkung/Note 1 Weiterführende Informationen können auf der Website der Universitätsbibliothek abgerufen werden: www.ub.tuwien.ac.at/vip.

Abb. 41: Brailleausdruck Figure 41: Braille printout

tem (close-up and distance viewing), a braille display (80 characters), an audio response and voice input system, voice recorders, input drawing tablet, scanner and OCR text recognition, a braille embosser (graphics enabled), and an ergonomically adjustable table.1 As experience showed that in addition to the maintenance of the technical equipment, personal assistance for disabled students is also a necessity, a disabled librarian was specially employed at the TU Wien in 1999 for the following tasks: •• Training and assistance for disabled library users learning how to use the VIP workstation independently, •• Support and assistance for disabled library users carrying out literature and database searches, •• Literature processing to make it usable for vision-impaired and blind library users With these extensive services, the TU Wien endeavours to facilitate equal access for disabled and/or chronically ill library users in accordance with the Federal Law on the Equal Rights of Disabled Persons and the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities.

Die Bibliothek barrierefrei  | 75

Doris Felder

EINE VISION WIRD REALITÄT: DIE VIELEN SCHRITTE ZUR FACHBIBLIOTHEK FÜR CHEMIE UND MASCHINENBAU FROM VISION TO REALITY: THE MANY STEPS TO A CHEMISTRY AND MECHANICAL ENGINEERING LIBRARY Im Jahr 1955 wurde auf Anregung des damaligen Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau ein Bebauungskonzept für den Campus der Technischen Hochschule am Getreidemarkt erstellt. Parallel dazu wurden unter dem damaligen Bibliotheksdirektor Otto Lazar erste Überlegungen angestellt, dies zum Anlass zu nehmen, die Bestände aller Chemie-Institute sowie die Literatur des Fachbereiches Chemie zusammenzuführen.1 In den Jahren 1965 bis 1972 wurde zwischen Getreidemarkt, Lehargasse, Semperdepot und Gumpendorfer Straße das sogenannte Chemiehochhaus nach Plänen von Karl Kupsky errichtet. In diesen Neubau wurden schließlich die späteren Räume der Chemiebibliothek eingeplant.

At the suggestion of the Federal Ministry of Trade and Reconstruction, a building concept was developed in 1955 for the campus of the Technische Hochschule at Getreidemarkt. At the same time, first concepts were developed by the Library Director of this period, Otto Lazar, to use the opportunity to combine the inventories of all Chemistry institutes and the literature available at the Faculty of Chemistry.1 From 1965 to 1972, the “Chemistry Tower”, designed by Karl Kupsky, was built between Getreidemarkt, Lehargasse, Semperdepot, and Gumpendorfer Straße. This new building finally provided space for the future Chemistry library, among many other things.

Ein weiterer Anstoß zur Realisierung folgte unmittelbar danach. Im April 1972 wurde von der Kommission der Zentralbibliothek für Chemie Viktor Gutmann, der damalige Vorstand des Institutes für Anorganische Chemie, zum Vorsitzenden gewählt. Unter seiner Leitung wurde nun die Einrichtung einer Zentralbibliothek vorangetrieben. Im Zentrum stand die Zentralisierung der bibliothekarischen Bearbeitungsschritte, das bedeutete, dass sämtliche Zeitschriften und Bücher, auch jene, deren Aufstellung weiterhin an den Instituten vorgesehen war, in Zukunft von der Hauptbibliothek bestellt, katalogisiert und auf raschestem Wege der Benützung zugänglich gemacht werden sollten. Dies betraf unter anderem etwa 500 Zeitschriftentitel, die nun in der neuen Bibliothek zusammengeführt werden sollten. Die zu erstellende Bibliotheksordnung musste den freien Zutritt auch für Studierende zu allen Zeitschriften gewährleisten.

Another step towards realisation followed immediately afterwards. In April 1972, the Committee for the Central Chemistry Library elected Viktor Gutmann, Head of the Institute of Inorganic Chemistry at the time, as chairman. Under his leadership, the establishment of a central library was considerably advanced. The key issue was the centralisation of librarian processing, meaning that all journals and books, including those to remain housed at the individual institutes, were to be centrally ordered, catalogued, and made available by the main library as quickly as possible. Amongst others, this included around 500 periodicals that were now to be consolidated in the new library. The library regulations being developed had to guarantee open access to all periodicals for students, too. By decree2 of the Federal Ministry of Science and Research, the “Central Library of Chemistry Institutes” was officially established in 1972. When it finally opened on

Eine Vision wird Realität: Die vielen Schritte zur Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau  | 77

Per Erlass2 des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung wurde die „Zentralbibliothek der chemischen Institute“ 1972 offiziell errichtet und am 1. Jänner 1973 schließlich in Betrieb genommen. Die Wandregale im Lesesaal fassten 432 Laufmeter, das motorbetriebene Kompaktmagazin, eine Sonderanfertigung für die neue Bibliothek, hatte eine Kapazität von 951 Laufmetern. Aufgrund des umfangreichen Mi­ krofilmbestandes gehörte neben einem Kopierer auch ein Readerprinter zur technischen Ausstattung. Im Jahr 1989, mit der Einführung eines Bibliotheksverwaltungssystems (BIBOS 2), wurden für die Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer zusätzlich neue Rechercheterminals aufgestellt. Auch die Verwaltung der umfangreichen Zeitschriftenbestände wurde nun automatisiert. Mit der Migration auf ein neues Bibliothekssystem (Aleph 500) in der Mitte der neunziger Jahre wur-

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Abbildung 42: Chemiebibliothek: Lesesaal, 1988 Figure 42: Chemistry Library: reading room, 1988

1 January 1973, the wall shelves in the reading room amounted to 432 linear metres, and its motorised compact stacks, custom-made for the new library, had a capacity of 951 linear metres. The technical equipment included a reader-printer for the extensive microfilm collection, as well as a photocopy machine. When a library administration system (BIBOS 2) was introduced in 1989, research terminals for library users were also added. The administration of the extensive periodical collection was also automated at this time. In the mid-1990s, the migration to a new library administration system (Aleph500) enabled the introduction of electronic loaning to the Chemistry Library.

de schließlich auch die elektronische Entlehnung in der Chemiebibliothek eingeführt. Zur gleichen Zeit begann sich auch die Medienlandschaft zu verändern. Die ersten Zeitschriften erschienen zusätzlich zu den Printausgaben auch als elektronische Ausgaben. So stellte beispielsweise der weltweit wichtigste Auswertungsdienst für chemische Literatur, Chemical Abstracts (CA), der bislang als sehr umfangreiche Printausgabe veröffentlicht wurde, ebenfalls schrittweise seine Erscheinungsform um. Zuerst betraf dies die 5-Jahres-Indices, die im neuen Format CD-ROM veröffentlicht wurden, schließlich wurden die Printausgaben und CD-ROMs eingestellt und durch die Datenbank SciFinder-Scholar ersetzt. Zunächst war die Suche in der Datenbank auf die Chemiebibliothek beschränkt. Seit 2009 ist ein individualisierbarer Webzugang für alle TU-Angehörigen möglich. Dieses Beispiel zeigt, dass mit dem

Abbildung 43: Chemiebibliothek: Lesesaal, ca. 2004 Figure 43: Chemistry Library: reading room, ca. 2004

At the same time, the media landscape began to change. The first journals began to be published in electronic editions in addition to their print editions. For instance, a key global evaluation service for literature in chemistry, Chemical Abstracts (CA), so far a hefty print edition, was gradually switching to electronic publishing. At first, this concerned the quinquennial indexes, which were published in the new CD-ROM format, and finally, print editions and CD-ROMs were discontinued altogether and replaced by the SciFinder-Scholar database. At the beginning, users could only search this database from the Chemistry Library. However, since 2009, all TU members have the option to access it online. This example illustrates how the shift to the electronic supply of literature

Eine Vision wird Realität: Die vielen Schritte zur Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau  | 79

Umstieg auf eine elektronische Literaturversorgung auch die Dienstleistungsqualität der Bibliothek wesentlich gesteigert werden konnte. Bereits in den 1980er Jahren war der Raum für Stellflächen und Lesearbeitsplätze an seine Kapazitätsgrenzen gelangt. Daher erfolgten in den nächsten Jahren mehrere bauliche Veränderungen: Glaswände zwischen Katalograum, Zeitschriftenraum und Lesesaal wurden entfernt und teilweise durch doppelseitige Regale ersetzt. Die Arbeitsplätze und der Auskunftsschalter wurden neu angeordnet. 1995 kam nun die lang ersehnte Bibliothekserweiterung. Das Foyer wurde zur Hälfte der Chemiebibliothek als „kleiner Lesesaal“ angeschlossen. Damit ausreichend Leseplätze vorhanden waren, wurden auch die Fensterbänke als Lesearbeitsplätze umgestaltet. Um den gestiegenen Anforderungen im Bereich der Datenkommunikation gerecht zu werden, wurden im alten und neuen Lesesaal Bodenkanäle für die EDV-Leitungen gelegt. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde auch eine Buchsicherungsanlage installiert und der erste Buchscanner aufgestellt. Der große Lesesaal erhielt eine moderne Deckenbeleuchtung, die, zusätzlich zu den Lichtkuppeln, eine optimale Ausleuchtung für Lese- und Personalarbeitsplätze ermöglichte. Mit dem Zubau gewann die Bibliothek etwa 150 m² und hatte dadurch eine Gesamtfläche von über 730 m². Das Konzept der Fachbibliotheken 2010 Die Auswirkungen des Infrastrukturprojektes „TU Univercity 2015“ berührten nun auch die Chemiebibliothek. Im Zuge der Generalsanierung des Chemiehochhauses (Bauteil BA) und des Auditorium maximum musste die Chemiebibliothek im Januar 2010 ihre bisherigen Räume verlassen und übersiedelte zwischenzeitlich in die Hauptbibliothek. Im Wintersemester 2014/2015 erfolgte die Rücksiedlung an den neuen alten Standort – nun Plus-Energie-Hochhaus genannt. Diese Rückübersiedlung bildete auch den Anlass, die bisherige Bibliothek nun neu zu einer gemeinsamen

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also allowed for a substantial improvement in the quality of the library’s service. By the 1980s, space for storage and reading desks had already reached the limits of its capacity. This led to several structural modifications being made over the following years. The glass walls between the catalogue room, the periodical room, and the reading room were removed and partly replaced by two-sided shelving. Workplaces and the information desk were rearranged. In 1995, the long-awaited library expansion finally came. Half the foyer was incorporated into the Chemistry Library to create a small reading room. In order to ensure sufficient reading space, the windowsills were redesigned into workplaces. To satisfy the increased demand for data communication, floor channels for IT lines were installed in the old and new reading rooms. In the course of this reconstruction, an inventory security system was installed and the very first book scanner set up. The larger reading room was equipped with modern ceiling lights, which allowed for the optimum lighting of reading spaces and staff stations. With the extension, the library gained roughly 150 m2 and now covered a total surface of more than 730 m2. The Concept of Specialised Libraries, 2010 The developments of the infrastructure project TU UniverCity 2015 also affected the Chemistry library. In the course of the general refurbishment of the Chemistry Tower (building BA) and the Auditorium Maximum, the Chemistry Library had to leave its premises in January 2010 and move to interim quarters at the main library. In the winter term of 2014/2015, it relocated to its new, old location – now known as the Plus-Energy Tower. This relocation was also the occasion for an extension of the previous library into a new, joint Chemistry and Mechanical Engineering Library. Its previous stock of books was now expanded by a comprehensive reference collection for the departments of the Faculty of Mechanical and Industrial Engineering. The new CheMaB is located on the 1st and 2nd floors of the Chemistry Tower

Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau auszuweiten. Das bisherige Angebot wird nun durch einen umfangreichen Referenzbestand für die Fachbereiche der Fakultät Maschinenwesen und Betriebswissenschaften erweitert. Die neue CheMaB ist im 1. und 2. Stock des Chemiehochhauses zu finden, inklusive eines nicht öffentlich zugänglichen Zeitschriften- und Büchermagazins im 2. Untergeschoss. Im 1. Obergeschoss befinden sich der Informationsschalter, ein Eltern-Kind-Raum und ein Gruppenarbeitsraum sowie die Backoffice-Bereiche der Bibliothek. Im 2. Obergeschoss ist die Lehrbuchsammlung für Chemie und Maschinenbau nach Fachgruppen aufgestellt. Der Bücheraufzug zwischen den Obergeschossen dient zur

Abbildung 44: Die neue Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau: Lesesaal, 2015 Figure 44: The new Special Library for Chemistry and Mechanical Engineering: reading room, 2015

and includes a periodical and book storage facility in the 2nd basement floor, which is not open to the public. On the 1st floor, there is an information desk, a parent-child room, and a meeting room, as well as the back office areas of the library. On the 2nd floor, the textbook collection for Chemistry and Mechanical Engineering is arranged according to subject groups. A book lift between floors reduces the library staff’s workload. The public area is equipped with two book scanners, five Thin clients, and one self-checkout terminal. The Che-

Eine Vision wird Realität: Die vielen Schritte zur Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau  | 81

Abbildung 45: Die neue Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau: Informationsschalter, 2015 Figure 45: The new Chemistry and Mechanical Engineering Library: information desk, 2015

Abbildung 46: Die neue Fachbibliothek für Chemie und Maschinenbau: Eingangsbereich, 2015 Figure 46: The new Chemistry and Mechanical Engineering Library: entrance area, 2015

Arbeitserleichterung des Bibliothekspersonals. Im Publikumsbereich stehen zwei Buchscanner, fünf Thin-Clients und ein Selbstverbuchungsgerät zur Verfügung. Die CheMaB wurde mit RFID(Radio-Frequenz-Identifikation)-Technologie ausgestattet. Besondere Vorteile dieser modernen Sicherungsanlage bieten die Stapelverbuchung, vor allem beim Selbstverbuchen, und die „Inventur im Regal“. Es besteht auch außerhalb der Öffnungszeiten die Möglichkeit, entlehnte Medien über die Buchklappe zurückzugeben. Durch die Zusammenlegung der Fachbereiche Chemie und Maschinenbau erhielt die neue Fachbibliothek eine Gesamtnutzfläche von über 1000 m², die unseren Besucherinnen und Besuchern als neue Dienstleistungseinrichtung zur Verfügung steht.

MaB is equipped with RFID (Radio Frequency Identification) technology. The particular advantages of this modern security system are improved stack circulation, especially with self-checking, and “shelf inventory” capabilities. Outside opening hours, media can be returned via the book drop. By combining the fields of Chemistry and Mechanical Engineering, the new library gained a total surface of more than 1,000 m2, open to visitors of the new service facility.

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Anmerkungen/Notes 1 Peter Kubalek, Die Chemiebibliothek der Technischen Universität Wien, in: Jahrbuch für Landeskunde von NÖ, Neue Folge 63/64 (1997/98), 39–52. 2 Erlass Zl. 350.886/III/1/72 zit. in Josef Wawrosch (Hg.), Festschrift zur Eröffnung des neuen Gebäudes der Universitätsbibliothek der Technischen Universität, 1988, 60.

Helga Tschiedl

EINE VISION BLEIBT (VORERST) VISION. VON DER STUDIENRICHTUNGSBIBLIOTHEK ZUR BAUBIBLIOTHEK – DIE GESCHICHTE EINER IDEE A VISION REMAINS A VISION (FOR NOW). FROM SPECIAL LIBRARY FOR URBAN DESIGN TO A JOINT LIBRARY FOR THE PLANNING AND CONSTRUCTION DISCIPLINES – THE HISTORY OF AN IDEA Schon seit rund 45 Jahren geistert die Idee einer Fachbibliothek, später einer Fakultätsbibliothek, noch später einer fachübergreifenden, ­ zentralen Einrichtung herum. Doch bis heute ist dieser Wunsch für die planenden Studienrichtungen ­Vision geblieben. 1969 schreibt Rudolf Wurzer im Vorwort zum gedruckten Katalog der Bibliothek des damaligen Instituts für Städtebau, Raumplanung und Raumordnung: „Die Instituts­ bibliothek [ist] die größte Fachbibliothek in Österreich und könnte deshalb der neu zu schaffenden Studienrichtung ‚Raumplanung und Raumordnung‘ als Studienrichtungsbibliothek dienen. Dass dann die Betreuung dieser Bibliothek durch eine eigene qualifizierte Fachkraft unerlässlich sein wird, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Es wäre nach u. E. nämlich weder ökonomisch noch sinnvoll, wenn jedes Institut dieser neuen Studienrichtung über eine Handbibliothek entsprechende[n] Ausmaß[es] wiederum dieselben Bücher erwirbt, die ohnedies schon vorhanden sind. Vielmehr sollten die für den Erwerb von Fachbüchern zur Verfügung stehenden Mittel zum weiteren Ausbau der Studienrichtungs-Bibliothek verwendet werden.“1 Wiewohl es dem damaligen Institutsvorstand offenbar gelungen ist, diese Idee im kollektiven Unterbewusstsein seiner Fakultät fest zu verankern, gab es

It has been some 45 years since the idea of a special library, then a faculty library, and even later an interdisciplinary central facility began to surface. Despite this length of time, the wish has remained but a vision for the planning programmes. In 1969, Rudolf Wurzer wrote in his preface to the printed library catalogue of the Institute of Urban Design, Regional Planning and Development: “The institute’s library [is] the largest architecture and planning library in Austria, and could therefore serve as a special library for the new discipline of Regional Planning and Development. It goes without saying that this would entail the necessity of hiring a qualified librarian for this library. In our opinion, it would be neither economical nor sensible for each institute of this new discipline to acquire the same books in order to assemble a reference library, books which are anyway already available elsewhere. Rather, the funds for the purchase of reference books should be used to expand the special library.”1 While the former Head of Department seems to have succeeded in fixing this idea in the collective subconscious of his faculty, for decades hardly any tangible steps were taken, much less plans made. In the Technology Studies Act of 1969, which reorganised the degree programmes of technical universities, a number of

Eine Vision bleibt (vorerst) Vision. Von der Studienrichtungsbibliothek zur Baubibliothek – die Geschichte einer Idee  | 83

Abbildung 47: Mitarbeiter des Instituts für Städtebau, 1968 (links Rudolf Wurzer, rechts neben ihm Klaus Semsroth) Figure 47: Staff of the Chair of Urban Planning, 1968 (left: Rudolf Wurzer, next to him on the right: Klaus Semsroth)

dennoch über Jahrzehnte kaum konkrete Schritte oder gar Planungen. Im Technik-Studiengesetz von 1969, das das Lehrangebot an den technischen Hochschulen neu ordnete, wurden zahlreiche Studienrichtungen und Studienzweige definiert, darunter auch das an der Technischen Hochschule Wien im Studienjahr 1970/71 neu eingeführte Aufbaustudium „Raumplanung und Raumordnung“.2 Doch änderte dies an der Situation nur wenig. Und so nimmt die Entwicklung der Bibliothek in den folgenden Jahrzehnten nicht den von Wurzer anvisierten Verlauf.

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courses and disciplines were defined, amongst others the postgraduate course of “Regional Planning and Development”, which was introduced at the Technische Hochschule in Vienna in 1970/1971 academic year.2 But this fact changed little in the situation, and over the following decades, the library’s development did not take the course Wurzer envisioned. Specialised Libraries in the UOG 75 The 1975 University Organisation Act (UOG 75) not only changed the status of institute libraries, but also decidedly stipulated the establishment of specialised or faculty libraries.3 Although the library was provided with the requested qualified librarian before the full “Regional Planning and Development” degree programme was introduced in 1977, the expansion into a true specialised library never occurred. Today, the librarian works at the

Die Fachbibliotheken im UOG 75 Das Universitätsorganisationsgesetz 1975 veränderte nun nicht nur den Status der Institutsbibliotheken, es sah auch dezidiert die Errichtung von Fach- bzw. Fakultätsbibliotheken vor.3 Zwar erhielt die Bibliothek noch vor der Einführung des Vollstudiums „Raumplanung und Raumordnung“ im Jahr 1977 die geforderte Fachkraft, zu einem Ausbau zu einer echten Fachbibliothek kam es jedoch nicht. Heute ist diese Bibliothekarin in der Insti­ tutseinrichtung „Bibliotheksabteilung Städtebau“ tätig, wobei diese somit als einzige Institutseinrichtung von Personal der Bibliothek betreut wird. Der Jahresbericht der Universitätsbibliothek für 1978 dokumentierte jedenfalls lapidar: „An der Technischen Universität Wien scheitert eine Gliederung der Universitätsbibliothek in Fachbibliotheken, wie sie im UOG vorgesehen ist, derzeit am Mangel an Raum und Personal. […] Zunächst werden die Bestände einiger größerer Insti­ tutsbibliotheken, an denen teilweise auch bibliothekarisches Personal tätig ist, ausgebaut werden, so daß diese bei Zuweisung geeigneter Räumlichkeiten die Funktion von echten Fachbibliotheken übernehmen können.“4 Zunächst wurden unter Berufung auf die Übergangsbestimmungen des UOG alle Buchbestände an Instituten als provisorische Fachbibliotheken betrachtet.5 1982 hieß es schließlich: „Am organisatorischen Aufbau der Universitätsbibliothek wurden keine Änderungen durchgeführt und aus Mangel an Raum und Personal keine Fachbibliotheken eingerichtet.“6 In den nachfolgenden Jahren wurde die Absicht, eine Fachbibliothek an der Fakultät einzurichten, offenbar ganz aufgegeben. Nur die Chemiebibliothek sowie die Fachbibliothek für Mathematik und Physik verfügten damals „über entsprechende Räume und ein Minimum an Personal, so daß sie demnächst als Fachbibliotheken errichtet werden können.“7 Dabei darf nicht übersehen werden, dass in den Jahren vor 1987 auch die Planung und Vorbereitung des Umzugs der Hauptbibliothek in ein neues Gebäude bereits umfangreiche Mittel und Arbeitskräfte banden. Um 1990 machte sich der Mangel an Raum und Perso-

Abbildung 48: Raummangel in der Bibliothek für Städtebau: Auslagerung von Büchern, im Hintergrund Teile des Sitte-Bestands, 2010 Figure 48: Lack of Space in the Library of Urban Design: Evacuation of books, in the background parts of the Sitte library, 2010

“Urban Design Library”, an institute facility, which makes it the only institute facility led by library staff. The 1978 annual report of the University Library, at any rate, reported tersely: “At the TU Wien, a division of the University Library into specialised libraries as stipulated by the UOG is currently not possible because of a lack of space and personnel. […] In a first step, the collections of some of the larger institute libraries will be expanded, some of which employ librarians, and these facilities can assume the functions of truly specialised libraries as soon as suitable space is allocated.”4 For the time being, all book collections located at institutes were regarded as provisional specialised libraries.5 Finally, in

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nal aufgrund des Bücherzuwachses drängend bemerkbar und es musste über ein Drittel des Bestandes in die neuen Räumlichkeiten der Hauptbibliothek ausgelagert werden.8 Erste Konzepte Ein Anstoß, die Diskussion zu diesem Thema wieder weiterzuführen, kam nun von außerhalb: „[W]ährend meiner praktischen verwendung an der universitätsbibliothek der technischen universität wien (ubtuw) im rahmen der grundausbildung für den bibliotheksdienst wurde ich von befreundeten architekturstudenten auf die tw. restriktiven benutzung[s]zeiten und -möglichkeiten der bestände in den institutsbibliotheken der architekturfakultät hingewiesen. diese beherbergen aufgrund der struktur und räumlichen aufteilung der tu-wien den großteil der architekturliteratur. da auch die räumlichen kapazitäten des hauptgebäudes der ubtuw trotz des vor wenigen jahren fertiggestellten neubaues nicht unbeschränkt sind, ist die idee entstanden, die möglichkeiten für die zusammenziehung der architekturbestände im rahmen der obligatorischen projektarbeit, die im rahmen der bibliothekarsausbildung auszuführen ist, zu prüfen. von seiten der direktion der ubtuw wurde diese arbeit sehr begrüßt, umso mehr als dort bekannt ist, daß auch der neue dekan der fakultät für architektur und raumplanung diesen überlegungen positiv gesinnt ist.“9 Es kommt eher selten vor, dass Architekten den Bibliothekarsberuf ergreifen. 1999 betreute einer, Robert Würzl, Bibliotheksmitarbeiter und ebenfalls Architekt, die bibliothekarische Projektarbeit eines anderen, Gerhard Fritz, damals Leiter der Bauabteilung der Universität Wien. In seiner Arbeit entwickelte er ein Konzept einer Architekturbibliothek an der TU Wien und führte dazu Gespräche mit der Bibliothekarin der Städtebaubibliothek, Mitarbeitern der Hauptbibliothek sowie Angehörigen des Lehrkörpers der Architekturfakultät. Dabei erhielt er grundsätzlich positive Signale in Richtung einer Zusammenlegung der Medienbestände und schlug daraufhin

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1982, it is reported that: “No changes were made to the organisational structure of the University Library, and no specialised libraries were established due to a lack of space and personnel.”6 In the following years, the aim of establishing a specialised library at the faculty seems to have been abandoned completely. In this period, only the Chemistry Library and the Mathematics and Physics Library had “suitable space and the minimum staff members necessary, and will soon be established as specialised libraries.”7 We must not overlook that, in the years preceding 1987, planning and preparing for the relocation of the main library to its new building demanded extensive funds and much of the available workforce. The lack of space and staff was urgent by 1990 due to the growing number of books, and it was necessary to move a third of the collection to the new premises of the main library.8 Initial Concepts An initiative to continue discussion on this issue now came from an external source: “[D]uring my practical assignment at the university library of the tu wien (ubtuw), part of my basic librarian training, some architecture student friends pointed out that the opening hours and services at the institute libraries of the architecture faculty were somewhat restrictive. Due to the structure and spatial division of the tu wien, these are where most of the literature on architecture is accommodated. As the spatial capacity of the main building of the ubtuw is not unlimited, despite completion of the new building only a few years ago, i came up with the idea of investigating the possibility of combining the architecture collections as part of my required librarian thesis project. This project was welcomed by the ubtuw administration, all the more so as they are aware that the new dean of the faculty of regional planning and architecture is also well-disposed towards such considerations.”9 It is somewhat rare that architects take up the profession of librarian. In 1999, one of these rare specimens, Robert Würzl, a library employee and also an architect,

mehrere Szenarien vor.10 Eine Lösung bestand darin, fachlich relevante Bestände aus Haupt- und Institutsbibliotheken in einer eigenen Zeitschriftenbibliothek zusammenzuführen (entsprechend der Zeitschriftenabteilung der Universität für Angewandte Kunst). Diese Lösung bezeichnete er als „Minimalvariante des Dekanats“11, und sie wurde wohl deshalb ausgearbeitet, weil die bislang angepeilte, schwerpunktmäßige Konzentration der Fachperiodika noch nicht in zufriedenstellendem Ausmaß erreicht war. Das zweite Szenario beschrieb eine eigene Studienrichtungsbibliothek Architektur. Diese Form kam den Vorstellungen der Architekten sehr nahe, da sie sich davon die Schaffung eines geistigen Zentrums für das Fachgebiet an der TU versprachen. Hier rechnete er mit 100.000 Bänden, einer Mindestnutzfläche von 800 bis 1200 m2 und mindestens fünf bis sechs Dienstposten je nach Öffnungszeiten und Serviceangebot. Eine kombinierte Fakultätsbibliothek für Architektur und Raumplanung hielt Fritz für keine gute Lösung, weil einerseits die Raumordnungsinstitute von den Architekturinstituten getrennt lagen, andererseits die Ausklammerung der Bauingenieure nicht einfach zu rechtfertigen gewesen wäre. Auch wären ein Neubau und ein hoher Personalstand nötig gewesen. Ebenfalls unrealistisch war für ihn das Modell einer Baubibliothek nach Innsbrucker Muster,12 da sie die gemeinschaftliche Identität der TU gefährdet und wegen der großen Zahl der dort versorgten Studenten zur Aushöhlung der Hauptbibliothek geführt hätte. Darüber hinaus wäre der Aufwand weder finanziell noch flächenmäßig noch räumlich zu bewältigen gewesen. Es ist im Nachhinein nicht mehr zu klären, ob durch dieses Konzept die Diskussion zu einer eigenen Fachbereichs- bzw. Fakultätsbibliothek wieder aufflammte oder ob das Konzept entstand, weil eben die Idee gerade „in der Luft lag“. Doch es schien weiter zu gehen.

supervised the librarian project thesis of another, Gerhard Fritz, who was then Head of the Department for Building and Equipment of the University Library of the University of Vienna. In his thesis, he developed a concept for an Architecture Library at the TU Wien and interviewed the librarian of the Urban Design Library, employees of the main library, as well as members of the teaching staff at the Faculty of Architecture. The reactions he received were encouraging and generally in favour of a combination of the media collections, and Fritz went on to propose several scenarios.10 One solution was to combine subject-relevant collections from the main library and from the institute libraries into a separate periodicals library (corresponding to the periodicals department at the University of Applied Arts). He called this solution the “minimum version of the dean’s office,”11 and it was probably developed because the envisaged concentration of subject-specific periodicals had not yet been achieved in a satisfactory manner. The second scenario described a separate research library for architecture. This model came close to the visions of the architects, as it promised the creation of an intellectual centre for their subject at the TU. He reckoned with 100,000 volumes, a minimum surface area of 800 to 1,200 m2, and at least five to six staff positions, depending on opening hours and the services offered. In Fritz’ opinion, a combined faculty library for both architecture and regional planning was not a good solution, because, on the one hand, the regional planning and architecture institutes were at separate locations, and on the other hand, the exclusion of civil engineering would not be easily justifiable. Also, it would make a new building and high numbers of employee necessary. Another model he deemed unrealistic was a departmental construction library as was done in Innsbruck,12 as this would endanger the common identity of the TU and, due to the large number of students to be served, it would undermine the centrality of the main library. Moreover, costs would be too high, both financially and spatially. In hindsight, it is not possible to know whether

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Die strategische Entwicklung der Fakultät für Architektur und Raumplanung Im Jahr 2000 fand sich im Fakultätsentwicklungsplan erstmals ein Hinweis auf einen möglichen Standort der neuen Bibliothek: „Angestrebt wird […] ein drei- bis viergeschossiger Neubau im Südteil des Architektenhofes, der (je nach Lösungsvariante) auf 2.000–3.000 m2 Fläche neben studentischen Arbeitsplätzen auch eine Fakultätsbibliothek beinhalten soll. Diese würde sich im Grundausbau als Zeitschriftenbibliothek verstehen, um in weiterer zeitlicher Folge zu einer ,echten‘ Fakultätsbibliothek erweitert zu werden.“13 In diesem Entwicklungsplan wurden auch langfristige Zielvorstellungen formuliert – „ein digitales Bildarchiv der Fakultät, die zur Fakultätsbibliothek gehörenden Serviceangebote, die gesonderte Zeitschriftenbibliothek, ein Daten- und Planarchiv sowie eine Anlaufstelle für die freie Wirtschaft“ – sowie ein Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Bibliothekssystems artikuliert. Damit wurden konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die teilweise noch über das Konzept von Fritz hinausgingen.14 Im folgenden Entwicklungsplan der Fakultät aus dem Jahr 2005 wurden diese Forderungen weitgehend gleichlautend wiederholt, jedoch ohne Nennung eines konkreten Standortes und unter Hinweis auf Sparsamkeitsbestrebungen bzw. -zwänge. Gebündelt werden sollten „Serviceangebote wie Fakultätsbibliothek mit gesonderter Zeitschriftenbibliothek, Daten und Planarchiv, Anlaufstelle für die freie Wirtschaft, Public Relations usw. […] Diese würde sich im Grundausbau als Zeitschriftenbibliothek, als Abteilung der Hauptbibliothek, verstehen, um in weiterer zeitlicher Folge zu einer ‚echten‘ Fakultätsbibliothek erweitert zu werden.“ Diese Entwicklung fand erstmals nach über 15 Jahren auch wieder einen Niederschlag in einem Jahresbericht der Bibliothek: „Im Hinblick auf die Erstellung des Masterplans wurden Grundzüge für die Errichtung einer solchen Fakultätsbibliothek definiert, anderseits ein Mengengerüst für Bestände und Raumbedarf aufgestellt und dem Dekan übergeben und diskutiert.“15

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it was his ideas that reanimated the discussion on a separate specialised faculty library, or whether the concept was developed because the idea was “in the air” anyway at the time. However, it seemed as if progress was being made. The Strategic Development of the Faculty of Architecture and Planning In 2000, the faculty development plan contained for the first time a reference to a possible location for the new library: “We aim for […] a three to four storey building in the southern part of the architecture court, which should cover (depending on the chosen solution) a surface of 2,000 to 3,000 m2 and house student workspaces as well as a faculty library. In its initial stage, this would be a periodicals library, but would be expanded over time into a ‘real’ faculty library”.13 This development plan also formulated long-term goals: “a digital image archive for the faculty, the proper services of a faculty library, a separate periodicals library, a data and plans archive, and a contact point for business”, and the need for improvement of the library system was emphasised. This proposal of detailed measures went beyond even Fritz’ concept.14 In the following faculty development plan, dating from 2005, these demands were, for the most part, repeated in the same words, though without proposing a specific location and - aware of financial constraints - demonstrating the will to economise. “Services like a faculty library with a separate periodicals library, data and plans archive, contact point for business, public relations etc.” were to be consolidated. “There would be a periodicals library as a department of the main library in the basic stage, to be expanded into a ‘real’ faculty library over time.” After a lapse of 15 years, this development found its way into an annual report of the library again: “Regarding the development of a master plan, an outline for the construction of such a faculty library was defined, along with a framework for collections and spatial needs, handed over to the Dean, and discussed with him.”15

Die Entwicklungspläne 2010+ und 2013+ der Technischen Universität Wien

The 2010+ and 2013+ Development Plans of the TU Wien

In den folgenden Entwicklungsplänen der Fakultät kam das Thema nicht mehr vor, wurde aber im analogen, gesamtuniversitären Entwicklungsplan 2010+ übernommen: „Eine […] Fachbereichsbibliothek wird für die Fakultäten ‚Architektur und Raumplanung‘ sowie

In the faculty development plans that followed, the subject did not resurface, but was taken up in the respective University Development Plan 2010+: “A […] departmental library is planned for the faculties of Architecture and Planning and Civil Engineering as part of the general refurbishment of the main building. […] Building on the organisational evaluation of the University Library of 2008/2009, the Library management developed a concept to be implemented in the framework of the UniverCity 2015 project.”16 So, now the issue was a library for two faculties. The development plan specified neither a location nor surface areas. However, this library vanished from the Development Plan 2013+ for reasons we shall look into below.

‚Bauingenieurwesen‘ im Zuge der Generalsanierung im Hauptgebäude geplant. […] Aufbauend auf der Organisationsevaluierung der Universitätsbibliothek 2008/09 wurde von der Bibliotheksleitung ein Konzept entwickelt, das im Rahmen der Umbauarbeiten des ‚UniverCity 2015‘-Projektes umgesetzt werden soll.“16 Von nun an ging es also um eine Bibliothek für zwei Fakultäten. Eine genauere Verortung oder Flächenangaben wurden im Entwicklungsplan nicht genannt. Aus dem Entwicklungsplan 2013+ ist diese Bibliothek jedoch aus im Folgenden genannten Gründen wieder verschwunden. Das Konzept der Bibliotheksleitung im Rahmen von „TU UniverCity 2015“ Konkrete Planungen, in die auch die Bibliotheksleitung einbezogen wurde, gab es dann im Rahmen des bereits genannten Projektes „TU UniverCity 2015“. Dieses hätte „die gesamte Entlehntätigkeit durch Nicht-Institutsangehörige […] in den Fachbereichsbibliotheken bzw. natürlich auch in der Hauptbibliothek konzentriert“, an den Instituten wären nur mehr der für die laufende Forschungsund Lehrtätigkeit notwendige Bücherbedarf verblieben. Dass die Fachbereichsbibliothek nicht als Lese-, sondern als Entlehnbibliothek gedacht war, „mit einem Handbereich, Kopiermöglichkeit und einem Entlehnsystem, das die 24-Stunden-Entlehnmöglichkeit für EDV-mäßig vorbestellte Bücher (außerhalb der Öffnungszeiten ohne Personal) gestattet,“17 war dabei allein der Finanzierbarkeit und den räumlichen Möglichkeiten geschuldet und entsprach nicht unbedingt den Idealvorstellungen. Anfang 2008 war die Grundsatzentscheidung für die Unterbringung der Fakultäten gefallen und es wur-

The Library Management Concept in the “TU UniverCity 2015” Actual plans were made, together with the library administration, as part of the already-mentioned TU UniverCity 2015 project. These plans aimed to: “concentrate all borrowing done by non-members of the institute […] in the faculty libraries and, of course, in the main library”. Only books necessary for current research and teaching would have remained at the institutes. The fact that the faculty library was not designed as a reading library but as a loaning library, “with a reference area, copying facilities and a lending system allowing for the 24-hour borrowing of books online (outside opening hours and without staff)”17 was exclusively due to space limitations because of funding, and did not necessarily reflect conceptions of an ideal state. In early 2008, the fundamental decision on how to accommodate the faculties had been met, and reflections began on whether a joint library for several faculties might make sense. Calculations by the library administration showed a preliminary spatial need of roughly 3,000  m2 (52% for media collections, 42% for

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de überlegt, ob nicht eine gemeinsame Bibliothek für mehrere Fakultäten sinnvoll wäre. Berechnungen der Bibliotheksleitung ergaben zunächst einen Flächenbedarf von rund 3000 m² (52 % davon für den Medienbestand, 42  % für Benutzerarbeitsplätze).18 Einkalkuliert war ein Bestandszuwachs für 20 Jahre auf Basis der durchschnittlichen Zuwächse der letzten Jahre. Allein der Flächenbedarf für die zu diesem Zeitpunkt im Bibliothekssystem erfassten Bestände hätte bereits knapp 1300 m² betragen; Erhebungen an den Instituten kamen für beide Fakultäten gemeinsam auf einen Bestand von knapp 270.000 Bänden. Doch dieser Flächenbedarf hatte von Anfang an kaum Chancen auf Verwirklichung. Daher wurden Kompromisse gesucht: Teile des Bestandes wurden in Kompaktmagazine verplant, die Zahl der Benutzerarbeitsplätze wurde reduziert, die Pausenzone weggelassen, Garderoben waren schon in der ersten Berechnung nicht berücksichtigt worden. Für den Freihandbereich wären somit 810 m² verblieben. Damit wurden die Vorgaben der entsprechenden Baunorm erheblich unterschritten. Im Wesentlichen hätte diese Bibliothek ehemalige Räumlichkeiten der Hauptbibliothek vor dem Umzug in den Neubau beansprucht (zuzüglich Kellerräume für Kompaktmagazine), also eine zentrale, gut zugängliche und sichtbare Lage gehabt. Eine bestandsschonende Variante hätte Teile der Räumlichkeiten des Universitätsarchivs und des Raumlabors in Anspruch genommen. Leider konnte letztlich aus finanziellen Gründen keine dieser Varianten verwirklicht werden. Konkrete architektonische Entwürfe für eine neue Bibliothek Nachdem die Bundesimmobiliengesellschaft mit der Technischen Universität die Erneuerung des Universitätsgebäudes am Karlsplatz vereinbart hatte, wurde ein zweistufiges, europaweites Bewerbungsverfahren ausgeschrieben, aus dem das Projekt des Büros NMBP in Arbeitsgemeinschaft mit Architekt Helmut Neumayer 2005 als Sieger hervorging. In den ersten Entwürfen findet sich im 1.  Hof eine unterirdisch angelegte Bib-

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visitor workspace).18 The calculation included a projected increase in collections over 20 years, based on the average increase of previous years. For the existing collections alone, nearly 1,300 m2 would have been necessary; surveys at the institutes showed collections of nearly 270,000 volumes for the two faculties together. However, from the start, this space requirement had little chance of being met. Therefore, a compromise was sought: parts of the collections were to be accommodated in compact storage, the number of user workspaces was reduced, the lounge area was dropped, and wardrobes had already been omitted from the original calculation. The open-access area would have thus been expanded to 810 m2. This fell considerably short of conforming to construction standards. In essence, this library would have moved into the former premises of the main library after its relocation to the new building (adding basement rooms for compact storage), which would have been a central, easily accessible, and visible location. A collection-friendly alternative could have occupied parts of the University Archive’s premises and the “Raumlabor”. Unfortunately, none of these alternatives was ever realised, due to financial constraints. Actual Architectural Designs for a New Library After the Bundesimmobiliengesellschaft (Federal Real Estate Corporation) had agreed to the renovation of the TU’s main building at Karlsplatz, a two-stage, Europe-wide call for proposals was issued, and the project of the NMBP office – in collaboration with architect Helmut Neumayer – came out on top. In their first designs,19 an underground library is situated in Courtyard 1, and an additional floor projects from the top of the current Schütte-Lihotzky Lecture Hall and Presentation Lab.20 But the planned underground lecture hall complex in Courtyard 6 was not realised, and therefore, this space was no longer available as a future library location. Silvia Albrecht’s diploma thesis, dating from 2012, brings the issue into the present. Her reflections focus on

liothek19 sowie eine Aufstockung über dem jetzigen Schütte-Lihotzky-Hörsaal und Aufbaulabor.20 Doch das geplante unterirdische Hörsaalzentrum in Hof 6 konnte nicht verwirklicht werden und so standen diese für einen zukünftigen Bibliotheksstandort relevanten Räume nicht mehr zur Disposition. Mit einer von Silvia Albrecht verfassten Diplomarbeit aus dem Jahr 2012 kommt das Thema schließlich in der Gegenwart an: Im Zentrum ihrer Überlegungen steht wiederum eine Nutzung der Höfe im Hauptgebäude der Technischen Universität. Mit dem Konzept „Hof im Hof“21 schlägt sie einen teilweise unterirdisch angelegten Ge-

the utilisation of the courtyards of the TU’s main building. With the concept of a “courtyard in the courtyard”21, she proposes the construction of a partially underground building section integrated into the existing building structure. As her proposals are part of a qualification study, she works with maximum parameters regarding space and equipment (with a surface of 6,800 m2), which

bäudeteil vor, der sich in die gegenwärtige Gebäude­ struktur eingliedert. Sie arbeitet aufgrund der vorliegenden Studiensituation mit Maximalparametern hinsichtlich Platzbedarf und Ausstattung (u. a. einer Fläche von 6800

would have provided space for new uses – for instance additional studio space – and further interesting solutions.22 Although Rudolf Wurzer’s fertile concept of a central library unit for the planning disciplines has now taken

Abbildung 49: CAD-Entwurf für eine Bibliothek im Hof des Hauptgebäudes der TU Wien (Silvia Albrecht, 2012) Figure 49: CAD Draft for a Library in the Court of the main building of TU Wien (Silvia Albrecht, 2012)

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m²), was den Raum für neue Nutzungsmöglichkeiten – wie bspw. einen zusätzlichen Zeichensaal – und weitere interessante Lösungen ergeben hätte.22 Die von Rudolf Wurzer gesäte Idee einer zentralen bibliothekarischen Einrichtung für die planenden Studienrichtungen hat zwar nun die nächste Generation infiziert, doch bleibt eine konkrete Umsetzung weiterhin unerfüllt. Nichtsdestotrotz zeigt sich auf den Seiten der Fachbereiche ein nicht abklingendes Interesse an einer größeren Lösung, das wohl auch in Zukunft regelmäßig zu einem Aufflammen der Diskussion führen wird. Das Thema bleibt also aktuell und man darf auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein.

seed in the next generation, it has still not yet been implemented. Nevertheless, the faculties demonstrate a continuing interest in a larger solution, which we suspect will regularly reanimate this discussion in the future. The topic thus remains a current one, and we are eagerly looking forward to further developments.

Anmerkungen/Notes 1 Rudolf Wurzer, Vorwort, in: Institut für Städtebau, Raumplanung und Raumordnung, Wien, Katalog der Institutsbibliothek. Zuwachsverzeichnis 1967–1968, Wien 1969, [o. S.]. 2 Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 7. April 1971 über die Studienordnung für die Studienrichtung Raumplanung und Raumordnung. BGBl. Nr. 182/1971, Wien, 4. Juni 1971 sowie Homepage des Universitätsarchivs der Technischen Universität Wien, http://www.tuwien.ac.at/wir_ueber_uns/zahlen_und_fakten/geschichte_der_tu_wien (12. 12. 2014). 3 UOG 1975 § 85 Abs. 2. 4 Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Bericht 1978, Wien, 1979, 5. 5 Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Bericht 1979, Wien, 1980, 3. 6 Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Bericht 1982, Wien, 1983, 1. 7 Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Bericht 1987, Wien, 1988, 3. 8 Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien, Bericht über das Bibliothekswesen der Technischen Universität Wien 1991, Wien, 1992, 6. 9 Gerhard Fritz, Konzept für eine Architekturbibliothek an der TU Wien, Wien, 1999, 3. 10 Ebd., 15ff. 11 Ebd., 15. 12 Die Universität Innsbruck führte bis 2013 eine eigene sog. Baufakultätsbibliothek für die ehemalige Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur (heute: Fakultät für Technische Wissenschaften). 13 Technische Universität Wien, Fakultät für Architektur und Raumplanung, Entwicklungsplan 2000+, Wien, 2000, 20. 14 Ebd., 43. 15 Bericht über das Bibliothekswesen der Technischen Universität Wien 2006, Wien, 2007, 8. 16 Technische Universität Wien, Entwicklungsplan 2010+, Wien, 2010, 107. 17 Ebd., 108. 18 Eine wichtige Basis für Berechnungen hinsichtlich des Flächenbedarfs und der Ausstattung von Bibliotheken gibt der sog. „DIN-Fachbericht 13“. Siehe: Deutsches Institut für Normung, Normenausschuss Bibliotheks- und Dokumentationswesen, Bau- und Nutzungsplanung von wissenschaftlichen Bibliotheken, Berlin, 1998, 16–46. 19 http://www.nmpb.at/projekte/technische-universitaet-wien/#!/plaene/02jpg (Dezember 2014). 20 http://www.nmpb.at/projekte/technische-universitaet-wien/#!/schemen (Dezember 2014). 21 Silvia Albrecht, Entwurf einer Fakultätsbibliothek für die planenden Studienrichtungen der TU Wien, Wien, 2012, 48. 22 Ebd., 64.

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Helga Tschiedl, Fritz Neumayer

„WENN DIE FEE MIR DAS ERFÜLLEN KÖNNTE …“ – DIE TRAUMBIBLIOTHEK DER PLANENDEN STUDIENRICHTUNGEN AN DER TU WIEN “IF A GOOD FAIRY WOULD GRANT MY WISH …” – THE DREAM LIBRARY OF THE PLANNING DISCIPLINES AT THE TU WIEN Nehmen wir an, Sie begegnen einer guten Fee mit einer besonderen Vorliebe für Bibliotheken, die Ihnen jeden Wunschtraum erfüllt, sofern er sich auf eine Bibliothek bezieht – wie sieht dann die Bibliothek Ihrer Träume zur Unterstützung Ihrer Tätigkeit als Studierende, als Dozent, als reiner Forscher, als Praktikerin aus? Mit dieser Eingangsfrage versuchten wir in mehreren Interviews, die Idealvorstellungen von einer Baubibliothek – jenseits der Umsetzbarkeit – zu ermitteln. Um die Bedürfnisse und Wünsche heutiger Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer zu erfassen, wollten wir mit Vertretern der Fachbereiche Architektur, Raumplanung und Bauingenieurwesen, mit Studierenden und Lehrenden, mit Vertreterinnen und Vertretern aus Praxis und Forschung, des Nachwuchses und der Arrivierten sprechen. Im Spätsommer und Herbst 2014 führten wir jeweils einstündige Interviews mit Klaus Semsroth, bis 2013 Dekan der Fakultät für Architektur und Raumplanung, mit Rudolf Scheuvens, derzeitiger Dekan der Fakultät, sowie mit Josef Eberhardsteiner, Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen, gemeinsam mit Norbert Krouzecky vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie, der lange in das universitätsweite Infrastrukturprojekt „TU Univercity 2015“ involviert war. Beim Nachwuchs konnten wir aus Zeitgründen nur die zahlenmäßig stärkste Studienrichtung Architektur berücksichtigen, die hier durch die Architekturstudentin und Studentenvertreterin Monica Ileana Dobre und die

Let’s suppose you met a fairy godmother with a special fondness for libraries, who would grant your every wish, provided it is about a library. What would your dream library look like and how would it support the activities of students, teachers, pure researchers, and practitioners? We used this opening question in several interviews in order to identify the ultimate Baubibliothek – irrespective of feasibility. In order to assess the needs and wishes of current library users, we talked to representatives of the fields of Architecture, Spatial Planning, and Civil Engineering, including students and teachers, people working and people researching, and young academics and established practitioners. In late summer and autumn 2014, we conducted one-hour interviews with Klaus Semsroth, Dean of the Faculty of Architecture and Planning until 2013, Rudolf Scheuvens, current Dean of the Faculty, and Josef Eberhardsteiner, Dean of the Faculty of Civil Engineering, together with Norbert Krouzecky from the Institute of Hydraulic Engineering and Water Resources Management, who has a long history of involvement in the TU UniverCity 2015 infrastructure project. Due to time limitations, we were only able to include young academics from the largest programme, architecture, namely architecture student and student body representative Monica Ileana Dobre and young architect Annegret Haider (graduated 2010). The guided interviews were recorded, with the consent of the interviewees, and partially transcribed at a

„Wenn die Fee mir das erfüllen könnte …“ – Die Traumbibliothek der planenden Studienrichtungen an der TU Wien   | 95

junge Architektin Annegret Haider (Diplom 2010) repräsentiert wird. Die Gespräche wurden anhand eines Leitfadens geführt und mit Zustimmung der Interviewten aufgezeichnet sowie im Anschluss auszugsweise transkribiert. Unser Ziel war, ein Stimmungsbild zu zeichnen; Unzulänglichkeiten in der wissenschaftlich korrekten methodischen Durchführung haben wir daher bewusst in Kauf genommen. Alle befragten Personen bekennen sich zu einer gemeinsamen Bibliothek der beiden Fakultäten, obwohl die Bauingenieure ganz deutlich die digitale Bibliothek, die Architekten hingegen gedruckte Bücher und Zeitschriften bevorzugen. Das hat Auswirkungen auf die Vorstellungen vom Charakter einer solchen Bibliothek als Ganzes. Etwas detaillierter werden die Ergebnisse in Folge, gebündelt nach Themenbereichen, dargestellt. Räumlichkeiten, Ausstattung und Lage, Öffnungszeiten Die zentrale Lage einer solchen Bibliothek spielt bei allen Befragten eine entscheidende Rolle. Sie sollte an einem leicht zugänglichen Ort im Hauptgebäude angesiedelt sein: Eberhardsteiner: „Eine Fachbereichsbibliothek Bau hätte für mich den Charme, einen Ort mit gemeinsamem Interesse von Bauingenieuren und von Architekten und Raumplanern im Hauptgebäude zu schaffen.“ Scheuvens: „Wenn Raumplaner, Architekten und Bau­ ingenieure eine gemeinsame Bibliothek hätten, wäre das toll. Ein zentraler öffentlicher Ort im Hauptgebäude. […] Die Bibliothek hat nichts im hintersten Kämmerlein zu suchen, weil da gerade ein Raum frei ist. Es muss was sein, wo man gerne hingeht.“ Haider: „Diese Bibliothek sollte von außen direkt und leicht zugänglich sein.“ Zentral soll die Bibliothek zunächst aus Gründen der individuellen Zugänglichkeit sein:

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later date. Our aim was to obtain a general picture of the atmosphere, so we consciously accepted weaknesses regarding correct scientific procedure. All interviewees were committed to a shared library for both faculties, although the civil engineers clearly opted for a digital library, while the architects prefer printed books and journals. These inclinations had repercussions on their concept of the ideal library as a whole. Below, we will thematically summarise the results in more detail. Premises, Facilities, Location, Opening Hours A centrally located library is regarded as essential by all interviewees. It should be positioned at an easily accessible site within the main building: Eberhardsteiner: “For me, a specialised Baubibliothek would have the charm of creating a space of common interest between civil engineers, architects, and spatial planners, right in the main building.” Scheuvens: “It would be great if spatial planners, architects, and civil engineers had a common library. A central, public place in the main building. […] A library should not be tucked away in some hidden back room just because the space is available, it has to be a place where people like to go.” Haider: “The library should be directly and easily accessible from the outside.” The library needs to be centrally located, mainly for reasons of accessibility: Dobre: “The collections of the main libraries are sufficient for normal use. For more specialised searches, you always need to visit the institute libraries. These tend to be more up to date, and you are more likely to find newer editions at the institutes.” – “It goes without saying that I, and other students, too, would like a specialised library – mainly because of the poor opening hours and the decentrality of the institute libraries. It is difficult to even visit them at the right time.” Haider: “Using the institute libraries is quite tedious. For one, you have to go to three different places with

Abbildung 50: Josef Eberhardsteiner, Vizerektor für Infrastruktur Figure 50: Josef Eberhardsteiner, Vicerector for Infrastructure

Abbildung 51: Annegret Haider, Architektin Figure 51: Annegret Haider, Architect

Dobre: „Der Bestand der Hauptbibliotheken ist für den normalen Gebrauch ausreichend. Für speziellere Recherchen braucht man auf jeden Fall auch die Institutsbibliotheken. Die halten sich eher am Laufenden bzw. die neueren Ausgaben sind eher an den Instituten zu finden.“ – „Für mich und auch für andere Studierende ist eine Fachbibliothek selbstverständlich wünschenswert – hauptsächlich wegen der Öffnungszeiten und der Dezentralität der Institutsbibliotheken. Es ist schwierig, überhaupt zum richtigen Zeitpunkt anwesend zu sein.“ Haider: „Die Institutsbibliotheken sind sehr mühsam zu benutzen, für ein Thema muss man drei Orte zu unterschiedlichen Öffnungszeiten aufsuchen.“ – „Ich habe die Bibliothek gerne besucht und Bücher ausgeborgt. Da habe ich die Hauptbibliothek präferiert, weil hier vieles an einem Ort zu finden ist.“ – „Wenn ich z. B. Literatur zu speziellen Dachausführungen suche, bleiben die Bücher [an der Hauptbibliothek] meist im Basiswissen und viel mehr dieser Literatur ist an Instituten, die für mich schwer oder nicht zugänglich [sind]. Für mich geht’s um die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit der Institutsbestände.“

different opening hours.” – “I liked going to the library and borrowing books. But I preferred the main library, because you could find lots of things in one place there.” – “If I am looking for, let’s say, literature on a particular type of roof construction, most of the books [at the main library] are at a basic level, while much more of this literature can be found at the institutes, which I can hardly access, if at all. For me, it is all about the accessibility and availability of the institutes’ library stock.” Scheuvens: “That’s the root of the current problem, that we cannot cultivate working with books. Each department has its own library space (if at all), which often is only open for a few hours a day. […] You have to run from one specialty to the other. This does not make working with books easy for our students.”

Scheuvens: „Da liegt ja das derzeitige Problem, dass wir das Arbeiten mit Büchern nicht kultivieren können. Jede Abteilung hat einen eigenen Bibliotheksraum

Thus, from the library users’ perspective, although not space-related, opening hours are an important aspect of accessibility: Dobre: “My ideal opening hours would be 7 am to 10 pm daily.” Haider: “The main library’s opening hours are adequate for me.”

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(wenn überhaupt), der oft nur wenige Stunden am Tag zugänglich ist [...]. Man läuft von einem Fachgebiet zum anderen. Das macht das Arbeiten mit Büchern für unsere Studierenden nicht einfach.“ Die Öffnungszeiten stellen also aus der Sicht der Bibliotheksbenutzerinnen und -benutzer einen – wenn auch nicht räumlichen – Aspekt der Zugänglichkeit dar: Dobre: „Meine Wunschöffnungszeiten sind täglich von 7.00 bis 22.00 Uhr.“ Haider: „Die Öffnungszeiten der Hauptbibliothek sind für mich ausreichend.“ Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Beitrag einer solchen zentralen Lage zur Vernetzung unter Arbeits- wie Studienkollegen: Semsroth: „[Diese Bibliothek] muss irgendwo in der Nähe der Fakultät liegen, wenn sie irgendwo weiter weg liegt, hat das gar keinen Sinn, weil ich den kommunikativen Aspekt für sehr wichtig halte. […] Der soziale oder kommunikative Aspekt wäre einfach ein unermesslicher Gewinn für Studierende und Lehrende, sodass man zwischen den relativ nebeneinander her lebenden Fakultätsinstituten eine bessere Kommunikation erreichen könnte. Das ist natürlich nicht primäre Aufgabe der Bibliothek, aber in der Bibliothek gehen jeden Tag viele Leute ein und aus.“ – „Diese gewisse Anonymität in der Fakultät könnte leichter überwunden werden. […] ich hab mir immer gewünscht, wenn wir mal eine Fakultätsbibliothek haben, mit entsprechende Räumlichkeiten hätten, dann wäre das eine gute Möglichkeit, die Anonymität zu überwinden.“ Diese Wünsche nach einer Bibliothek (auch) als Ort sozialer und interdisziplinärer Vernetzung haben auch Auswirkungen auf das Raumprogramm der Traumbibliothek: Semsroth: „In München war an die Fakultätsbibliothek eine kleine Espressobar angeschlossen und da konnten 15, 20 Leute sitzen und da traf man sich. […] So etwas würde ich mir für unsere Fakultät auch wünschen.“

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Another consideration is how such a central location would contribute to networking between co-workers and fellow students: Semsroth: “[The library] must be located somewhere close to the faculty. It wouldn’t make sense to have it further away, because I think the communicative aspect is a very important one. […] The social and communicative aspects would be an immense benefit for students and teachers. It would improve communication between the faculty’s institutes, which currently lead rather separate lives. Of course, that’s not the primary task of a library, but many people come and go at a library every day.” – “The sense of anonymity at the faculty would be easier to overcome. […] I always thought that if we had a faculty library at some point, with a suitable location, it would be a great chance to overcome this anonymity.” These wishes for the library to (also) be a place of social and inter-disciplinary networking influence the spatial layout of the dream library, too: Semsroth: “In Munich, there was a small espresso bar annexed to the library, seating 15-20 people. That’s where everybody met. […] That’s something I would like for our faculty, too.” These expectations, however, are not always associated with the same type of space: Dobre: “The traditional library infrastructure would be sufficient.” – “I find group workspaces particularly important, places where you can exchange views – there should be enough areas like that – not necessarily only quiet rooms.” – “I recently experienced how important it is that not just architecture students sit there, but in particular also civil engineering and spatial planning students. Because simply by being next to each other, they already start learning from each other, and becoming involved in different discussions, understanding what things are like on the other side.” – “Interdisciplinary collaboration is fostered when people already know each other from studying together.”

Derartige Erwartungen werden aber nicht immer mit demselben Raumtyp assoziiert: Dobre: „Die klassische Bibliotheksinfrastruktur würde genügen“. – „Gruppenarbeitsbereiche finde ich besonders wichtig, wo man sich austauschen kann. Diese Bereiche sollten ausreichend vorhanden sein – nicht unbedingt nur leisere Räume.“ – „Was ich in der letzten Zeit erlebt habe: ganz ganz wichtig, dass nicht nur Architekturstudierende dort sitzen, sondern vor allem auch Bauingenieurwesen- und Raumplanungsstudierende. Weil die auch nur in diesem Nebeneinandersein schon voneinander lernen und andere Diskussionen mitkriegen und mehr verstehen, wie es bei den anderen geht.“ – „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit würde gefördert, wenn man sich aus dem Studium schon kennt.“ Hinsichtlich der Kommunikationszonen gehen die Meinungen allerdings auseinander: Haider: „Lernräume, wo Studenten gemeinsam an einem Projekt arbeiten; face to face sitzen und etwas erarbeiten, [sind] ganz wichtig. Gerade in unserem Berufsumfeld ist Teamwork ganz wichtig. Aber ich sehe das räumlich nicht an die Bibliothek gebunden.“ Trotzdem wünscht auch sie sich „reservierbare Gruppenarbeitsräume“. Auf jeden Fall soll es laute und leise Zonen geben: Scheuvens wünscht sich einen (wahrscheinlich ruhigen) „Leseort mit einladendem Lesesaal“. Dobre: „An Infrastruktur sollte es das geben, was es jetzt auch schon gibt: Scanner, Kopierer, Terminals. Und auch leise Lesezonen.“ Haider: „Man hat viel Platz zum Sitzen, Lesen und zum Arbeiten, aber auch ,laute‘ Zonen, wo man mit anderen Leuten kommunizieren kann.“ – „Dazu gehören Pausenzonen, Kommunikationszonen, [...] von ganz ganz leisen Zonen, dann Zonen, wo man im Flüsterton reden kann, bis zu Zonen, wo es quirlig zugeht – das wäre die Kommunikationszone.“ Es besteht also ein verbreitetes Bedürfnis einerseits nach klassischen Bibliotheksräumen, andererseits nach

Regarding communication zones, however, there are widely divergent opinions: Haider: “Study spaces where students can work on joint projects; sitting face to face and developing something, that’s really essential. In our professional environment, teamwork is especially important. But I don’t think this has to be linked to the library.” Nevertheless, she, too, wants “bookable group workspaces”. In any case, there should be both communication and quiet zones: Scheuvens wants a (presumably quiet) “reading area with a welcoming reading room”. Dobre: “As for infrastructure, there should be the same things that are available now, scanners, copy machines, terminals. And quiet reading zones as well”. Haider: “There is a lot of room to sit, read, and work, but also communication areas where you can talk with others.” – “This includes break areas, communication areas, […] from really quiet zones to zones where you may talk in a whisper, up to active zones, which would be the communication area.” Thus, there is a general need for traditional library spaces on the one hand, and for group work areas and communication zones on the other hand. Lecture and training rooms, exhibition spaces, and IT rooms are a lesser concern, but are still seen as options: Dobre: “It would be nice if the library could provide a platform, a supporting programme for workshops, lectures, reading circles, discussion groups. They might be organised by the faculty, but the library should provide the framework.” Target Groups and Accessibility All interviewees argue for an “open library”, i.e. that the services of the Baubibliothek should be accessible to external users, e.g. architecture or civil engineering offices, but also a general interested public, as well as students, researchers, and TU Wien staff.

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Gruppenarbeitsbereichen und Kommunikationszonen. Vortrags- und Schulungsräume, Ausstellungsflächen, EDV-Räume spielen eine untergeordnete Rolle, werden aber durchaus als mögliche Angebote gesehen: Dobre: „Es wäre schön, wenn die Bibliothek eine Plattform, ein Rahmenprogramm für Workshops, Lesungen, Lesekreise, Diskussionsrunden anbieten könnte. Veranstalten könnte das die Fakultät, die Bibliothek sollte den Rahmen ermöglichen.“

Dobre: “I would prefer a library that is as open as possible – I believe interaction is important and exciting, even something as simple as overhearing what others are saying.” Semsroth: “I am sure it would be greatly appreciated and used. And it also matches the international level. […] I know this from Aachen, where they have a very large library that functions as something like the intellectual and architectural centre of the faculty.”

Zielgruppen und Zugänglichkeit

However, the necessity of access control to certain media, i.e. in particular digital material, is appreciated:

Alle Befragten sprechen sich für eine „offene Bibliothek“ aus, d. h., dass die Services einer Baubibliothek nicht nur Studierenden, Forschenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der TU Wien, sondern auch externen Benutzerinnen und Benutzern zugänglich sein sollen, z. B. Architektur- oder Zivilingenieurbüros, aber auch allgemein dem interessierten Publikum. Dobre: „Ich bevorzuge eine möglichst offene Bibliothek – die Interaktion finde ich wichtig und spannend, wenn man einfach mitkriegt, was die anderen reden.“ Semsroth: „Ich bin sicher, das würde ganz stark angenommen werden. Und das entspricht auch dem internationalen Level. […] Ich kenne das auch von Aachen, die haben dort eine sehr große Bibliothek und sie ist irgendwie der geistige, architektonische Mittelpunkt der Fakultät.“ Die Notwendigkeit von Zugangsbeschränkungen je nach Art der Medien, vor allem, was digitale Angebote betrifft, wird aber wahrgenommen: Scheuvens: „Ich finde es generell gut, wenn jeder, der mit den Büchern arbeiten möchte, die Möglichkeit hat, sich anzumelden und die Bibliothek nutzen kann.“ Krouzecky: „Alles, was publiziert ist, und bei Bibliotheksmaterialien reden wir eigentlich von publizierten Materialien – allerdings keine noch nicht publizierten Forschungsgrundlagen oder Forschungsergebnisse –, beim Brief ans Christkind würd ich das jedem freigeben.“

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Scheuvens: “In general, I’d like anyone who wants to work with books to be able to register and use the library.” Krouzecky: “Anything published, and library material is indeed generally published material, but no unpublished research work or research results. If I wrote a letter to Father Christmas, I would ask for free access for everyone.” Eberhardsteiner: “Such free access, however, should be restricted to TU Wien members; for external users, I think access should be be limited for e-books, e-journals, digital norms, and similar material.” Media Provision All interviewees are in favour of the collections of the institute libraries and the main library being combined in open access shelves largely, in the dream library: Haider: “The best thing would be if you could find all the relevant literature in one place. This means that you would have to be able to find and use the books and journals of the main library as well as of the institute libraries in one place.” Dobre: “Open access shelving by classification is indispensable in this library.” In terms of print vs. digital media, architects and spatial planners alike prefer printed books and journals.

Abbildung 52: Norbert Krouzecky, Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie Figure 52: Norbert Krouzecky, Institute of Hydraulic Engineering and Water Resources Management

Abbidung 53: Rudolf Scheuvens, Dekan der Fakultät für Architektur und Raumplanung Figure 53: Rudolf Scheuvens, Dean of the Faculty for Architecture and Planning

Eberhardsteiner: „Dieser freie Zugang sollte allerdings auf Angehörige der TU Wien beschränkt sein, für externe Benutzer halte ich bei E-Books, E-Journals, digitalen Normen u.  Ä. einen eingeschränkten Zugang für notwendig.“

Scheuvens: “Books! Books, journals, and periodicals – printed! Not in digital form.” – “It should be an alternative to everything you can google on the internet. It is about a space with an atmosphere, about space. I would wish for a library to contribute to the return of cultivating working with books.”

Ausstattung mit Medien Alle Befragten befürworten, dass die Bestände der In­ stitutsbibliotheken und die Bestände der Hauptbibliothek in der Wunschbibliothek weitgehend in Freihandaufstellung zusammengeführt werden sollen: Haider: „Das Optimum wäre, wenn man an einer Stelle die relevante Literatur finden kann. Das bedeutet, dass man die Bücher und Zeitschriften der Hauptbibliothek und auch der Institutsbibliotheken an einer Stelle finden und benutzen kann.“ Dobre: „Die systematische Freihandaufstellung in dieser Bibliothek ist unumgänglich.“ In der Frage Print vs. digitale Medien ziehen Architekten und Raumplaner durchgängig gedruckte Bücher und gedruckte Zeitschriften vor.

However, this disregards the fact that the digital resources of a library holds far more than what you can “google”. Dobre: “In the main, I use books and media, and I would like all printed media of the TU to be in one place – along with digital plans. Printed material should not be lost, and everyone should know how to use it.” Gerhard Fritz1 quoted the librarian responsible for architecture at the time, Würzl: “The ARC subject group is always the most disorderly one, which indicates intensive use.” Our interpretation is that this is not (only) due to the intensity, but also to a different kind of use: Semsroth: “I think that architects, in particular, need to browse when they are looking for something. Often, they don’t know precisely what they want, or maybe they only have a vague idea of what is really there. An architect needs to be able to simply look at books and

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Scheuvens: „Bücher! Bücher, Zeitschriften und Magazine – gedruckt! Nicht digital.“ – „Es müsste eine Alternative zu all den Dingen [sein], die man sich im Internet ergoogeln kann. Es geht um einen Raum mit Atmosphäre, Raum. Ich wünsche mir, dass eine Bibliothek dazu beiträgt, das Arbeiten mit Büchern wieder zu kultivieren.“ Hier wird allerdings außer Acht gelassen, dass das digitale Angebot der Bibliothek natürlich weit über das hinausgeht, was man „ergoogeln“ kann. Dobre: „Ich nutze hauptsächlich Bücher und Medien und wünsche mir alle gedruckten Medien der TU an einem Ort – und elektronische Pläne. Gedrucktes darf nicht verloren gehen und man sollte wissen, wie man es nutzt.“ Schon Gerhard Fritz1 zitiert den damaligen Referenten für Architektur der Hauptbibliothek, Würzl: „in der fachgruppe ARC herrscht immer die meiste unordnung. das ist ein indiz für die intensive benützung.“ Unserer Interpretation nach liegt dies jedoch nicht (nur) an der Intensität, sondern auch an der abweichenden Art der Benutzung: Semsroth: „Ich glaube, dass gerade die Architekten gewisse Dinge anschauen müssen, wenn sie etwas suchen. Die wissen oft noch gar nicht konkret, was sie haben möchten oder vielleicht haben sie nur eine vage Vorstellung, was es da konkret gibt. Ein Architekt muss einfach die Möglichkeit haben, Bücher und Zeitschriften anzusehen, sich anregen zu lassen, um dann feststellen zu können ‚Da find ich etwas‘ – diese visuelle Erfahrung kann man durch Nichts ersetzen.“ Haider: „Ich bin ein analoger Typ, die digitalen Ressourcen habe ich nicht genutzt.“ – „Oft muss man sich ein Buch nicht unbedingt ausborgen – oft genügt es, wenn man reinschauen kann.“ Scheuvens: „Ich möchte mich hinsetzen und in mehreren Büchern querlesen, stöbern, mich hineinlesen und vertiefen können …“ Dass sich die Art des Arbeitens mit Literatur besonders bei den Architekten von anderen Studienrichtungen un-

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journals, to find inspiration, and to then decide: ‘That’s where I’ll find something’ – this visual experience cannot be replaced.” Haider: “I am an analogue type of person, I never used digital resources.” – “You don’t necessarily have to take a book home – often it’s enough to just have a quick look.” Scheuvens: “I want to be able to sit down and browse several books at once, to peruse, start reading, and delve deeper into them…” It is not only the self-perception of architects that this way of working with literature distinguishes them from other disciplines: Krouzecky: “When we are talking about a specialised library, I don’t just think of the civil engineers, but also of the architects; and for them, they need a lot of illustrated books. Although I’m not an architect, I think that it does make a difference for an architect when it is possible to leaf through an illustrated book, compared to seeing the same content on a screen.” The civil engineers spontaneously prefer digital media because of its availability around the clock. This statement, however, is qualified in the very next sentence – and not just because of the needs of their colleagues in architecture: Eberhardsteiner and Krouzecky: “In the perfect library, everything would be available digitally. That’s the most convenient access. Everybody can utilise library services from his or her own workplace, at any time of the day.” – “Everything is available all the time.” Krouzecky: “But I would also like to be able to sit down somewhere and look at a book borrowed from the archives.2” Staffing “It goes without saying that the library needs to be looked after by its own qualified staff”, said Rudolf Wurzer years ago.3 Does this statement still carry weight, considering the changes in the library sector? And what

terscheidet, wird nicht nur von diesen selbst so wahrgenommen: Krouzecky: „Gerade wenn wir von Fachbereichsbibliothek reden, denk ich jetzt nicht nur an die Bauingenieure, sondern auch an die Architekten, und da gibt’s viele Bildbände. Ich bin zwar kein Architekt, aber ich glaube, dass es für einen Architekten etwas anderes ist, einen Bildband durchzublättern oder denselben Inhalt am Monitor zu sehen.“ Von den Bauingenieuren werden spontan digital verfügbare Medien wegen der Zugänglichkeit rund um die Uhr präferiert; diese Aussage wird jedoch gleich im nächsten Satz relativiert – nicht nur im Hinblick auf die Bedürfnisse der Architektenkollegen: Eberhardsteiner und Krouzecky: „In einer idealen Bibliothek ist alles digital verfügbar. Das ist der bequemste Zugang. Jeder kann nach seinen Bedürfnissen zu jedem Tageszeitpunkt von seinem Arbeitsplatz aus Bibliotheksdienste in Anspruch nehmen.“ – „Alles ist jederzeit verfügbar.“ Krouzecky: „Ich hätte schon gern die Möglichkeit, dass man sich wohin setzt und ein Buch aus dem Archiv2 entlehnt.“ Personelle Ausstattung „Dass dann die Betreuung dieser Bibliothek durch eine eigene qualifizierte Fachkraft unerlässlich sein wird, bedarf keiner besonderen Erwähnung“, meinte seinerzeit Rudolf Wurzer.3 Hat diese Aussage angesichts der Veränderungen im Bibliotheksbereich noch Bestand? Und hatte Wurzer mit „Fach“ eigentlich die bibliothekarische Expertise oder die wissenschaftliche Disziplin gemeint? Das Bibliothekspersonal wird in beratender Funktion gesehen, die Betreuung der Leserinnen und Leser wird jedenfalls gegenüber der Administration der Bibliothek in den Vordergrund gestellt: Semsroth: „Dass derjenige oder diejenige, die die Bibliothek betreut, helfen kann, Zeitschriften oder Bücher vorzuschlagen, in der die gesuchten Dinge enthalten

Abbildung 54: Klaus Semsroth, ehem. Dekan der Fakultät für Architektur und Raumplanung Figure 54: Klaus Semsroth, former Dean of the Faculty for Architecture and Planning

did Wurzer mean by “qualified” – a librarian’s expertise, or the scientific discipline? The role of library staff is increasingly seen as being a consulting function; in any case, reader support is emphasised over library administration: Semsroth: “Search support is especially important in my opinion, that the person taking care of the library can help by recommending journals or books about what one is looking for.” Dobre: “If someone has special questions about the collections, people with an expertise in the field, people with a background knowledge – sort of like library tutors – should support searches.” This service, according to the interviewees’ opinion, would not necessarily need to be offered continuously, but regularly, e.g. twice a week for two hours for each discipline. Haider: “When you need someone, there should be someone you can ask.” Scheuvens: “A working library needs employees who know about library issues. Librarians: it doesn’t work without them. For the maintenance and expansion of the collections, […] there should be someone who is actively involved. I don’t think it would be enough to just organise the books.” – “This requires a librarian who

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sind; Rechercheunterstützung halte ich für besonders wichtig.“ Dobre: „Wenn man spezielle Fragen zum Bestand hat sollten […] Personen, die sich mit Bereichen auskennen, Empfehlungen geben können. Personen, die sich mit dem Bestand auskennen, Hintergrundwissen haben – quasi Bibliothekstutoren – könnten die Recherche unterstützen.“ Diese Betreuung muss nach Meinung der Befragten nicht durchgehend, aber regelmäßig zur Verfügung stehen, z. B. zweimal wöchentlich für zwei Stunden je Fachbereich. Haider: „Wenn man jemanden braucht, sollte jemand da sein, den man fragen kann.“ Scheuvens: „Jede funktionierende Bibliothek benötigt Mitarbeiter, die sich in Bibliotheksfragen auskennen – Bibliothekare, ohne die funktioniert es ja nicht. Es geht um die Pflege und den Ausbau der Bestände, […] da muss jemand da sein, der aktiv damit befasst ist. Nur das Verwalten der Bücher wäre mir zu wenig.“ – „Das erfordert, dass die Bibliothekarin, der Bibliothekar im Arbeitsfeld Architektur und der Raumplanung auch ein wenig ,zu Hause‘ ist. Das wäre schon toll.“ Besonders die im letzten Statement geäußerten Wünsche gehen wohl noch über die Formulierung im UOG 1975 „ausreichende Kenntnisse auf den von der betreffenden Fachbibliothek betreuten Gebieten der Wissenschaft“ hinaus; imaginiert wird hier ein „Professorenbibliothekar“ alten Musters, besonders von jenen, die gedruckte Materialien bevorzugen.

is also a little ‘at home’ in the fields of architecture and spatial planning. That would really be great.” In particular, the wishes voiced in the last statements probably go beyond the wording of UOG 1975, which calls for “sufficient knowledge in the scientific fields served by the respective library”. What is being envisioned here is the traditional specimen of a “librarian professor”, in particular by those who prefer printed materials. But the proponents of a digital library are also not prepared to completely forego the support of a living person, someone with content-related knowledge: Eberhardsteiner: “We need librarians with a connection to the discipline.” But they are more aware of how administration is inseparably connected with search support: Krouzecky: “I think the tasks and job profile of the librarian would change with a digital library.” Eberhardsteiner: “Digital libraries have the invaluable benefit of being able to use intelligent search functions. But this also needs expert support, as it is not as intuitive as one might imagine.” – “In a digital library, you also need organisation and structure, you need librarians. The library needs a user interface, the users need competent support, because it is easy to get lost in a jumble of data.” This takes us to the question of desirable services, like delegating research to the library for scientists, or training programmes for students.

Aber auch die Verfechter der digitalen Bibliothek wollen nicht gänzlich auf Unterstützung aus Fleisch und Blut und mit inhaltlichen Kenntnissen verzichten: Eberhardsteiner: „Wir brauchen Bibliothekare, die einen Bezug zum Fachgebiet haben.“ Von ihnen wird aber stärker wahrgenommen, wie die Verwaltung mit der Rechercheunterstützung untrennbar verwoben ist:

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The Library and Studying As teachers, our interview partners are disappointed with the literature research skills of their students: Scheuvens: “I am used to working with books. Sometimes it seems as though this is maybe no longer the case with some of the students today. The possibilities of searching the internet are too tempting. In more and

Krouzecky: „Ich glaube, dass sich die Aufgabenbereiche und das Anforderungsprofil an den Bibliothekar durch die digitale Bibliothek ändern würden.“ Eberhardsteiner: „Digitale Bibliotheken bieten den unschätzbaren Vorteil, intelligente Suchfunktionen einsetzen zu können. Dazu braucht es aber auch fachkundige Unterstützung, denn das ist nicht so intuitiv wie man glauben mag.“ – „Auch in einer digitalen Bibliothek braucht es Organisation und Struktur, braucht man Bibliothekare. Die Bibliothek braucht eine Benutzeroberfläche, die Benutzer brauchen fachkundige Unterstützung, denn in einem Wust von Daten geht man leicht verloren.“ Damit im Zusammenhang steht die Frage nach wünschenswerten Dienstleistungen wie etwa Delegation der Recherche an die Bibliothek für Wissenschaftler oder Schulungsangebote für Studierende. Bibliothek und Studium Als Lehrende sind unsere Interviewpartner von den Kompetenzen ihrer Studierenden bezüglich Literaturrecherche enttäuscht: Scheuvens: „Ich bin gewohnt, mit Büchern zu arbeiten. Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass dies heute bei einigen Studierenden nicht mehr der Fall ist. Zu verlockend sind die Möglichkeiten der Suche im Internet. So finden sich bei Seminararbeiten immer häufiger ausschließlich Quellenangaben, die mit www. beginnen [...]. Eine Entwicklung, die mich sehr beunruhigt.“ Krouzecky: „Literaturrecherchen von Studierenden enden meistens bei Google.“ Von Studierendenseite wird jedoch die Vermittlung entsprechender Kenntnisse als unzureichend wahrgenommen, umso mehr, als diese Kenntnisse dennoch Einfluss auf die Benotung haben: Dobre: „Die Kenntnisse über das wissenschaftliche Arbeiten kommen zu spät im Studium, es kommt zu wenig vor. Das merkt man einerseits daran, wie schwer sich die Studierenden dabei tun, und andererseits, wie die

more term papers, the cited sources all start with www. […] This is a development that I find very troubling.” Krouzecky: “Student literature research usually ends with Google.” However, students experience the teaching of relevant knowledge and skills as insufficient, even more so since this knowledge influences grades: Dobre: “Scientific method skills come too late in our studies, and there is too little of it – you can see that in how hard it is for students, and also in how teachers grade their work. The library could offer some support with user training, but it is also a curriculum problem. For the most part, you have to teach scientific methods to yourself, which is too much of a challenge.” Haider: “Library competence influenced grades when I studied, too. In terms of references, it was clear that a book counted for more than a link, […] and a link to a scientific journal would be graded differently than a link to Wikipedia. […] It was important to quote as many books as possible.” It is striking that architects and spatial planners tend to rashly associate “digital” with Google and Wikipedia, and seem to be too little aware of high-quality options. The civil engineers contrast this: Eberhardsteiner: “When the level of digitalisation is increased, you need to have suitable tools; digitalisation alone is not enough, you also need to know how to work with it. I rather think it would be the librarians’ task to develop tools, to offer courses and training.” While training in the digital field is clearly seen as the library’s task, it remains unclear where responsibility for other issues lies – with the library or the curriculum: Semsroth: “I think it is immensely important that introductions to scientific methods are available, so that students learn how to find information about literature. This is a basic precondition for scientific work.” Krouzecky: “For me, literature research is part of scientific work, and it is indeed increasingly being taught.

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Lehrenden die Arbeiten beurteilen. Die Bibliothek könnte hier mit Benutzerschulungen unterstützen, aber es ist auch ein Problem des Studienplans. Großteils muss man sich das wissenschaftliche Arbeiten selbst beibringen, und das ist überfordernd.“ Haider: „Die Bibliothekskompetenz hatte zu meiner Studienzeit schon Einfluss auf die Benotung. Bei den Quellenangaben war es schon so, dass ein Buch mehr zählte als ein Link, […] ein Link zu einer wissenschaftlichen Zeitschrift anders bewertet wurde, als ein Link zu Wikipedia. […] Es war wichtig, möglichst viele Buchquellen anzugeben.“ Hier fällt auf, dass v. a. Architekten/Architektinnen und Raumplaner/Raumplanerinnen „digital“ oft vorschnell mit Google und Wikipedia assoziieren und hochwertige digitale Angebote zu wenig wahrnehmen. Anders die Bauingenieure: Eberhardsteiner: „Wenn der Digitalisierungsgrad erhöht wird, dann muss man auch passende Werkzeuge haben. Digitalisieren alleine ist zu wenig, man muss auch damit umgehen können. Es wäre für mich dann schon auch Aufgabe von Bibliothekaren, Tools zu entwickeln, Schulungen und Trainings anzubieten.“ Während die Schulung im digitalen Bereich klar als Aufgabe der Bibliothek wahrgenommen wird, bleibt die Zuständigkeit – Bibliothek oder Verankerung im Studienplan? – ansonsten in der Schwebe: Semsroth: „Ich halte es für ganz wichtig, wenn Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten angeboten werden, damit die Studenten erfahren, wie man überhaupt zu Informationen über Literatur kommt. Das ist eine Grundvoraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten.“ Krouzecky: „Für mich ist die Recherche ein Teil des wissenschaftlichen Arbeitens, das ja zunehmend unterrichtet wird. Wissenschaftliches Arbeiten ist viel mehr als nur richtig zu zitieren, das sollte daher jeder Akademiker erlernen.“

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Scientific method is much more than simply quoting correctly, which is why every academic should learn it.” The Library and Research Most researchers conduct their own searches for literature, as this benefits the connection to their work and ensures the quality of the research: Scheuvens: “When doing research, it helps when you can draw on a well-stocked library. I do most searches myself. I don’t like to delegate, all the more because literature research is in itself an important part of the research.” Krouzecky: “I could delegate literature searches – I do sometimes, but reluctantly. I know that it is possible to search very thoroughly, or very badly. Students and staff would need support to learn how and where to search properly. You can’t always delegate searches, otherwise you would lose the connection to your work.” But there is also an awareness of the didactic potential of delegating to young academics: Eberhardsteiner: “I often delegate literature research to PhD students when it is about basics. It helps young researchers a lot in situating their own research in a larger context.” While lecture presentations, etc. are not regarded as a task of the library, they could still represent TU research in their own way: Semsroth: “Making the research performance of one’s institution visible is an important task. If the library would highlight published works more, this would be an additional service and publicity at the same time.” The Library and Professional Life We asked the young architect how the library competence she acquired during her studies contributed to her professional abilities, and whether the library continues to be useful:

Bibliothek und Forschung Die meisten Forschenden recherchieren selbst, da es den Bezug zur Arbeit fördert und um sich über die Qualität der Recherche sicher sein zu können: Scheuvens: „Um forschen zu können, ist es hilfreich, auf eine gut sortierte Bibliothek zugreifen zu können. Die Recherchetätigkeit erledige ich meist selbst. Ich delegiere nur ungern, zumal die Recherche selbst schon wichtiger Teil der Forschungstätigkeit ist.“ Krouzecky: „Literaturrecherchen könnte ich delegieren – ich mach’s manchmal, aber ungern. Ich weiß, wie gut oder schlecht man suchen kann. Studenten und Mitarbeiter bräuchten Unterstützung bei der Frage, wie und wo recherchiert man richtig. Die Recherche kann man nicht ständig delegieren, sonst fehlt einem der Bezug zur Arbeit.“ Aber auch das didaktische Potential der Delegation an den Nachwuchs wird wahrgenommen: Eberhardsteiner: „Ich delegiere immer wieder die Literaturrecherchearbeit an Dissertanten, wenn es um Grundlagen geht. Das hilft jungen Wissenschaftlern sehr, das von ihnen behandelte Forschungsthema einzuordnen.“ Während Fachvorträge u. Ä. nicht als Aufgabe der Bibliothek wahrgenommen werden, könnte sie dennoch auf ihre Art die Forschung der TU präsentieren: Semsroth: „Die Sichtbarmachung der Forschungsleistung der eigenen Institution ist eine wichtige Aufgabe. Wenn die Bibliothek die publizierten Werke besser sichtbar machen könnte, wäre das ein zusätzliches Service und Aushängeschild zugleich.“ Bibliothek und Praxis Der jungen Architektin haben wir die Frage gestellt, inwieweit die im Studium erworbene Bibliothekskompetenz zur Berufsfähigkeit beigetragen hat und ob die Bibliothek weiterhin von Nutzen ist:

Haider: “For me, as a practitioner, the TU main library is interesting, and I still continue to use it – I still have a membership card.” – “I work in an architecture office, and do private building projects in addition. I do searches in the online catalogue, and mostly use specialist literature.” – “Now that I am working, I look for information and literature that is far more detailed than what I searched for and used as a student.” – “The main library provides ample and largely adequate literature [on the subject of architecture].” The Library’s Image With the architects in particular, their wishes regarding the working atmosphere are closely linked to their professional self-image. Of course, practical considerations also play a role: Dobre: “The institute libraries are very different from each other, and many are unpleasant because of a lack of space.” – “The architectural design of a new specialised library is very important to me, it must be pleasant: well-lit, easy to find, airy, open spaces, large …” – “In the current situation, I am more or less happy with the main library; in the quiet areas, the quality is very good – the large, separate tables, for example.” – “As a learning environment, I don’t like the main library – it is too cramped and dark.” – “The perfect library is well-lit and quiet.” – “[…] One should like the place and be able to linger in the library. This includes break areas and communication zones … space is important.” In addition, the library working environment should also conform to sophisticated aesthetic criteria and project the image of the faculty and the TU through the its architecture: Semsroth: “It’s essential that the library has a central location. I can also imagine it as being no longer on the first floor, but on the top floor. After all, the university is thinking about raising the 4th floor of the central wing. That would be a unique chance to create a very special library, with open access ways, where

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Haider: „Für mich als Praktikerin ist die TU-Hauptbibliothek interessant und ich benutze sie auch nach wie vor – ich habe nach wie vor einen Entlehnausweis.“ – „Ich arbeite in einem Architekturbüro und betreue nebenbei private Bauprojekte. Ich suche im Online-Katalog und benütze vorwiegend Fachliteratur.“ – „Ich suche jetzt in der Praxis Information und Literatur, die viel mehr ins Detail gehen, als ich als Studentin gesucht und gebraucht habe.“ – „In der Hauptbibliothek ist [das Fach Architektur] mit Standardwerken ganz gut abgedeckt.“

the library has a reference area and you can borrow books, where you can read, but also where you can meet students and teachers having coffee, and chat with them about different issues. Yes, it would have to be a very special kind of architecture, an open, transparent library that is also flooded with light, as much as the books allow.”

Bibliotheksimage

Summarising the wishes and concepts expressed in the interviews, one thing becomes clear: No one, not even those who already prefer digital media in their daily work, questions the necessity of a library as a physical place. The traditional demands of a scientific library are still on the “wish lists”4: a comprehensive and specialised stock, a diverse array of analogue and digital media, easy access and availability, and competent expert support and user training by librarians, as literature research is still regarded as an essential part of the research process, the delegation of which has its limitations. In general, the library is understood as an institution that is open to all interested users. This, however, is one of the points where demands that go beyond the “traditional” uses of a library come to the fore, and which seem to be slightly contradictory. On the one hand, the library should still be a place of withdrawal and silence; on the other hand, it should be a meeting zone that encourages collaboration, informal communication, and networking, and (to a certain extent) even recreation – as a precondition of creativity. Concepts for a library as a “platform” for public relations activities go even further. The corresponding wishes regarding its design – light, friendly, and airy – tie into the concept that a Baubiblio­ thek is a statement, and represents the planning faculties and the TU in public to no small extent. We shall see whether the TU library as a service department and the TU as the developer will succeed in meeting these highly diverse wishes and requirements.

Die Wünsche an die Arbeitsatmosphäre sind besonders bei den Architekten eng mit ihrem professionellen Selbstverständnis verbunden. Natürlich spielen praktische Erwägungen eine Rolle: Dobre: „Die Institutsbibliotheken sind ganz unterschiedlich und viele sind aus Platzgründen unangenehm.“ – „Die architektonische Gestaltung einer neuen Fachbibliothek ist mir sehr wichtig, sie muss angenehm sein. Hell, leicht zu finden, groß, freie Flächen, großzügig, …“ – „In der derzeitigen Situation bin ich mit der Hauptbibliothek ganz zufrieden, für die leisen Bereiche finde ich die Qualität sehr gut - die großen abgetrennten Tische.“ – „Als Lernumgebung finde ich die Hauptbibliothek nicht gut - die ist zu eng und zu finster.“ – „Die optimale Bibliothek ist hell und ruhig.“ […] „dass man diesen Ort gerne aufsucht und man in dieser Bibliothek verweilen kann. Dazu gehören Pausenzonen, Kommunikationszonen … der Ort ist wichtig.“ Daneben soll die Arbeitsumgebung aber auch in besonderem Maße ästhetischen Kriterien genügen und das Image der Fakultät und der TU durch die Architektur der Bibliothek nach außen tragen: Semsroth: „Ganz wichtig ist, dass diese Bibliothek an einem zentralen Ort liegt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass das nicht im ersten Stock ist, sondern das Dachgeschoß ist. Es gibt ja Überlegungen, den 4. Stock des Mitteltraktes aufzustocken. Hier wäre dann eine ein-

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The Dream Library of the Planning Disciplines – A Portrait

malige Gelegenheit, eine Bibliothek der besonderen Art zu schaffen, mit offenen Zugängen, wo die Bibliothek sowohl eine Handbibliothek als auch eine Ausleihbi­ bliothek enthält, wo es Möglichkeiten gibt, zu lesen, und wo’s auch die Möglichkeit gibt, Studierende und Lehrende beim Kaffee zu treffen und mit ihnen über verschiedene Fragen zu sprechen. Ja, es müsste eine Architektur der besonderen Art sein, eine offene, transparente, soweit die Bücher es vertragen auch lichtdurchflutete Biblio­thek.“

In Lieu of an Epilogue “I think it would be fabulous if a good fairy would grant all this. Above all, [it would be] an invaluable benefit to future architects, spatial planners, and civil engineers.” We will allow this wish of former Dean Klaus Semsroth to stand for itself.

Die Wunschbibliothek der planenden Studienrichtungen – ein Porträt Fasst man die in den Interviews geäußerten Wünsche und Vorstellungen zusammen, so wird deutlich: Niemand, selbst jene nicht, die in ihrer täglichen Arbeit bereits digitale Medien bevorzugen, stellt die Notwendigkeit einer Bibliothek als physischem Ort infrage. Die klassischen Anforderungen an eine wissenschaftliche Bibliothek stehen nach wie vor auf den „Wunschzetteln“4: größtmögliche Vollständigkeit und Spezialisierung des Angebots, Vielfalt der analogen und digitalen Medien, gute Erreichbarkeit und Zugänglichkeit sowie kompetente Fachberatung und Schulung in der Benutzung durch Bibliothekarinnen und Bibliothekare, denn Literaturrecherche wird als ein wesentlicher Teil des Forschungsprozesses gesehen, der sich nur bedingt und eingeschränkt delegieren lässt. Die Bibliothek wird als eine prinzipiell für alle interessierten Nutzerinnen und Nutzer offene Institution verstanden. Unter anderem dadurch werden jedoch auch Anforderungen sichtbar, die über die „klassische“ Nutzung einer Bibliothek hinausgehen, und die einander scheinbar ein wenig widersprechen: So erscheint die Bibliothek etwa einerseits weiterhin als Ort des Rückzugs und der Stille, andererseits als Begegnungszone, die gemeinsames Arbeiten, informelle Kommunikation und Vernetzung, ja (bis zu einem gewissen Grad) auch Rekreation – als Voraussetzung von Kreativität – ermöglichen soll. Noch weiter gehen Vorstellungen von einer Bibliothek als „Plattform“ für Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit.

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Die damit korrespondieren Wünsche an die Ausgestaltung – hell, freundlich, großzügig soll sie sein – verbinden sich mit der Vorstellung, dass die Architektur einer „Baubibliothek“ ein Statement darstellt und in besonderem Ausmaß die Baufakultäten und die TU nach außen repräsentiert. Es wird sich zeigen, inwieweit es der TU-Bibliothek als Dienstleistungseinrichtung und der TU als Bauherrin gelingen kann, diesen vielfältigen Wünschen und Ansprüchen gerecht zu werden. Statt eines Schlusswortes „Wenn die Fee uns das erfüllen könnte, fände ich es toll und vor allem [wäre es] ein unermesslicher Gewinn für die angehenden Architekten, Raumplaner und Bauingenieure.“ Diesen Wunsch des ehemaligen Dekans Klaus Semsroth wollen wir für sich stehen lassen.

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Anmerkungen/Notes 1 Gerhard Fritz, Konzept für eine Architekturbibliothek an der TU Wien, Wien, 1999, 12. 2 In den Interviews wird der Begriff „Archiv“ mehrfach für das Bibliotheksmagazin verwendet. 3 Rudolf Wurzer, Vorwort, in: Katalog der Institutsbibliothek, hrsg. v. Institut für Städtebau, Raumplanung und Raumordnung Wien, 1969 [ohne Seitenangabe]. 4 Wir haben in den Interviews tatsächlich die Formulierung gebraucht: „Was würden Sie sich vom Christkind wünschen?“

VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN INDEX OF AUTHORS

Astrid Böck, Amtsrätin E040E – Fernleihe/Document Delivery Birgit Christine Bittner, Mag. phil. E0403 – Erwerbungsabteilung/Institutsdienst Doris Felder, Amtsrätin E040A – FB Chemie und Maschinenbau – CheMaB Peter Kubalek, Hofrat Mag. phil. Dr. phil., Bibliotheks­ direktor i. R. E040 – Universitätsbibliothek Friedrich Neumayer, Hofrat E040 – Universitätsbibliothek Gerhard Neustätter E0406 – Informationsabteilung Eva Ramminger, Mag. phil., Bibliotheksdirektorin E040 – Universitätsbibliothek Silvia Reisinger, Amtsdirektorin E0403 – Erwerbungsabteilung/Institutsdienst Helga Tschiedl, B. A. E040G – Bibliotheksabteilung Städtebau Anna Wieser, Amtsdirektorin E0405 – Katalogisierungsabteilung  

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren  | 111

BILDNACHWEIS PHOTO CREDITS

COVER © Universitätsbibliothek TU Wien VORWORT DER REKTORIN Foto S. Seidler: © Raimund Appel ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION: EINBLICKE IN DEN BIBLIOTHEKSALLTAG Auftaktbild: © TU Wien, Universitätsbibliothek DAS HAUS HINTER DER EULE: VON DER ANALOGEN ZUR ELEKTRONISCHEN BIBLIOTHEK Abb. 1, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 17: © TU Wien, Universitätsbibliothek; Abb. 2, 5: Foto: Günter Lenz; Abb. 3: © Foto Czabke; Abb. 7: Privat, P. Kubalek; Abb. 15: Privat; Abb. 16: © Gisela Erlacher „ICH LESE GERN!“ EIN BERUF ZWISCHEN KLISCHEE UND WIRKLICHKEIT Abb. 18, 20, 21, 23, 25, 26: Privat; Abb. 24: Mitteilungen des Österreichischen Dokumentationszentrums für Technik und Wirtschaft, Wien 1955; Abb. 19, 22, 27, 28: © Universitätsbibliothek TU Wien SUCHEN UND FINDEN: BIBLIOTHEKSKATALOGE ALS MITTLER ZWISCHEN BESTAND UND SUCHENDEN Auftaktbild: Cornelia Paril DER BIBLIOTHEKSKATALOG ALS VERSUCH EINER WISSENSORDNUNG Abb. 29, 30, 31, 34: Cornelia Paril; Abb. 32, 33: © Universitätsbibliothek TU Wien

AUS DEN SCHÄTZEN DER UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK: DIE SKIZZEN VON JOSEF KLIEBER Abb. 35, 37: © Universitätsbibliothek TU Wien; Abb. 36: Birgit Bittner DIE BIBLIOTHEK BARRIEREFREI Abb. 38, 39, 40, 41: Foto: Reiner Riedler DIE BIBLIOTHEK ALS REALER UND VIRTUELLER ORT Auftaktbild: Foto: © J. Braumann EINE VISION WIRD REALITÄT: DIE VIELEN SCHRITTE ZU EINER FACHBIBLIOTHEK FÜR CHEMIE UND MASCHINENBAU Abb. 42, 43: Foto: Karin Krims; 44, 45, 46: © Universitätsbibliothek TU Wien EINE VISION BLEIBT (VORERST) VISION: VON DER STUDIENRICHTUNGSBIBLIOTHEK ZUR BAUBIBLIOTHEK – GESCHICHTE EINER IDEE Abb. 47: © Peter Panholzer; Abb. 48: © Universitätsbibliothek TU Wien; Abb. 49: Foto: Silvia Albrecht TRAUM UND WIRKLICHKEIT: DIE „OPTIMALE“ FORSCHUNGSBIBLIOTHEK, AUFTAKTBILD Auftaktbild: © Universitätsbibliothek TU Chemnitz, Foto: Annett Kittner „WENN DIE FEE MIR DAS ERFÜLLEN KÖNNTE …“ DIE TRAUMBIBLIOTHEK DER PLANENDEN STUDIENRICHTUNGEN AN DER TU WIEN Abb. 50: © TU Wien, Foto: Johannes Zinner; Abb. 51, 52, 54: Privat; Abb. 53: © Foto Wilke

Bildnachweis  | 113

200 JAHRE FORSCHUNG UND LEHRE.

„Die Presse“ gratuliert der TU Wien zu ihrem 200-jährigen Jubiläum.