Der Krieg in den Köpfen: Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in der deutschen Krisenerfahrung zwischen Julirevolution und deutschem Krieg [1 ed.]
 9783428526550, 9783428126552

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Historische Forschungen Band 87

Der Krieg in den Köpfen Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in der deutschen Krisenerfahrung zwischen Julirevolution und deutschem Krieg

Von

Hilmar Sack

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HILMAR SACK

Der Krieg in den Köpfen

Historische Forschungen Band 87

Der Krieg in den Köpfen Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in der deutschen Krisenerfahrung zwischen Julirevolution und deutschem Krieg

Von Hilmar Sack

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Philosophische Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 978-3-428-12655-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Eine Forschungsarbeit über das Erinnern verführt dazu, an ihrem Ende selbst Rückschau zu halten. Damit verbindet sich aber zugleich die sehr schöne Aufgabe, all denen zu danken, ohne deren Rückhalt und Unterstützung diese Studie nicht zustande gekommen wäre. Meine Forschungen zur Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg haben eine längere Vorgeschichte und sie nahmen wegen beruflicher Verpflichtungen außerhalb der Wissenschaft mehr Zeit in Anspruch als geplant. Die Anfänge gehen bis 1998 zurück, dem Jahr des 150jährigen Jubiläums der deutschen Revolution und des 350jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens. Damals wurde in einem Seminar von Prof. Dr. Heinrich August Winkler an der Humboldt-Universität zu Berlin die Idee geboren. Das von der Thyssen-Stiftung geförderte Buchprojekt „Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik“ ermöglichte mir, die ersten Ergebnisse meiner Magisterarbeit zu publizieren. Meinem Doktorvater Professor Winkler danke ich sehr herzlich für seine Unterstützung, insbesondere für seine über die vielen Jahre währende Begeisterung für das Thema, die über jeden aufkommenden Zweifel hinwegtrug, und für die große Geduld. Prof. Dr. Wolfgang Hardtwig (Berlin) möchte ich für seine Bereitschaft danken, die Aufgabe des Zweitgutachters zu übernehmen. Die großzügige finanzielle Unterstützung durch die Graduiertenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung erlaubte es mir, zwischen 2001 und 2003 in Berlin, München und Wien Quellen zu sichten und auszuwerten. Prof. Dr. Gesine Schwan (Frankfurt/Oder) und Prof. Dr. Lothar Gall (Frankfurt/Main) danke ich für Ihre wohlwollende Begutachtung meines Forschungsprojektes bei der Bewerbung um dieses Stipendium. Alexander Schug, meinem Partner in der Vergangenheitsagentur Berlin, sowie allen Kolleginnen und Kollegen im Sekretariat der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, insbesondere den beiden Leitern Herrn MR Dr. Ferdinand Bitz und Herrn MR Reinhard Tegethoff, gebührt großer Dank für ihr Verständnis unvermeidlicher zeitlicher Einschränkungen. Inhaltliche Anregungen verdankt diese Arbeit Dr. Nikolaus Buschmann (Tübingen), Dr. Martin Wald (Berlin) und Johannes Niebuhr (Düsseldorf). Susanne Ibisch (Leipzig) kam die herausfordernde Aufgabe zu, im Eifer des Gefechts entstandene sprachliche Unebenheiten des Manuskripts zu glätten. Vielen Dank dafür! Für die große Gastfreundschaft bei meinen Rechercheaufenthalten in Berlin, München und Wien danke ich herzlich Friedrich Hügle, Verena Brenneisen und

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Vorwort

Dr. Constantin Hruschka sowie Dr. Sabine und Dr. Gregor Laaha. Ganz besonders möchte ich Dr. Jens Hacke (Hamburg/Berlin) danken. Er hat über den gesamten Zeitraum hinweg die Entstehung dieser Arbeit nicht nur mit großem fachlichem Rat begleitet, sondern zugleich stets freundschaftlich darauf insistiert, damit auch einmal fertig zu werden. In diesen Dank will ich all die hier ungenannt gebliebenen Freunde einbeziehen, nicht zuletzt für die schöne Zeit abseits der Geschichte. Ich widme diese Arbeit mit großer Dankbarkeit meinen Eltern, die es nie an der nötigen Unterstützung fehlen ließen – und meiner Frau Sabine. Sie war mir all die Jahre über die wichtigste Stütze und hatte damit bei weitem die schwerste Last zu tragen. Vor allen verdanke ich ihr aber das große Glück, dass das schöne „Leben ohne Diss“ auch in den letzten Jahren keineswegs nur ein gemeinsamer Zukunftstraum war . . . Berlin, im Dezember 2007

Hilmar Sack

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Theoretischer Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Forschungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg im Wandel vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens zwischen Reichsstaatsrecht, Nationalstaatsidee und deutschem Dualismus . . II. Die konkurrierenden Deutungsmuster der Epoche der Glaubenskämpfe . . . . 1. Sieg- und Niederlagenerzählungen in der groß- und kleindeutschen Geschichtsschreibung: „Triumph von 1629“ versus „Translatio nationis“ . . 2. Zeugen der Anklage: Das „Verbrechen“ an den Deutschen und die Erzählungen von Held und Antiheld im Dreißigjährigen Krieg . . . . . . . . . . . . C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Semantik der Krise – Der Dreißigjährige Krieg als Gegenstand von Revolutions- und Kriegserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reformation, Reich und Partikularismus – Das historische Erbe im deutschen Nations- und Revolutionsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reformation und Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reich und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der „bewaffnete Frieden“ und die Gewaltbereitschaft der Nation . . . . . . a) Der „Prinzipienkrieg“ und die deutschen Bürgerkriegsängste . . . . . . b) Bürgerlicher Bellizismus zwischen Revolutions- und Nationalkrieg . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und die deutsche Revolution . 1. 1648 – 1848: Ein vergessenes Jubiläum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 1648 als nationalpolitischer Mythos der Märzrevolution . . . . . . . . . . . . . a) „Wie Zenith und Nadir, wie Anfang und Ende“: Der Westfälische Frieden und die nationale Legitimationsstiftung der Revolution . . . . b) Vom Westfälischen zum „Frankfurter Frieden“ – Die Verfassungsdebatte der Paulskirche zum Verhältnis von Staat und Kirche . . . . . . . . 3. Jenseits der nationalen Einheitsrhetorik: Der Dreißigjährige Krieg und die inneren Konflikte der Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Westfälische Frieden als Gegenstand konfessioneller Polemik und konservativer Revolutionskritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 22 30 30 35 43 43 44 44 51 57 59 65 74 76 76 83 83 88 93 93

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Inhaltsverzeichnis b) Parlamentspartikularismus und der ideologische Grabenkampf zwischen konstitutionellem Liberalismus und radikalen Demokraten . . 4. Gescheiterte Revolution von unten – Das Aufbrechen des kleindeutschgroßdeutschen Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gescheiterte „Revolution von oben“: Die Unionspolitik Preußens . . . . . 6. Verfestigung der Argumentationsmuster und Ausblick bis zur Epoche der Einigungskriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und der innerdeutsche Krieg 1. Der „komplexe“ Krieg von 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vor der Schlacht von Königgrätz: Der Krieg als territorialer Macht- und als ideologischer Kulturkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kriegserwartung zwischen lokalisiertem Duell, enthegtem Bruderkrieg und Rassenkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Angst vor dem konfessionellen Bürgerkrieg und der Prinzipienkrieg von 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nach der Schlacht von Königgrätz: Siegerpathos und Niederlagenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der „dreißigtägige Krieg“ und die nationale Revolution . . . . . . . . . . b) 1866 – Ende des Dreißigjährigen Kriegs oder Beginn der protestantischen Reformation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 110 124 132 147 147 156 156 173 188 189 202

D. Schlussbetrachtung: Der Dreißigjährige Krieg als Trauma deutscher Zwietracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitgenössische Periodika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zeitgenössische Literatur und Quelleneditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln. Was ihr den Geist der Zeiten heißt, Das ist im Grund der Herren eigener Geist, In dem die Zeiten sich bespiegeln. Johann Wolfgang von Goethe, Faust I

A. Einleitung Der Dreißigjährige Krieg gehört zu den „historischen Grunderlebnissen“ der Deutschen, mehr noch: Er gilt als das deutsche „Urtrauma“ vor den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert. 1 Für den Soziologen Norbert Elias bedeutete er eine Katastrophe, die permanente Spuren im Habitus der Deutschen hinterließ. 2 Was ist damit gemeint? Bereits 1868 diagnostizierte der Literaturwissenschaftler Wolfgang Menzel als langfristige Konsequenz der Glaubenskämpfe, dass das „gräßliche Elend“ jener Epoche die Deutschen „zahm“ gemacht habe. Wenn sie nur wenigstens nicht mehr die Kriegsnöte litten, sondern nur in Frieden wieder ruhig arbeiten könnten, dann wären sie – so Menzel – mit jedem Herrn zufrieden, mochte er deutsch sein oder nicht. 3 Dieser Gehorsam gegenüber der bestehenden Obrigkeit – 1785 von dem Publizisten Friedrich Karl Moser als „große Triebfeder“ der deutschen Nation kritisiert – wird teilweise bis in die Gegenwart zu den gravierenden sozialen und psychologischen Folgen des Dreißigjährigen Krieges gezählt. Demnach neigten die Deutschen dazu, sich schnell der Gewalt einer autoritären Herrschaft zu beugen, wenn diese Schutz vor vergleichbaren Kriegsschrecken versprach. Die deutsche Angst vor Krieg und Gewalt, Anarchie und Aufruhr habe die meisten revolutionären Aufbrüche überlagert und noch im 19. Jahrhundert Forderungen nach größerer Beteiligung des Volkes an der Regierung unterlaufen, weil sie als Gefährdung der sozialen Ordnung begriffen worden seien. 4 1 Vgl. Schieder, Politisches Handeln, S. 5. Zuletzt hielt Johannes Burkhardt am 10. Januar 2006 an der Viadrina Universität Frankfurt/Oder einen Vortrag unter dem Titel „Der Dreißigjährige Krieg. Das deutsche Urtrauma?“. Eine Problematisierung des Begriffs „Urtrauma“ am Beispiel des Ersten Weltkrieges bei Davis, Experience, Identity, and Memory; Thoß, Die Zeit der Weltkriege; vgl. dazu auch Reimann, Der Erste Weltkrieg, S. 31. 2 Vgl. Elias, Studien über die Deutschen, S. 12. 3 Menzel, Unsere Grenzen, S. 156. August Gfrörer sprach bereits 1837 vom zerstörerischen Einfluss des Krieges auf den Charakter des deutschen Volkes, das als ein „Volk von Bedienten“ zurückgeblieben sei. Vgl. Gfrörer, Gustav Adolf, S. 1020; vgl. auch Biedermann, Deutschlands trübste Zeit. 4 Vgl. Craig, Über die Deutschen, S. 22 –28 (hier das Zitat von Friedrich Karl Moser, S. 28); Schmidt, Reich und Nation, S. 74; auch Koshar, From monuments to traces, S. 147. Vgl. aus psychologiehistorischer Sicht Spoeck, Geschichte der Psychologie.

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A. Einleitung

Trotz der Beachtung, die der Dreißigjährige Krieg seit jeher in der Geschichtswissenschaft gefunden hat, und trotz der ihm beigemessenen tiefgreifenden wie langfristigen Folgen gibt es bisher kaum Studien, die den Einfluss der Erinnerung an dieses Schlüsselereignis auf das politische Denken und Handeln quellennah untersucht haben. Zwar finden sich in Überblicksdarstellungen und Einzeluntersuchungen zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vereinzelte, die Ausführungen dabei zumeist auch eindrücklich illustrierende Hinweise auf die Rezeption des Krieges in politischen Debatten. 5 Eine systematische Darstellung und Analyse steht aber noch aus. Die Ergebnisse einer Vielzahl von Studien, die sich in den letzten Jahren der Historiographie zum Dreißigjährigen Krieg und dessen Widerhall in Belletristik, bildender Kunst und Festkultur widmeten, lassen zumindest die Ausgangsüberlegung zu, dass die Epoche der Glaubenskämpfe ein wesentliches Element im Kanon der historischen Ereignisse war, auf die sich Deutsche im 19. Jahrhundert bezogen. 6 Das 17. Jahrhundert war für sie keine abgeschlossene, identitätsneutrale Geschichte, sie erkannten im Gegenteil einen „inneren Zusammenhang“ zwischen dieser Vergangenheit und den Herausforderungen der Gegenwart. 7 Deshalb ist es erstaunlich, dass wir noch immer viel zu wenig über den Nachhall dieses Krieges im kollektiven Gedächtnis späterer Epochen und Generationen wissen, wie auch der Historiker Bernd Schönemann betont: „Wie verstanden es die Deutschen als nationale Großgruppe, die ja – anders als Individuen – über keinerlei neuronale Apparatur zur Speicherung ihrer gemeinsamen Erinnerung verfügten und verfügen, die Vergangenheit des Dreißigjährigen Krieges mehr als 200 Jahre nach seinem Ende in den Horizont der Gegenwart hereinzuholen und dort lebendig zu halten?“ 8 Hier setzt die vorliegende Untersuchung an, indem sie für das 19. Jahrhundert danach fragt, mit welchen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern der Dreißigjährige Krieg in politischen Diskursen erfasst wurde. Auf diachroner Ebene sollen Kontinuität und Wandel in der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg nachgezeichnet und dabei Brüche sowie historische Wendepunkte aufgezeigt werden, die Konjunkturen ebenso wie Latenzphasen der politisch motivierten Erinnerung 5 Vgl. u. a. W. Mommsen, Größe und Versagen, S. 169. W. E. Becker, Zeit der Revolution, S. 266. Hirschmann, Kulturkampf, S. 35; Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 128, 178; Schivelbusch, Kultur der Niederlage, S. 437, Anm. 157. Hervorzuheben sind die Arbeiten des Tübinger Historikers Nikolaus Buschmann, der wichtige Hinweise auf die Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges als Katastrophe im Kriegsdiskurs zwischen 1850 und 1871 gibt. Vgl. v. a. Buschmann, Einkreisung. 6 Vgl. zur Literatur Anm. 26. 7 Ein Erinnerungstag, in: Kölnische Zeitung, 29. Oktober 1848. 8 Vgl. Schönemann, Zur Rezeption des Dreißigjährigen Krieges, S. 7 f. Christoph Spoeck kritisiert, dass kein Zeitraum der frühneuzeitlichen deutschen und europäischen Geschichte so sehr mit umfassender Vergangenheitsbedeutung aufgeladen und doch zugleich so wenig unter neuen historiographischen Fragestellungen untersucht worden sei wie der Dreißigjährige Krieg; vgl. Spoeck, Geschichte der Psychologie, S. 200.

A. Einleitung

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beeinflusst haben. Auf synchroner Ebene geht es um die Analyse einer facettenreichen Deutungslandschaft mit der Konkurrenz von Geschichtsbildern, die im politisch-ideologischen Kampf Bedeutung erlangen konnten. Der Fokus liegt dabei auf der deutschen Krisenerfahrung zwischen der französischen Julirevolution 1830 und den Einigungskriegen von 1866/71, denn in Zeiten des Umbruchs besteht jeweils ein erhöhtes Bedürfnis nach historischer Orientierung und Selbstvergewisserung. Versteht man Krise als Ausdruck für die Erfahrung einer neuen Zeit, dann ist die Relevanz der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg sowohl für die Interpretation ihrer Ursprünge als auch für die Beschreibung von Zukunftshoffnungen und -ängsten zu untersuchen. 9 Eine Leitfrage meiner Forschungen lautet daher, in welche Sinn- und Wirkungszusammenhänge die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges mit den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart einerseits und mit den Handlungsoptionen der umkämpften Zukunftsentwürfe andererseits gebracht wurde. Untersucht werden hier Prozesse der Meinungsbildung in einer publizistischen und parlamentarischen Öffentlichkeit, die Konzentration liegt also auf den sogenannten Sinnproduzenten, das heißt einer gesellschaftlichen Elite überwiegend bildungsbürgerlicher und feudaladliger Herkunft. Damit wird die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg lediglich in einem Öffentlichkeitssegment erfasst; es soll hier nicht versucht werden, die Breiten- und soziale Tiefenwirkung der Deutungsmuster aufzuspüren. Auch wenn der Historiker die Folgen der politischen Instrumentalisierung von Geschichtsbildern unter den Vorbehalt der Wirkungsvermutung zu stellen hat, weil ein Beweis wissenschaftlich nicht zu erbringen ist, lässt der Erwartungshorizont von Akteur und Rezipient zumindest gewisse Rückschlüsse zu. Alles andere hieße, die Akteure und ihre Interessen im politischen Meinungskampf nicht ernst zu nehmen und das politische Kalkül bei der Inanspruchnahme von Geschichte für Gegenwartszwecke zu missachten. Denn wer Geschichte als Argument in den politischen Diskurs einführte, war auf die Wirkung seiner Worte bedacht. Den größten Erfolg bei den jeweiligen Rezipienten verspricht aber immer jene Argumentation, so der Historiker Frank Becker treffend, die ohnehin am stärksten verbreitet ist. 10 Mit Blick auf historische Rekurse, die im Zentrum dieser Forschungsarbeit stehen, hat Karl Georg Faber bereits früher festgestellt, dass deren Wirkung primär von der Plausibilität im Licht des normativen Erwartungshorizonts der Adressaten abhängig ist und nicht von der Richtigkeit und Angemessenheit des eingesetzten Wissens. 11 Gleiches gilt für die auf emotionale Wirkung zielende 9

Vgl. Koselleck, Krise. Für Frank Becker ist daher zwar die Annahme, dass die in der Öffentlichkeit zirkulierenden Deutungsmuster mit den mentalen Dispositionen der Menschen übereinstimmen, nicht zu beweisen, aber doch immerhin zu einer großen Evidenz zu bringen; vgl. F. Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 23. Vgl. dazu auch Buschmann, „Moderne Versimpelung“, S. 100 ff. 11 Vgl. Faber, Instrumentalisierung, S. 310 f. 10

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A. Einleitung

Instrumentalisierung historischer Erfahrungen. Mit Blick auf den Deutungskampf unter den Repräsentanten der veröffentlichten Meinung lassen sich so zumindest annäherungsweise tatsächliche Vorstellungen erfassen, auch wenn natürlich von der veröffentlichten nicht unmittelbar auf die öffentliche Meinung geschlossen werden darf. Diese ideengeschichtlich an Schnittstellen von Religions-, Revolutions- und Kriegsdiskursen angesiedelte Studie ist ein Beitrag zur nationalen Geschichtskultur im 19. Jahrhundert. 12 Ihr Untersuchungsgegenstand bedeutet für die Erforschung identitätsbildender Geschichtskonstruktionen innerhalb der historischen Kulturwissenschaft eine Erweiterung gängiger Schwerpunkte. Denn während bisher insbesondere die Mittelalterrezeption und die Generierung nationaler Heldenbilder im Zentrum standen, wird hier der Umgang mit einer Negativgeschichte der frühen Neuzeit untersucht. 13 Der Richtungswechsel im Forschungsinteresse der Historiker, mit dem das Augenmerk nicht mehr allein auf der Geschichte ruht, wie sie sich vollzogen hat, sondern zugleich wie sie rezipiert und interpretiert wurde, machte das Gedächtnis zu einem zentralen Gegenstand der historischen Forschung. Diese kulturalistische Perspektivverschiebung der Geschichtswissenschaft führte bis heute zu einer quasibabylonischen Begriffsverwirrung mit einer Vielzahl von Theorieangeboten und Konzepten, die sich oft wechselseitig aufeinander beziehen und sich daher zumeist nur schwer klar voneinander absetzen lassen. 14 Diese Arbeit greift im Wesentlichen auf Analysekategorien der Forschungen zur Erinnerungskultur, zum politischen Mythos und zur Geschichtspolitik zurück, deren Fragestellungen als engerer theoretischer Bezugsrahmen im Folgenden zunächst skizziert und dann in Erläuterung des Forschungsprogramms auf das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit bezogen werden.

12 Vgl. Hardtwig, Geschichtskultur; ders. / Wehler (Hg.), Kulturgeschichte heute; Füßmann/Grütter/Rüsen (Hg.), Historische Faszination. 13 Vgl. als Auswahl der umfangreichen Literatur zur Mittelalterrezeption die neueren Studien: Althoff (Hg.), Die Deutschen und ihr Mittelalter; Berg, Heldenbilder und Gegensätze; Leerhoff, „Des Reiches Herrlichkeit“; Gollwitzer, Kaiserpolitik (Diese Studie liefert am Beispiel des Einflusses des sog. Sybel-Ficker-Streits auf die Adressdebatte des Reichstags vom 30. März 187l einen interessanten Ansatz, wie Erträge historiographischer Mittelalterrezeption in die politische Debatte eindrangen). Für die Forschung zur Generierung von nationalen Heldenbildern vgl. v. a. Dörner, Politischer Mythos. 14 Vgl. als Auswahl Kohlstruck, Erinnerungspolitik; Frei, Vergangenheitspolitik; Cornelißen, Was heißt Erinnerungskultur; Weidenfeld (Hg.), Geschichtsbewusstsein; Pandel/ Borries/Rüsen (Hg.), Geschichtsbewußtsein; Reichel, Politik mit der Erinnerung; König/ Kohlstruck/Wöll (Hg.), Vergangenheitsbewältigung.

I. Theoretischer Bezugsrahmen

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I. Theoretischer Bezugsrahmen Ein zentraler Anknüpfungspunkt der modernen Gedächtnisforschung ist die theoretische Grundlagenarbeit von Maurice Halbwachs, der die Vergangenheit als eine kulturelle Schöpfung auffasste, die erst dadurch entstehe, dass man sich auf sie bezieht. 15 1925 betonte der französische Soziologe die sozialen Bezugsrahmen, ohne die sich kein individuelles Gedächtnis konstituieren und erhalten könne. Die Individuen erinnern sich demnach zwar an ihre eigene Geschichte, das Erinnern unterliegt aber gesellschaftlichen Wahrnehmungsrahmen (cadres sociaux), die Menschen der gleichen Gruppe gemeinsam teilen. Erinnerung entsteht durch Kommunikation und bezieht nicht nur die selbst gemachten, sondern auch die von anderen mitgeteilten Erfahrungen ein. So besteht zwischen individuellem und kollektivem Gedächtnis eine enge Bindung. Letzteres definiert Halbwachs als den Gesamtbestand von Erinnerungen, die eine Gesellschaft in jeder Epoche mit ihren gegenwärtigen Bezugsrahmen rekonstruieren könne. 16 Der Ägyptologe Jan Assmann entwickelte darauf aufbauend eine für die vorliegende Arbeit instruktive Theorie zum kollektiven Gedächtnis. Mit den Begriffen des „kommunikativen“ und „kulturellen“ Gedächtnisses kontrastiert er zwei wesentlich voneinander zu unterscheidende Erinnerungsformen. Das kommunikative Gedächtnis ziele auf einen Erinnerungsraum aus persönlich erlebter Vergangenheit und aus Kenntnissen, die sich in der Kommunikation mit Zeitgenossen angeeignet werden. Das kulturelle Gedächtnis richte sich dagegen auf Fixpunkte bzw. „schicksalhafte Ereignisse“ in einer ‚absoluten‘ Vergangenheit. Diese Erinnerung sei gestiftet und geformt, ihre Pflege obliege Spezialisten. Das kollektive Gedächtnis rekonstruiert aber – Jan Assmann folgend – nicht nur die Vergangenheit, sondern es organisiert auch die Erfahrung von Gegenwart und Zukunft, ist also Teil der Sinnstiftung einer Gesellschaft. 17 Hier greift das Modell der „Lieux de Memoire“ von Pierre Nora, das neben dem sozial-konstruktivistischen Ansatz von Halbwachs wesentlich die Auseinandersetzung mit der erinnerten Vergangenheit anregte. 18 An die Stelle eines ‚lebendigen‘ Gedächtnisses sieht Nora „Erinnerungsorte“ treten, die sich als kulturelle Kristallisationspunkte historischer Erfahrung im kollektiven Gedächtnis ablagern und 15

Vgl. J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 31. Vgl. Halbwachs, Gedächtnis und seine sozialen Kategorien; vgl. auch Welzer (Hg.), Das soziale Gedächtnis. 17 Vgl. J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Siehe auch A. Assmann, Erinnerungsräume; dies./Harth (Hg.), Mnemosyne. 18 Vgl. Nora (Hg.), Les lieux de memoire; ders., Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Vgl. auch LeGoff, Geschichte und Gedächtnis. Vgl. zu den Theorien von Nora und Halbwachs Grosse-Kracht, Gedächtnis und Geschichte. Vgl. zu deutschen Erinnerungsorten Francois/Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte; Carcenac-Lecomte u. a. (Hg.), Steinbruch. 16

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A. Einleitung

auf das historische Selbstverständnis einer Gesellschaft verweisen. Vergangenheit, die sich als gegenwartsfundierende Geschichte verfestigt und verinnerlicht, bildet den Stoff für historische Mythen. Als wesentliche Bestandteile des kulturellen Gedächtnisses generieren diese nicht zu hinterfragenden Narrative, die meist ikonisch verdichtet und rituell inszeniert sind, spezielle Gruppenidentitäten. Sie konzentrieren Loyalitäten, reduzieren Komplexität und Kontingenz, während sie gleichzeitig als Projektionsfläche für Zukunftserwartungen fungieren. 19 Indem Erinnerung stets an die Gegenwart gebunden, die Deutung von Geschichte also zeitimmanent und kontextabhängig ist, sind divergierende Interpretationen möglich, um historischen Ereignissen Sinn zu verleihen. Damit treten unterschiedliche Geschichtsbilder in Konkurrenz zueinander. Da diese aber auf das gesellschaftliche Selbstverständnis zielen, erwächst dem Streit um die historische Deutungshoheit eine eminente politische Dimension. Beim „Griff nach der Deutungsmacht“ geht es immer auch um die politische Diskurshegemonie. Der politische Kampf wird zum Geschichtskampf, die Deutung von Vergangenheit zur Geschichtspolitik. „Alle Geschichte ist eine Geschichte von Kämpfen um die Deutung von Geschichte“, brachte Heinrich August Winkler den geschichtspolitischen Forschungsansatz auf eine prägnante Formel, mit dem die politischen Aspekte der Geschichtskultur betont werden. 20 Der Historiker Edgar Wolfrum, der maßgeblich den im ‚Historikerstreit‘ geprägten Terminus „Geschichtspolitik“ zu einem eigenständigen Theorieansatz entwickelte, versteht darunter die Untersuchung des Handlungsund Politikfeldes, „auf dem verschiedene politische Akteure die Vergangenheit mit bestimmten Interessen befrachten und in der Öffentlichkeit um Zustimmung ringen“. 21 Der Blick richtet sich dabei weniger auf das mythisch verdichtete und verinnerlichte Ereignis als vielmehr auf die Akteure des Deutungskampfes, die

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Neben Geschichtsmythen traten im 19. Jahrhundert auch in die Zukunft gerichtete politische Mythen, in denen die Erwartung die Funktion historischer Erinnerung übernimmt und deren prominentestes Beispiel der Revolutionsmythos ist. Vgl. dazu Speth, Nation und Revolution. Vgl. zur Mythenforschung v. a. Bohrer (Hg.), Mythos und Moderne; Dörner, Politischer Mythos; ders., Politische Integration; Münkler, Politische Mythen; ders., Siegfried – Hermann – Barbarossa; ders. / Storch, Siegfrieden; Wülfing/Bruns/Parr (Hg.), Historische Mythologie; Berding (Hg.), Mythos und Nation; Bizeul, Politische Mythen. 20 Winkler (Hg.), Griff nach der Deutungsmacht, S. 7. 21 Wolfrum, Phasen und Kontroversen, S. 4 f.; ders., Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland; ders., Geschichte als Politikum; ders., Geschichte als Waffe; ders. / Bock (Hg.), Umkämpfte Vergangenheit; Fröhlich/Heinrich (Hg.), Geschichtspolitik. Vgl. auch Steinbach, Zur Geschichtspolitik; das Themenheft „Geschichtsbilder und Geschichtspolitik“ von Geschichte und Gesellschaft, 24. Jg. (1998), Heft 3; und die Tagungen des AK Politik und Geschichte im DVPW. Vgl. zum Begriff Geschichtspolitik im Historikerstreit Meier, Eröffnungsrede; Winkler, Hitlers Schatten.

I. Theoretischer Bezugsrahmen

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die Mobilisierungs- und Integrationskraft der kollektiven Vorstellungen, Denkund Weltbilder in den Dienst ihrer politischen Interessen stellten. Die von Karl Georg Faber bereits in den 1970er Jahren entwickelten analytischen Kategorien der Instrumentalisierung historischen Wissens in politischen Debatten sind für diese Untersuchung von besonderer Relevanz. Faber unterschied erstens Geschichte als Beispielsammlung, das heißt den Hinweis auf empirisch zu verifizierende Tatbestände; zweitens geschichtsphilosophische Argumente, also Geschichte als Sinn- und Wirkungszusammenhang, und drittens Geschichte als Argument im Sinne einer zweckrationalen oder normativen Berufung auf die Vergangenheit, die zum Anschauungsmaterial wird, um daraus im Verständnis der historia als magistra vitae politische Lehren zu ziehen. 22 Der Ansatz der geschichtspolitischen Forschung, mit dem nach Funktion, Intention und Wirkung von Geschichtsdeutungen im Prozess der Meinungsbildung gefragt wird, kann auf alle Gesellschaften angewandt werden, bei denen eine pluralistisch verfasste politische Öffentlichkeit den Wettstreit historischer Interpretationen zulässt. Er lässt sich also nicht etwa nur auf Demokratien beziehen, wie Wolfrum seinerseits strikt fordert, sondern ist auch auf frühere Epochen anwendbar. Während der Epoche der deutschen Nationalstaatsfindung im 19. Jahrhundert jedenfalls war Geschichtspolitik ein konstitutives Element der politischen Kultur. 23 So wie der politische Diskurs auf Geschichte als Begründungsinstanz nicht verzichten konnte, war auch das Selbstverständnis vieler Historiker keineswegs rein akademisch. Eine politisch engagierte Geschichtswissenschaft, deren prominenteste Vertreter zum Kreis der öffentlichen Meinungsführer zählten, nahm an der nationalen Sinnstiftung aktiv Anteil. Für das 19. Jahrhundert werden daher historiographische Kontroversen zwingend zum Gegenstand einer geschichtspolitischen Forschung. Diese richtet ihren Blick jedoch über die „Höhenkammliteratur“ hinaus wesentlich auf den außerwissenschaftlichen Raum, denn gerade politische Eliten geben nachhaltig Impulse auf die öffentlich zirkulierenden Geschichtsbilder, die erst in politischen Debatten Breitenwirkung entfalten. 24 Auf das Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Politik ist bereits früher verwiesen worden. 25 Während der Historiker die geschichtlichen Prozesse und Ereignisse multiperspektivisch zu erfassen sucht, ist die Politik vornehmlich auf die Wirkung historischer Abbreviaturen bedacht. Diese Verkürzungen prägten die Instrumentalisierung von Geschichte innerhalb politischer Debatten: Geschichtserzählungen werden auf prägnante Kernbotschaften verdichtet und von Historikern 22

Vgl. Faber, Instrumentalisierung. Vgl. gegenüber der Dominanz geschichtspolitischer Untersuchungen zur jüngsten Vergangenheit die Studien zum 19. Jahrhundert im Sammelband Winkler (Hg.), Griff nach der Deutungsmacht. 24 Wolfrum, Geschichte als Politikum, S. 390. 25 Vgl. Faber, Instrumentalisierung. 23

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A. Einleitung

geformte Geschichtsbilder zur viel beschworenen Waffe gegen innere und äußere Gegner rhetorisch zugespitzt.

II. Forschungsprogramm Die vorliegende Studie beleuchtet den Dreißigjährigen Krieg als „Ankerpunkt“ (Pierre Nora) der deutschen Gedächtnisgemeinschaft im 19. Jahrhundert auf zwei Ebenen. Untersucht wird zunächst seine Rezeption als ein eigenständiger Erinnerungsdiskurs mit einer Vielzahl von Ausdrucksformen in unterschiedlichen Medien, der dann als Gegenstand in handlungsleitenden politischen Diskussionen betrachtet wird. Beide Analyseebenen, einerseits das wissenschaftlich fundierte und ästhetisch vermittelte Gedächtnis sowie das weitgehend machtgestützte und rituell inszenierte Gedenken, und andererseits die diskursive, im Fluss befindliche und damit stets veränderliche Erinnerungspraxis der politischen Debatten, dürfen nicht als voneinander abgegrenzte Bereiche missverstanden werden, sondern sie sind wechselseitig aufeinander bezogen, bedingten einander und konturieren gemeinsam die Geschichtspolitik. Mit der Fragestellung der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges als einem historischen Argument in der politischen Debatte setzt diese Arbeit dezidiert einen anderen Schwerpunkt als bisherige Studien, die erstens mit reichs- und staatsrechtlichen Fragestellungen eine stärkere Gewichtung auf die Rezeption des Westfälischen Friedens legten und sich zweitens auf die festliche Erinnerungspflege in Friedensfeiern, die Historiographie zum Dreißigjährigen Krieg sowie dessen literarische Verarbeitung und Vermittlung in der bildenden Kunst von der Malerei bis zum Denkmal konzentrierten. 26 Die umfangreichen Forschungserträge dieser Untersuchungen, die maßgeblich vom 350jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens 1998 veranlasst wurden, bilden in einem ersten einführenden Abschnitt die Grundlage für die Rekonstruktion der kursierenden Deutungsmuster. Hier wird in Grundzügen zunächst die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und den Westfälischen Frieden von 1648 über die Zeitenwende um 1800 bis in die Anfänge des Untersuchungszeitraums nachgezeichnet. Welche Axiome des Vergangenheitsbezugs sind epochenübergreifend auszumachen? Wie wirkten sich regionale Bindungen und konfessionelle Prägungen auf die Erinnerung aus? Welche Folgen hatte die tiefe politische Zäsur, die mit dem Untergang des alten Reiches einherging, für die Tradierung des historischen Ereignisses vom kommunikativen in das kulturelle Gedächtnis? Schließlich: 26 Vgl. v. a. die Beiträge in den Sammelbänden Bußmann/Schilling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa; Duchhardt (Hg.), Der Westfälische Friede; Hey (Hg.), Der Westfälische Frieden; Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede. Außerdem: W. Becker, Der Westfälische Friede; Burkhardt, „Das größte Friedenswerk der Neuzeit“; Link, Die Bedeutung des Westfälischen Friedens.

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welchen Einfluss hatte der fundamentale Wandel in den gesellschaftlichen Orientierungsmustern durch den Auftrieb der modernen Nationsidee seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts? Dieser soziale Bezugsrahmen des Vorstellungs- und Erinnerungshorizonts war zu berücksichtigen, um daran anschließend die zentralen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster des Dreißigjährigen Krieges herauszuarbeiten. Hier war insbesondere von Interesse, wie sich Loyalitätskonflikte durch überschneidende Bindungen auf die Erinnerung auswirkten. Auf dieser Untersuchungsebene werden diejenigen Erzählungen erfasst, mit denen durch ein spezifisch gefärbtes Vergangenheitsbild Identität begründet oder gestärkt werden sollte. Hier wird – im doppelten Wortsinn – die geteilte Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg beleuchtet. Denn dieser erste Abschnitt sucht einerseits nach dem Deutungskonsens, der die gesellschaftlichen Fragmentierungen partiell zu überlagern vermochte und damit als anerkannter Mythos einen gemeinsamen Erfahrungsraum konturierte. Andererseits zeigt er die konkurrierenden Lesarten, die auf Teilidentitäten innerhalb der Gesellschaft verweisen und – meist als diffamierende Schuldzuweisung – danach strebten, den jeweiligen politischen Gegner auszugrenzen. Diese vertieften die gesellschaftlichen Gräben und verschärften damit die binnennationalen Konflikte. Um das breite Spektrum von Deutungsangeboten aufzuzeigen, sind hier erinnerungskulturelle, das heißt wissenschaftliche, künstlerische, kirchliche und politische Diskurse miteinander verzahnt. In der Quellenanalyse richtet sich das Augenmerk auf wiederkehrende Schlüsselbegriffe und Argumentationsfiguren, aber auch auf die Häufung und Dominanz bestimmter Interpretationsschemata. Dies gibt Aufschluss darüber, welche Kenntnisse über den Dreißigjährigen Krieg in den politischen Diskussionen vorausgesetzt wurden – mit anderen Worten: was über den Krieg gesagt werden konnte, aber auch, was erinnert werden sollte und durfte. Denn der zu untersuchende Deutungskampf zum Dreißigjährigen Krieg muss als Auseinandersetzung um die Selektion im historischen Wissensbestand der Nation begriffen werden, also zugleich um das Verdrängen und Vergessen. Mit der Indienstnahme von Geschichte in der politischen Öffentlichkeit, die im Zentrum des zweiten Abschnitts steht, sollte mobilisiert, politisiert und legitimiert werden. Daher lauten dessen zentrale Fragestellungen: Wer hat die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges als Argument, wie und mit welchem Kalkül in die politische Debatte eingebracht? Welche Reaktionen provozierte sie und welche Grenzen waren ihrer Wirksamkeit gesetzt? Die Orientierungsfunktion historischer Narrative wird mit der Herausforderung durch Gegenmythen gestärkt. Für die politisch motivierte Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg ist deshalb sowohl das Zusammenspiel mit als auch das Konkurrenzverhältnis zu anderen Geschichtsbildern zu betrachten. Der Quellenkorpus für diese geschichtspolitische Analyse trägt der Meinungsbildung innerhalb und außerhalb der Parlamente Rechnung, indem darin neben

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den Parlamentsdebatten der Paulskirche und ausgewählter Landtage auch die umfangreiche Publizistik in Form zahlreicher Broschüren und Flugschriften, Tageszeitungen und Zeitschriften einging. Die Auswahl dieser Periodika repräsentiert die wesentlichen politisch-ideologischen Strömungen, wobei auf ein ausgewogenes Verhältnis in der regionalen Verteilung und konfessionellen Ausrichtung geachtet wurde. Da Geistliche im 19. Jahrhundert auch ohne ihre frühere Monopolstellung meinungsbildend blieben, sind relevante Predigten, soweit sie ediert bzw. als Flugschrift veröffentlicht wurden, hier berücksichtigt. Schließlich wurden Biografien, Memoiren sowie Tagebuchaufzeichnungen von Akteuren und Zeitzeugen gesichtet, die Anhaltspunkte über die Motivation für den historischen Rekurs versprachen. Eine systematische Quellenanalyse des potentiell uferlosen vorwissenschaftlichen Raums als Austragungsort der Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg bedarf der zeitlichen Eingrenzung. Den historischen Ausgangspunkt im zweiten Abschnitt dieser Untersuchung bildet die französische Julirevolution, die für die deutsche Nationalbewegung einen wichtigen Einschnitt bedeutete. 27 „Das Jahr 1830 hatte den Liberalismus auch in Deutschland wieder zu Worte kommen lassen“, resümierte der Junghegelianer Bruno Bauer rückblickend den Politisierungsschub in der deutschen Öffentlichkeit. 28 Ein neuer Partizipationsanspruch des Bürgertums forcierte zugleich die Relevanz der offenen deutschen Nationalstaatsfrage. Die Epoche der Einigungskriege markiert deshalb den geschichtlichen Endpunkt dieser Analyse, da hier mit dem Zweiten Kaiserreich unter preußischer Führung die ‚deutsche Frage‘ eine zumindest vorläufige Antwort fand. In die Zeitspanne dieser vier Jahrzehnte fällt eine Reihe von Krisenjahren, die auf innere und äußere Konflikte verweisen und eine zusätzliche thematische und ereignisorientierte Fokussierung ermöglichen. Die nationale Identitätsstiftung vollzog sich in Deutschland vor dem Hintergrund der Ideenkonkurrenz von Reich und Nation, ordnungspolitisch im Konflikt zwischen Partikularstaatlichkeit, Föderalismus und Unitarismus sowie machtpolitisch zwischen kleindeutsch-preußischem und großdeutsch-österreichischem Führungsanspruch. 29 Sie war eine kulturelle Auseinandersetzung, bei der die konfessionelle Segmentierung der deutschen Gesellschaft wesentlich zum Tragen kam. Angesichts des Wunsches nach nationaler Einheit bedeutete die wachsende konfessionelle Polarisierung im Vormärz ein gravierendes Problem, das durch Spannungen zwischen Kirche und Staat sowie orthodoxen und liberal-rationalistischen Strömungen innerhalb der Kirchen zusätzlich verschärft wurde. 30

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Vgl. H. Brandt, Die Julirevolution. Bauer, Geschichte der constitutionellen und revolutionären Bewegung, S. 15. 29 Vgl. den Forschungsüberblick bei Langewiesche, Nation, Nationalismus, Nationalstaat; ders. / Schmidt (Hg.), Föderative Nation. 28

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Die Anknüpfungspunkte für einen Rekurs auf den konfessionellen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts liegen hier auf der Hand. Gleiches gilt für die Rolle, die die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg als europäischer Machtkampf auf deutschem Boden spielte, um äußere Feindbilder als konstitutives Element nationaler Identität zu konturieren. 31 Denn die moderne Nationsidee übt ihren gesellschaftlichen Homogenisierungsdruck neben der Ausgrenzung im Inneren immer auch durch Abgrenzung nach außen aus. Die Aggressionsbereitschaft des Nationalismus nach innen und außen führt zu der Ebene nationalpolitischer Handlungsoptionen. Hier geht es wesentlich um die Frage der Bedeutung der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in den Debatten über Revolution und Krieg. Deshalb bilden die Jahre 1848 bis 1850 und 1866 die Untersuchungsschwerpunkte. In der deutschen Revolution kulminierten äußere und innere Konfliktfelder des Vormärz im ersten Versuch der Nationalstaatsgründung. Es wird zu zeigen sein, ob – und wenn ja, wie – die Revolution als in die Zukunft gerichteter politischer Mythos durch die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg historisch überlagert war, als dessen Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück sich 1848 zum zweihundertsten Mal jährten. Im Waffengang von 1866 fand der mit partikularen und konfessionellen Prägungen befrachtete Konflikt zwischen Anhängern eines kleindeutsch respektive großdeutsch organisierten Reiches ebenso seinen Höhepunkt, wie der einigende Nationalkrieg zu einem realen Mittel der Nationalstaatsgründung wurde. Die neuere Nationalismusforschung hat zuletzt ihr Erkenntnisinteresse auf Kriegserfahrungen als zentralem Bestandteil der Genese eines nationalen Bewusstseins gerichtet. 32 Der Nexus zwischen Nationalismus, Nationalstaat und Krieg lässt die moderne Nation heute als eine „Kriegsgeburt“ erscheinen. 33 Der gewählte Titel „Der Krieg in den Köpfen“ meint vor diesem Hintergrund zweierlei: den erinnerten Dreißigjährigen Krieg der Vergangenheit und den ima30 Vgl. zum Verhältnis von Religion und Nation v. a. Lehmann/Geyer (Hg.), Religion und Nation; Haupt/ Langewiesche (Hg.), Nation und Religion; Blaschke (Hg.), Konfessionen im Konflikt. 31 Vgl. Jeismann, Das Vaterland der Feinde; Aschmann./Salewski (Hg.), Das Bild des „Anderen“; Pleitner, Vernünftige Nation. 32 Vgl. aus den umfangreichen Forschungserträgen des Tübinger Sonderforschungsbereichs 437 „Kriegserfahrung. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit“ v. a. Buschmann/Carl (Hg.), Die Erfahrung des Krieges. 33 Vgl. Carl, Der Mythos der Befreiungskriege, S. 78. Buschmann/Langewiesche (Hg.), Der Krieg in den Gründungsmythen, S. 1; Rak, Wir mit Gott, S. 290. Siehe Wolfrum, Krieg und Frieden; Kunisch,/Münkler (Hg.), Die Wiedergeburt des Krieges; zum Verhältnis zwischen Krieg und Nationsbildung v. a. Frevert (Hg.), Militär und Gesellschaft; Echternkamp/Müller (Hg.), Die Politik der Nation.; F. Becker, Bilder von Krieg und Nation; Buschmann, Waffenbruderschaft; zu Religion, Krieg und Nation Krumeich/Lehmann (Hg.), „Gott mit uns“; Beyrau (Hg.), Der Krieg in nationalen und religiösen Deutungen; Haupt/Langewiesche (Hg.), Nation und Religion.

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ginierten Krieg der Zukunft. Hier geht es zentral um die Frage nach der Kriegslastigkeit oder Friedensfähigkeit der Geschichtsbilder bei der Begründung der nationalpolitischen Handlungsoptionen. 34 Diese Geschichtsbilder im deutschen Kriegsdiskurs aufzuspüren, verspricht Erkenntnisse über die nationale Identität und einen Einblick in die politische Kultur dieser Jahre, da Kriegserzählungen Entstehung und Ziele einer Nation reflektieren – sie sind ein Medium, über das Gesellschaften ihr Selbstverständnis definieren. 35 Dass der Dreißigjährige Krieg im deutschen Kriegsdiskurs eines der wichtigsten Deutungskonzepte war, das bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Wirkung hatte, wurde unlängst wieder unterstrichen. 36 Hier stellt sich zwingend die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kriegsrealität und politischer Stilisierung, anders gesagt: Waren die Erzählungen vom Dreißigjährigen Krieg nur das „kommunikative Vehikel“ (Frank Becker) für politische Botschaften, um ein bestimmtes Bild der Nation zu vermitteln, oder boten sie als Archetypen eines existentiellen Krieges das Äquivalent für die zeitgenössischen Vorstellungen von einem Krieg der Moderne, der sich im 19. Jahrhundert in Waffentechnik und militärischer Strategie vom gehegten Kabinettskrieg zum industrialisierten Massenkrieg wandelte? 37 In diesem Zusammenhang ist von Interesse, wie kommunikativ gespeicherte und kulturell tradierte Ängste das außenpolitische und das aus der spezifisch deutschen Heterogenität erwachsende innergesellschaftliche Bedrohungspotential befrachteten, diese Gefahr dabei relativierten oder – im Gegenteil – noch verschärften. Hier wird sich erweisen, dass man es neben dem Zugriff auf die Geschichte als Argument immer auch mit Geschichte statt Argumenten zu tun hat. Während die Wirkung von Vergangenheitsbezügen als Beweismittel unter der Prämisse steht, vom Rezipienten als Argument akzeptiert zu werden, steht hier die Emotionalisierung der Debatte im Mittelpunkt, zu der meist bloße Schlagworte genügen. Der konstruktivistische Forschungsansatz, der die Nation als gefühlte Gemeinschaft begreift, befasst sich mit den emotionalen Integrationsmechanismen, durch die sich die Angehörigen einer Nation ihrer Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft bestätigen. 38 Die Historikerin Ute Frevert erkennt in Gefühlen die eigentlichen Konservatoren der Erinnerung. Jede Erfahrung transportiert und 34 Vgl. dazu den aus der Sektion „Geschichte als Argument für Krieg und Frieden“ beim Historikertag 1996 hervorgegangenen Band Burkhardt (Hg.), Krieg und Frieden. 35 Beyrau (Hg.), Der Krieg in nationalen und religiösen Deutungen, S. 8; F. Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 25. 36 Buschmann, Kanonenfeuer, S. 105 ff.; Vgl. auch Förster, Mythenbildung und totaler Krieg, S. 40; Schindling (Hg.), Das Strafgericht Gottes, S. 14. 37 Vgl. in diesem Zusammenhang v. a. F. Becker, Bilder von Krieg und Nation, Buschmann, Einkreisung; Leonhard, Nationalisierung des Krieges; Förster/Nagler (Hg.), On the Road to Total War.

II. Forschungsprogramm

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überträgt sich demnach durch Gefühle, die ihrerseits die Erfahrung im Gedächtnis bewahren. Sie verknüpfen Vergangenheit und Zukunft, indem sie Erfahrungen und Erinnerungen in Erwartungen überführen – angstvolle oder auch optimistische. 39 Die Erforschung der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in den nationalpolitischen Debatten kann hier Schlaglichter auf affektive Bindungen zur Nation als eine in sich gefestigte oder aber labile Gefühlsgemeinschaft werfen. Die emotional kolorierten Geschichtsbilder geben Auskunft darüber, wie Schuld, Schwäche und Angst artikuliert wurden und auf welche Weise diese Gefühle in den politischen Diskussionen als Gestaltungsfaktor – hemmend oder motivierend – präsent und instrumentalisierbar waren. Damit ist der Bogen zu den Überlegungen am Anfang dieser Ausführungen geschlagen. Denn wenn man sich in einem übergeordneten Erkenntnisinteresse der Frage annähern will, ob der Dreißigjährige Krieg wirklich eine über zwei Jahrhunderte hinweg tradierte und dabei verhaltensbestimmende Erfahrung der Deutschen war, und ob sich in dieser Erinnerung ein Erklärungsansatz für ein deutsches Sonderbewusstsein finden lässt, dann muss man sich der emotionalen Dimension zuwenden, die bisher noch nicht konsequent wissenschaftlich erfasst ist. Welchen Aufschluss gibt die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg also über die diskursive und symbolische „Deutungskultur“ hinaus auch über verfestigte, tradierte Werte und Überzeugungen, die nach Karl Rohe zusammen die politische Kultur konstituieren? 40 Die Tradierung und die Instrumentalisierung von Demütigungs- und Schuldgefühlen, deren Zusammenspiel mit realen Inferioritätsgefühlen und Bedrohungsängsten, lassen wichtige Hinweise zur emotionalen Disposition einer nach nationaler Geschlossenheit strebenden Nation erwarten. Dahinter verbirgt sich möglicherweise neues Erklärungspotential für ein Machtstreben, das nationale Unsicherheit zu kompensieren suchte und mit dem Aggressionsbereitschaft und Krieg als gerechtfertigtes nationalpolitisches Mittel den universalen emanzipatorischen Anspruch des nationalen Denkens verdrängten. Hier kann die vorliegende Untersuchung einen Beitrag zu der nach wie vor aktuellen Diskussion über das Verhältnis von liberalen Freiheitsutopien und nationalen Machtstaatsambitionen leisten.

38 Vgl. Francois/Siegrist/Vogel (Hg.), Nation und Emotion; Speth, Nation und Emotion; Vogel, Nationen im Gleichschritt, S. 12 f. 39 Vgl. Frevert, Angst vor Gefühlen, S. 102. 40 Vgl. Rohe, Politische Kultur, S. 42; außerdem: Berg-Schlosser, Politische Kultur; M. Greiffenhagen / S. Greiffenhagen, Politische Kultur.

B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg im Wandel vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis I. Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens zwischen Reichsstaatsrecht, Nationalstaatsidee und deutschem Dualismus Am 24. Oktober 1648 beendeten die in Münster und Osnabrück geschlossenen Friedensverträge einen dreißigjährigen Krieg, der zugleich in internationaler Dimension ein zwischenstaatlicher Machtkampf um die Vorherrschaft in Europa und – als innerdeutsche Angelegenheit im Kontext des Reiches – eine Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Reichsständen gewesen war. Der Einfluss, den der konfessionelle Gegensatz auf diesen komplexen Krieg genommen hatte, machte den Dreißigjährigen Krieg zusätzlich zum Höhepunkt im europäischen Zeitalter der Glaubenskämpfe. 1 Die neuere historische Forschung hat zwar das Ausmaß des Krieges und seine Auswirkungen auf Demographie und Wirtschaft längst einer differenzierten Betrachtung unterworfen. 2 In der Erinnerung der Deutschen ist er aber noch immer das Exempel eines lang andauernden Krieges und das „Menschenalter von Blut, Mord und Brand“, wie es Gustav Freytag in seinen populären Bildern aus der deutschen Vergangenheit eindringlich zusammenfasste. 3 Als ein vielfältiges Vertragswerk bedeutete der geschlossene Westfälische Friede im Reich die Einschränkung der kaiserlichen Macht zugunsten der Reichsstände. Die Territorialfürsten erhielten das Recht, Bündnisse zu schließen, sofern sich diese nicht gegen den Kaiser oder das Reich richteten. Als „Frieden ohne Versöhnung“ (Karl August Hase 4) machten die Verträge überdies die Konfessionalität zum Strukturprinzip des Reiches. 5 In der regionalen Verteilung wirken sie auf der Konfessionslandkarte Deutschlands bis heute nach. 1

Vgl. als Auswahl Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg; Krusenstern/Medick, Zwischen Alltag und Katastrophe. Duchhardt, Bibliographie zum Westfälischen Frieden; Braubach/Repgen, Acta Pacis Westphalicae; Dickmann, Der Westfälische Frieden. 2 Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 53 –55; Steinberg, Der Dreißigjährige Krieg; Parker, Der Dreißigjährige Krieg, S. 300 –308. 3 Vgl. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Bd. 4. Freytags Schilderungen dienten als Schullektüre vom siebten bis zum zehnten Schuljahr. Vgl. dazu Gantet, Feste. 4 Hase, Kirchengeschichte, S. 500.

I. Die Rezeption

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Die Bedeutung des Westfälischen Friedens lag bis zum Ende des Reiches wesentlich darin, dass dieser nicht Geschichte, sondern gelebte Gegenwart war. Denn der „Jüngste Reichsabschnitt“ hatte den Westfälischen Frieden am 17. Mai 1654 zum „Fundamental-Gesetz des heiligen Reichs“ erhoben und ihn zur „immerwährende[n] Richtschnur und zur ewige[n] norma iudicandi“ erklärt. 6 Diese Eigenschaft als unabänderliches Verfassungsgesetz des Reiches machte den akademisch-wissenschaftlichen Raum und hier insbesondere die Juristische Fakultät zum Zentrum seiner Rezeptionsgeschichte. 7 Dissertationen zu den Rechtsartikeln des Friedens von Münster und Osnabrück belegen seine Bedeutung als Gegenstand der juristischen Universitätsausbildung im Reich. Die Zahl der aus Anlass des Kriegsendes europaweit und im Reich in einer Atmosphäre der Euphorie abgehaltenen Friedensfeste schätzt die Forschung auf annähernd zweihundert. Sie fanden zum Teil mit erheblichem zeitlichem Abstand statt. 8 Höhepunkt war 1650 der Abschluss des Nürnberger Exekutionstages, der den Westfälischen Frieden bestätigte und die Einzelheiten des Abzuges der Besatzungstruppen regelte. Teure Schaumünzen, die sich vornehmlich an den besitzenden Bevölkerungsteil wandten, dienten mit Sinnbildern der Erinnerung. Komplette Textausgaben des Friedensvertrages in lateinischem Wortlaut und in deutscher Übersetzung kamen für einen lesekundigen Kreis auf den Markt und wurden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts für Unterrichtszwecke nachgedruckt. 9 Das Friedensfest, ursprünglich zur Verarbeitung der erfahrenen kollektiven Gewalt begangen, entwickelte sich in der Folge zur Gedenkinstitution, die als urbane Erscheinung typisch für den Süden des Reiches und dabei konfessionell, d. h. vorrangig lutherisch, geprägt war. In einigen, vor allem gemischt-konfessionellen Städten, die von den Friedensregelungen profitiert hatten, bildete sich eine spezifische Festkultur aus. In Augsburg fand die Erinnerungspflege ihren Niederschlag in einem lokalen Feiertag, dem bis heute festlich begangenen 8. August. 10 Hier machte der Bezug auf die Inkraftsetzung des kaiserlichen Restitutionsedikts am 8. August 1629 ein traumatisches Kriegsereignis der Stadtgeschichte zum Bestandteil des Gedenkens. 5

Vgl. Kaufmann, Die Konfessionalisierung; Rendtorff, Religiöser Konflikt. Laufs, Der jüngste Reichabschied von 1654, S. 11. 7 Hier war der Friedensvertrag früh staatsrechtlicher Kritik ausgesetzt. Berühmt wurde Samuel Pufendorfers Definition, Deutschland sei „irregulare aliquod corpus et monstro simile“. Vgl. Denzer, Pufendorfer, S. VI, § 9. Siehe dazu Döring, Der Westfälische Frieden. 8 Vgl. zu den Friedensfesten erschöpfend Gantet, La paix de Westphalie. Gantet konnte mehrere Festwellen zwischen 1648 und 1660 feststellen, von denen im Jahre 1648 vierzig, 1649 47 und 1650 83 im Reich gefeierte Feste erwiesen sind. Von 181im Reich gefeierten Festen fanden allein 98 in Franken, Württemberg und Schwaben statt. 9 Vgl. dazu Repgen, Der Westfälische Frieden; Duchhardt, Das Feiern des Friedens. 10 Daneben ist das Friedensfest in Coburg herausgehoben zu benennen, dessen Begehen bis 1855 nachgewiesen ist. 6

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

In diesen Gedächtnisfeiern verschmolzen bis ins 19. Jahrhundert hinein die Tradition von Reformations- und Friedensfest. 11 Sie gewannen damit den Charakter protestantischer Siegesfeiern über den Katholizismus. Denn während Protestanten das Jahr 1648, das ihnen die Bestätigung ihrer Besitzstände und Rechte gebracht hatte, als positiven Markstein verbuchen konnten, war es für die Katholiken die Chiffre ihrer Niederlage. 12 Die katholische Erinnerung drehte sich mehr um die Schlacht am Weißen Berg 1620 als um den Frieden, wie eine Gedenkprozession nahelegt, die der bayerische Kurfürst Max II. Emanuel zum hundertsten Jahrestag veranstaltete. 13 Heinz Duchhardt hat für die beiden westfälischen Friedensstädte das offizielle Gedenken über drei Jahrhunderte hinweg nachgezeichnet. Das geringe Interesse an einer Erinnerungspflege in Münster begründet er damit, dass die katholische Stadt von dem Friedenskongress nicht habe profitieren können und kurz darauf mit der Unterwerfung durch den Bischof all seiner städtischen Freiheiten beraubt worden sei. Dagegen kam es im protestantisch dominierten Osnabrück 1748 zu einer großen, vom Magistrat organisierten Säkularfeier, die zu einer ausschließlich protestantischen Angelegenheit geriet. Von diesem Fest ist eine Jubel-Ode des jungen Justus Möser überliefert, deren Verse den Frieden als Grundlage der europäischen Friedensordnung würdigten: „Nichts war zu heilig zum Verletzen, Krieges ödendes Entsetzen, durch verwüsten höher stieg; Riß durch das Herz von Deutschlands Staaten, Wo Recht und Unschuld hilflos baten, Und bei der Macht der Richter schwieg, Doch endlich schloß der Herr die Tiefen; Die Fluten sunken und verliefen. Und die genug gestrafte Welt Ward durch des Friedens Sonn erhellt. [ . . . ] O Tag ! O größter aller Tage! Du schufst die Gleichheit jeder Waage, Die Reiche gegen Reiche wiegt.“ 14

Der Frieden war zwar nach 1648 nur von kurzer Dauer geblieben. Die Verträge von Münster und Osnabrück fanden aber im Reich als Grundgesetz der europäischen Staatenordnung unverändert Beachtung. 15 Der Historiker Bernhard 11

Siehe dazu Gantet, Feste; Moser, Friedensfeiern. Vgl. ebd. 13 Siehe dazu Gollwitzer, Funktionswandel, S. 56; Gantet, Friedensfeste, S. 650. 14 Justus Möser, S. 97 – 101. 15 Siehe dazu Hardeland, Der Westfälische Frieden im Urteil der deutschen Wissenschaft und Publizistik; Kremer, Der Westfälische Friede in der Deutung der Aufklärung. 12

I. Die Rezeption

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Erdmannsdörffer urteilte 1865 über das Gedenken im 18. Jahrhundert, dass sich „unter dem gepriesenen Andenken“ an Münster und Osnabrück die Erinnerung an die „grauenvollen drei Jahrzehnte vorher“ allmählich gemildert habe: „Man hörte auf, das Gedächtniß jener Vorgänge mit einer Stimmung zu pflegen, welche auch nur von weitem der Schärfe und Leidenschaftlichkeit der Gegensätze entsprochen hätte, die in ihnen einst gekämpft hatte.“ 16 Dieser Einschätzung widerspricht jedoch ein in Augsburg zum 100. Jahrestag 1748 erschienenes Schulbuch, das mit 91 katechismusartigen Fragen ausschließlich den Dreißigjährigen Krieg behandelte und nicht nur der konfessionell motivierten Erinnerung an den Frieden diente, sondern auch das eindringliche Bild der Kriegsgräuel pflegte. Über die Lage der bedrängten Stadt 1635 lasen die Kinder hier, dass man „in einigen Häußern angeschnidtene Todten-Cörper an[traf]; andere Häußer stunden gar leer, oder die Leute darinnen konten vor Hunger weder stehen noch gehen, und erwarteten nebst ihren verhungerten Kindern, den elendsten Tod. Man fand in den meisten Häußern daß die Leute von Pferd- und Katzen-Fleisch auch Mäusen, und gesottenen Leder lebten [ . . . ]“. 17 An der Schwelle zum 19. Jahrhundert änderten sich die Bezüge auf den Westfälischen Frieden grundlegend. Friedrich Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, die 1793 erschien, würdigte zwar noch den „berühmten, unverletzlichen und heiligen Frieden“ und sprach von einem „mühsamen, teuren und dauernden Werk“. Zur europäischen Staatenordnung nach 1648 schrieb der Historiker Schiller euphorisch: „Aber Europa ging ununterdrückt und frei aus diesem fürchterlichen Krieg, in welchem es sich zum erstenmal als eine zusammenhängende Staatengesellschaft erkannt hatte; und diese Teilnehmung der Staaten an einander, welche sich in diesem Krieg eigentlich erst bildete, wäre allein schon Gewinn genug, den Weltbürger mit seinen Schrecken zu versöhnen.“ 18 Doch schon Johann Stephan Pütters Schrift Der Geist des Westphälischen Friedens, die 1795 als letzte der großen reichsrechtsgeschichtlichen Publikationen erschien, war nurmehr Ausdruck der „fast nostalgischen Verklärung des Ereignisses von 1648 in der Abenddämmerung des Ancien Regime“, wie es Heinz Duchhardt bildlich formulierte. 19 Und auch die Verse in Schillers Prolog zum Drama Wallensteins Lager, das am 24. Oktober 1798, also zum 250. Jubiläumstag des Westfälischen Friedens, in Weimar uraufgeführt wurde, künden bereits von der Zeitenwende, die 1806 ihre nachhaltige Manifestation im Untergang des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation fand: „Zerfallen sehen wir in diesen Tagen/ Die alte feste Form, die einst vor hundertundfünfzig Jahren/ ein willkommner Friede Europens Reichen gab,/ die teure Frucht von dreißig jammervollen Kriegesjahren.“ 20 16 17 18 19 20

Erdmannsdörffer, Zur Geschichte und Geschichtsschreibung, S. 2. Vgl. dazu Gantet, Feste, S. 23 f. Schiller, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, S. 384. Duchhardt, Das Feiern des Friedens, S. 45. Schiller, Wallenstein, S. 5.

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

Während für das Jubiläumsjahr 1748 neben den genannten Festen noch eine Reihe weiterer Säkularfeierlichkeiten vermerkt sind, fiel die festliche Inszenierung des 150. Jahrestages innerhalb des Reichsterritoriums schon nicht mehr wesentlich ins Gewicht. 21 Die von Frankreich ausgehende Revolutions- und Kriegsgefahr machte sich bemerkbar. Sie reaktivierte die Erinnerung an das alle Dimensionen des Zeitalters der Kabinettskriege sprengende kriegerische Großereignis der deutschen Geschichte. Die romantische Literatur zog deshalb Parallelen zwischen der Gegenwart und dem Zeitalter der Glaubenskriege. 22 Im Angesicht der Napoleonischen Kriege erkannte 1809 eine Neubearbeitung von Grimmelshausens Der Abentheuerliche Simplicissmus Teutsch darin „ein nach dem Leben gezeichnetes Bild von den Greueln, dem Elend und den Drangsalen einer Zeitperiode“, die der gegenwärtigen wunderbar ähneln würde. 23 Im 19. Jahrhundert fand diese Erzählung eine große Leserschaft und wurde mehrfach aufgelegt. 24 Schillers Darstellung der „barbarischen Wildheit“ in seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ist typisch für das allgemein gezeichnete Bild von der moralischen Verrohung in der Kultur, der Entsittlichung durch den Krieg. In Liedern, Sagen und Gedichten tradierte es sich fort. 25 Insbesondere die populäre Geschichtsschreibung, aus der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Karl Biedermanns Buch über Deutschlands trübste Zeit 26 und als Generationen prägendes Werk Gustav Freytags Bilder aus der deutschen Vergangenheit herausragen, vermittelten dem Lesepublikum ein düsteres Bild des Krieges in einer kraftvollen, 21 Gantet nennt für 1748 Feierlichkeiten in Münster, Osnabrück, Wittenberg, Aachen, Hamburg, Braunschweig, Amsterdam, Augsburg, Lindau, Dinkelsbühl, Oettingen-Oettingen, Nürnberg, Schwäbisch Hall, Kaufbeuren, Leutkirch, Lindau, Memmingen, Coburg, Ulm, Fürth; für 1798 in Oettingen-Oettingen. Siehe für Quellen zu den Feiern von 1748 in Isny, Ravensburg, Kaufbeuren, Schwäbisch-Hall und Nürnberg Moser, Friedensfeiern, S. 1138 und die Anm. 16 – 20. 22 Vgl. Mannack, Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges, S. 385 –392. 23 Zit. nach Meid, Grimmelshausen, S. 213 f. In der deutschen Geschichte waren für den Grafen Herberstein kaum zwei andere Epochen zu finden, „die hinsichtlich der Begebenheiten und ihrer Veranlassungen, so wie ihrer Wirkung auf den Zustand der deutschen Völker, sich so auffallend ähnlich waren, als jene der Beendigung des dreißigjährigen, und jene der Beendigung der Napoleon’schen Kriege. [ . . . ] Der dreißigjährige so wie die Napoleon’schen Kriege waren Kämpfe nicht nur der Herrscher und Völker, sondern der öffentlichen Meinung; erster über Religionssachen, letzterer über die Oberhand entweder der Macht und des Glücks, oder des Rechts und der Legitimität.“ Vgl. Herberstein, Deutschlands Wünsche, S. 128. Ähnlich auch Schramm, Die Einheit des deutschen Vaterlandes, S. 1. 24 Zeugnisse der Rezeptionsgeschichte im Untersuchungszeitraum: Weller, Die Lieder des Dreißigjährigen Krieges; Opel, Der Dreißigjährige Krieg. 25 Als Zeugnisse der Rezeptionsgeschichte im Untersuchungszeitraum vgl. von 1855 Weller, Die Lieder des Dreißigjährigen Krieges; von 1862 Opel/Cohn (Hg.), Der Dreißigjährige Krieg. Eine Sammlung von historischen Gedichten und Prosadarstellungen. 26 Siehe Biedermann, Deutschlands trübste Zeit (erschienen 1862).

I. Die Rezeption

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bildhaften Sprache. Sie brachten die Gräuelgeschichten mit plastischer Anschaulichkeit nahe: „Das Volk erreichte die letzte Tiefe des Unglücks, ein dumpfes hartherziges Brüten wurde allgemein. Von den Landleuten ist aus dieser letzten Zeit wenig zu berichten. Sie fristeten ihr Dasein verwildert und hoffnungslos [ . . . ] Wo ein Heer verwüstet hatte und der Hunger wütete, fraßen Menschen und Hunde von demselben Leichnam, Kinder wurden gefangen und geschlachtet.“ 27 Freytag verstand den Dreißigjährigen Krieg als Tiefpunkt menschlicher Zivilisation und als schicksalhaft zerstörerisches Naturereignis, die seiner Ansicht nach eine spezifische Darstellung notwendig machten: „Bei solchem Kampfe ist hier nicht die Aufgabe, die Feldherren und ihre Schlachten zu schildern, wohl aber von den Zuständen des deutschen Volkes zu sprechen, von dem zerstörenden und leidenden Teile der Bevölkerung, dem Heere wie dem Bürger und Bauern.“ 28 Für die Konstruktion nationaler Identität in Deutschland war die Darstellung des Volkes in einer historischen Opferrolle von zentraler Bedeutung. 29 Neben lokal und regional gebundenen und dort tradierten Erzählungen über die Verheerungen des Krieges wurde der Dreißigjährige Krieg im Kollektivsingular zu einem traumatischen Erlebnis der Nation verdichtete, das im kulturellen Gedächtnis als „Mythos des großen Brennens und Mordens“ (Hans-Ulrich Wehler) einen gemeinsamen Erfahrungsraum konturierte und damit die deutsche Gefühls- als Leidensgemeinschaft begründete. 30 An der Seite dieses Mythos von der zivilisatorischen Katastrophe stand der Westfälische Frieden nunmehr als Synonym nationaler Schmach und Demütigung durch das feindliche Ausland. Denn mit neuen Bewertungskategorien, die sich im Aufkommen des Nationalismus an deutscher Macht und Stärke orientierten, war die frühere reichsstaatsrechtliche Würdigung des Westfälischen Friedens von einer Deutung abgelöst worden, in der das Jahr 1648 allein als Beginn staatlicher Zersplitterung und deutscher Schwäche erschien. Das einstmals Positive kehrte sich ins Gegenteil, die friedensstiftende Komponente wurde von der Erinnerung an den Krieg verdrängt. Im gewandelten politischen und geistigen Bezugsrahmen führte gerade die europäische Dimension der Friedensschlüsse zur nunmehr radikalen Ablehnung in Deutschland. Während Schillers Hinweis auf die „Staatensympathie“ die heutige Debatte über den Westfälischen Frieden als einen europäischen Erinnerungsort vorwegnahm, galten mit der nationalen Aneignung der „Katastrophe“ von 1648 gerade die grenzüberschreitenden Berührungspunkte, von denen Schiller in weltbürgerlicher Absicht geschrieben hatte, als Beginn der Fremdsteuerung und als beständige Gefahren27 28 29 30

Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Bd. 4, S. 199. Ebd., S. 15. Siehe dazu Cramer, The Lamentations of Germany, S. 159. Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 53 f.

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quelle für den Verrat ans Ausland. Mit der Nationalisierung der Erinnerung wurde ein betont antifranzösischer Impetus zur Dominante der Geschichtserzählung. Denn die Erfahrung der napoleonischen Eroberungen hatte wesentlich Einfluss auf den Wandel von der Friedensode zur nationalen Polemik genommen und ließ die Geschichtsbetrachtung auf die Rolle Frankreichs im 17. Jahrhundert fokussieren. Statt Lob über das Kriegsende überwog nun der Hinweis auf den historischen Verlust des Elsass, der Schweiz und der Niederlande. 31 Für die Rezeptionsgeschichte des Dreißigjährigen Krieges im 19. Jahrhundert waren dieser aufkeimende Nationalismus und der Durchbruch zum Historismus konstitutiv. Als geistig-kulturelle Wende schlug sich die Hinwendung zur Geschichtlichkeit des Lebens in einem „Öffentlichkeitshistorismus“ (Heinz Gollwitzer) nieder. Als bestimmender Faktor der deutschen Geschichtskultur kam er in Architektur, Denkmälern, Gedenktagen, Historienmalerei und Literatur zum Ausdruck. 32 In der Wissenschaft führte die Trennung von Jus und Historie mit der Verselbständigung der Historiographie als einer eigenen Disziplin zur Professionalisierung der Forschung mit systematischer Quellenkritik und weitgesteckten Quelleneditionen. Sie produzierte enormes Detailwissen, um zu erfahren, „wie es wirklich gewesen“ ist (Leopold von Ranke), ohne aber in diesem Anspruch gänzlich frei vom geschichtsphilosophischen Idealismus zu bleiben. Angesichts des Bedürfnisses nach sinnstiftender Ordnung unterlag das historische Urteil auch weiterhin politischen und weltanschaulichen Einflüssen, nun insbesondere der Idee der Nation. Der Untergang des Reiches 1806 und der Wiener Kongress von 1815 hatten für den Westfälischen Frieden einen „dramatischen Historisierungsschub“ (Bernd Schönemann) bedeutet. Den Dreißigjährigen Krieg betrachtete man nun im Rahmen einer umkämpften deutschen Nationalgeschichte. 33 Der Historiker Bernhard Erdmannsdörffer konstatierte 1865: „Wir sind den Tagen Ferdinands II. und Gustav Adolphs wieder um etliche Menschenalter ferner gerückt [ . . . ], aber die größere Entfernung hat hier nicht ihre gewöhnliche mildernde und versöhnende Wirkung geübt. [ . . . ] So nahe erscheint es uns, dass wir meinen, die Gesichter der Streitenden zu erkennen, in ihre Seelen zu lesen, ihren Schlachtruf zu hören, und fortgerissen von der Gewaltigkeit des Eindrucks rufen wir ihnen den Schlachtruf nach und stürmen gegen einander selber an, als sollte der alte ein Jahrhundert lang vergessene Kampf noch einmal durchgekämpft werden.“ Kaum eine Zeile könne 31 Konrad Repgen hat am Beispiel von Universallexika des aufgeklärten Publikums die fundamentale Veränderung der Urteilskriterien und den Wandel in der Einschätzung des Friedens von 1648 verdeutlicht. Vgl. Repgen, Der Westfälische Frieden, S. 30, 32. 32 Schönemann, Schulbücher, S. 15. Vgl. dazu Gollwitzer, Historismus als kultur- und sozialgeschichtliche Bewegung, S. 12. Oexle, Die Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus; Jaeger, Geschichte des Historismus. 33 Schönemann, Rezeption, S. 808.

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noch über den Dreißigjährigen Krieg geschrieben werden ohne den offenen oder verhüllten Zweck des Angriffs oder der Abwehr – die ganze Literatur sei polemisch geworden, als ob die Entscheidung über Recht oder Unrecht der damaligen Parteien ein Urteil über eigene Schuld oder Verdienste in sich schlösse. 34 Erdmannsdörffer schrieb sein Verdikt über die Historikerzunft kurz bevor der „literarische Kampf“ in den Tagen des innerdeutschen Krieges 1866 seinen Höhepunkt erreichte. 35 Die historiographische Kontroverse hatte zwischen der Revolution von 1848 und den Reichseinigungskriegen beträchtlich an Intensität gewonnen. Darin spiegelte sich der deutsche Dualismus im Kampf zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Denn der Dreißigjährige Krieg wurde zum zentralen Gegenstand im Kampf zwischen einer großdeutschen und kleindeutschen Geschichtsschreibung, die mit ihren historisch entwickelten Deutschlandbildern die jeweiligen Führungsansprüche der beiden konkurrierenden Großmächte zu legitimieren suchten. Die historiographische Herausforderung bestand im Nachweis darüber, welche Politik sich als Erfolg oder Fehler im nationalen Sinne erwiesen hatte. Als Historikerstreit des 19. Jahrhunderts kreiste die Auseinandersetzung daher im Wesentlichen um die Kriegsschuldfrage und die historische Opfer- und Täterrolle in diesem als singulär begriffenen Kriegsereignis sowie um das Jahr 1648 als eine „Stunde Null“ der deutschen Geschichte. Für den großdeutsch gesinnten Onno Klopp, einem wichtigen Akteur im politisch motivierten Deutungsstreit um den Dreißigjährigen Krieg, war Österreich die Macht, welcher die göttliche „Vorsehung“ den Beruf anvertraut habe, Deutschland zu schützen, zu einigen und zu erhalten. Nur vom Fundamente dieser Überzeugung könne sich der Neubau Deutschlands erheben. Klopp, der die Vertreter der borussischen Historiographie abfällig als „kleindeutsche Geschichtsbaumeister“ bezeichnete, sah es daher als Aufgabe einer „wahrhaft deutschen“ Geschichtsschreibung zum Dreißigjährigen Krieg an, diesen Charakter der Macht Österreichs nachzuweisen und „zu voller Anschauung“ zu bringen. 36 Auf der anderen Seite offenbart ein Brief Friedrich Daniel Bassermanns an Johann Gustav Droysen ein Jahr nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 das zugrunde liegende Motiv der kleindeutsch-preußischen Geschichtserzählung. Bassermann, Verleger der Deutschen Zeitung und ehedem Paulskirchenabgeordneter, konstatierte darin einen Drang nach geschichtlichem Wissen wie nie zuvor, um die „Rätsel“ der Gegenwart aus der Logik der Vergangenheit zu lösen. Mit klaren Worten brachte Bassermann zum Ausdruck, welche historische Klärung der deutschen Frage er sich wünschte: „Wir brauchen alle den Nachweis, daß während 34 Erdmannsdörffer, Zur Geschichte und Geschichtsschreibung des dreißigjährigen Krieges, S. 1 – 5. 35 Vgl. Heller, Hat Tilly Magdeburg absichtlich zerstört, S. 6. 36 Vgl. Klopp, Fragment Urteil über die Stellung Österreichs in der Geschichte; hier zit. nach Brechenmacher, Großdeutsche Geschichtsschreibung, S. 27.

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Österreichs Bestreben seit Jahrhunderten dahin ging, sich aus dem Reich zurückzuziehen, die ebenso naturgemäße Bestimmung Preußens dahin geht, über das Reich sich auszudehnen, zum Reich selbst zu werden.“ 37 In seinem mehrbändigen Werk zur Geschichte der Preußischen Politik, in der die Geschichte des Dreißigjährige Krieges eine prominente Rolle einnahm, erfüllte Droysen schließlich Bassermanns Wunsch. 38

II. Die konkurrierenden Deutungsmuster der Epoche der Glaubenskämpfe 1. Sieg- und Niederlagenerzählungen in der groß- und kleindeutschen Geschichtsschreibung: „Triumph von 1629“ versus „Translatio nationis“ Der Streit um den historischen Ort des Dreißigjährigen Krieg ist nicht nur von historiographiegeschichtlichem Interesse. Zum einen wirkte er unmittelbar auf die geschichtspolitische Debatte ein, weil die hier entwickelten Deutungsangebote als Rezensionen und Artikel in Periodika über die engere Historikerzunft hinaus ein breiteres Lesepublikum erreichten. Zum anderen – und das ist ebenso bemerkenswert – griffen Professoren wie Johann Gustav Droysen und August Friedrich Gfrörer als politische Akteure selbst aktiv in die Politik ein und zählten 1848 zum Kreis der Abgeordneten in der ersten deutschen Nationalversammlung. 39 Kern der großdeutsch-katholischen Geschichtsschreibung war die Apologie von Kaiser und Reich. Sie hielt an einer prinzipiellen Identität von Kaiser, Reich und Nation über das Jahr 1648 hinaus fest und verweigerte sich entschieden, die nationale Identifikation auf eine andere Ebene zu verlagern. Der Kaiser war ihr Protektor deutscher Freiheit im Innern des Reiches; Kaiser und Reich fungierten aber auch als Schutzschild gegen Frankreich – und das hieß in der politischen Großwetterlage immer auch gegen die Revolution – und als Bollwerk europäischer und deutscher Kultur gegen das Slawentum. Zum Leitmotiv ihrer Darstellung des Dreißigjährigen Krieges wurde der machtpolitisch-konstitutionelle Konflikt im Reich. Die großdeutsch-katholischen Geschichtsschreiber betonten den Ursprung der Krise im böhmischen Aufstand als Rebellion gegen die kaiserliche Autorität und als illegitimen Angriff auf die Verfassung des Reiches. Ins Zentrum ihrer Argumentation rückte der Vorwurf des Verrats an der Nation durch die protestantischen Fürsten, die Deutschland mit der Schwächung der inneren Einheit des Reiches an ausländische Mächte ausgeliefert 37

Vgl. Hübner, Droysen Briefwechsel, Bd. 1, S. 642 f. Vgl. Droysen, Geschichte der preußischen Politik. 39 Die Ausführungen orientieren sich maßgeblich an Cramer, The Lamentations of Germany; Schönemann, Rezeption; Niebuhr, Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges. 38

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hätten. Deren vermeintliches Motiv – die Verteidigung des Glaubens – wurde als heuchlerisch gebrandmarkt, denn die Religion sei nur der Vorwand zur Durchsetzung originär partikularistischer Interessen zu Lasten der kaiserlichen Zentralgewalt gewesen. Diese Lesart bot das historische Fundament, um eine Brücke vom Dreißigjährigen Krieg zur Rolle Preußens im deutschen Dualismus des 19. Jahrhunderts zu schlagen. 40 In der großdeutsch motivierten Historiographie gab es unterschiedliche Strömungen. Onno Klopp zum Beispiel projizierte keine engeren nationalstaatlichen Machtkategorien auf den Konflikt zwischen Reich und fürstlichem Partikularismus, sondern betonte die deutsche Nation als Träger des föderalistisch-universalen römischen Reichsgedankens und Basis der Rechts- und Friedensordnung in Mitteleuropa. Demgegenüber richtete sich das Motiv des „Triumphs von 1629“ als großdeutsches Gegenkonzept offensiv gegen das kleindeutsch-nationalstaatliche Geschichtsverständnis. Das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. von 1629, das nach verheerenden Niederlagen der Protestanten gegen die Truppen der katholischen Liga den Höhepunkt der kaiserlichen Macht im Dreißigjährigen Krieg markierte, sollte den reichsrechtlich verbindlichen Status quo der konfessionellen Besitzstände ändern. 41 Großdeutsche Geschichtsschreiber, wie August Friedrich Gfrörer und Friedrich von Hurter unterstrichen demgegenüber die neue Vision eines Reichs von der Ostsee bis zu den Alpen. Die anschließende Restaurationspolitik erschien von diesem Standpunkt nicht rückwärtsgewandt sondern indizierte das Reich als Machtstaat. Spekulationen über ein vermeintlich baltisches Projekt, den sogenannten Wallensteinplan, griffen das im 19. Jahrhundert populäre Motiv der maritimen Großmacht auf. Darin erkannte August Heinrich Gfrörer die „wichtigste, aber auch geheimste, bisher fast gänzlich verborgene Seite“ des Dreißigjährigen Krieges. Dieser „großartige Plan“ Wallensteins hatte demnach die „Verfassung Germaniens“ völlig umgestalten wollen, um den Kaiser zum „wahren Gebieter Germaniens“ zu erheben und den Deutschen ihre Einheit zurückzugeben. 42 So betrachtet, erschien der Dreißigjährige Krieg als ein Krieg der verpassten Möglichkeit. Die Konsequenz fasste Gfrörers umfangreiche Gustav-Adolf40 Bezeichnend war 1867 für den Katholik der „Charakter des ganzen Krieges als eines Religionskrieges geradezu ein Irrthum“ und stand dem Blatt zufolge außer Zweifel, „dass Verrath an der uralten deutschen Freiheit, an Kaiser und Reich, nicht aber die beabsichtige Durchführung religiöser Principien die Furie des Krieges weckte.“ (Die Diplomatie Gustav Adolph’s in Franken, in: Der Katholik, 47 (1867), S. 29, 33). 1824 untersagten preußische Behörden den Gebrauch eines Lehrbuchs, das die im Westfälischen Frieden verankerte Unabhängigkeit der Reichsfürsten vom Kaiser kritisiert hatte, und setzte durch, diese Passagen zu streichen. Siehe dazu Schönemann, Schulbücher, S. 40. 41 Siehe dazu Frisch, Das Restitutionsedikt. 42 Gfrörer, Gustav Adolf, S. 623 f. Vgl. auch Hurter, Kaiser Ferdinand, S. 517. Siehe dazu Cramer, The Lamentations of Germany, S. 56.

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Biographie von 1837 in klare Worte: „Der Krieg endete zu Deutschlands Verderben. Was hat uns der westphälische Friede gekostet! Macht, Ehre, Einheit, Nationalität, Selbstbewußtseyn [ . . . ] Das Reich ward vom Kaiser losgetrennt, die Wechselwirkung zwischen Haupt und Gliedern in der Art unterbunden, daß kein allgemeines deutsches, sondern nur noch provinzielles Leben übrig blieb. Oesterreich aus Deutschland herausgedrängt, nahm nothgedrungen eine slavische, ungarische oder wälsche Richtung, und bald entstand im Norden jene slawischdeutsche Gewalt, welche die innerliche Zerspaltung Germaniens vollenden half.“ 43 Mit Gfrörers Biographie war auch der Grund für das Scheitern der hochgesteckten Ziele benannt. Er fand sich im Kriegseintritt der Schweden unter König Gustav II. Adolf, der damit in den Fokus großdeutsch-katholischer Angriffe geriet. Die verpasste Chance verortete die kleindeutsche Geschichtsschreibung in einer zeitlich weiter gefassten Perspektive, wie bei Ludwig Häusser deutlich wird: „Aber richtig ist, die Reformation konnte ein mächtiges Moment der nationalen Einigung werden. Hatten wir 1521 einen Monarchen, der mit der größten Ideenbewegung, die je unser Volk ergriffen hatte, dann konnte die Einheit sicherer begründet, größer angelegt werden, als sie es seit Jahrhunderten gewesen war.“ 44 Droysen unterstützte diese Auffassung in seiner Geschichte der preußischen Politik. Nach der „nationalen That“ der Reformation, so heißt es dort, hätte eine „nationale Monarchie“ den deutschen Staat schaffen, die Einheit der Nation retten können. 45 Die katholische Gegenreformation mit ihrem Höhepunkt im Dreißigjährigen Krieg hatte aber nicht nur auf die Zerstörung der Glaubenfreiheit gezielt, sondern auch die nationalstaatliche Entwicklung Deutschlands entschieden gehemmt. Gegenüber einer primär machtpolitischen Auseinandersetzung in einem konstitutionellen Konflikt akzentuierte diese Geschichtsauffassung die religiöse und konfessionelle Motivation für den Krieg. Im Kontext eines Protestantismusverständnisses als fortschrittlicher Kraft mit dem Ziel, über die Geistesfreiheit auch die politische und nationale Selbstbestimmung zu erringen, wurde der Dreißigjährige Krieg zum religiös-nationalen Verteidigungs- und Befreiungskrieg stilisiert. Häusser verurteilte die böhmische Politik Kaiser Ferdinands II., des „rücksichtslosen Fanatiker[s] der extremen Restauration“, als „furchtbare[n] religiöse[n] Terrorismus, der Jahre lang das unglückliche Volk bis auf das Blut gepeinigt, viele Tausende in’s Ausland getrieben und dennoch den Protestantismus nicht vollständig ausgerottet hat“. Mit der Gegenreformation habe der Krieg zudem aufgehört, ein böhmischer oder deutscher zu sein, und sei zu einem europäischen geworden. 46 Das Auftreten Gustav Adolfs bildete hier die Grundlage für Spekulationen 43

Gfrörer, Gustav Adolph, S. 893 f. Vgl. Schönemann, Rezeption, S. 816 f. Siehe dazu Häusser, Geschichte des Zeitalters der Reformation, S. 121. 45 Droysen, GPP 3, 1, S. 4. 46 Häusser, Geschichte des Zeitalters der Reformation, S. 496, 502 f. Siehe dazu Cramer, The Lamentations of Germany, S. 72 ff. 44

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über ein protestantisch schwedisch-preußisches Reich, dem Gegenmodell zum großdeutsch-katholischen Mythos von 1629. 47 Johann Gustav Droysen sorgte in seiner Geschichte der preußischen Politik für einen markanten Blickwechsel auf die Rolle Brandenburg-Preußens und den Großen Kurfürsten. Im Fortschrittstheorem seiner schulbildenden Geschichtsschreibung übernahm der aufstrebende norddeutsche Staat den „deutschen Beruf“. Droysen, hier der großdeutschen Lesart nahe stehend, begriff den Dreißigjährigen Krieg als einen machtpolitischen Konflikt, der um die „deutsche Frage“ kreiste. Droysen entwarf ein Geschichtspanorama, das vom Hochmittelalter als nationaler Höhepunkt über eine Verfallsgeschichte unter den Habsburgern bis hin zur Wiedergeburt des nationalen Gedankens in den Befreiungskriegen reichte, die ein neues deutsches Reiches unter preußischer Führung antizipierten. Dreh- und Angelpunkt war dabei der Dreißigjährige Krieg. Er hatte zur „Ohnmacht Deutschlands“ geführt, dauerhaft gemacht durch den Westfälischen Frieden „im Interesse fremder Mächte [ . . . ], von denen die eine – nicht oft genug und nicht hart genug kann es gesagt werden – den kaiserlichen Namen trug.“ 48 Im Dreißigjährigen Kriege als „der großen deutschen Revolution“ ging, so Droysen, das „alte Deutschland“ für immer zu Grunde. Im „wüste[n] Tummelplatz für verwilderte Kriegshorden“ gab es keine deutsche Nation mehr, „es waren nur noch elende, zerrissene Reste eines untergegangenen Volkes“. 49 Mit Ausgang des Krieges habe zugleich die territoriale Geschichte des Hauses Brandenburg geendet und die Geschichte des preußischen Staates begonnen: „Diesen Übergang veranlasst, ihn geschichtlich und moralisch möglich gemacht zu haben, das ist das Interesse, welches für unsere Aufgabe der dreißigjährige Krieg hat. Die Schrecken dieses Krieges, die Zerrüttung allen Rechts, aller Gesittung und Wohlfahrt, die Greuel allgemeinen Untergangs, das sind die Weihen, unter denen der neue Staat geboren ist.“ 50 Vor diesem Hintergrund begriff es Droysen als seine Aufgabe zu zeigen, „was in dem Untergang unsrer nationalen Geschichte an Gedanken, Aufgaben, Möglichkeiten zu retten blieb und von dem Hause Brandenburg gerettet, in die Fundamente des neuen Staats mit eingesenkt wurde; denn das ist es, was ihn rechtfertigt, ihn erklärt, ihm seine Zukunft gab“. 51 Droysen befreite mit einem Winkelzug die Politik Friedrich Wilhelms aus dem Zwielicht des Verrats an der Reichsnation, indem er die Aufgabe der „Rechtscontinuität des Reiches“ mit dem Prager Frieden bereits in das Jahr 1635 datierte, also vor 47 Kritikern, die darin „ein Verbrechen gegen die deutsche Nationalität“ erkannten, hielt man die Überzeugung entgegen, dass Schweden dem „Zuge des größeren Deutschlands“ hätte folgen müssen, und nicht umgekehrt. Vgl. Der deutsche Protestantismus, S. 371. 48 Droysen, GPP 3, 2, S. 7. 49 Droysen, GPP 3, 1, S. 146. 50 Ebd., S. 3. 51 Ebd.

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

den Machtantritt des Großen Kurfürsten. Dessen weiteres Vorgehen erschien nun als nationale Politik gegen die „Fremdherrschaft des entdeutschten Hause Österreich über Deutschland“. 52 Diese Argumentationslinie, in der die nationale Identifikation vom Reich auf Preußen übertragen wird, hat Bernd Schönemann pointiert als „translatio nationis“ bezeichnet. 53 Sie wurde prägend für ganze Historikergenerationen. 54 Gegenüber dem großdeutschen „Reichswahn“ erklärte auch Ludwig Karl Aegidi 1866 kurz und knapp den „Tod“ des alten Reiches zur „Lebensbedingung“ für das neue Deutschland. „Neudeutschland“ habe mit dem großen Kurfürsten und seinem preußischen Staat begonnen. 55 Die „unerträgliche Fabel“ von einem fortdauerndem Reich hatte nach Aegidi schließlich Friedrich II. vollständig widerlegt, „der erste Deutsche, an welchem unsre Nation sich endlich einmal erbauen, durch den sie wieder einmal mit Ehren vor der Welt bestehen konnte“. 56 Es gab also durchaus Sieger in der deutschen ‚Verlierernation‘. Die Einigkeit in der deutschen Historikerzunft darüber, dass der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Frieden zur nationalen Ohnmacht geführt hatten, löste sich in gänzlich unterschiedliche Geschichtsentwürfe auf. 57 Der Krieg schrieb Siegund Niederlagengeschichten, hatte Helden und Antihelden. In den umkämpften Kriegsdeutungen ging es darum, umstrittene Protagonisten zu glorifizieren, zu rehabilitieren oder aber zu demontieren. Im Mittelpunkt der Forschungen stand dabei die Zeitspanne zwischen 1629 und 1635. Die herausragenden Ereignisse bildeten das kaiserliche Restitutionsedikt von 1629, der Schwedische Krieg mit den Schlachten von Breitenfeld, Rain am Lech und Lützen (1630 –1635) sowie der Prager Frieden von 1635 zwischen Kaiser und Reichsständen. Eine Untersuchung von 180 Schulbüchern, die bis 1869 erschienen und ausschließlich oder 52

Ebd., S. 153. Vgl. dazu Schönemann, Rezeption, S. 815 f. Ebd. 54 Vgl. zur Verbreitung dieser Geschichtsauffassung die Populärliteratur von Biedermann und Freytag. Biedermann bediente mit der Überhöhung der Reformation zur „nationalen Wiedergeburt“ und des Protestantismus als der „belebende und verjüngende Geist“, sowie der Darstellung der Habsburger als „Unterdrücker und Verfolger der protestantischen Freiheit“ kleindeutsche Stereotype (Vgl. Biedermann, Deutschlands trübste Zeit, S. 5, 16, 23, 29). Freytag schrieb zur Schuldfrage: „Der lange Kampf war, politisch betrachtet, ein Verteidigungskrieg der protestantischen Partei gegen die Unduldsamkeit des alten Glaubens und die Übergriffe der kaiserlichem Macht“. Das Haus Habsburg „war durch hundert Jahre [ . . . ] Gegner des volkstümlichen Lebens gewesen, es hatte seine spanischen und italienischen Verbindungen, es hatte die römischen Jesuiten zum Kampfe gegen die einheimische Bildung des Volkes gestellt [ . . . ]. Auf seinem Haupte liegt die Schuld des unerhörten Krieges [ . . . ]“ (Vgl. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, S. 204 f.). Siehe dazu Niebuhr, Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges, S. 70 –77. 55 Aegidi, Woher und Wohin, S. 12. 56 Ebd., S. 30. 57 Schönemann, Rezeption, S. 812. 53

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teilweise den Dreißigjährigen Krieg behandelten, bestätigt diesen Eindruck der zeitgenössischen Gewichtung einzelner Kriegsjahre. 58 Die Lehrbücher verweisen zudem auf lokale und konfessionelle Faktoren in der Strukturierung der Erinnerung. Hier tritt neben die geschichtswissenschaftliche Forschung, die literarische Verarbeitung für ein lesendes Bürgertum und die volkstümliche Überlieferung in Festen und Liedern sowie die dynastische Repräsentation, die mit Denkmälern und Gemälden von den Heldengeschichten kündete. Diese territorialstaatlich-dynastische Perspektive in der Erinnerung und die prägende Rolle von Akteuren des Dreißigjährigen Krieges als Vor- und Feindbilder in der politischen Traditionsbildung der Einzelstaaten sind am Beispiel Maximilians I. und Tillys für Bayern ausgezeichnet untersucht. 59 2. Zeugen der Anklage: Das „Verbrechen“ an den Deutschen und die Erzählungen von Held und Antiheld im Dreißigjährigen Krieg Die historischen Argumentationen beider Lager waren von moralischen Charakterstudien der Kriegsparteien gekennzeichnet, für die sich in Anlehnung an eine bekannte rhetorische Formel postulieren lässt: Im Anfang war Schiller. 60 „Wer die ausführliche Geschichte des höchst interessanten dreißigjährigen Krieges lesen will, mag Schillers vortreffliches Werk [ . . . ] zur Hand nehmen“, lautete der Rat eines weit verbreiteten Schullehrbuchs im 19. Jahrhundert. 61 Die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, die zunächst im Historischen Calender für Damen veröffentlicht wurde, war publizistisch höchst erfolgreich und trotz aller Kritik an den handwerklichen Fähigkeiten Schillers als Historiker auch ein Wendepunkt in der Historiographie. 62 Eine größere Rolle für die breite Rezeption zentraler Protagonisten des Krieges spielte jedoch die Wallenstein-Trilogie des Dichters, die sich besonderer Beliebtheit bei den Studenten im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts erfreute. 63 Für Katholiken jedoch gaben diese Werke Anlass zu nachhaltig geführten Attacken gegen den Säulenheiligen der deutschen Nationalbewegung. Dies verdeutlicht eine Artikelserie, die im Revolutionsjahr 1848 im Rheinischen Kirchenblatt erschien. Für die katholische Zeitschrift bildete nicht der „falsche Nationali58

Vgl. dazu Gantet, Feste. Vgl. Gollwitzer, Funktionswandel; Körner, Staat und Geschichte. 60 Siehe dazu Oellers, Schiller – Zeitgenosse aller Epochen; Stadler, Dichterverehrung und nationale Repräsentanz; Noltenius, Dichterfeiern in Deutschland; Prinz, Schillerbilder. 61 Vgl. Gantet, Feste, S. 654. 62 Siehe dazu Repgen, Der Dreißigjährige Krieg im deutschen Geschichtsbild vor Schiller. 63 Vgl. Ludwig, Schiller und die deutsche Nachwelt, S. 117. Siehe dazu Hartmann, Wallenstein; Heuer, Schillers Wallenstein. 59

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

tätsschwindel“ der Revolution „ächte Vaterlandsliebe“, sondern nur die ererbte Tradition, die „Erfahrung vom Werthe der vaterländischen Einrichtungen, Sitten und Großthaten“. Dem Deutschen aber, so lautete der Vorwurf, sei durch Lügen der Stolz auf die Geschichte seiner Vorfahren genommen und damit der letzte Halt seines Nationalgefühls zerstört worden: „Das Unheil, welches seit dem westphälischen Frieden nun zwei lange Jahrhunderte auf uns lastet, und dessen erstes Ursprungsdatum Anno 1517 heißt, hat nicht nur unsere politischen Institutionen und unserer europäische Stellung, nicht nur unser materielles und geistiges Wohl untergraben, sondern auch unsere Geschichte mit Lüge und Schande besudelt. Der Parteigeist hat die Geschichte so behandelt, daß der Deutsche, und namentlich der katholische Deutsche, sich oft genug seiner größten und verdienstreichsten Männer schämt, während er die Verräther und Henker seines Vaterlandes vergöttern gelernt hat.“ Vor allen anderen traf Schiller der Vorwurf, als „Geschichtszubereiter“ mit vom „Katholikenhass“ gezeichnetem, parteiischem Urteil „Sünden“ an der Nation begangen zu haben. 64 Herausgehoben wurde dabei die Darstellung des kaiserlichen Feldherrn Johann Tserclaes Graf von Tilly. 65 Zusammen mit dem Schwedenkönig Gustav II. Adolf bildete dieser das Protagonistengespann eines Jahrzehnte währenden Schauspiels heftiger Anfeindungen unter den konkurrierenden Deutungseliten. 66 Die historische Bühne dazu stellte Magdeburg, dessen Zerstörung gemeinhin als „Höhepunkt des Grässlichen im dreißigjährigen Krieg“ galt. 67 Hier liefen die Fäden der politisch motivierten Polemik über historische Schuld zusammen. Die Stadt als Opfer und Mahnmal gegen den Glaubenshass: dies konnte noch als lagerübergreifendes Motiv gelten. 68 Die Parole von Magdeburg als „Märtyrer für das reine Evangelium“ dagegen gehörte in den protestantischen Zitatenschatz. Daran band sich das verbreitete Bild Tillys als „fleischgewordene[s] Prinzip des Fanatismus und der Grausamkeit“. 69 Es kam 1831 am zweihundertsten Jahrestag 64 Schillers Sünden an der Geschichte, in: Rheinisches Kirchenblatt. Eine katholische Zeitschrift zur Belehrung und Erbauung, 4. u. 11. Februar 1849. Der Artikel basierte auf Heising, Magdeburg nicht durch Tilly zerstört. Vgl. zur Rezeptionsgeschichte Wallensteins Pfefferkorn, Wallenstein und die Reichsidee; Mannigel, Wallenstein in Weimar. 65 Vgl. zu seiner Tilly Darstellung Schiller, Der Dreißigjährige Krieg, S. 149 ff. und S. 157 ff. (Belagerung Magdeburgs). 66 Zur Bedeutung von Tilly und Gustav Adolf für die konfessionelle Identitätsstiftung siehe jetzt Wald, Die Gesichter der Streitenden. 67 Heller, Hat Tilly absichtlich Magdeburg zerstört, S. 36. A. A. Heller, in Melk als Gymnasiallehrer tätig, bringt eine umfangreiche Darstellung des Tilly-Streits in der Historiographie aus Sicht eines Tilly-Verteidigers. Rezension dazu in Der Katholik, 47 (1867), S. 715 –720. Der Rezensent, P. R. Mittermüller, spekuliert, dass Heller ein Mönch des dortigen Benediktinerklosters sein könne und urteilt, die „gediegene Arbeit“ verdiene besondere Empfehlung und weitere Verbreitung. 68 Schenkel, Luther und seine Kampfgenossen, S. 102.

II. Die konkurrierenden Deutungsmuster

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der Zerstörung zum Ausdruck, als die Stadt eine Gedenkmünze herausgab, die Tilly mit Brandfackel statt Kommandostab in der Hand zeigte. Massive Kritik lösten auf gegnerischer Seite außerdem die aus Anlass der Gedächtnisfeiern gehaltenen Predigten aus, die im „konfessionellen Eifer ihren Vorgängern in den früheren Jahrhunderten alle Ehre machten, und entweder aus Unwissenheit oder Absicht die Geschichte misshandelten.“ 70 Für den Altlutheraner Klopp, der später zum Katholizismus konvertierte, war die Erzählung über die Zerstörung Magdeburgs der „Kern und das Centrum der schwedischen Büberei und Verleumdung“. 71 Seine Förderer sahen in ihm den „Mann, um die Geschichte von dem tendenziösen Fälschungen zu reinigen und auf Universitäten veredelnd zu wirken“. 72 Zu ihnen zählte auch der großdeutsch gesinnte Antipreuße Ludwig Windthorst, der Klopps Bemühungen um die Ehrenrettung Tillys früh „einen starken Sturm“ voraussagte. Er ahnte, dass die „Gelehrten der Berliner Schule mit der Filiale in München“ unbarmherzig über den jungen Mann herfallen würden, wenn sie es nicht vorzögen, ihn tot zu schweigen. Nach Veröffentlichung seiner Tilly-Biographie traf Klopp der prophezeite Vorwurf, politische und religiöse Absichten würden sich in seinem Urteil „verketten“. 73 Mit Klopp echauffierte sich auch der Protestant Albert Heising, dessen Argumentation national, also vor allem gegen den „Ausländer“ Gustav Adolf gerichtet war, über den Undank der Geschichte, die Tilly als einen „Bluthund“ und „fanatischen Mordbrenner Magdeburgs“ darstelle. Tilly aber habe unter den „schrecklichsten Verwilderungen“ den schweren Beruf besessen, Kaiser und Reich gegen innere und äußere Feinde noch im hohen Alter zu verteidigen. Und auch wenn zu bedauern sei, so Heising, dass sein kriegerisches Wirken gegen Deutsche gerichtet gewesen war, so würde er damit doch nur das gleiche Schicksal teilen wie so viele „ausgezeichnete Männer unserer Nation seit Hermann dem Cherusker“. Aus Sicht seiner Verteidiger war Tilly ein „Ehrenmann“, wie ihm die deutsche Nation nur wenige an die Seite stellen könnte. Dank gebühre ihm besonders für die Erhaltung 69

Heller, Hat Tilly absichtlich Magdeburg zerstört, S. 48. Heising, Magdeburg nicht durch Tilly zerstört, S. 112 f. Heising bezieht sich auf die Predigtsammlung Sintenis, Die Säkularfeier der Zerstörung von Magdeburg, 1831. 71 Brief von Onno Klopp an die Redaktion der Historisch-Politischen Blätter vom 8. Februar 1860, in Joseph Edmund Jörg. Briefwechsel, S. 99. Klopps Tilly-Biographie fand vor Erscheinen bereits einen Vorabdruck in den Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland unter dem Titel „Tilly, Magdeburg und Gustav Adolf“. 72 Vgl. die Briefe von L. Windthorst an Onno Klopp vom 3. September 1861 (Nr. 46) in Windthorst Briefe, S. 67. 73 Die „Bekämpfung solcher handgreiflichen Blendwerke zur Bethörung der nicht prüfenden Leser“ war aus Sicht seines Kritikers insbesondere deshalb so wichtig, weil in der Gegenwart „jedes Körnchen von Wahrheit oder Unwahrheit“ zur Rechtfertigung der römisch-katholischen Kirche und für Anfeindung des evangelischen Glaubens benutzt würde. Vgl. Historische Briefe, S. 157 ff. (Zitat S. 159). 70

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

des Magdeburger Domes und die Rettung von tausend dort eingeschlossenen Bewohnern der Stadt. 74 Klopps Biographie kulminierte in den Schlussworten: „Den Dom von Magdeburg hat Tilly geschützt und errettet von den Schweden; der Dom von Magdeburg verkündet Tilly’s Namen und Tilly’s Ehre. Das ist sein Denkmal von Stein auf deutscher Erde.“ In Bayern zeigte ein 1853 erschienenes Schulbuch als Illustration des Dreißigjährigen Krieges die hungernden Bewohner Magdeburgs, unter denen Tilly Brot verteilen lässt. Hier rühmte man nicht allein den Generals- und Kriegsheroen, sondern erinnerte auch an den Glaubenshelden, den exzeptionellen Menschen und Christen. Tilly, als kämpfender Katholik zur positiv besetzten Figur des Krieges stilisiert, wurde zum bayerisch-patriotischen Nationalheld wie antiprotestantischer Integrationsfigur. 75 Sein Grab in der Peterskapelle der Altöttinger Stiftskirche, im Volksmund als Tilly-Kapelle bekannt, war ein viel besuchter Ort von Wallfahrern auf ihrem Weg zur dortigen Gnadenkappelle. Ein Brückenkopf der Festung Ingolstadt trug seinen Namen und sein Wappen, und vor der Münchner Feldherrnhalle wurde ihm zu Ehren 1843 eine Statue neben derjenigen General Wredes errichtet. 76 Die bayerische Tilly-Verehrung war Teil der Traditionspflege zur Legitimation des Königtums der Wittelsbacher und stand im Kontext des Kults um Maximilian I. unter König Ludwig I. 77 Die „Maximilianeische Idee“ war programmatisch für dessen Konfessionalisierungspolitik, die zur Pflege einer rein katholischen Gesinnung dienen sollte. Sie brachte zugleich das Selbstverständnis des bayerischen Königs als Schirmherr des deutschen Katholizismus zum Ausdruck. 78 Die Breitenwirkung der Büsten Maximilians in der Münchner Residenz und der Walhalla waren noch begrenzt und zählten zur Bewahrung der dynastischen Familientradition. Das von Thorwaldsen geschaffene und 1839 auf dem Wittelsbacherplatz errichtete Reiterstandbild aber trat unübersehbar dem Negativbild Maximilians in protestantischen aber auch liberalen Geschichtsvorstellungen entgegen. 79 „Es 74

Heising, Magdeburg nicht durch Tilly zerstört, S. 113. Siehe dazu Klug, Rückwendung, S. 319. 76 Aus Anlass der Denkmalseinweihung erschien Aretin, Tilly und Wrede. Siehe dazu und weitere Literatur bei Gollwitzer, Funktionswandel, S. 68 f. 77 Gollwitzer, Funktionswandel, S. 57 –63. Vgl. dazu Körner, Staat und Geschichte in Bayern, S. 115 ff. 78 Siehe dazu Aretin, Geschichte des bayerischen Herrschers und Kurfürsten; ders., Wallenstein; Schreiber, Maximilian I. Vgl. auch die Würdigung Maximilians bei Gack, Westphälischer Friedenschluß, S. III. 79 Siehe dazu Körner, Staat und Geschichte in Bayern, S. 121; Gollwitzer, Funktionswandel, S. 67 ff. Die Regierung versuchte, einen militärischen Charakter zu verhindern, mit dem „die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und an die ruhmvolle Bekämpfung der Reformation“ verbunden würde, um keine konfessionelle Angriffsfläche zu bieten. Vgl. Gollwitzer, Funktionswandel, S. 68. Gegenüber der Wertung von Gollwitzer als taktisches 75

II. Die konkurrierenden Deutungsmuster

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ist eine alte Schuld Bayerns, eine fast zweihundertjährige, die heute abgetragen wird“, erklärte König Ludwig zur Einweihung. 80 Neben Tilly und Maximilian I. gehörte auch Kaiser Ferdinand II. zur Phalanx derjenigen, die vor den scheinbar fortwährenden „Geschichtsverfälschungen“ der „protestantischen Partei“ zu schützen waren, wie Friedrich von Hurters Werk über den Kaiser zeigt. Sein Titel – „Friedensbestrebungen Kaiser Ferdinand’s II“ – war bereits Programm: Hurter stellte einem Geschichtsbild, das den Kaiser als einen von Religionshass zerfressenen Kriegstreiber präsentierte, dessen in Wahrheit „unverrückbare Friedensneigung“ entgegen, die „wohl eine der lichtesten Seiten in des Kaisers Charakter“ gewesen sei. 81 Neben dieser Verteidigungsstrategie betrieben großdeutsch-katholische Historiker aber auch die Demontage gegnerischer Vorbilder. Tillys Ehrenrettung und die „moralische Vernichtung“ Gustav Adolfs seien untrennbar, schrieb Klopp 1860 in einem Brief an die Redaktion der Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland, die seit 1838 die katholischen und großdeutsch motivierten historischen Forschungen in Deutschland bündelten. 82 Schon August Gfrörers 1837 publizierte umfangreiche Gustav-Adolf-Biographie hatte den König nicht als jenen reinen, makellosen und uneigennützigen Glaubensheld präsentiert, den die deutschen Protestanten verehrten, sondern als schwedischen Eroberer, der „wie ein Räuber in unser Reich“ eingebrochen sei. 83 Nicht zuletzt Friedrich II., der die Gründe und Vorwände des schwedischen Königs als „frivol“ bezeichnet hatte, lieferte den Gegnern der Gustav-Adolf-Verehrung Munition für ihr Urteil. 84

Manöver sieht Körner darin eine „in der Konsequenz seiner staatspolitischen Maximen liegende Entscheidung“. Sie sei einer integrationspolitischen Grundposition verpflichtet gewesen und habe der konfessionellen Parität und des religions-politischen Friedens entsprochen. Sie habe dazu beitragen können, die Erinnerung an Kurfürst Maximilian I. zu entemotionalisieren und damit staatspolitisch erst sinnvoll und wirkungsmächtig erscheinen lassen. Ebd., S. 123. 80 Hier zit. nach Körner, Staat und Geschichte in Bayern, S. 122. 81 Hurter, Friedensbestrebungen, Vorwort, S. V. Onno Klopp kritisierte, dass die systematische Geschichtsklitterung in Preußen die römischen Kaiser deutscher Nation aus dem Hause Habsburg behandeln würde als seien sie „vogelfrei“. 82 Brief von Onno Klopp an die Redaktion der Historisch-Politischen Blätter am 8. Februar 1860, abgedruckt in Joseph Edmund Jörg, S. 99 f. Der Lutheraner Klopp pries sich in Betreff Tillys als „natürlichen Verbündeten“ an. Vgl. zur Kritik an der protestantischen Gustav-Adolf-Verehrung, der als Ausländer abgestempelt wurde, und zur Würdigung Tillys als bayerisch-patriotischer Nationalheld und antiprotestantische Identifikationsfigur Klug, Rückwendung, S. 274 – 334. 83 Gfrörer, Gustav Adolph, S. 1016. 84 Die Diplomatie Gustav Adolph’s in Franken, in: Der Katholik, 47 (1867), S. 33.

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

Seit den 1830er Jahren war das Gedenken an den Westfälischen Frieden im protestantischen Deutschland hinter diese Erinnerung an Gustav Adolf als lutherischem Kriegshelden zurückgetreten. „Er führte den Krieg des Herrn“: Diese Worte zierten ein Gustav-Adolf-Denkmal in Lützen, das nach Plänen Karl Friedrich Schinkels errichtet und am 6. November 1837 im Beisein von zwanzig Tausend Menschen eingeweiht wurde. 85 Bereits zuvor hatte die Inschrift des dortigen Schwedensteins dem König gehuldigt: „Was Gustav Adolphs Heldengeist vollbracht;/ Was er, der große Held für seinen Glauben,/ für Deutschlands, für Europens Freiheit that.“ Ein weiterer Gedenkstein für die siegreiche Schlacht bei Breitenfeld weitete die Bedeutung der Taten Gustavs Adolfs ins Universale: „Glaubensfreiheit für die Welt/ Rettete bei Breitenfeld/ Gustav Adolph Christ und Held.“ 86 In diesem Verständnis des Feldherrn ließ sich Gustav Adolf vom Feindbild Schweden abkoppeln, das weiterhin neben Frankreich als Aggressor galt. In Ermangelung einer populären deutschen Persönlichkeit, die den katholischen Protagonisten hätte entgegengestellt werden können, konnte der schwedische Heerführer für die deutschen Protestanten zum Ersatzheld und zur Identifikationsfigur werden. 87 Der Kunsthistoriker Siegfried Müller hat nachgewiesen, dass sich erstaunlich viele Gemälde in dieser Epoche der Historienmalerei finden lassen, auf denen Ereignisse aus dem Dreißigjährigen Krieg dargestellt sind. 88 Dabei wird deutlich, dass insbesondere am Ende der dreißiger Jahre das bisher vorherrschende Genre durch konfessionspolitisch motivierte Inhalte ergänzt wurde. Konkurrenzlos war auch hier Gustav Adolf. Neben seinem „Heldentod“ in der Schlacht bei Lützen 1632, der zum meist verbreiteten Motiv aus dem Dreißigjährigen Krieg wurde, setzte die Schlacht bei Breitenfeld den siegreichen Feldherrn in Szene. 89

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Vgl. Oredsson, Geschichtsschreibung und Kult, S. 47; Müller, Der Dreißigjährige Krieg in der deutschen Historien- und Genremalerei, S. 8. 86 Zit. nach Oredsson, Geschichtsschreibung und Kult, S. 47 f. 87 Vgl. zur Gustav-Adolf-Rezeption auch Findeisen, Eine ‚fromme‘ deutsche Legende; Milch, Gustav Adolf in der deutschen und schwedischen Literatur. Siehe auch Stambolis, Nationalisierung trotz Ultramontanisierung, S. 65 ff. 88 Müller, Der Dreißigjährige Krieg in der deutschen Historien- und Genremalerei, S. 2. 89 Ebd., S. 10 ff. Siehe die Gemälde Gustav Adolfs Dankgebet nach dem Sieg bei Breitenfeld 1631 von Jakob Eberhardt, das 1851 vom Verein für Kunstfreunde in Preußen angekauft wurde, und Tilly auf der Flucht bei Breitenfeld 1631 von Wilhelm Camphausen aus dem Jahr 1841. Sie verweisen auf die konträre Darstellung des katholischen Heerführers Tilly, der in Magdeburg in entsprechend dunkle Szene gesetzt wird. Bereits ein Gemälde Daniel Chodowieckis (1726 –1801) von 1798 zeigt Tilly nach der blutigen Eroberung Magdeburgs im Haus des Totengräbers in der Vorstadt Leipzig. Es versinnbildlicht Tillys Ahnung vom Leid, das er über die Stadt Magdeburg gebracht hatte. Dieses einseitig negativ besetzte Ereignis aus dem Krieg, die Belagerung Magdeburgs, ist auch Thema in Adolf Menzels 1846 fertig gestelltem Gemälde Tilly vor dem Dom zu Magdeburg und in Alfred Schüsslers (1802 –1882) Werk aus dem Revolutionsjahr Kirche und Schätze der zerstörten

II. Die konkurrierenden Deutungsmuster

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Die Verehrung des Schwedenkönigs fand seinen stärksten Ausdruck aber im Gustav-Adolf-Verein, der 1832 im Anschluss an die Gedächtnisfeier zur Schlacht von Lützen für die Unterstützung protestantischer Gläubiger in der Diaspora gegründet wurde. 90 Kritiker erkannten in dieser Einrichtung den Versuch, noch volkstümlicher und „in Permanenz“ zur „Verblendung“ beizutragen und brandmarkten dies als „Entwürdigung“ des deutschen Volkes, die schlimmer sei als die Taten Gustav Adolfs selbst. 91 Hier klagte man insbesondere darüber, wie großmütig die deutsche Nation die schwedischen Gräuel vergessen habe. Gustav Adolfs Schuld, von denen Schwedenschanzen und Schwedensteine zeugten, bliebe in tiefes Schweigen gehüllt. 92 Schlimmer noch, so wieder Heising, die schwedischen Raubzüge und Siege über Deutsche würden verherrlicht, „ihre Mordbrenner zu Helden der Menschheit“ erhoben. „Verräther an Deutschland“ und „Held des Jahrhunderts“ seien gleichbedeutend geworden, brachte er die vermeintlich nationale Gefühlsverwirrung unter deutschen Protestanten auf den Punkt. 93 „Die Fahne Gustav Adolfs wird Deutschland Einigkeit nicht bringen, sie kann nur Krieg und Verderben über das schöne Vaterland heraufbeschwören“, kritisierte Ludwig Windthorst. 94 Aber auch einem Lutheraner wie Leopold von Gerlach war der Gustav-Adolf-Verein schon vom Namen her anstößig. Dies sei so, wurde er zitiert, als wenn die Katholiken einen Alba-Verein stiften würden. 95 Mit seinem Urteil stand der preußische Hochkonservative auch einem Katholiken vom Schlage des Konvertiten Joseph Görres nahe, der sich früher bereits ähnlich Stadt Magdeburg werden in Braunschweig durch Tillys Nachzügler feilgeboten. Ebd., S. 6, 12 f. 90 Gegründet am 6. November 1832. Am 16. September 1842 werden die bis dahin bestehende Darmstädter und Dresden/Leipziger-Linie vereint. Vgl. Weil, Festschrift für den Gustav Adolf Verein, S. 1 ff. 91 So die Einschätzung 1846 in den Historisch-Politischen Blättern für das katholische Deutschland mit Bezug auf Heisings Buch Magdeburg nicht durch Tilly zerstört (hier zit. nach Klug, Rückwendung, S. 319). Vgl. auch Buol, Randglossen zu Onno Klopp’ s Tilly, S. 71. 92 Vgl. Hurter, Friedensbestrebungen Kaiser Ferdinand’s, S. VII; Heising, Magdeburg nicht durch Tilly zerstört, S. 254 f. Heising schloss seiner Kritik eine eindringliche Darstellung schwedischer Kriegsverbrechen an: „Menschen ließ man langsam in Backöfen braten, zündete unter Aufgehangenen Feuer an, nagelte sie als Zielscheibe der Pistolen an Thore, hing Männer an den empfindlichsten Gliedern auf, sägte ihnen die Kniescheiben an oder füllte ihnen den Schwedentrunk [Mistjauche und Exkremente, H. S.] ein. Man schlug Pflöcke zwischen Nägel und Fleisch an den Händen und Füßen, schnitt die Fußsohlen auf und streute Salz und Gerste hinein, man schändete Personen von 8 bis 80 Jahren zu Tode, und arbeitete gleichsam am Grabe der Menschlichkeit.“ 93 Heising, Magdeburg nicht durch Tilly zerstört, S. 255 f. 94 Vgl. Brief von L. Windthorst an Onno Klopp vom 3. September 1861 (Nr. 47), in Ludwig Windthorst, S. 67. 95 Vgl. Umschau, in: Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 11. Juni 1866.

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B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg

geäußert hatte. 96 Ludwig Windthorsts Mahnung an seine Mitstreiter, angesichts der Gegenwartsprobleme nicht die „Bearbeitung“ der Geschichte zu vergessen, hatte programmatischen Charakter für das ganze 19. Jahrhundert. 97 Die Gegenwartskämpfe prägten entscheidend den Zugriff auf die Geschichte. Als im Jahr des innerdeutschen Krieges in den Historisch-Politischen Blättern für das katholische Deutschland eine Rezension zu Freiherr von Sodens Buch „Gustav Adolf und sein Heer in Süddeutschland“ erschien, lobte der Rezensent darin zwar einleitend, „wie viel Boden [ . . . ] die historische Wahrheit dem Vorurtheil und der parteiischen Verdrehung abgewonnen [habe], seitdem der furchtbare Kampf des 17. Jahrhunderts zu einem seiner Wichtigkeit entsprechenden Gegenstand der strengen historischen Forschung gemacht worden“ sei. 98 Dass der Artikel am Ende aber doch nur wieder eine Episode des Krieges herausstellte, in der Gustav Adolf die „deutschen Söldnerfürsten“ wegen der „soldatischen Zuchtlosigkeit“ kritisiert hatte, macht deutlich, worauf sich das Interesse in der politischen Publizistik richtete. Hier blieb über das gesamte mit neuen wissenschaftlichen Methoden gewonnene Detailwissen hinweg die Suche nach der emotionalen Ansprache des Lesers handlungsleitend. Dies war symptomatisch für die Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg.

96 Als König Friedrich Wilhelm IV. 1844 das Protektorat über den Gustav-Adolf-Verein übernahm, sorgte dies unter den katholischen Untertanen für große Aufregung, wie Freiherr Bunsen am 19. März 1844 berichtete. Sie wollten nun, so der preußische Diplomat, einen eigenen Verein für die Unterstützung unbemittelter Gemeinden bilden und ihn „Tilly Verein“ nennen. Bunsen dazu weiter: „Das wird man nun entweder nicht wagen auszuführen, oder die Regierung wird den Namen verweigern. Der Minister Eichhorn hat ein Schreiben an die katholischen Bischöfe erlassen, zur Rechtfertigung der Uebernahme des Protectorats; dieser Schritt wird ebenso heftig getadelt wie jener. Man sagt: „qui s’excuse, s’accuse. Was haben die katholischen Bischöfe mit dem Gustav-Adolf-Verein zu thun?“ Vgl. Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen, S. 253 f. 97 Vgl. die Briefe von L. Windthorst an Onno Klopp vom 3. September 1861 (Nr. 46), und an Friedrich Hugo Graf v. Ingelheim bereits vom 19. Dezember 1860 (Nr. 47), abgedruckt in Ludwig Windthorst, S. 65 ff. 98 Vgl. Historische Novitäten. Gustav Adolf und sein Heer in Süddeutschland von 1631 bis 1635 von Franz Freiherr von Soden. I. Von Gustav Adolfs Erscheinen in Süddeutschland bis zu seinem Tod. Erlangen 1865, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 682, 691 ff.

C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg I. Zur Semantik der Krise – Der Dreißigjährige Krieg als Gegenstand von Revolutions- und Kriegserfahrung Unter welchen gesellschaftspolitischen Bedingungen fand zwischen Julirevolution und Einigungskriegen die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg geschichtspolitische Anwendung? Zur Beantwortung dieser grundlegenden Frage zeichnen die folgenden Kapitel einen Dispositionsrahmen des politischen Diskurses in Deutschland, für den das Erleben einer anhaltenden Krise konstitutiv ist. Denn europaweit durchlebten die Menschen im 19. Jahrhundert mit dem Durchbruch zur Moderne eine Epoche von Transformationsprozessen auf politischer, sozialer und materiell-technischer Ebene. 1 Der Analyse dieser Krisenperzeption durch die gesellschaftlichen Deutungseliten in einer sich nachhaltig politisierenden deutschen Öffentlichkeit liegt ein konstruktivistischer Erfahrungsbegriff zugrunde, der Erfahrung als Verknüpfung von Erleben, Wissen, Deuten und Handeln begreift. 2 Damit kann die Krisenerfahrung für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit auf zwei wesentlich miteinander verschränkten Ebenen betrachtet werden: erstens der historischen Verortung von Gegenwartsprozessen und zweitens der davon abgeleiteten Handlungsentwürfe für die Zukunft. Als mit der Aufklärung geborene und in der Französischen Revolution wirksam gewordene politische Idee war der moderne Nationsgedanke ein gewichtiger Transmissionsriemen gesellschaftlicher Veränderungen. Politisch erwiesen sich die Modernisierung und das Ende der feudalen Gesellschaftsordnung als Legitimationskrise der überkommenen Herrschaftsstrukturen. Der Nationalismus, dessen Entwicklung vom Eliten- zu einem Massenphänomen (Wolfgang Hardtwig) in den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit fällt, war Ausdruck zunächst bürgerlicher, dann gesamtgesellschaftlicher Emanzipationsbestrebungen, die moderne Nation verkörperte damit also – in den Worten Reinhart Kosellecks – keinen Erfahrungs-, sondern einen Erwartungsbegriff. Aus einer konstruktivistischen Perspektive erscheint sie als gedachte Ordnung. Diese imagined community beruhte auf „erfundenen“ Traditionen und einer politischen Utopie. 3 1

Vgl. Nohlen (Hg.), Lexikon der Politik, Bd. 7, S. 339; Koselleck, Krise. Siehe dazu die Studien des Tübinger Sonderforschungsbereichs Kriegserfahrung – Krieg und Erfahrung in der Neuzeit; vgl. v. a. Buschmann/Carl (Hg.), Die Erfahrung des Krieges. 2

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Die hier vorgenommene Untersuchung fokussiert im Spannungsfeld von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont auf die unterschiedlichen, aus der Geschichte abgeleiteten Deutschlandbilder mit ihren jeweiligen nationalpolitischen Handlungsentwürfen und nimmt dabei den Spannungsbogen aus nationalen Zukunftsängsten und Zukunftshoffnungen in den Blick. In Grundzügen soll zunächst das politische Feld abgesteckt und schlaglichtartig das historische Panorama erhellt werden, vor dem sich die wesentlichen Koordinaten der Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg bestimmen lassen. 1. Reformation, Reich und Partikularismus – Das historische Erbe im deutschen Nations- und Revolutionsdiskurs a) Reformation und Revolution Die Französische Revolution von 1789 nahm als zentrale Wegmarke im europaweiten Formierungsprozess der Nationen starken Einfluss auch auf den nationalen Diskurs in Deutschland. Je nach ideologischem Standpunkt wurden die Ereignisse im westlichen Nachbarland zum Vorbild erkoren oder aber als Schreckensszenario für den eigenen nationalstaatlichen Weg abgetan. Das politische Denken in Deutschland reflektierte jedoch die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse als „Geburtswehen“ einer neuen Zeit immer auch aus einer weiter gefassten historischen Perspektive. Der Philosoph Theodor Rohmer, der mit seiner 1841 publizierten Schrift Deutschlands Beruf in der Gegenwart und Zukunft einen zeitgenössischen Eindruck vom geschärften Sinn des Vormärz für die gesellschaftlichen Umbrüche und politischen Krisen vermittelt, gibt beispielhaft Zeugnis davon: „In Wahrheit seit der Reformation, noch deutlicher für die wenigsten, die nur die Oberfläche sehen, seit der Revolution, ist Europa in unaufhörlicher Gährung begriffen: alles nur Uebergang, nur Krise oder Intermezzo, die neue Zeit, welche in so unzähligen Zuckungen die Menschheit anstrebt, muß erst noch geboren werden.“ 4 In der deutschen Verarbeitung revolutionärer Ereignisse bildeten traditionell die kulturell gestiftete Erinnerung an die Reformationsepoche und die im kommunikativen Gedächtnis verankerte Französische Revolution gemeinsame Bezugspunkte. Innerhalb der Diskussion nationalpolitischer Handlungsoptionen wies die Erinnerung an die Reformation auf der Ebene des Revolutionsverständnisses einen spezifisch deutschen Weg. Bereits der Kreis radikaler deutscher Spätaufklärer begründete am Ende des 18. Jahrhunderts daraus einen strukturellen Vorsprung und eine kulturelle Überlegenheit Deutschlands gegenüber dem „welschen“ Nachbarland mit seinen revolutionären Gewaltexzessen. 5

3 Vgl. Koselleck, Vergangene Zukunft; Anderson, Die Erfindung der Nation; Hobsbawn, Nationen und Nationalismus. 4 Rohmer, Deutschlands Beruf in der Gegenwart und Zukunft, S. 62 f.

I. Zur Semantik der Krise

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„Wo der echte Protestantismus waltet, da hat die Reformation die Revolution besiegt“, proklamierte Mitte des 19. Jahrhunderts die Schrift eines namenlosen deutschen Protestanten. Sie beschwor die „geistige Macht“ im Protestantismus, die allein den freien Staat der Neuzeit aufzubauen vermöge. 6 Hier formuliert sich ein liberales Verständnis vom Protestantismus als ein politisches Prinzip, das in vielerlei Hinsicht gesellschaftlichen Zündstoff barg. 7 Denn einer Deutung der Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts als Fortsetzung oder Vollendung der Reformation verweigerten sich die kirchlich-orthodoxen Kreise innerhalb des Protestantismus entschieden und pochten auf den Unterschied in Wesen und Geist beider Ereignisse. Nach ihrem Verständnis hatte die Reformation sein klares Ziel auf dem Boden des Christentums verfolgt, während der säkulare Geist der revolutionären Gegenwart vom „Zerstören ohne Wiederaufzubauen“ geprägt sei und nicht zuletzt die Einheit von Thron und Altar bedrohte. 8

5

Zu dieser Gruppe deutscher Intellektueller zählten u. a. Georg Forster, Georg Friedrich Rebmann, Heinrich Christoph Albrecht und Heinrich Würzer. Beispielhaft ist Rebmanns Äußerung von 1798: „Einen Hauptvorteil bei unsrer neuen Revolution gewährt es uns, dass schon die Reformation einen großen Teil von unsrer Arbeit längst vollendet hat. Die Hierarchie ist im protestantischen Teile Deutschlands zu Boden geworfen, und nur der weltliche Despotismus bleibt uns noch zu bekämpfen übrig.“ Und: „Man braucht den deutschen Charakter nur obenhin zu kennen, um leicht einzusehen, dass wir keine bedeutende Reaktion zu fürchten haben, weil unsre Revolution nie ihre Grenzen so weit überschreiten und nie so gewaltsam werden kann als die fränkische. [ . . . ] Wir sind reifer zur Freiheit, als die Franken es noch jetzt nach acht Jahren des Kampfes sind.“ Vgl. Rebmann, Fortsetzung der Ideen über die Revolution in Deutschland, S. 151, 159 ff. Vgl. zur radikalen Spätaufklärung Schneider, Aufklärung und Poltik; Mehnert, Protestantismus und die radikale Spätaufklärung. 6 Die Politik des Hauses Oesterreich, S. 216. 7 Vgl. dazu Der deutsche Protestantismus, S. 544. Der unbekannte Autor dieser Schrift von 1846, die binnen kurzem drei Auflagen erfuhr, verweist auf die liberale Deutsche Vierteljahrsschrift, wo ein ähnlicher Gedanke formuliert worden sei (Vgl. Deutsche Vierteljahrsschrift, 1847, 1. Heft, S. 103.). 8 Vgl. Geschichte, Vorzeit und Gegenwart, S. 16 ff. Die Revolution als „weltgeschichtliche Signatur“ der Gegenwart meinte im Denken Friedrich Julius Stahl, des vom Judentum zum Protestantismus konvertierten Staatsrechtlers und führendem Kopf des preußischen Konservativismus, nicht die Empörung des Volkes und die Anarchie im Barrikadenkampf. Dies waren für ihn nur die „Symptome der Krankheit“, deren eigentliches Wesen der politischen Lehre von 1789 nach die Selbstvergötterung des Menschen im Rationalismus war, „die Gründung des ganzen öffentlichen Zustandes auf den Willen des Menschen statt auf Gottes Ordnung und Fügung“, kurz: die Volkssouveränität. Rationalismus und Revolution waren demnach „die reine scharfe Herausstellung des bösen Princips. Sie treten darum im bestimmten Momente in die Weltgeschichte ein, bilden eine bestimmte, vielleicht die letzte, Stufe in der Entwickelung des Kampfes zwischen den Geistern des Lichts und den Geistern der Finsterniß. Sie sind vielleicht der Anfang des Endes, die Zeichen des Eintritts in die apokalyptische Zeit.“ Man schließe, so die politische Handlungsanweisung des Konservativen von Stahl, die Revolution daher auch nicht durch den „papiernen Maulkorb“ einer Verfassung, sondern nur durch die Macht des Christentums, dem „Urbild jenes

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Im Ende der christlichen Glaubenseinheit den Ursprung der Revolution zu sehen, war wiederum ein Grundmotiv der katholischen Angriffe gegen den Protestantismus. Johann Adam Boost, der als Aktivist der Mainzer Republik über eigene Revolutionserfahrungen verfügte, sich aber nach und nach zu einem hochkatholischen Agitator entwickelt hatte, erklärte 1832 beispielhaft dafür Reformation und Revolution zu sündigen Zwillingsschwestern. Während im 16. Jahrhundert zunächst die Herrscher ihre Völker verführt hätten, würden sich diese nun gegen die eigenen Fürsten erheben. Mit anderen Worten: Die Reformation entließ ihre Kinder in die Revolution. Die Juliereignisse im Nachbarland begriff Boost dabei als Anfang vom Ende der großen Französischen Revolution und als eine von der Vorsehung herbeigeführte „Reinigungsperiode“ der Menschheit. Frankreich und Deutschland tauschten demnach nur die Rollen: Frankreich beende so die politische Revolution im Geist und mit den Folgen der religiösen Reformation wie umgekehrt Deutschland die religiöse Reformation im Geist und mit den Folgen der politischen Revolution vollende. Die Gefahr für die Monarchie, das Christentum und insbesondere die katholische Kirche veranschlagte Boost im so zu erwartenden „zweiten Revolutionskrieg“ allerdings gering, denn „in den Ländern der Kukuspeter und der Richelieu’s, der Bayard und Ludwig des Heiligen, in jenen der Loyola’s und Ximenes, der Alba’s und Ferdinand des Katholischen, in jenen der Zryny und der Huniaden, der Kapistran und Larmormain, der Tilly und Wallenstein, der Maximilian und Ferdinand II. finden sich zu allen Zeiten auswählbare Werkzeuge, denen Gott, wie einst dem Gideon, sein Schwerdt anvertrauen und auch segnen wird“. 9 Der Streit über das Verhältnis von Reformation, Protestantismus und Revolution führt zu zwei Kategorien der politischen Kultur in Deutschland, die in der Forschung lange unterschätzt wurden: 1. zur Religion als einer wesentlichen Deutungsfolie in der Wahrnehmung von Gegenwartsprozessen und 2. zur konfessionellen Segmentierung als prägendem Strukturelement der deutschen Gesellschaft. Gegenüber dem früheren Theorem eines linearen Fortschritts im säkularistischen Modernisierungsprozess wird heute auf Widersprüche und Asymmetrien verwiesen, vor allem auf die fortschreitende Entkirchlichung bei gleichzeitiger Erneuerung von Religiosität. Die Renaissance der Religion im 19. Jahrhundert ist heute unbestritten. „Konfessionalisierungsschübe“ (Hartmut Lehmann) und wachsende Volksfrömmigkeit in Deutschland sind wesentliche Krisensymptome der gesellschaftlichen Modernisierung und Mobilisierung, für deren Bewältigung die Religion als Letztinstanz weiterhin handlungsleitende Orientierung bot. 10

Reiches der Freiheit, dessen bloßes Zerrbild die Revolution ist.“ Vgl. Stahl, Was ist die Revolution, S. 132 – 146. Siehe auch ders., Der Protestantismus als politisches Princip. 9 Vgl. Boost, Das Jahr 1810, S. 291 ff., 315, 348 f. 10 Vgl. v. a. Lehmann (Hg.), Säkularisierung, Dechristianisierung, Rechristianisierung; Gramley, Christliches Vaterland, einiges Volk, S. 84.

I. Zur Semantik der Krise

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Vor allem in der Verarbeitung von Kriegserfahrungen erweisen sich im 19. Jahrhundert religiöse Weltbilder als überaus wirkungsvoll, wie die allgegenwärtige Deutung des Krieges als ein Strafgericht Gottes und als ein Sühneopfer zur notwendigen Reinigung der Menschheit verdeutlicht. Die Religion blieb für weite gesellschaftliche Kreise die „Deutungsinstanz par excellence“ (Horst Carl). 11 Die Säkularisierung war damit ein Prozess einerseits der Entkirchlichung, andererseits aber auch der Transformation des Religiösen. Denn Nation und Religion – dies ist ein wesentlicher Befund der neueren Forschung – waren keineswegs sich gänzlich ausschließende Antipoden, wie es ein Verständnis des Nationalismus als „Ersatzreligion“ oder als „säkulare“ und „politische Religion“ vordergründig impliziert. 12 Sie bedingten einander und durchdrangen sich wechselseitig. Das kommt etwa in der Sakralisierung der Nation, vor allem im religiös grundierten nationalen Totenkult zum Ausdruck. Die Revitalisierung des Religiösen führte unter den Bedingungen des Nationalismus und mit dem Zurückdrängen des irenischen Gedankens zugleich zu einer schärferen Konturierung der verschiedenen christlichen Konfessionen. Die Konfessionalisierung Deutschlands als die von Zeitgenossen wie Leopold von Ranke empfundene „tiefste Spaltung der Nation“ gehört als entscheidender Wendepunkt zu den Scheidewegen der deutschen Geschichte. 13 Dieser „Krebsschaden“ innerhalb der deutschen Gesellschaft war ein einflussreicher nationalpolitischer Faktor, denn Territorialstaatlichkeit und Konfession waren seit 1648 eng miteinander verzahnt. 14 Die konfessionelle Spaltung als konstitutives Element der neueren deutschen Geschichte hatte mit dem Westfälischen Frieden einen quasi verfassungsrechtlichen Status gewonnen. Seine anhaltende Bedeutung für die religiöspolitische Realität des 19. Jahrhunderts wurde betont. 15 Im politisch zersplitterten Deutschland führte das Vertragswerk zu einem konfessionellen Dualismus bei gleichzeitiger konfessioneller Einheit des Einzelterritoriums. Anders gewendet: Ab 1648 verband die stärkste überterritoriale Gemeinsamkeit die Deutschen gleichen Glaubens, aber unterschiedlicher Herrschaft. 16 Der Konfession erwuchs

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Carl, „Der Anfang vom Ende“, S. 87. Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 503 –529. Siehe dazu außerdem ders., Der Ideenfundus des Nationalismus; Walkenhorst, Nationalismus als „politische Religion“; F. W. Graf, Die Nation – Von Gott erfunden; Hübinger, Sakralisierung der Nation; Kuhlemann, Bürgerlichkeit und Religion. 13 Ranke hier zit. nach F. W. Graf, Die Nation – Von Gott erfunden, S. 315. Vgl. Thadden, Die Konfessionalisierung, S. 50. 14 Vgl. Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. VII; Speßhardt, Wohin und Wodurch, S. 85. 15 Eine um 1840 publizierte juristische Abhandlung lieferte „Völkerrechtliche Beweise für die fortwährende Gültigkeit des westphälischen oder allgemeinen Religions-Friedens, wie er als erster Grund-Vertrag von Europa und charta magna in teutschen Staaten bekannt ist“. Vgl. Klüber, Völkerrechtliche Beweise. 12

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

damit eine politische Dimension, die zur Belastungsprobe im Einheitsstreben der Nation wurde. Die Zeitgenossen wussten um die weitreichende Bedeutung der Feindseligkeiten zwischen Protestanten und Katholiken, die sie durch die „Zwangsehe im Reich“ infolge des Westfälischen Friedens zwar „abgestumpft“, aber in Deutschland fest verankert sahen und in politisch-kultureller Dimension als ein zentrales Problem deutscher Identitätsstiftung begriffen. 17 „Unendlich groß ist die Verschiedenheit zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands [ . . . ] was die Natur getrennt hat, kann der Mensch nicht einigen“. So hatte der Gothaer Superintendent Karl Gottlieb Bretschneider bereits 1806 einen Zustand wiedergegeben, den Joseph Görres wenige Jahre später mit der Formel der zwei verschiedenen „Völkersysteme“ in Deutschland belegte. 18 Da das Prinzip des preußischen Staates der Protestantismus sei, bleibe er dort immer ein Fremder, beschrieb der am Berliner Hof einflussreiche Katholik Joseph Maria von Radowitz ein Gefühl, das die Identitätskonflikte in Deutschland beispielhaft verdeutlicht. 19 Ludwig von der Pfordten erging es als Protestant in bayerischen Diensten, wo er sich seiner Konfession wegen ständiger Angriffe ausgesetzt sah, nicht anders. Während der Nationalismus als Einigungskonzept in seiner nationalreligiösen Ausprägung eigentlich danach trachtet, Glaubensgegensätze zu überwinden, dominierten im Formierungsprozess der deutschen Nation die konfessionellen Deutungsmuster. Dies barg ein beträchtliches gesellschaftliches Konfliktpotential und radikalisierte mit der Erinnerung an die Epoche der Glaubenskriege nachhaltig den deutschen Diskurs über Nation, Revolution und Krieg. 20 Der Böhme Franz Schuselka schrieb 1843 über den Konfessionsgegensatz, dass auch wenn die religiösen und kirchlichen Zustände vorderhand durch die politischen Bewegungen der Zeit in den Hintergrund gedrängt seien, diese doch die Gefahr einer Spaltung Deutschlands beinhalten würden. 21 Im Zuge der Revolution von 1848/49, dem ersten Höhepunkt der nationalen Auseinandersetzung in Deutschland, wurde entsprechende Kritik an den „politischen Ruhmesrednern des Tages“ laut, die 16 Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Bd. VIII, S. 383 f.; Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 35. 17 Werner, Die preußische Politik, S. 1. Vgl. hierzu Altgeld, Katholizismus, Protestantismus, Judentum. Siehe auch Lill, Großdeutsch und Kleindeutsch. 18 Hier zit. nach Altgeld, Katholizismus, Protestantismus, Judentum, S. 130, 134. „Nicht bloß die Gewohnheiten und Erinnerungen und der ächt deutsche Neid, sondern die Confessionen, die Interessen, die typischen Anschauungen trennen sie in allem positiven“, vermerkte eine Denkschrift im Angesicht der Revolution von Johann Gustav Droysen zur nationalen Stimmung der Deutschen. Vgl. Droysen, Beiträge zur neuesten deutschen Geschichte, S. 53. 19 Zit. nach W. Mommsen, Größe und Versagen, S. 167. 20 Vgl. Laube, Fest Religion und Erinnerung, S. 13. 21 Schuselka, Deutsche Worte eines Österreichers, S. 163.

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über die alte religiöse „Mordsverrücktheit“ und die Warnung vor deren möglicher Wiederkehr nur zu spotten wüssten, denn: „Der Pflug der freiesten politischen Institutionen darf Jahrhunderte über solche Erde gehen, bevor sie religiöse Fiebermassen auszustoßen aufhört, obschon die politische Sanitätspolizei der Oberfläche das beste Zeugnis ausgestellt hat. Die beiden Religionsparteien in Deutschland waren jede zu mächtig, die gegenseitigen Erinnerungen an die Wuth des dreißigjährigen Krieges zu gravirt, als daß das feine Löthkorn des westphälischen Friedens das zersprungene Reich mehr als zum Scheine hätte zusammenhalten können.“ 22 Und auch zu Beginn des Jahrzehnts, das in drei Kriegen zur nationalen Einheit im kleindeutsch-protestantischen Sinne führen sollte, wurde die anhaltend nachteilige Wirkung der jahrhundertealten religiösen Scheidung für die nationale Entwicklung Deutschlands bekräftigt: Die Wogen der politischen Bewegungen mochten noch so sehr auf andere Ursachen hindeuten, verkündete 1861 eine Flugschrift, der Ursprung und Kern allen politischen Streits in Deutschland bliebe doch die Religionsspaltung. 23 Im Revolutionsjahr widmete sich das Paulskirchenmitglied Jacob Venedey dem Unterschied von französischer Revolutions- und deutscher Reformationserfahrung. Zu Beginn seines umfangreichen Werkes Vorwärts und Rückwärts in Preußen, das er noch im Pariser Exil verfasst hatte und 1848 publizierte, unterzog er die Epoche der französischen Revolutionskriege und den „dreißigjährigen Reformationskrieg“ einem historischen Vergleich: „Und nun denkt euch, daß dieser zwanzigjährige Krieg nicht zwanzig, sondern dreißig Jahre, nicht außerhalb, sondern in Frankreich gewüthet hätte; daß im Volke selbst ein Zwiespalt entstanden wäre; daß der Süden gegen den Norden, der Osten gegen den Westen aufgestanden; daß die Fürsten ihre Völker, die Völker ihre Fürsten bekämpft; die Städte sich in Parteien gespalten und die Dörfer gegen die Städte aufgestanden; die Väter ihre Söhne und die Söhne ihre eigenen Väter zu zernichten gesucht; – mit einem Worte, daß dieser zwanzigjährige äußere Krieg, ein dreißigjähriger Bürgerkrieg gewesen!“ Zwar hatte deshalb das einst mächtigste deutsche Volk sein „Schiedsrichteramt in den Weltereignissen“ verloren. Venedey wusste aber dem „Riesentagewerk des dreißigjährigen Krieges“ gerade als Bürgerkrieg auch eine entschieden positive Seite abzugewinnen. Denn anders als ein Staatenkrieg, mit dem sich der Blick nach außen richte, habe der Bürgerkrieg diesen an die inneren Zustände gefesselt. Während daher Frankreich in seinem beständigen Griff nach dem Ausland blind für den inneren „Wurm der Verwesung“ aus Geldgier und Korruption geworden sei (worin sich die Entfremdung deutscher Liberaler von Frankreich im Justemilieu unter dem Bürgerkönig spiegelt), hätten die Deutschen längst neue „Gesundheit, Erstarkung, Ermannung“ kurz: „Volksauferstehung“ erreicht – trotz, oder besser 22 Sendschreiben eines Wieners an einen Unpolitischen, S. 27 f. Der unbekannte Autor bezieht sich auf die Flugschrift Zur politischen Einigung Deutschlands. 23 Augustin, Zur deutschen Frage, S. 2.

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wegen der Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges. Denn: „Nur Deutschland selbst litt durch ihn, litt in ihm das Martyrthum für die waltende Idee der neuen Zeit, für die Reformation, für die Freiheit des Gedankens. Und Gott wollte nicht, daß dieses Martyrthum ohne Krone und ohne Palme bleiben sollte.“ 24 Venedeys Geschichtsverständnis zeigt beispielhaft, wie das deutsche Sendungs- und Auserwähltheitsbewusstsein seine Motive wesentlich aus der Reformationserfahrung schöpfte und durch die Deutung des Dreißigjährigen Krieges als gottgewolltes Martyrium der Nation zusätzlich verstärkt wurde. 25 Neben der Würdigung der geistigen Errungenschaften im liberal-protestantischen Reformationsbezug stand der Hinweis auf ein entscheidendes Defizit dieses Erbes: Der „Prinzipienstreit“ im 16. und 17. Jahrhundert hatte nur zu einer Reform von Kirche und Wissenschaft, nicht aber des gesamten öffentlichen Lebens und der politischen Freiheit geführt, wie Karl Biedermann einmal kritisch resümierte. 26 Auf Seiten der radikalen Linken war diese Sichtweise deutlich zugespitzt und gegen die Liberalen selbst gerichtet. Anders als in England, „wo die Geister Luthers, Huttens und Gustav Adolphs in dem Einen Oliver Cromwell ihre Stätten aufschlugen“, habe die Reformation in Deutschland nur zum „jesuitischen Partikularismus“ und einem „dreißigjährigen Eigenthumskrieg“ um die Kirchengüter geführt, heißt es in einer programmatischen Schrift der Linken von 1865. Schuld trügen daran zwar auch die Reformatoren selbst, die sich jeder Verweltlichung ihrer „Geheim-Glaubenslehre“ widersetzt hätten. 27 Die Reformation als „bürgerlich-religiöse Revolution des 16. Jahrhunderts“ diente der radikalen Linken aber vor allem als Zielscheibe und Projektionsfläche ihrer Kritik am dritten Stand. Sie war ihr das Sinnbild der „kastrierten“ Revolution (Friedrich Engels) durch ein deutsches Bürgertum, das sich nicht für die gesellschaftlich relevanten Fragen, vor allem die sozialen Missstände, interessiert und damit das Volk verraten habe. In Abstraktion von der miserablen Wirklichkeit, so Friedrich Engels 1873 wörtlich, habe die Reformation zwar die Basis für die spätere geistige Überlegenheit der Deutschen von Leibniz bis Hegel gelegt, sie sei aber den Fürsten wegen der fehlenden Allianz aus Bürgertum, Bauern und Reichsritterschaft zur leichten Beute geworden. 28 In seiner Schilderung der deutschen Zustände zwischen dem Reformationszeitalter und der Französischen Revolution für den Northern Star im Oktober 1845 klagt Engels das deutsche Bürgertum an, tatenlos geblieben zu sein, als es mit dem Volk vereint die alte Herrschaft hätte stürzen und das Reich neu begrün24 25 26

Vgl. Venedey, Vorwärts und Rückwärts in Preußen, alle Zitate S. 5 –10. Vgl. Jeismann, Vaterland der Feinde. Vgl. Biedermann, Das deutsche Nationalleben in seinem gegenwärtigen Zustande,

S. 51. 27 28

Vgl. Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. 2 f. Engels, Varia über Deutschland, S. 590.

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den können. Doch die „geldgierigen Bourgeois“, die in der staatlichen Schwäche nur die Quelle ihres eigenen Wohlstands sahen, hätten dazu weder Energie noch Mut gehabt. Das Bürgertum habe gewusst, so lautete die zynische Pointe, dass Deutschland nichts anderes gewesen sei als ein „Dunghaufen“, in dem es sich „gemütlich eingerichtet“ habe, „weil es selber Dung war, und es saß warm in dem Dung, von dem es umgeben war“. Als dann das Jahr 1789 – mit Friedrich Engels gesprochen – wie ein Donnerschlag in das deutsche Chaos einschlug, sei die Begeisterung von entsprechend deutscher Art gewesen, nämlich rein metaphysisch. 29 „Wir haben keinen neuen Continent zu schaffen, sondern einen alten, herrschaftsmüden, freiheitsdurstigen mit dem belebenden Worte zu entzünden und in’s Reich der menschlichen Selbstbestimmung zu berufen. Wir ziehen die Consequenzen unserer Reformation, vollenden die englische wie die französische Revolution, und erlösen endlich, endlich aus dem ehernen Banne des Mittelalters wie des modernen Egoismus die Arbeit und den Arbeiter.“ 30 So las sich in einer Flugschrift von 1865 die geschichtliche Konsequenz aus der Reformations- und Revolutionsdeutung Engels’scher Prägung als radikal linke Handlungsmaxime der Zukunft. b) Reich und Nation Die Janusköpfigkeit des Nationalismus aus Partizipationsverheißung einerseits und Gewaltbereitschaft andererseits war im zersplitterten Deutschland des 19. Jahrhunderts besonders ausgeprägt. Nach innen versprach die Nation Teilhabe, forderte aber nach außen eine klare Abgrenzung. In Deutschland bedeutete die Formierung der Nation gleichzeitig die Herausbildung eines Nationalstaates, dessen Grenzen erst noch zu bestimmen waren. Politisch erlebten die Deutschen als Nation daher im 19. Jahrhundert lange einen ausgedehnten Reformstau auf mehreren Ebenen, der entscheidend zur Militarisierung des politischen Denkens beitrug. Die Territorialstaatlichkeit war in Deutschland seit dem Westfälischen Frieden eine feste politische Größe und im Deutschen Bund bestehendes Verfassungsrecht. Die föderative Staatenvielfalt prägte das nationale Bewusstsein nachhaltig. Zur deutschen Gefühlswelt zählten hier immer auch die historisch gewachsenen Bindungen an einzelne Territorien und Dynastien. Der Prozess der Nationsbildung in Deutschland vollzog sich daher sowohl auf der gesamtdeutschen als auch auf partikularstaatlicher Ebene, wie Dieter Langewiesche in Anlehnung an Volker Sellin betont. Die von ihm geprägten Begriffe des „föderativen“ und „dynastischen“ Nationalismus verweisen auf wesentliche Konflikte im Formierungsprozess der deutschen Nation. 31

29 30

Engels, Deutsche Zustände, S. 565 ff. Vgl. Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. 43.

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Der deutsche Partikularismus erwies sich für große Teile der Nationalbewegung als maßgebliches Hindernis bei der Umsetzung ihres Einheitsideals. Mit dem Dualismus zwischen Preußen und Österreich, der im Krieg von 1866 seinen vorläufigen Höhepunkt fand, gewann die realpolitische Machtfrage an Brisanz. Die Haltung zum jeweiligen Herrschaftsanspruch der beiden Großmächte entwickelte sich damit zu einem wesentlichen Streitpunkt der nationalen Bewegung. Der Konflikt zwischen Großdeutschen und Kleindeutschen, auf ordnungspolitischer Ebene eine Auseinandersetzung zwischen Unitarismus und föderaler Struktur, war ganz wesentlich ein kultureller Konflikt, der durch regionale Eigenheiten und insbesondere konfessionelle Prägungen bestimmt wurde. Der Literaturkritiker Wolfgang Menzel, dessen liberales Denken sich im Laufe seines Lebens zu einem völkisch gefärbtem Nationalismus wandelte, geißelte 1868 die „centrifugalen Tendenzen“ als spezifisch deutsches Prinzip. Er machte sie verantwortlich dafür, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die völlige Zersplitterung Deutschlands langsam überwunden worden sei, die politischen und konfessionellen Parteien nur umso leidenschaftlicher geworden seien und „der Hass tiefere Grenzfurchen zog, als früher die Reichsunmittelbarkeit von mehr als 1000 Winkelsouveränen“. Neid und Vorurteile der Deutschen untereinander, Bürgerkrieg und der Verrat an das Ausland – laut Menzel „Gewohnheitssache“ der Deutschen – bildeten im gesamten Untersuchungszeitraum den kontrastierenden Subtext der Beschwörung nationaler Einigkeit. 32 Zentraler Erinnerungsort und Steinbruch für die ‚erfundenen‘ Traditionen in der deutschen Nationalbewegung war das Reich. „In euch ist West- und Ostrom, in euch die römische Kaiserkrone und das Schiedsrichteramt der Welt; gebraucht’s mit Maaß, mit Redlichkeit und Gerechtigkeit und ihr führt wieder das Zeitalter herauf, schöner, weiter, über mehr Menschen und Erdtheile verbreitet, als es jemals war.“ 33 Zwei Jahre, bevor 1848 die bürgerliche Verfassungsbewegung ihre nationalstaatlichen Vorstellungen revolutionär umzusetzen suchte, beschwor mit diesen Worten Bernhard Werner, von dem wir heute keine nähere biografi31 Vgl. dazu Langewiesche, Reich, Nation und Staat; ders., Deutschland und Österreich; ders., Föderativer Nationalismus; ders., Kulturelle Nationsbildung im Deutschland. Georg Schmidt bezeichnet den „föderativen Nationalismus“ als „gezähmten Nationalismus“, der sich gerade im Dreißigjährigen Krieg zur Integrationsutopie der Deutschen entwickelt habe. Das Aggressionspotential blieb demnach gebremst, weil eine militärische Macht zum Expansionskrieg in den zersplitterten Strukturen der deutschen Staatenordnung unmöglich war. Vgl. Schmidt, Reich und Nation, S. 75; W. Mommsen, Zur Bedeutung des Reichsgedankens; Fehrenbach, Reich; dies., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens; Gräf, Reich, Nation und Kirche; Burgdorf, Reichskonstitution und Nation; Schuck, Rheinbundpatriotismus; Echterkamp, Der Aufstieg des deutschen Nationalismus; Dietrich, Christentum und Revolution; Dann, Die Tradition des Reichs; Berney, Reichstradition und Nationalstaatsgedanke. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Weichlein, Nation und Region. 32 Menzel, Unsere Grenzen, S. 2 ff. 33 Werner, Die preußische Politik, S. 51.

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sche Kenntnis haben, paradigmatisch den Geschichtshorizont, vor dem sich das nationale Denken in Deutschland entscheidend vollzog. Das Reich besaß im 19. Jahrhundert mehr als nur einen gewissen Klang. 34 Unter den öffentlichen Meinungseliten herrschte vielmehr Konsens darüber, dass das Fortwirken des Reichsgedankens für die politischen Anschauungen und die konkurrierenden Deutschlandbilder von großer Bedeutung war. 35 Constantin Frantz zählte die seiner Ansicht nach nie ganz erloschene und neu erwachte Erinnerung an Kaiser und Reich zu den entscheidenden Ursachen der deutschen Nationalbewegung. Die Traditionen vereinten die Deutschen über die abgestorbenen Institutionen hinweg und machten sie erst zur Nation, gleichzeitig verhießen sie für die Zukunft ein neues Reich aus den Trümmern des alten. 36 Deswegen würde es auch nicht um den „Moder einer Leiche“ und nicht um einen „Leichenraub“ gehen, hatte Karl Hase im nationalen Aufbruch der Revolutionsjahre bildhaft ausgeführt, sondern um eine Auferstehung: „In der Seele eines jeden Volkes, das eine Geschichte durchlebt hat, liegen dergleichen Gedanken, auf die es sich besinnt in dunklen Nächten, die es anruft als seine errettenden Heiligen.“ 37 An das Reich als deutsches Sehnsuchtsmotiv knüpfte sich damit von der historischen Wirklichkeit weit entfernt ein romantisch aufgeladenes Geschichtsgefühl, in dem das national begriffene Kaisertum als Phase deutscher Einheit und Größe verklärt wurde. 38 Auf diesen maßgeblich an Kategorien der Macht orientierten Reichsmythos beriefen sich die Deutungseliten aller gesellschaftlichen Lager. Zugleich barg die Erinnerung an das Reich jedoch beträchtliches Konfliktpotential. Denn die Beschwörung einer früheren „Reichherrlichkeit“ musste zugleich die historiographische Kontroverse über die Gründe für ihr Verblassen – das hieß vor allem über Reformation, Dreißigjährigen Krieg und den Partikularismus – in die politische Debatte hineinziehen. Hier wurde die Schuldfrage, besonders in der Auseinandersetzung zwischen Kleindeutschen und Großdeutschen, virulent und zum Ausgangspunkt von Geschichtserzählungen, die zukünftige Herrschaftsansprüche legitimieren sollten. Zusätzlich forcierte die Anbindung an das Heilige Römische Reich deutscher Nation den Einfluss des Konfessionalismus auf den nationalen Diskurs. Denn 34 So die zurückhaltende Bilanz für die Revolutionsjahre bei Wilhelm Mommsen 1952. Er wandte sich vor allem gegen das Hineindeuten eines Mitteleuropagedankens in die Revolution und die Debatten der Paulskirche. Seine Ausführungen sind maßgeblich durch die Negativerfahrung der pervertierten Reichsideologie im Nationalsozialismus bedingt. Vgl. W. Mommsen, Zur Bedeutung des Reichsgedankens, S. 399. 35 Vgl. Billich, Das Römisch-deutsche Kaiserreich, S. 7. 36 Frantz, Die Wiederherstellung Deutschlands, S. 66. 37 Steinbach (=Karl Hase), Das Kaiserthum des deutschen Volkes, S. 17. 38 Gräf, Reich, Nation und Kirche; Fehrenbach, Reich; dies., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens. Vgl. dazu auch Klug, Rückwendung zum Mittelalter.

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während in der katholischen Nationalbewegung das Interesse an der Reichsgeschichte auf das universalistische Kaisertum und die christliche Rombindung der deutschen Nation fokussierte, war in anderen Teilen der Nationalbewegung gerade damit ein – um mit Holger Thomas Gräf zu sprechen – diffuses, aber wirkungsvolles antirömisch-hierarchisches und antiösterreichisches Feindbild verbunden. Die Großdeutschen hätten lediglich „eine gewisse nationale Seelenstimmung und Gefühlsweise“, schmähte die Wochenschrift des Nationalvereins 1860 das Staatsverständnis ihres nationalpolitischen Widersachers. 39 Hier polemisierte man gegen einen vermeintlichen mittelalterlich-theokratischen Reichseklektizismus und wandte sich gegen einen aus der Tradition abgeleiteten kaiserlichen Machtanspruch Habsburgs, wie ihn Franz Joseph Buß während der Revolution – „von Rechtswegen“ – reklamiert hatte. 40 In Bezug auf die nationalstaatliche Ordnung Deutschlands forderte man mit Nachdruck, diese Kaiserkrone als Traumgebilde und Gespenst endgültig in die Rumpelkammer der Geschichte zu verbannen und proklamierte die preußische Führung als zeitgemäßen nationalen Gegenentwurf: Denn so wie das Geschlecht der Hohenstaufen im Kampf mit dem Ultramontanismus und dem Partikularismus untergegangen sei und das alte Reich mit hinabgerissen hätte, tönte es 1850, würden die Hohenzollern im Kampf gegen dieselben Gewalten die Herrlichkeit eines neuen deutschen Reiches wiederbringen. 41 Dass Deutschland kein Staat, sondern ein Reich sei, wie Constantin Frantz sein Deutschlandbild auf den Punkt gebracht hatte, meinte ordnungspolitisch einen historisch überlieferten Föderalismus. 42 Dieter Langewiesche, der wesentlich dazu beigetragen hat, die Zeitspanne zwischen 1806 und 1871 von der Perspektivenverengung auf die kleindeutsche Nationalstaatsgründung zu befreien, betont für die konkurrierenden Deutschlandentwürfe die Bedeutung dieser Reichstradition. Diese habe mit einem föderalen Staatsverständnis eine Brücke vom untergegangenen alten Reich in die noch offene nationalstaatliche Zukunft geschlagen und insbesondere in der Nationalbewegung im Südwesten Deutschlands starken Rückhalt besessen. 43 Im Gegensatz zu einem nationalstaatlichen Unitarismus republikanischer, vor allem aber kleindeutsch-preußischer Provenienz, der für die Kleinund Mittelstaaten die Gefahr der Mediatisierung bedeutete, strebte man hier eine 39 Großdeutschland und Kleindeutschland, in: Wochenschrift des Nationalvereins, 12. Oktober 1860 (Nr. 24), S. 189. 40 Vgl. Buß, Die teutsche Einheit und die Preußenliebe, S. 14. Mit dieser Flugschrift antwortete Buß auf Gustav Pfizers Die teutsche Einheit und der Preußenhaß. 41 Vgl. Gross-Germanien und die Revision der Karte von Europa, S. 197; Oesterreich und Preussens Mediatisierung die conditio sine qua non, S. 46 f.; Evers, Oesterreich, Preußen und die Einheit Deutschlands, S. 74. Der großdeutsch gesinnte Paulskirchenabgeordnete Johan Perthaler erkannte dagegen in einer preußischen Krone nur das „Nachspiel zu einem Trauerspiele, zum Trauerspiel deutscher Erniedrigung und fremder Einmischung in die deutschen Angelegenheiten.“ Vgl. Perthaler, Das Erbkaiserthum Kleindeutschland, S 1 ff. 42 Vgl. u. a. Frantz, Von der deutschen Föderation.

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staatliche Ordnung an, die der „Teutschen Libertät“ bzw. „Deutschen Freiheit“ verpflichtet war. Historisch bedeutete dies die kaiserlich gestützte Integrität der kleineren Fürstentümer und den Schutz der Stände vor der universalen Macht des Kaisers, also – mit den Worten Georg Schmidts – eben jenes Menetekel machtpolitischer Schwäche durch staatliche Zersplitterung, Kirchturmspolitik und fehlende nationalstaatliche Perspektive, das die Anhänger einer unitarischen Staatsordnung bemühten. 44 Eine nach außen wie innen nationalemanzipatorische Wendung gab der Kaiserund Reichsidee eine Flugschrift von 1862, die den machtvoll zurückkehrenden Kaiser als wiedererwachte und durch Einheit „gestählte“ Kraft des deutschen Volkes deutete. 45 Auf die „Deutsche Freiheit“ als aktualisierte Wertvorstellung ließen sich bürgerlich-liberale Vorstellungen projizieren, wofür das Reichs- und Kaiserverständnis Jacob Venedeys bezeichnend ist. Unter der Losung „Recht und nicht nur Gnade!“ sah er an dem Tag, an dem das Reich im Recht des Volkes wiedererstehe, auch das sagenumwobene Rätsel um die Auferstehung des schlafenden deutschen Kaisers gelöst. Damit ist jener Kaisergedanke gemeint, „der das deutsche Volk zu einer thatsächlichen Einheit brachte und dann den Namen Deutschlands in allen Ländern geachtet und geehrt machte; jener Kaisergedanke, der alle Zwiste deutscher Völker schlichtete; der alle Kräfte deutscher Völker ordnete, der die Großen beugte und brach, so oft sie das Recht der Kleinen zu brechen wagten, der die Schwachen und Armen schützte, wo die Mächtigen und Reichen sie vergaßen; jener Kaisergedanke, der seinen Gerichtstuhl unter die nächste Eiche stellte, so oft eine Stimme wegen Rechtsbruches an sein Ohr schlug; jener Kaisergedanke, der deutsche Kunst und deutsches Wissen schützte; jener Kaisergedanke, vor dem die mächtigsten Fürsten der Erde zum Voraus zitterten, so oft sie ein Unrecht im Sinne hatten.“ 46 Dieses Verständnis vom Reich als einem Rechts- und Freiheitsraum steigerte die Neue Freie Presse im Jahre 1866 zum Bild des einigen Deutschlands als Statt43 Siehe dazu Billich, Das Römisch-deutsche Kaiserreich, S. 7: „In keinem Theile Deutschlands stößt man so vielfach auf Reichserinnerungen und Reichsreste, als im südwestlichen Deutschland, z. B. in Schwaben, im Badischen Oberlande, in Frankfurt a. M.; das ist nicht die schwächste Ursache, warum gerade dort der Widerwille gegen die von Preußen ausgegangene Neugestaltung Deutschlands der lebhafteste und zäheste ist. Wie könnte das auch anders sein! Wenn eine Form des politischen Daseins in einem Volke länger als 800 Jahre bestanden hat, wie sollte sie nicht bewußt oder unbewußt in der mannigfaltigen Weise noch fortleben und fortwirken!“ Vgl. Langewiesche, Nation, Nationalismus, Nationalstaat, S. 206; ders., Reich, Nation und Staat, S. 373. 44 Siehe dazu Schmidt, Die „deutsche Freiheit“. Der Abgeordnete Streich bezeichnete in der Württemberger Kammer am 10. Oktober 1866 den Schutz der deutschen Freiheit als „Aushängeschild“ der Politik Frankreichs, um Deutsche gegeneinander ins Feld zu führen. Vgl. Verhandlungen der Württembergischen Kammer 1866, S. 88. 45 Vgl. Gross-Germanien und die Revision der Karte von Europa, S. 277. 46 Vgl. Venedey, Vorwärts und Rückwärts, S. 273 f.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

halter des ewigen Friedens. Als „erste Kulturmacht“ und Schwergewicht in der Waagschale der europäischen Politik müssten sich ihm als ihrem Gesetzgeber und Vermittler sämtliche zivilisierten Nationen beugen: „Wäre das Reich des allgemeinen Friedens, die Herrschaft der Gerechtigkeit kein uns heute noch traumhaft vorschwebendes Ideal, dieses neue Deutschland wäre vor allen Völkern berufen, daselbe zu verwirklichen. Der Cäsarismus, die Politik der natürlichen Grenzen, kurz alle durch die organisirte Gewalt der stehenden Heere den Cabinetten auferlegten Machtbestrebungen verlören mehr und mehr alle Berechtigung, und mit dem Erstehen dieser Culturmacht verschwände allgemach der Despotismus und dessen bluttriefender Gefährte, der die Bildung dieses Jahrhunderts schändende Krieg, vom Schauplatz der europäischen Menschheit.“ 47 Der bellizistisch grundierte deutsche Machtstaatsdiskurs, der im folgenden Kapitel untersucht werden soll, erweist sich vor diesem Hintergrund als skrupellos und moralisch zugleich. Der aus der Reichsgeschichte abgeleitete messianische Glaube, dass allein Deutschland dazu berufen sei, dem Kontinent auf Dauer Frieden bringen und sichern zu können, war Ausdruck deutscher Hybris. 48 Im nationalistischen Filter der Epoche war es dabei oft nur ein schmaler Grat zwischen der Friedensmission als „deutschem Beruf“ und der propagandistischen Legitimation eines bisher unbefriedigten Herrschaftsanspruchs der im europäischen Mächtespiel zu kurz gekommenen deutschen Nation. „Die ewige, sich stets erweiternde, erneuernde Idee: daß ein Volk der Macht und des Rechts herrsche und den Egoismus der anderen Völker niederhalte. Das that Rom, das wird Deutschland thun.“ 49 So hatte bereits Bernhard Werner seinen Reichsbezug als Handlungsanweisung für die Zukunft machtpolitisch zugespitzt. Aus dieser Perspektive verbot es sich, angesichts einer beständig wahrgenommenen ausländischen Bedrohung „über des Kaisers Bart zu streiten“, wie an anderer Stelle bildhaft ausgeführt wurde, denn ob dieser Bart rot, schwarz, gelb oder weiß wäre, sei völlig gleichgültig, wenn es darum ginge, im Innern den „Fluch der alten Zwietracht“ zu sühnen und nach außen Deutschlands Macht und Ansehen wiederherzustellen. 50 Diese Innen- und Außenperspektive, das deutsche „Doppelstreben nach innerer und äußerer Freiheit“, brachte der Württemberger Paul Pfizer 1832 klar zum Ausdruck: „Mit den bloßen Grundsätzen bürgerlicher Freiheit, so verdienstlich und notwendig ihre Verbreitung auch sein mag, ist Deutschland noch lange nicht 47

Vgl. Neue Freie Presse, 7. April 1866. Bereits 1840 hatte die Kölnische Zeitung proklamiert, die deutsche Jugend wolle „nichts als Sieg, und durch den Sieg Frieden und Ruhm gewinnen. Sie will den letzten Völkerkampf der neuen politischen Zivilisation ausfechten, auf daß jedem Volk seine Stellung angewiesen werde.“ Vgl. Kölnische Zeitung, 26. August 1840, hier zit. nach Hardtwig, Elitebewußtsein, S. 53. 49 Werner, Die preußische Politik, S. 51. 50 Oesterreichs und Preussens Mediatisierung die conditio sine qua non, S. 46 f. 48

I. Zur Semantik der Krise

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geholfen. Mit allem Freiheitsdrang der einzelnen werden die Deutschen ewig eine armselige Rolle spielen, und ein mitleidiges Belächeln ihrer schwachen Gutmütigkeit wird im Ausland der ganze Lohn für ihren Enthusiasmus sein, solange sie nicht als Nation die Freiheit wollen oder gar zu glauben scheinen, daß Abhängigkeit vom Ausland zum Begriff der deutschen Freiheit gehöre. Es ist freilich eine Torheit zu verlangen, daß die Deutschen die innere Freiheit ganz vergessen sollen, bis sie die äußere Unabhängigkeit gesichert haben; aber es ist ebenso verkehrt oder noch verkehrter, die letztere der ersteren aufopfern zu wollen.“ 51 Friedrich Engels schrieb rückblickend, dass die Einheit Deutschlands keine rein deutsche Frage gewesen sei. Denn seit dem Dreißigjährigen Krieg sei keine einzige gemeindeutsche Angelegenheit mehr entschieden worden ohne die spürbare Einmischung des Auslands. Engels umriss damit einen wirkmächtigen Grundsatz des nationalpolitischen Denkens im Deutschen Bund: die nationale Einheit war nicht nur gegen die Fürsten und andere innere Feinde, sondern auch gegen das Ausland zu erkämpfen. 52 „Wehrlos“ war für viele Deutsche dabei gleichbedeutend mit „ehrlos“, wie in einem Artikel der Deutschen Vierteljahrsschrift konstatiert wurde. Dieser erschien 1841 unter dem Titel „Deutschland im bewaffneten Frieden“. 53 In diesem Schlagwort findet sich zum einen das zeitgenössische Synonym für die relative Friedenszeit in Europa, die auf einem prekären und leicht ins Wanken zu bringenden europäischen Machtgleichgewicht beruhte, zum anderen ein Bild für das gewaltgestützte Bewahren der alten Herrschaftverhältnisse innerhalb des Deutschen Bundes gegenüber den aufbegehrenden Partizipationsansprüchen gesellschaftlicher Gruppen. Beide Aspekte stehen im Fokus des folgenden Kapitels. 2. Der „bewaffnete Frieden“ und die Gewaltbereitschaft der Nation Im September 1870 bilanzierte die österreichische Neue Freie Presse, dass die Nation seit Beginn des 19. Jahrhunderts nach und nach von einem „Geist der Gewalt“ ergriffen worden sei. 54 Dabei erlebten die Deutschen die friedlichste 51 Hier zitiert nach Weidinger, Nation – Nationalismus – Nationale Identität, S. 52 f. Das Vorwort zur Neuübersetzung von Huttens Schrift „Hoc in libello haec continentur“, die 1845 in Bautzen unter dem Titel „Für deutsche Freiheit! Alte Kraftworte an Fürsten und Volk“ publiziert wurde, verstand Freiheit explizit nicht verfassungsrechtlich als die von „Demagogen“ gepriesene Gesetzlosigkeit oder Volksherrschaft, sondern ausdrücklich nur als die Unabhängigkeit Deutschlands vom Ausland, namentlich von römischem Einfluss. Vgl. Für deutsche Freiheit, S. IV. 52 Engels, Die Rolle der Gewalt, S. 411. Geschrieben Ende Dezember 1887 bis März 1888. 53 Vgl. Deutschland im bewaffneten Frieden, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1841, 3. Heft, S. 177 – 192, Zitat S. 180 f. 54 Neue Freie Presse, 8. September 1870; hier zit. nach Buschmann, Einkreisung, S. 11.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Zeitspanne ihrer gesamten Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit, in der die Anwendung von Gewalt, gemessen an der fortgeschrittenen Militärtechnik, begrenzt blieb. 55 Trotzdem bemächtigte sich ihrer öffentlichen Meinungseliten eine übersteigerte Krisenmentalität, die selbst in Phasen gesellschaftlicher Beruhigung nur den kräfteerneuernden „Schlaf der Fieberkranken“ erkennen ließ und deutlich gewaltaffirmative Züge aufwies. 56 Symptomatisch dafür war das verbreitete Gefühl, in einem latenten Kriegszustand zu leben. Worauf ist die geistige Militarisierung zurückzuführen? Im heutigen Verständnis des 19. Jahrhunderts als einem Zeitalter der Kongresse und der Bemühungen um die Einhegung des Krieges liegt ein erstes Erklärungspotential für die Gewaltimaginationen breiter gesellschaftlicher Kreise. Der Deutsche Bund bildete den Kontrast zur revolutionären Nationalstaatsbildung von unten, die 1848/49 von der Verfassungsbewegung versucht wurde, und zum Weg der Einigung mit militärischen Mitteln, der als Nationalkrieg von Teilen der Nationalbewegung propagiert und 1866 von Preußen in einem konventionellen Staatenkrieg erfolgreich beschritten wurde. Dem national gesinnten Bürgertum stellte der Deutsche Bund ein Provisorium dar, dessen Struktur den Ansprüchen des 19. Jahrhunderts an Geschlossenheit und Machtstaatlichkeit nicht entsprach. Er repräsentierte gegenüber einer als notwendig befundenen gesellschaftlichen Bewegung die beharrende Kraft des Status quo und setzte, so die Nationalzeitung 1849, die deutsche Schwäche seit dem Dreißigjährigen Krieg fort. 57 „Eine unfruchtbare Sehnsucht nach der Wiederbelebung der Vergangenheit, ohne den Muth, sie gewaltsam aus ihrem Grabe zu reißen, ein grimmiger Mißmuth über das Treiben der Gegenwart, ohne die Einsicht, ihr eine bestimmte Richtung zu verleihen, eine gewaltige Furcht vor der Zukunft, ohne die Kraft, ihr offen entgegenzutreten – so charakterisirt sich die Thätigkeit der monopolisirenden Staatsmänner in Schrift und Wort, in Noten und Gesetzen, in Cabinetten und auf Conferenzen.“ 58 Dieses Verdikt des Prager Schriftstellers Anton Heinrich Springer unter dem Eindruck der Restauration nach der gescheiterten Revolution ist symptomatisch für die Ablehnung, mit der die bürgerlichen Meinungseliten der Diplomatie im Deutschen Bund begegneten, von der sie sich selbst ausgeschlossen sahen. Diese „alte Staatskunst“ aber, so nochmals Springer, hatte ihre Sache auf nichts gestellt, im Nichtstun ihre Hauptstärke gefunden.

55 Vgl. Maier, Gewaltdeutungen im 19. Jahrhundert, S. 54. Vgl. allgemein Wolfrum, Krieg und Frieden, v. a. S. 68 ff. 56 Schulz, Was darf das deutsche Volk, S. 46. 57 Vgl. Deutschland, Österreich und Preußen, in: Nationalzeitung, 10. Januar 1849. 58 Springer, Oestreich, Preußen und Deutschland, S. 10 f. Gegenüber dem negativen Bild vom Deutschen Bund als einer historisch verfehlten und zum Scheitern bestimmten Ordnung vgl. neuerdings Müller, Deutscher Bund.

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Bereits 1843 war die Gesinnungslosigkeit der „diplomatischen Weltregierung“ von Franz Schuselka angeprangert worden, besonders deshalb, weil „das gepriesene Gut, womit sie die Welt seither beschenkt, der bewaffnete Friede nämlich, nachgerade als ein sehr lästiges, Markaussaugendes Gut empfunden zu werden anfängt“. 59 Kurz darauf konkretisierte das spätere Paulskirchenmitglied den Vorwurf, die Regierung instrumentalisiere den äußeren Frieden, um im Innern zu unterdrücken, und äußerte eine dunkle Zukunftsvision: „Maßlos rühmen sich die herrschenden Diplomaten ihres Meisterstücks, des sogenannten Weltfriedens. Aber was hat es mit diesem Frieden, der den Völkern so theuer zu stehen kommt, für eine Bewandniß? Wir haben auf Kosten unserer Ehre und mit Aufopferung unsers materiellen und geistigen Vortheils auswärtige Kriege vermieden; aber durch dieselbe unrühmliche Friedenspolitik sind im Innern der Staaten alle Zustände in solche Verwirrung und Spannung gebracht worden, daß ganz Europa und namentlich ganz Deutschland einem Revolutionsvulkan gleicht, aus welchem bald hier bald dort die Flamme des Bürgerkrieges losbricht.“ 60 a) Der „Prinzipienkrieg“ und die deutschen Bürgerkriegsängste Zu einer permanent aufgerufenen Deutungsfolie solcher inneren Krisenerscheinungen wurde der „Prinzipienkrieg“, ein Begriff, der das heutige Verständnis des 19. Jahrhunderts als Zeitalter der Ideologien reflektiert. Zeitgenössisch stellte er die wesentliche rhetorische Klammer für die gesellschaftlichen Kriegsimaginationen, vermittelte aber keineswegs ein konsistentes Bild vom Krieg. Vielmehr fanden darin die politischen, sozialen und religiösen Gesellschaftskonflikte Ausdruck. Der Prinzipienkrieg wurde damit als wertimmanenter Begriff im Meinungsstreit über die nationalen Handlungsoptionen selbst zum Gegenstand von Instrumentalisierungen. Der Dreißigjährige Krieg als Urbild eines bis zum Fanatismus getriebenen Prinzipienkampfes stellte dazu das illustrierende Beispiel aus der Geschichte, in dem sich politische, soziale und religiöse Topoi miteinander verbanden. Die Analogie aus Revolution und Dreißigjährigem Krieg war, wie bereits gesehen, dem 19. Jahrhundert von Beginn an geläufig. Zwei Jahrzehnte später, unter dem Eindruck der französischen Julirevolution, findet sich der historische Vergleich bei Goethe wieder, der einen Konflikt in Gestalt des Dreißigjährigen Krieges heraufziehen sah. Leopold von Ranke, der auf dieses späte Zeugnis Goethes hinwies, fügte hinzu, dass sich bei vielen Zeitgenossen eine ähnliche Meinung festgesetzt habe. 61 Auch der Philosoph und Archäologe Friedrich Gottlieb Welcker ist mit einer Abhandlung zur ständischen Verfassung ein Beispiel dafür. 59

Schuselka, Deutsche Worte, S. 212. Ders., Deutsche Volkspolitik, S. 293 ff. 61 Vgl. Ranke, Restauration und Julirevolution, S. 171. Vgl. dazu T. Schieder, Das Problem der Revolution. 60

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Ihn trieb darin die Sorge vor einer inneren Teilung Deutschlands im „Streit der Principien“, nun durch die Politik wie ehemals durch die Religion. 62 Für den Staatsrechtler Karl von Rotteck befand sich die Gesellschaft mit der Auseinandersetzung zwischen Despotie und Freiheit in einem „Kriegszustand“. Er vertrat daher 1831 die Ansicht, dass sich das konstitutionelle System nur gewaltsam gegen den Absolutismus durchsetzen ließe. 63 Im Antagonismus aus Konstitutionalismus und feudalem Herrschaftsanspruch, dem Kampf zwischen den „Propaganden“ von Freiheit und Knechtschaft, des Westens und des Ostens, standen sich nicht mehr nur durch vorübergehende Kabinettinteressen getrennte Staaten gegenüber, sondern feindselige, sich gegenseitig ausschließende Prinzipien – der drohende Prinzipienkrieg der Zukunft erschien damit bereits in zeitgenössischer Diktion oft als europäischer, ja als „Weltkrieg“. 64 In einem metapolitischen Verständnis besaßen das Prinzip „des unbeweglichen Stehenbleibens“ und das „der rastlosen Veränderlichkeit“ ihre weltliche Heimstatt außerhalb des europäischen Kontinents: „Der Eine hat seinen bleiernen Thron in Asien, der andere sein freies Reich in Amerika aufgeschlagen, und das bange, wundenvolle Europa wird jetzt der Kampfplatz ihrer furchtbaren Begegnung.“ 65 Der Widerstreit aus idealen Prinzipien und staatlicher Machtpolitik sorgte für eine problematische Gemengelage der europäischen Politik, die im Vormärz für Theodor Rohmer den höchsten Grad an „Unnatur“ erreicht hatte. Auf die deutschen Verhältnisse bezogen vermerkte er 1841 ernüchtert, dass Österreich und Preußen das Territorialinteresse dem Prinzipienbündnis geopfert hätten, „ein doppelt unsäglicher Irrthum, der sie ihrer materiellen Kraft beraubt, und die ideelle vernichtet, indem er sie den übrigen deutschen Staaten entfremdet, ja gegenüber stellt“. 66 Bereits 1832 hatte Der Freisinnige den Befreiungskrieg von 1813 als historisches Vorbild für den Fall propagiert, dass die beiden Staaten mit Russland vereint den Einbruch in die konstitutionellen Länder Deutschlands wagen sollten. Denn dies hätte nicht nur einen Angriff auf Baden, Nassau oder Hessen, sondern einen Kampf gegen die ganze „Ehr- und Freiheitsliebende Bevölkerung Deutschlands“ und das konstitutionelle Europa bedeutet: „Es wäre die Losung des schrecklichsten allgemeinen Krieges.“ 67 62

Vgl. Welcker, Von ständischer Verfassung, S. VII. Vgl. Rotteck, Zum Schlusse des Jahres 1831, S. 315; hier zit. nach Hirschhausen, Deutsche Zeitung, S. 140 f. 64 Rohmer, Deutschlands Beruf, S. 172 f. Vgl. ganz ähnlich Thielau, Die deutsche Frage, S. 88; Schulz, Was darf das deutsche Volk, S. 46. 65 Vgl. Rohmer, Deutschlands Beruf, S. 114 ff. 66 Aus Rohmers Sicht standen sich in einer den jeweiligen Territorialinteresse zuwiderlaufenden Konstellation die „Tripelallianz“ aus Russland, Österreich und Preußen und die „Quadrupelallianz“ von Frankreich, England, Spanien und Portugal gegenüber. Vgl. Rohmer, S. 152; 158 f. 67 Was haben wir zu thun?, in: Der Freisinnige, 10. Juli 1832. 63

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Unter den Bedingungen des Prinzipienkrieges lässt sich das weit verbreitete deutsche Einkreisungsgefühl am besten in eine Abwandlung der Prophezeiung Napoleons fassen, Europa werde entweder kosakisch oder republikanisch. 68 Denn in einem „Worst-Case“-Szenario sah sich Deutschland der Gefahr ausgesetzt, kosakisch und republikanisch zu werden, wie Joseph Maria von Radowitz es in der Paulskirche auf den Punkt brachte. 69 Das Denken in den Kategorien eines Prinzipienkrieges führte dazu, dass der deutsche Kriegsdiskurs maßgeblich der eines Bürgerkrieges war. „Es kann in Europa nur noch Bürgerkriege geben“, zitierte man die Worte Napoelons. 70 Auf liberaler Seite meinte man im positiven Sinne den „bürgerlichen Krieg“ als Durchsetzung eines bürgerlichen Partizipationsanspruchs gegenüber der feudalen Herrschaft. Friedrich Gottlieb Welcker verteidigte diesen 1830 als falsches Schreckbild gegenüber der Alternative einer unterdrückenden „Sklaverei“, denn solange die Völker unterdrückt seien, müssten sie sich selbst befreien oder „ewig im Elend schmachten“. „Im allgemeinen ist sogar keine Art von Krieg edler, als der für die bürgerliche Freiheit“, schreibt Welcker weiter, denn der „ächte bürgerliche Krieg wird um eine Idee, um eines geistigen Gutes, um eines heiligen Zwecks Willen, frei von Begierde wie Noth, geführt“. Von nun an müsse daher auch jeder Krieg ein Volkskrieg sein, denn die Selbstaufopferung des Volkes im Tode für König und Vaterland habe sich als „negative Schwärmerei“ des 18. Jahrhunderts erschöpft, „wie man vom Geist des Mittelalters gesagt hat, dass er in der Begeisterung der Kreuzzüge sich ausgeflammt habe“. 71 Im gemäßigt bürgerlich-liberalen Revolutionsverständnis hatte daher auch der „deutsche Märzstoß“ von 1848 nur ein „Gespenst“ verscheucht, wie ihn Heinrich Ewald 1850 auf Grundlage seiner konstitutionellen Überzeugungen verteidigte, die ihm als einem der Göttinger Sieben die Entlassung aus universitären Ämtern und Ehren eingebracht hatten. Die fürstliche Obrigkeit habe sich, anstatt das „ewige göttliche Recht“ zu schützen, ihren Untertanen gegenüber wie unverantwortliche Götter aufgeführt. In seiner an christlichen Werten orientierten Legitimation der Revolution setzte sich Ewald zugleich explizit von der revolutionären „Straßengewalt“ der „Franzosenaffen“ ab, deren Umstürze mit dem göttlichen Willen nichts gemein hätten. 72 Auch für Constantin Frantz entfesselte diese Art der Revolution 68 Diese Zukunftsvision des französischen Imperators gehörte insbesondere während der Revolutionsjahre zum Kanon des öffentlichen Streits. Der „Centralausschuss“ der Demokraten hatte damit im Sommer 1848 noch die politischen Alternativen aufzeigen wollen; ein Jahr darauf sah der Paulskirchenabgeordnete Franz Schuselka die Waagschale bereits einseitig gesunken und Napoleons Weissagung negativ in Erfüllung gegangen. Angesichts des Militarismus der beiden Großmächte notierte er zum Interim: „Deutschland ist kosakisch, d. h. russisch, d. h. es liegt unter den russischen Militärsystem danieder.“ Vgl. Schuselka, Das Interim, S. 25; Zeitungshalle, 16. Juli 1848, S. 3. 69 Vgl. Verhandlungen, Bd. 8, S. 5807 f. 70 Vgl. Thielau, Die deutsche Frage, S. 88. 71 Welcker, Von ständischer Verfassung, S. 44. 72 Vgl. Ewald, Ueber Deutschland und Preußen, S. 3 – 7 (Zitat S. 5).

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nur eine in der menschlichen Natur verborgene Bestie: „Sie will sich austoben, bis sie, erschöpft, nicht durch bessere Gründe, sondern durch neue Gewalt unterworfen wird. Daher die allgemeine Erfahrung, daß Revolutionen niemals das beabsichtigte Ziel erreichen, niemals zur Freiheit, sondern zur Gewaltherrschaft führen.“ 73 Unter deutschen Liberalen prägte die Zeit des terreur nachhaltig das Bild der Revolution. Wenn sie diese selbst drohend an die Wand malten, knüpfte sich daran oft die bloße Erwartung, das abschreckende Bild könne die Machthaber zum Einlenken bewegen. Denn vernünftig zu reformieren, damit nicht mit Gewalt revoltiert werden müsse, wie Karl Gottlieb Bretschneider es 1835 formulierte, war ein liberaler Grundsatz, der auf das Zusammenwirken von reformfähigem Staat und Gesellschaft zur Abwehr einer gewaltsamen Revolution baute. Die Wissenschaft fasste diesen Grundgedanken mit Blick auf die Ereignisse von 1848/ 49 in das Schlagwort der „ungewollten Revolution“. 74 Die Revolution begriffen die Liberalen 1848 allein als einen Wandel der politischen Strukturen, durch den sich die bürgerliche Gesellschaft der Teilhabe am Staat bemächtigte, nicht als Umsturz der sozialen Strukturen. Dies wäre in ihren Augen eine „rothe Revolution“, deren Auswirkungen sie fürchteten. Die Ängste davor beschwor 1841 angesichts der ungelösten sozialen Frage der bereits zitierte Autor der Deutschen Vierteljahrsschrift mit Bezug auf den Bundschuh und die Bauernkriege – typische historische Bezugspunkte der radikalen Linken. So wie damals das Landvolk gegen Adel und Ratsherren, könnten nun die Fabrikarbeiter und Kapitalisten, überhaupt die Besitzlosen gegen die Besitzenden, einen äußeren Anstoß zum offenen Kampf benutzen wollen. 75 Bereits unter dem Eindruck der französischen Julirevolution hatte ein polnischer Diplomat den „Krieg um Prinzipien“ als eine allgemeine gesellschaftliche Umwälzung prophezeit, das hieß den „Krieg derer, die nichts haben, gegen die, welche Alles haben“: „Jetzt ist der politische Fanatismus an die Stelle des religiösen getreten. 73 Dem von Frantz offenbar selbst erwarteten Einwand im Hinweis auf die USA begegnete er mit dem Urteil, dort habe keine Revolution stattgefunden, sondern ein Unabhängigkeitskampf. Vgl. Frantz, Die Wiederherstellung Deutschlands, S. 97. 74 Bretschneider, Die Theologie und die Revolution, S. 163 ff. Vgl. den Begriff prägend Schieder, Die ungewollte Revolution; später W. J. Mommsen, Die ungewollte Revolution. 75 Vgl. Deutschland im bewaffneten Frieden, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1841, 3. Heft, S. 185. Im Sommer 1850 unterzog Friedrich Engels die Bauernkriege einem Vergleich mit der Revolution von 1848. Gemeinsamkeiten erkannte er in der fehlenden Einheit der oppositionellen Klassen und der „Lokalborniertheit“, die zu hunderten von Lokalrevolutionen in den Kleinstaaten geführt habe. Während aber die „Revolution von 1525“ insgesamt eine deutsche Lokalangelegenheit geblieben sei, so Engels Schlussfolgerung, könne die Revolution von 1848 als Teil eines großen europäischen Ereignisses nicht so enden wie das historische Vergleichsereignis im 16. Jahrhundert. Vgl. Engels, Deutscher Bauernkrieg, v. a. Kap VII, S. 409 – 413.

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Die constitutionelle Charte ist das Evangelium der Völker; so könnten wir leicht alle Schrecken der Reformationskriege, des 30jährigen Krieges zugleich mit neuer Wuth sich entzünden sehen. Dies wäre gewissermaßen ein Bürgerkrieg im ganzen Europa.“ 76 Dieses Szenario, der Kampf der Klassen, den Karl Marx 1847 als „veritablen Bürgerkrieg“ 77 bezeichnete, war aus liberaler Sicht gleichbedeutend mit der Willkür der Massen, mit einer Anarchie, an deren Ende sie nicht den Menschheitsfrieden zu erkennen vermochten, sondern die Bedrohung des inneren und äußeren Friedens. Die Linke brandmarkte denn auch rückblickend die Warnung vor dem Bürgerkrieg als eine „Vogelscheuche“ der Revolution. 78 Bürgerkriegsangst und Bürgerkriegspropaganda erweisen sich damit im Kriegsund Revolutionsverständnis als wesentliche Scheidelinie innerhalb der deutschen Nationalbewegung. Neben der politischen und der sozialen Frage betonten andere die „geistigen Potenzen“ in der europaweiten Krise und in diesem Zusammenhang den Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestantismus. Für klerikale Deutungseliten drehte sich die gesellschaftliche Auseinandersetzung im Kern nicht um weltliche Etiketten wie Freiheit und Volkssouveränität, die tiefere Quelle des politischen „Formenkampfes“ erkannten sie konfessionsübergreifend im schwelenden „Prinzipienkampf“ zwischen religiös-sittlicher Tradition und säkularistischem „Zeitgeist“. 79 Dem Mainzer Katholik, der 1850 seinen Charakter von einer einfachen Kirchenzeitung hin zu einer Zeitschrift zur Besprechung der „eigentlichen Principienfragen“ änderte, waren die vergangenen dreißig Jahre eine Epoche nur des äußerlichen Friedens, tatsächlich aber eine Zeit des Kampfes, in der von Seiten der Kirche verloren gegangenes Terrain wieder gutgemacht und die kirchliche Gesinnung neu belebt worden sei. 80 Ein symbolischer Akt wie das überkonfessionell ambitionierte Kölner Dombauprojekt hatte nicht kaschieren können, dass im Vormärz die Auseinandersetzung sowohl zwischen Kirche und Staat als auch zwischen den Konfessionen an Schärfe gewonnen hatte. Hinzu traten Spannungen innerhalb der Konfessionen: auf Seiten des Katholizismus zwischen national und liberal denkenden Katholiken, einer dominant ultramontanen Kirche und der sektiererischen deutschkatholischen Bewegung, auf Seiten des Protestantismus zwischen lutherischer Orthodoxie, Neupietismus sowie rationalistisch-liberale und national-protestantische Strömungen. 81 Die Kölner Wirren um den Mischehenstreit 1837, der Kampf um den Bayerischen Kniebeugenerlass und die konfessionelle Polemik im Zuge der Trie76

Vgl. Die Wiederherstellung Polens, S. 9, 16. Marx, Das Elend der Philosophie, S. 226. 78 Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. 9. 79 Vgl. die Schrift des Hermesianer Baltzer, Beiträge zur Vermittlung eines richtigen Urtheils über Katholizismus und Protestantismus, S. III. 80 Der Katholik, N. F. 1 (1850), S. 1 ff. 77

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rer Wallfahrt sind herausragende Fallbeispiele. 82 Hans Karl Haubold Freiherr von Spesshardt, der zur Zeit der Revolution reformorientierter Staatsminister in Sachsen-Meiningen, später dann Abgeordneter im Erfurter Parlament war, vermerkte 1845 dazu, Deutschland habe kurz vor Szenen wie im Dreißigjährigen Krieg gestanden. 83 Die Aggression entlud sich in einem Verbalradikalismus, wie ihn zwei Beispiele aus den 1840er Jahren zeigen. Diese veranschaulichen zugleich, dass die konfessionellen Implikationen der deutschen Frage die im Prinzipienkrieg angelegte Dichotomie von Gut und Böse forcierten und den Gewaltimaginationen den Gehalt eines existentiellen Kampfes verliehen. Ostern 1843 belehrte die Predigt Anton Westermayers im Regensburger Dom die Gläubigen, dass es sich im Kampf zwischen der katholischen Kirche und der Spaltung des 16. Jahrhunderts nicht etwa um „theologisches Gezänke“ handle, sondern um einen „Principienstreit, ein[en] Kampf auf Leben und Tod“. 84 Zum protestantischen Kontra zählte die Überzeugung, dass in einem „dritten Kampf wider das romanische Princip der Weltbeherrschung“ der Mann zu Hermann dem Cherusker und Martin Luther nicht fehlen werde, um das Kleeblatt voll zu machen. 85 Im Zentrum der Angriffe auf Seiten der Protestanten, aber auch von Liberalen und Demokraten stand der Ultramontanismus. Katholiken beklagten vor allem die „bis zum Fanatismus gehende Aufstachelung des protestantischen Volkes“, das meine, die Jesuiten mischten ihm eine „Pulververschwörung“. 86 Die Pamphlete des Dramatikers Georg Köberle sind ein beredtes Beispiel dieser angeprangerten „Jesuitenhetze“. Der Bauernsohn, der sein Studium an Jesuitenkollegs in Rom und München absolviert hatte, entwickelte sich mit politischen Streitschriften zu einem Exponenten der antikatholischen Publizistik und agitierte in der Revolution 1848/49 auf Seiten der äußersten Linken. 1846 warnte er eindringlich vor den Gefahren vermeintlich neuer ultramontaner Umtriebe. Die Gegenwart, die er durch die Nachwehen des Dreißigjährigen Krieges belastet sah, 81 Vgl. allgemein Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 403 ff. (zum Katholizismus S. 406 –423, zum Protestantismus S. 423 –440); Nowak, Geschichte des Christentums, S. 64 ff. und 112 ff.; vgl. zu den Kirchen in der Revolution Hardtwig, Die Kirchen in der Revolution; Dietrich, Christentum und Revolution; Sperber, Kirchen, Gläubige und Religionspolitik in der Revolution. 82 Siehe Besier, Religion. Nation. Kultur, S. 3 –69. Siehe außerdem Haupts, Die Kölner Dombaufeste; Schieder, Die Trierer Wallfahrt von 1844; Lill, Die Beilegung der Kölner Wirren. 83 Vgl. Speßhardt, Wohin und Wodurch, S. 88. 84 Vgl. Westermayer, Predigt über die Möglichkeit einer Wiedervereinigung der Katholiken und Protestanten, S. 13, 20. 85 Vgl. Kölle, Einige Anliegen Deutschlands, S: 218 f.; Raum Zeit Bewegung oder Preußens Genius, 4. Heft, S. 21. 86 Vgl. Werner, Die preußische Politik, S. 26.

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glich für ihn in mehrfacher Hinsicht den Anfängen „jenes großen Ideenkampfes“ im Reformationszeitalter. Ganz Dramatiker nahm Köberle seine Zeitgenossen im mahnenden Appell deutscher Ahnen aus „blutiger Schreckenszeit“ in die Pflicht: „Haltet ein, unerfahrene Söhne des neunzehnten Jahrhunderts! Noch kennt ihr nicht die Greuel eines ernsten Religionskampfes, und tändelnd und spielend schwört Ihr ihn herauf über Eure Häupter. Ein tückischer Feind, der uns blutig ins Grabe gelegt, und Euch ein zerrüttetes Erbe hinterließ, pflanzt neu seine Schanzen auf in eurer Mitte. Ihr erlaubt unseren Feind nicht, weil er in verändertem Kleid und Namen sich in Eure Reihen schleicht. Leichtgläubig laßt Ihr Euch täuschen um Eure kaum errungene Eintracht, und eh’ Ihr es selbst wollt, steht Ihr auf den Gegenpolen des Fanatismus, wie einst wir auf demselben standen.“ 87 Vorrangig im Dualismus zwischen Preußen und Österreich wurde die Bezugnahme auf den Dreißigjährigen Krieg zur rhetorischen Waffe. „Es ist also doch ein politischer Religionskampf“, schreibt beispielhaft dafür 1847 Karl Freiherr von Bunsen angesichts der gegen Preußen gerichteten Politik des Fürsten von Metternich, die er als einen „Prinzipienkampf“ bezeichnete, in dem sich der Fanatismus der habsburgischen Politik zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges fortsetze. Gegenüber dieser bloßen Rhetorik findet sich jedoch über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg auch die durchaus ernst gemeinte Warnung vor einem Deutschland drohenden konfessionellen Bürgerkrieg nach Art des Dreißigjährigen. Sie hatte Hochphasen zwischen 1848 und 1850 sowie 1866, also in den zugespitzten Krisen des Konflikts zwischen Kleindeutschen und Großdeutschen. b) Bürgerlicher Bellizismus zwischen Revolutions- und Nationalkrieg Die geografische Mittellage, die aus der Staatenvielfalt entspringende und zu ausländischen Bündnissen verleitende machtpolitische Schwäche sowie die besondere Stellung Österreichs und Preußens als eigenständige europäische Mächte schien Deutschland zum potentiellen Schlachtfeld für die Kämpfe der europäischen Nationen zu prädestinieren. 88 Das Gefühl, von einem feindlichen Ausland eingekreist zu sein, musste sich den Zeitgenossen geopolitisch also aufzwingen und gehörte zum geschichtlichen Erfahrungsschatz der Deutschen. 89 Kein Kanonenschuss sei auf dem europäischen Kontinent gefallen, war 1831 in einer pfälzischen Flugschrift zu lesen, der nicht auch Deutschland erschüttert habe. Es sei immer Schauplatz von Kriegen um fremde Interessen gewesen, in denen Deutsche für die Sache ihrer Feinde das Leben ließen. Der unbekannte Verfasser propagierte dagegen die Einheit der deutschen Staaten als „Wetterscheide“ 87 88 89

Vgl. Köberle, Aufzeichnungen eines Jesuitenzöglings, S. 133 f. Vgl. Die Aufgaben deutscher Politik, S. 9. Siehe zur Einkreisungsangst jetzt v. a. Buschmann, Einkreisung.

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Europas, als das „Schutz- und Trutzbündnis für den Frieden“ auf dem Kontinent. Der Grundsatz einer friedfertigen, aber kräftig gerüsteten Politik – eine „furchtgebietende Neutralität nach Außen“, mit anderen Worten: eine Politik der Abschreckung – bot ihm die sicherste Gewähr für den Frieden. 90 Bereits im Umfeld der Julirevolution aber verwiesen besonnene Stimmen auf die unabsehbaren Folgen der Rüstung in Europa, die den gesellschaftlichen Wunsch nach Frieden und insbesondere das ökonomische Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung bedrohte. 91 1848, unter dem Eindruck der europaweiten Revolutionen, forderte der Historiker und Paulskirchenabgeordnete Friedrich von Raumer dazu auf, den Kriegszustand nicht auch im Frieden zu verewigen. Sollte der Weg der Aufrüstung weiter verfolgt werden, dann würden alle Kräfte einem einseitigen Zweck geopfert und die gebildeten Völker sich auflösen in Kriegsscharen wie zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. 92 Gegenwartsanalysen betonten Anfang der 1860er Jahre die Zeit und Raum verändernden Bedingungen der Moderne, die zu einer wechselseitigen Verknüpfung von materiellen und geistigen Interessen der Staaten führten. Während die einen in den gewachsenen zwischenstaatlichen Berührungspunkten ein Hemmnis für das Lostreten eines Krieges erkannten, verwiesen andere darauf, dass dieselben Ursachen, welche die Völker einander näher brächten, eine allgemeine Krise nach sich zögen. Nur die größten Anstrengungen hätten daher die vergangenen Krisen in ihren negativen Folgen zu beschränken vermocht. 93 Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Deutschen im kalten Krieg avant la lettre weitgehend begrenzte Konflikte erlebt, etwa die Rheinkrise von 1840, dann die wiederholten Kämpfe um Schleswig und Holstein zwischen Dänemark und dem Deutschen Bund, schließlich die österreichischen Feldzüge in Oberitalien 1859, die jeweils nationalbellizistische Wallungen hervorriefen. 94 Stellvertreterkriege an der europäischen Peripherie wie der Krimkrieg (1853 –1856) und aus der Ferne beobachtete Auseinandersetzungen wie der amerikanische Sezessionskrieg (1861 –1865) trugen bereits das Antlitz der industrialisierten Kriege der Moderne. Trotzdem wurde das Bild eines kommenden Krieges meist nur metaphorisch umrissen. Zeitgenössisch verwies man dazu auf das Aufwachsen einer Generation, 90 Vgl. Deutschland, was es ist, und was es werden muß, S. 115 f., 120 f. Begriff der „bewaffneten Neutralität“ u. a. im Umfeld des Italienkrieges in der Bayerischen Wocheschrift, 14. Mai 1859. 91 Vgl. Die Wiederherstellung Polens, S. 13, 17. 92 Vgl. Raumer, Reden, S. 6. 93 Die Vereinigten Staaten von Deutschland, S. 173; Der Einfluß der Civilisation auf den Krieg und die Krieggebräuche, in: Ueber Land und Meer, Bd. 10, Nr. 29 (1863); hier zit. nach Buschmann, Einkreisung, S. 85. 94 Siehe dazu Gruner, Der Deutsche Bund; Püschner, Die Rheinkrise. Siehe zu Schleswig-Holstein Geisthövel, Eigentümlichkeit der Macht. Siehe zu 1859 Mittelstaedt, Der Krieg von 1859.

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die seit 1815 den Krieg nur noch vom Hörensagen kannte. „Weil wir den Krieg nicht durch eigene Erfahrung kennen, deßwegen erscheint er uns zu oft in dem poetischen Gewande, mit welchem der patriotische Stolz seine Schrecken in der Geschichte zu verstecken pflegt“, schrieb der Nationalökonom Wilhelm Kießelbach 1859 in der Deutschen Vierteljahrsschrift. Er wies zugleich darauf hin, dass Krieg und Sieg dem Deutschen gleichbedeutend erschienen. 95 Der Schriftsteller und Feuilletonist Julius Grosse benannte bezeichnend dafür Anfang der 1860er Jahre zwei Wege, um den „bewaffneten Frieden, das Unglück Europas“, zu beenden und zugleich Frankreich wieder in die Grenzen unter Ludwig XIII. zurückzudämmen: erstens einen von Deutschland diktierten europäischen Friedenskongress und zweitens den offenen Krieg. Über seine persönliche Präferenz ließ er keinen Zweifel aufkommen. „Warum wollen wir diese unabsehbaren Wirren nicht in einem entschlossenen Feldzuge abkürzen, warum unsere Nachkommen nicht lieber die Segnungen eines immerhin theuer erkauften, aber sicheren Friedens, als neue, unbeendete Kriege und Drangsale als Erbschaft hinterlassen“, fragte Grosse und proklamierte gleichzeitig die nachhaltige Aufrüstung als deutsche Pflicht zur Grundlage dieser aggressiven Außenpolitik. 96 Auf wenige Seiten zusammengedrängt zeigt sich hier eine gesamtgesellschaftliche Tendenz, in der sich über den Untersuchungszeitraum hinweg der Krieg vom Optativ zum Imperativ der deutschen Politik wandelte. Stärker als früher wird heute bei Liberalen und Demokraten die Rolle außenund machtpolitischer Überlegungen betont, in denen ein latentes Bedrohungsgefühl das kosmopolitische Denken ablöste. Der Vormärz sei von eminent außenpolitischen Ängsten geprägt gewesen, betont etwa Wolfgang Hardtwig und insistiert insbesondere auf die nachhaltige Wirkung der Rheinkrise 1840 für die Entwicklung des Nationalismus von einem Eliten- zum Massenphänomen. 97 Die Datierung der Hinwendung bürgerlicher Eliten zur Gewalt ist in der Forschung umstritten. 98 Offensichtlich ist aber, dass dem Jahr 1848 eine katalytische Schlüsselrolle zukam. Denn die Revolution war zwar ein europäischer ‚Aufbruch zur 95 Kießelbach, W.: Der Krieg und die politische Entwicklung Europas, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1859, 4. Heft, S. 75. 96 Grosse, Deutsche Pflichten S. 22, 28. Eine andere Einschätzung der Stimmungslage in Gross-Germanien und die Revision der Karte von Europa, S. 33 f.: „Zu dem Ziele der Wiederherstellung der Macht Deutschlands führen zwei Wege, der des Krieges und der des Friedens. Vielleicht könnte der erstere dieser Wege als der weniger schwierige und der rascher zum Ziel führende gelten. Indessen die Stimme der Mehrzahl der deutschen Bevölkerung wird sich dahin neigen, dass zunächst der Weg des Friedens gewählt und der andere Weg erst dann beschritten werde, wenn auf dem ersteren das gewünschte Ziel nicht erreicht werden sollte.“ 97 Vgl. Hardtwig, Elitebewusstsein, S. 52. 98 Auf das außenpolitische Aggressionspotential im Liberalismus und die Kontinuität imperialistischen Denkens im 19. Jahrhundert hat wesentlich Hans Fenske aufmerksam gemacht. Die Debatte um eine deutsche Weltmachtrolle entfaltete sich demnach ab 1814,

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Freiheit‘, wie das ‚tolle Jahre‘ bis heute – und gerade heute – dem bundesdeutschen Geschichtsbewusstsein implementiert ist. In dieser geschichtspolitischen Verkürzung, die darauf abzielt der Bundesrepublik eine eigene Demokratietradition zu verschaffen, gerät aber leicht aus dem Blick, dass der vielbeschworene ‚Völkerfrühling‘ in der politischen Auseinandersetzung der Nationen schnell sein Ende fand. 99 Nationalität erwies sich 1848 in ganz Europa als hoffnungsstiftendes gewann schon wenig später an Breite und fand in den dreißiger Jahren eine beträchtliche öffentliche Resonanz. Besonders lebhaft sei sie zwischen Rheinkrise und Revolution und dann wieder in den sechziger Jahren gewesen. Fenske sieht damit bereits bei deutschen Frühliberalen kaum gezügelte Expansionsgelüste angelegt, die sich im Verlangen nach einer Kriegsflotte, Kolonien und einer Weltmachtpolitik niedergeschlagen habe. Den Wandel von der Idee der Freiheit zur Apologie des Krieges verortet Frank Nägler bereits in die unmittelbare Wirkungsgeschichte der französischen Julirevolution. Danach kam der Rheinkrise eine mehr nur nachgeordnete Bedeutung zu. Jedenfalls sei diese weitaus weniger ins Gewicht gefallen als die von der Julirevolution ausgehende Wirkung. Nägler erklärt mit Blick auf Rotteck den zunehmenden Bellizismus aus der Bereitschaft, den Krieg als Mittel zur Abwehr der zunehmenden sozialen Polarisierungstendenzen einzusetzen. Danach zeichnete sich seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Bellizismus ab, für den Kriegsverherrlichung und Aggression nach außen konstitutiv waren. In der Kontoverse über das Verhältnis von Macht- und Gewaltbereitschaft einerseits und frühliberaler Freiheitstopoi andererseits vertritt Ulrike von Hirschhausen auf der Basis ihrer Forschungen zur Deutschen Zeitung, dem Sammlungsorgan des gemäßigten konstitutionellen Liberalismus im ausgehenden Vormärz, eine relativierende Haltung. Danach formulierten Meinungsprägende Teile des deutschen Liberalismus zwar das verstärkte Machtbedürfnis eines deutschen Nationalstaats. Liberale in den Mittelstaaten, bei denen ganz der subjektive, konstitutionelle Begriff der Nation dominierte, hätten darüber aber die liberale Friedensutopie keineswegs aus den Augen verloren. Zuletzt hat Manfred Kittel erneut die nationalistischen außenpolitischen Vorstellungen der Konstitutionellen betont und dabei zu Recht den Abschied vom Völkerfrühling in das entscheidende Halbjahr vom März bis zum September 1848 datiert. Dietmar Klenke sieht die machtstaatlichen Selbstbehauptungs- und Rivalitätsvorstellungen ab 1850 kulturelle Hegemonie erringen und nach 1859 das frühliberale Ideal einer weltweiten Harmonie freier und gleichberechtigter Nationen davon endgültig an den Rand gedrängt. Vgl. Fenske, Ungeduldige Zuschauer; Müller, „Der Traum von der Weltmacht“; Nägler, Von der Idee des Friedens zur Apologie des Krieges; Meyer, Freiheit und Macht; Hirschhausen, Deutsche Zeitung; dies., Nationale Machtpolitik oder europäische Integration; Kittel, Abschied vom Völkerfrühling; Klenke, Deutsche Nationalreligiosität. 99 Die Beschwörung einer deutschen Demokratietradition findet sich eindrucksvoll in der Rede von Bundespräsident Roman Herzog am 18. Mai 1998 in der Paulskirche. Herzog sagte: „1848 gibt uns das Recht, mit Selbstbewußtsein zu sagen: Die demokratische Idee, die Ideen der Freiheit, der Menschen- und Bürgerrechte sind auch ein Teil der deutschen Tradition – auch wenn sie sich erst später wirklich durchgesetzt haben.“ Vgl. Das Parlament, Nr. 24 (5. Juni 1998), S. 10. Symbolisch schlägt sich diese Lesart der deutschen Revolutionsgeschichte in der Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor in „Platz des 18. März“ nieder. Damit soll die Revolution am 18. März 1848 und die ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 in Verbindung gebracht werden. Ausdruck dieser „gewollten“ Traditionslinie ist auch das 2000 von Bundestagsabgeordneten aus den neuen Bundesländern angeregte „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ auf dem Berliner Schlossplatz, das in der Intention der Abgeordneten für die Überwindung eines martialischen Nationalismus und die Vollendung der demokratischen Revolution von 1848 stehen sollte. Der

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und zugleich friedenstörendes Prinzip, wie Wolfram Siemann im Jubiläumsjahr 1998 bilanzierte. 100 Das deutsche Bedürfnis nach Einheit war immer auch „namentlich ein Bedürfniß der Macht“, hatte der Paulskirchenabgeordnete Georg Beseler 1849 unmissverständlich dargelegt. 101 Sein Kollege Friedrich Christoph Dahlmann gab in der Nationalversammlung die Begründung dafür: „Die Bahn der Macht ist die einzige, die den gärenden Freiheitstrieb befriedigen und sättigen wird, der sich bisher selbst nicht erkannt hat. Denn es ist nicht bloß die Freiheit, die er meint, es ist zur größeren Hälfte die Macht, die ihm bisher versagte, nach der es ihm gelüstet.“ 102 Wie sehr auf die Revolution ein nationaler Minderwertigkeitskomplex wirkte, verdeutlichen zahllose Reden der Paulskirchenabgeordneten. So führte Ministerpräsident Heinrich von Gagern im Januar 1849 Revolution und Nationalversammlung auf das „niederdrückende Gefühl“ zurück, dass dem deutschen Volk die Rolle in Europa vorenthalten sei, die ihm gebühre. 103 Wenn aber eine Nation die Macht nicht besitze, die sie verdiene, so sei das für sie eine Schmach, urteilte Hermann von Beckerath, der zugleich überzeugt war, dass das deutsche Volk entschlossen sei, diese fühlbare Schmach nicht länger zu dulden. 104 Die mehrheitsfähige Forderung, dass Deutschland aufhören solle, „der Hohn und Spott der Nationen“ (Marquard Barth) zu sein, schlug sich innerhalb der Paulskirche in einer ihrer zentralen Grundlinien der auswärtigen Politik nieder, die Ehre und Recht Deutschlands über jede Rücksichtnahme stellte. Der Abgeordnete Jordan, ein typischer Grenzlandnationalist aus Ostpreußen, berief sich in der Auseinandersetzung um Posen ganz offen auf das Recht des Stärkeren zur Eroberung. Gerade in dieser Debatte zeigte sich, dass in Teilen der Nationalbewegung der universale Anspruch freiheitlicher Ideale, wie er im „Polenrausch“ des Ham-

damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach von 1848 als Beginn und 1990 als Vollendung des „Freiheits- und Demokratiestrebens“ der Deutschen. Vgl. Der Schlossplatz als Mekka der Demokraten, in: Berliner Zeitung, 15./16. April 2000, S. 14; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. März 2000. Claudia Roth urteilt zu Recht, dass das Ende der deutsch-deutschen geschichtspolitischen Kontroverse offensichtlich nicht das Ende einer politisch motivierten Erinnerung an 1848 gebracht habe. Vgl. Roth, Das trennende Erbe, S. 228. 100 Vgl. Siemann, Griff nach der Nation, S. 56. Für Wilhelm Bleek sind bereits in der Revolution der demokratische Aspekt der gegenseitigen Achtung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker einerseits sowie die imperialistische Perspektive des Vorrangs der eigenen Nation gegenüber fremden Völkern andererseits die zwei Seiten der gleichen Medaille. Vgl. Bleek, Die Paulskirche in der politischen Ideengeschichte Deutschlands, S. 35. 101 Vgl. Verhandlungen, Bd. 9, S. 6668. 102 Ebd., Bd. 7, S. 4821 f. 103 Vgl. ebd., Bd. 6, S. 4562. 104 Vgl. ebd., S. 4595.

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bacher Festes zum Ausdruck gekommen war, einem „gesunden Volksegoismus“ (Jordan) Platz gemacht hatte. 105 Die schwerwiegenden Implikationen, die eine derartige Forderung für das europäische Miteinander haben konnte, waren den Abgeordneten der Paulskirche durchaus bewusst. Unter Bravorufen des Plenums verkündete Friedrich Christoph Dahlmann Anfang Juni der Paulskirche: „Dann allerdings wird das bisherige Gleichgewicht von Europa verrückt, wenn unser Deutschland aus einem schwachen, versunkenen Gemeinwesen, aus einer im Ausland geringgeschätzten Genossenschaft zu Würde, Ehre und Größe hinaufsteigt. Diese Verrückung des Gleichgewichts von Europa wollen wir aber haben und festhalten, und auf dieser Verrückung des Gleichgewichts von Europa wollen wir bestehen, bis der letzte Tropfen Blutes uns entströmt ist.“ 106 Die Träume und Forderungen nach deutscher „Weltgeltung“ und „Weltmacht“ reichten von einer deutschen Seeherrschaft, die man in der Flottenrüstung auch praktisch umzusetzen suchte, bis zur Propagierung einer welthistorischen Mission deutscher „Cultur“ und „Civilisation“ im Osten. 107 Diese kulturchauvinistische Tendenz kam auch in der revolutionären Gedankenwelt auf Seiten der radikalen Linken zum Tragen. Friedrich Engels als führender Kopf der außerparlamentarischen linken Opposition schrieb in der Neuen Rheinischen Zeitung unter dem Eindruck der kroatischen Unterstützung während der österreichischen Gegenrevolution von „Völkerruinen“ und „Völkerabfällen“ und sagte im „nächsten Weltkrieg“ dem „revolutionär-verräterische[n] Slawentum“ einen Vernichtungskampf und rücksichtslosen Terrorismus voraus. 108 Der Kampf zwischen den Germanen (als dem „größte[n] Kulturvolk der bekannten Geschichte“) und den Slawen stünde als Feuertaufe des geeinten Deutschlands im Programm der kommenden Geschichte, hieß es ganz ähnlich in einer Kampfschrift der Linken von 1865. 109 Feindbild war Russland und die Konterrevolution. Am 22. Juli 1848 trat mit Arnold Ruge einer der profiliertesten Abgeordneten der bürgerlichen Linken in der deutschen Nationalversammlung vor die Paulskirche. In seiner Rede forderte er den revolutionären Krieg gegen Russland, denn dieser sei „der letzte Krieg, der Krieg gegen den Krieg, der Krieg gegen die 105

Vgl. ebd., Bd. 1, S. 274; ebd., Bd. 2, S. 1145 (Jordan); ebd., Bd. 6, S. 4755 (Barth). Vgl. ebd., Bd. 2., S. 1117. 107 Vgl. die Österreich-Debatte im Oktober, v. a. die Rede Graf Deyms von Hohenelbe (Böhmen), Abgeordneter des „Casino“ (Verhandlungen, Bd. 4, S. 2881 f.); Rede des „Casino“-Abgeordneten Wichmann von Stendal, (ebd., S. 2884.); die Rede des Abgeordneten Kaiser von Wien („Augsburger Hof“) (ebd., S. 2852 f.); die Rede des Abgeordneten Wurm von Hamburg, („Württemberger Hof“) (ebd., S. 2908) und die Rede des Abgeordneten Giskra von Mährisch-Trübau (ebenfalls „Württemberger Hof“) (ebd., Bd. 6, S. 4660 f.) 108 Vgl. Engels, Der magyarische Kampf, S. 165 –176; ders., Der demokratische Panslawismus, S. 271 – 286. 109 Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. 44. 106

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Barbarei, welche der Krieg ist“. 110 Damit brachte Ruge die Vorstellung von einem „gerechten“ Krieg innerhalb der parlamentarischen Linken zum Ausdruck. Den „heiligen Krieg der Kultur des Westens gegen die Barbarei des Ostens“, wie ihn Karl Vogt im März 1849 vor der Paulskirche propagierte, stilisierten die Abgeordneten zum Befreiungskampf der Völker. 111 Die Neue Rheinische Zeitung hatte bereits Mitte Juli 1848 auf dieser Linie argumentiert: „Nur der Krieg mit Rußland ist ein Krieg des revolutionären Deutschlands, ein Krieg, worin es die Sünden der Vergangenheit abwaschen kann, worin es seine eigenen Autokraten besiegen kann, worin es, wie [es] einem die Ketten langer träger Sklaverei abschüttelnden Volk geziemt, die Propaganda der Zivilisation mit dem Opfer seiner Söhne erkauft und sich nach innen frei macht, indem es nach außen befreit.“ 112 Das Ideal eines revolutionären Bürgerkrieges der Unterdrückten gegen die Unterdrücker war als Ursprung eines „ewigen Friedens“ für die extreme Linke nur als Weltbürgerkrieg zu denken. Diese Vorstellung fand in der berühmt gewordenen Zeile von Karl Marx in der Neuen Rheinischen Zeitung vom Neujahrstag 1849 ihren Höhepunkt: „Revolutionäre Erhebung der französischen Arbeiterklasse, Weltkrieg – das ist die Inhaltsanzeige des Jahres 1849.“ 113 Aus der Perspektive radikaler Demokraten und der extremen Linken waren Revolution, Bürgerkrieg, ja der Weltkrieg eng verzahnt. Der Revolutionskrieg als Weltbürgerkrieg war dagegen der breiten Mehrheit der Paulskirche, den gemäßigten Liberalen, ein Schreckensszenario. Dass sie jedoch den Krieg ebenso im Kalkül hatten, ist bereits dargelegt worden. Damit standen sich zwei kriegsbereite Handlungsentwürfe gegenüber: Die Linke propagierte den Revolutionskrieg, der in radikalisierter Form ein Weltbürgerkrieg sein würde, die Mehrheit dagegen dachte in den Kategorien eines nach außen befreienden und nach innen einigenden Nationalkrieges. Beide bildeten das janusköpfige Erbe der Revolutionskriege, die zu Beginn um universale Ideale wie Freiheit und Humanität geführt worden waren, deren Motivation sich aber von einem ideellen Messianismus zum nationalen Überlegenheitsgefühl wandelte, wie Wilhelm Janssen konstatierte. 114 Am Ende standen ein expansiver Nationalismus und die entfesselte Idee von einem aggressiven Nationalkrieg. Einen solchen Krieg aber galt es mit der ganzen Kraft der Nation zu führen. Hinter der Fassade nationaler Stärke stand auf Seiten der Gemäßigten und Liberalen die tiefe Furcht vor der inneren Zerrüttung, herrschte Revolutions- und als solche eine Bürgerkriegsangst. Die Beschwörung einer „homogenen Kriegergemeinschaft“ (Jörn Leonhardt) schöpfte ihre Motive aus dem Idealbild der Befreiungskriege als Beweis deutscher Stärke beim Handeln 110 111 112 113 114

Vgl. Verhandlungen, Bd. 2, S. 1101. Vgl. ebd., Bd. 8, S. 5817 – 5823. Vgl. Neue Rheinische Zeitung, 12. Juli 1848. Vgl. Neue Rheinische Zeitung, 1. Januar 1849. Vgl. Janssen, Krieg, S. 590 f.

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in Einheit von König, Volk und Vaterland. Das Bild der „Waffenbruderschaft“ (Nikolaus Buschmann) fokussierte zusätzlich die partikularstaatliche Problematik und mahnte die militärische Einheit der deutschen Staaten an. Der Krieg war also das große nationale Thema, das die Presse, wie Nikolaus Buschmann herausgearbeitet hat, durch die Aktualisierung vergangener und die Prophezeiung zukünftiger Kriege auch in Friedensphasen öffentlich präsent hielt. 115 In die Deutung dieser weitgehend imaginierten Kriege floss regelmäßig die Erinnerung an historische Kriegskatastrophen ein. Mit der Aktualisierung früherer Konfliktlagen bot sich, wie Dietmar Klenke historiographiekritisch feststellte, ein in der Geschichtsforschung lange Zeit unterschätztes Dramatisierungspotential für die gesellschaftliche Auseinandersetzung. Außenpolitische Krisen wurden demnach im Licht vergangener Kriege als existentielle Bedrohung wahrgenommen und zur Durchsetzung eigener Interessen gegenüber den Herrschenden in Stellung gebracht. Dieser Erklärungsansatz, der den „kriegerischen Wortradikalismus“ (Dietmar Klenke) der politischen Öffentlichkeit funktional begreift, verbindet die rhetorische Kompensation außenpolitischer Schwäche mit dem gesellschaftlichen Konfliktpotential der aufbrechenden Feudalgesellschaft durch unbefriedigte Partizipationsansprüche vor allem der Gebildetenschicht. Die außenpolitische Problemwahrnehmung erscheint damit als dynamisierender Faktor einer nationalen Identitätsbildung in Deutschland und der in der bürgerlichen Nationalbewegung propagierte Nationalkrieg als Projektionsfläche gesellschaftlicher Partizipationserwartungen. 116 Auf dieser Linie hatte bereits zeitgenössisch Franz Schuselka den „heftigsten Federkrieg“ der Revolutionsjahre als ein Mittel zur Frustbewältigung der Intellektuellen und als Kompensation ihrer innerstaatlichen Machtlosigkeit interpretiert. 117 Mit dem wachsenden literarisch-publizistischen Markt, der „papiernen Revolution“ 118, war gegenüber der repräsentativen Öffentlichkeit der feudalen Aristokratie ein eigener Kommunikationsraum entstanden – als diskursiver Ort einer meinungsführenden nationalen liberal-demokratischen Opposition ebenso wie für konservative, konfessionelle und proletarische Teilöffentlichkeiten. 119

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Buschmann, Einkreisung, S. 40 f. Vgl. dazu Klenke, Nationalreligiosität, S. 407,424; F. Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 24; Klenke, Nationalreligiosität, S. 407; Buschmann, Einkreisung, S. 15. 117 Schuselka, Das Interim, S. 14. Dass in der Reichsgründungszeit das Denken in machtstaatlichen Kategorien Ausdruck der innenpolitischen Ohnmacht des preußischen Bürgertums war, bereits bei Winkler, Bürgerliche Emanzipation. 118 Schuselka, Deutsche Volkspolitik, S. 155. 119 Vgl. dazu Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit; Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 587 ff.; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 520 ff.; ebd. Bd. 3, S. 429 ff.; siehe zur Entwicklung des deutschen Zeitungswesens immer noch Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert. 116

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Die Presse bildete damit die mannigfaltigen innergesellschaftlichen Konflikte ab: „In unsern Zeitungen streiten sich Ultramontane mit dem protestantischen oder katholischen Liberalismus, preußische Regierungsfedern mit den österreichischen, die kleine aber mächtige Parthei Preußens mit den Fortschrittspartheien – aber wer berichtet über die gemeinsamen Interessen des deutschen Volkes?“, fragte ein ernüchterter Beobachter, der die Aufgabe der Presse vor allem darin sah, die Einheit der Nation zu fördern. 120 Hierin spiegelt sich das Bewusstsein für die neue Macht einer durch die Presse repräsentierten oder aber geformten öffentlichen Meinung. Über sie hatte der „gelehrte Stand“ mit den Universitäten, dem Bücherwesen und der Presse sowie durch seine Verbindung zum Wirtschaftsbürgertum eine unberechenbare Gewalt, wie bereits damals kritisch bemerkt wurde. 121 Man erkannte einen spannungsreichen Konflikt zwischen der öffentlichen Meinung und dem zeitgenössischen Wahrheitsanspruch eines räsonierenden Bürgertums. 122 Dabei war es gerade eine Eigenheit des deutschen Zeitungswesens, wie ein Beobachter aus Frankreich verlauten ließ, dass gegenüber dem dortigen Hang zum Tendenzartikel der „historisch gesinnte Deutsche“ zugleich Geschichte in seiner Zeitung lesen wolle, nämlich „eine Geschichte der Gegenwart, mit der Gewissenhaftigkeit zusammengetragen, womit ein Historiker seine Quellen sammelt; durch keine Parteiabsicht bestochen, mit keiner vorgefaßten Meinung gefärbt, von keinem Zwecke bedungen, als dem der historischen Wahrheit“. 123 Dagegen urteilte gewohnt drastisch der Publizist Wilhelm Marr, dass die deutsche Presse der öffentlichen Meinung nicht führend voranginge, sondern ihr als Marketenderin folge, indem sie den „Schnaps der Illusionen“ statt den „Wein der Wahrheit“ einschenke. 124 Frühe Medienkritiker, wie der Historiker und Publizist Heinrich Wuttke, bezweifelten, dass in der Presse als „organisirte Agitation“ die wirkliche Meinung der breiten Masse zum Ausdruck kommen könnte und beschrieben sie nicht als Äußerung des freien Geistes, sondern als eine „Waffe“, um eine öffentliche Meinung zu bilden, oder – in deutlicheren Worten des Österreichischen Volksfreundes – um „das Volk zu belügen, zu verdummen und zu verhetzen“. 125 Dass das Bild von der Presse als Waffe unter den Bedingungen eines Krieges ganz wörtlich genommen werden konnte, verdeutlichen eindringlich die Ausführungen Karl von Thalers über die „literarischen Aufgaben des Augenblicks“, die er Ende Mai 1866 in der Neuen Freien Presse veröffentlichte. 126 Der groß120

Die Aufgaben deutscher Politik, S. 177. Münch, Teutschlands Vergangenheit und Zukunft, S. 15. 122 Vgl. dazu beispielhaft Bührlein, Zeitansichten eines Süddeutschen, S. 73. 123 Vgl. Das deutsche Zeitungswesen, in: Deutsche Vierteljahrschrift, 1840, 1. Heft, S. 1 – 66. 124 Marr, Der Ausschluß Oesterreichs, S. 29. 125 Wuttke, Die deutschen Zeitschriften, S. 145 ff.; Österreichischer Volksfreund, 25. Mai 1866. 121

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deutsch gesinnte Redakteur erweist sich darin als ein österreichischer Vertreter der kriegsapologetischen „Tagesschwätzer hinter dem Ofen“, wie die Kölnische Zeitung Kriegsanhänger unter den Standesvertretern brandmarkte. 127 Der Artikel steht beispielhaft für ein journalistisches Selbstverständnis, in Kriegszeiten als Sprachrohr der Mobilisierung an der Heimatfront zu fungieren. Schmerzlich erfüllte von Thaler „eine Art Tintenscheu, von Widerwillen und Geringschätzung gegen die friedliche bürgerliche Beschäftigung“, wo doch die großen Fragen der Geschichte nur mit Gewalt zu lösen seien. Und doch, so notierte er zur Beruhigung seiner Zunft, erfülle auch der Literat im Krieg Großes, trete auch er, ohne offiziellen Befehl und Lohn, den militärischen Reihen bei. Denn die Leistung der Presse beschränke sich nicht auf die Befriedigung der Neugier der Leser, ihr falle gleichsam die Aufgabe zu, den Volksgeist anzustacheln und das Banner der Idee hochzuhalten: „Es gibt heutzutage bei jedem Kriege zweierlei Fahnen, die seidenen, denen die Truppen nachfolgen zu Sieg und Tod, und die unsichtbaren Fahnen des Gedankens, der hinter der Armee, die über dem Volke wehen, das Opfer, Entbehrung und Lasten aller Art erträgt.“ 128 3. Zwischenfazit Am Ende dieser gesellschaftspolitischen tour d’horizon lässt sich mit einem deutschen Stimmungsbild Bilanz ziehen, das August und Peter Reichensperger im Jahre 1860 formulierten. Das einflussreiche Bruderpaar aus den Reihen des rheinischen Liberalismus spitzt darin das allgemeine Krisenbewusstsein nationalpolitisch zu: „Der Verwirrung der Thatsachen entspricht und dient die Verwirrung der Begriffe, deren Kern fast nur noch gewisse, nach dem jeweiligen Bedarf oder Belieben improvisierte Schlagwörter bilden. Nationalität, Einheit, Humanität, Kriegslocalisirung, Volkswille, Nichtintervention, Freiheit, Civilisation, Fortschritt und der gleichen ‚Principien‘ mehr brodeln durcheinander und können zu keiner Klärung kommen. Jedes Gelüste nach fremden Gute wird alsbald in eine sogenannte ‚Frage‘ umgewandelt und die Antwort darauf von dem Fragenden selbst mit dem Schwerte oder mit sonstigen Gewaltmitteln gegeben.“ 129 Die ungeklärten Prinzipienfragen, von denen die Brüder Reichensperger hier sprechen, ließen sich bereits in damaliger Diktion zu der einen großen, der „deutschen Frage“ , bündeln. 130 Mit ihr richtete sich angesichts des „bewaffneten Friedens“ im Deutschen Bund die zeitgenössisch diagnostizierte Gewaltbereitschaft der Nation nach innen und nach außen. 126 127 128 129 130

Bücher-Zeitung/ Literaturbriefe, in: Neue freie Presse, 27. Mai 1866. Deutschland und der Krieg, in: Kölnische Zeitung, 12. Mai 1866. Bücher-Zeitung/ Literaturbriefe, in: Neue freie Presse, 27. Mai 1866. A. u. P. Reichensperger, Deutschlands nächste Aufgaben, S. 1. Vgl. beispielhaft Thielau, Die deutsche Frage; Schweitzer, Zur deutschen Frage.

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Der gesellschaftlich spaltende politische, soziale und konfessionell-religiöse Prinzipienkampf machte den Dreißigjährigen Krieg zur wichtigen historischen Illustration von Revolutionsvorstellungen und Bürgerkriegsängsten, die immer auch das ausländische Bedrohungspotential mitdachten. Als wesentliche außenpolitische Konstante im nationalpolitischen Denken erweist sich die Diskrepanz zwischen der Weltstellung, die man für Deutschland als angemessen betrachtete, und einem Erfahrungsraum im Deutschen Bund, der die reale außenpolitische Schwäche verdeutlichte. Sie ließ das Gefühl erlittener Schmach und fortwährender Demütigung zum Leitmotiv der politischen Diskurse werden. Die besondere Spannung resultierte dabei aus der Überzeugung, dass Deutschland wieder werden müsse, was es vermeintlich einstmals im Reich gewesen sei. 131 Weltmachts- und Untergangsszenarien lagen oft dicht beieinander. Dazu zählte auch die Klage über das deutsche Misstrauen gegen sich selbst, das als Ergebnis der inneren Zerrissenheit den Zeitgenossen gleichbedeutend war mit einer Niederlage vor dem Kampf. 132„Denn furchtbar und in Blut geschrieben sind die großen, leuchtenden Lehren der Weltgeschichte, und wer da lernen will von der großen Meisterin, der darf sich nicht abwenden, wenn Schrecken und Gräuel heraufsteigen aus finsterer Vergangenheit.“ Der Sozialist Johann Baptist von SchweitzerAllesina formulierte 1862 mit diesen Worten ein Geschichtsverständnis, in dem der historischen Schmach- und Demütigungserfahrung eine funktionale Bedeutung für die Genese nationaler Identität und zur Legitimierung eines nationalen Machtanspruchs zugewiesen wurde. Denn nur dieser „heilige Ingrimm“ führe zu der „zehrende[n] Gluth, die da Auge um Auge will und Zahn um Zahn; das ist jener vernichtende Stolz, der den Völkern sagt, dass sie ewig sind und mit ihrem ewigen Rechte hinwegschreiten dürfen über die Anmaßungen weniger Eintagsfliegen“. 133 Der badische Staatsbeamte und Bildungsreformer Karl Friedrich Nebenius hatte bereits die erste „Blüte“ des deutschen Nationalgefühls im Zuge der Rheinkrise auf einen über fünfundzwanzig Jahre in den deutschen Geschichts- und Schulbüchern ausgestreuten Samen zurückgeführt, wo die nationale Erniedrigung derart hervorgehoben worden sei, dass sie nicht ohne Einfluss auf die „jugendlichen Gemüther“ habe bleiben können. 134 Dieser politische Zugriff auf die deutsche Geschichte erkor vorrangig den Dreißigjährigen Krieg und den Westfälischen Frieden in ihrer Deutung als Ausdruck deutscher Schwäche und als Beginn nationaler Schmach und Demütigung zu wesentlichen Bezugspunkten. Die folgenden Kapitel zeigen dies am Beispiel zweier 131 Fenske, Ungeduldige Zuschauer. Auch Thomas Nipperdey spricht vom Nachholund Kompensationsbedarf einer lange ohnmächtigen und geteilten Nation. Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte S. 630. 132 Augustin, Zur deutschen Frage, S. 6. 133 Schweitzer, Zur deutschen Frage, S. 8. 134 Nebenius, Das südwestliche Deutschland, S. 44 f., 55 f.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Schlüsselereignisse der deutschen Geschichte, bei denen die bestimmenden Handlungsoptionen der Nationalbewegung als Gegenentwurf zur politischen Kultur im Deutschen Bund zum Tragen kamen: der Revolution von 1848/49 und dem innerdeutschen Krieg von 1866. Eine Leitfrage dieser Analyse ist die Bedeutung der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg als Vehikel nationaler Integration und Exklusion. Darüber hinaus geht es um die friedensfördernde oder aber die kriegslastige Rolle der Geschichtsbilder im Wechselspiel von Nationalisierung des Krieges und Militarisierung der Nation.

II. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und die deutsche Revolution 1. 1648 –1848: Ein vergessenes Jubiläum? Der nationale ‚Aufbruch zur Freiheit‘ in Deutschland fiel in das Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens, dessen Abschluss sich am 24. Oktober 1848 zum zweihundertsten Mal jährte. Im Vorfeld des Jubiläumsjahres war zumindest in Ansätzen ein öffentliches Bewusstsein für dieses Ereignis vorhanden. Einzelne Publikationen widmeten sich der Darstellung des Dreißigjährigen Krieges und der damit verbundenen Friedensverhandlungen oder dokumentierten als Quellensammlung das 1648 geschlossene Vertragswerk mit dem Ziel, dem schwindenden Wissen über den Friedensschluss entgegenzuwirken. Diese Schriften betonten die fortdauernde Gültigkeit des Westfälischen Friedens als Völkervertrag Europas und würdigten die Sicherung von Religionsgleichheit und Gewissensfreiheit als Basis der deutschen Landrechte. Im Großen und Ganzen waren es jedoch, gemessen an der Geschichtsbegeisterung der Epoche, erstaunlich wenige Veröffentlichungen. 135

135

Siehe Klüber, Völkerrechtliche Beweise; Hertel, Welche Bedeutung hat für uns der Westphälische Friedensschluß. Diese Arbeit war vor allem von den konfessionellen Auseinandersetzungen im Vorfeld der Revolution beeinflusst und plädierte für eine konfessionsübergreifende Nationalkirche. Der Sulzbacher Stadtpfarrer Gack brachte Dokumente zum Friedensschluss heraus: „Wenn auch zugegeben werden muß, daß im Allgemeinen durch diesen Friedensschluß weder die Evangelischen noch die Katholiken vollkommen befriedigt wurden, vielmehr die evangelische Kirche nach so außerordentlichen Anstrengungen nicht dieselbe Selbstständigkeit und dieselben Gerechtsame erhielt, deren sich die katholische Kirche erfreut, so ist doch das in demselben aufgestellte Grundgesetz der Religionsgleichheit und der Gewissensfreiheit von unaussprechlichem Segen. Denn die Gewissensfreiheit wurde der mächtige Hebel, das freie Denken zu befördern, den Aberglauben zu verscheuchen und die Finsterniß zu durchbrechen. [ . . . ] Am 24sten October des laufenden Jahres feiert Deutschland das zweihundertjährige Bestehen dieses Friedens. Fast sollte man befürchten müssen, daß die Theilnahme an dieser Feier weniger allgemein und lebhaft seyn werde, da die Bestimmungen dieses Friedens selbst viel zu wenig bekannt, und in unseren Tagen die Ausgaben der Friedens-Urkunde selten und immer seltener geworden sind. [ . . . ] Möge Deutschland, das dermalen durch seine Abgeordneten das Wohl des Vaterlandes berathet, die Rechtskraft dieser Friedensbestimmungen wieder aner-

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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Auch das offizielle Gedenken 1848 erwies sich in den Grenzen des Deutschen Bundes insgesamt als marginal. In keiner der beiden westfälischen Friedensstädte gab es eine zentrale Feier: In Münster gedachte zwar am 15. Mai der Stadtrat des Ereignisses, als man erstmals wieder im Friedenssaal tagte, für den Oktober ist dort aber keine gesonderte Veranstaltung amtlich verzeichnet. Auch Osnabrück, einhundert Jahre zuvor noch Schauplatz von Justus Mösers „Jubel-Ode“, verzichtete auf ein würdiges Begehen des Jahrestages – eine Entscheidung, die von der liberalen Lokalpresse ausdrücklich gelobt wurde. 136 Trifft also die Bilanz von Heinz Duchhardt für das Revolutionsjahr zu, wonach sich die Menschen für die Fragen der politischen Gegenwart und Zukunft ungleich stärker interessierten als für historische Reminiszenzen? 137 Immerhin fiel Nürnberg, wo 1649 und 1650 die Friedens-Exekutions-Hauptrezesse vereinbart worden waren, im Vorfeld des Jubiläumsjahres dadurch auf, des Ereignisses in herausgehobener Form gedenken zu wollen. 138 Bereits zu Jahresbeginn machte in der fränkischen Stadt der Korrespondent von und für Deutschland seine Leser auf das anstehende „historisch bedeutungsvolle“ Jubiläum aufmerksam und berichtete von Forderungen nach einer „Jubelfeier“, bei der „ein Vergleich jener unheilvollen Zeit mit der unsrigen an seiner Stelle seyn dürfte“. Würdiger Austragungsort dafür sollte Nürnberg sein, wo der Friedensschluss in einer Zusammenkunft vieler Fürsten und Abgeordneter von mehr als fünfzig Ländern und Städten die „symbolische Weihe“ erhalten habe. Im Rathaussaal, in dem sich zweihundert Jahre zuvor bei einem gemeinschaftlichen Friedensmahl „Männer des Schwertes und der Feder“ nach langem Kampf versöhnt umarmt hätten, sollten sich die Repräsentanten der Gegenwart zum Bild eines einigen und starken Deutschlands versammeln. 139 Zu einer solchen Versöhnungsfeier, die ein herausragendes Ereignis der nationalen Festkultur hätte werden können, kam es indes nicht. In seiner Predigt Ende Oktober erklärte der Nürnberger Pfarrer Konrad Rüdel, dass die erwartete Säkularfeier durch die „gewaltigen Bewegungen unserer Zeit“ vereitelt worden sei. 140 Er selbst hatte dem Ereignis angesichts seiner hohen Bedeutung und der fortdauernden Geltung des Friedensvertrages eigens eine Festschrift gewidmet. 141 kennen! Möge die aufgegangene Morgenröthe der wahren gesetzlichen Freiheit auch die Segnungen vollkommener Glaubensfreiheit und gegenseitiger Liebe über die Bekenner der verschiedenen Confessionen bringen!“ Vgl. Gack, Westphälischer Friedensschluss, S. III f.; im Revolutionsjahr erschienen außerdem Wild, Geschichte des Westphälischen Friedens; Rüdel, Der Westphälische Friede. Vgl. zu den publizierten Schriften Laube, Fest, Religion und Erinnerung, S. 214 f.; Duchhardt, Das Feiern des Friedens, S. 52. 136 Vgl. Duchhardt, Das Feiern des Friedens, S. 53. 137 Ebd., S. 47. 138 Vgl. dazu Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag. 139 Vgl. Die Feier des westphälischen Friedensschlusses in Nürnberg, in: Korrespondent von und für Deutschland, 25. Januar 1848. 140 Zit. nach Schubert, Die evangelische Predigt, S. 105.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Darin formulierte der lutherische Pfarrer mit ähnlich nationalem Impetus wie die ortsansässige Zeitung den Wunsch, dass sich in Nürnberg im Andenken an den unseligen Bruderzwist alle „als Söhne desselben edlen Volkes [ . . . ] die Hand reichen in treuer Vaterlandsliebe, daß deutsche Ehre und deutsche Freiheit neu erblühe“. 142 Sein Zugang zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges blieb aber vorrangig der eines Protestanten. Außer einem gewissen Vaterlandspathos finden sich bei Rüdel wenig versöhnliche Töne. Zwar beklagte er als Mann Gottes, dass – „als ob fleischliche Waffen im geistigen Kampf am Ort wären“ – mit militärischer Gewalt um Glauben und kirchliche Rechte gestritten worden sei. Doch bei aller Liebe zum Vaterland hätten die Konfessionen in Sachen des Glaubens und Gewissens keine irdischen Rücksichten nehmen können. 143 Die Kriegsschuldfrage sah der Geistliche im ungerechten und unklugen Verfahren des Kaisers und der „jesuitischen Hetzerei“ ebenso klar wie einseitig beantwortet. Insbesondere in der Gegenüberstellung der beiden Heerführer Gustav Adolf und Tilly bewegte er sich im Fahrwasser der klassisch protestantischen Lesart des Krieges als Befreiungskampf. Während er Tilly als „herzlosen Tyrann“ einführte, verantwortlich für Mord, Brand, Raub und Schändung in Magdeburg, wo Wehrlose, Greise und Frauen „mit fanatischer Lust hingeschlachtet“ worden seien, erscheint der „edle König von Schweden“ als siegender Held, bereit zum Kampf für die Rechte und die Freiheit seiner evangelischen Glaubensgenossen. 144 Vom protestantischen Standpunkt aus ließ sich der Westfälische Frieden als ein „Segen“ und als historischer Markstein würdigen. Denn er hatte einen Krieg beendet, so Rüdel, in dem sich die in ihren kirchlichen Rechten angegriffenen und von Unterdrückung bedrohten Protestanten ihre volle Anerkennung und Gleichberechtigung erkämpften. 145 Die konfessionell motivierte Erinnerungspflege des Westfälischen Friedens blieb 1848 wie in den zwei Jahrhunderten zuvor eine Domäne des protestantischen Deutschlands, war jedoch innerkirchlich umstritten. In Preußen erinnerte ein Aufruf in der Vossischen Zeitung die „Wächter der evangelischen Freiheit“ mit dem 24. Oktober an einen der, wie es hieß, wichtigsten Tage der evangelischen Kirche. Den vielfach geäußerten Wunsch, ihn kirchenfestlich zu begehen, sollten sich alle zu Eigen machen, in denen die „reine Lehre des evangelischen Glaubens lebendig geworden“ sei. Daran knüpfte sich die hoffnungsvolle Erwartung, zur Kräftigung der evangelischen Gesinnung beitragen zu können, damit eine dritte Jubelfeier „die evangelische Wahrheit unangetastet und immer tiefer wurzelnd

141 142 143 144 145

Rüdel, Der Westphälische Friede. Ebd., S. 58. Ebd., S. 2, 50. Ebd., S. 14 f. Ebd., S. 52.

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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finde“. 146 Der Aufruf in der Vossischen Zeitung merkte jedoch an, dass von Amts wegen keine Anordnung für diesen Tag erfolgt sei. Auch die offiziellen Kirchenkreise in Bayern zeigten sich reserviert gegenüber einer gesonderten Behandlung des Jubiläums. Der Nürnberger Dekan Carl Fikenscher hatte bereits Ende 1847 angeregt, im Jubiläumsjahr ein Friedensfest zu veranstalten. Das protestantische Oberkonsistorium wies die Dekanate jedoch darauf hin, dass der Westfälische Frieden nur sehr zurückhaltend zu erwähnen sei, damit die Differenzen zwischen den Konfessionen keine Belebung erführen. Man schlug zunächst vor, das Gedenken mit dem Reformationsfest zu verbinden und verwies zusätzlich auf das alljährliche Friedensfest von Augsburg am 8. August. 147 Als letztlich die Reformationsfeier zur Würdigung des Westfälischen Friedens auf den 29. Oktober vorverlegt werden sollte, protestierte ein Pfarrer aus Kitzingen. Er argumentierte, dass das Jahr 1648 für seine Gemeinde ohne praktische Bedeutung geblieben sei. Das Gedenken könne zudem nur die Erinnerung an die Beeinträchtigung der Protestanten durch die Katholiken erneuern. Dies aber würde, so der Pfarrer mit Blick auf das gereizte Verhältnis der Konfessionen zueinander, nur Öl ins Feuer gießen. Diese Protestnote unterstreicht zum einen den negativen Einfluss konfessioneller Spannungen auf die Feierlichkeiten im Revolutionsjahr und verdeutlicht zum anderen, dass das Erinnern auch 1848 weiterhin davon abhing, wie sehr Städte und Regionen vom Kriegsverlauf betroffen waren und von den konfessionspolitischen Regelungen des Friedensvertrages profitiert hatten. Die Feste im Revolutionsjahr bewegten sich damit in traditionellen Bahnen: Sie blieben regional gebunden, waren größtenteils urbane Erscheinungen – und sie waren konfessionell bestimmt. 148 Die wenigen Ansätze zu offiziellen Gedenkfeierlichkeiten standen im Kontext der religiösen Festkultur und zielten darauf, 146

An die Wächter der evangelischen Freiheit, in: Vossische Zeitung, 19. Oktober 1848. Siehe dazu v. a. Laube, Fest, Religion und Erinnerung, S. 214 f.; Homrichhausen, Evangelische Christen in der Paulskirche, S. 315. Aus dem Schreiben des Königlich protestantischen Ober-Consistoriums in München an das ihm nachgeordnete Konsistorium in Ansbach vom 27. September 1848: „Die letzten Tage im kommenden Monate Oktober sind für die evangelische Kirche von ernster Bedeutung, indem die Erinnerung an den Beginn der Reformation und die Jubelfeier des westphälischen Friedensschlusses in denselben nahe zusammentreffen. Wenn auch die gegenwärtigen Zeitverhältnisse nicht geeignet sind, die letztere durch besondere Feierlichkeiten äußerlich auszuzeichnen, so bedarf es doch wohl für die protestantischen Gemeinden und deren Geistliche keiner weiteren Aufforderung, um die tiefere Bedeutung dieser beiden großen Begebenheiten in reifliche Erwägung zu nehmen und bei den öffentlichen Gottesdiensten an heiliger Stätte das Geziemende zum Vortrag zu bringen. Der Anordnung außergewöhnlicher Gottesdienste bedarf es hierzu nicht, da die Feier des Reformationsfestes ganz geeignet ist, auch die wegen des westfälischen Friedensschlusses in sich aufzunehmen [ . . . ]“. Zit. nach Moser, Friedensfeiern, S. 1137 f. Anders als Stefan Laube, der darin einen defensiven Charakter erkennt, betont Moser mit der Verbindung des Gedenkens an den Westfälischen Frieden und die Reformation den Charakter der protestantischen Siegesfeier gegenüber dem Katholizismus. Vgl. zum Friedensfest als evangelisches Identitätsfest Burkhardt/Haderer (Hg.), Das Friedensfest. 147

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

das Jubiläum als evangelisches Identitätsfest zu zelebrieren. Wer dagegen wie der Nürnberger Korrespondent von und für Deutschland anregte, den Jahrestag seiner nationalen Bedeutung wegen zu begehen, blieb 1848 ungehört. Die Erinnerung an den Westfälischen Frieden könne nur eine „politische TrauerGedächtnisfeier“ sein, stellte noch 1853 der Philosophieprofessor Karl Hermann Scheidler, der einst den Burschenzug zur Wartburg anführte, den nationalen Standpunkt klar. 149 Im Revolutionsjahr fand der Gedenktag vorrangig von dieser Seite ein publizistisches Echo. 150 Die zweihundertjährige Geschichte seit 1648 wurde zum historischen Feld, auf dem man den Grad an nationalen Demütigungen ausmaß. Nachdem Deutschland dreißig Jahre hindurch die „Dreschtenne fremder Völker“ gewesen war, schrieb Ernst Moritz Arndt 1848, sei es in den beiden folgenden Jahrhunderten „reißend abwärts zum Schlechten und Immer-Schlechten“ gegangen. In seiner Schrift, die sich an „den lieben Bürgers- und Bauers-Mann“ wandte, stellte der prominente Wegbereiter der Scheidler’schen Burschenschaftsbewegung zum Westfälischen Frieden kategorisch fest: „Von diesen Tagen an beginnt der Einfluß der Fremden in und über alle unsere Angelegenheiten, der Einfluß und die Herrschaft der Franzosen.“ 151

148 Vgl. dazu Hetzer, 1648 – 1748 – 1848 – 1948, S. 23 –35. Claire Gantet weist auf die Gedächtnisfeier in der Stadt Dinkelsbühl hin, wo anlässlich des Säkularjahres Kinder der Stadt in Kostümen der schwedischen Armee aus dem Dreißigjährigen Krieg durch die Straßen defilierten. Man veranstaltete damit ein Dankfest für Gustav Adolf, der die Stadt bedroht hatte, sich aber durch die Fürsprache der Kinder hatte erweichen lassen, sie nicht zu vernichten. Für Gantet ist dies ein Beispiel der Infantilisierung und Militarisierung der Feiern, wobei sich die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg, wie insgesamt seit den 1830er Jahren, auf die Figur des lutherischen Kriegshelden Gustav Adolf konzentrierte. Vgl. Gantet, Friedensfeste, S. 655. 149 Hier zit. nach Laube, Fest, Religion und Erinnerung, S. 215. Die Schrift Nationalfeste des deutschen Volkes hatte bereits 1843 zur Bedeutung von Nationalfesten ausgeführt, dass sie das „höhere Nationalgefühl“ anregen, wecken und beleben sollten: „Durch Nichts aber kann die Liebe zum Vaterland eine stärkere Nahrung erlangen, als durch das Bewusstsein seiner Vortrefflichkeit, welche in den großen Handlungen und Leistungen seiner Bürger erscheint“, hieß es darin weiter, womit der Westfälische Frieden schon qua definitionem für ein Nationalfest ausschied. Vgl. Kaufmann, Nationalfeste. 150 Schon Rüdels Festschrift war nicht nur zeittypisch für die protestantische, sondern auch für die nationale Deutung des Friedens. Er bewertete von diesem Standpunkt das Jahr 1648 entsprechend negativ: „Von da an siechte das deutsche Reich anderthalbhundert Jahre seiner Auflösung entgegen, fremder List und Gewaltthat oft preißgegeben, in wachsender Spaltung der Stände und zunehmender Ohnmacht des Kaisers.“ Vgl. Rüdel, Westphälischer Frieden, S. 49. 151 Arndt, Das verjüngte oder vielmehr das zu verjüngende Deutschland, S. 12.

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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In Preußen würdigte zum Jubiläumstag die Kreuzzeitung den Vertrag von Münster und Osnabrück zwar als wichtigen Friedensschluss, da dem „verheerten Vaterlande“ und dem „verwilderten Volke“ Ruhe Not getan habe. Mit dem gleichen xenophoben Einschlag wie Arndt kam das Blatt jedoch zu dem Schluss, dass dessen Bestimmungen die Größe und Macht Deutschlands zerstört und das Land zu einer Beute jener Ausländer gemacht hätten, die, angeblich um die Religion und deutsche Freiheit zu schützen, in Wirklichkeit aber um die Macht des Reiches zu untergraben und ihre eigene Macht auf dessen Kosten zu mehren, Deutschland dreißig Jahre verheert und „ausgesogen“ haben. 152 Die dominante Deutung des Westfälischen Friedens als nationale Schmach und als Beginn der fortwährenden Demütigung durch das Ausland besaß – über alle ideologischen Gräben hinweg – eine vorrangig gegen den französischen Nachbarn gerichtete Spitze. Im Oktober 1848 kam sie in der vehement geäußerten Kritik an den Feierlichkeiten im Elsass zum Ausdruck. In Berlin verband die Kreuzzeitung als Blatt der preußischen Konservativen die Erinnerung an den Verlust des Elsass mit dem Hinweis auf all die anderen deutschen Gebietsteile, die Frankreich erobert habe. 153 „Ist’s nicht eine Schmach für die Elsässer, sich so gutwillig als Puppen zu einem französischen Schauspiele gebrauchen zu lassen?“, kommentierte im liberalen Meinungsspektrum die Nationalzeitung einen Bericht vom Säkularfest im Elsass. Das bicentenaire war dort mit der Grundsteinlegung für ein Denkmal, mit Verbrüderungsbanketten und einem Feuerwerk in Anwesenheit tausender Gäste groß begangen worden. Zur Besänftigung des gekränkten Nationalstolzes hatte der deutsche Beobachter wenigstens vermelden können, dass in Straßburg, wo die „Französisierung“ am größten sei, die Erwähnung dieses Festes mehr als einer Person die Schamröte ins Gesicht getrieben habe. 154 In der Paulskirche, wo es 1848 kein offizielles Gedenken an das Jubiläum gegeben hatte, echauffierte sich noch im Januar 1849 der ehedem zur Linken gehörende Abgeordnete Wilhelm Jordan darüber, dass die deutsche Gesinnung im Elsass – „ein schönes Stück der Stammeslande“ – so sehr erstorben sei, dass man sich dort nicht gescheut habe, „in derselben Zeit, wo Deutschland um seine Wiedergeburt [rang], den Tag festlich zu begehen, an welchem es vor 200 Jahren vom Mutterlande fortgerissen und unter fremdes Joch gebeugt wurde“. 155

152 Aus dem Fürstentum Osnabrück: der vierundzwanzigste October 1648, in: Kreuzzeitung, 26. Oktober 1848. 153 Berliner Zuschauer, in: Kreuzzeitung, 26. Oktober 1848. 154 Vgl. die Nationalzeitung vom 26. und 28. Oktober 1848; außerdem: Die DeutschFranzosen im Elsaß, in: Nationalzeitung, 1. November 1848. 155 Vgl. Verhandlungen, Bd. 6, S. 4574 f.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Zieht man eine Zwischenbilanz zur Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg im Revolutionsjahr 1848, trifft Duchhardts Einschätzung also durchaus auf die offiziell inszenierte Erinnerungspflege zu. Es empfiehlt sich aber ebenso, nicht voreilig einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen der Erinnerung an das Jahr 1648 und dem Erleben der Revolution anzunehmen. Der Westfälische Frieden – so die hier geäußerte Ausgangsüberlegung – stand 1848 nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Revolution am Erinnerungshorizont der deutschen Öffentlichkeit. Hatte nicht schon im Januar der Korrespondent von und für Deutschland einen „Vergleich jener unheilvollen Zeit mit der unsrigen“ als angezeigt gesehen? Sämtliche Zeitungen, die das Jubiläum im Oktober 1848 erwähnten, taten dies nicht, ohne die revolutionäre Gegenwartserfahrung in ihr Gedenken mit einzubeziehen. Eine interessante Begründung dafür gab die liberale Kölnische Zeitung, als sie am Ende des Monats – „wegen der großen Dringlichkeit anderer Stoffe um einige Tage verspätet“ – ihrerseits den Jahrestag würdigte: „Es liegt ein tiefer Zug in der Natur des Menschen, der ihn an gewissen Jahrestagen zur Erinnerung an frühere Erlebnisse hinzieht, zumal wenn der Zufall es fügt, daß das Jetzt und das Damals in einem inneren Zusammenhang stehen.“ 156 Indem die Kommentatoren zudem die Erinnerung an das Jahr 1648 mit den dramatischen politischen Ereignissen inhaltlich zu verschränken wussten, kam ihr in dem „tollen“ Jahr eine nicht gering zu schätzende funktionale Bedeutung zu. Die folgende Analyse nationalpolitischer Debatten in der Paulskirche und der Revolutionspublizistik soll die These erhärten, dass der Westfälische Frieden im Jahr seines zweihundertsten Jubiläums zum Arsenal geschichtspolitischer Deutungs- und Argumentationsmuster gehörte, auf das vehement zurückgegriffen wurde. Es gilt dabei vorrangig die Fragen im Auge zu behalten, welches Geschichtsbild von 1648, von wem, in welchem Zusammenhang und mit welchem Interesse instrumentalisiert worden ist.

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Ein Erinnerungstag, in: Kölnische Zeitung, 29. Oktober 1848.

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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So werde Dir, was lange Jahrhunderte versäumt Westphalens Friede raubte. Nicht schwärmerisch geträumt Erbettelt und erheuchelt, ein Schein und Sinnenspiel Umgaukle Dich die Einheit, der Freiheit würdig Ziel. Karl Eduard Gläser, Deutschlands Spiegel, Breslau 1848

2. 1648 als nationalpolitischer Mythos der Märzrevolution a) „Wie Zenith und Nadir, wie Anfang und Ende“: Der Westfälische Frieden und die nationale Legitimationsstiftung der Revolution Als im Februar 1848 binnen weniger Tage die Monarchie des Bürgerkönigs Louis Philippe gestürzt wurde, entwickelten die französischen Ereignisse wie schon am Ende des vorangegangenen Jahrhunderts eine enorme Ausstrahlung auf den europäischen Kontinent. 157 Die deutschen Staaten blieben davon nicht unberührt. „Deutschland ist in eine innere Krise eingetreten, wie es seit der Reformationszeit keine andere entscheidendere und schicksalsvollere gehabt hat. Möge sie glücklicher vorübergehen und gedeihlicher endigen, als jene frühere des sechzehnten Jahrhunderts, die gleichfalls vielversprechend als die Morgenröthe einer besseren Zukunft begann, und mit dem tiefsten National-Unglück, mit der völligen Zerklüftung und Zerrüttung des deutschen Vaterlandes endigte.“ 158 Dieser Auszug aus den Jahrbüchern der Gegenwart, einer Zeitschrift des liberalen Konstitutionalismus, untermauert den bereits gewonnenen Eindruck von der Geschichtlichkeit, die dem Erleben der revolutionären Umwälzungen in Deutschland zeitgenössisch beigemessen wurde. Hier erfüllten die Märzereignisse nicht nur die Gegner der Revolution mit Angst. Auch bei denen, die vom liberalen Standpunkt aus den Beginn einer neuen Zeit begrüßten, war der Blick auf die Zukunft mit Sorge und Skepsis gemischt. Eine bereits im Mai getroffene ernüchterte Bilanz der Märzrevolution in den Jahrbüchern der Gegenwart steigerte sich nur einen Monat später in den Fatalismus „einer Krisis zum Leben oder zum Tode“. 159 157 Siehe dazu Dowe, Europa 1848; Hardtwig, Revolution in Deutschland und Europa; Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution. 158 Politische Thesen, in: Jahrbücher der Gegenwart, Nr. 33, April 1848, S. 127. Diese Zeitschrift orientierte sich in ihrem politischen Standpunkt an der Deutschen Zeitung, wie der Artikel „Zum neuen Jahr“ darlegte. Vgl. ebd., S. 1. 159 „Die Flitterwochen unserer nationalen Wiedergeburt sind schnell zu Ende gegangen. An die Stelle des Hoffnungsschwindels treten allmählig trübe Erwägungen. In Schleswig ein verschleppter, unglücklich geführter Krieg, in Polen ein unabsehbares Wirrsal, in Böhmen der Gegenstoß des Czechenthums, in Wien Rathlosigkeit und Verstörung, in Tirol unsere Landesgrenze bedroht, in Baden Bürgerkrieg, fast überall eine Lockerung der

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Die Grenzboten malten dieses Bild vor allem in einer europäischen Dimension: „Täuschen wir uns nicht! Wir stehen am Vorabend eines europäischen Krieges, und wenn nicht Zeichen und Wunder geschehen, so wirbelt die Kriegstrommel schon in den nächsten Monaten in den blühendsten Teilen Europa’s.“ 160 Gegenüber mahnenden Stellungnahmen überwog jedoch in der liberalen Öffentlichkeit eine euphorische Zukunftserwartung: „Welche Zeit! Welch ein Feuer durchströmt Germaniens Gaue!“, eröffnete im März 1848 die Deutsche Vierteljahrsschrift emphatisch ihre Ausführungen über die Aufgaben der Gegenwart. Mit quasireligiösem Pathos suchte das liberale Blatt die aufwühlende Erfahrung historisch zu verorten: „Wir zählen das Jahr 1848 nach der Geburt Jesu Christi, unseres Erlösers. Gerade sind es zweihundert Jahre her, seit Abschluß jenes greulichen Vertrags, der Macht und Einheit Deutschlands mordete. Die Knechtschaft und Unterdrückung hat eine gemessene Zeit gedauert, die Glorie und Macht beginnt wieder!“ 161 Mit dem Hinweis auf den Westfälischen Frieden ist das historische Ereignis benannt, das 1848 zum zentralen Bezugspunkt im nationalen Aufbruch wurde. Denn zeitgleich und im selben Erinnerungshorizont wie die Deutsche Vierteljahrsschrift steckte im preußischen Rheinland die Kölnische Zeitung die Ziele der Revolution ab: „Der Zerfall des ehrwürdigen Reiches, die tiefe Schmach und jammervolle Zerrissenheit des deutschen Vaterlandes, welche das Jahr 1648 mit seinem Westfälischen Frieden besiegelte, – sie soll das Jahr 1848 für immer hinwegtilgen!“ 162 Die historische Perspektive blieb nicht allein dem Augenblick des revolutionären Aufbegehrens geschuldet. Anlässlich des Jahrestages im Oktober griff das rheinische Blatt seine Gedanken vom Frühjahr erneut auf. Dieser Artikel schlägt einen Bogen über zwei Jahrhunderte, beginnend mit dem Jahr 1648: „Was damals gegründet ward, blieb die Basis der folgenden Geschichte: ward auch hier und dort daran gerückt und zerstört, so bildeten sich andere Seiten nur um so schroffer und mächtiger aus, und immerfort fühlten wir in unserem ganzen Organismus die Wunden, die damals unserem nationalen Leben geschlagen wurden. Auf 1648 hat erst 1848 eine vollständige und verneinende Antwort gegeben. Wie Zenith und Nadir, wie Anfang und Ende, so stehen sich diese beiden Jahre gegenüber.“ 163 Hier kommt ein Geschichtsbewusstsein zum Ausdruck, in dem der Westfälische Frieden – in den Worten Konrad Repgens – „mit tausend Fäden noch in die Gegengesellschaftlichen Ordnung, Unsicherheit des Eigenthums, wilde Umsturzgelüste, Scenen rother Brutalität, drohende Anarchie.“ Vgl. Unsere Zukunft, in: Jahrbücher der Gegenwart, Nr. 36, Mai 1848, S. 1 f.; Der 18. Mai, in: ebd., Nr. 42, Juni 1848, S. 1 f. 160 Die Grenzboten, 7. Jahrgang, I. Semester, I. Bd., Leipzig 1848, S. 450 ff. 161 Was ist zu thun? Vorschläge eines deutschen Reichsbürgers, in: Deutsche Vierteljahrschrift, 1848,S. 341, 360. 162 Des Reiches Wiedergeburt, in: Kölnische Zeitung, 24. März 1848. 163 Ein Erinnerungstag, in: Kölnische Zeitung, 29. Oktober 1848.

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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wart hineinreichte, als Vorgeschichte der Gegenwart“. 164 Für die Kölnische Zeitung verkörperten die Einheit des Vaterlandes, seine würdige Stellung nach außen und die Anerkennung der Menschenrechte die „Seele“ der deutschen Revolution. 1648 aber sei von alldem das genaue Gegenteil „diktiert“ worden, weshalb sich die revolutionäre Bewegung gegen alles richte, „was dieser Friede uns theils im fruchtbarsten Keime, theils in der abscheulichsten Vollendung gab“. Der betonte „innere Zusammenhang“ zwischen dem Jetzt und dem Damals schrieb der revolutionären Gegenwart im Licht der Geschichte Sinn und Berechtigung zu. Die Reduzierung seiner eigentlich komplexen Zusammenhänge auf einen Fakt nationaler Schmach machte den Westfälischen Frieden zur Legitimationsressource der bisher zu kurz gekommenen und nun aufbegehrenden Nation: „Erst die Revolution dieses Jahres mußte kommen, um an diesem Punkte den westfälischen Frieden vom Grunde aus zu bekämpfen. In der Paulskirche zu Frankfurt soll mit mühevoller Arbeit unter den Wehen des Vaterlandes wieder geschaffen werden, was in Münster und Osnabrück von fremder Hand zerschlagen ward.“ 165 Das Zusammenspiel von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartserfahrung und Zukunftsperspektive verdichtet sich hier zu einem vielschichtigen politischen Mythos der Revolution. Dem Jahr 1648 kam darin eine Scharnierfunktion zwischen zwei Epochenbezügen zu. Die Revolution erschien einerseits als notwendige Zäsur zu der dunklen, vom Westfälischen Frieden her datierenden Vorgeschichte, was der revolutionären Gegenwart erst ihre heroischen Züge verlieh. Andererseits legitimierte sich der Neuanfang der nationalen Bewegung gerade dadurch, dass er, wie im klassisch fundierten Mythos, fest in der deutschen Geschichte verankert war. Denn die Revolution hob einen „zweihundertjährigen nationalen Entwicklungsstau“ 166 auf, um an eine als grandios empfundene und über das Jahr 1648 hinausweisende Epoche anzuknüpfen. Sie erst verhieß die glanzvolle Zukunft. Diese ‚gewollte‘ Nationalgeschichte, Konrad Repgen spricht von einer OptativHistorie, in der die glorifizierte Reichsgeschichte vor ihrer Zerrüttung im 17. Jahrhundert national vereinnahmt wurde, kommt eindrucksvoll in der Kölnischen Zeitung zum Ausdruck, die angesichts der Märzereignisse und unter der Überschrift „Des Reiches Wiedergeburt“ schwarz-rot-golden das „alte [sic!] Banner des deutschen Reiches an den Ufern des Rheins und von der Höhe des Doms zu Köln wehen“ sah. 167 Die hier an Beispielen der liberalen Publizistik veranschaulichte Geschichtsauffassung fand 1848 Eingang in die deutsche Nationalversammlung, wo sie sich bereits im Vorwort zum Entwurf des Reichsgrundgesetzes niederschlug. Dieses 164 165 166 167

Repgen, Der Westfälische Frieden, S. 34. Ein Erinnerungstag, in: Kölnische Zeitung, 29. Oktober 1848. E. W. Becker, Zeit der Revolution, S. 266. Des Reiches Wiedergeburt, in: Kölnische Zeitung, 24. März 1848.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

stellte den Abgeordneten als Grundlage ihrer Beratungen unmissverständlich zur Aufgabe, Deutschland nach den „vielhundertjährigen Strafen“ seiner Entzweiung unverzüglich die Volks- und Staatseinheit zurückzugeben, „bevor noch das zweite Jahrhundert seit jenem Frieden abläuft, welcher seine Schwäche heilig spricht“. 168 Als im Juli des Jahres Georg Beseler für den Verfassungsausschuss den Entwurf über die Grundrechte vorstellte, griff er darauf zurück. „Wir sollen Hand anlegen an den Bau, der errichtet wird für die Freiheit und Einheit unseres Volks“, rief er den Abgeordneten zu: „Möge dieser Bau hervorgehen aus dem eigensten Geist unserer Nation! Möge er stark und dauerhaft werden, den Stürmen der Jahrhunderte trotzend! Möge er segensreicher werden wie jener Frieden, der vor nun 200 Jahren von unseren Vätern unter dem Einfluß fremder Macht und Intrige verhandelt ward.“ 169 In der Konkurrenz widerstreitender Interessen unter den revolutionstragenden politischen Lagern konzentrierte der ‚Wahrnehmungsfilter‘ dieses Revolutionsmythos’ die politische Loyalität auf die Macht und Größe der Nation. Die Negativerinnerung an den Westfälischen Frieden beschwor eine innere Einheit in Abgrenzung nach außen. Diese, dem Nationalismus immanente Stoßrichtung kam im Motiv der Intrige und des ausländischen Diktats von 1648 deutlich zum Ausdruck. Der im nationalen Einheitsdenken fest verankerte Freiheitsanspruch richtete sich aber nicht allein gegen den äußeren Feind, sondern besaß auch eine nach innen ausgrenzende Funktion, mit der die absolute Fürstenherrschaft ins Visier geriet. Hier formulierte sich der Partizipationsanspruch des von der Macht bisher ausgeschlossenen Volkes. Der Verfassungsentwurf führte die „Herabwürdigung der Volksfreiheit“ ausdrücklich auf das Vertragswerk von Münster und Osnabrück zurück. 170 Aus der Aufgabe, das Jahr 1648 als negative Zäsur der deutschen Geschichte zu tilgen und die historische Hypothek des Friedens abzuarbeiten, bezog die Arbeit der Nationalversammlung ihre Legitimation. Georg Beseler hatte zwar in der Paulskirche allgemein von den „Vätern“ als den handelnden Akteuren in Münster und Osnabrück gesprochen. Die Schuldfrage des nationalen Niedergangs klärte die revolutionäre Publizistik jedoch unmissverständlich von einem volkssouveränen Standpunkt aus. Demnach war der Westfälische Frieden die „Tat der Dynastien, nicht der Nation des Volkes“. 171 Der Historiker Friedrich Christoph Dahlmann kontrastierte entsprechend in seinem vielbeachteten Artikel der Deutschen Zeitung vom Neujahrstag 1849 das Volksinteresse mit der fürstlichen Souveränität. Inspiriert vom Glauben an die Gestaltungskraft der 168 Das Vorwort stammte aus der Feder Friedrich Christoph Dahlmanns. Hier zit. nach Dahlmann, Kleine Schriften und Reden, S. 379, 381. 169 Hier zit. nach Fenske, Vormärz und Revolution, S. 314. 170 Dahlmann, Kleine Schriften und Reden, S. 379 ff. 171 Preussen und die Paulskirche, S. 33.

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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Nation legte er den Finger in die Wunde des deutschen Partikularismus. Deutschlands Bestimmung sei nicht, der Selbstgenügsamkeit von mehr als dreißig Fürsten zu dienen, vielmehr müsse zweihundert Jahre nach dem Westfälischen Frieden nun vorrangig etwas für das deutsche Volk geschehen. 172 Zum Komplementärereignis wurden in diesem historischen Argumentationsmuster die Befreiungskriege. Denn während das Volk die Schmach von 1648 noch „todtmatt und stumpf“ ertragen hatte, wie eine Flugschrift der Revolution anmerkte, habe es 1813 selbst gehandelt. 173 Im März 1848 brachte die Kölnische Zeitung die „wiedererwachte Nation“ gegenüber einem seit 1648 herrschenden „Zwischenreich der Gewalt“ in Stellung. 1813 und 1848 erscheinen ihr als Chiffren nationaler Erhebung, denen das Prinzip fürstlicher Willkür der Jahre 1648 und 1815 kontrastierend gegenübersteht. Die Zeitung nutzte die historische Demütigungserfahrung als nationalpsychologischen Erklärungsansatz der Revolution. So habe die Nation der vorausgegangenen Erniedrigung geradezu bedurft, wie schon der Sieg der „Volksmacht“ in der Völkerschlacht bei Leipzig erst mit der Niederlage der Fürsten in Jena möglich geworden sei. Da jedoch 1815 „die Geister der alten Lüge“ nochmals wachgerufen worden seien, hätten sie im Barrikadenkampf der Revolution ihr erneutes „völlig unzweideutiges Jena“ finden müssen. Dieser Geschichtsdeterminismus bestimmte auch den Blick in die Zukunft, der – im kriegerischen Deutungskontext nicht sonderlich überraschend – martialisch ausfiel. Das „Friedensbanner“ der neuen Ordnung müsse erst „im Blute seiner Feinde sich die Weihen holen“, meinte das liberale Blatt vorauszusehen;dem zweiten Jena werde daher ein „zweites unzweideutiges Leipzig“ folgen. 174 Die Bilder vom Befreiungskrieg und der Tilgung des ausländischen „Diktats“ von 1648 brachten den Gestus einer nationalen Machtpolitik im liberalen Zukunftsentwurf zum Ausdruck. Bereits Anfang März 1848 hatte eine Eingabe von Bonner Professoren an den preußischen König einen „Krieg der Begeisterung“, 172

Vgl. Zur Beherzigung. Eine Neujahrsgabe, in: Deutsche Zeitung, 1. Januar 1849. Karl August Hase entwarf 1848 ein Geschichtspanorama deutscher Uneinigkeit, in dem das Jahr 1648 nur als ein Schritt in einem durch die Fürstengewalt zu verantwortenden Prozeß der Entzweiung der Nation erschien: „Nachdem die Fürsten, ursprünglich Heerführer der Volksstämme, dann Beamte und Lehnsleute des Kaisers, die kaiserliche Gewalt mehr und mehr an sich gerissen hatten, blieb der Reichstag die zweifelhafte, oft zerspaltene Grundlage der Einheit, bis die Spaltung, durch den Glaubenszwiespalt geschärft, die Oberhand behielt und nach dem dreißigjährigen Religions- und Bürgerkriege gerade jetzt vor zwei Jahrhunderten jener unglückselige Friede geschlossen wurde, der als neue Verfassung des Reiches nicht mehr eine Form war für seine Einheit, sondern für seine Zerspaltung. Seitdem war Deutschland ruhmlos, an allen seinen Gränzen beraubt, ein Schlachtfeld für die europäischen Kriege, ohne ein wahrhaftes Volksgefühl, fürstlichen oder noch kleineren städtischen und ritterschaftlichen Interessen preisgegeben.“ Vgl. Steinbach (= Karl August Hase), Das deutsche Reich, S. 2. 173 Preussen und die Paulskirche, S. 4, 33. 174 Des Reiches Wiedergeburt, in: Kölnische Zeitung, 24. März 1848.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

einen „deutschen Volkskrieg wie 1813“ gefordert. 175 Der „kampfgeübte Feind“ im Westen sollte also mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden, stand die levée en masse doch in der Tradition der französischen Revolutionskriege. Der federführende Autor, erneut Friedrich Christoph Dahlmann, verband die außenpolitische Kraftrhetorik mit einer Mahnung zur inneren Einheit, indem er ausdrücklich an den Hader erinnerte, der dreißig Jahre lang das Vaterland „zerfleischt“ habe. Seine Adresse zeigt das Grundmotiv des deutschen Machtstaatsdenkens: Dem betont selbstbewussten Auftreten gegenüber einem imaginierten äußeren Feind stand stets die Angst vor dem inneren Zerwürfnis zur Seite, die an die tradierten Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges gebunden war. Der nationalgeschichtliche Zusammenhang, der zwischen den positiv mythisierten Befreiungskriegen und dem negativen Mythos des Dreißigjährigen Krieges konstruiert wurde, bildet ein Argumentationsmuster, das – in den Worten des Tübinger Historikers Nikolaus Buschmann – nicht nur die „Einigkeit“ der Nation beschwor, sondern mit dem französischen Erbfeind auch den Bezugspunkt dieser Einigkeit definierte. 176 Zwar zogen einige Kommentatoren schon in den frühen Tagen der Revolution den Nationalkrieg gegen Frankreich als geeignetes Mittel zur Beseitigung der inneren Spannungen in Betracht, aber in der politischen Öffentlichkeit dominierte noch immer ein liberal-konstitutionelles Denken, das dem deutschen Volk seinen einheitlichen Nationalstaat auf parlamentarischem Wege und auf dem Boden einer freiheitlichen Verfassung verschaffen wollte. b) Vom Westfälischen zum „Frankfurter Frieden“ – Die Verfassungsdebatte der Paulskirche zum Verhältnis von Staat und Kirche Die Nation musste über den umstürzlerischen Moment im revolutionären ‚Aufbruch zur Freiheit‘ hinaus ihre inhaltlich-schöpferische Tatkraft erst noch beweisen. In der ab Mai 1848 tagenden gesamtdeutschen Nationalversammlung galt es in parlamentarischer Kleinarbeit der proklamierten nationalen Einheit eine verfassungsrechtliche Form zu geben. Mit der Lösung der kirchenpolitischen Frage stellte sich der Paulskirche im Sommer 1848 eine Aufgabe, in der die beiden wesentlichen Punkte der revolutionären Agenda, Freiheit und Einheit, zusammenfielen. 177 Denn die Verzahnung von Politik und Glauben, die der Westfälische Frieden als fortwährendes Charakteristikum der deutschen Verhältnisse bestimmt hatte, lief erstens dem liberalen Verständnis individueller Freiheit zuwider und war dem kirchlichen Freiheitsverständnis der deutschen Katholiken ein Dorn im Auge; zweitens bedrohte die konfessionelle Segmentierung nachhaltig das allenthalben 175

Vgl. die Adresse der Bonner Professoren in Dahlmann, Kleine Schriften, S. 375 f. Vgl. Buschmann, Einkreisung, S. 59. 177 Vgl. zu den Kirchen in der Revolution Hardtwig; Die Kirchen in der Revolution; Sperber, Kirchen, Gläubige und Religionspolitik in der Revolution. 176

II. Die Erinnerung in der deutschen Revolution

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beschworene Einheitsideal. Eine Neuregelung dieses historisch gewachsenen Problems ermöglichte es, den starken Worten über die Tilgung des Westfälischen Friedens als „nationale Reparatur“ 178 auch praktisch Taten folgen zu lassen. Die Anhänger eines gemäßigten liberal-konstitutionellen Nationalismus propagierten die Aussöhnung der Konfessionen in einem verfassungsrechtlich gesicherten Ausgleich. Bereits in der bloßen Überwindung des schädlichen Gegeneinanders sahen sie die Lösung des strukturellen Problems. 179 1847 formulierte Hermann von Beckerath einen später von einer Mehrheit der Paulskirche getragenen liberalen Grundsatz, wonach die religiöse Überzeugung, d. h. das Verhältnis des Menschen zu Gott, als „geheiligtes“ Vorrecht des Individuums außerhalb der staatlichen Sphäre angesiedelt sei. „Jahrhunderte lang ist unser Vaterland durch die unselige Vermischung des religiösen und staatlichen Lebens in Zwiespalt und Drangsale gestürzt worden. Dreißig Jahre lang verwüstete ein mörderischer Krieg unsere Fluren, Deutsche standen als Feinde gegen Deutsche“, erinnerte von Beckerath eindringlich an die verheerenden Folgen dieses deutschen Spezifikums. Die Eigenschaft des Staates beruhe jedoch nicht auf der Konfession, sondern auf dem Geist des Christentums, betonte er, weswegen sich die Deutschen trotz ihrer unterschiedlichen religiösen Auffassungen auf dem sittlichen Boden der Vaterlandsliebe fest vereinigt finden könnten. 180 Der Theologe David Strauß, enfant terrible des vormärzlichen Protestantismus, verlieh dieser Forderung im Revolutionsjahr mit nationalreligiösem Pathos Nachdruck. Als Kandidat für die Paulskirche forderte er im April 1848 vor seinen Wählern im Schlosshof zu Ludwigsburg, dass die Deutschen auf dem „Altare des Einen Vaterlandes“ nicht nur ihre Sonderinteressen als Württemberger oder Bayern opfern sollten, sondern ebenso den alten religiösen Hader, der Deutschland über drei Jahrhunderte hinweg geschädigt habe. Christ und Jude, Katholik und Protestant, Lichtfreund und Philosoph sollten nun einmütig zusammenwirken, denn „vor 200 Jahren ist der westphälische Friede geschlossen worden, welcher dem 30jährigen Religionskrieg in Deutschland ein Ende machte, aber den Haß, 178

E. W. Becker, Zeit der Revolution, S. 266. Vgl. für diesen Gedanken beispielhaft Frantz, Die Wiederherstellung Deutschlands, S. 84: „Denn nicht darauf kommt es an, daß der Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestantismus erlösche, oder daß beide Elemente mit einander amalgamirt werden und darin ihren Charakter verlieren, sondern darauf allein kommt es an, daß diese Gegensätze sich nicht mehr gegenseitig ausschließen, vielmehr als sich gegenseitig ergänzende Elemente erkannt und behandelt werden, ähnlich wie die magnetischen Pole oder die beiden Geschlechter. Dahin müssen wir streben, damit der Fluch von Deutschland verschwinde, welcher seit der Kirchenspaltung auf uns lastet. Denn erst, wenn wir auf diesen Standpunkt gelangt, wird der kirchliche Gegensatz kein Hinderniß der nationalen Vereinigung mehr sein, sondern vielmehr belebend wirken und den inneren Reichthum der Entwicklung befördern. Und dann erst werden wir die Früchte erndten, die wir durch dreihundertjährige Leiden mit so viel Blut und Schweiß verdienen mußten.“ 180 Beckerath, Gegen die konfessionelle Gebundenheit des Wahlrechts, S. 240. 179

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das Mißtrauen, die Intoleranz und Engherzigkeit der religiösen Parteien fortbestehen ließ. Zeigen wir, daß wir in 200 Jahren weiter gekommen sind, daß wir gelernt haben, jede ehrliche Überzeugung zu achten, und den rechtschaffenden Mann auch im Andersgläubigen nicht zu mißkennen.“ 181 Der liberale Ansatz einer verfassungsrechtlich gesicherten Toleranz unter den Religionen domestizierte 1848 die Forderung nach einer einheitlichen deutschen Nationalkirche. 182 Deren Anhängerschaft blieb gesellschaftlich eine sektiererische Bewegung und stellte innerhalb der Paulskirche neben dem atheistischen Politikansatz von Abgeordneten der radikalen Linken nur eine Minderheitenposition. In der Debatte über das Verhältnis von Kirche und Staat wurde dort der Westfälische Frieden als ein wesentliches historisches Argument bemüht – vorrangig von Seiten katholischer Abgeordneter. In den ersten Tagen der Revolution hatten sich bereits die Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland dem Verhältnis des Katholizismus zur „deutschen Bewegung“ gewidmet. 183 Das prominente Meinungsführerblatt deutscher Katholiken äußerte die Überzeugung, dass kein Religionsunterschied weiterhin die innere und äußere Macht Deutschlands verhindern könne, weil deutsche Katholiken und Protestanten ein identisches Interesse an der Größe ihres Vaterlandes hätten. Dazu bedürfe es allerdings als zentraler Bedingung, dass der am deutschen Leben „nagende Wurm“, die politische Ausbeutung der religiösen Spaltung, endlich getötet werde. 181 Vgl. Strauss, 6 theologisch-politische Volksreden. Die Rede wurde vor einer Versammlung im Schlosshof zu Ludwigsburg am 24. April 1848 gehalten. Strauss (1808 – 1874) gehörte zu den umstrittensten evangelischen Theologen seiner Zeit. Mit dem Werk Das Leben Jesu, kritisch betrachtet von 1835 war er Mitbegründer der Leben-Jesu-Forschung und der historisch-philologischen Bibelkritik. Strauss scheiterte 1848 bei dem Versuch, sich in die deutsche Nationalversammlung wählen zu lassen. 182 Dafür war in der Paulskirche August Gfrörer von einem dezidiert katholischen Standpunkt eingetreten. Der prominente Konvertit brachte sein Bedauern über „die Nacht der Trübsal“ zum Ausdruck, „die vor 300 Jahren über unser Vaterland hereinbrach und welche vor 200 Jahren durch den westphälischen Friedensvertrag versiegelt worden ist“. Die Jahrbücher der Gegenwart antworteten Gfrörer, dass der Protestant nur bedauern könne, dass die Nation nicht gänzlich von der religiösen und geistigen Bewegung durchdrungen worden sei, und das Bedauern des Katholiken nur dahin gehen könne, dass die „Macht des katholischen Ketzerhasses“ nicht wieder alles rückgängig gemacht habe. Mit dem Westfälischen Frieden sei aber, so das Blatt in positivem Bezug zum Friedensschluss, auch das Recht des Fortschritts sanktioniert worden. Seitdem könne in allen politischen und geistigen Angelegenheiten der deutschen Nation kein vernünftiger Fortschritt anders mehr geschehen, als auf der Grundlage jener aequalitas exacta mutuaque, die keiner Glaubensrichtung möglich mache, sich vorzugsweise für die deutsche Nationalkirche zu halten. Vgl. Herrn Gfrörer’s Programm für die deutsche Reichsversammlung in Frankfurt, in: Jahrbücher der Gegenwart, Nr. 43, Juni 1848, S. 169 ff. 183 Die Katholiken und die deutsche Bewegung, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 21 (1848), S. 425 f.

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Als Autor lässt sich unschwer der Mitbegründer und Herausgeber der Zeitung, der Konvertit George Philips, identifizieren. Denn als Abgeordneter brachte dieser im August 1848 diesen Gedanken fast wortgleich in die Debatte der Paulskirche ein, wo er betont national argumentierte. Die auswärtigen Feinde hätten die unselige Vereinigung von Politik und Religion stets für ihre Ziele zu nutzen gewusst, denn das protestantische und das katholische Ausland habe jeweils bei den deutschen Protestanten und in den katholischen Staaten Beistand gefunden, zu den „monstruösesten Bündnissen“ sei es gekommen. Als Katholik zeigte Philips keine Scheu, sich die antifürstliche Wendung im nationalen Bezug auf den Westfälischen Frieden zu Eigen zu machen. Er erhob es zur „heiligsten Pflicht“ der Paulskirche, den Frieden auf einem Gebiet wiederherzustellen, wo zweihundert Jahre zuvor ein „elendes Machwerk“ gefertigt worden sei: „Damals haben die Räthe der Fürsten zusammengesessen, haben aber nicht den wahren Frieden begründet, sondern nur einen scheinbaren, der den Kampf um 200 Jahre verlängert hat. Jetzt sitzen wir 1848 als Vertreter des Volkes beisammen, und wir wollen einen wahren Frieden begründen, und ich hoffe: der Frankfurter Friede wird länger dauern, während der westphälische Friede nur kurz gewesen ist.“ 184 Diese Einschätzung fand ein breites Echo unter den Abgeordneten. „Der westfälische Friede hat uns in einen Zustand der Halbheit und in den Zustand der Lügenhaftigkeit in Deutschland versetzt, unser ganzes politisches Leben ist nicht mehr wahr gewesen seit jener Zeit“, rief der Katholik Daniel Ernst Müller von der linken Fraktion „Westendhall“ den Abgeordneten zu, „werfen wir den religiösen Hader hinaus aus dem Staatsschiff, so wird Freiheit und Wahrheit bei uns einkehren und ein echter Friede!“ 185 Der Redebeitrag von Remigius Vogel aus Schwaben, Abgeordneter des rechten Zentrums der Paulskirche („Casino“), zeigt eine Akzentverschiebung der Beweisführung. Zwar bewegte auch er sich argumentativ zunächst auf bekanntem historischem Terrain, als er sich negativ auf den „zusammengeleimten“ Frieden von 1648 bezog. Doch neben dem „Unglück“, dass im 16. Jahrhundert das religiöse Bestreben in das politische hineingezogen worden sei, betonte Vogel ausdrücklich, dass die Politik den „Geist der Reform“ erfasst habe, wodurch er „wieder kleinlich zusammenschrumpfte und in politischen Parteienlandschaften zur größeren Trennung und Schwächung führte“. 186 Das Verhältnis von Politik und Religion – so der Grundtenor der kirchenpolitischen Debatte – hatte also zu einer wechselseitigen Beeinträchtigung geführt. Für die Verfassungsarbeit der Paulskirche ergab sich daraus die Aufgabenstellung, nicht nur den Staat von der Kirche, sondern auch die Kirche vom Staat zu be184 185 186

Verhandlungen, Bd. 3, S. 1642. Ebd., S. 1699. Ebd., S. 1653.

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freien. Das katholische Lager nahm mit diesem Ziel maßgeblichen Einfluss auf die Verfassungsberatung. 187 Die Kirche nutzte dazu eine starke Volksbewegung, die von dem Paulskirchenabgeordneten Franz Joseph Buß in den Piusvereinen organisiert war und mit einer Flut von Petitionen auf die Debatte einwirkte. 188 Entgegen liberalen Bestrebungen erreichten sie, dass nicht nur die individuelle Religionsfreiheit in der Verfassung verankert, sondern auch das institutionelle Verhältnis von Staat und Kirche geregelt wurde. Der gefundene Kompromiss, der „Frankfurter Frieden“ , garantierte in Artikel III der Verfassung die Selbständigkeit der Kirche in ihren eigenen Angelegenheiten. Damit war sie allgemeinen Gesetzen, also keinen speziell auf die Kirchen ausgerichteten staatlichen Regelungen unterworfen. Liberale Forderungen nach Einführung der Zivilehe und die staatliche Schulaufsicht konnten zwar durchgesetzt werden, ebenso wurde aber die Kirchenaufsicht über den Religionsunterricht verbrieft, womit kirchliche Schulen möglich blieben. 189 Den kirchenpolitischen Akteuren der Revolution gelang es damit, die Versuche säkularistisch-kirchenfeindlicher Abgeordneter abzuwehren, durch die Trennung von Staat und Kirche die Macht der Institution Kirche zu brechen. Die Scheidung beider Sphären zielte aus ihrer Sicht nur auf die Selbständigkeit der zwei Gewalten und meinte nicht die Aufgabe eines gesellschaftlichen Mitgestaltungsanspruchs der katholischen Kirche. 190 Dem Urteil Thomas Nipperdeys, wonach der deutsche Konfessionsgegensatz durch die Paulskirche klug gebändigt und national gefiltert wurde, ist uneingeschränkt beizupflichten, auch wenn die entsprechenden Bestimmungen letztlich weitgehend folgenlos blieben. 191 Der Revolutionsmythos um den Westfälischen Frieden lieferte den kirchenpolitischen Akteuren in der Debatte ein wesentliches Beweismittel. Die Ansicht Wilhelm Ribhegges, nach der die kirchlich argumentierenden Redner in der Paulskirche die Geschichtlichkeit des Jahres 1848 aus ganz anderen historischen Bezügen gedeutet hätten als die übrigen Abgeordneten, 187 Der Gymnasiallehrer und promovierte evangelische Theologe Wilhelm Weißenborn aus Eisenach, Abgeordneter des „Württemberger Hofes“ benannte in der Debatte ebenso die Vereinigung der konfessionellen und politischen Rechte als Grund für das, „was nicht allein der protestantischen oder katholischen Kirche, sondern was ganz Deutschland, ja was ganz Europa seit Jahrhunderten so große Wunden geschlagen hat.“ Vgl. ebd., S. 1640. 188 Kurt Nowak unterstreicht den Einfluss des katholischen Bevölkerungsteils während der verfassungspolitischen Neugestaltung Deutschlands. Vgl. Nowak, Geschichte des Christentums, S. 124. Wilhelm Mommsen betont, dass die katholische Kirche zunächst in Abwehr gestanden habe, um dann durch ihre Organisation im politischen Kleinkampf viel stärker zu wirken als ihre Gegner. Vgl. Mommsen, Größe und Versagen, S. 170. 189 Vgl. Huber, Dokumente, Bd. 1, S. 375 ff.; Darstellung bei Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 652. 190 Vgl. Jäger, Die Revolution von 1848, S. 264. 191 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 618.

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lässt sich daher nicht aufrechterhalten. 192 Der vom nationalen Standpunkt aus proklamierte Auftrag zur Überwindung des Westfälischen Friedens erfuhr in der Debatte über die Stellung von Kirche und Staat vielmehr eine Konkretisierung und seine verfassungsrechtliche Umsetzung. 3. Jenseits der nationalen Einheitsrhetorik: Der Dreißigjährige Krieg und die inneren Konflikte der Nation Der im vorangegangenen Kapitel skizzierte Revolutionsmythos, mit dem die politische Forderung zum Handeln in nationaler Eintracht verbunden war, konnte die ideologische Segmentierung der bürgerlichen Verfassungsbewegung weder überlagern noch auflösen. Ebenso wenig beugten sich konservative und reaktionäre Kräfte innerhalb der öffentlichen Deutungseliten widerstandslos dem revolutionslegitimierenden liberalen Anspruch. Zusätzlich entfaltete der konfessionelle Bedeutungsgehalt des Geschichtsbezuges eine spaltende Wirkung quer zu den politischen Lagern. Im Folgenden werden diese Interessenskonflikte neben der revolutionären Dichotomie von bürgerlichem Mitgestaltungsanspruch und absoluter Fürstengewalt in den Blick genommen. a) Der Westfälische Frieden als Gegenstand konfessioneller Polemik und konservativer Revolutionskritik Ein Aufruf an die Katholiken des Reiches deutscher Nation durch die Generalversammlung der katholischen Vereine legte im November 1848 den kirchlichreligiösen Interpretationshorizont offen, vor dem die katholische Kirche der Revolution begegnete. Dem Aufruf zufolge bewahrten in den „Stürmen des Märzes“ als Strafgericht Gottes nur das Christentum und die katholische Kirche den schwankenden Gesellschaftsbau vor dem Zusammenbruch. 193 Im Juli 1849 spitzte das Kirchliche Wochenblatt der Diözese Rottenburg die Revolutionsereignisse vom katholischen Standpunkt auf das Erleben eines religiösen Prinzipienkampfes zu: „Es ist nicht bloß ein politischer und ein Nationalkampf, sondern es ist auch ein Religionskrieg, der jetzt in Ungarn, Deutschland und Italien gestritten wird. Wer in ihm fällt, fällt für die Kirche, wer für ihn Opfer bringt, bringt sie für die Sache des Glaubens.“ 194 Als sich die Redaktion der Mainzer Zeitung Der Katholik 1850 neu formierte, orientierte sie sich in der Formulierung ihrer Grundsätze an den Erfahrungen der beiden vergangenen Jahre. Ihre Aussagen sind damit bezeichnend für ein katho192 193 194

1849.

Vgl. Ribhegge, Das Parlament als Nation, S. 70. Vgl. Jäger, Die Revolution von 1848, S. 262 f. Die rothe Republik, die Feindin der Kirche, in: Kirchliches Wochenblatt, 4. Juli

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lisches Revolutionsverständnis. Die neue Leitung des Blattes sah die „streitende Kirche“ seit 1848 nur in ein neues Stadium des „Riesenkampfes der destructiven Mächte“ eingetreten, in dem die Vergötterung der Vernunft und des Staates im Gewand der „alten philiströsen Moral“ Schillers und des „feinen Absolutismus“ Hegels einem populären, „epikuräischen Atheismus“ Platz gemacht habe. An die Stelle des absolutistischen Staates war demnach die „sociale Republik“, an jene der steuerbaren Reformation die umstürzlerische Revolution getreten. Da Ursprung und Ziel der Revolution aber nach Auffassung der Zeitung viel weniger im Politischen als vielmehr im Religiösen angelegt waren, bot ein wertefestes Leben im katholischen Glauben das einzig wahre „Heilmittel“ gegen die „Schreckensherrschaft eines barbarischen Proletariats“ in der roten Republik. 195 Der Katholik bemühte das klassische religiös-kirchliche Verständnis der Revolution als anarchisch-atheistische Sozialbewegung, als Aufruhr gegen gottgewollte Ordnung wie traditionelle Obrigkeit und als Ausdruck antichristlicher Selbstvergöttlichung. Die Kirche sah sich im Kampf gegen diesen Unglauben einen wahren Religionskrieg ausfechten, wobei tradierte Schreckensbilder der großen Französischen Revolution die Verarbeitung der Gegenwartserfahrung dominierten und auch die negativen Zukunftsvisionen illustrierten. 1848/49 demonstrierte die katholische Kirche jedoch ein ambivalentes Verhältnis zur Revolution. Dass sie die Herausforderungen der Gegenwart in einem heilsgeschichtlichen Deutungsrahmen als Ausdruck göttlicher Vorsehung annahm, zeigt sich darin, dass sie neben einer metahistorisch begründeten Ablehnung der Revolution die politischen Umwälzungen auf dem Boden einer liberalen Verfassungspolitik für ihre Interessen sehr wohl zu nutzen wusste. Wolfgang Hardtwig hat dies pointiert als Strategie bezeichnet, mit der die liberal-demokratische – und säkularistische – Revolution mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden sollte. 196 Die deutschen Katholiken erwiesen sich als mitgestaltende Akteure, die sich im Umgang mit der revolutionären Gegenwart in den katholischen Vereinen des neuen Instruments der Politik mit großer Selbstverständlichkeit bedienten, wie Kurt Nowak resümiert. 197 In ihrer Forderung nach einer größeren Unabhängigkeit von Kirche und Staat waren sich liberale wie katholische Abgeordnete weitgehend einig gewesen. Die kirchenpolitische Debatte in der Paulskirche machte jedoch deutlich, dass sich vornehmlich Katholiken explizit auf das Jahr 1648 bezogen und sich den nationalen Revolutionsmythos um den Westfälischen Frieden zunutze machten, um ihr kirchenpolitisches Ziel, die Trennung von Kirche und Staat, zu legitimieren. 195

Vgl. Zur Orientierung in der Gegenwart, in: Der Katholik, N. F. 1 (1850), v. a. S. 5 –

13. 196

Vgl. Hardtwig, Die Kirchen in der Revolution, S. 87. Zumindest an diesem Punkt, so Nowak weiter, sei von katholischen Modernitätsdefiziten nichts zu bemerken. Vgl. Nowak, Geschichte des Christentums, S. 124. 197

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Damit ging seitens der katholischen Kirche einher, sich den Gläubigen im Umgang mit der Revolution nicht allein als sittliche Stütze, sondern auch als nationalpolitischer Akteur zu präsentieren. Im Kontext einer tausendjährigen Reichsgeschichte erschien die katholische Kirche als Garant der nationalen Einheit Deutschlands, wie der Aufruf der Generalversammlung der katholischen Vereine bekräftigte: „Schon in den früheren Jahrhunderten rettete sie das von gleichen Leiden heimgesuchte Vaterland, als sie an die Stelle des verwitterten Staates mit der Schaufel der Gesittung, mit dem Schwerte des Geistes getreten. [ . . . ] Und in diesen Thaten des Segens hat sie fortgewirkt, bis die Einheit im Leben der Völker gebrochen. Von dieser Zeit stammte auch die Zerrüttung des nationalen Lebens des deutschen Volkes im inneren und der Verlust seiner weltgeschichtlichen Geltung.“ 198 Die Reformation des 16. Jahrhunderts war der katholischen Interpretation nach ein großer „Giftbaum“, dessen Früchte die Glaubenseinheit des Reiches zerstört und damit den Bruch der deutschen Einheit verursacht hatten, wie ihn der Westfälische Frieden später nurmehr besiegelte. Angesichts fortwährender Versuche in Teilen der Nationalbewegung, den national aufgeladenen Protestantismus gegen einen vermeintlich undeutschen, weil ultramontanen Katholizismus auszuspielen, fand die katholische Seite damit ein historisches Argument zur politischen Gegenoffensive. Ähnlich dem nationalen und liberalen Revolutionsmythos um die Zäsuren von 1648 und 1848 wurde die Gegenwart in den Rang eines Wende- oder Endpunktes erhoben. Dies geschah allerdings in einem göttlich determinierten und katholisch motivierten Geschichtsablauf, denn – so der Aufruf weiter – „jetzt im Jahre 1848 stehen wir an der großen Wende unserer Zukunft, um entweder das verlorene Gut wieder zu erlangen, oder der Gewalt des Bösen als liederliche, heidnische Beute zu erliegen“. 199 Im katholischen Nationsverständnis waren der Zusammenbruch des Protestantismus, die allgemeine Rekatholisierung und die damit wiedergewonnene religiöse Einheit notwendige Voraussetzungen für den angestrebten Wiederaufstieg des Reiches. Die Devise der Piusvereine zur kirchenrechtlichen Frage lautete, dass ohne Gewährleistung vollkommenster Religionsfreiheit die Erhebung des durch die Glaubensspaltung zerrissenen und damit geschwächten Vaterlandes undenkbar 198 Vgl. Aufruf an die Katholiken des Reiches deutscher Nation durch die Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands am 19. Oktober 1848; hier zit. nach Wiener Kirchenzeitung für Glauben, Wissen, Freiheit und Gesetz in der katholischen Kirche, 4. November 1848. 199 Ebd. In Straßburg publizierte der Theologe und Reformationshistoriker Timotheus Wilhelm Röhrich 1849 die Schrift Das Jahr Acht und vierzig; seit fünf Jahrhunderten ein verhängnißvolles oder entscheidendes Jahr, besonders in religiöser Beziehung, in der die revolutionären Ereignisse von 1848 in Beziehung gesetzt werden zur Pest von 1348, zum Aschaffenburger Konkordat zwischen Papst und Kaiser von 1448, dem Augsburger Interim von 1548, dem Westfälischen Frieden 1648 und zu einer angeblichen katholischen Vorherrschaft seit 1748.

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sei. Die Beschlüsse der Paulskirche boten daher einen durchaus gangbaren Weg, da man der Überzeugung war, in einer durch die Grundrechte hergestellten freien Konkurrenz der religiösen Wahrheiten den Katholizismus zu neuer Blüte bringen zu können. 200 Das Kirchliche Wochenblatt der Diözese Rottenburg feierte 1849 entsprechend begeistert diese kirchenrechtliche Errungenschaft, allerdings nicht ohne sich vom liberal-demokratischen Anspruch abzugrenzen, die nationale Einheit allein konstitutionell begründen zu können. Die Zeitung sah an die Stelle eines „faulen westphälischen Friedensschlusses“ nun die Grundrechte getreten, „welche den traurigen Zustand unserer heil. Kirche in Deutschland aufheben, und ihr die Macht verleihen, sich siegreich über die ganze Welt zu erheben und hierdurch zugleich unserm zerrissenen Vaterland die Einigkeit wieder zu geben, die es vordem hatte, und die man herzustellen, in Frankfurt vergebens bemüht ist“. 201 Insbesondere außerhalb des Parlaments nahmen die Katholiken den Kampf um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte mit ihren konfessionellen Gegnern auf. Franz Joseph Buß, der „volkskonservative Laienagitator“ (Wolfgang Hardtwig), stellte in seiner Rede auf dem ersten Katholikentag im Oktober 1848 das Jahr 1648 in einen katholisch motivierten nationalen Zusammenhang und wandte den Westfälischen Frieden offensiv gegen den Protestantismus. Die Zukunft der katholischen Vereine, die als Ausdruck der „Neugeburt Deutschlands“ eine betont nationale Würdigung erfuhren, sah Buß in der Kombination national wie konfessionell bedeutsamer Jahreszahlen angelegt: „748 gab Euch den Bonifatius, den Apostel der Deutschen, 1448 den Gutenberg, den Apostel der Verbreitung der Wissenschaft. Wir zählen wiederum ein Jahr 48 und sein Ruhm sei, daß in ihm der katholische Verein und mit und aus ihm die nach dem hl. Vinzenz benannte Anstalt der Wohltätigkeit hier begründet worden und von hier aus gleichfalls über Deutschland sich verbreitet habe.“ Dagegen seien die Ereignisse von 1648 nichts gewesen als Schwäche und Untergang, wie Buß das Gedenkjahr negativ einflocht, um kämpferisch dazu aufzurufen, es aus der Geschichte zu streichen, damit die deutsche Einheit zu begründen und endlich nachzuholen, was zwei Jahrhunderte versäumt worden sei. 202 Am Beispiel Württembergs betont Stefan J. Dietrich, dass von Seiten der Katholiken das positiv-optimistische Deutungsmodell des Phänomens Revolution als einer von der Vorsehung initiierten Bewegung, um die Kirche von staatlicher Bevormundung zu befreien, durch das traditionell-pessimistische Muster zurückgedrängt worden sei, nach dem die Revolution als Religionskrieg verstanden wurde. Gegenüber dem von Dietrich nahe gelegten Phasenmodell scheint 200 Vgl. Pius-Vereine, in: Kirchliches Wochenblatt aus der Diöcese Rottenburg, 21. Mai 1848. Siehe hierzu Dietrich, Christentum und Revolution. 201 Hier zit. nach Dietrich, Christentum und Revolution, S. 34 f. 202 Vgl. Verhandlungen der ersten Versammlung des katholischen Vereins, S. 119 ff.

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es jedoch angebracht, eher von einem grundsätzlich ambivalenten katholischen Urteilshorizont auszugehen, in dem die Haltung zur Revolution abhängig von dem jeweiligen Nutzen für die Kirche neu abgesteckt wurde. Wie dargelegt, verschlossen sich die Katholiken nicht der nationalen Idee, aber auf dem universalistischen Geltungsanspruch des christlichen Glaubens beharrend, betonte man die katholische Idee einer Reichsnation, die der staatlichen Ordnung des alten Reiches verhaftet war. 203 Damit ging die Überzeugung einher, dass nur die Einheit der Christenheit im Zeichen des Katholizismus die sittliche Grundlage zu nationaler Größe bieten würde. Der katholische Bezug auf den Westfälischen Frieden bedeutete in der Betonung der Glaubensspaltung als Ursache für den Niedergang des Reiches einen Affront gegen den konfessionellen Widersacher. Eine Streitschrift von 1846, die bis zum Jahr 1850 drei Neuauflagen erfuhr, brachte aus der Sicht der angeklagten Protestanten auf den Punkt, was deutsche Katholiken mit dem Jahr 1648 verbanden: „Lauter als je wird [der Protestantismus, H. S.] beschuldigt: die deutsche Nation um ihre Glorie, die Realität der Kaiserkrone gebracht, die Einheit Deutschlands unter derselben zerrissen, mit dem Ausland gebuhlt, dem Reich wichtige Provinzen entfremdet, das Vaterland zum Schauplatz verheerender Kriege gemacht, Egoismus und Kosmopolitismus befördert und endlich die völlige politische Ohnmacht desselben herbeigeführt zu haben.“ 204 Dieser katholischen Anklage stand als offensive Verteidigungsstrategie seitens der Protestanten der Vorwurf gegenüber, dass der Katholizismus den Siegeslauf der nationalreligiösen Idee im Dreißigjährigen Krieg gehemmt habe und tatsächlich das Festhalten am kirchlichen Universalismus in seiner politischen Version des siechenden Heiligen Römischen Reiches für den nationalen Entwicklungsstau in Deutschland verantwortlich gewesen sei. Die zur nationalen Tat stilisierte Reformation wog dagegen als positives Erbe der Nation den Verlust der in „sehr zweifelhafter Realität“ besessenen Kaiserkrone auf und entlastete die deutsche Nation vom „entehrenden Joche römischer Bedrückung“. 205

203 Siehe dazu Langewiesche, Föderative Nation, S. 4; Dietrich, Christentum und Revolution, S. 103 ff. Siehe außerdem Hardtwig, Die Kirchen in der Revolution; Sperber, Kirchen, Gläubige und Religionspolitik in der Revolution. 204 Vgl. Der deutsche Protestantismus, S. 602 – 08. 205 Ebd.

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In philosophischer Denktradition von Augustinus bis Goethe und Fichte 206 und nahe am nationalpsychologischen Argumentationsmuster der Kölnischen Zeitung erscheint auch hier der Niedergang als historische Notwendigkeit: „So wurde ein höchst unsolider Ruhm zur Ursache unseres Falles, aber auch dürfen wir sagen unser Fall die Ursache eines ungleich solideren Ruhmes. Tief eingeprägt blieb unserer Nation die Bestimmung zu einer ächten, wahren Universalität. Sie erfüllte dieselbe mit dem Erbleichen der letzten Glorie des Reiches in der Reformation. Die geistige Weltherrschaft der Deutschen als des Culturvolkes der neuen Epoche brach mit Luther an.“ Nur indem Deutschland die Idee des römischen Katholizismus überwand und nicht wie Frankreich bloß dessen äußere Form sprengte, habe sich eine neue selbständige Kultur in Europa entwickeln können. Ausgehend von den „Heerführern“ des Protestantismus, dem „deutschen Bauernsohn“ Luther und dem „deutschen Bürgersohn“ Melanchthon, über die deutsche Bibel, die deutschen Gotteslieder und Volksschriften bis hin zu den „singenden und predigenden Handwerksburschen“ bot der Protestantismus – solcherart zur nationalen Bewegung stilisiert – die „vollgültige Bürgschaft“ deutscher Nationalität, und sei unzertrennlich mit der Zukunft Deutschlands verbunden. 207 Über das progressive nationale Verständnis des Protestantismus bestand während der Revolutionsjahre aber kein innerkonfessioneller Konsens. Eine vergleichbare Aktionseinheit aus Kirchenführung, Volksvertretern und bürgerlichen Deutungseliten, wie sie Karin Jäger für den politischen Katholizismus betont, gab es auf Seiten des Protestantismus nicht. 208 Für liberale Protestanten waren deutsche Nationalität und evangelisches Christentum zwar eine gängige Verbindung, wie Thomas Nipperdey konstatierte, konservative Protestanten jedoch, insbesondere die orthodoxe Geistlichkeit, standen der „Vergötterung“ der Nation in schroffer Ablehnung gegenüber. 209 Auch gegen die Trennung von Kirche und Staat formierte sich der konservative Widerstand orthodox-protestantischer Provenienz. Als sein Sprachrohr taten sich in den Revolutionsjahren die Kreuzzeitungspartei um ihre Wortführer, die Brüder von Gerlach, und die Evangelische Kirchen-Zeitung des Berliner Bischofs Ernst Wilhelm Hengstenberg hervor. Während die nationale Verfassungsbewegung ihr Aufbegehren während der Revolution in Abgrenzung 206 Augustinus beschreibt in seinen Confessiones den Weg des Absteigens herunter vom selbst errichteten Thron, um dadurch erst wahrlich aufzusteigen zu Gott: „Descendite, ut ascendatis, et ascendatis ad deum“, „Steigt herab, damit ihr aufsteigen könnt, aufsteigen zu Gott!“ (Confessiones 4,19); bei Fichte heißt es: „Aller Tod in der Natur ist Geburt, und gerade im Sterben erscheint sichtbar die Erhöhung des Lebens.“ [aus „Die Bestimmung des Menschen“ (1800)]; J. W. von Goethe, Selige Sehnsucht (1814): „Und so lang du das nicht hast,/ Dieses: Stirb und Werde!/ Bist du nur ein trüber Gast/ Auf der dunklen Erde“. 207 Vgl. Der deutsche Protestantismus, S. 605, 609. 208 Vgl. Jäger, Die deutsche Revolution, S. 278. 209 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 439. Wolfgang Schwentker konnte die enge Verbindung der evangelischen Kirche und der konservativen Vereine 1848 in Preußen offen legen. Vgl. dazu: Schwentker, Konservative Vereine und Revolution, S. 214 –222.

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von dem Negativmythos 1648 historisch legitimierte, nahmen Kommentatoren aus diesem konservativen Meinungsspektrum den Jahrestag des Westfälischen Friedens zum Anlass ihrer Attacken gegen die Zeittendenzen der Moderne. Die Kreuzzeitung, die in einer Position der Fundamentalkritik zur Revolution verharrte, griff die xenophobe Stoßrichtung in der nationalen Deutung des Westfälischen Friedens auf, weil sie sich mit Frankreich im Zentrum gegen das Ursprungsland und den Hort revolutionärer Umtriebe und damit gegen das traditionelle konservative Feindbild richtete. Ihr Artikel zum Jahrestag 1848 diente vorrangig dazu, den liberalen Zeitgeist in eine negative historische Linie seit 1648 zu stellen und in einem christlichen Interpretationsrahmen entschieden zu verurteilen. Kaum nachdem Deutschland sich von den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zu erholen begonnen habe, sei die evangelische Wahrheit verlassen und dem Unglauben der Weg bereitet worden, klagte das Blatt, das diesen nun in der „neuesten Katastrophe“ zum Sieg gelangen sah. Wie aber solle Deutschland das „erste Land der Christenheit“ sein, fragte man mit Blick auf die kirchenpolitische Debatte, wenn der Staat glaube, ohne die Kirche bestehen zu können, „gleichsam als könne der Leib ohne die Seele leben!“. Neben dem liberalen Fortschrittsoptimismus traf die Kritik den Anspruch der Verfassungsbewegung, in Abgrenzung zu der Deutschland 1648 gegebenen Ordnung ein neues Reich zu schaffen: „Wie ist es möglich, wenn man mit der Vergangenheit völlig bricht und mit der Vernichtung alles Bestehenden auf einer breiten inhaltsleeren Grundlage ohne Rücksicht auf Religion, Sitte und Recht die ganze deutsche Geschichte gleichsam von vorne anfangen will!“ 210 Die aus dem Westfälischen Frieden datierende Einheit aus Fürst und Landeskirche machte es aus Sicht der evangelischen Orthodoxie notwendig, das Jahr 1648 nicht nur als Zeitpunkt des Sieges im Befreiungskampf des Protestantismus gegenüber den Angriffen der Katholiken zu verteidigen. Es galt gleichermaßen, sich des liberal-protestantischen und nationalen Deutungsanspruchs zu erwehren, der den freiheitlichen Charakter des Protestantismus ins Feld führte und dabei die bestehende Kirchenordnung infrage stellte. Aus Anlass des Gedenktages im Oktober 1848 wetterte die Evangelische Kirchen-Zeitung vom Glauben an die Einheit von Thron und Altar geleitet eindringlich gegen die „ungläubige“ Revolution. Unter der Überschrift „Das Jahr 1648 und 1848“ hielt das Blatt der revolutionären Gegenwart im Vergleich zum Dreißigjährigen Krieg den Spiegel vor. 211 Die Kernaussage war ebenso einfach wie stark: Während Deutschland 1648 nach dreißig Jahren Krieg Frieden erlebt hatte, begänne dagegen nun mit dem Jahr 1848 nach dreißig Jahren Frieden erst der Krieg. „Es ist dieses nicht ein Krieg, der, wie der dreißigjährige im Anfange wenigstens 210 211

Aus dem Fürstentum Osnabrück, in: Kreuzzeitung, 27. Oktober 1848. Das Jahr 1648 und 1848, in: Evangelische Kirchen-Zeitung, 43 (1848), S. 885 ff.

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theilweise, um die Religion geführt wird, sondern gegen dieselbe, und eben so gegen die Sitte, Recht und gesetzmäßige Ordnung“, führte das Blatt aus, das sich in seiner Deutung damit in denselben Bahnen bewegte, die bereits in der katholischen Revolutionskritik begegneten. Denn vor allem die säkularisierende Tendenz der Revolution erfuhr unter Inanspruchnahme des Westfälischen Friedens harte Kritik. Während 1648 das evangelische Bekenntnis Anerkennung im Reich verlangt habe, würden sich jetzt religiöse Indifferenz und Unglaube zur Herrschaft erheben, den christlich-germanischen Staat verhöhnen und diejenigen, die dafür einträten, als protestantische Jesuiten verunglimpfen. Dagegen habe man bei aller Verheerung und Verwüstung 1648 auf christlichem Boden gestanden. Die Trennung von Kirche und Staat stellte die evangelische Kirchenverfassung mit dem Kern einer Einheit von Thron und Altar vor die Herausforderung einer grundlegenden Reform. Anders als bei den Katholiken, welche die Verfassungsberatungen für ihre eigenen Interessen zu nutzen wussten, richtete sich deshalb der Zorn der Evangelischen Kirchen-Zeitung gegen das gesamte Reformprogramm der Paulskirche. Die Trennung von Kirche und Staat sowie das staatliche Schulsystem wurden von ihr ebenso verworfen wie das fehlende Obrigkeitsdenken angeprangert, das sich für sie in der Volksherrschaft anstelle des traditionellen Gottesgnadentums ausdrückte. Mit äußerstem Widerwillen nahm man zur Kenntnis, dass eine „ungeschlachte, ungedungene, wild erregte Masse“ mit absolutem Souveränitätsanspruch regieren wolle. Auch die Passagen, in denen das Blatt selbst den deutschen Standpunkt einnahm, gerieten zum Verdikt über den Mitgestaltungsanspruch der Nation, bei dem sich das Motiv der Demütigung durch das Ausland gegen die Revolutionäre richtete: „1648 wurde das Deutsche Reich mit der Kaiserwürde faktisch aufgelöst, indem die Reichsstände so gut als selbständig wurden; 1848 will man wieder die Deutschen Staaten, welche noch bestehen geblieben sind, auflösen und sie nicht etwa einem Kaiser, sondern einer republikanischen Reichsversammlung unterwerfen, welche sich für souverain erklärt.“ Zwar sei Deutschland 1648 von fremder Hand große Schmach zugefügt worden, die größte aber habe es sich selbst angetan, indem es mit der „Märzkatastrophe“ aufgehört habe, ein christliches Volk zu sein. 212 Der Artikel der Evangelischen Kirchen-Zeitung gipfelte in der Prophezeiung eines Krieges von apokalyptischem Ausmaß, der als Strafgericht Gottes über das in „Verwesung“ begriffene Staatswesen hereinbrechen werde; Deutschland drohe, dass es zwischen Slawen und Romanen in einem neuen Weltkampf der „dämonischen Mächte“ erneut so verheert werde wie im Dreißigjährigen Krieg. 213 Über 212

Ebd., S. 887 f. Ebd., S. 890. Zu Jahresbeginn 1851, nach Beilegung der „Novemberkrise“ (vgl. Kapitel C, II, 5.), fand das Blatt in danksagenden Worte eines Kirchenliedes aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges den passenden Ausdruck für die Empfindungen beim Rückblick auf ein Jahr, „das mit der Herstellung des Friedens ohne Blutvergießen endete, 213

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die Leserschaft hinaus fand diese Meinung von der Kanzel herab ein breites Publikum. Angesichts drohender Zuchtlosigkeit und fehlender gesetzlicher Ordnung ermahnte Konrad Rüdel, der noch zuvor eine große Gedenkveranstaltung zum Westfälischen Frieden angeregt hatte, in seiner Predigt vom 29. Oktober nurmehr zu einer „ernsten Feier mit bußfertigem Sinn“. 214 Adolf Harleß, damals Professor in Leipzig und seit 1847 dort auch als Pfarrer tätig, bettete sein Verständnis der Jahre 1648 und 1848 in ein nicht weniger apokalyptisches Bild, als es die Evangelische Kirchen-Zeitung gezeichnet hatte. Die säkularisierenden Tendenzen der Revolution als modernes Babel vor Augen verurteilte er, dass die 1648 blutig erkämpfte Freiheit in der Revolution um ein „Linsengericht“ verkauft würde. 215 Von ähnlich dunkler Ahnung geleitet brachte der Tübinger erste Diakon, Christian David Palmer, in seiner Silvesterpredigt 1848 die Verknüpfung der beiden Daten auf eine wirkungsvolle Kurzformel: „1648 war Friede nach langem Streit; 1848 Krieg nach langem Frieden. Wir stehen am Anfang langen Drangsals.“ 216 b) Parlamentspartikularismus und der ideologische Grabenkampf zwischen konstitutionellem Liberalismus und radikalen Demokraten Die Haltung der Evangelischen Kirchen-Zeitung zur Revolution zeigt im Beharren auf die Verbindung von Thron und Altar das Fortwirken eines christlichkonservativen Partikularismus. Mit der Territorialstaatlichkeit erwuchs der Paulskirche aber auch auf ureigenem Terrain, ihrem Volksvertretungsanspruch, ein parlamentarisches Kompetenzproblem. Denn parallel zu der in Frankfurt tagenden Nationalversammlung traten in den deutschen Einzelstaaten gesonderte Parlamente zusammen, die sich neben der Durchsetzung des Freiheitsanspruchs der Revolution in ihren Länderverfassungen jeweils eigenen partikularen Interessen verpflichtet fühlten. Die Abgeordneten gingen in der Umsetzung ihres Programms zum Teil radikaler vor als die mehrheitlich gemäßigt liberal denkenden Volksvertreter der Paulskirche. Die Verbindung von Partikularismus und ideologischer Spaltung der Verfassungsbewegung in gemäßigte Liberale und radikale Demokraten ließ ein Interessengemisch entstehen, das sich am Beispiel des Waldeck’schen Antrags, benannt nach dem führenden Kopf der preußischen demokratischen Linken, darstellen lässt. Benedikt Waldeck stellte am 24. Oktober 1848 in der Berliner Nationalversammlung, die weit stärker demokratisch dominiert war als ihr Frankfurter Pendant, die Kompetenzfrage zwischen Paulskirche und dem preußischen Parlament, die er während ein neuer dreißigjähriger Krieg schon unmittelbar vor der Thür zu seyn schien.“ Zit. nach Buschmann, Einkreisung, S. 58. 214 Zit. nach Schubert, Evangelische Predigt, S. 105 f. 215 Ebd., S. 101. 216 Ebd., S. 105.

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zugunsten Letzterer regeln wollte. Sein Antrag sah vor, dass Erlasse aus Frankfurt, welche die inneren Angelegenheiten der Länder beträfen, erst mit der Genehmigung durch die preußischen Volksvertreter gesetzliche Geltung erlangen sollten. Waldecks Ansinnen war nur vordergründig Ausdruck eines „Parlamentspartikularismus“ (Thomas Nipperdey) während der Revolution und muss im Kontext einer im Zuge der Schleswig-Holstein-Krise wieder aufflammenden ‚Straßenpolitik‘ gesehen werden. Diese hatte im Spätsommer in Frankfurt begonnen und war im Wiener Aufstand vom Oktober eskaliert. 217 Die Paulskirchenversammlung, die der revolutionären Massenbewegung mit Ablehnung begegnete, hatte aus Sicht radikaler Demokraten mit ihrer Rolle während der Septemberunruhen und deren Niederschlagung durch die Reichszentralgewalt die Ideale der Revolution verraten. 218 Der Waldeck’sche Antrag zur Kompetenz der Frankfurter Zentralgewalt war so auch parlamentarischer Ausdruck des ideologischen Konflikts zwischen Liberalen und Demokraten. Die Erinnerung an den Westfälischen Frieden erhielt in dieser Auseinandersetzung noch einmal herausragende Bedeutung. Hier zeigt sich der unmittelbare Einfluss, den der Jubiläumstag im Oktober 1848 auf die politischen Debatten ausübte. Im Zentrum stand dabei das Menetekel von der ‚teutschen Freiheit‘, mit dem auf die machtpolitische Schwächung Deutschlands durch seine staatliche Zersplitterung verwiesen wurde. Auf liberaler Seite nutzte die Kölnische Zeitung ihr Säkulargedenken an 1648 zum Angriff auf den Antrag Waldecks. Eingebettet in die Ausführungen über die Bedeutung des Westfälischen Friedens erinnerte das liberale Blatt daran, wie oft das feindliche Ausland den Schutz der „deutschen Freiheit“ als Deckmantel seiner eigenen Interessenpolitik missbraucht habe. Dieser „Souveränitäts-Schwindel der einzelnen Fürsten“ und die „Vernichtung der Einheit Deutschlands“ seien in der französischen Politik gleichbedeutend: „Brauchen wir noch zu erinnern, daß 217 Der im preußisch-dänischen Krieg geschlossene Waffenstillstand von Malmö führte im September 1848 zu einer Parlaments- und Regierungskrise. Nach anfänglichem Widerstand und dem Rücktritt der Regierung stimmte die Paulskirche dem Vertragsschluss zu. In der Folge kam es zu bewaffneten Demonstrationen, da die überstimmte radikale Linke und Teile der Bevölkerung dies als Kapitulation vor den Interessen Frankreichs, Russlands und Englands werteten. 218 Die Paulskirche hatte als Reaktion auf die Septemberunruhen das Vereinigungsund Versammlungsrecht eingeschränkt. Der Abgeordnete Jodokus Temme brachte in geharnischten Worten die Haltung der preußischen Linken dazu zum Ausdruck: „Ich will nicht dem Parlament in Frankfurt jetzt offen den Krieg erklären, aber ich fürchte wir müssen ihm künftig den Krieg erklären, denn ich fürchte, das Parlament ist auf dem Wege, der zurückführt zu den Wiener und Karlsbader Beschlüssen.“ Vgl. Verhandlungen der Versammlung zur Vereinbarung der Preußischen Staats-Verfassung, S. 1761. Vgl. dazu Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage, S. 52 f. Im Verlauf der Auseinandersetzungen stellte in Preußen Benedikt Waldeck einen Antrag auf Intervention Preußens zugunsten der Revolution in Wien. Heinrich August Winkler betrachtet diesen Waldeckschen Antrag im Kontext des Kriegsdiskurses auf der Linken und kommt zum Schluss, dass die Intervention Preußens zu einem europäischen Krieg geführt hätte. Vgl. Winkler, Langer Weg nach Westen, S. 127.

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auch die Gegenwart dazu ein Gegenstück aufzuweisen hat, daß auch jetzt eine Parthei sich auf die Seite der Einzelstaaten werfen will, um die ,deutsche Freiheit‘ zu beschützen?“ 219 Die antifranzösische Note in der Deutung des Westfälischen Friedens verband sich in der historischen Polemik zugleich mit der Stigmatisierung der demokratischen Linken als „Franzosirer“. 220 Wortgewaltig nahm sich Die deutsche Reform auf ihrer Titelseite des Themas an. Der Antrag Waldecks sei die Karikatur eines Partikularismus, der allenfalls in seiner regionalen Ausprägung als kulturelle Eigenart Berechtigung habe. Seit den Märztagen habe in Deutschland die Reaktion nicht gewagt, was die „Parthei, welche stets verneint“, nun versuchte. „Wollte er das Andenken des westfälischen Friedens verewigen?“, fragte das Blatt mit Blick auf das Datum, zu dem der Führer der preußischen Demokraten seinen Antrag angekündigt hatte, um dann gleichfalls das Motiv der „deutschen Freiheit“ aufzugreifen. Denn so, wie in ihrem Namen zweihundert Jahre zuvor die Fürsten über den Kaiser getreten seien, wollten sich nun die Landtage der Einzelstaaten im Namen der „deutschen Demokratie“ über das deutsche Parlament erheben. Angesichts der – allerdings knappen – Abstimmungsniederlage der Linken konnte die Zeitung triumphieren, dass das „Attentat auf Deutschland“ misslungen sei: „Von dem Westfälischen Frieden her schreibt sich unser Vaterlandes Zerwürfniß, Knechtgestalt und Hoffnungslosigkeit. Nicht besser als durch Verwerfung des Waldeckschen Antrags, der es Ein für Allemal aussein lassen wird mit der deutschen Einheit, feierte Preußen im Konzertsaal das Andenken zweihundertjähriger Erniedrigung.“ 221 In den Reihen der Konservativen ließ die Kreuzzeitung die zahlreichen Gedenktage des Oktobers in der deutschen Geschichte Revue passieren: den Westfälischen Friedensschluss, das Reformationsfest, die Schlachten bei Wartenberg und Leipzig, die Stiftungen der Universitäten Wittenberg, Berlin und Bonn. Das Jahr 1848 dagegen, so die Pointe dieser Aufzählung, habe mit dem Aufstand in Wien Erscheinungen gänzlich anderer Art gebracht. Zur Zielscheibe wurde dem Blatt vorrangig 219 Ein Erinnerungstag, in: Kölnische Zeitung, 29. Oktober 1848. Vgl. auch den Brief Ludwig Mosers an den demokratischen Abgeordneten Johann Jacoby aus Königsberg vom 2. November 1848. Der Professor der Experimentalphysik äußerte sich darin sehr kritisch über Waldeck Form des Vorgehens, die zur Ablehnung habe führen müssen. Vgl. Siberner, Jacoby, S. 522. 220 Vgl. beispielhaft Arndt, Das verjüngende oder vielmehr das zu verjüngende Deutschland, S. 12. 221 Aus dem Konzertsaal, in: Die deutsche Reform, 25. Oktober 1848. Die hämische Replik der Nationalzeitung legte die Grenzen der Wirksamkeit historischen Argumentierens offen. In ihrer Zeitungsschau schrieb sie, die Deutsche Reform suche ihren „absterbenden Constitutionalismus“ durch das „Mäntelchen poetischer Phraseologie mit dem Scheine lebenvoller Blüthe zu bekleiden.“ Der Hinweis auf den Westfälischen Frieden sei eine „poetische Kombination“, doch sei sicherlich – so die Nationalzeitung lapidar weiter – noch manches andere am 24. Oktober geschehen, was sich ebenfalls dem Westfälischen Frieden gegenüberstellen ließe. Vgl. Nationalzeitung, 27. Oktober 1848.

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der Demokratenkongress in Berlin, jene „Generalversammlung der Demagogen“, zu der Ende Oktober des Jahres mehr als zweihundert Repräsentanten der äußersten Linken zusammenkamen. Es ebne nur neuem Aufruhr den Weg, wenn in der Berliner Nationalversammlung „gleichsam zur Vorfeier derselben und zur Jubelfeier des westphälischen Friedens“ die deutsche Zentralgewalt den Beschlüssen der einzelstaatlichen Parlamente unterworfen und zum „Strohmann“ gemacht würde. 222 Der nationale Impetus zielte dabei nicht etwa auf die Verteidigung der Paulskirchenversammlung und deren gesamtdeutschen Anspruch, dahinter verbarg sich vorrangig der Angriff gegen die Umtriebe der Demokraten in Preußen, wo man sich der alten Gewalt loyal verbunden fühlte. Dies äußert sich auch über einen anderen Vertreter der Gegenrevolution, General Karl Gustav von Griesheim. Als dieser sich im Juli 1848 als vehementer Streiter für Preußen gegen die „Frankfurter Gleichmacher“ gewandt hatte, war er eine nicht minder düstere Zukunftsvision schuldig geblieben, wie sie bereits in der Evangelischen Kirchen-Zeitung begegnete: „Wir wünschen falsch zu prophezeien, aber wir fürchten, daß, wie jener westfälische Friede einen 30jährigen beschloß, der jetzt in Frankfurt zu stiftende Frieden der Beginn eines ähnlichen 30jährigen deutschen Krieges sein wird, wenn nämlich die erste Bedingung dieses Friedens die ist, daß jede Besonderheit der einzelnen deutschen Staaten, wie sie sich seit 800 Jahren herausgebildet hat, verwischt und geradehin verneint wird.“ 223 Von Griesheim lieferte der Gegenrevolution mit seinem bald gängigen Motto „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“ die Parole zur „Abrechnung“ mit der politischen Linken. Über Berlin wurde nur wenige Tage nach dem Waldeckschen Antrag das Kriegsrecht verhängt, die preußische Nationalversammlung wurde am 9./10. November gewaltsam aufgelöst. Liberale und Konservative fanden sich also in ihrer gemeinsamen Ablehnung der linken Straßenpolitik jenseits der im Herbst neu errichteten Barrikaden vereint. Noch im Februar 1849 echauffierte sich in der Neuen Rheinischen Zeitung Karl Marx über diese Haltung der Liberalen. Er setzte dazu die Erinnerung an eines der am stärksten traumatisch besetzten Ereignisse aus der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ein, um die falsche Moral und politische Schwäche der gemäßigten Liberalen zu demaskieren. Insbesondere deren prominenten Vertreter Ludolf Camphausen, führender großbürgerlicher Kopf des Märzministeriums, traf Marx’ Anklage, als Berliner Gesandter bei der Frankfurter Zentralgewalt untätig geblieben zu sein, als „in Wien kroatische, ruthenische und walachische Truppen deutsches Gebiet verletzten, die erste Stadt Deutschlands in Brand schossen und so empörend behandelten, wie kein Tilly Magdeburg behandelt hat“. 224 222

Kreuzzeitung, 25. Oktober 1848. Griesheim, Die deutsche Zentralgewalt und die preußische Armee. Geschrieben am 23. Juli 1848, Berlin 1848. Hier zit. nach Fenske, Vormärz und Revolution, S. 322. 224 Neue Rheinische Zeitung, 4. Februar 1849. 223

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Diese Geschichtsapplikation, die als diffamierendes Schlagwort auf negative Emotionen zielte, lohnt einer näheren Betrachtung. Denn die Linke wusste sich mehrfach des Dreißigjährigen Krieges als wirkungsvolle Waffe in ihrem publizistischen Kampf gegen die feudale Gewalt und das Militär zu bedienen. Im Zentrum dieses Geschichtsbezuges stand die Katastrophenerzählung, die ethnisch zugespitzt, ereignisbezogen und, indem sie an herausragende Akteure des Krieges erinnerte, personalisiert war. Unter dem Eindruck der Offensive der österreichischen Armee gegen die böhmische Volkserhebung erkor etwa Friedrich Engels in der Neuen Rheinischen Zeitung Alfred Fürst zu Windischgraetz zum „Tilly Prags“, womit er bereits im Juni 1848 die Stoßrichtung vorgab, die im Marxschen Verdikt begegnete. 225 Der Freie Wiener, eine radikal-demokratische Wochenschrift, porträtierte den Militär zeitgleich als „Bomben-Fürst“ mit „Alba-Natur“ 226, um kurz darauf einen weiteren Protagonisten der dreißigjährigen Kriegsgeschichte zu zitieren. Denn für den „militärischen Terrorismus“ des Fürsten Windischgraetz gab es dem Blatt zufolge in der Geschichte bisher nur ein Vorbild: Wallenstein – eine Titulierung, die in der Paulskirche auch der Liberale Karl Theodor Welcker aufgriff, „Reichskommissar“ für Österreich während der Belagerung und Beschießung Wiens durch die kaiserliche Artillerie unter Windischgraetz. 227 Die Botschaft war angesichts des populären Wallensteinbildes von Friedrich Schiller eindeutig: Das Heer sollte als Instrument des hybriden Ehrgeizes des Fürsten entlarvt und die Gefahr einer Militärdiktatur beschworen werden. Schillers Gedanke der rächenden Nemesis in Wallensteins Tod bot zudem einen idealen Überbau, um das Scheitern dieser Gewaltpolitik zu prophezeien. Unter dem Titel Die Zerstörung Wiens durch den Tilly des 19. Jahrhunderts erschien während der Revolution ein Augenzeugenbericht der Wiener Oktoberereignisse, der das diffamierende Bild des Fürsten Windischgraetz untermauerte. Mochte auch die Schuldfrage der von Tilly zu verantwortenden Zerstörung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg historiographisch umkämpft sein, das daran fest verankerte traumatische Bild brutaler Zerstörungswut und eines blinden Fanatismus rückte im Analogieschluss die blutige Niederschlagung des Wiener Aufstands in eine Reihe mit der an Tiefpunkten reichen Geschichte der Nation. Die Figur des kaiserlichen Feldherrn Graf von Tilly, des Antihelden der deutschen Geschichte, diente hier vorrangig dazu, die Brutalität des Militärs vor Augen zu führen. Aber auch diese Flugschrift suchte in der konstruierten Parallele von Vergangenheit und 225

Neue Rheinische Zeitung, 25. Juni 1848. Biographien der berüchtigsten Aristokraten Wiens. Teil II, in: Der freie Wiener, Nr. 26, 26. Juni 1848. 227 Windischgrätz und die Prager Ereignisse, in: Die entschiedene Linke. Beilage zu Der freie Wiener. Politisches Sonntagsblatt für Jedermann, Nr. 1, o. D. Vgl. Verhandlungen, Bd. 5, S. 3695 (Rede K. T. Welcker). 226

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Gegenwart für die Ziele der Revolution eine hoffnungsvollere Zukunft abzuleiten. Denn war nicht schon im 17. Jahrhundert um „große Ideen und Wahrheiten“ gekämpft worden, lautete die rhetorische Frage an ihrem Ende, und hatten sich diese nicht letztlich doch gegen alle Hindernisse durchgesetzt? 228 In der Paulskirche löste am 29. Juli 1848 Arnold Ruge tumultartige Szenen aus, als er mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Polen und Italiener den Abgeordneten zurief: „Wir [ . . . ], die wir die Freiheit der europäischen Völker wollen, müssen wünschen, dass die Tyrannen der Italiener, die Tilly’s der neueren Zeit, die Radetzky’s geschlagen werden.“ 229 Publizistisch flankierte dies die Neue Rheinische Zeitung mit dem Wachrufen traumatischer Kriegsbilder aus dem Dreißigjährigen Krieg, in dem sie das Militär und seine Soldaten in die Tradition von Söldnerhaufen und Fürstenknechten stellte: „Vom ersten Augenblick an durchschauten wir die machiavellistische Politik, welche, im Innern Deutschlands in den Grundfesten erschwankend, die demokratische Energie zu lähmen, die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, der revolutionären Glutlava einen Abzugskanal zu graben, die Waffe der innern Unterdrückung zu schmieden suchte, indem sie einen engherzigen, dem kosmopolitischen Charakter des Deutschen widersprechenden Stammhaß heraufbeschwor und in Stammkriegen von unerhörtem Greuel, von namenloser Barbarei eine Soldateska heranbildete, wie der Dreißigjährige Krieg sie kaum aufzuweisen hat.“ In dieser Beschreibung geißelte das linke Blatt das „geschichtliche Paradoxon“, nach dem die Deutschen gleichzeitig mit ihren Regierungen um die innere Freiheit rängen und unter deren Kommando einen „Kreuzzug“ gegen die Freiheit Polens, Böhmens und Italiens führten. 230 Richtet man den Blick erneut auf die liberalen Kommentatoren, zeigt sich, dass hier auf den Dreißigjährigen Krieg zurückgegriffen wurde, um bürgerlichen Bedrohungsängsten vor einer sozialen Revolution Ausdruck zu verleihen. In Abwehr der gefürchteten ‚Straßenpolitik‘ malten diese das abschreckende Bild einer Neuauflage des Krieges in politisch-sozialer Ausprägung. Als negatives Urbild eines bis zum Fanatismus getriebenen und von Gewaltexzessen getragenen Prinzi228

Reissmann, Die Zerstörung Wiens durch den Tilly des 19. Jahrhunderts, S. 59 ff. Verhandlungen, Bd. 2, S. 1187; Vgl. Wende, Arnold Ruge, S. 23 –32, hier S. 29. 230 Neue Rheinische Zeitung, 12. Juli 1848. Am selben Tag begegnete die Kreuzzeitung den Versuchen der „anarchischen Partei“, die Soldaten in der preußischen Armee gegen die Offiziere „aufzuwiegeln“ mit dem Wallensteinschen Satz „Die Freiheit wohnt bei der Macht allein.“ Vgl. Aus der Mark, in: Kreuzzeitung, 12. Juli 1848. Vgl. zum Bild des Söldners Sikora, Söldner. Sikora beschreibt die Wahrnehmung des Söldners im 16. und 17. Jahrhundert „vor allem als Gewalttäter, verantwortlich für Raub, Mord, Folter und Vergewaltigung, von Taten einzelner bis hin zu den kollektiven Zerstörungsakten vom Sacco di Roma bis zum Brand Magdeburgs.“ Konstitutiv für das moderne Verständnis des Söldnerwesens sei im Zeichen der Nationalisierung des Militärs gewesen, in einer Typologie des Kriegers den gewissenlosen Söldner, dessen Signum der nationale Verrat war, dem tugendhaften Bürgersoldaten gegenüberzustellen. 229

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pienkrieges Deutscher gegen Deutsche illustrierte der Dreißigjährige Krieg einen Kampf um den politischen Glauben mit seinen Gefahren anarchischer Willkür. „Es liegt etwas in der schwülen Luft, das da gemahnt an den dreißigjährigen deutschen Krieg, der ein Krieg sein dürfte des politischen und sozialen Glaubens“, verkündeten beispielhaft im Juni 1848 die Jahrbücher der Gegenwart. 231 Während der Krieg um den religiösen Glauben zweihundert Jahre zuvor begraben worden sei, drohe mit der bedenklichen „Freude am Barricadenkampf“ die Neuauflage in einer politisch-sozialen Ausprägung. Als sich der Konflikt um die preußische Nationalversammlung im November 1848 dramatisch zuspitzte, malte die Spenersche Zeitung die drohende Bürgerkriegsgefahr ähnlich düster aus: „Die Lage unseres Vaterlandes ist im gegenwärtigen Augenblick so gefahrdrohend, wie sie noch nie gewesen. Der offene Conflict zwischen der Krone und der Mehrheit der Nationalversammlung ist ausgebrochen. Führen die nächsten Wochen nicht eine Verständigung zwischen beiden herbei, so ist ein Bürgerkrieg, ein Kampf, vielleicht blutiger als irgend einer der Kämpfe die Deutschland seit den Zeiten des dreißigjährigen Krieges gesehen hat, unvermeidlich.“ 232 Im Zentrum der Angst vor einem Deutschland als Bürgerkriegsschauplatz stand die Forderung nach einer deutschen Republik. August Reichensperger, der innerhalb der Paulskirche als Abgeordneter zunächst zum rechtsliberalen „Casino“ zählte, später dann zur großdeutschen Gruppe „Pariser Hof“, drückte die Ansicht der überwiegenden Mehrheit der Paulskirche aus, als er Mitte Januar 1849 von einer „wilden, der rothen Republik“ sprach. 233 Ein Ausschuss der Nationalversammlung war bereits im Juni 1848 zu dem Urteil gelangt, dass die Republik lediglich durch „blutigen Bürgerkrieg“ und auf dem Wege „langer Anarchie“ auf deutschem Boden errichtet werden könne. 234 Häufig zog man in der Debatte über 231

Jahrbücher der Gegenwart, Nr. 40, Juni 1848, S. 158. Insertum zu Spenerschen Zeitung, 15. November 1848. Bereits im Oktober war im selben Blatt unter dem Eindruck der neu entbrannten Straßenkämpfe von Gefahren drohender Anarchie zu lesen, die denen des Dreißigjährigen Krieges gleichen würden. Vgl. Spenersche Zeitung, 15. Oktober 1848. Im liberalen Meinungsspektrum fürchtete Das neue Preußen mit dem schwer zu „benutzenden“ Sieg, der über die religiöse und staatsbürgerliche Unfreiheit als die falschen Prinzipien des Westfälischen Friedens errungen worden sei, erst den Beginn eines dreißigjährigen Bürgerkriegs, „scheußlicher als der vor zweihundert Jahren geendigte“. Vgl. Das neue Preußen, in: Vossische Zeitung, 2. November 1848. Die Originalausgabe der Zeitung Das neue Preußen ist verschollen. 233 Verhandlungen, Bd. 6, S. 4739. 234 Ebd., Bd. 1, S. 356. Eduard Baumstark verband die Ablehnung der Republik mit der Erinnerung an den Westfälischen Frieden: „Es sind zweihundert Jahre seit dem Westfälischen Frieden verflossen, und man ist nun in Frankfurt versammelt, dem deutschen Vaterlande eine Verfassung zu geben, welche dem seit zweihundert Jahren durch Zerstückelung und Spaltung erzeugten Jammer und Unglück Deutschlands ein Ende machen soll [ . . . ] Aber dies kann nur in dem Sinne geschehen, daß wir den republikanischen Bestrebun232

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die Möglichkeiten einer deutschen Republik den Vergleich zu Frankreich, wo der Staat durch die Republik nicht aufgehoben, sondern lediglich die Regierung geändert worden sei. In Deutschland aber käme eine Proklamation der Republik der „Auflösung alles Staatslebens“ gleich, bedeute sie Anarchie, wie Die Grenzboten klarstellten. 235 Andernorts sprach man mit Blick auf eine deutsche Republik von einem „wahrhaft spaßhaften Irrthum“, denn Deutschland sei nicht Frankreich, der Demagoge in Köln würde jenem in Berlin, der in Berlin dem in Frankfurt nicht gehorchen. 236 „Wir können keine Republik haben wollen, wo uns die Republikaner fehlen“, brachte der Abgeordnete Snider aus Magdeburg diese Vorbehalte in eine eingängige Formel. 237 Über den ideologischen Kampf hinaus fürchtete der Historiker Otto Abel die mannigfaltigen gesellschaftlichen Interessenkonflikte, die in der republikanischen Staatsform ungezähmt die innere Einheit zersetzen würden: „Die verschiedenen religiösen Konfessionen und Sekten, politische und merkantile Systeme, alle kleinlichen Kirchthurmsinteressen und zuletzt der platte, nackte Egoismus, würden in dem Organ der deutschen Staatseinheit ihren Streit auskämpfen und damit unser unglückliches Vaterland zerreissen.“ 238 Den Bürgerkrieg, den er dabei als die logische Konsequenz republikanischer Bestrebungen ansah, malte Abel in entsprechend schillernden Farben und großen historischen Linien. Darin würden sich alle religiösen und sozialen Fragen geltend machen, ja „alle die Principienkämpfe, die im peleponnesischen Kriege einst das alte Griechenland untergruben, die später die Freiheit Roms zerstörten, die uns durch den dreißigjährigen Krieg auf Jahrhunderte hinaus der Ohnmacht und der Auflösung hingaben, sie würden gen entgegentreten. Diese würden uns nur Spaltung, Bürgerkrieg, Untergang – Preußens mit Deutschland – bringen, während wir unser Heil nur in einem volksthümlichen demokratisch-constitutionellen System für Deutschland und Preußen finden können.“ Vgl. Verhandlungen der Versammlung zur Vereinbarung der Preußischen Staats-Verfassung, S. 500. Eindrücklich schilderte der „Casino“-Abgeordnete Würth von Wien seine Sorgen gegenüber einer republikanischen Zentralgewalt, die mit einer dunkel gezeichneten Großwetterlage verknüpft war: „Das Vaterland ist in Gefahr. [ . . . ] Wir stehen am Vorabend eines gefährlichen Krieges, eines Krieges ohne Zweifel mit unserem östlichen Nachbarn, vielleicht auch mit unseren westlichen [Widerspruch auf der Linken], während gleichzeitig der Krieg mit dem Norden noch nicht beendet, ein friedliches Abkommen Österreichs mit Italien noch nicht erreicht ist [ . . . ] Zu dieser Gefahr nach Außen gesellt sich die Gährung im Innern, die Zerrüttung aller socialen politischen Bande. [ . . . ] zwischen der Form der Centralgewalt und der Form der Einzelstaaten müßte nothwendig ein Kampf entstehen, und ich sage es gerade heraus, es wäre ein Kampf um Leben und Tod [ . . . ]. Der Bürgerkrieg mit all seinen Folgen, eine das Wohl von ganz Deutschland auf Jahrzehnte hinaus vernichtende Anarchie, das wären die Folgen, wenn wir einen solchen Entwurfe zustimmen und dadurch die Losung zum Bürgerkrieg geben.“ Vgl. Verhandlungen, Bd. 1, S. 399 f. 235 Die deutschen Republicaner, in: Die Grenzboten, 1848, S. 124 ff. 236 Vgl. Spenersche Zeitung, 15. Oktober 1848. 237 Rede in der preußischen Nationalversammlung, hier zit. nach Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage, S. 51. 238 Abel, Das neue deutsche Reich, S. 12.

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jetzt in Einem gewaltigen Brand zusammenschlagen, der wohl nur über dem Grabe des Vaterlandes zu löschen wäre. [ . . . ] Gerade zweihundert Jahre sind es jetzt, daß nach dem unseligsten Krieg, den je ein Volk geführt hat, die Unmacht und die Schmach des deutschen Volks im westphälischen Frieden besiegelt wurde. In unsrer Hand steht es jetzt, unsern nationalen Auferstehungsmorgen zu feiern: wer uns jetzt jene schreckliche Zeit zurückzuführen versuchen könnte, wahrlich der würde einen Fluch auf sich laden, wie ihn, so lange die Welt steht, noch kein Vaterlandsverräther getragen hat.“ 239 Abels Bezug auf den Dreißigjährigen Krieg war von qualitativ anderer Art als die Illustration eines anarchisch-revolutionären Straßenkampfes um politische Prinzipien. In seinen Ausführungen kam vielmehr die tief sitzende Furcht vor den historisch gewachsenen gesellschaftlichen Antagonismen zum Ausdruck. 240 Damit entstand ein Bild eines Bürgerkrieges, das eine spezifisch deutsche Vermischung von Bruderkrieg, Staatenkrieg und Konfessionskrieg implizierte. Projektionsfläche zur Schürung dieser Ängste war erneut – und hier plausibler – der Dreißigjährige Krieg. Angesichts der parlamentarischen Schwäche der radikal linken Position und deren fehlendem Rückhalt im Volk war nicht die ideologische Spaltung des Bürgertums die entscheidende Schwächung der Revolution. Zum eigentlichen Zündstoff wurde auch nicht die Forderung nach einer deutschen Republik. Diese bot für die überwiegende Mehrheit keine ausreichende Gewähr dafür, die innerdeutschen Konflikte national einhegen zu können, im Gegenteil: Man sah sie in dieser Verfassungsform ungezügelt aufbrechen. Die liberale Option einer konstitutionellen Monarchie lenkte den Blick dagegen auf eine ganz andere und für den Erfolg der Paulskirchenarbeit letztlich entscheidende Frage: Wer sollte an die Spitze des Staates treten? Aus dem Aufbrechen des kleindeutsch-großdeutschen Konflikts um die konkurrierenden Führungsansprüche Preußens und Österreichs, in dem sich die zahlreichen binnennationalen Antagonismen bündelten, erwuchs ab dem Herbst 1848 die zentrale nationalpolitische Herausforderung. Wie sich die deutsche Nationalversammlung dieser Aufgabe stellte, die durch den Druck wieder erstarkter alter Gewalten in den Teilstaaten zusätzlich verschärft wurde, steht im Zentrum des 239

Ebd., S. 9. Auch eine auf Weihnachten 1848 datierte aber nicht fertig gestellte Denkschrift Johann Gustav Droysens zur „Spitze des Reiches“ hob auf diese historische Uneinigkeit ab. Droysen hält die Frage darin für müßig, „ob es uns möglich gewesen sein würde, durch Entfesselung aller Kräfte und Leidenschaften des Volkes eine politische Einheit zu schaffen, oder ob nicht bei einer Imitation der französischen Revolution von 1789 nach dem blutigen Convent und dem feilen Directorium der Napoleon ausgeblieben sein würde, den manche Politiker für ein nothwendiges Resultat solcher Revolutionen erachten, – ob wir nicht vielmehr, wie nun einmal Land und Leute bei uns sind, in Cantone zerfallen und der Nachbarn Beute geworden wären.“ Vgl. Droysen, Politische Schriften, S. 183. 240

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folgenden Kapitels. Der Fokus richtet sich dabei auf die bei Otto Abel deutlich gewordene Bürger- und Bruderkriegsangst in der deutschen Öffentlichkeit, die sich an der tradierten Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges orientierte. 4. Gescheiterte Revolution von unten – Das Aufbrechen des kleindeutsch-großdeutschen Konflikts Die Kaiserwahl zu Frankfurt Der Würfel fiel; geborstne Mauern dröhnen; Gewitterschwüle lastet in der Luft; Die Glocken, die dem Preußenkaiser tönen, Sie läuten Deutschlands Hoffnungen zur Gruft; Da wo man binden sollte und versöhnen, Erweitert Wahn und Selbstsucht nur die Kluft, Und aus dem Friedenswerk ist Streit geworden; Zum Kampfe sind gelagert Süd und Norden. [ . . . ] Der Kaiser! Herrlich Wort, bei dem im Herzen Das Bild von Deutschlands Größe sich erhebt Bei dem in der Erinn’rung Lust und Schmerzen Die tiefste Saite des Gemüthes bebt; Ihr wähltet ihn, nicht um es auszumerzen Der Zwietracht Brandmal, das an Deutschland klebt; Nicht eingedenk, dass hell von Stamm zu Stamme Dann Bürgerkrieges blut’ge Fackel flamme! Der Reichsbote, 5. April 1849

„Den zweihundertjährigen Knoten, den die Männer in der Paulskirche zu lösen berufen waren, haben sie nur fester geschürzt“, bilanzierte im Februar 1849 die Spenersche Zeitung. Mit unstaatsmännischer Hast hätten die Abgeordneten der Nationalversammlung an all den Fäden zugleich gerupft, die seit dem Westfälischen Frieden zu fest ineinander verwirrt seien, um das unendlich Verwickelte in nur wenigen Monaten parlamentarischer Tätigkeit zu ordnen und zu einer Einheit zu bringen. 241 Der neuerliche Bezug auf das Jahr 1648 geriet dem Berliner Blatt, wie das negative Echo des Aufbruchspathos vom Vorjahr, zum vernichtenden Urteil über die Arbeit der Nationalversammlung. Die optimistische Erwartungshaltung der politischen Öffentlichkeit war spätestens zum Jahreswechsel einer Haltung gewichen, die zwischen Ernüchterung, Resignation und einem – bellizistisch grundierten – Verbalradikalismus changierte, in dem der Dreißigjährige Krieg als Bezugspunkt gegenüber dem Westfälischen Frieden an geschichtspolitischer Bedeutung gewann. 241

Die deutsche Einheit, in: Spenersche Zeitung, 17. Februar 1849.

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Der deutsche Liberalismus sah sich 1848/49 mit der Doppelaufgabe, Einheit und Freiheit gleichermaßen zu schaffen, überfordert. 242 Die zur Ausarbeitung einer Verfassung berufenen Männer der Paulskirche konnten zwar, was die freiheitlichen Forderungen der Revolution anging, zukunftsträchtige Erfolge vorweisen, etwa den verabschiedeten Grundrechtekatalog, der das Fundament für nachfolgende demokratische Verfassungeng in Deutschland bilden sollte. Doch schon während der Revolution hatte David Hansemann das „unglückliche Loos“ der Deutschen beschrieben, im enthusiastischen Idealismus den geeigneten politischen Augenblick zu vergessen, um das eigentliche Ziel zu erreichen. 243 Zugleich warnte er davor, dass die provisorischen Verfassungszustände die Grundlage für Anarchie im Innern und eine Schwäche Deutschlands nach außen bildeten. Er forderte, sich zügig der zentralen Herausforderung anzunehmen, einen einheitlichen Nationalstaat zu schaffen. Hier aber traten die Unterschiede in den Deutschlandbildern des Vormärz offen und verhängnisvoll zutage. 244 Der am französischen Vorbild orientierte staatsbürgerliche Nationsbegriff und die republikanische Staatsform stellten 1848 eine Minderheitenposition dar, die keine parlamentarische Realisierungschance hatte. 245 Die überwiegende Mehrheit orientierte sich auch in der Revolution an Tradition, kultureller Gemeinsamkeit und einer überlieferten, monarchisch geprägten Staatlichkeit, wie Wolfgang Hardtwig die Position der Liberalen im Vormärz zusammenfasste. 246 Die Auseinandersetzungen um Posen, Schleswig, Limburg und Welsch-Tirol hatten die schwerwiegenden Konsequenzen dieses ethnisch-kulturellen Nationsbegriffs für die Grenzziehung des neuen Reiches gezeigt. 247 Im deutschen Dualismus spitzten sie sich auf die Frage zu, wie sich das multiethnische Habsburgerreich in den deutschen Nationalstaat integrieren sollte. Die Paulskirche vertrat im Herbst mehrheitlich die Überzeugung, den Nationalstaat unter Einschluss Deutsch-Österreichs realisieren zu können. Die Paragraphen 2 und 3 des Verfassungsentwurfs bestimmten aber eine Rechtsgrundlage, die den dynastischen Interessen des Hauses Habsburg gefährlich zuwiderlief, denn sie war gleichbedeutend mit der Spaltung seines Reiches. 248 242 Vgl. Winkler, Der überforderte Liberalismus. Zuletzt ders, Der lange Weg nach Westen, S. 129 f. 243 Hansemann, Die deutsche Verfassungs-Frage, S. 5, 7. 244 Sheehan, Nation und Staat, S. 41. 245 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 655. 246 Vgl. Hardtwig, Elitebewußtsein, S. 52. 247 Vgl. zu diesen Konflikten Wollstein, Das „Großdeutschland“ der Paulskirche. 248 § 2 besagt, dass kein Teil des deutschen Reiches mit nichtdeutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein dürfe; § 3 behandelt den Fall, dass ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen Land dasselbe Staatsoberhaupt hat. Es wird darin festgelegt, dass ein solches

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Heinrich von Gagern, Präsident der Reichsversammlung und seit Mitte Dezember 1848 Ministerpräsident, favorisierte in diesem wachsenden Konflikt die Idee eines engeren und weiteren Bundes. Am 18. Dezember 1848 stellte er sein Programm der Paulskirche vor. Demnach sollte sich die Pflicht der Reichsgewalt darauf beschränken, das bestehende Bundesverhältnis Österreichs zu Deutschland „im Allgemeinen“ zu erhalten; Österreich solle aber nicht in den zu errichtenden deutschen Bundesstaat eintreten. Diese Regelung lief in ihrer Konsequenz auf ein unter preußische Führung gefasstes so genanntes Kleindeutschland hinaus. Österreich sollte ihm qua „besonderer Unionsakte“ nur in einem Bundesverhältnis zur Seite treten. 249 Ulrike von Hirschhausen konnte in ihrer Studie zur Deutschen Zeitung den Nachweis erbringen, dass bereits vor Einberufung der Nationalversammlung wesentliche Teile des konstitutionellen Liberalismus der kleindeutschen Lösung offen gegenüberstanden, sie sogar präferierten. 250 Zu ihnen zählte die einflussreiche Gruppe der „Schleswig-Holsteiner“, vornehmlich Wahlpreußen wie Georg und Wilhelm Beseler, Friedrich Christoph Dahlmann und Johann Gustav Droysen. Ihre propreußische Haltung speiste sich aus der realpolitischen Überzeugung, dass Freiheit durch Macht und Macht durch Freiheit erhalten werde. 251 Droysen legte diese Ansicht in einer unvollendeten Denkschrift Weihnachten 1848 in aller Deutlichkeit dar. „Mit allen unsern Grundrechten und Verfassungsformen ist es nichts, wenn wir nicht verstehen, unser ,Reich‘ zu einer Macht zu erheben“, schrieb der Historiker und fuhr fort: „Die Frage um die ,Spitze des Reiches‘ ist eben die über die Macht, die wir unserer Gründung geben oder versagen wollen.“ 252 Wenige Tage darauf, am 1. Januar 1849, spitzte Friedrich Christoph Dahlmann in der Deutschen Zeitung diese Position zu. Bei Preußen stehe die Macht, konstatierte er und gab damit dem nach außen gerichteten Machtstaatsdenken eine Wendung nach innen: gegen Österreich und für den preußischen Erbkaiser. Als Auftrag an die Nationalversammlung leitete Dahlmann daraus ab, das Werk der Geschichte anzuerkennen, denn „wenn die Nationalversammlung, durch die Stimme des deutschen Volkes zur Schöpfung der deutschen Reichsverfassung berufen, die deutsche Erbkrone in die Hände unseres mächtigen Fürsten niederlegt, so trifft sie keine Wahl, sie erkennt bloß eine politische Nothwendigkeit an“. 253 Zur machtpolitischen Apotheose Preußens gesellte sich im Kontext des Verhältnis zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen sei. Nach erster Lesung des Verfassungsentwurfs im Oktober wurden beide §§ mit großer Mehrheit angenommen. 249 Verhandlungen, Bd. 6, S. 4233 f. 250 Vgl. Hirschhausen, Die Deutsche Zeitung, S. 139 f. 251 Diese Haltung der „Schleswig-Holsteiner“ war auch der schleswigschen Krise und der Vormachtstellung Preußens im Norden geschuldet. 252 Zit. nach Droysen. Politische Schriften, S. 184.

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ethnisch definierten Nationsbegriffs Georg Beselers Überzeugung, dass nur dieser Staat „nach Natur und Geschichte von wesentlich deutschem Gehalt“ sei. 254 Das Ziel einer „reindeutschen“ Politik könne daher nur unbeirrt von den Interessen des „Hauses Habsburg-Lothringen“ verwirklicht werden, schrieb ebenfalls Anfang Januar 1849 die Berliner Nationalzeitung. 255 Die politische Konfrontation der beiden Großmächte wurde begleitet von einem Deutungskampf, in dem der Führungsanspruch Österreichs und Preußens jeweils aus ihrer Rolle in der Geschichte abgeleitet wurde. In die Parlamentsdebatten fanden die Geschichtserzählungen nur sehr verkürzt Eingang. Hier dominierte wie in den Zeitungen die historische Polemik. 256 Die in der Revolution viel beachtete Schrift Das neue deutsche Reich und sein Kaiser betrachtete die Politik der deutschen Großmächte von der Epoche der Reformation an. Ihrem Autor, dem jungen Historiker Otto Abel, ein Schüler Dahlmanns, brachte sie als Anerkennung für seine Arbeit eine Anstellung in der Gesandtschaft Preußens bei der Frankfurter Zentralgewalt ein. Seine tendenziöse Analyse führte Abel zu einem unmissverständlichen Urteil: Österreich und Bayern hatten den Dreißigjährigen Krieg und seine Folgen zu verantworten; der Kurfürst von Brandenburg erschien dagegen als ein Mann von nationaler Tugend, der immer auch für Deutschland focht, weil er noch ein deutsches Vaterland gekannt habe. Im Licht dieser Geschichte erschien Preußen als „kaiserlicher Hort Deutschlands“. 257 Der Spenerschen Zeitung war die Emanzipation Preußens und mit ihr die des protestantischen und fortschrittlichen Prinzips der „welthistorische Faden mitten durch das Satyrtan der launenhaftesten Kabinettspolitik“: „Beschuldigt man den Protestantismus, daß er im westphälischen Frieden die Einheit Deutschlands zerriß, so ist dies ganz richtig, allein eine Einheit im Sinne Ferdinand II. hätte Deutschland jene Ruhe gewährt, von welcher Posa dem König Philipp gegenüber 253 Zur Beherzigung. Eine Neujahrsgabe von F. C. Dahlmann, in: Deutsche Zeitung, 1. Januar 1849. 254 Vgl. Beseler, Erlebtes und Erstrebtes, S. 71 f. Der Historiker Max Duncker legte aus preußisch gefärbter historischer Perspektive zum Vergleich Preußens und Österreichs in seiner Geschichte der Reichsversammlung dar: „So waren diese beiden Staaten geworden. Der eine von einer Ecke des deutschen Bodens weit hinausgewachsen über Deutschland, ein deutscher Kern mit überwiegenden außerdeutschen Bestandtheilen, der andere beschränkt auf die deutschen Grenzen; [ . . . ] dort das germanische Moment fast aufgewogen durch Slaven, Magyaren, Italiener, hier das erste alleine herrschend und zu voller Kraft entfaltet.“ Vgl. Duncker, Zur Geschichte der deutschen Reichsversammlung, S. 64 f. 255 Deutschland, Österreich und Preußen, in: Nationalzeitung, 9. Januar 1849. 256 Die Sonntagsbeilage zur Augsburger Postzeitung, ein katholisch-großdeutsches Blatt, brandmarkte beispielhaft dafür die kleindeutsch-erbkaiserlichen Politik als „preußischprotestantische Intrigue“ und als Ausdruck jenes „alten Lutheranismus“, der schon „GustavAdolf, blutigen Andenkens“ aus dem fernen Schweden habe herbeirufen lassen. Vgl. Die preußisch-protestantische Intrigue, in: Augsburger Postzeitung, 28. Januar 1849. 257 Abel, Das neue deutsche Reich, S. 43, 45 f., 74.

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spricht!“ Nur ein Tor könne daran glauben, den Weltgeist in Fesseln zu legen: „Was Ferdinand II. durch seine Tillys und Wallensteins nicht gelang, wird auch heut zu Tage nicht gelingen.“ 258 Bereits zuvor hatte die Zeitung Abels tour d’horizon auf ihren wesentlichen politischen Gehalt, den Führungsanspruch Preußens, reduziert und dem nationalen Revolutionsmythos eine entsprechende Wendung gegeben: „Aus jener Zerrissenheit des dreißigjährigen Krieges Deutschland zu retten, dazu bedurfte es eines Instruments; es bildete sich daselbst und entstand in Preußen; jetzt ist es der Augenblick, setzen wir die ganze Machtfülle dieses Instruments, sein volles politisches Gewicht mit Muth und Entschlossenheit ein und Deutschland wird ein Reich, wie es einst ein Reich war zu Hohenstaufenzeiten einflußreich von Kleinasien bis ins Arelat.“ 259 Eine protestantisch-preußische Deutungshoheit gab es in der Revolution nicht. „Gehen wir zurück auf jene denkwürdige Zeit der Jahre 1618/19 und 20, wo alle Völkerschaften in Österreich sich gegen Ferdinand II. erhoben, um das Joch der Tyrannei zu brechen“, forderte der zum linken Flügel der Paulskirche zählende Abgeordnete Heinrich Reitter aus Prag die Abgeordneten auf. Hintersinnig spielte er die historischen „Vaterfiguren“ protestantischer Provenienz als Zeugen für die eigene Sache aus. 260 Denn hatten nicht das deutsche Volk und seine Kurfürsten – auch die, deren Glauben verfolgt worden war – dem aus seiner Burg vertriebenen Österreicher in Frankfurt die Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt? Sie taten dies, so Reitter, weil sie „von einer gesunden Politik geleitet waren, weil sie einsahen, daß Deutschland ohne Österreich kraftlos sei“. 261 Weniger subtil agierte da schon der Abgeordnete Johann Nepomuk Sepp aus dem Münchner Görres-Kreis, als er der preußisch-erbkaiserlichen Seite entgegenrief: „Habe ich je Deutschland verrathen? Habe ich Elsaß und Lothringen an den Reichsfeind ausgeliefert? Habe ich mit Schweden und Franzosen, mit Dänen und Britten gebündelt, um sie gegen Deutschland zu führen?“ 262 Auch der Abgeordnete Johann Perthaler brandmarkte Preußen offen mit dem Kainsmal des Reichszerstörers, als er sich der kleindeutschen „After-Politik“ entgegenstemmte: „Bedenken Sie aber auch wohl, was Sie thun, in dem Sie die deutsche Kaiserkrone gerade an Preußen übertragen, das einst als mächtigster Vasall sie entwürdigte. Es ist das Nachspiel zu einem Trauerspiele, zum Trauerspiel deutscher Erniedrigung und fremder Einmischung in die deutschen Angelegenheiten.“ 263 Die Grenzboten wandten sich vehement gegen diese Form der Instrumentalisierung von Geschichte, da sich Österreich und Preußen bei einer objektiven 258 259 260 261 262 263

Deutschland und Preußen, in: Spenersche Zeitung, 28. März 1848. Betrachtungen über die deutsche Frage, in: Spenersche Zeitung, 17. Januar 1849. Vgl. dazu Faber, Instrumentalisierung, S. 287 f. Verhandlungen, Bd. 4, S. 2785. Ebd., Bd. 6, S. 4604. Perthaler, Das Erbkaiserthum, S. 8, 20.

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Betrachtung in der Aufrechnung ihrer nationalen Sünden nur wenig schuldig bleiben würden. 264 Diese Meinung teilte auch der Österreicher Anton von Schmerling, der kurzzeitig Ministerpräsident war, als er in seiner Rede mit ausdrücklichem Verweis auf die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges dazu aufforderte, die Sünden der Vergangenheit nicht weiter gegeneinander auszuspielen, sondern endlich zu vergessen. Schmerlings Aufruf zur historischen Deutungsaskese lag die schlichte Erkenntnis zugrunde, dass sich in der Geschichte nicht nur Argumente für jede Position fänden, sondern sich auch das gleiche historische Ereignis für gegensätzliche Interessen instrumentalisieren lasse. 265 Der Konflikt um die Führung und damit die Grenzen des Staates brachte in der parlamentarischen Entscheidungsphase einen Umstrukturierungsprozess der Paulskirchen-„Fraktionen“ in zwei Lager mit sich. Den „Kleindeutschen“ oder „Erbkaiserlichen“, die sich um die Position von Gagerns scharten, stand das Lager der „Großdeutschen“ unversöhnlich gegenüber, die auf Deutsch-Österreich nicht verzichten mochten und eine preußische Führung kategorisch ablehnten. Hier sammelten sich Abgeordnete aus den Mittelstaaten, vor allem Süddeutsche, die Delegierten Österreichs, Katholiken sowie Linksliberale und Demokraten. Auf diese Wochen der Paulskirche zurückblickend, kam Franz Joseph Buß zu dem Schluss, dass in der „ungläubigen und glaubensgleichgültigen“ Nationalversammlung der Kampf um die Oberhauptfrage von Seiten der Mehrheit vorherrschend ein konfessioneller gewesen sei. 266 In der Tat hatte als ein Rekrutierungsmotiv einzelner süddeutscher Abgeordneter in das Lager der Kleindeutschen die protestantische Prägung dieses Flügels der Paulskirche gewirkt. 267 Aus diesem Gegensatz bezog der kleindeutsch-großdeutsche Konflikt eine besondere Spannung. 268 Das Problem im großdeutschen Lager bestand darin, keine wirklich tragfähige Alternative aufbieten zu können. Parlamentarisch einte die heterogene Gruppierung ihre Ablehnung der preußischen Erbkaiserlichkeit – ein negativer Konsens. Im Frühjahr 1849 war die großdeutsche Idee angesichts der wieder erstarkten 264 Gegen das österreichisch-kaiserliche Bewußtsein eines Perthalers, eines Grafen Fiquelmont, der Wiener Zeitung, in: Die Grenzboten, 1848, 1. Semester, II. Band, S. 69 ff. Nach dem Verkauf der Grenzboten im Juli 1848 an Julian Schmidt und Gustav Freytag nahm die Zeitung eine propreußische Position ein. 265 Verhandlungen, Bd. 6, S. 4581. 266 Buß, Die teutsche Einheit und die Preußenliebe, S. 32. 267 Als sozialhistorisch interessante Prägung kam eine wirtschaftspolitisch freihändlerische Orientierung auf Seiten der Kleindeutschen hinzu. Zum Abstimmungsverhalten der Paulskirche über den Erbkaiser in erster Lesung des Verfassungsentwurfes stellte Johann Gustav Droysen fest, dass „nach der Mainlinie nordwärts“ 191 für und 80 gegen, im Süden aber mit Österreich 17 für und 180 gegen die Erblichkeit des Kaisers votiert hätten. Vgl. Droysen, Briefwechsel, Bd. 1, S. 517. 268 Vgl. W. Mommsen, Größe und Versagen, S. 167.

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reaktionären Kräfte in Österreich hinfällig geworden. Das Programm von Kremsier, die Verkündung der Gesamtstaatsverfassung am 4. und die österreichische Note vom 9. März, die den Eintritt Gesamtösterreichs forderte, hatten definitiv ausgeschlossen, den Nationalstaat auf der im Oktober 1848 favorisierten Grundlage zu realisieren. Der von manchem gehegte Traum eines 70-Millionen-Reiches, dessen Ausgangspunkt die Ausdehnung des Habsburgerreiches nach Osten bildete, war weder mit den nationalen Prinzipien zu vereinbaren noch im europäischen Rahmen durchsetzbar. 269 Der radikal-demokratischen Position fehlte es wiederum an parlamentarischer Mehrheitsfähigkeit und gesellschaftlichem Rückhalt. Die Paulskirchenlinke wurde jedoch zum Zünglein an der Waage zwischen den Lagern, indem sie zur Durchsetzung ihrer Interessen geschickt taktierte. 270 Und auf Seiten der Kleindeutschen? Hier stellte sich die blanke Machtfrage, wie sie ihr Programm über die Organisation einer parlamentarischen Mehrheit hinaus gegenüber den feudalen Mächten realpolitisch umsetzen könnten. In dieser Situation drängte die Erinnerung an die Kämpfe des 17. Jahrhunderts mit Macht ins Zentrum der politischen Debatte, vorrangig als Projektionsfläche von Bürgerkriegsängsten auf Seiten der Großdeutschen, die sie als emotionalisierendes Schlagwort zur Abwehr kleindeutscher Ansprüche nutzte. „Es ist ein Gotteswunder, wenn Deutschland ohne einen dreißigjährigen Krieg aus diesem Chaos herauskommt“, schrieb im März 1849 der Württemberger Abgeordnete Moritz Mohl in einem Brief an seinen Bruder Robert. 271 Er gewährte damit einen seltenen Einblick in die Psyche eines handelnden Akteurs der Epoche. Angesichts der Abstimmung über das künftige Staatsoberhaupt beschwor Mohl noch am Ende des gleichen Monats im selben Tenor die Paulskirchenabgeordneten, nicht die „Brandfackel des Bürgerkrieges“ in das Land zu werfen: „Es erscheint mir, man hat sich die ungeheuren Folgen, welche die Schaffung eines Erbkaiserthums für ganz Deutschland herbeiführen würde, nicht vergegenwärtigt; man hat nicht bedacht, daß darin ein Kampf zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands, ein Kampf zwischen dem Protestantismus und dem Katholizismus, ein Kampf des herrschenden Volksstammes mit den übrigen Volksstämmen, daß also in jenem Beschlusse drei Kämpfe verborgen liegen, von denen ein einziger zu einem dreißigjährigen Kriege hinreichend wäre.“ 272 War diese geradezu fatalistisch anmutende 269

Vgl. beispielhaft die Rede des Grafen Heym am 26. Oktober 1848, der vom „Riesenreich von 70, und wo möglich von 80 oder 100 Millionen“ sprach, mit dem Ziel die „Standarte Hermanns in diesem Reiche aufzupflanzen, und dazustehen gerüstet gegen Osten und Westen.“ Vgl. Verhandlungen, Bd. 4, S. 2882. 270 Zur Fraktionsumschichtung vgl. Kramer, Fraktionsbindungen, S. 141 –160; Siemann, Die deutsche Revolution, S. 114 – 123. 271 Demeter, Großdeutsche Stimmen, S. 58. Vgl. zu Moritz Mohl Westermayer, Politik als Beruf. 272 Verhandlungen, Bd. 8, S. 5841. Siehe auch Perthaler, der zum Vorschlag des engeren und weiteren Bundes schrieb: „Was Ihnen der Ausschuss vorschlägt, ist ein arrondiertes

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Sicht auf die schwierige politische Lage, in die sich die Nationalversammlung in der Endphase der Revolution manövriert hatte, allein einem „Mangel an sicherem Urteil“, einem Hang zur Übertreibung geschuldet? So jedenfalls hatte in einem wenig schmeichelhaften Porträt Robert von Mohl über die politische Weitsicht seines Bruders geurteilt. 273 Wenn diese Einschätzung zutraf, dann dürfte sie für große Teile des großdeutschen Lagers Geltung beanspruchen. Auf die Bemerkung des Abgeordneten Georg von Vincke, dass mehr als hundert Jahre zwischen der Gegenwart und dem revolutionären März 1848 lägen, erwiderte Wilhelm Schulz, wie Moritz Mohl Angehöriger der linken Fraktion Westendhall, von Vincke hätte besser von mehr als zweihundert Jahren reden sollen, da man es offensichtlich wieder zurück bis zum Dreißigjährigen Krieg bringe. 274 Er traf damit eine nicht nur in den Reihen linksliberaler Abgeordneter weit verbreitete Stimmung. Der bei Ranke promovierte Wilhelm Dönniges war in einer Flugschrift, die sich an die Nationalversammlung, die Fürsten und die Landstände deutscher Nation wandte, als Gegner eines preußischen Kaisertums zum selben Schluss gelangt. 275 Als protestantischer Preuße in bayerischem Staatsdienst behandelte er die deutsche Verfassungsfrage unter dem Gesichtspunkt der divergierenden Länderinteressen und brachte damit den betont partikularen Standpunkt in der deutschen Frage zum Ausdruck. 276 Seine ablehnende Haltung gegenüber einem Preußen und eine Vernichtung Deutschlands bis auf den Namen. Es ist eine feindselige Stellung gegen Österreich [ . . . ]; es ist die Zerreissung Deutschlands in zwei Theile und Anzettelung eines Krieges zwischen beiden Staaten; es ist die Hervorrufung des Widerstandes der dem preussischen Stamme zu unterwerfenden übrigen deutschen Volksstämme, sowie des Widerstandes der zu mediatisierenden Könige und Fürsten; es ist sogar die Hervorrufung des Kampfes zwischen den religiösen Grundsätzen; es ist der Same zu Zwietracht in dem zerrissenen Deutschland; mit einem Wort es ist der Bürgerkrieg und der Anlass zu unabsehbaren Verwicklungen mit den auswärtigen Mächten.“ Vgl. Perthaler, Das Erbkaiserthum, S. 30. 273 Lebenserinnerungen von Robert Mohl, S. 42 f. Christian Janssen spricht von „paranoidem Preußenhass“, der Mohl angetrieben habe. Vgl. Janssen, Einheit, Macht und Freiheit, S. 540. 274 Schulz, Die österreichische Frage und das preußisch-deutsche Kaiserthum, S. IV. 275 Vgl. Dönniges, Die deutsche Verfassungsfrage. 276 Vgl. dazu auch die Rede von Carl Hagen, der als Badener die Auswirkungen eines preußischen Erbkaisertums ganz ähnlich sah, auch wenn er später Friedrich Wilhelm IV. zum Kaiser wählen sollte. In seiner Rede in der Paulskirche äußerte er im Januar 1849 die Gewissheit, dass die größeren Regierungen sich dem König von Preußen als deutschem Kaiser nicht unterwerfen würden: „Glauben Sie nicht, daß die alte Eifersucht, die bisher zwischen beiden Dynastien geherrscht, jetzt mit verstärkter Kraft hervortreten, und daß Österreich alle Maßregeln aufbieten wird, um ein preußisches Kaiserthum nicht aufkommen zu lassen, oder wenn es zu Stande käme, im ersten Augenblicke wieder auseinander zu reißen? [ . . . ] Glauben Sie nicht, daß gerade für diesen Fall die äußeren Verhältnisse Deutschlands außerordentlich drohender Natur sind? Was wird die Folge davon sein, meine Herren? Es wird ein Bürgerkrieg die Folge sein, also gerade das Gegentheil von dem, was Sie durch ein erbliches Kaiserthum hervorzurufen wünschen. Es wird die Zeit des dreißig-

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preußisch geführten Deutschland begründete der Autor aus machtpolitischen Erwägungen heraus. Nicht das Aufgehen Preußens in ein Gesamtdeutschland meinte er vorherzusehen, sondern vielmehr eine preußische Dominanz. Als unvermeidliche Folge erkannte er eine umso engere Allianz gegen das Haus Hohenzollern. An die Stelle der deutschen Einheit würde wie zwei Jahrhunderte zuvor die deutsche Zwietracht treten und der friedliche Nord-Süd-Gegensatz würde sich zum Bürgerkrieg entwickeln. Während von dieser Seite betont wurde, dass die Wiederkehr eines dreißigjährigen Krieges in veränderter Form bevorstünde, obgleich mit geringerer Beimischung des religiösen Gegensatzes, lenkten andere die Aufmerksamkeit gerade auf die konfessionellen Implikationen des preußischen Erbkaisertums. Diese hatte Erzherzog Johann von Österreich, der von der Paulskirche inthronisierte Reichsverweser, im Blick, als er sich im Dezember 1848 in einem Brief an den Fürsten von Schwarzenberg wandte. Als Folge dessen, dass Friedrich Wilhelm IV. an die Spitze eines durch die Nationalversammlung neu geschaffenen Staates treten werde, fürchtete er nicht nur den „Zwist mit den anderen Fürsten“, er sah mit dem heraufbeschworenen Bürgerkrieg vielmehr einen „Religionskrieg“ provoziert. 277 Der Reichsverweser meinte damit nicht, was die Kirchen als verbale Waffe gegen die Revolution ins Feld geführt hatten, also einen Verteidigungskampf der Institution Kirche gegen den um sich greifenden Unglauben. Er zielte vielmehr auf das deutsche Trauma des konfessionellen Bürgerkrieges ab, der als neuer Kriegstypus das 16. und 17. Jahrhundert geprägt hatte und als besonders eindringlicher Schrecken eines fanatischen Kampfes fest im kulturellen Gedächtnis der Deutschen verankert war. Angesichts der Unschärfe des zeitgenössischen Wortgebrauchs wird im Folgenden begrifflich zwischen dem überkonfessionell kirchlich motivierten „Religionskrieg“ und einem „konfessionellen Bürgerkrieg“ unterschieden. jährigen Krieges sich erneuern. An die Stelle einer wahren Freiheit wird die Gewalt treten, die Gewalt des Schwertes, die theilweise leider jetzt schon in Deutschland sich geltend gemacht hat.“ Vgl. Verhandlungen, Bd. 6, S. 4714. So auch der Abgeordnete Schüler als gemäßigter Demokrat („Deutscher Hof“) am 15. Januar 1849: „Es läßt sich diese Einrichtung gewiß nicht so leicht ins Leben rufen, als uns vorgestellt wird. Man deutet darauf hin, Preußen habe die größte materielle Macht, mit dieser könnte man die anderen einschüchtern oder wohl gar erobern; allein, meine Herren, wollen wir denn äußere materielle Gewalt anwenden, und den Bürgerkrieg hervorrufen lassen zu Gunsten einer Einrichtung, die gar nichts für sich hat, als daß man glaubt, sie wäre am leichtesten auszuführen? Und wenn auch wirklich im Gefühle augenblicklicher Nothwendigkeit die übrigen Dynastien und Stämme sich Preußen unterwerfen, glauben sie, daß diese Fügsamkeit bleibend und dauernd ist? Der Grund zum Widerstreben wäre für alle Zeiten gegeben, ein fortwährendes Widerstreben und Auflehnen wäre unvermeidlich, und welche bereitwillige Unterstützung würden Österreich, Frankreich und andere außerdeutsche Staaten den Sonderbestrebungen Bayerns, Württembergs, Hannovers usw. angedeihen lassen? Sie würden das Spiel wiederholen, das schon so oft in Deutschland gespielt hat, und der Grund zu beständigen Zerwürfnissen wäre gelegt.“ Vgl. Verhandlungen, Bd. 6, S. 4694 ff. 277 Zit. nach Hoor, Erzherzog Johann, S. 120.

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In Augsburg formulierte die Neue Sion die katholische Position zum Staatsoberhaupt: „Also nachdem die protestantischen Fürsten vor 300 Jahren das deutsche Reich aus seinen Angeln gehoben und aus den Fugen gerissen, soll 300 Jahre später ein protestantischer Fürst sich an die Arbeit machen und die 34 Lappen wieder zusammenflicken! Das zu glauben, muß man entweder den hochstudierten Geist der Professoren-Partie in Frankfurt, oder aber eine tüchtige Portion Einbildung und Leichtgläubigkeit haben“, echauffierte sich das Blatt über das kleindeutsche Programm und zeigte sich um eine eindrückliche Beschreibung seiner Folgen nicht verlegen: „Es sind jetzt über 200 Jahre, als man der Stelle Ferdinands II. von Oestreich einen Protestanten als deutschen Kaiser zuschieben wollte; darauf kam der dreißigjährige Krieg und viel Schlimmes für unser deutsches Vaterland. Preußens Hegemonie würde gleichfalls Ursache unüberschaubarer Wirrnisse in Deutschland werden. Unsere Zeit gleicht so sehr der vor dem dreißigjährigen Krieg – videant consules ne quid res publica detrimenti capiat.“ 278 Der Hinweis auf das Ermächtigungsgesetz der römischen Antike, welches zur Sicherung der Herrschaft quasidiktatorische Befugnisse verlieh, konnte durchaus auch als Mahnung an die Paulskirche verstanden werden, sich ihrer eigenen Machtstellung nicht zu sicher zu sein. Der drohende Kampf um die Führung in Deutschland ließ sich zwar, dem Ideal der einen Nation folgend, als Bürgerkrieg auffassen, realiter wäre er aber von einem Staatenkrieg kaum zu trennen gewesen. Der Abgeordnete Alfred von Arneth machte dies deutlich, als er im Januar 1849 zwar von einem Bürgerkrieg sprach, der über Deutschland heraufbeschworen werden solle, im gleichen Gedankengang aber das „sieggewohnte österreichische Heer“ ins Feld führte, das jede gegen die Integrität Österreichs gerichtete Politik mit Entschlossenheit zurückweisen würde. 279 Die Mischung aus Bürgerkriegsszenario und Staatenkrieg brachte Karl Theodor Welcker, führender Kopf des großdeutschen Lagers in der Paulskirche, auf den Punkt, als er seine Warnung vor einem „Bruderkampf“ nicht nur mit dem Dreißigjährigen Krieg illustrierte, sondern auch auf den Siebenjährigen Krieg verwies. 280 Die Geschichtsapplikationen der unterschiedlichen Lager besaßen einen gemeinsamen Nenner: den sorgenvollen Blick auf das Ausland. Dönniges hatte seinem Verdikt über die preußische Führung die provozierende Frage angeschlossen, wer in dem drohenden Kampf Gewähr dafür böte, dass das Nationalgefühl 278 Ein protestantischer Kaiser in Aussicht, in: Neue Sion, 11. Januar 1849, hier zit. nach Dietrich, Christentum, S. 123. Übersetzung: Die Konsuln mögen dafür sorgen, dass der Staat keinen Schaden nimmt. 279 Vgl. Verhandlungen, Bd. 6, S. 4567. Der Abgeordnete Bassermann kommentierte die Rede Arneths mit den Worten, dieser würde mit einem „dreißigjährigen Bruderkrieg“ drohen. Vgl. ebd., S. 4733. 280 Ebd., S. 4763 f. Auch der Abgeordnete Jordan griff in seiner Rede im Januar 1849 auf den „Hader im 7jährigen Krieg“ zurück. Vgl. ebd., S. 4576.

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jede Verbindung deutscher Staaten mit dem Ausland verhindere – sei es, um die Existenz der Einzelstaaten vor dem Herrschaftsanspruch Preußens zu retten oder aber um sich als Oberhaupt in Deutschland zu behaupten. 281 Der Bürgerkriegsdiskurs war im Schatten der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg mit dem Vorwurf des Verrats befrachtet. Gerüchte über Allianzen der beiden deutschen Großmächte mit fremden Staaten machten die Runde. 282 Die Einkreisungsängste teilten auch diejenigen, die allein in einem kraftvoll von Preußen geführten Staat die Sicherheit vor Anarchie im Innern und den Schutz nach außen garantiert sahen. In ihrem Versuch, auf parlamentarischem Wege die Einheit Deutschlands zu erreichen, war die Nationalbewegung damit im Frühjahr 1849 in eine ausweglose Lage geraten. Diese lässt sich zugespitzt als „kalter Bürgerkrieg“ bezeichnen, denn zwischen den beiden unversöhnlichen Lagern galten die Positionen des jeweils anderen als Verrat am Ideal der deutschen Einheit. 283 Dem kleindeutschen Standpunkt wurde Hermann von Beckeraths Parole: „Das Warten auf Österreich ist das Sterben der deutschen Einheit“ zur Leitlinie. 284 Dessen Gegner propagierten stattdessen, dass ein preußisches Erbkaisertum Deutschland nur durch einen neuen dreißigjährigen Krieg aufzudrängen sei – so urteilte in der Januardebatte Jacob Venedey unmissverständlich über das Gagern’sche Programm. 285 Was er darunter verstand, hatte er – wie geschildert – bereits im Vorfeld der Revolution in eindrücklichen Bildern ausgemalt. Es zeugt von erstaunlicher parlamentarischer Reife, dass es den Abgeordneten letztlich trotzdem gelang, eine Verfassung zu verabschieden. Ende März 1849 beendete die Paulskirche ihre langwierigen Verfassungsverhandlungen in einer denkbar knappen Entscheidung für ein kleindeutsch organisiertes Reich mit einem erblichen Oberhaupt. Ein Kompromiss mit Teilen der Linken hatte die dünne Mehrheit für den preußischen Erbkaiser gesichert. 286 Aber der Nationalversammlung 281

Dönniges, Die deutsche Verfassungsfrage, S. 30. Vgl. hierzu beispielhaft die Debattenrede von Welcker. Moritz Mohl hatte bereits in der Debatte um die provisorische Zentralgewalt im Juni 1848 das Parlament aufgefordert, sich an die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu erinnern, als sich fast ganz Europa in Deutschland „getummelt“ habe. Mohl warnte so vor einer Politik, die „am Ende den Verrath an das Ausland hervor[bringt], in dem ein Theil der Dreiheit sich mit dem Auslande verbündet, und daß wir wieder sehen, was wir in Deutschland seit Jahrhunderten gesehen haben.“ Vgl. Verhandlungen, Bd. 1, S. 486 f. Vgl. auch Preußens Aufgabe bei der Lösung der deutschen Frage, in: Spenersche Zeitung, 1. Februar 1849. Darin wird ganz offen eine preußische Bündnispolitik im großen Stil angeregt. 283 Vgl. Winkler, Der überforderte Liberalismus, S. 190. Angesichts dieser innenpolitischen Lage, verschärft durch die vermeintliche außenpolitische Bedrohung aus Ost und West, notierte Gustav von Mevissen im März 1849: „Muß aber einmal das Schwert entscheiden, so ist mir das heute lieber wie morgen. Die ewige Ungewißheit lähmt und tötet alle Kräfte mehr als eine blutige Schlacht.“ Vgl. Hansen, Gustav von Mevissen, S. 466. 284 Vgl. Verhandlungen, Bd. 6, S. 4596. 285 Vgl. Verhandlungen, Bd. 6, S. 4543. 282

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fehlte zu diesem Zeitpunkt längst die Machtstellung, um ihre Entscheidung auch praktisch umzusetzen. Für beide Lager erwies es sich als Grundproblem, dass das Parlament die Lösung der Nationalstaatsfrage erst zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen hatte, als es zunehmend zwischen die Räder der beiden wiedererstarkten partikularen Mächte Österreich und Preußen geraten war. Sieg und Niederlage der erbkaiserlichen Partei lagen im Frühjahr 1849 nah beieinander. Im Augenblick ihres Triumphes in der Paulskirche musste sie gleichzeitig ihre machtpolitische Schwäche wahrnehmen. Parlamentarisch war die Nationalstaatsfrage 1849 nicht mehr zu lösen. Angesichts der knappen Entscheidung der Paulskirche für ein kleindeutsch organisiertes Reich mahnten die Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland vor dem Risiko des Umschlagens der verbal geführten Auseinandersetzung in einen offenen Krieg: „Möge nun diese große parlamentarische Schlacht und ihr Ausgang keine verlorene Warnung der Vorsehung für unser Vaterland seyn; mögen uns diese Kämpfe der Rede mit ihren haßerfüllten Worten, die die Parteien einander zuschleuderten, wenigstens andere, blutigere Kämpfe mit den Waffen ersparen! Daß eine so wichtige Frage mit einer Mehrheit von nur dreißig Stimmen entschieden wurde: möge dieß den Partheiführern eine Mahnung zum Maß, zur Billigkeit und Versöhnlichkeit seyn, indem sie daraus erkennen müssen, daß die Entscheidung durch die Waffen, nach einem neuen dreißigjährigen Vernichtungskampfe, das zerrüttete Vaterland wieder auf den Punkt stellen würde, von dem die erbitterten Brüder ausgegangen; nur wären wir dann an Kraft und Wohlstand ärmer, an Haß und Rachedurst reicher, der Hohn und die Beute unserer Feinde.“ 287

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Am 12. März 1849 stellte der Wortführer der Großdeutschen, Karl Theodor Welcker, einen Antrag, die Verfassung in „Bausch und Bogen“ anzunehmen. Der Hintergrund hierfür war der Oktroi der österreichischen Zentralverfassung und die beiliegende Note der österreichischen Regierung, die mit ihrer Ablehnung eines Volkshauses und eines Bundesstaates die Arbeit der Großdeutschen in der Nationalversammlung desavouierte. Der Antrag scheiterte zwar am 21. März 1849, legte aber offen, dass der Zusammenhalt der großdeutschen Gruppierung bröckelte. Die Abgeordneten der Abspaltung der Fraktion „Westendhall“ („Linke im Frack“), der sogenannte „Braunfels“, brachte in einem Kompromiss mit der kleindeutschen Gruppierung die Mehrheit für den preußischen Erbkaiser. Die „Erbkaiserlichen“ hatten dafür Zugeständnisse, insbesondere die Verankerung des suspensiven anstelle des absoluten Vetos, gemacht. Vgl. dazu Botzenhart, Deutscher Parlamentarismus, S. 663 –694; vgl. speziell zum sogenannten Simon-Gagern-Pakt Bammel, Der Pakt Simon-Gagern. Gustav Evers begrüßte daher das Scheitern der Verfassung, da sie, dank der „Coalition der österreichischen und der revolutionären Partei“ die Anlage dazu gehabt habe, die Revolution in Deutschland permanent zu machen. Vgl. Evers, Oesterreich, Preußen und die Einheit Deutschlands, S. 71. 287 Vgl. Frankfurt und Deutschland Ende März 1849 – Das preußische kleindeutsche erbliche Kaiserthum und das österreichische großdeutsche Bundesreich, in: HistorischPolitische Blätter für das katholische Deutschland, 23 (1848), S. 489.

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Diese Warnung war umso berechtigter, als vorrangig preußische Stimmen schon frühzeitig ins Kalkül gezogen hatten, die Entscheidung der deutschen Frage mit militärischen Mitteln zu suchen. 288 Bereits Ende 1848 hatte Eduard Wedekind zur Durchsetzung der Paulskirchenbeschlüsse einen preußisch geführten Krieg in Betracht gezogen. Für den Fall, dass Österreich den Oktoberbeschlüssen nicht Folge leistete, propagierte Wedekind als notwendige Konsequenz: „Dann werden wir freilich Preußen zur Führung berufen und gegen Österreich den Kampf aufnehmen, den es dann seinerseits mit großem Unrecht führen wird. Und würde es ein zweiter dreißigjähriger Krieg, so würde ich ihn nicht scheuen, um so weniger als der Sieg am Ende doch wohl nicht zweifelhaft seyn könnte, da wir mit Italien und Ungarn unsererseits nichts zu kriegen hätten, Italien auch bald dieses Kampfes satt und müde würde, während wir an Ungarn vielleicht gar einen Bundesgenossen erhielten. In Deutsch-Österreich selbst aber würden wir Alt-Österreich durch Jung-Österreich besiegen; wir würden vom übelberathenen Österreich an das besser berathene apellieren und dem Ende von der Schule, von der Zeit und ihren Ideen, aber auch vom Bruderkampfe der Nationalitäten in Österreich selbst den unzweifelhaften Sieg erharren. Darum nur nichts im Princip vergeben.“ 289 Auch wenn es Wedekind mit der Durchsetzung der Beschlüsse vom Oktober noch immer um die Wahrung der souveränen Stellung der Nationalversammlung in Deutschland ging, legte er in der Propagierung eines preußisch geführten Krieges die Schwäche der Nationalversammlung offen, diese auch eigenmächtig umzusetzen. In Preußen verwarf im Februar 1849 die Spenersche Zeitung angesichts des in der Paulskirche nur mehr fester geschnürten „zweihundertjährigen Knotens“ wiederholt die parlamentarische Lösung und rief zum Gang an die Waffen. Die Einheit bliebe ein „Winter-Märchen“, solange in Deutschland noch mehrere souveräne Staaten bestünden. Damit die Kämpfe des 17. Jahrhunderts nicht zu verheerendem Leben wiedererweckt würden, käme es der preußischen Krone zu, auf das Recht ihrer Waffen gestützt sämtliche deutschen Souveräne zu mediatisieren und daraus 288 Bereits am 30. Dezember schrieb Johann Gustav Droysen in einem Brief an Johannes Schulze: „Aber erst muß mein Preußen fest und sicher an der Spitze sein. Gerade jetzt sind wir im gefährlichen Stadium; [ . . . ] Gelingt es uns nicht, – je nun, so ist Frankfurt bedeutungslos und die Geschichte flieht weg von der Stätte, wo man sie mißverstanden. Dann muß Berlin auf den Plan.“ Vgl. Hübner, Johann Gustav Droysen, 1. Bd., S. 503. Vor dem Hintergrund der österreichischen Note vom 4. Februar schrieb Friedrich Christoph Dahlmann am 13. Februar 1849 in der Deutschen Zeitung: „Der Kampf ist geboten, und wir nehmen ihn an. Wir danken der österreichischen Regierung für ihre Entschiedenheit und zollen unsere Anerkennung ihrer Kraft. Sie hat das Phantom des Bundes zernichtet und reinen Boden geschaffen zum Kampfe. Tun wir auf unserer Seite desgleichen; vertrauen wir auf unsere Kraft und unsere Sache; zerstören wir unsererseits das Phantom des alten Bundes und der österreichischen Zukunft. Sammeln wir unsere Waffen und unsere Streitkräfte.“ 289 Vgl. „Die deutsche Frage“ von E. Wedekind, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 6. Januar 1849.

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den deutschen Staat zu schaffen; der „heilige“ Zweck rechtfertige dieses Mittel. Anderntags hatte die Zeitung als Folge des „Wahnsinns“, Deutschlands Schwäche aus Hass gegen Preußen zu verewigen, in kriegerischem Pathos verkündet: „Wundert Euch aber nicht, wenn der Kern der deutschen Nation, von dem widerlichen Schauspiel dieses abermaligen Spottens deutscher Hoffnung aufgereizt, sich fortwendet von der Tantalusarbeit, Raben weiß zu waschen. Man wird die Sonderbündler den Anarchisten zur leichten Beute überlassen und dann über den letzten Trümmern der alten verdorbenen Diplomaten- und Intriganten-Wirtschaft, den Anarchisten niederschlagen und doch Deutschlands Einheit und Größe durchsetzen, sey es auch unter der Gewaltarbeit eines neuen dreißigjährigen Krieges mit Kosaken, Franzosen, Croaten.“ Der Kampf gegen den „heiligen Geist“ der Weltgeschichte könne nicht glücken, denn die Welt ginge nicht rückwärts. 290 Eduard Wedekind und die Spenersche Zeitung erhoben den innderdeutschen Konflikt in den Rang eines Prinzipienkrieges und machten damit deutlich, ein Bruderkampf, den die großdeutsche Seite verhindern wollte, oder ein Bürgerkrieg, den das bürgerliche Lager fürchtete, wäre dieser Krieg nicht mehr gewesen. Dem Verweis auf den Dreißigjährigen Krieg gewannen sie eine offensive Seite ab, als Ausdruck ihrer Entschlossenheit. Friedrich Wilhelm IV. machte jedoch keinerlei Anstalten, sich für die nationale Sache der Paulskirchenverfassung einspannen zu lassen. Im Februar 1849 hatte der Altpreuße Julius Ambrosch die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass der preußische König keinesfalls ohne Konsens mit den deutschen Regierungen auf den Antrag der Paulskirche eingehen werde, denn dieser würde nie mit einer solchen Majorität gefasst werden, dass er Deutschland über die Gefahr eines dreißigjährigen Krieges „hinüberhöbe“. 291 Die dilatorische Antwort, die Friedrich Wilhelm IV. Anfang April auf das Angebot der Kaiserkrone durch die deutsche Nationalversammlung gab, konnte den Konservativen beruhigen. Sie war de facto eine unmissverständliche Absage an den parlamentarischen Lösungsversuch der Nationalstaatsfrage. Die markigen Worte, in denen der preußische König gegenüber Vertrauten von der Krone als dem „Halsband der Knechtschaft“ 292, dem „immaginären Reif, aus Dreck und Lettern gebacken“ 293, sprach, legen seine Motivation offen. Dem Souveränitätsanspruch der nationalen Verfassungsbewegung in der Paulskirche stand die Überzeugung des Königs gegenüber: „Untertanen können 290

Vgl. Preußens Aufgabe bei der Lösung der deutschen Frage, in: Spenersche Zeitung, 1. Februar 1849; Die Welt geht nicht rückwärts, in: Spenersche Zeitung, 17. Februar 1849. 291 Vgl. Bergsträsser, Das Frankfurter Parlament, S. 77 f. 292 Aus einem Brief an Ernst Moritz Arndt am „Idus des März“ 1849. Vgl. Haenchen, Friedrich Wilhelm IV., S. 390 ff. 293 Friedrich Wilhelm IV. in einem Brief an den preußischen Gesandten in London Christian Carl von Bunsen am 13. Dezember 1848; hier zit. nach Ranke, Aus dem Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV., S. 235.

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keine Krone vergeben.“ 294 Doch auch den militärischen Weg, den die Spenersche Zeitung gewiesen hatte, mochte der preußische König zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschreiten. 5. Gescheiterte „Revolution von oben“: Die Unionspolitik Preußens Das definitive preußische Nein zur Reichsverfassung und Kaiserkrone am 28. April 1849 bedeutete zwar das Aus der Paulskirche. Damit endeten aber die Versuche zur Neuordnung Deutschlands keineswegs abrupt. Diese blieb vielmehr eine politische Herausforderung, der sich auch die Verantwortlichen um den preußischen König nicht entziehen konnten. Nach der militärisch niedergeschlagenen „Reichsverfassungskampagne“ , dem letzten Aufbäumen einer revolutionären ‚Straßenpolitik‘, versuchte sich Friedrich Wilhelm IV. an die Spitze eines kleindeutsch-föderalen Bundesstaates zu stellen. Die preußische Unionspolitik unterschied sich demnach von der liberal-demokratischen Verfassungsbewegung dadurch, dass sie die nationale Einheit in friedlicher Verständigung mit den Territorialstaaten – also auf der Grundlage der fürstlichen Souveränität – erreichen wollte. Dem revolutionären Nachspiel „von unten“ folgte damit ein diplomatisches „von oben“, wie Heinrich August Winkler resümiert. In einem einseitigen Verständnis dieser Jahre als Revolutionsepoche mag die Unionspolitik nur ein „eigentümliches Nachspiel“ (Thomas Nipperdey) gewesen sein, jenseits der Paulskirchenbewegung und mit Blick auf die Deutschlandpolitik Preußens lässt sie sich jedoch ebenso gut als Bestandteil von Bundesreformversuchen betrachten, die bis in die vorrevolutionären Jahre zurückreichen. 295 Am Berliner Hof kämpften zu dieser Zeit hoch- und nationalkonservative Kräfte um die Zustimmung des Monarchen. Im Frühjahr gewann mit Joseph Maria von Radowitz ein Mann die Oberhand, der bereits vor der Revolution vehement für eine Bundesreform eingetreten war und als Abgeordneter der Paulskirche mit dem Gedankengut der liberalen Verfassungsbewegung vertraut war. Gleichzeitig war er Ideengeber und treibende Kraft hinter der Unionspolitik. Sein Konzept einer preußisch geführten Union orientierte sich an Heinrich von Gagerns Idee eines engeren und weiteren Bundes. Da von Radowitz zur Realisierung seines Vorhabens auf die Zustimmung des Monarchen angewiesen war, zwangen ihn dessen deutschlandpolitische Vorstellungen, die zwischen Reichsromantizismus und preußischem Machtanspruch changierten, zu wiederholten Winkelzügen. Sie

294 Friedrich Wilhelm IV. in einem Brief an Großherzog Karl Friedrich von SachsenWeimar am 10. Januar 1849. Vgl. Haenchen, Friedrich Wilhelm IV., S. 296 ff. 295 Vgl. Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 124 ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 670 ff. Siehe dazu Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage, v. a. S. 536 f.

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belasteten nachhaltig die Akzeptanz seines Projekts innerhalb der bürgerlichliberalen Nationalbewegung. Der nationalkonservative Versuch, die deutsche Frage in einem kleindeutschen Reich als Bundesstaat mit preußischer Spitze und unter Betonung des monarchischen Prinzips zu lösen, war machtpolitisch von Beginn an entscheidend geschwächt: Mit Bayern und Württemberg hatten sich zwei der großen Mittelstaaten dem Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Sachsen und Hannover nicht angeschlossen. Zudem stand der Unionspolitik innerhalb des eigenen Lagers eine hochkonservative Gruppe um Ernst Ludwig von Gerlach oppositionell gegenüber. Denn Radowitz’ Politik überging die konstitutionellen Zeittendenzen nicht einfach, sondern griff sie in einer konservativen Version der Reichsverfassung wieder auf. Damit gefährdete er aus Sicht seiner Gegner am Berliner Hof aber die legitimistische Prinzipienpolitik und deren Nukleus, die ‚heilige Allianz‘. Die preußische Diplomatie unter den Mittelstaaten musste angesichts der im Frühjahr 1849 erneuerten Habsburgischen Ansprüche an Deutschland zwangsläufig Widerstand hervorrufen, weil sich die österreichische Regierung unter Fürst Schwarzenberg der Idee Heinrich von Gagerns auch nicht im Gewand einer fürstlichen Verständigungspolitik unterwerfen wollte. Die Revolution hatte mit der Abkehr von der politischen Ordnung im Deutschen Bund den Dualismus zwischen Österreich und Preußen bereits neu belebt. Die preußische Unionspolitik brachte nun die Rivalität der beiden Hegemonialmächte vollends zur Entfaltung. Aus der bürgerlichen Verfassungsbewegung schlossen sich dem Unionsprojekt im Juni 1849 die gemäßigt liberalen „Erbkaiserlichen“ an – trotz ihrer Enttäuschung über das Verhalten des preußischen Monarchen. Diese waren nach dem Scheitern des eigenen nationalen Einigungsversuchs und unter dem Eindruck der so genannten Reichsverfassungskampagne mit ihren bürgerkriegsähnlichen Zuständen aus der Paulskirche ausgetreten. Seitdem firmierten sie in der Öffentlichkeit, benannt nach ihrem neuen Versammlungsort, als „Gothaer Partei“. Im März 1850 kamen die „Gothaer“ mit ihren konservativen Gegnern im neu gewählten Parlament von Erfurt zusammen, um dort über die Unionsverfassung zu beraten. Von der Paulskirchenvorlage unterschied sich der ausgelegte konstitutionelle Köder mit einem absoluten Vetorecht des Reichsoberhaupts und dem Dreiklassenwahlrecht für das Volkshaus entscheidend. Die Linke fehlte in Erfurt; sie boykottierte wegen des undemokratischen Wahlrechts die Wahl zum Unionsparlament. Aus Sicht der „Gothaer“ bot die Verfassung jedoch die Möglichkeit, ihr nationales Ziel, den kleindeutschen Bundesstaat, doch noch zu erreichen. Das Parlament erfüllte seinen Auftrag in einer nur einmonatigen Sitzungszeit. Doch erneut mussten die Liberalen ihre machtpolitische Schwäche erkennen, als ihre Bemühungen an der ablehnenden Haltung der konservativen Gewalten scheiterten. Auf dem Berliner Fürstenkongress kam das Verfassungsprojekt zu Fall, da die Versammelten gegen die Umsetzung der revidierten Verfassung votierten.

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Sie waren in ihrer Entscheidung maßgeblich von dem Motiv geleitet, Österreich nicht zu düpieren, und standen unter dem Druck des russischen Zaren. 296 Die Chancen zur Umsetzung des Unionsprojekts waren realiter schon zum Jahreswechsel 1849/50 merklich gesunken. Mit dem zwischen Preußen und Österreich ausgehandelten Interim hatte das Programm von Radowitz’ Ende September 1849 einen ersten Rückschlag erlitten. Die Wahlen zum Erfurter Parlament am 31. Januar 1850 führten die preußische Verständigungspolitik zusätzlich in eine Sackgasse, denn Hannover und Sachsen kündigten ihretwegen und unter dem Druck Österreichs einseitig das Dreikönigsbündnis auf. Die Union entbehrte damit nicht nur für das konstitutionelle Lager ihrer ideellen Grundlage, die Nation auf dem Boden einer Verfassung zu einen, ihr war auch gegenüber der Großmacht im Süden zunehmend die reale Machtbasis entzogen. Die Habsburger Regierung war zudem mit dem im September wiederbelebten Bundestag in Frankfurt als einem ordnungspolitischen Alternativentwurf zur Union in die Offensive gegangen. In der Folge schlossen sich die meisten Mittelstaaten Österreich an. Eine außen- und innenpolitische Krisenkonstellation – die neu entbrannte SchleswigHolstein-Frage und der mit preußischen Unionsinteressen befrachtete Verfassungskampf zwischen dem Kurfürsten und den Ständen von Hessen-Kassel – führte ab Mitte 1850 zur Eskalation des Konflikts. Damit schien der schwelende Dualismus zwischen den beiden Großmächten unweigerlich auf eine militärische Entscheidung hinauszulaufen. Als auf Bitten des hessischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. der Rumpfbundestag im Oktober die Bundesexekution in Kurhessen beschloss und es südlich von Fulda zu Gefechtsberührungen zwischen einer Vorhut der Bundesarmee und dem preußischen Militär kam, sahen Kommentatoren in dem „brudermörderisch[en] Schauspiel von Bronzell“ ihre ärgsten Befürchtungen Wirklichkeit werden. 297 Wendet man den Blick von diesen politischen Abläufen auf ihre Wahrnehmung und Verarbeitung in der politisierten Öffentlichkeit, begegnen in Zeitungen und Flugschriften erneut die im Meinungskampf vom Frühjahr 1849 ausgebildeten Deutungsmuster: Von Beginn an begleitete Preußens diplomatischen Vorstoß die Bürger- und Bruderkriegsrhetorik aus der Endphase der Paulskirchenberatung. Damit blieb auch die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg als das illustrierende historische Exempel im öffentlichen Diskurs virulent. Die Gegner Preußens verschanzten sich wiederum hinter dem Schreckensbild eines entgrenzten Bürgerkrieges, insbesondere in Süddeutschland und Österreich. Dort wahrten auch diejenigen Distanz gegenüber norddeutscher Großmachtansprüche, die in der Paulskirche ein kleindeutsch organisiertes Reich mit einer preußischen Spitze akzeptiert hatten. 296 Siehe dazu Hahn, 150 Jahre Erfurter Unionsparlament; Lengemann, Das deutsche Parlament; Mai, Die Erfurter Union. 297 Vgl. Der Beobachter, 20. November 1850; hier zit. nach Buschmann, Einkreisung, S. 290.

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Der Württemberger Gustav Rümelin, als Abgeordneter in der Nationalversammlung dem kleindeutschen Lager zuzurechnen, widmete sich in einer Reihe von Aufsätzen, die er im Spätsommer 1849 im Schwäbischen Merkur veröffentlichte, den drei nationalpolitischen Optionen: einem engeren und weiteren Bund, der Rückkehr Preußens in die Trias der absolutistischen Mächte und einer eigenständigen Machtpolitik Preußens. Allein in der Verständigungspolitik im Sinne des Gagern’schen Programms erkannte Rümelin den rettenden Weg für Deutschland. Zur Abwehr einer preußischen Großmachtpolitik griff er auf das vertraute Motiv zurück, denn diese führte für ihn zu nichts weniger als einem Bürgerkrieg, „der wie der 30jährige, die fremden Heere über die Grenzen rufen und Deutschland wieder zum europäischen Schlachtfeld machen wird“. 298 Die Gefahr der Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Deutschlands hatte auch Franz Schuselka im Blick, als er die Folgen des ‚Interims‘ beschrieb. Indem sich beide Mächte als Nebenbuhler der Herrschaft im Bund auf die Staaten Süd- und Norddeutschlands stützten, bewirke die Politik „durch das Schwert des Söldners“, was bisher fälschlich der Natur zugeschrieben und nicht einmal durch die Kirche zustande gebracht worden sei: die Spaltung Deutschlands in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Die historische Erfahrung zeige aber, so Schuselka, dass diese unweigerlich zum Einfluss des Auslands auf die Klein- und Mittelstaaten, namentlich durch Frankreich, England, Schweden und Russland führen werde. In letzter Konsequenz würde damit „die glorreiche Friedenspolitik unserer zwei Großmächte Zustände schaffen, wie sie im dreißigjährigen Krieg Deutschland in Schimpf und Schande gebracht haben“. 299 In Schuselkas Spott über den diplomatischen Versuch der Beilegung des Konflikts kam erneut das von historischen Demütigungsgefühlen durchsetzte Einkreisungsmotiv zum Ausdruck. Damit blieb zwar das Bedrohungspotential des Westens im Falle einer innerdeutschen militärischen Konfrontation im Blickfeld, in der öffentlichen Wahrnehmung dominierte zu diesem Zeitpunkt aber Russland als Feindbild. Der russische Zar trat 1850 als die bestimmende europäische Vormacht auf und nahm entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der massiven Krise in Deutschland. Unter dem Druck von Nikolaus I. fand die Auseinandersetzung um Schleswig-Holstein eine diplomatische Lösung im Berliner Frieden und im Londoner Protokoll. Die russische Intervention in den seit den Revolutionstagen national aufgeladenen Konflikt verletzte nicht nur die machtpolitischen Gefühle der Deutschen und war damit Wasser auf die Mühlen des deutschen Minderwertigkeitskomplexes. Das Auftreten Russlands als Schutzmacht konservativ-reaktionärer Prinzipien, das 298 Gustav Rümelin veröffentlichte zwischen dem 1. und 7. September 1849 in der Schwäbischen Kronik, dem Beiblatt zum Schwäbischen Merkur, Aufsätzen zur deutschen Frage. Hier zit. nach Schäfer, Aus der Paulskirche, S. 240 f. 299 Schuselka, Das Interim, S. 34 ff.

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für Liberale und Demokraten mit der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes auf Bitten Österreichs negativ unter Beweis gestellt worden war, verlieh dem Feindbild vor allem ideologischen Gehalt. Damit gewann die Warnung vor der Gefahr aus dem Osten im Dualismus eine Stoßrichtung gegen den innerdeutschen Gegner. In dem eskalierenden hessischen Verfassungskampf, in dem Liberale neben den preußischen Unionsinteressen auch ihre konstitutionellen Überzeugungen angegriffen sahen, kam diese voll zum Tragen. Unter der Schlagzeile „Soll Deutschland kosackisch werden?“ sah die Kölnische Zeitung 1850 während der Novemberkrise an der Ostgrenze Preußens den Aufmarsch russischer Truppen drohen „und die Anhänger und Untergebenen Rußlands, die Oesterreicher und Baiern [ . . . ] in hellen Haufen, wie zu Tilly’s und Wallenstein’s Zeiten, nach dem nördlichen Deutschland [ziehen], um es zu Knechten zu machen und aufzusaugen“. 300 Nikolaus Buschmann konnte zeigen, wie die liberale Presse in Preußen im Kontext eines propagierten Kampfes gegen das innere „Russenthum“ 301 das schon im Dreißigjährigen Krieg angelegte Einkreisungsmotiv gegen Österreich richtete. Daran war zugleich der nationale Anspruch der preußischen Liberalen gebunden, keinen bloß um dynastische Interessen geführten Krieg zu dulden, weil die Gegenwart nur „Prinzipienkämpfe“ kenne, wie die Nationalzeitung apodiktisch erklärte. 302 Die liberale Handlungsanweisung, die Georg von Vincke in der aufgeheizten Novemberkrise den preußischen Verantwortlichen im Parlament zurief, lautete: „Schreiben Sie das Recht auf Ihre Fahne, so werden Sie siegen, wenn auch ganz Europa gegen Sie in Waffen steht, weichen Sie zurück und geben Sie das Recht auf, so werden Sie geschlagen werden, bevor Sie noch in die Schlacht kommen!“ 303 Nie habe es einen gerechteren und „heiligeren“ Krieg gegeben, ließ sich im gleichen Jahr Gustav Evers vernehmen. Wenn Preußen nur das „Banner eines neuen heiligen deutschen Reiches“ flattern lasse, war er überzeugt, fielen ihm die Herzen des Volkes wie selbstverständlich zu, dann aber stünde kein Bruderkrieg mehr an, sondern nur ein Krieg mit dem ausländischen Österreich, dessen Joch gebrochen werden müsse. Für Evers gab es daher nur eine Wahl: Krieg oder Schande. 304 300

Kölnische Zeitung, 14. November 1850. Vgl. Buschmann, Einkreisung, v. a. S. 284 f. Buschmann veranschaulicht die veränderte Konfliktkonstellation an einer Passage aus der Nationalzeitung vom 31. Oktober 1850: „Wir müssen wiederholen, daß der Ruf: hier Preußen, dort Oesterreich – hier Norddeutschland, dort Süddeutschland – ein brudermörderischer ist. Er muß offen unzweideutig vertauscht werden mit dem anderen: hier Deutschthum, dort Russenthum; hier Freiheit und Humanität, dort Knechtschaft und Barbarei.“ In der Morgenausgabe der selben Zeitung vom 5. November 1850 hieß es: „Um so mehr Aussicht auf Erfolg würde ein Krieg haben, der nicht ein bloß militärischer wäre, sondern ein Kampf, den Preußen für die Einheit und Freiheit, für Humanität und Civilsation gegen das überwuchernde Russenthum führen wollte.“ 302 Vgl. Nationalzeitung, 30. Oktober 1850. 303 Vgl. Stenographische Berichte, 2. Kammer (1850/51), Bd. 1, S. 45 f. 301

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Zu einem Prinzipienkrieg zwischen Preußen und Österreich kam es im Winter 1850 jedoch nicht. Unter dem wiederholten Druck Russlands fanden die Konfliktparteien in Warschau eine friedliche Lösung. Die Übereinkunft, die der preußische Außenminister Otto von Manteuffel und der österreichische Ministerpräsident Fürst Schwarzenberg am 29. November 1850 zusätzlich trafen, die Olmützer Punktation, bedeutete das Ende der Unionspolitik Preußens und die Aufgabe der preußischen Ansprüche an Hessen und Schleswig-Holstein. „Der kriegerische Jesuit vom Potsdamer Hofe ward durch die ächten Jesuiten von der Donau gestürzt. [ . . . ] Preußen erhielt die Erlaubniß, aufs Neue mit dem siamesischen Zwillingsbruder zu schmollen und Deutschland, das längst von der Bühne verschwunden war, durfte wieder – Zeitungen lesen.“ 305 So lautete im linken Meinungsspektrum das gewohnt ketzerische Fazit zum Ergebnis der Novemberkrise. Verheerend allerdings waren die Auswirkungen der mit den Mitteln der Diplomatie erzielten Gewaltdeeskalation auf die öffentliche Meinung in Preußen, wo das Gefühl dominierte, eine schändliche Niederlage erlitten zu haben. Auch wenn sich bei nüchterner Betrachtung die Beilegung des Konflikts nicht als Schmach erwies, zu der sie stilisiert wurde – immerhin scheiterte ebenso Österreichs Verfassungsplan für ein 70-Millionen-Reich –, die negativen Erfahrungen des Jahres 1850 reihten sich für die Preußengänger in der Nationalbewegung, verkürzt auf das Schlagwort „Olmütz“, als ein neues Glied in die Kette nationaler Demütigungen seit 1648 ein. 306 Für die preußischen Liberalen bedeutete das Ende der Unionspolitik zudem die ernüchternde Gewissheit, nach der Niederlage des eigenständigen Anlaufs in der Paulskirche mit ihrem nationalen Programm auch im „Schlepptau preußischer Großmachtpolitik“ (Günter Wollstein 307) gescheitert zu sein.

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Vgl. Evers, Oesterreich, Preußen und die Einheit Deutschlands, v. a. S. 118 –128. Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. 10. 306 Vgl. Ludolf Camphausen an Bunsen am 5. November 1850: „Ein großer Staat, wehrkräftig wie keiner in Europa, ohne Verlegenheit im Innern, des Volksgeistes gewiß, in den Finanzen gesund, leckt den Staub von den Füßen seiner Gegner, ohne nur den Versuch des Widerstandes zu machen, auf eine bloße Kriegsdrohung hin, die bramarbasierende Feinde, bittere Angst im Herzen, ausgestoßen haben. Wie kann ein Minister, ein König leben unter solcher bodenloser Schmach.“ (Zit. nach Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage, S. 523.) Vgl. auch die Rede des Abgeordneten Riedel vom Rechten Zentrum in der Zweiten Kammer am 3. Dezember 1850, in der er die Olmützer Vereinbarung als „politische Erniedrigung des preußischen, eine herbe Täuschung gerechter Erwartungen des deutschen Vaterlandes“ bezeichnete (ebd., S. 527). 1850 hatte auch der Bruder des Königs, Kronprinz Wilhelm, in ideologischer Distanz gestanden, wie Peter Steinhoff formuliert, und vom Standpunkt einer preußischen Machtpolitik in der Olmützer Punktation das Stigma einer schnellstmöglich zu beseitigende Demütigung Preußens durch Österreich erkannt. Auf den „Stachel [ . . . ] in der Brust des Monarchen und [die] Kränkung des preußischen Volkes“ weist noch 1866 hin Reyscher, Die wahren Ursachen des Deutschen Krieges, S. 4. 307 Wollstein, Deutsche Geschichte 1848/49, S. 175. 305

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Ein politisches Lager in Preußen konnte sich dagegen zumindest für den Moment als Sieger wähnen und das Ergebnis der Novemberkrise positiv für sich verbuchen: die Altkonservativen. Für sie, die dem Unionsprojekt von Beginn an ablehnend gegenübergestanden hatten, wog die Restitution der konservativen „heiligen“ Allianz mit Österreich die Gefahren eines preußischen Prestigeverlustes auf. Mit einem „Prinzipienkrieg“, den die liberalen Kräfte um der nationalen Freiheit willen gegen Österreich zu führen bereit waren, verbanden preußische Konservative ganz andere Vorstellungen. Der überzeugte Legitimist Ernst Ludwig von Gerlach sah ihn erst in den Anfechtungen der preußischen Diplomatie durch das liberale und nationale Lager gegeben. Der Versuch der zweiten Kammer des preußischen Landtages, den König zu einer Revision von Olmütz zu zwingen, war für ihn in letzter Konsequenz ein Kampf um die Souveränität, d. h. das monarchische Prinzip. 308 Für Otto von Bismarck, seit den Tagen des Erfurter Parlaments als konservative Nachwuchshoffnung hervorgetreten, war die Unionspolitik eine „Jugenderinnerung“, der man sich „mit dem angenehmen Gefühle erinnert, dass sie glücklicherweise ohne üble Folgen geblieben war“. In seiner Verteidigung der Punktation von Olmütz erwies er sich vordergründig als loyal zur altkonservativen Linie. Auch er lehnte einen Krieg um den Bestand der Union ab. Dieser käme einem „Prinzipienkrieg“ der Linken gleich, dem entschieden entgegenzutreten sei, denn: „Sollte niemand im Lande einen solchen Prinzipien-Krieg verlangen, als die Majorität der Kammer, so ist dies [ . . . ] kein Grund zum Kriege mit Österreich, sondern zum Kriege mit dieser Kammer.“ 309 Ein militärischer Konflikt mit Österreich, so Bismarcks Überzeugung, liefe unter den ungünstigen Machtverhältnissen vom November 1850 dem preußischen Staatsinteresse zuwider. Dass er sich in seiner Argumentation weniger auf die Prinzipien der ‚heiligen Allianz‘ berief, sondern sich vielmehr am Staatsegoismus Preußens orientierte, antizipierte das Zerwürfnis im konservativen Lager. 310 Bismarcks am Gebot der Staatsräson ausgerichtetes Politikverständnis wandte sich letztlich gegen die linke und die konservative Prinzipienpolitik. Es lässt sich bilanzieren: Angesichts der verhärteten Fronten im eigenen Lager erwies sich das Ende der Unionspolitik für die ultrakonservative ‚Kreuzzeitungspartei‘ um von Gerlach nur als relativer Sieg, denn es war ein Sieg auf Zeit. Die Restitution der vorrevolutionären Zustände mit Österreich als Präsidialmacht des Deutschen Bundes konnte in Verbindung mit der reaktionären Politik auf 308 Vgl. Brief von Ernst Ludwig von Gerlach an seinen Bruder vom 6. Dezember 1850. Vgl. Steinhoff, Preußen und die deutsche Frage, S. 530. 309 Vgl. Stenographische Berichte 2. Kammer (1850/51), Bd. 1, S. 57 f. 310 Dazu zählte die Gründung des Preußischen Wochenblatts als nationalkonservatives Gegengewicht zum Meinungsführerblatt der Ultrakonservativen, der Kreuzzeitung. Vgl. dazu Behnen, Das Preußische Wochenblatt.

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der Ebene der Partikularstaaten die in der Revolution wesentlich beschleunigten Prozesse nicht vollends rückgängig machen: die Wirkmacht der nationalen Idee, die Politisierung breiter gesellschaftlicher Schichten und die Herausbildung von „Parteien“. 311 All jene Kräfte, die weiterhin eine Nachfolgeordnung für den Deutschen Bund anstrebten, zwang die Übereinkunft zwischen Preußen und Österreich zu einer weniger am Prestige als an den Regeln der Machtpolitik orientierten Analyse ihrer zukünftigen Handlungsoptionen. Zumindest in einem entscheidenden Punkt hatten sie Gewissheit gebracht: Die Neuordnung Deutschlands war sowohl auf dem Wege einer parlamentarisch kanalisierten „Revolution von unten“ als auch in einer auf Verständigung der Fürsten untereinander setzenden „Reform von oben“ gescheitert. Eine Konstante der deutschen Politik hatte entscheidend negativ auf beide Anläufe gewirkt: der Dualismus zwischen Österreich und Preußen. „Der Kampf dieser beiden größten Glieder um die Hegemonie steht allen Verbesserungen entgegen, der Einigung wie dem Fortschritte der Nation auf dem Wege politischer Entwicklung“, beschrieb zehn Jahre später ein anonymer Autor unter dem Titel Die Vereinigten Staaten von Deutschland die gewonnene realpolitische Erkenntnis aus der Zeit zwischen 1848 und 1851. 312 An diesem Kernpunkt der deutschen Frage mussten sich zukünftig die nationalpolitischen Ordnungsmodelle und Handlungsentwürfe orientieren und in ihren Erfolgsaussichten messen lassen. Die Mediatisierung Österreichs und Preußens als conditio sine qua non für die Lösung des Problems wurde in der Folge ebenso angedacht, wie man die Teilung Deutschlands nach der Mainlinie diskutierte. 313 Im Erleben der gescheiterten Revolution und mit der Zuspitzung der deutschen Frage auf die Rivalität zwischen Preußen und Österreich hatte sich der nationalpolitische Handlungsspielraum entscheidend verengt. Dass sich damit die Weichen in Richtung Krieg stellten, war man sich bewusst, auch, dass jederzeit ein Bürgerkrieg entstehen könne, der „unter politischer Form das Trauerspiel fortsetze, welches der dreißigjährige Krieg unter religiöser Form begonnen hat“. 314 Diese Einschätzung 311 Vgl. zum nachrevolutionären Deutschen Bund jetzt Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation. 312 Vgl. Die Vereinigten Staaten von Deutschland, S. 107. 313 Vgl. Oesterreich und Preussens Mediatisierung. Siehe auch Die Politik des Hauses Oesterreich, S. 182: „Besser für Deutschland als der Schein-Dualismus und die ScheinParität wäre eine ehrliche und offene Theilung Deutschlands zwischen den Großmächten etwa nach der Mainlinie, ein Zerfallen in ein Nord- und Süddeutschland.“ Außerdem Mediatisierung und Dualismus in Deutschland, S. 19, 62: Ihr Verfasser fordert darin die „Mediatisirung der Kleinstaaten von Baiern angefangen und Theilung der Herrschaft über Deutschland zwischen Oesterreich und Preußen.“ Die Mediatisierung hatte demnach im Westfälischen Frieden ihren Anfang und 1806 mit Auflösung des Reichs ihre Fortsetzung genommen, jetzt handele sich nur noch darum, „das Werk zu schließen.“ 314 Die Vereinigten Staaten von Deutschland, S. 107.

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teilte Karl Marx in seinem Vedikt über die Ziele der Gothaer Partei: Gelänge die Zweiteilung Deutschlands in eine nördliche und eine südliche Hälfte, dann käme es zu einem tödlichen Konflikt, dann „stünde ein neuer Dreißigjähriger Krieg bevor und der Zweikampf zwischen den beiden sich befehdenden Deutschlands würde schließlich beendet werden, indem Russland das eine und Frankreich das andere Deutschland einstecken würde“. 315 6. Verfestigung der Argumentationsmuster und Ausblick bis zur Epoche der Einigungskriege Ein kursorischer Ausblick auf die deutschlandpolitischen Debatten bis in die Epoche der Einigungskriege zeigt die fortwährende Präsenz der Deutungs- und Argumentationsmuster, wie sie sich in den Revolutionsjahren herausgebildet hatten. Unter den politischen Rahmenbedingungen der Reaktionszeit fiel allerdings die 1848/49 so präsente Instrumentalisierung des Geschichtsbildes zur Abwehr eines sozialrevolutionären Bürgerkrieges weniger ins Gewicht – auch wenn sie zunächst mancherorts noch in der Erinnerung an das „tolle“ Jahr aufblitzte und rückblickend Parallelen zwischen dem „deutschen Bürgerkrieg“ des 17. Jahrhunderts und dem „Bürgerkrieg“ von 1848 gezogen wurden. 316 Vor allem die Wahrnehmung des Dualismus im Deutschen Bund als anhaltende innere Krise sorgte für die Präsenz des Geschichtsbezuges. Mit der Kanalisierung der deutschen Frage auf die Rivalität zwischen Österreich und Preußen verfestigte sich das Bild von der Wiederkehr eines dreißigjährigen Krieges als Illustration des gefürchteten entgrenzten Bruderkrieges, an das sich lagerübergreifend die Angst vor der Einkreisung durch ein feindlich gesinntes Ausland knüpfte. Es diente vor allem denjenigen als Drohgebärde, die wie Karl Marx eine Neuordnung Deutschlands auf der Grundlage der preußischen Machtpolitik ablehnten. Auf Seiten derer, die mit einem innerdeutschen Krieg die Flucht nach vorn wagen wollten, setzte sich das Bild eines notwendigen Prinzipienkrieges fest. Für Preußen wog insbesondere die erinnerte erlittene Schmach durch Österreich mit dem Ausgang der Novemberkrise schwer. 1858 brachte wiederum Karl Marx auf den Punkt, was hier viele mit dieser ‚Niederlage‘ verbanden: „Preußen kehrte zum Bundestag als geschlagener und reuiger Sünder zurück. Seine Demütigung wurde noch bitterer durch den Triumphmarsch einer österreichischen Armee an die Küsten der Nordsee.“ 317 Das kulturell gestiftete Bild vom Dreißigjährigen Krieg und die im kommunikativen Gedächtnis verankerte Demütigungserfahrung von Olmütz verschränkten sich wirkungsvoll miteinander. Nur kurz nach Marx erinnerte eine in Berlin publizierte Schrift ihre Leser daran, dass 1850 die „Flu315 316 317

Marx, Das neue Ministerium, S. 638. Vgl. Kunz, Verortete Geschichte, S. 101. Marx, Unruhe in Deutschland, S. 538.

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then politischer Unterdrückung“ wie zuletzt im Dreißigjährigen Krieg bis an die Ufer der Nordsee geschlagen hätten, dass „dieselben kaiserlichen Kriegsvölker, dieselben Schaaren des südöstlichen Europa’s, welche seit den Tagen Tilly’s und Wallenstein’s den unteren Lauf der Elbe nicht gesehen hatten, wieder zu ihm herabgestiegen sind, um wie in jenen Tagen das Gesetz ihres Herrschers bis an die Eider zu tragen.“ 318 In seinen wesentlichen Passagen blieb der Text diesem historischen Vergleichsereignis verhaftet. Sein Autor, der schlesische Gutsbesitzer Friedrich von Thielau, bezog darin unverhohlen Position gegen die Ordnung des Deutschen Bundes. Er argumentierte von einem dezidiert preußischen Standpunkt aus und auf dem Boden eines organischen Geschichtsverständnisses: „Wir scheuen uns daher auch nicht, es auszusprechen, daß die gegenwärtige Stellung des preußischen Staates in Deutschland und Europa, wie sie durch die Verträge und die Bundesverfassung von 1815 fixiert worden ist, eine solche ist, daß wenn er da stehen bleiben will, wo er durch sie hingestellt worden ist, ihm besser wäre, seine Mutter, die deutsche Geschichte, hätte ihn nie geboren, daß wenn er da stehen bleiben will, wo er heute steht, der große Kurfürst, König Friedrich Wilhelm I., Friedrich der Große, die Stein und York umsonst gelebt haben, das Blut des Befreiungskrieges, das Blut des siebenjährigen Krieges, das Blut des dreißigjährigen Krieges umsonst geflossen ist.“ 319 Mit Auszügen aus Friedrich Schillers Einleitung zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges bekannte sich Thielau zu einem Reformationsverständnis als politische Bewegung und zum Protestantismus als treibende Kraft im Aufbruch zu Vernunft und Freiheit. Die weltbürgerliche und am europäischen Frieden ausgerichtete Perspektive des Dichters verengte sich bei Thielau allerdings auf den Hegemonialkampf zwischen Österreich und Preußen. Schillers ursprünglich positive Deutung der mit der Religionsspaltung einhergehenden politischen Teilung Deutschlands als „Damm“ gegen zentralistische Unterdrückung bezog Thielau einseitig auf den Machtanspruch des brandenburgisch-preußischen Staates, den er zum Träger der deutschen Idee erkor: „Die Geschichte seines Wachsthums ist die Geschichte des Anwachsens jenes deutschen nicht preußischen Freiheitsdammes. Es ist eine deutsche, keine preußische Geschichte, eine Geschichte, welche fast mit gleicher Berechtigung Eigenthum der ganzen Nation ist. Wie die Gründung des brandenburgisch-preußischen Staates als eine selbständige Macht die Frucht allge318

Thielau, Die deutsche Frage, S. 66. Ebd., S. 65 f. Die Flugschrift Mediatisierung und Dualismus in Deutschland hatte bereits 1851 die Lage Preußens in Analogie zu den Jahren vor dem Siebenjährigen Krieg problematisiert und war zum Ergebnis gekommen: „Will es als Großmacht weiter leben, so muß es sich vergrößern, oder resignirend untergehen. Es kann nur vorwärts gehen, Stillstand ist sein Tod.“ Die Berliner Regierung wüsste jedoch sowohl, dass ein Krieg Preußens in Europa nur ein „Krieg der Revolution“ sein könne, als auch, was die Dynastie am Ende davon zu erwarten habe. Vgl. Mediatisierung und Dualismus in Deutschland, S. 68 f. 319

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mein deutscher Anstrengungen, der Anstrengungen des dreißigjährigen Krieges, ist, so erscheint diese Macht auch von diesem Augenblick an nur als die materielle Grundlage allgemein deutscher Gedanken. Nur darum ist der brandenburgischpreußische Staat vor allen anderen protestantischen Territorialfürstenthümern über Deutschland emporgewachsen, weil er die Gedanken der Reformation am reinsten und konsequentesten geschützt und durchgeführt hat.“ 320 Thielau proklamierte Preußens „Lebensbedingung“ als Fortsetzung der politischen Revolution in Deutschland, die er mit der Reformation und dem Westfälischen Frieden begonnen sah. In diesem Geschichtsverständnis Droysenscher Prägung ließ sich Friedrich II. als der „Fleisch gewordene revolutionäre Gedanke“ national vereinnahmen und dem Siebenjährigen Krieg, der dem in Preußen verkörperten politischen Gedanken der Reformation zu einer gleichberechtigten Machtstellung in Deutschland verholfen habe, eine quasirevolutionäre Bedeutung zuschreiben–„analog den Kriegen, welche nachher durch die Ideen von 1789 entzündet wurden“. Den „Tag von Jena“ wusste Thielau zum bedeutungsvollsten historischen Wendepunkt seit der Reformation zu verklären, da sich von dieser tiefsten Erniedrigung erst der Anspruch des deutschen Volkes als selbst handelndes Subjekt herleite. 321 Von den Nachwirkungen des vorangegangenen Schillerjahres zum hundertsten Geburtstag des Dichters zeigt sich Thielaus abschließende Zukunftsvision beeinflusst, die dessen prophetische Worte aus der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges zitiert: „So wie die Flamme der Verwüstung aus dem Innern Böhmens, Mährens und Oestreichs einen Weg fand, Deutschland, Frankreich, das halbe Europa zu entzünden, so wird die Fackel der Kultur von diesen Staaten aus einen Weg sich öffnen, jene Länder zu erleuchten.“ 322 Als paradigmatisch für die nationale Ausrichtung der zahlreichen Schillerfeiern 1859 kann die Gedenkfeierlichkeit des königlich-dänischen Christianeums in Altona bezeichnet werden, die zu einem deutschen und protestantischen Bekenntnis geriet. Dort ehrte man Schiller, den „Liebling der Nation“, als „Vorkämpfer der Freiheit“ in einer Reihe mit Martin Luther und dem Militärreformer General von Scharnhorst. Ein Redner erweiterte dieses Vademekum der großen Deutschen um Friedrich II., da dieser im Siebenjährigen Krieg den deutschen Protestantismus vor den Katholiken gerettet habe, und um Blücher, den er als Luther des Befreiungskrieges adelte. In dieser nationalprotestantischen Geschichtserzählung wurde die Nationalliteratur der deutschen Klassik als zweiter Sieg der Reformation gefeiert. Schiller selbst habe jene „Flamme der Begeisterung“ mit entfacht, mit der Deutschland in seinem „heiligen Kriege“ das Joch der Fremdherrschaft abwarf. Seine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges habe gewaltig auf das deutsche Volk gewirkt, eine protestantische Auffassung der deutschen Geschichte 320 321 322

Thielau, Die deutsche Frage, S. 66 f. Ebd., S. 70 – 72. Ebd., S. 112.

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erst ermöglicht und dem Erfolg „katholischer Geschichtsverdreher“ vorgebeugt. 323 Schließlich erkor man es zur Pflicht des Volkes, der deutschen Klassik mit ihrer Humanität und der Idee der Reformation eine echte nationale Form zu geben, denn es gelte nicht, ein neues Werk zu beginnen, sondern mit der Begründung eines nationalen Staatslebens die „christliche Arbeit“ fortzusetzen. 324 Die Botschaft solcher Schriften und Reden war eindeutig: Eine kriegerische Auseinandersetzung Preußens mit Österreich wäre vom Makel des bloßen Machtkampfes befreit und als geschichtlich notwendiger Prinzipienkrieg gerechtfertigt. Diese Auffassung, die explizit an die Erfahrungen von 1850 anknüpfte und den liberalen Gedanken des Prinzipienkrieges im nationalprotestantischen Gewand tradierte, sollte für die Anhänger der preußischen Konfrontationspolitik prägend werden. Wolfgang Menzel spitzte demgegenüber seine Handlungsanweisung auf eine konsequente Machtpolitik zu. Angesichts der Gefahren aus Ost und West beschwor er die Einheit der Nation als „Deutschlands beste Waffe“ und zeigte sich überzeugt davon, dass nach einem Bürgerkrieg durch „Bruderhass“ am Ende über den „erbärmlichen Rest Deutschlands“ mit all seinen „Kirchthurmsinteressen, Schuldfragen und Prinzipienreitereien“ kein „neues Professorenregiment in der Paulskirche“, sondern Russland, Frankreich und ein neuer Erfurter Kongress entscheiden würden. Daher, so Menzel weiter in Hintanstellung seiner ehedem liberalen Ansichten, müsse das Nationalinteresse allen Prinzipienfragen der inneren Politik vorausgehen: „Diejenige Verfassung Deutschlands wird die beste 323 Unter dem programmatischen Titel Lorbeer und Kreuz bemühte sich auch die Evangelische Kirchen-Zeitung, die Dichtung Schillers in einem „unlöslichen Zusammenhang mit christlichen Gedanken und Beziehungen“ darzustellen, weil seine Werke fast immer in den „großen Katastrophen christlicher Bewegung“ angelegt seien (Vgl. Lorbeer und Kreuz. Ein Vortrag über Friedrich v. Schiller, in: Evangelische Kirchen-Zeitung, 65 (1859), Sp. 1057 –1069, hier 1067). Der Journalist Friedrich Giehne, für den der Dreißigjährige Krieg ein „Hauptwendepunkt“ in der deutschen Geschichte war, kritisierte dagegen an Schillers Wallensteindrama das fehlende deutschnationale Motiv, das historisch im kaiserlichem Heer vorhanden gewesen sei. Was der Dichter nur zu ignorieren schien, erwies sich für Giehne angesichts Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Krieges vom Historiker bewusst bekämpft. Schillers Werke feierten daher „tendenzmäßig das Widernationale“:„Trotz aller Verwirrung der Begriffe war deutscher Nationalsinn nicht ausgestorben; es gab noch Deutsche genug, die vor Allem das Bedürfniß eines nationalen Zusammenhalts fühlten, das gemeinsame Interesse, um jeden Preis die fremde Annexierungslust niederzuwerfen, und denen jede Anlehnung an die letztere als Verrath an der Nation galt. Ein Unterschied der Religion kam dabei nicht in Betracht; es spielte auch kein Nebeninteresse mit; sie wollten einfach weder einem französischen, noch einem schwedischen Zugriffe Handreichung thun. Für diesen Theil der Nation – und er war doch wohl der bessere deutsche – gab es nur ein Panier des Zusammenstehens, und das war die Fahne des Kaisers; – national genommen ein naheliegendes Motiv, auch der Schlüssel dazu, wie es möglich war, daß z. B. das Wallensteinische Heer in seiner Mehrheit aus Protestanten bestund.“ Vgl. Giehne, Deutsche Zustände, Erstes Heft, S. 5. 324 Die Säcularfeier der Geburt Friedrichs v. Schiller, S. 5 f., 15, 33 f., 39 f. Vgl. auch Halm, Vor hundert Jahren.

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seyn, die am meisten Heere und Batterien aufzuführen vermag, um unsere Feinde nach allen Seiten zu schrecken, um neue Erwerbungen und Colonisationen für die jungen Schwärme unsres ewigen Bienenstocks zu ermöglichen.“ 325 Menzels eindeutige Positionierung in der für den nachrevolutionären deutschen Liberalismus konstitutiven Frage, dem Verhältnis von Freiheitsanspruch und nationaler Machtpolitik, führt zurück zur politischen Ausgangslage der Reaktionszeit. Darin formierte sich die nationale Verfassungsbewegung neu. Dies war jedoch kein Prozess, der geradlinig verlief, weshalb er hier – im Hinblick auf das folgende Kapitel und die politische Kräftekonstellation von 1866 – nur kursorisch dargestellt werden kann. Eine wesentliche Neuerung zum Vormärz war die Vielzahl neu gegründeter, grenzüberschreitender Organisationen. Vom Volkswirtekongress und dem Handelstag, vom Nationalverein und den Fortschrittsparteien über den Deutschen Reformverein bis hin zum Abgeordnetentag verfügte die nationale Bewegung Anfang der 1860er Jahre über ein dichtes politisches Organisationsgeflecht. 326 Die negative Revolutionserfahrung zwang vor allem inhaltlich zu einer kritischen Analyse der nationalpolitischen Handlungsmöglichkeiten. Wer an den Ideen von 1848 festhalten wollte und weiter Freiheit, Macht und die Einheit Deutschlands als sich wechselseitig bedingende Prinzipien ansah, musste erkennen, dass diese allein parlamentarisch nicht zu erreichen waren. Die Einheit Deutschlands musste erkämpft werden: gegen die fürstlichen Partikulargewalten ebenso wie – auch das ein Erbe von 1850 – gegen das Ausland. „Herrschen heißt Macht üben, und Macht üben kann nur der, welcher Macht besitzt“, lautete die Quintessenz der durch August von Rochau 1853 formulierten „Realpolitik“. 327 Deren Grundsätze bildeten die machtpolitischen Zwänge unter den Bedingungen des deutschen Dualismus ab. Die konservative Variante Bismarcks orientierte sich am Staatsinteresse Preußens, dabei aber durchaus auch nationalrevolutionäre Ideen in Betracht ziehend. Im Umkehrschluss bedeutete ‚Realpolitik‘ für die Liberalen, die Möglichkeiten zur Durchsetzung des Nationalinteresses an den Staatsinteressen der beiden Großmächte abzuwägen. Den nationalen Zwecken stand – als Lehre von 1849 – das „Lebensinteresse“ des habsburgischen Österreichs entgegen. In der ‚Nationalpolitik‘ auf Preußen als Führungsmacht zu setzen, hatte wesentlich auch damit zu tun, wie Heinrich August Winkler betont, dass der norddeutsche Staat bei allen Unzulänglichkeiten anders als Österreich ein Verfassungsstaat war. 328 Denn der Konstitutionalismus blieb für die Liberalen die leitende politische Kategorie. Da325 326 327 328

Menzel, Preußen und Österreich im Jahre 1866, S. 70 f. Siehe dazu Biefang, Politisches Bürgertum in Deutschland. Siehe dazu Rochau, Grundsätze der Realpolitik. Vgl. Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 138.

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mit wandten sie sich gleichermaßen gegen radikaldemokratische wie sozialistische Tendenzen, deren sozialrevolutionäre Ausrichtung Wirtschafts- und Bildungsbürgertum nur in die Arme der Schutz bietenden traditionellen Gewalten treiben würde. Die Linke wiederum verurteilte die Realpolitik als „undeutsche Gaunerpolitik“. 329 Der Herausgeber des Social-Democraten, Johann Baptist von SchweitzerAllesina, begründete seine Ablehnung damit, dass die Anbindung an eine Seite der miteinander konkurrierenden Großmächte die Gefahr eines für immer zerrissenen Vaterlandes mit gebrochener Volkskraft bedeute, kurz: den „Bürgerkrieg in Permanenz“. 330 Die radikalen Demokraten verstanden sich selbst als über allen dynastischen Interessen stehende, wahre nationale Partei. 1862 wiederholte der Lassalleaner von Schweitzer-Allesina die radikal linke Handlungsmaxime der Revolutionstage, die Thomas Nipperdey pointiert als das Denken in den Kategorien einer die Zukunft klärenden „Katastrophenpolitik“ bezeichnete. 331 Inmitten einer europäischen Krise sollte sich von Schweitzer-Allesina zufolge das nationale Ehrgefühl ermannen und mit einem Ruck den ganzen „Schweinestall“ fegen: „Ja, wir dürfen selbst nicht von der Hoffnung lassen, daß der erhabene Tag erscheinen werde, da der große Generalkrach durch ganz Europa geht und über den Trümmern des Alten die Mazzini’s aller Länder sich die Hände reichen.“ Diese Politik der tabula rasa sei unerlässlich zur Durchführung einer „wahrhaft neuen und großen Gestaltung“. Wenn es auch nicht in der Macht einer Partei, ja selten in der Macht eines ganzen Volkes läge sie herbeizuführen, könne man doch mit Sicherheit darauf rechnen, dass von Zeit zu Zeit eine Komplikation der Verhältnisse zum radikalen Umsturz des Bestehenden führen werde. 332 Damit umriss von Schweitzer-Allesina idealtypisch, was die historische Forschung als Befund zum demokratisch linken Militarismus herausgearbeitet hat: Dieser bewegte sich zwischen risikobereitem Dezisionismus und einer zögernden Haltung, die häufig in politischen Attentismus mündete. Dass sich von Schweitzer-Allesina neben der revolutionären Lösung der deutschen Frage auch für die preußische Gewaltpolitik unter Bismarck begeistern konnte, verweist zudem auf die anhaltende Diffusion der Linken im politischen Neuformierungsprozess. 333 329

Vgl. Deutschlands Errettung aus tiefster Schmach, S. 11. Vgl. Schweitzer, Zur deutschen Frage, S. 32 f. Johann Baptist von Schweitzer-Allesina, im protestantisch geprägten Frankfurt als Katholik aufgewachsen und jesuitisch erzogen, machte mehrere Wandlungsprozesse durch, bis er als entschiedener Linker im Kreis um Lassalle leitender Redakteur des „Social-Democrat“ wurde. In den Wirren von 1859 politisiert trat er publizistisch zunächst auf großdeutscher Seite für die Unterstützung Österreichs durch den Deutschen Bund ein (Vgl. seine Schrift aus dem Jahr 1859: Oesterreichs Sache ist Deutschlands Sache), kämpfte gegen den Nationalverein mit seinem kleindeutschen Programm und preußenfreundlichen Tendenz und wurde zu einem bedeutenden Vertreter der Turner- und Schützenbewegung. 331 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 666. 332 Schweitzer, Zur deutschen Frage, S. 37 f. 330

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Zwei außenpolitische Krisen nahmen in ihrer jeweiligen Konfliktkonstellation und mit ihren machtpolitischen Konsequenzen maßgeblichen Einfluss auf den politischen Neuordnungsprozess in Deutschland: der Krimkrieg zwischen 1853 und 1856 sowie die österreichischen Feldzüge 1859 in Oberitalien. Überdies hielten sie ein äußeres Bedrohungspotential wach, das für die andauernde Relevanz des zu untersuchenden Geschichtsbezuges wesentlich ist. Der Krimkrieg, mit dem die seit 1815 währende relative Friedensperiode in Europa endete, hatte als merkwürdiges „Gemisch aus Kabinettskrieg und totalem Krieg“ 334 bereits in Ansätzen das Antlitz eines modernen Krieges. Sein Ausgangspunkt war ein zunächst auf Russland und den ‚kranken Mann am Bosporus‘ begrenzter Konflikt um die Vorherrschaft am Schwarzen Meer. Mit dem Griff des Zaren nach dem Zugang zum Mittelmeer und dem damit verbundenen Ziel, als bisherige Landmacht seine europäische Machtposition strategisch auszuweiten, entwickelte sich der Konflikt zu einer kontinentalen Angelegenheit: In ihren Interessen herausgefordert intervenierten Österreich, Frankreich und England in den Krieg. Im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit förderte die Entwicklung am Schwarzen Meer die Überzeugung, dass jeder Konflikt, der das europäische Machtgefüge beträfe, kaum zu lokalisieren bliebe. Eine Flugschrift im Umfeld des Krimkrieges konzentrierte diese europäische Problematik auf die politische Situation der Staaten im Deutschen Bund: „Inmitten des Kampfes von Europa wird es auf Dauer keine Neutralität für die in der Mitte des Welttheils gelegenen Staaten mehr geben! Sind Österreich und Deutschland nicht Freunde, so werden sie als Feinde einander gegenüberstehen. Ein Kampf auf Leben und Tod wird die Folge seyn und so wirr die Zukunft vor dem Menschengeiste liegt, so ist doch eins sicher und klar: daß Deutschlands jetzige Staatenordnung verschwinden wird, daß Österreich und Preußen den harten Kampf um Seyn und Nichtseyn, Zerfall oder Herrschaft gegenseitig bestehen und die deutschen Länder wieder die Schlachtfelder innerer und äußerer Kriege bilden werden.“ 335 In Preußen war man über die Frage einer möglichen Intervention in den Konflikt auf der Krim geteilter Meinung. Unter Konservativen lebte der Streit von 1850 wieder auf: Den Altkonservativen, die sich Russland auf der Grundlage ihrer legitimistischen Prinzipienpolitik verbunden fühlten, standen diejenigen Kräfte gegenüber, welche mit dem Konflikt die Chance witterten, in einer Bündnispolitik mit den Westmächten die Unionspolitik neu zu beleben. In einer Denkschrift versuchte Hermann Ludwig von Balan, Diplomat im preußischen Auswärtigen Amt, im Dezember 1854 seine Forderung zur Aufgabe der Neutralitätspolitik vor allem aus den Lehren der Geschichte abzuleiten. Bei Kämpfen untergeordneter Art möge die Neutralität zwar unter Umständen vorteilhaft sein, argumentierte er, 333 334 335

Vgl. dazu Janssen, Einheit, Macht und Freiheit, S. 609. Baumgart, Der Krimkrieg, S. 193. Vgl. Brennende Fragen, S. 10.

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bei großen europäischen Kriegen aber gereiche sie zum Verderben, wie speziell Preußen im Dreißigjährigen Krieg unter Georg Wilhelm habe erfahren müssen. 336 Durchsetzen konnte sich diese Meinung am Berliner Hof nicht. Über ein Schutzund Trutzbündnis mit Österreich ging Preußen nicht hinaus. Dem Bündnisvertrag des Habsburgerreiches mit Frankreich und England schloss es sich nicht an und verhinderte im Bundestag eine aggressivere Haltung gegenüber Russland. Der Ausgang des Krimkrieges markiert eine tiefe Zäsur im europäischen Staatengefüge. Er zwang Russland als Hort der Reaktion und als Schutzmacht des Legitimismus in die außenpolitische Passivität. Die Wirkungsmacht der ‚heiligen Allianz‘ als seit 1815 bestimmende Bündniskonstellation der europäischen Diplomatie kam zum Ende. Auf der Ebene der auswärtigen Politik stand für Preußen damit ein neu gewonnener Handlungsspielraum gegenüber Österreich und Russland zu Buche. Im eigenen Land befreite er jene konservativen Kräfte, die sich vorrangig vom preußischen Staatsegoismus leiten ließen, von den Zwängen der an den Idealen der „heiligen Allianz“ ausgerichteten Prinzipienpolitik. Seinen Status als bestimmende Hegemonialmacht hatte Russland im Pariser Frieden von 1856 an Frankreich verloren. Für den deutschen Kriegsdiskurs bedeutete das zugleich eine Verschiebung des Bedrohungsszenarios in Richtung Westen, wo Louis Napoleon seit seinem Staatsstreich vom Dezember 1851 ein autokratisches Regiment führte. Die Bedrohung nahm reale Gestalt an, als 1859 im Konflikt um Oberitalien das Pendel der Gewalt von der Peripherie ins Zentrum Europas und damit in die Grenzregion des Deutschen Bundes zurückschlug. Bereits im Krimkrieg war mit dem Königreich Sardinien-Piemont an der Seite der Westmächte eine neue Kraft in Europa aufgetreten, die italienische Interessen am Mittelmeer verfolgte. Als Nukleus der dortigen Einigungsbewegung führte es 1859 einen Kampf mit Österreich um die Lombardei und Venetien, die habsburgischen Besitztümer in Oberitalien. Der sardinische Ministerpräsident Graf Camillo di Cavour stützte sich dabei auf eine Koalition mit Frankreich, an das nach einem Sieg Nizza und Savoyen fallen sollten. Damit entwickelten sich aber die Feldzüge Österreichs auch für die nationale Bewegung in Deutschland zur Wegmarke. Nikolaus Buschmann konnte zeigen, wie in der Deutung des Krieges als kontinentaler Machtkampf und unter dem Eindruck einer „Geheimallianz“ zwischen Frankreich und Russland das deutsche Bild der Einkreisung auch bei diesem auf Norditalien begrenzten Krieg wirksam wurde. 337 Das namentlich an der Südwestgrenze bedrohte Sicherheitsinteresse Deutschlands verschärfte die bellizistischen Wallungen, so dass der Ruf nach einem einigenden Nationalkrieg lauter denn je zu vernehmen war. Vor und nach den Kampfhandlungen begleitete ein „Meinungskrieg“ in der deutschen Presse die internationale Diplomatie. 338 In dessen Zentrum stand die 336 337

Baumgart, Akten zum Krimkrieg, 2, 2, S. 271 ff. Buschmann, Einkreisung, S. 193 ff.

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Frage, ob die deutschen Staaten und insbesondere Preußen dem im Süden angegriffenen Bundesgenossen zur Hilfe kommen müssten. Die Neutralitätspolitik während des Krimkrieges hatte zwar Preußens eigenständige Stellung innerhalb des europäischen Machtsystems merklich aufgewertet, eine solche Haltung war aber bei einem Konflikt, der die deutsche Sache und damit das nationale Ehrgefühl weit stärker tangierte, grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Der italienische Krieg sei kein Kabinettkrieg mehr gewesen, sondern ein Nationalkrieg mit durchaus revolutionären Zügen, resümierte Thomas Nipperdey, während Heinrich August Winkler die italienische Nationswerdung im Blick hat, wenn er von einem Unabhängigkeitskrieg spricht. 339 In den zeitgenössischen Quellen erscheint die Konfliktkonstellation, wie sie sich 1859 der Öffentlichkeit darbot, noch ungleich komplizierter. Sie ließ in der Haltung zum Kriegseintritt Preußens die Fronten quer zu den bestehenden Lagern verlaufen: Auf der Linken schlugen sich Marx und Engels, die das bonapartistische Frankreich vehement ablehnten, auf die Seite der Befürworter einer Intervention; die 48er-Demokraten Arnold Ruge und Ludwig Bamberger, aber auch der Sozialist Ferdinand Lasalle standen dagegen im Lager derjenigen, die eine Unterstützung Österreichs ablehnten. Sie knüpften für die deutschen Verhältnisse daran die Hoffnung, dass ein geschlagenes Österreich und der Sieg der italienischen Sache als Vorbild dienen könnten; ein österreichischer Sieg jedoch – das hieß der Sieg des reaktionären Prinzips – würde die Revolution auslösen. Der nationale Liberalismus stand vor dem Problem, dass mit Sardinien-Piemont einerseits die italienische Nationalbewegung im Kampf stand, diese aber andererseits mit dem ‚Erbfeind‘ Frankreich verbündet war. In der deutschen Nationalbewegung, die für Preußen den Bündnisfall eingetreten sah, überwogen die Befürworter eines Krieges. Zum selben Schluss kam in Preußen die ‚Kreuzzeitungspartei‘, jedoch aus gänzlich anderen Motiven. Gerade angesichts der gegnerischen Koalition war für sie die eigene Haltung klar: Der Konflikt bedeutete eine Auseinandersetzung zwischen der Legitimität und der Revolution, war also ein Prinzipienkampf. Preußens Intervention wurde von den preußischen Hochkonservativen allerdings nicht als nationale Forderung erhoben, sondern um der ‚heiligen Allianz‘ willen. Auf der Seite der Befürworter der preußischen Neutralitätspolitik fand sich wiederum mit Otto von Bismarck auch ein konservativer ‚Realpolitiker‘, der sich im Gegensatz zu von Gerlachs konservativ-legitimistischer „Gefühlspolitik“ von einem partikularstaatlichen Interesse leiten ließ und in Österreich nur mehr den Rivalen erkannte. Während seiner Tätigkeit als preußischer Gesandter im Bundestag hatte Bismarck einen nachhaltigen Eindruck von der österreichischen Bundespolitik gewonnen. Das Streben Wiens, durch den Deutschen Bund die Vorherrschaft 338

Vgl. dazu Mittelstaedt, Der Krieg von 1859. Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 693; Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 147. 339

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in Deutschland zu erringen, hatte er bereits im Dezember 1851 gegenüber dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel beklagt. Bismarck dachte dabei durchaus in historischen Kategorien, wie eine Passage zeigt, die er dem Brief eigenhändig hinzufügte. In der Politik des Wiener Kabinetts erkannte er eine Entwicklung analog zu den „Erscheinungen zu Anfang des 30jährigen Krieges, welche den Kaiser, kurz nachdem er in seiner eigenen Hofburg nicht sicher gewesen war, zum Herrn Deutschlands machten“. 340 Während der Italienkrise betrachtete Bismarck, inzwischen Gesandter in Sankt Petersburg, die preußischen Handlungsoptionen im selben Licht historischer Erfahrung. Im Frühjahr 1859 formulierte er in einem Brief an seinen Bruder folgende Einschätzung der Lage: „Ich bin nur in großer Sorge, daß wir uns schließlich mit dem nachgemachten 1813er von Oesterreich besoffen machen lassen und Thorheiten begehen. Sobald wir uns einmischen, wird natürlich für Frankreich der deutsche Krieg Hauptund der italienische Nebensache und die Partheiname Rußlands für Frankreich unvermeidlich. Dann bricht der Tanz an allen Ecken los, auch im Orient und in Ungarn.“ Sein Plädoyer für die Wahrung der preußischen Neutralität, mit der man den Konflikt lokalisieren könne, orientierte sich maßgeblich am Machtinteresse des preußischen Staates und an dessen Einfluss in Deutschland, denn, so Bismarck weiter: „Wenn wir Oesterreich zum Sieg verhülfen, so würden wir ihm eine Stellung verschaffen, wie es sie in Italien nie und in Deutschland seit dem Restitutions-Edict im 30jährigen Kriege nicht gehabt hat, dann brauchen wir einen neuen Gustav Adolf oder Friedrich II., um uns erst wieder zu emancipiren.“ 341 Am Ende erfüllte Preußen nur seine Defensivverpflichtung als Bundesstaat und wahrte ansonsten als europäische Großmacht Neutralität. In der öffentlichen Wahrnehmung avancierte der Krieg damit nach Revolution und Unionspolitik zu einem neuen Höhepunkt des deutschen Dualismus. Preußens abwartend neutrale Haltung gegenüber der bedrängten deutschen Großmacht im Süden provozierte den Vorwurf, die ‚deutsche Sache‘ verraten zu haben. Die Rechtfertigung der Berliner Zeitungen, wonach Preußens hinhaltende Diplomatie einen Weltkrieg verhindert habe, konterte der in Österreich erscheinende Wanderer im Juli 1859 mit einer nationalen „Kriegsgemeinschaft“, die notwendig gewesen wäre, wo streng Neutralität eingehalten wurde; der Gehalt des erreichten Friedens müsse sich jedenfalls erst noch erweisen. 342 In diesem ‚Meinungskrieg‘ von 1859 zeigte sich vor allem: Je massiver die nationalen Erwartungen geschürt wurden, desto stärker schlug das Pendel der Enttäuschung aus. Die Niederlagen der österreichischen Truppen bei Magenta und Solferino verstärkten in der deutschen Öffentlichkeit die Krise des Vertrauens in die eigene Stärke. Entsprechend kritisierte die Presse 340

Gall, Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes, Abt. III, Bd. 2, S. 704 f. Vgl. Petersdorff, Bismarck. Gesammelte Werke, 14. Bd., S. 519 f. 342 Vgl. Wanderer, 20. Juli 1859; Preußischen Zeitung, 19. Juli 1859 (Das Blatt schrieb, dass Preußens Neutralität den „Prinzipienkampf“ verhindert habe). Vgl. die Reaktion darauf auch in der Presse, 20. Juli 1859 und der Österreichischen Zeitung, 21. Juli 1859. 341

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in Österreich die preußische Neutralitätspolitik als deutsche Selbstverachtung und als „beschauliche Selbstgenügsamkeit“. 343 Die Haltung zum Krieg reflektierte 1859 eine öffentliche Stimmung, die zunehmend zwischen Fatalismus und Aufruf zur Tat schwankte. Für den prominenten Paulskirchenliberalen Rudolf von Bennigsen galt als ausgemacht, dass die großen politischen Umgestaltungen einer „Bluttaufe“ bedurften, wie ihm die Erfahrung der Geschichte zeigte. Ihn treibe allein die Hoffnung um, bekundete er vor dem Nationalverein, dass sie Deutschland in einem europäischen Kampf zuteil werde und nicht in Bürger- und Bruderkriegen, denn der Riss durch Deutschland, politisch wie konfessionell, sei auf Dauer schwerlich durch etwas anderes zu heilen als durch einen Krieg mit dem Ausland wie 1813. 344 Der Nationalverein war im Schatten des italienischen Krieges gegründet worden. Darin versammelten sich diejenigen Kräfte der bürgerlichen Verfassungsbewegung, die – erst recht nach der Niederlage Österreichs – Preußen als Führungsmacht auf ihr Panier geschrieben hatten. 345 Zu ihnen zählten neben den „Gothaern“ als gemäßigte Liberale inzwischen auch Linksliberale und gemäßigte Demokraten. 346 Die nationalpolitische Annäherung der ideologischen Lager kam in Ziel und Strategie des Nationalvereins zum Ausdruck: Man wollte einen deutschen Bundesstaat mit starker Zentralgewalt und direkt gewähltem Parlament nach Art der Reichsverfassung von 1849. Die entsprechende Strategie zur Überwindung des dualistischen Gegensatzes war – dem Forschungsbefund Andreas Biefangs folgend – ebenso einfach wie radikal. Hier setzte man auf einen europäischen Krieg, in dem Preußen zunächst die militärische, später dann die politische Führung Deutschlands erlangen sollte, legitimiert durch ein nationales Parlament und eine nationale Verfassung. Die Außenpolitik wurde damit nach Biefang zur bloßen Funktion der Innen- bzw. Einigungspolitik und der Krieg zu einem legitimen politischen Mittel. 347 Im Streit um die Neutralitätspolitik Preußens kam 1859 die konfessionelle Prägung der beiden Großmächte als ein wesentliches Axiom der konkurrierenden Deutschlandbilder zum Tragen. Als Determinante im nationalpolitischen Denken 343

Vgl. Presse, 13. Mai 1859. Vgl. Schultze/Thimme, R. Bennigsen, S. 101. Bereits 1846 die gleiche Ansicht bei Werner, Die preußische Politik, S. 27. 345 Siehe dazu Biefang, Der Deutsche Nationalverein. Dem Nationalverein trat 1862 – im Gesamten weniger wirksam als das kleindeutsche Vorbild – der Deutsche Reformverein entgegen, eine – in den Worten Nipperdeys – eigentümliche Allianz von Konservativen, Klerikalen und Demokraten, die staatenbündische Reformpläne verfolgte und in einem negativen Konsens eine preußische Hegemonie ablehnten. Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 711. 346 Die nationalpolitische Annäherung zwischen Liberalen und Demokraten wurde 1861 in Preußen mit der Gründung der Deutsche Fortschrittspartei nachvollzogen. Vgl. dazu Winkler, Preußischer Liberalismus; ders., Der lange Weg nach Westen, S. 150 ff. 347 Siehe dazu Biefang, National-preußisch oder deutsch-national. 344

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ist sie für die anhaltende geschichtspolitische Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges konstitutiv. Denn jenseits seines Verständnisses als enthegter Bruderoder Staatenkrieg erinnerte man sich seiner immer auch als Religionskrieg und als konfessioneller Bürgerkrieg. Mit dem Scheitern der Paulskirchenverfassung hatte der Versuch, die religiösen Spannungen innerhalb der Nation verfassungsrechtlich einzudämmen, einen Rückschlag erlitten. Franz Joseph Buß hatte 1852 die sprachliche Wendung von einem „Prinzipienkrieg“ aufgegriffen, den er im „Revolutionskrieg von 1848 und 1849“ ohne Ausgang geblieben sah. Als führendem Kopf der katholischen Vereinsbewegung standen ihm aber weniger die vordergründig politischen Prinzipien vor Augen; stattdessen bewegte ihn deren vermeintlich tieferer Ursprung, die deutsche Glaubensspaltung: „Jetzt glüht es unter der Decke fort: er arbeitet, ein schlafloser Vulkan, nicht erst seit 1848, sondern seit drei Jahrhunderten unter der Nation.“ 348 Auch die innerkonfessionellen Konflikte hatten erneut an Schärfe gewonnen. Im 1863 gegründeten Protestantenverein sammelte sich organisatorisch die liberale und nationale Opposition zum orthodox-kirchlichen Protestantismus. 349 Auf Seiten des Katholizismus wiederum trieb die dezidiert fortschrittsfeindliche päpstliche Politik, die sich später im Syllabus von 1864 und schließlich 1870 im Unfehlbarkeitsdogma niederschlug, liberale Katholiken in Opposition zur ultramontanen Kirche. Die aggressivere Tonlage innerhalb und zwischen den Konfessionen färbte auch auf die miteinander konkurrierenden nationalen Zukunftsentwürfe ab. „Eine hübsche Uniform nach der neusten Mode heilt keine alten Eingeweide-Krankheiten“, verlautete es kategorisch aus dem katholischen Meinungsspektrum. Die „Constitutions-Erfinder“ des 19. Jahrhunderts hätten die Lehre der Reichsgeschichte nicht verstanden, nach der die Einheit der Deutschen nie eine nationale, sondern immer eine religiöse gewesen sei. Weil aber die Zersplitterung des deutschen Staatslebens die Folge der fortschreitenden Emanzipation des Nationalen vom Religiösen sei, könne man an eine politische Wiedervereinigung Deutschlands nicht eher denken, bis nicht zugleich „das Fest der zeitgemäßen Wiedervereinigung des Protestantismus mit dem Katholizismus gefeiert“ werde. 350 In ihrer Neujahrsbetrachtung von 1859 färbten die Historisch-Politischen Blätter für das katholische Deutschland den nationalen Gedanken zusätzlich ultramontan ein: „Der vielgelästerte Ultramontanismus ist es, der die heilige Flamme der germanischen Staatsidee vor den Wasserströmen der Zeitphilosophie gerettet und auf dem Altar der Kirche gepflegt hat.“ 351 348 Vgl. Buß, Die Aufgabe des katholischen Theils deutscher Nation, 1852. Hier zit. nach Klug, Rückwendung zum Mittelalter, S. 387. 349 Vgl. dazu grundlegend Lepp, Nationalprotestantischer Aufbruch. 350 Volkmuth, Rußland und die Zukunft der Deutschen, S. 82 f. 351 Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 43 (1859), S. 315.

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Von dieser Tendenz des nachrevolutionären Katholizismus sahen die konfessionellen Widersacher wiederum die größte Gefahr für Deutschland ausgehen. Der bayerische Ministerpräsident Ludwig Freiherr von der Pfordten brachte seine Besorgnis zum Ausdruck, dass Deutschland einem neuen dreißigjährigen Krieg entgegengehen könne, wenn es denn die „ultramontane Parthei“ darauf anlegen würde. In einem vergifteten politischen Klima, in dem die konfessionellen Gegensätze alles Politische dominierten, fühlte sich der Protestant von der Pfordten Beschuldigungen der ultramontanen Hofpartei ausgesetzt, geheime Sympathien für das evangelische Preußen zu hegen. 352 „In unserer Zeit gibt es wieder eine protestantische und eine katholische Politik, wie es eine Liga und eine Union gab“, hatte bereits 1852 ein protestantischer Anonymus die politische Lage charakterisiert. Die Novemberkrise betrachtete er rückblickend als Auseinandersetzung zwischen dem katholischen und dem protestantischen Prinzip; darin habe sich das protestantische Volk wehrlos den katholischen Mächten ausgeliefert, welche die Restitutionsedikte des Dreißigjährigen Krieges noch immer nicht vergessen hätten. An anderer Stelle wurden die deutschen Katholiken unverblümt an die Zeiten erinnert, in denen die Reformation bis in den europäischen Norden hinein Alliierte gefunden habe. Der Kampf der Reformation sei noch nicht zu Ende, lautete die Botschaft, sondern würde vom nationalen Zeitgeist wieder aufgenommen. Daran schloss sich die unmissverständliche Drohung an: „Wollt ihr daher mehr ultramontan, als deutsch-national sein, so wundert euch dereinst nicht, wenn in zerrissener Zeit der evangelische Zeitgeist auch wieder die freie Errungenschaft mit seinen Gleichgenossen zu vertheidigen weiß. Gott bewahre uns Deutsche vor dieser Schande. Auf euch komme sie dann, die ihr sie schon einmal durch euren Starrsinn und euer moralisch-sittlichen Irrthümer [ . . . ] herauf beschworen habt!“ Diese nationalprotestantische Kampfansage verband sich mit dem Telos der borussischen Geschichtsauffassung: dem ‚deutschen Beruf‘ Preußens; die nordische Großmacht müsse „wie Phönix aus der Asche“ neu geboren werden, um Deutschlands Kern zu werden. Den populären Germanenbezug wusste die Flugschrift in zeittypisch enger Bindung an den protestantisch gefärbten Nationalismus gegen den ultramontanen Katholizismus zu richten. Sie erinnerte daran, dass Deutschland nicht in Rom oder Wien, sondern im Norden von dem „alten Römerjoch“ befreit worden sei: Und im Norden – so wolle es der Weltgeist durch den richtigen Zeitgeist – würde sich auch seine Befreiung vom „neueren römischen Joch“ vollziehen. 353 1859 richteten sich die Blicke der deutschen Katholiken auf Rom, weil der Konflikt in Italien auch die Machtstellung des Papstes gefährdete. Das führte dazu, dass von klerikaler Seite gegenüber der italienischen und der deutschen vor allem die „römische Frage“ betont wurde. „Mit Österreich siegt oder fällt Recht und Freiheit, 352 353

Baumgart, Akten des Krimkrieges, 2, 2, Nr. 286. Raum Zeit Bewegung oder Preußens Genius, 1. Heft, S. 45, 48; ebd., 4. Heft, S. 21.

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mit Napoleon das Antichristentum“, lautete die bezeichnende Kriegslosung der Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland. 354 In Deutschland trieb der Krieg vor allem die konfessionelle Polemik zu neuer Blüte. Obgleich sich die Menschen nicht mehr leicht zu „fanatischem Racen- und Religionshaß“ erhitzen ließen, war es in einer Flugschrift des Jahres zu lesen, so liege doch in dem erstarkenden Ultramontanismus ein „allerbedenklichster Gährungsstoff“, der auch in Deutschland all die Antipathien wieder neu erregen könne, die sich in Jahrhunderten nur mühsam gelegt hätten. 355 In München kam zur selben Zeit seitens der Historisch-Politischen Blätter für das katholische Deutschland der Vorwurf auf, Preußen wolle die deutsche Einigkeit mit allen Mitteln, „namentlich durch Entzündung von Religionshaß“, hintertreiben. 356 Unbegründet war dieser Vorwurf nicht angesichts von Stimmen, die – wie in Norddeutschland die Hamburger Nachrichten – in dem österreichischen Feldzug nur einen „katholischen Krieg“ zu erkennen vermochten und daher eine Unterstützung durch Preußen als protestantische Vormacht ablehnten. Dass selbst eine Leitartikelserie in der Kreuzzeitung, die Preußen im Grunde an der Seite Österreichs sehen wollte, den kommenden Krieg Anfang Februar 1859 zum häuslichen Zwist innerhalb der katholischen Welt erklärte, offenbart den Riss innerhalb des konservativen Lagers und zeigt überdies, wie die konfessionelle Prägung Grenzen quer zu den politischen Lagern zog. 357 Mit dem Großherzoglich hessischen Hofgerichtsrat Friedrich Noellner meldete sich 1859 eine in konfessioneller Hinsicht besonnene Stimme zu Wort, die nachdrücklich die Versuche kritisierte, die „unter der Asche glimmende Religionsfehde“ anzuheizen und durch konfessionelle Stimmungsmache die politischen Gegensätze noch weiter zu vertiefen. 358 Seinen Aufruf zu Einheit und Eintracht in Deutschland beendete Noellner, der offenbar wie Friedrich von Thielau von 354

Vgl. Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 43 (1859). Vgl. Die Aufgaben deutscher Politik. S. 121 ff., S. 141. 356 Vgl. Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 43 (1859), S. 55 f. 357 Hier zit. nach Buschmann, Auferstehung der Nation, S. 366. 358 Noellner, Preußen als Großmacht, S. XII, 38. „Die politische deutsche Einheit hing mit der christlichen Einheit zusammen, die Europa seit Karl dem Großen beherrschte. Die Reformation legte den Grund zu unheilbarer Trennung Deutschlands. Preußen vertritt den Protestantismus, Oesterreich den Katholicismus. Die kirchliche Trennung wird genährt, weil man beiderseits darin seine Stärke zu finden glaubt. Und doch besteht vor der Bildung und Aufklärung die Idee einer solchen Trennung nicht mehr, dem wahren Christenthum ist sie entgegen, sie hätte auch im Volke ihre Triebkraft verloren, wenn sie nicht stets durch dogmatische Streitigkeiten und kirchliche Uebertreibungen von beiden Seiten genährt und gestärkt würde!“ (ebd., S. 28). In seinem historischen Urteil traf beide Seiten eine Mitschuld am nationalen Niedergang. So begriff zwar auch Noellner die Emanzipation Preußens von Kaiser und Reich als den Anfang deutscher Zersplitterung. Aber erst das Machtstreben des „Katholicismus im römisch-hierarchischen Sinne“ habe Österreich um die deutsche Kaiserkrone und Deutschland um seine Einheit gebracht. Ein „genial thatkräftiger Kaiser“, so Noellner, hätte die Einheit wiederherstellen können. Ebd., S. 2. 355

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den nationalen Festen zum Schillerjahr beeinflusst war, mit einem Zitat aus Wallensteins Tod. Darin kam ebenso die politisch festgefahrene Lage des deutschen Dualismus zum Ausdruck, wie der Weg zu einer gewaltsamen Lösung der deutschen Frage gewiesen wurde: „Mir ist’s allein ums Ganze. Seht! Ich hab’/ Ein Herz, der Jammer dieses deutschen Volks erbarmt mich./ [ . . . ] Keiner will/ dem Andern weichen! Jede Hand ist wider/ die andre! Alles ist Partei und nirgends/ Kein Richter! Sagt, wo soll das enden? Wer/ den Knäul entwirren, der, sich endlos selbst/ vermehrend, wächst – Er muß zerhauen werden.“ 359 In dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck fand sich im Jahr 1866 ein politischer Akteur in inzwischen verantwortlicher Position, der bereit war, diesen Hieb zu wagen. Spätestens seit seiner „Blut-und-Eisen“-Rede von 1862, die schnell zum geflügelten Wort geworden war, konnte an dessen machtpolitischer Entschlossenheit kein Zweifel bestehen. Seinen Ausgang nahm der Krieg von 1866 in der neu entflammten Krise um den nationalen Streitfall Schleswig und Holstein. Als 1863 Dänemark einen Versuch unternahm, sich in einem neuen Staatsgrundgesetz Schleswig einzuverleiben, war dies ein klarer Verstoß gegen die Autonomiegarantie des zweiten Londoner Protokolls von 1852. Der dänische Vorstoß traf insbesondere auf den entschiedenen Widerstand des Augustenburgers Friedrich VIII., der auf verwirkte Erbrechte in den beiden Territorien pochte und ihre Loslösung aus dem dänischen Staatenverbund als selbständige Herzogtümer anstrebte. Seitens der nationalen Öffentlichkeit im Deutschen Bund trug diesen eine Woge der Sympathie und dort war ihm auch die Zustimmung der Mittelstaaten sicher – nicht aber die volle Unterstützung der Kabinette in den beiden deutschen Großmächten. Denn Preußen und Österreich hatten den Krieg von 1864 vorrangig für die Einhaltung der dänischen Verpflichtungen aus dem Londoner Protokoll ausgefochten. Friedrich VIII. bedeutete für beide nur eine strategische Größe zur Durchsetzung jeweils eigener machtstaatlicher Interessen. Damit mündete der Feldzug gegen Dänemark, den man zwar vereint geführt und auf den Düppeler Schanzen siegreich für sich entschieden hatte, schnell in Konfrontation. Vor allem die Berliner Regierung verfolgte mit dem militärischen Engagement Preußens das Ziel, den eigenen strategischen und militärischen Machteinfluss im Norden Deutschlands zu vergrößern. Als man daher das mit dem Wiener Frieden bestimmte preußisch-österreichische Kondominium in einen faktischen Anschluss der Elbherzogtümer an Preußen verwandeln wollte, schien wie im November 1850 ein innerdeutscher Krieg unausweichlich. Zwar konnte die Konvention von Gastein den Krieg noch einmal abwenden, sie schuf aber nur ein neues Provisorium, das mit seinem für beide Seiten unbefriedigenden Ergebnis den notwendigen Zündstoff lieferte, um den Krieg ein Jahr später endgültig zum Ausbruch zu bringen. 359

Ebd., S. 167.

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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Die Vermischung nationaler, dynastischer und partikular-machtstaatlicher Interessen im Schleswig-Holstein-Konflikt hatte massive Auswirkungen auf die politische Stimmung im Deutschen Bund. Einerseits traf die Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Schleswig-Holsteiner in Teilen der Nationalbewegung auf entschiedene Kritik. Andererseits trieb die preußische Annexionspolitik insbesondere die Öffentlichkeit in den Mittelstaaten um, wo nun auch Regierungen und Fürsten wegen der Aufgabe des dynastischen Legitimitätsprinzips der Politik der Großmächte mit Misstrauen begegneten. Die Visionen Friedrich Noellners, dass erst ein Krieg zwischen den beiden Großmächten oder aber die Revolution zur Lösung der deutschen Frage führen werde, fielen in Bismarcks Konfrontationspolitik von 1866 zusammen. Seine militärisch herbeigeführte Revolution von oben erfolgte freilich nicht unter der „Herrschaft des demokratischen Prinzips“, wie Noellner sie vorausgesehen hatte. Aber Bismarck, der das Staatsinteresse Preußens zur Not auch in einem Bündnis mit dem bonapartistischen Frankreich zu sichern bereit war, wusste sich zur Verwirklichung seiner Pläne der nationalen Zeittendenzen zu bedienen. Auch wenn der Krieg 1866 von Beginn an nach den Regeln eines Kabinettskrieges geplant und später militärisch entsprechend geführt wurde, nutzte Bismarck mit seinem Vorstoß für ein gesamtdeutsches Parlament geschickt ein Herzstück der liberalen und nationalen Forderungen. Schon im Mai 1859 hatte er gegenüber dem Generaladjutanten des Prinzen von Preußen, Gustav von Alvensleben, die Handlungsmaxime preisgegeben, mit der ein preußischer Krieg in Deutschland propagandistisch zu führen sei, um einer Annexionspolitik im Süden zum Sieg zu verhelfen: Das Königreich Preußen müsse sich in „Königreich Deutschland“ umbenennen. Dann erst würde es die Bevölkerung der in Besitz genommenen Territorien für sich gewinnen, anschließend würden sich diese, so Bismarck weiter, „für uns“ schlagen. 360 Dass dem Ministerpräsidenten zufolge die preußischen Soldaten die Grenzpfähle „entweder am Bodensee“ einschlagen sollten oder aber da, „wo das protestantische Bekenntnis aufhört vorzuwiegen“, antizipiert zugleich einen wesentlichen Aspekt des preußischen Propagandafeldzugs von 1866: die Instrumentalisierung konfessioneller Gefühle.

III. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und der innerdeutsche Krieg 1. Der „komplexe“ Krieg von 1866 1866 wurde zu einem Epochen- und Schicksalsjahr in der deutschen Geschichte. 361 Im Frühsommer endete der lange Zeit gewahrte ‚bewaffnete Frieden‘ innerhalb des Deutschen Bundes. Der Dualismus zwischen Preußen und Österreich 360

Hier zit. nach Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 148.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

kulminierte in einem offenen Krieg, mit dem sich ein Jahrzehnte währender latenter Bellizismus im politischen Denken ungehemmt Bahn brach. Dieser schlug sich in einem erbittert geführten öffentlichen Meinungsstreit nieder – im Vorfeld des Krieges zunächst über dessen Rechtmäßigkeit und nationalen Gehalt, nach Kriegsausgang über den historischen Ort des preußischen Sieges. Zwei Quellen aus dem Umfeld des Krieges belegen, dass schon die Zeitzeugen die künftige Geschichtsschreibung fest im Blick hatten. Im Mai, als die Krise unausweichlich auf die militärische Eskalation zusteuerte, hielt die österreichische Neue Freie Presse kritisch Rückschau und warf zugleich einen skeptischen Blick in die Zukunft: „Der künftige Geschichtsschreiber dieser trostlosen Zeit wird ein schweres Stück Arbeit haben, wenn er an die Darstellung der von Österreich und Preußen in den letzten Jahren verfolgten Politik geht. Er wird entweder verzweifeln, in dieses Chaos von Widersprüchen irgendeinen logischen Zusammenhang zu bringen, oder er wird – wenn er gerecht ist – über die solche Zustände gebärende Grundsatzlosigkeit und Ideenarmut erbarmungslos den Stab brechen.“ 362 Bei dem Historiker Adolf Schmidt war dagegen nach Kriegsende die Kritik der Vorkriegsmonate grenzenloser Euphorie, die Skepsis im Blick auf die folgenden Historikergenerationen einer positiven Gewissheit gewichen: „Jeder spätere Geschichtsschreiber der deutschen Nation wird die Erträge des Jahres 1866 als einen mächtigen weltgeschichtlichen Fortschritt begrüßen; er wird in dem Jahre der selbständigen Action Preußens auf dem Boden seiner deutschen Politik zugleich die Epoche der großartigsten und folgenschwersten Umwälzung anerkennen, die je die deutsche Geschichte erlebt hat.“ 363 Schmidts emphatische Begeisterung findet eine einfache Erklärung, denn er stand auf Seiten der Sieger von 1866. Damit ist nicht allein der militärische Triumph gemeint; er konnte sich auch als historischer Gewinner fühlen. Denn mit dem Sieg der preußischen Armee bei Königgrätz endete die nach Bismarck tausendjährige Entwicklungsgeschichte des deutschen Dualismus. Hier lag der vermisste „logische Zusammenhang“ der preußischen Politik, die – so wollte es das borussische Geschichtsverständnis – seit Jahrhunderten auf den Ausschluss Habsburgs als vermeintlichen Störfaktor der deutschen Einheit hingewirkt hatte. Schmidts Hoffnung, dass spätere Generationen das Jahr 1866 als Geburtsstunde und Wiege von deutscher Einheit und Freiheit erkennen würden, fand bald darauf im Deutsch-Französischen Krieg neue Nahrung. Sein Ausgang wurde zugleich zu einer neuen Bewertungsgrundlage, auf der sich die geschichtliche Bedeutung des Jahres 1866 zu einem vermeintlich alternativlosen Vorboten des nationalen Einigungskrieges von 1870/71 reduzierte. Denn der Sieg über den Erbfeind im Westen, 361 Siehe dazu Craig, Königgrätz; Wandruszka, Schicksalsjahr 1866; Höfele, Königgrätz und die Deutschen. 362 Vgl. Neue Freie Presse, 17. Mai 1866. 363 Vgl. Schmidt, Preußens Deutsche Politik, S. 279.

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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mit dem sich im Spiegelsaal von Versailles der Traum vom deutschen Nationalstaat in seiner kleindeutschen Version erfüllte, planierte den deutsch-dänischen Krieg von 1864 und den innerdeutschen Krieg von 1866 zur Zielgeraden einer nationalpolitischen „Einbahnstraße“ (Dieter Langewiesche), auf der die deutsche Geschichte zwangsläufig zum Kaiserreich unter preußischer Führung zulief – eine Interpretation, der über Generationen hinweg nachhaltig Erfolg beschieden war. Ein Großteil der noch heute vorherrschenden Bedeutungszuschreibungen der Ereignisse der 1860er Jahre resultiert aus dieser teleologischen Geschichtskonstruktion, wie erst kürzlich der Militärhistoriker Dierk Walter befand. 364 Der Problematik post festum gewonnener Erkenntnis – letztlich ein Wesensmerkmal jeder Geschichtsschreibung – begegnen die nachstehenden Kapitel mit einem Schwerpunkt auf den von späteren Entwicklungen noch unverstellten zeitgenössischen Kriegsdiskurs. Sie reflektieren einen Deutungskampf, in dem der Krieg von 1866 in einem offenen Geschichtsverlauf bewertet wird. Dessen Ausgang führte zunächst nur zu einem neuen binnennationalen Antagonismus, den Zeitgenossen in das Schlagwort „Mainlinien-Dualismus“ fassten und dessen ungewisse Folgen breiten Raum für konkurrierende nationalpolitische Zukunftsentwürfe ließen. 365 Der Glaube, mit der militärischen Entscheidung gegen Österreich ein wesentliches Etappenziel auf dem Weg zu einem kleindeutschen Nationalstaat erreicht zu haben, war 1866/67 jedenfalls nur eine Ansicht unter mehreren. Im kriegerischen Dreisprung zur kleindeutschen Einheit nehmen die Ereignisse von 1866 als innerdeutscher Krieg eine Sonderstellung ein. Versuche, diesen auf eine verbindliche Definition bringen zu wollen, scheitern schon im Ansatz. Hans-Ulrich Wehler hat die komplexe Natur dieses Krieges betont, der ebenso ein konventioneller Staatenkrieg um die Vorherrschaft gewesen sei wie ein nationaler Integrationskrieg und im Ergebnis letztlich ein Bürgerkrieg, den Preußen an der Spitze der Sezessionsstaaten bewusst riskiert und eingeleitet habe. 366 Im militärischen Sinn bildeten die 1866 ausgefochtenen Schlachten jedoch gerade keinen Bürgerkrieg, sondern waren der Höhepunkt der Kabinettskriegsführung im industriellen Zeitalter. 367 Die Interpretation des Krieges hängt also noch heute 364 Vgl. Walter, Preußische Heeresreformen, S. 19. Neben dem Fortwirken der borussischen Geschichtsteleologie nahm in der Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg die deutsche Teilung wesentlichen Einfluss auf die Einschätzung des Kriegs von 1866. Noch in den 1980er Jahren war für Thomas Nipperdey ein Kernpunkt der Tragik der deutschen Geschichte, dass sich die Deutschen nur durch die Teilung von 1866 als politische Nation hätten konstituieren können. Diese Wunde sei nach 1918 zum Trauma der nationalen Existenz aller Deutschen geworden. Der Österreicher und Deutsche Adolf Hitler sei, so Nipperdey, eine späte Geburt jener Teilung von 1866. Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 791. 365 Vgl. beispielhaft Zwei Revolutionen von oben, S. 17. 366 Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 293 ff. 367 Siehe dazu Förster, Moltke, S. 6.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

in hohem Maß vom Betrachtungsstandpunkt ab, und dies gilt umso mehr für die zeitgenössische Einschätzung. Innerdeutsche Kriege, so war im Juli 1866 in der Augsburger Allgemeinen Zeitung zu lesen, hätten die Nation immer heftiger bewegt als Feldzüge gegen das Ausland, denn den Bajonetten und Kanonen sei stets ein „Kampf der Meinungen“ vorausgegangen und gefolgt. 368 Im binnennationalen Krieg, der sich nicht gegen einen klar abzugrenzenden äußeren Feind richtete, schlug daher insbesondere auch die Stunde von Deutungseliten. Ihr Einfluss auf die Regierungspolitik mochte zwar gering gewesen sein, der Deutungskampf aber ist aufschlussreich für das strittige Bild des damaligen Deutschlands und die politische Kultur der nationalisierten Öffentlichkeit. Die konkurrierenden Bezeichnungen hatten kriegslegitimatorische Funktion oder aber waren vice versa gegen den innerdeutschen Krieg gerichtet. Ob man von dem drohenden Kampf als „Bürger- und Bruderkrieg“, als „Volksund Nationalkrieg“ oder aber als „Rasse- und Religionskrieg“ sprach: Als wertbesetzte Begriffe knüpften sich daran jeweils spezifische Bilder vom Krieg und damit zugleich bestimmte Vorstellungen über die Identität der Nation. Der Meinungsstreit wurde 1866 wesentlich auf den Schlachtfeldern geschlagener Kriege ausgetragen. Für die Spenersche Zeitung hielt nichts weniger als die Weltgeschichte ihren fordernden Umgang durch die Völker Europas: „Unsere heutige Lage ist nicht die Friedrichs, nicht die unserer Väter in den Freiheitskriegen, nicht die von 1848. Denn so wie sie gewesen sind, kehren die Dinge niemals wieder, aber was ungelöst blieb, kehrt wieder, um seine Lösung gebieterisch zu fordern.“ 369 „Alle Geschichte ist abgestorbene Politik, alle Politik lebendige Geschichte“, lautet die eingängige Formel des Berliner Historikers Rudolf Köpke, mit der er auf das wechselseitige Verhältnis von Geschichtsdeutung und Gegenwartsverständnis verwies. Als ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte warf daher das Jahr 1866 gleichzeitig ein neues Licht auf die Vergangenheit, denn ähnlich wie man aus der Geschichte die Gegenwart zu verstehen suche, löste diese für Köpke auch die Rätsel der Vergangenheit. 370 Der oben zitierte Artikel der Augsburger Allgemeinen, der unter der Rubrik literarischer Besprechungen erschienen war und dem die Rezension von Heinrich Laubes Romanepos Der deutsche Krieg zugrunde lag, hatte auf die Bedeutung historischer Reminiszenzen in der Kriegsbewältigung verwiesen. Sein Autor fühlte sich mit den Feldzügen von 1866 fatal an dessen zahlreiche Vorgängerkriege erinnert, unter denen für ihn der Dreißigjährige und der Siebenjährige Krieg herausragten. Der Dichtung hätten gerade sie stets als eine Fundgrube gedient, 368 Literarische Briefe. Heinrich Laube’s „Deutscher Krieg“, in: Beilage zur Augsburger Allgemeine, 29. Juli 1866. 369 Vgl. Täuschen wir uns nicht, in: Spenersche Zeitung, 27. Juni 1866. 370 Vgl. Köpke, Das Ende der Kleinstaaterei, S. 8.

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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um in den Ereignissen der Vergangenheit der Gegenwart einen Spiegel vorzuhalten. Im Mai hatte auf gleicher Linie die Wiener Zeitung Laubes Roman als eine zeitgemäße, warnende Stimme gewürdigt, „eine Hand, welche mit festen Zügen den Zustand mit seinen Folgen zeichnet, der eben jetzt wieder heraufbeschworen werden soll“. 371 Zugleich betrieb auf selbem historischen Terrain die Kölnische Zeitung Ursachenforschung für die sich ausweitende Kriegsstimmung. In einem biografischen Abriss breitete das rheinische Blatt anschaulich das Schicksal Johannes Keplers und seiner Frau im Dreißigjährigen Krieg aus, um vor den vernichtenden Folgen eines deutschen Bürgerkriegs zu warnen. Resignierend stellte die Zeitung jedoch fest, dass Deutschland selbst nach den Erfahrungen dieses Krieges nicht von dem „Wahnwitze“ geheilt sei, innerdeutsche Streitigkeiten mit militärischen Mitteln entscheiden zu wollen. Schon 1859, im italienischen Krieg, sei wieder mit einem „Kitzel des Uebermuthes“ das Kräftemessen der deutschen Staaten eingefordert worden. Mit ähnlicher Leichtigkeit sah die Zeitung nun erneut viele von einem innerdeutschen Krieg als „unvermeidliche Rauferei und geringfügige Sache“ reden. 372 Die im Vorfeld des Krieges von der Neuen Freien Presse monierte Widersprüchlichkeit in der Haltung zum Krieg kennzeichnete eher die öffentliche Debatte als die an machtstaatlichen Grundsätzen orientierte Regierungspolitik. Hatte nicht schon die Zeitanalyse der Brüder Reichensperger vom Anfang des Jahrzehnts angesichts widerstreitender Prinzipien eine „Begriffsverwirrung“ und die daraus resultierende Gewaltaffirmation der nationalen Öffentlichkeit zum Thema gemacht? 1866 jedenfalls standen Friedensbekundungen aus der Bevölkerung und unverhohlene Kriegspropaganda in ihren publizistischen Organen nebeneinander. Mahnungen zum Frieden reduzierten sich zumeist auf den innerdeutschen Streit. Der einigende Krieg war längst vom Optativ zum Imperativ geworden, in einer öffentlichen Debatte, die weit weniger um die Frage kreiste, ob der Krieg grundsätzlich gerechtfertigt sei, als vielmehr, welche Art des Krieges der deutschen Sache am besten nutzen würde. Preußische Friedenskomitees und Friedensresolutionen galten daher in Österreich den zum Krieg Entschlossenen nur als Ausdruck gegnerischer Schwäche. 373 Einen Frieden ohne vorherigen Kampf begriffen sie als Erniedrigung und Schmach für Regierung und Volk. Die Gefahr berge nur so lange Schrecken, wie sie „im Nebelgewande offiziöser Gespensterfurcht“ verschwommen erscheine, schrieb der liberale Wanderer. Wenn sie wirklich eintrete, „greifbar, fühlbar“, dann sei es Zeit, sie entschlossen und mit militärischen Mitteln anzunehmen. 374 Weil allerorten Krieg und Frieden als nahezu gleichermaßen gefahrvoll und ohne Aussicht auf eine befriedigende Lösung wahrgenommen wür371 372 373 374

Vgl. Wiener Zeitung, 15. Mai 1866. Vgl. Kölnische Zeitung, 12. Mai 1866. Vgl. Verrath am deutschen Volke, S. 10. Vgl. Ein ernstes Wort zur ernsten Zeit, in: Wanderer, 18. März 1866.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

den, sah auch der Mainzer Katholik in einem „kurzen und entschiedenen Krieg“ die beste Lösung. 375 Dessen moralisierendem christlichem Deutungsmuster vom notwendigen „Strafgericht Gottes“ sekundierte unter säkularen Deutungseliten das Bild vom Krieg als „reinigendem Gewitter“ 376. Eine Konfliktvermeidung mit den Mitteln der Diplomatie schien nicht nur schwer möglich, sondern nicht einmal opportun, denn – so der allgemeine Tenor – sie böte nur eine Galgenfrist, indem sie die Krise zwar vertage, aber nicht aus der Welt schaffe. 377 Im Anlass des Krieges, der unbefriedigenden Lösung des Schleswig-Holstein-Konflikts durch die Übereinkunft von Gastein, konnte man sich in dieser Ansicht bestätigt fühlen. In den Mittelstaaten, wo die Sorge herrschte, zwischen den beiden großen Blöcken zerrieben zu werden, formulierte sich die reservierte Haltung zur diplomatischen Konfliktlösung in dem Schlagwort eines drohenden „zweiten Gastein“. Darin lag, mit Blick auf den entflammten innerdeutschen Machtkampf um die Suprematie, die Sorge vor einer Einigung Österreichs und Preußens am Vorabend des Krieges auf Kosten des „dritten Deutschlands“. In Preußen wiederum wirkte, von der Feindpropaganda maßgeblich angestachelt, die „Schmach“ von Olmütz derart nach, dass über die friedliche Einigung der Kontrahenten der Schatten einer jahrhundertelangen Demütigungsgeschichte fiel 378. „An Ferdinands II. Zeiten konnten die Triumphe des Jahres 1850 und 1851 erinnern, jetzt lag Deutschland zu den Füßen Oesterreichs“, schrieb Rudolf Köpke über die negativen diplomatischen Erfahrungen aus der Novemberkrise, als Fürst Schwarzenberg Österreich mit eben so großer Kühnheit wie Erbitterung gegen Preußen von Sieg zu Sieg geführt habe. 379 Das preußische Verdikt über den Vertrag von Olmütz verwies auf ein lagerübergreifendes Gefühl der nationalen Schwäche, hervorgerufen durch die Einkreisungsängste gegenüber einem feindlich gesinnten Ausland – damit stand die Diplomatie unter dem Generalverdacht des Verrats an ausländische Interessen. Constantin Frantz rief in Erinnerung, dass die deutschen Angelegenheiten 1850 in Warschau vom russischen Zaren entschieden worden seien. Die Konstellation, die damals zur nationalen Demütigung geführt habe, war seiner Ansicht nach historisch nur der Zeit des Dreißigjährigen Krieges vergleichbar – eine Einschätzung, die im selben Jahr auch Wolfgang Menzel teilte, der in seiner Erinnerung an 375

Vor dem Krieg, in: Der Katholik, N. F. 15 (1866), S. 621 f. Vgl. Verrath am deutschen Volke, S. 1; Stille Leute im Krieg, in: Daheim, Jg. 22 (1866), Nr. 42. 377 Vgl. Neue freie Presse, 7. April 1866. 378 Der preußischen Befürchtung – „Nur kein Olmütz“ – stellte die Norddeutsche Allgemeine die Überzeugung entgegen: „Sicher kein Olmütz!“ (Vgl. die Ausgaben vom 19. April und 19. Mai 1866). Der Olmütz-Bezug findet sich am 10. April 1866 auch in der Magdeburger und der Schlesischen Zeitung. 379 Vgl. Köpke, Das Ende der Kleinstaaterei, S. 59. 376

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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die Novemberkrise die damalige außenpolitische Gefahrenlage deckungsgleich geschichtlich verortete. 380 Hätte man sich 1850 nicht dem russischen „Schiedsrichter“ gefügt, so Frantz, wären auch Frankreich und England in die Auseinandersetzung eingetreten: „Ja es wäre vielleicht wie im dreißigjährigen Kriege geschehen, daß ganz Europa sich eingemischt hätte, selbst der türkische Sultan nicht ausgenommen, der doch heute auch zum europäischen Concert gehört, sey es auch nur um die Janitscharenmusik zu repräsentieren. Genug, man hätte uns eins aufgespielt, dass Kind und Kindeskinder daran denken würden, wie einst im dreißigjährigen Kriege.“ 381 Der Rezensent Laubes in der Augsburger Allgemeinen Zeitung hatte mit dem Siebenjährigen und dem Dreißigjährigen Krieg die beiden wesentlichen historischen Ankerpunkte des Kriegsdiskurses von 1866 benannt. Warum insbesondere die Darstellung des 17. Jahrhunderts das Interesse der deutschen Öffentlichkeit hervorrufen könne, erklärte sich ihm nicht allein aus den Analogien zwischen dieser Vergangenheit und der Gegenwart. Diese zog er im Übrigen selbst, indem er betonte, dass Österreich 1866 wie zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges erneut als „Wahrer des historischen Rechts und des Bestehenden“ gegenüber den „umgestaltenden Tendenzen des geschichtlichen Fortschritts“ auftrete. Stärker noch sah der Autor jedoch ein spezifisches Zeitgefühl um sich greifen, das den Schilderungen des Dreißigjährigen Krieges entgegenkomme. Denn gerade dieser bringe den „thatkräftigen, unruhig vibrierenden Zug“ einer kriegerischen Epoche zum Ausdruck, durch die alles Altgewohnte, die Existenz und das Leben selbst in Frage gestellt seien. Den gesellschaftlichen Bellizismus hatte die Kölnische Zeitung psychologisch und generationsbedingt zu erklären versucht: So wie nach dem Dreißigjährigen Krieg bereits die zweite und dritte Generation den Schrecken von Mord und Plünderung vergessen habe, verdrängten nun auch die Zeitgenossen das Wissen ihrer Väter über die Verheerungen der Napoleonischen Kriege. Derart weite historische Linien zu ziehen hieß nicht, dass im Kriegsdiskurs von 1866 die militärische Realität des 19. Jahrhunderts ausgeblendet wurde. Der Krimkrieg und in besonderem Maß der amerikanische Bürgerkrieg hatten das Antlitz des modernen Krieges verändert und die Vernichtungsgewalt der modernen Waffentechnik und Kriegsführung unter Beweis gestellt. Die Kölnische Zeitung untermauerte daher energisch ihre Warnung vor dem Ernst der Lage mit dem Verweis auf die amerikanischen Erfahrungen, wo ebenfalls ein schneller Kriegsausgang erwartet worden 380 „Wenn Österreicher gegen Preußen, Deutsche gegen Deutsche gekämpft und einander zerfleischt hätten, unter dem schadenfrohen Hetzrufen Frankreichs und Rußlands, hätte Deutschland die fluchwürdigen Zeiten des dreißigjährigen Krieges wieder erlebt und die Fremden würden wieder ihr Beutetheil von Deutschland abgerissen haben.“ Vgl. Menzel, Preußen und Österreich, S. 59. 381 Vgl. Frantz, Theorie der deutschen Frage, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1866, 2. Heft, S. 14.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

sei, am Ende aber ein vierjähriger Bürgerkrieg – „so ziemlich der größte Krieg, den die Welt gesehen“, wie das Blatt zu Jahresanfang geurteilt hatte – die einst blühende Union verwüstet habe. 382 Doch oftmals flüchteten sich die Kommentatoren im gleichen Atemzug in einen bildungsbürgerlichen Gestus. Sie riefen die Erinnerungen an das alte Hellas und den Krieg zwischen Sparta und Athen wach, erklärten den Waffengang offensiv zur „Schlacht von Pharsalus“, die unausweichlich zwischen Österreich und dem Hause Brandenburg geschlagen werden müsse, 383 oder griffen noch im Angesicht der menschlichen Verheerungen auf den Kriegsschauplätzen zu Versen Friedrich Schillers, der das nötige Vokabular lieferte, um das Grauen des Krieges nationalpolitisch einzuhegen und so zu mildern. 384 Die aus der Geschichte abgeleitete Mahnung schloss oftmals Schuldfragen mit ein und provozierte dadurch zugleich Strafphantasien. Dies kam eindringlich in der engagierten Lyrik als einem wesentlichen Medium der politischen Agitation zum Ausdruck. In wenigen Versen verdichteten sich hier kulturell wie kommunikativ tradierte Erfahrungen des mehrhundertjährigen deutschen Dualismus. Politische Gedichte transportierten ein Geschichtsgefühl, das weniger diskursiv als appellativ auf die Emotionen der Leser zielte. Am Tag nach Königgrätz, noch ohne Wissen von dem durchschlagenden Erfolg des preußischen Heeres, druckte die Spenersche Zeitung ein Gedicht ab, das für das weit gefasste Panorama der preußischen Geschichtsbezüge symptomatisch ist. Die Anklage, die darin gegen den Wiener Hof als „Beute der Jesuiten“ erhoben wird, führt von den Glaubenskriegen bis in die Gegenwart und schildert die österreichische Politik als eine Kette des Verrats mit dem einzigen Ziel, Preußen von der Landkarte zu tilgen: O Habsburg, alt und reich/ an Ruhm und einsti’gen Ehren,/ ach wärest Du zum Reich/ gestanden ohn’ Aufhören!/ Doch Du hast stets gemehrt/ nur fremden Völkermang/ Und deutschem Geist gewehrt/ um röm’schen Glaubenszwang// Dem opferst Du den Sieg/ schon seit dreihundert Jahren;/ der dreißigjähr’ge Krieg/ verrieth Dein Fluchgebahren. [...] Nun wahre, Habsburg, dich!/ Es naht der Tag der Rache,/ der Spieß nur wendet sich,/ es ist die alte Sache,/ die uns treibt frisch in’s Feld/ mit dem Zündnadelblitz,/ daß all dein Prahlen fällt./ Denk an den alten Fritz!// Ein neues Reich sich baut/ auf unsern blut‘gen Leichen;/ ein Sühnemorgen graut/ An Körner’s Dallwitzeichen. 385

382 Vgl. Preußen und der Krieg, in: Kölnische Zeitung, 6. April 1866; Das Ausland im Jahre 1865, in: Kölnische Zeitung, 5. Januar 1866. 383 Vgl. Oesterreichs Herausforderung, S. 15. 384 Vgl. Der Ausgleich mit Oesterreich, in: Kölnischen Zeitung, 17. März 1866. 385 M. F. H.: Nun danket alle Gott, in: Spenersche Zeitung, 4. Juli 1866. Der Verfasser bezieht sich auf Theodor Körners Gedicht von 1812 Die Eichen: „Deutsches Volk, du herrlichstes von allen,/ Deine Eichen stehn, du bist gefallen!“

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Was hier im Rückgriff auf den Dreißigjährigen Krieg und die Epoche der Napoleonischen Kriege zunächst nur als Verheißung beschrieben ist, schien mit dem Sieg der preußischen Armee in Königgrätz Gewissheit zu werden, wie nur zwei Tage später an gleicher Stelle zu lesen war: Das gilt Kanonendonner auf Böhmens Fluren neu:/ Herr Gott, Herr Gott, dich loben – du bist und bleibst getreu!/ giebst Sieg auf Sieg uns Ketzern; wo bleibt der Kirche Sieg?/ Wo bleibst du neugeträumter, du dreißigjähr’ger Krieg?/ Doch sieh, schon steigt bei Wetzlar ein neu Gewitter auf:/ die Liga will Wettlaufen mit Benedek den Lauf;/ Sie will nun flugs statt seiner eilstürmen auf Berlin,/ Doch unterwegs noch suchen den Bronzellschuß und – flieh’n./ Ihr Preußen, denkt in Böhmen der Schmach von Olmütz fein!/ Doch nein – Ihr denkt jetzt lieber ‚Laß Olmütz Olmütz sein¡/ Wir ziehn wie Blücher vorwärts unaufhaltsam nach Wien, besuchen dort den Kaiser, wenn er nicht auch will – flieh’n. 386

Man stände vor dem Ende des entsetzlichsten Krieges, den Deutschland nach dem dreißigjährigen erlebt habe, kommentierte die Augsburger Allgemeine Zeitung im Juli den bevorstehenden Kriegsausgang. 387 Dass das Blatt selbst nach dem überraschend schnellen Kriegsausgang und entgegen allen Erfahrungen auf den Schlachtfeldern erneut das Bild des Dreißigjährigen Kriegs bemühte, verweist für den Kriegsdiskurs auf die Dominanz der nationalpolitischen Bewertungsparameter gegenüber der Abbildung der militärischen Realität. Gleichzeitig wird dadurch die Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges unterstrichen, der erkennbar zum Grundbestand im Wahrnehmungs- und Deutungsapparat der öffentlichen Meinungseliten zählte. Die Erinnerung daran wachzurufen, dramatisierte den Kriegsdiskurs nachhaltig. Im Hinblick auf die nationale Katastrophenerzählung hieß das: Wer die Folgen eines enthegten innerdeutschen Krieges mit einem historischen Beispiel belegen wollte, berief sich auf das Bild vom Dreißigjährigen Krieg als einer „Art Armageddon der deutschen Geschichte“ (Nikolaus Buschmann 388), das in der Warnung vor den Folgen deutscher Zwietracht auf ein einiges Deutschland als homogene Leidensgemeinschaft zielte. Daneben gewann aber ein Deutungsangebot der preußischen Kriegsbefürworter an Gewicht, das eben diese popagierte Gefühlsgemeinschaft unterlief und in einem nationalprotestantisch-preußischen Geschichtsverständnis den Dreißigjährigen Krieg zur historischen Berufungsinstanz erkor, um den innerdeutschen Waffengang als geschichtliche Notwendigkeit zu legitimieren – ganz so, wie es Friedrich von Thielau zu Beginn des Jahrzehnts vorgezeichnet hatte. In einem nationalkonfessionellen Interpretationsrahmen lieferte ihnen die Sieges- und Niederlagengeschichte des Dreißigjährigen Krieges – verstanden als protestantisch-deutscher Befreiungskampf – das notwendige historische Anschauungsmaterial, um der kriegerischen Kraftrhetorik Nachdruck zu verleihen. 386 387 388

Vgl. Spenersche Zeitung, 6. Juli 1866. Einheit und Einigkeit, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 23. Juli 1866. Vgl. Buschmann, Im Kanonenfeuer, S. 107.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Von beiden Aspekten der Bezugnahmen auf die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges wird in den folgenden Kapiteln die Rede sein. Sie sollen Antworten geben auf die übergreifende Fragestellung nach Kriegslastigkeit und Friedensfähigkeit des untersuchten Geschichtsbildes in der öffentlichen Debatte. 2. Vor der Schlacht von Königgrätz: Der Krieg als territorialer Macht- und als ideologischer Kulturkampf Es braust ein Lied aus alter Zeit/ von Mord und Pest und Flammen,/ da brach nach dreißigjähr’gem Streit/ Das deutsche Reich zusammen,/ das Banner sank, stumpf war das Schwert,/ der Fremde nahm, was er begehrt –/ O Deutschland, du lagst abgekehrt/ dem Frieden und der Freiheit! [ . . . ] Weh allen, welche sinnbethört/ Mißgunst und Zwietracht schüren,/ weh allen, welche hirnverstört/ Zum Kampf die Trommel rühren!/ Denkt an die rechte Ehr’ und Pflicht –/ Die Zukunft übt ein streng Gericht –/ Vergesset Kain und Abel nicht –/ gebt Frieden und die Freiheit! Wolfgang Müller, Ein Osterlied: Pax vobiscum, 1866 389

a) Die Kriegserwartung zwischen lokalisiertem Duell, enthegtem Bruderkrieg und Rassenkrieg Die Entscheidung zum Krieg mit Österreich fiel im preußischen Kronrat bereits Ende Februar 1866. Der Gewaltdeterminismus, den Otto von Bismarck bereits im deutschen Dualismus angelegt sah, ließ aus seiner Sicht keine Alternative zu einem „gründlichen inneren Krieg“ zu, wie er schon Jahre zuvor angekündigt hatte. 390 Bismarcks Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten auf die militärische Option folgte dem machtstaatlichen Partikularinteresse Preußens. Lange nach dem Krieg bekannte Helmuth von Moltke, dass dieser von Preußen nicht aus Notwehr gegen eine existentielle Bedrohung geführt und auch nicht durch 389 Ein Osterlied: Pax vobiscum von Wolfgang Müller aus Königswinter, in: Kölnische Zeitung, 1. April 1866; siehe auch: Friedensruf. Gedicht von Rudolf Gottschall, in: Kölnische Zeitung, 27. März 1866. 390 Bismarck an Minister von Manteuffel, 26. April 1856; hier zit. nach Petersdorff u. a. (Hg.), Bismarck. Die gesammelten Werke, Bd. 2, S. 138 ff.

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die öffentliche Meinung hervorgerufen worden sei: „Es war ein im Kabinett als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter Kampf, nicht um Ländererwerb, Gebietserweiterung oder materiellen Gewinn, sondern für ein ideales Gut, für Machterweiterung.“ 391 Die nüchterne Reduzierung auf den machtpolitischen Dualismus, die Moltke in seinem Rückblick vornahm, kontrastiert mit den großen nationalen Themen, die den öffentlichen Diskurs im Vorfeld des Krieges kennzeichneten. Aber auch unter den Kontrahenten dieses öffentlichen Schlagabtauschs verbanden sich mit Österreich und Preußen nicht allein unterschiedliche Ideen einer nationalstaatlichen Ordnung für Deutschland, es wirkten auch dynastische Loyalitäten und partikularstaatliche Bindungen nach. Diese kamen insbesondere dann zum Tragen, sobald sich die Kriegsdebatte auf historisches Terrain verlagerte. Mit der Fixierung auf ein Duell zwischen Österreich und Preußen, das mit den Mitteln des klassischen Kabinettskrieges ausgetragen würde, sahen Kommentatoren aller politischen Lager die Tage Friedrichs II. und Maria Theresias zurückgekehrt. Der Berliner Korrespondent der Kölnischen Zeitung zeichnete Anfang Mai ein Stimmungsbild der preußischen Hauptstadt, in dem als österreichisches Kriegsziel galt, endlich das auszuführen, was im Siebenjährigen Krieg vergebens beabsichtigt worden sei. Die ehrgeizigen Könige Preußens sollten wieder zu Markgrafen von Brandenburg herabgesetzt werden. 392 „Es sind die Zeiten Friedrichs, die wir erleben“, rief ihrerseits die in Berlin ansässige Presse die Erinnerung an den Siebenjährigen Krieg wach: „Wie sich auch die Dinge wenden mögen, in diesen Kämpfen uns als sein Volk, als die Enkel jener Ahnen gefühlt zu haben, das allein schon ist eine große Erhebung.“ 393 Dass der preußische König in die Fußstapfen seines großen Ahnherrn treten würde, war ein Allgemeinplatz der Agitation in Österreich, hier aber mit entschieden negativer Konnotation. Während das konservative Vaterland noch zwischen dem preußischen Staat und seiner Regierung unterschied, als es die Losung ausgab, den „widererstandenen bösen Geist Friedrichs II.“ zu bekämpfen, nicht aber die Existenz Preußens, wollte dagegen unter den Liberalen die Neue Freie Presse den österreichisch-preußischen Konflikt gerade deshalb nicht als Kabinettsfrage sehen, weil darin ein seit Jahrhunderten im „Volksbewusstsein“ lebender Gegensatz zum Ausbruch käme: dem preußischen „Altfritz’schen Geist“ stünde Österreichs tausendjährige Tradition gegenüber, die in der föderativen Organisation Deutschlands 391

Hier zit. nach Epkenhans, Wir Deutschen fürchten Gott, S. 58. Gefahr eines deutschen Krieges, in: Kölnische Zeitung, 2. Mai 1866. 393 Vgl. Noch ein Vergleich von ehemals und heute, in: Spenersche Zeitung, 1. 6. 1866. Zuvor bereits: Zur jetzigen Situation, in: Spenersche Zeitung, 6. Mai 1866. Den Kriegsverlauf begleitete die Nationalzeitung bezeichnenderweise mit einer Artikelserie über das Berlin in den Jahren der friderizianischen Kriege. Vgl. Berlin in Kriegs- und Friedenszeiten, in: Nationalzeitung, 6./18. Juli 1866. 392

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fortlebe und aus der zugleich der Anspruch Habsburgs erwachse, Deutschland zu einigen. 394 Daraus ließ sich der Nukleus der österreichischen Kriegspropaganda ableiten, die den „Fridericianisten der Gegenwart“ entgegengehalten wurde. In der geschichtlichen Tradition Österreichs lag demnach der Krieg der Verteidigung und nicht des Angriffs, der Schutz des Rechtzustandes und des geschichtlich Gegründeten. Die hier mobilisierte Erinnerungstradition basierte auf einem Nationsverständnis, das weiterhin am alten Reich orientiert war. Sechs Jahrzehnte seit der Auflösung des Reichs hätten es nicht vermocht, die Erinnerung an den Kaiser und die Sehnsucht nach ihm in den Herzen des deutschen Volkes zu verwischen, äußerte sich Anfang Juli eine österreichische Kampfschrift. Das Scheitern des preußischen Erbkaisertums der Paulskirche diente darin als Beweis dafür, dass im größten Teil Deutschlands ein anderer Kaiser als aus dem Hause Österreich nicht denkbar war. 395 In dieser Denkrichtung standen sich über die Begründung des habsburgischen Führungsanspruchs hinaus zwei gegensätzliche Prinzipien einer künftigen deutschen Staatsordnung gegenüber: der historisch gewachsene deutsche Föderalismus im Reichsverband einerseits und der machtstaatliche Zentralismus andererseits, wie er sich für Österreicher, aber auch für viele süddeutsche Liberale und Demokraten im verhassten „Großpreußenthum“ repräsentierte. Das „Princip der Zersetzung und gewaltsamen Unification“ personifizierte sich für sie maßgeblich in dem „Eroberer von 1630“, dem schwedischen König Gustav Adolf, der Deutschland in eine „absolute Militärmonarchie“ habe umwandeln wollen und als preußisch-protestantischer Held zum Vorläufer der Hohenzollerndynastie stilisiert wurde. 396 Die antipreußische Geschichtserzählung kaprizierte sich zwar wesentlich auf die Figur Friedrichs II., ihren Ausgang nahm sie jedoch im Dreißigjährigen Krieg. Damit unterschied sie sich im Ansatz nicht von ihrem borussischen Widerpart. Hier endeten aber bereits die Gemeinsamkeiten, denn dem preußischen Ursprungsmythos, wonach sich der Aufstieg der norddeutschen Großmacht dem Untergang des alten Reiches verdanke, gab man eine entschieden negative Note: Man beschuldigte das partikularistische Preußen als „Kriegsgewinnler“ des Dreißigjährigen Krieges der Treulosigkeit gegenüber dem Reich und des Verrats an das Ausland. Zugleich bezichtigte man es der Untätigkeit beim Verlust deutscher Territorien wie der Schweiz im Westfälischen Frieden und bald darauf des Elsass und Lothringens. Erst der Dreißigjährige Krieg habe den Hohenzollern über deren 394 Vgl. Vaterland, 6. Mai 1866; Neue freie Presse, 7. April 1866; Neue freie Presse, 15. Juni 1866. Siehe auch Nicht Einigung sondern grundsätzliche Spaltung Deutschlands; Preußen oder Oesterreich, S. 23. 395 Sincerus, Nach der Schlacht bei Königgrätz, S. 15. 396 Klopp, Suum cuique et omnia mihi, S. 24; vgl. auch ders., Wer ist der wahre Erbfeind von Deutschland, S. 19 f.

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östliche Mission hinaus das Innere Deutschlands erschlossen. Erst damit und durch die ihm nachfolgenden, das Reich innerlich „zerfleischenden“ Kriege hätten sich die Brandenburger ihren „Beruf“ in Deutschland geschaffen; dieser bestand – so die zeitgenössische Diktion – in „dem stückweisen Auffressen Deutschlands“. 397 Daraus formte sich eine eigenständige antipreußische Geschichtserzählung, die über den Krieg hinaus im Lager der Preußengegner als Deutungsangebot Anwendung fand. Darin wurde neben Friedrich II. insbesondere der Baseler Frieden von 1795 zum wesentlichen Bezugspunkt, um die preußische Gegenwartspolitik in den Schatten einer partikularistisch-„undeutschen“ Verratsgeschichte zu stellen. 398 Preußen schied damals aus dem ersten Koalitionskrieg aus und erkannte das revolutionäre Frankreich als gleichberechtigte Großmacht an. Es überließ dem Feind im Westen zudem seine linksrheinischen Besitzungen und erhielt in einem Geheimartikel eine rechtsrheinische Entschädigung zugesprochen, falls das linke Rheinufer in einem allgemeinen Frieden endgültig an Frankreich fallen sollte. Hierin sahen die Zeitgenossen von 1866 sowohl die preußische Haltung zur revolutionären Bewegung in Italien vorgezeichnet als auch die Mainlinie als Bestandteil der preußischen Annexionspolitik bereits angelegt. Neben dem Württemberger August Gfrörer, auf dessen Geschichte des 18. Jahrhunderts sich die Adepten dieser antipreußischen Geschichtsbetrachtung beriefen, ragte als deren Vordenker erneut der großdeutsch gesinnte Historiker Onno Klopp heraus. Als Anhänger der Hannoveraner Welfen war er nach Kriegsende von der preußischen Annexionspolitik unmittelbar betroffen und in die bayerische Hauptstadt emigriert. Im Kriegsjahr brachte Klopp die Schlussabhandlung zur zweiten Auflage seines bereits 1860 publizierten Werkes über Friedrich II. gesondert heraus. Darin schrieb er die preußische „Vergewaltigungspolitik“ bis in die Gegenwart fort – ein politisches Bekenntnis, das paradigmatisch war für die politisch engagierte Geschichtswissenschaft dieser Epoche. Klopp entwarf eine mit Friedrich dem Großen einsetzende Entwicklungsgeschichte der moralischen Zerrüttung Preußens, die lediglich 1866 ihren Höhepunkt gefunden habe. Den „Fridericianismus“ beschrieb er als ein System, das in seiner Todfeindschaft gegen Österreich der Gewalt verpflichtet und damit „Erbfeind des wahren deutschen Lebens“ sei. In der Schuldfrage für die Zerstörung der Reichseinheit bezog Klopp eindeutig Stellung: „Nicht die Kirchenspaltung des sechzehnten Jahrhunderts hat das vermocht, nicht der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Friede. Sie 397

Vgl. u. a. Deutschlands Zerfahrenheit, in: Neue Freie Presse, 27. Mai 1866; Preußen und die deutsche Einheit, S. 12 f., 27, 31. Sincerus, Nach der Schlacht bei Königgrätz, S. 17. Vgl. auch für 1870 Schmitz, Ein preußisch-deutsches Kaiserreich, S. 16. Schmitz’ Werk ist z. T. eine wörtliche Kopie von Onno Klopps Abhandlung. 398 Vgl. Nicht Einigung sondern grundsätzliche Spaltung Deutschlands, S. 9 und Anm. *) auf S. 19; vom selben namenlosen Autor Die „göttliche Mission“ Preußens; Sincerus, Nach der Schlacht bei Königgrätz, S. 31; Deutschlands Zerfahrenheit, in: Neue Freie Presse, 27. Mai 1866.

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konnten das Reich lockern. Der entsetzliche Krieg und der traurige Friede konnten Wohlstand und bürgerliche Freiheit zertrümmern, die Stände und Corporationen dem Willen der Territorialfürsten opfern [ . . . ]; aber noch blieben die Formen, die unter günstigeren Umständen ein neu erwachender Nationalgeist wieder erfüllen und beleben konnten. Mit dem Auftreten Friedrich II. war das vorbei. Was von einem deutschen Reiche noch vorhanden war, das opferte dieser Mann, dessen Seele sich früh gelöst hatte von allen heiligen Banden der Pietät, dem Phantome eines hohlen Ruhmes. Er allein. Er zerspaltete das Reich. Er schuf den Dualismus.“ 399 Die Pointe dieser Geschichtserzählung fasste die Neue Freie Presse für ihre Leser in ein anschauliches Bild: Napoleon I. hatte demnach das deutsche Reich nur „eingesargt“, nachdem es bereits zuvor von Friedrich II. aufgebahrt worden sei. 400 Die Geschichte des 18. Jahrhunderts bot aus katholischer und österreichischer Perspektive so lange die vorrangige Projektionsfläche für Deutungen, in denen man die innerdeutsche Krise als verhängnisvollen Rückschritt brandmarkte, wie der Krieg als dynastisches Duell begriffen wurde. Mit seinem Antrag auf eine Reform der Bundesverfassung verschob Bismarck im Frühjahr jedoch nachhaltig die Koordinaten des öffentlichen Kriegsdiskurses. Seine Forderung vom 8. April beinhaltete ein deutsches Parlament, gewählt in gleichen, direkten und allgemeinen Wahlen. In diesem Vorgehen des preußischen Ministerpräsidenten erfüllte sich eine Prophezeiung der Reform von 1862. Danach war das Ausbeuten der deutschen Nationalidee durch den Erfolg in den Befreiungskriegen zu einem bleibenden Werkzeug der preußischen Politik geworden: „Weil Preußen die Politik Piemonts anerkennt, so wird es dieselbe ehestens auch nachahmen“, schrieb man damals unter dem Eindruck der Haltung der norddeutschen Großmacht zur italienischen Frage. Zwar bewies die Reform damit zusätzlich Weitsicht in ihrer Erwartung, dass dieser Plan weder diplomatisch noch parlamentarisch ausgeführt werden könne, sondern zwangsläufig zum deutschen „Bruderkrieg“ führen müsse. Mit ihrer Einschätzung war sie aber nicht einmal weit genug gegangen. Denn Bismarck begnügte sich nicht mit einer Kopie, sondern schloss noch am Tag vor seinem Reformvorschlag im Bundestag einen Bündnisvertrag mit Italien. Mit Zustimmung Frankreichs wurde die im Süden Habsburgs aufbegehrende junge Nation dazu verpflichtet, nach Kriegsbeginn Österreich innerhalb von neunzig Tagen anzugreifen. Bismarcks Bundesreformvorschlag, dem bei den deutschen Regierungen kein diplomatischer Erfolg beschieden war, blieb nicht ohne Wirkung auf die Debatten in der publizistischen Öffentlichkeit. Im März hatte die Kölnische Zeitung den Krieg zwischen Österreich und Preußen unter den gegebenen Umständen als einen traurigen Rückschritt in das Jahrhundert der Kabinettskriege verworfen und 399 400

Klopp, Der König Friedrich II. von Preußen, S. 108. Deutschlands Zerfahrenheit, in: Neue Freie Presse, 27. Mai 1866.

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gleichzeitig die liberale Ablehnung eines um dynastische Interessen geführten Krieges bekräftigt. Sie blieb damit der argumentativen Linie treu, welche die Liberalen bereits in der Krise von 1850 verfolgt hatten. 401 Die nationale Stoßrichtung Bismarcks traf die preußischen Liberalen zwar ins Mark ihrer eigenen Ideale, da sie sich aber im preußischen Verfassungskonflikt zugleich von demselben Mann angegriffen sahen, gelang es ihm nicht, in der liberalen Öffentlichkeit politischen Boden gutzumachen. Seine innenpolitischen Gegner, unter denen das Misstrauen zu sehr überwog, nahmen den Vorstoß des preußischen Ministerpräsidenten vielmehr als Aufhänger, um ihren eigenen politischen Interessen Nachdruck zu verleihen. Im Juni, zwei Monate nach Bismarcks Reformantrag, forderte das rheinische Blatt den preußischen König dazu auf, dem Krieg seine „wahre Signatur“ zu geben. Er solle freisinnige Männer aus verschiedenen deutschen Ländern in sein Ministerium berufen, um „den Geist der deutschen Nation“ unter die preußischen Fahnen zu scharen; der Losung „Fürstenbund und Despotismus“ gegen „Nation, Parlament und Freiheit“ könne sich die Nation dann nicht entziehen. 402 Einen prinzipienfesten Demokraten vom Schlag Johann Jacobys focht das Manöver Bismarcks nicht an, weil er das politische Kalkül dahinter erkannte. Krieg als ein Mittel zur Umgestaltung überkommener Verhältnisse widersprach zwar keineswegs seinem linken Politikverständnis, für ihn stellte sich in diesem Fall aber unbedingt die Frage: Krieg wozu? Die „Sprache des Schwertes“ drückte für ihn nichts anderes aus als die „Unklarheit des Kriegers“, weshalb an eine befriedigende Verbesserung der politischen Verhältnisse und an einen gesicherten Frieden nicht zu denken war. Damit wandte er sich gegen den verbreiteten Kriegsdezisionismus, der darauf vertraute, dass „ein großer siegreicher Schlag, wie die Rodomontaden unserer Antagonisten, die vaterlandsverrätherischen Gelüste der Parteigänger, so auch die Zweifel und Begriffsverwirrungen und die daraus folgende Unschlüssigkeit der großen im Herzen patriotischen Menge beseitigen“ würde. 403 Dass der National- oder Volkskrieg, den Jacoby einforderte, seinen exklusiven Charakter als Kampfbegriff der Opposition verloren hatte, wie Nikolaus Buschmann für die Epoche der Einigungskriege bilanziert, wusste bereits der Berliner Demokrat, weshalb er klarstellte, dass nur im Dienst des Rechts und der Freiheit die Fahne der Nationalität erhoben und das „Nationalitäts-Princip“ angewandt werden dürfe. Denn in den Händen eines Louis Napoleon und seinesgleichen würde diese Fahne nur dazu dienen, „die Völker zu beirren und zu verderben“. 404 401 Für den Frieden, in: Kölnische Zeitung, 30. März 1866. Die Berliner Nationalzeitung forderte die Einbeziehung des Volkes und wandte sich gegen den Kabinettskrieg. Vgl. Die Mobilmachung, in: Nationalzeitung, 9. Mai 1866. 402 Bedeutung des Kampfes, in Kölnische Zeitung, 17. Juni 1866. 403 Die Ueberschreitung der Mainlinie, S. 33. 404 Jacoby. Gesammelte Schriften, 2. Bd., S. 308; Vgl. Buschmann, Einkreisung, S. 136.

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Im Lager des böhmisch-tschechischen Föderalismus bemühte sich im Frühsommer 1866 die Prager Tageszeitung Politik um eine Begriffsklärung im Sinne Jacobys: „Der dreißigjährige Krieg war ein Völkerunheil, aber kein Volkskrieg. Söldnerhaufen kämpften auf beiden Seiten für ihre Existenz, nicht für die Idee, die auf ihren Fahnen geschrieben war.“ Nach der Blütezeit der Kabinettskriege habe erst in den Revolutionskriegen mit ihren unüberwindlichen Volksheeren das „elektrischere Denken des Volksgeistes“ Geltung gefunden. Die ausgegebene Parole, dass man seitdem zwar Kabinettskriege beginnen könne, diese aber stets als Volkskriege endeten, konnte unter den Deutsch-Österreichern im habsburgischen Vielvölkerreich jedoch mehr als Drohung denn als Verheißung aufgenommen werden. 405 Hier stellte der liberale Wanderer zu dem schwelenden Konflikt klar: „Wir wollen es offen sagen, dass ein Krieg gegen Italien – obschon wir auch diesem nie das Wort reden würden – dass der Kampf gegen ein von der nazionalen Idee getragenes Volk, welches für einen berechtigten Zweck gegen uns die Waffen ergreift, uns als ein Volkskrieg in der höheren Bedeutung des Wortes erscheinen würde.“ 406 Im Krieg gegen Preußen aber handle es sich nicht um einen Kampf der Völker, die von einem fatalistischen Drang getrieben aufeinanderprallen, sondern um einen dynastischen Krieg, den man als eine traurige Notwendigkeit hinnehmen müsse, der einen im Innersten aber kalt lasse. Das Blatt hielt es deshalb für „schlechten Geschmack“, durch die um sich greifende „Preußenfresserei“ noch weiter Öl ins Feuer zu gießen und damit den drohenden Krieg um dynastische Interessen zu einem Volkskrieg zu stempeln. 407 Der Volkskrieg im politisch linken Verständnis eines Johann Jacoby weckte grenzüberschreitend zutiefst bürgerlich-liberale Besitzängste. Mitte Mai zeichnete die Augsburger Allgemeine Zeitung ein gesellschaftspolitisches Gefahrenszenario, das weit über die Grenzen des Deutschen Bundes hinauswies. Die Stellung Deutschlands im europäischen Völker- und Staatensystem machte danach einen innerdeutschen Krieg zwangsläufig zu einer Angelegenheit von existentieller Bedeutung für den gesamten Kontinent. Dies habe die Erfahrung der Reformation gelehrt, die als „deutsche Revolution“ Europa auf Jahrhunderte hinaus erschüttert habe. 408 Selbst die Analogien zum Dreißigjährigen Krieg reichten aber nicht mehr aus, um die Auswirkungen zu beschreiben, die ein deutscher Krieg in der Gegen405

Politik, 8. u. 9. Juni 1866; hier zit. nach Buschmann, Einkreisung, S. 131. Gegen Preußen?, in: Wanderer, 13. Mai 1866. 407 Karl von Thaler erklärte es dagegen zur „literarischen Aufgabe des Augenblicks“, die Folgen eines preußischen Sieges den Schwankenden so lange vorzuhalten, bis der Krieg gegen Preußen ein Volkskrieg würde. Vgl. Neue freie Presse, 27. Mai 1866. 408 Vgl. Die Bedeutung eines deutschen Kriegs für England, Frankreich und Nordamerika, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 21. Mai 1866. Die Zeitung zitierte in dieser Einschätzung der Reformation einen russischen Beobachter. 406

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wart auf den Kontinent hätte. Was war damit gemeint? Nicht der machtpolitische Konflikt, sondern die sich dahinter verbergende soziale Frage erschien dem Verfasser als der eigentliche Krisenherd. Durch den Krieg in Bewegung gesetzt würde eine unzufriedene Arbeiterschicht nicht nur gegen das Bürgertum aufbegehren, am Ende drohten vielmehr in Arbeiteraufständen der Sturz der Dynastien und die restlose Zertrümmerung der Aristokratie in ganz Europa. Dann aber, so lautete die ernüchternde Konsequenz für die Sphäre der europäischen Machtpolitik, könne es nur einen Gewinner dieses Krieges geben – und der hieß Amerika. 409 Hinter der politischen Gefahrenlage stand die soziale Revolution als Bedrohung beständig im Raum, auch nach Beendigung der Kriegshandlungen. 410 Als Schreckensbild war sie insbesondere ein Leitmotiv derjenigen Meinungseliten, die christlich-religiös, d. h. von moralischer Warte, oder kirchlich, also von einem machtpolitischen Standpunkt aus argumentierten. Der Katholik führte auf bereits bekannten historischen Bahnen Klage darüber, dass die Heere Österreichs und Preußens, die noch ein halbes Jahrhundert zuvor vereint Deutschland von Schmach und Elend der Fremdherrschaft befreit hätten, nun erneut vor Schlachten wie im Siebenjährigen und Dreißigjährigen Krieg standen, „wo Deutsche, um gegen Deutsche zu kämpfen, mit den gefährlichsten Feinden des gemeinsamen Vaterlandes verbündet waren – und zum Schlusse sich die Fremden die Beute theilten, welche die Thorheit, die Selbstsucht und Leidenschaft der Deutschen ihnen ausgeliefert hatte“. 411 Bereits zu Jahresbeginn hatte das Mainzer Kirchenblatt beklagt, dass das Ideal der alten deutschen Reichseinheit kein Verständnis mehr fände, weil sich Deutschland von den christlichen Prinzipien entfernt habe. Nur das „noch immer ehrliche“ Österreich, wo man sich nach wie vor an moralische und religiöse Interessen gebunden fühle, bilde hier eine Ausnahme. Das Bild vom glorreichen Mittelalter, das in diesem Zusammenhang von der Zeitung gezeichnet wurde, diente ihr dazu, das Junktim aus Reformation und Revolution auch gegen den Protestantismus in Stellung zu bringen. Denn die Ursache allen Übels sei dem Verlust der Einheit im christlichen Glauben durch die Reformation zuzuschreiben. 412 Daher weise die gesellschaftliche Krise auch 409 Ebd. Vgl. dazu auch die Kölnische Zeitung die Anfang Mai bereits auf die Prophezeiung einer New Yorker Zeitung verwiesen hatte, wonach ein deutscher Krieg als „Seitenstück“ zum amerikanischen Bürgerkriege zu noch ungeahnten Veränderungen im europäischen Staatensystem führen werde (Die Kriegsbesorgnisse, in: Kölnische Zeitung, 1. Mai 1866). 410 Carl August Roeder schrieb z. B. im August 1866: „Vielleicht that eine Bluttaufe unserem herabgekommenen, an Charakter und Selbstverleugnung, an Willens- und Thatkraft so erschrecklich verarmten Volke Noth; vielleicht ist uns, wenn auch freilich nicht ein dreißigjähriger Religionskrieg (denn diese Zeiten sind vorüber), doch ein langer politischer und sozialer Bürgerkrieg, eine Umwälzung, wie noch keine dagewesen, beschieden!“ Vgl. Roeder, In Sachen Deutschlands gegen Preußen, S. 12. 411 Vgl. Der Katholik, N. F. 15 (1866), S. 620 f.

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auf eine viel allgemeinere Veränderung Europas, vielleicht der ganzen „Karte des Erdkreises“, hin. Der Einsturz der alten und zu keiner Restauration mehr fähigen politischen Staatenordnung war demnach nur noch eine Frage der Zeit, aber aus kirchlicher Sicht auch nur ein Bruch der „äußeren Schaale“: „Was wir fürchten für Europa, ist eine viel tiefere Umwälzung. Es ist die Revolution der Ideen und der Umsturz der Sitten, welche unter den politischen Bewegungen verborgen war und mit und aus ihnen sich entwickelt.“ Mit dem Zerfall der Gesellschaftsordnung durch den Angriff des Atheismus eröffnete sich für den Katholiken als Folge des wirtschaftlichen Chaos im Krieg erst der „Abgrund von Gräueln und Kämpfen“ mit einem „Heer von unzufriedenen Arbeitslosen“. 413 Man fürchtete den „Schrecken des Bürgerkrieges“ als einen „Weltkrieg“ – was die Kirchenzeitung darunter verstand, war nicht weit von dem entfernt, was Karl Marx zu Beginn des Jahres 1849 gefordert und die Augsburger Allgemeine Zeitung als Zukunftsvision entwickelt hatte: „Was werden dann diese Hunderttausenden von feiernden Arbeitern machen? In den Krieg können sie nicht alle ziehen. Möglich, daß sie dann den Krieg auf eigne Faust beginnen, den Krieg gegen das Capital und den Besitz, den socialen Krieg, die sociale Revolution. Gewiß, wir stehen derselben näher als je; sie kann in kurzer Zeit losbrechen, die größten Dimensionen annehmen, die furchtbarsten Verheerungen anrichten. Krieg und Revolution! Wenn diese beiden ihre Zornesschalen über unser Vaterland ausgießen, dann ist das Maß des deutschen Elends voll.“ 414 Dass aus dieser Revolution der Zukunft allein die katholische Kirche als einzige „weltordnende Macht“ hervorgehen würde, gehörte dabei zur glaubensfesten Gewissheit des kämpferischen Mainzer Kirchenblatts. 415 Bismarcks Bundesreformvorschlag wirkte als Katalysator der Warnung vor einer Enthegung des Konflikts vor allem in Österreich. Hier rückte das Bild von einem europäischen Mächtekampf auf deutschem Boden in das Zentrum der antipreußischen Argumentation. Der Dreißigjährige Krieg wurde dabei erneut zur wesentlichen historischen Berufungsinstanz und politischen Waffe. Noch im März hatte der Wanderer das „Kriegsgeschrei“ überhaupt nicht ernst nehmen wollen, denn nur „höchst triviale“ und keine Prinzipienfragen stünden auf dem Spiel. Mit dem Konflikt um Schleswig und Holstein als ein ausschließlich in das Ressort der Diplomatie gehörendes Problem erschien dem Blatt die Sicherheitslage nicht gefährlicher als in der Novemberkrise von 1850. Deshalb erwartete man auch als realistischen Weg Preußens nicht etwa den Krieg, sondern eine „gebundene Marschroute“ des „edlen Grafen“ von Gastein nach Olmütz. Dabei war ein Krieg gegen Preußen unter Bismarck in der österreichischen Öffentlichkeit durchaus populär, auch aus innenpolitischen Motiven heraus. „Will das Gräflein ein Tänzchen 412 413 414 415

Vgl. Ein Blick in das Jahr 1866, in: Der Katholik, N. F. 15 (1866), S. 1 –7. Ebd. Vgl. Der Katholik, N. F. 15 (1866), S. 623 – 630. Vgl. Ein Blick in das Jahr 1866, in: Der Katholik, N. F. 15 (1866), S. 9.

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wagen, er mag es nur sagen, wir spielen ihm auf!“, spottete die österreichische Zeitung in ungebrochenem Vertrauen auf die eigene Stärke. 416 Die Auffassung, ein „gerechter populärer Krieg“ könne dem „Labyrinthe innerer Verfassungswirren“ ein Ende setzen, war weit verbreitet. Für die innere Einheit des Reiches schien dem Blatt nichts besser geeignet als die Bewährung eines Krieges, in dem es keine Parteien mehr gebe, „weil keine Nation, kein Natiönchen der Monarchie von dem Reichsfeinde auch nur das Geringste zu erwarten, zu hoffen hätte“. 417 Nur wenige Tage vor Bismarcks diplomatischem Vorstoß hatte der Wanderer die eigene Regierung jedoch davor gewarnt, die nationalen Kräfte, das hieß eine freiheitliche Verfassung und eine parlamentarische Volksvertretung, zu unterschätzen. Nun sah sich Deutschland aus Sicht der österreichischen Liberalen einem Zweifrontenkrieg ausgesetzt: Während von Süden her die Italiener, die „sich auch mit dem Teufel verbinden, um Venetien zu bekommen“, die territoriale Integrität des Bundes bedrohten, erschien in Gestalt des preußischen Ministerpräsidenten die weit größere Gefahr im Innern des Bundes. Bismarck, so die österreichische Presse, würde sich als Karikatur Cavours auch die phrygische Mütze der Revolution aufsetzen und „mit seinen besudelten Händen die schwarz-roth-goldene Cocarde“ aufstecken, um auf Deutschlands Kosten Preußen zu vergrößern. Indem der „Berliner Richelieu“ den Bund nach allen Seiten mit einem Netz des Verrats umstrickt habe, wähnte man unter Berufung auf die französische Presse zugleich das Ende der Beschränkungsbemühungen gekommen. Denn neben Russland, das durch die Rüstungen zur Invasion in Galizien provoziert sei, könne Frankreich nicht dulden, dass mit dem preußischen Reformprojekt die deutsche Einheit als Kaiserreich aus dem „Schmelztiegel der Demokratie“ hervorgehe. 418 Der lokalisierte Krieg war der Neuen Freien Presse daher nur ein „Phantom“ und „Traumgebilde“, eine Marotte Bismarcks, die dieser mit seiner eigenen Politik zerstört habe. Die Täuschung sei nun vorüber und der entsetzten Menge starre statt des „verheißenen gelobten Landes“ ein „Medusenantlitz“ entgegen, wie es Deutschland seit den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr gesehen habe. 419 Die ganze Konstellation deutete für die Zeitung auf einen europäischen 416 Vgl. Nachbarin – euer Fläschchen!, in: Wanderer 13. Februar 1866; Krieg und Kriegsgeschrei, in: Wanderer, 4. März 1866. 417 Bereits Mitte Februar hatte das Blatt vermutet, dass nichts in Österreich so populär sein und ersehnt werden würde wie ein schneller Krieg mit Preußen unter Bismarck. Vgl. Nachbarin – euer Fläschchen!, in: Wanderer 13. Februar 1866. Siehe auch: Ein ernstes Wort zur ernsten Zeit, in: Wanderer, 18. März 1866; Der Krieg und die inneren Fragen, in: Wanderer, 5. April 1866. 418 Ruhepunkt und Alarmsignale, in: Wanderer, 20. Mai 1866. Das Blatt zitierte die Pariser Zeitung France. Vgl. auch Deutschlands Zerfahrenheit, in: Neue Freie Presse, 27. Mai 1866. 419 Neue Freie Presse, 29. Juni 1866. Das Vaterland verglich im Juni die Zeiten mit den Türkenkriegen und den Zeiten, als Frankreich und Schweden im Kampf für die „deutsche

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Kampf hin, gegen den sich die Verheerungen des Krimkrieges verschwindend gering ausnähmen: „Der Krieg wird freilich bei dem heutigen Stande der militärischen Wissenschaften keine dreißig und keine sieben Jahre dauern; aber wie vor dritthalb Jahrhunderten aus dem böhmischen der deutsche, dann der dänische, der schwedische, der französische Krieg sich entwickelte – so wird auch der jetzt hereinbrechende Kampf gleich dem einmal aufgeregten Wasserspiegel immer weitere Kreise schlagen, immer neue Mächte in die Action hineinziehen.“ Deutschland habe, unabhängig von einem Sieg Österreichs oder Preußens, nur einen neuen Westfälischen Frieden zu erwarten. Aus Sicht der Neuen Freien Presse musste die politische Lage daher das „praktische“ Ausland in seiner Überzeugung bestärken, dass der „deutsche Michel“ in seinen „metaphysischen Forschungen“ völlig das Bewusstsein für die Anforderungen der Realpolitik verloren habe. 420 Um dem entgegenzuwirken, nutzte die Augsburger Allgemeine Zeitung ihrerseits den Bezug auf den Dreißigjährigen Krieg als ein Ventil, mit dem sie den binnennationalen Druck auf den äußeren Feind lenkte. Im Mai widmete sich das bedeutendste liberale Blatt im großdeutschen Lager den Interessen Englands und Frankreichs im deutschen Konflikt, deren politische und wirtschaftliche Vormachtstellung in Europa, wie man betonte, erst vom „Zusammenbruch“ der deutschen Nation im Dreißigjährigen Krieg herdatiere. Während sich England von der Wiederholung dieses „Schauerdrama’s im deutschen Land“ Vorteile für den eigenen Handel erwarte, meinte das Blatt zu wissen, dass sich in Frankreich der Blick – so wie damals auf das Elsass und auf Lothringen – nun auf das linke Rheinufer richte. Doch Frankreich, davon war der Verfasser überzeugt, wähne sich in der falschen Sicherheit, dass Deutschland sich in einem Bürgerkrieg wieder so gänzlich „verhauen“ ließe wie im Dreißigjährigen Krieg, „wie unerfahrene Studenten, die in blinder Wuth alles rundum vergessen“. Die „echte Vaterlandspartei“ würde diesmal zahlreich und schon früh dem ausländischen Gegner entgegentreten. 421 Der äußere Feind als Blitzableiter der aufgeladenen Stimmung im Deutschen Bund führt zurück zur innerdeutschen Konfliktkonstellation. Es sei schlicht unmöglich, Preußen „erhöhen“ zu können, ohne Deutschland „aufs tiefste zu erniedrigen“, schrieb man in Österreich. In der französischen Presse lanciere man bewusst die gegenteilige Behauptung als Schachzug zugunsten Preußens, um den Mittelstaaten die Möglichkeit einer vollständigen Lokalisierung des Krieges vorzuspiegeln, wenn sich der Deutsche Bund nur passiv verhalte. 422 Hier wird deutlich, wer der Freiheit“ ganz Deutschland verheerten, und ihre Heerscharen bis nach Wien und Prag sandten. Vgl. Oesterreich und seine Feinde, in: Das Vaterland, 24. Juni 1866. 420 Deutschlands Zerfahrenheit, in: Neue Freie Presse, 27. Mai 1866. 421 Die Bedeutung eines deutschen Krieges für England, Frankreich und Nordamerika, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 21. Mai 1866. 422 Neue freie Presse, 6. April 1866. Vgl. auch Österreichischer Beobachter, 19. Juni 1866: „In dem Augenblick, wo sich ganz Deutschland zum fürchterlichsten aller Kriege

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Adressat der Angstpropaganda in der österreichischen und großdeutschen Presse war und auf wen sich im Wesentlichen die Augen beider Konfliktparteien richteten: das „dritte Deutschland“ der Klein- und Mittelstaaten. Österreichische Stimmen drängten diese zur Aufgabe ihrer Neutralitätspolitik und forderten von ihnen ein öffentliches und klares Bekenntnis zu Österreich. Für die Neue Freie Presse ruhte im Mai nur in deren Entschlossenheit noch eine letzte Chance für den Frieden. 423 Die Constitutionelle Österreichische Zeitung, die Anfang desselben Monats ein „System der striktesten Defensive“ zur Friedenswahrung angemahnt hatte, spitzte selbst wenig später die Wahl der Mittelstaaten für oder gegen die preußische „Vergewaltigungspolitik“ in drastischen Worten zu, denn entweder würden sie im drohenden Krieg der Hammer sein oder aber sie seien dazu verurteilt, zum Amboss zu werden. 424 Was das konkret hieß, verdeutlichte die Neue Freie Presse im Hinweis auf den Feind im Westen. Nur ein Unzurechnungsfähiger könne glauben, gab sie zu bedenken, dass Frankreich die Neugestaltung Deutschlands unter preußischer Führung gestatten würde, „ohne aus dem blutigen Schlamme des deutschen Bürgerkrieges das linke Rhein-Ufer für sich als leichte Beute auszufischen“. 425 Der herannahende Krieg berge daher nur ein einziges sicheres Resultat in seinem Schoß: die Vergrößerung Frankreichs durch „ein neues Elsaß“. 426 In Frankfurt verabschiedete der Abgeordnetentag nach erregten Debatten mit überwiegender Mehrheit einen Antrag, in dem der drohende Krieg als nur dynastischen Zwecken dienend, also als Kabinettskrieg, verurteilt wurde. Die Warnung vor einem Verrat ans Ausland verband sich mit dem Wunsch nach Neutralität der Mittelstaaten, um den Konflikt lokalisieren zu können. 427 Die Rechtfertigung des Nationalvereins, verhindern zu wollen, dass es zu einer dauerhaften Spaltung zwischen dem Süden und dem Norden komme, ließ die Neue Freie Presse nicht gelten. Für sie war ausgemacht, dass es Bismarck ohne die „Schwätzer des Nationalvereins“ und deren siebenjährige Agitation gegen Österreich niemals gelungen wäre, Deutschland in den Abgrund eines Bürgerkrieges zu stürzen. 428 bis auf die Zähne bewaffnet, glauben diese Verbündeten noch an eine Lokalisierung des Unheils.“ 423 Das liberale Großpreußenthum und der Krieg, in: Neue freie Presse, 16. Mai 1866. 424 Vgl. Constitutionelle Österreichische Zeitung, 4. und 23. Mai 1866. 425 Deutschlands Zerfahrenheit, in: Neue Freie Presse, 27. Mai 1866. 426 Vgl. Frankreich und der deutsche Krieg, in: Neue freie Presse, 6. April 1866; Ein Phantom, in: Neue freie Presse, 15. April 1866. Der österreichischen Angstpropaganda sekundierte im Rheinland ein Gedicht der Kölnischen Zeitung, die bis in den Krieg hinein das publizistische Organ in Preußen blieb, das am konsequentesten den liberalen Freiheitsund Einheitsgedanken verfolgte: „Erwägt Vergangenheit im Haupt/ lenkt auf die Zukunft euren Sinn!/ Warum ist Lothringen geraubt,/ Warum das schöne Elsaß hin? [ . . . ] Laßt keinen Franzmann mir herein,/ der sich im Glanz der Waffen naht,/ es tränke nie im deutschen Rhein/ sein Roß der Ungar und Croat!/ Dein Heil ist nicht in Ost und West,/ Mein Volk, es ist in deiner Hand!/ Durch Freiheit mach’ die Einheit fest!/ Gott schirm’ das heil’ge Vaterland!“ Vgl. Mahnung des Rhein, in: Kölnische Zeitung, 31. Mai 1866. 427 Parisius, Leopold Freiherr von Hoverbeck, S. 88.

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Deutlicher wurde später ein Württemberger, der sich in der Deutschen Vierteljahrsschrift zu Wort meldete und unter dem Eindruck der preußischen Annexionspolitik nördlich der Mainlinie den Begriff des „dynastischen Krieges“ als funktionales Instrument der Kriegspropaganda sezierte. Sie diene nur dazu, so die hellsichtige Argumentation, die Menge zu verblenden, um in der Engführung des Konflikts auf ein Duell zwischen Preußen und Österreich von den preußischen Territorialinteressen in Norddeutschland abzulenken und die Einmischung der süddeutschen Staaten zu verhindern, denn das „Geschrei gegen den dynastischen Krieg war nur das trojanische Pferd, mit welchem sie ihre auserwählten Dynastien einen um so bequemeren Weg in die Mauern des eigenen Vaterlandes bahnen wollten“. In diesem Ausdruck erkannte der Autor eine zusätzliche Wirkung: „Mit dem Wort ‚dynastisch‘ kann man Wunder thun bei aufgeklärten Leuten; es kommt sie dabei sogleich ein historischer Schauder an, alle Geschichten von Inquisition, von Rädern und Verbrennen, von Herzog Alba und Wilhelm Tell, von denen sie seiner Zeit einige verworrene Kenntniß erhalten, gehen ihnen wieder im Kopfe um.“ 429 In besonderem Maß traf das auch auf die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg zu, wie ein Artikel der Kölnischen Zeitung beispielhaft belegt. Sein Verfasser brachte darin die Überzeugung zum Ausdruck, dass die österreichische Bevölkerung den Bürgerkrieg als einen Kabinettskrieg ebenso wie die übrigen Deutschen verabscheue. Denn sie wüsste selbst nur zu gut darum, dass wenn „die Schrecken eines solchen, das Vaterland verwüstenden Krieges einmal seine Panduren und Croaten, seine Raizen und Slowaken, seine Italiener, Czechen und Magyaren auf Deutschland losgelassen hat, diese hungrigen Fremdlinge auf unseren gesegneten Fluren hausen werden, wie es in Schiller‘s Wallenstein grausig beschrieben ist“. 430 In diesem Kontext erscheint die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg als eine zweischneidige Propagandawaffe, wie auch die Neue Freie Presse nach den Kammereröffnungen in München, Stuttgart und Dresden erkannte. Hier sei, so das Blatt, mit der falschen Erwartung Österreichs aufgeräumt worden, in jedem Fall auf die Unterstützung der Mittelstaaten zählen zu können. Vielerorts könne höchstens mit der bewaffneten Neutralität gerechnet werden, stellte man enttäuscht fest. Diese Zurückhaltung erklärte die Zeitung mit der Haltung im Volk, bei dem das Entsetzen vor dem Krieg besonders groß sei und welchem die Regierungen Rechnung tragen müssten. 431 Das Volk verabscheue nicht den Krieg an sich, aber den Bürgerkrieg, stellte der Abgeordnete Rödinger in der Württembergischen Kammer klar. Denn wenn sich die deutschen Staaten untereinander „bekriegen, zerfleischen, verstümmeln und tödten, so ist das Fleisch von unserem Fleisch und 428

Neue Freie Presse, 29. Juni 1866. Süddeutschland nach dem Kriege. Seine Lage und Aufgabe, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 1866, 4. Heft, S. 14. 430 Die Stimmung des deutschen Volkes, in: Kölnische Zeitung, 17. Mai 1866. 431 Vgl. Neue Freie Presse, 2. Juni 1866. 429

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Bein von unserem Bein“. Er beschwor eine Gefahr, „die in ihren Verhältnissen noch weit größer und verderblicher werden kann, als der siebenjährige Krieg, ja sogar als der dreißigjährige Krieg; denn es sind Kräfte aufgeboten und Zündstoffe angehäuft in einem Umfang, wie vielleicht noch nie, seit die Welt steht“. 432 Auch Moritz Mohl blieb seiner historischen Argumentation aus den Revolutionstagen treu. Er erinnerte erneut an die kaum vernarbten Wunden durch die innerdeutschen Kriege und zählte die verräterischen Allianzen mit dem Ausland seit dem Dreißigjährigen Krieg auf. Diesen Ängsten, insbesondere aber der Furcht vor einer „Vergewaltigung der Kleinen durch die Großen“, die sich in den Mittel- und Kleinstaaten am Umgang mit dem Zankapfel Schleswig-Holstein festmachte, konnte der Neuen freien Presse zufolge vorgebeugt werden, indem die militärische Auseinandersetzung ausschließlich als Bundeskrieg gegen die preußische Sezession geführt würde. Österreich müsste dazu seine Rechte auf Holstein an den Bund abgeben, um die Sorgen der Kleinstaaten zu zerstreuen. 433 Der Krieg als Exekution gegen das bundesbrüchige Preußen unterlaufe auch den Vorwurf, Österreich selbst ließe es im Krieg mit Preußen zum Bruderkrieg kommen. In der Auffassung des Konflikts als einer ‚preußischen Sezession‘ formuliert sich zugleich das Bekenntnis zur bundesstaatlichen Ordnung Deutschlands, wie sie unter präsidialer Führung Österreichs im Deutschen Bund bestand. In Norddeutschland stand die Lokalisierungsfrage im Zentrum der Argumentation absoluter Kriegsbefürworter. Deren Aufmerksamkeit richtete sich ebenso fordernd auf die Haltung der deutschen Mittelstaaten. Anfang Juni erläuterte der Historiker Max Duncker gegenüber dem in Karlsruhe lehrenden Kollegen Hermann Baumgarten seine Erwartungen zum Kriegsverlauf. Demnach würde der bevorstehende Kampf in Deutschland weder wie im 17. Jahrhundert dreißig noch wie im 18. Jahrhundert sieben Jahre anhalten; aber eine kürzere oder längere Dauer und die Einmischung oder Nichteinmischung Frankreichs hingen wesentlich davon ab, ob der Krieg in Deutschland als Duell zwischen Österreich und Preußen unter vollständiger Neutralität der übrigen, insbesondere der südwestlichen deutschen Staaten, verlaufe. 434 Dunckers Einschätzung gibt die Sicht der verantwortlichen Kreise in Preußen wieder. Für den König hatten es die deutschen Mittel- und Kleinstaaten vor dem Krieg allein in der Hand, diesen durch Erklärung ihrer Neutralität zu verhindern oder aber als Alliierte Österreichs einen „Bruderkrieg“ zum Ausbruch zu bringen und die Verwüstung Deutschlands zu riskieren. 435 Mit diesem Begriff rekurrierte der preußische König auf ein zentrales Motiv im Kriegsdiskurs von 1866. 432

Vgl. Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten, S. 22. Ebd., S. 42. 434 Max Duncker an H. Baumgarten am 6. Juni 1866. Vgl. Schultze, Max Duncker. Politischer Briefwechsel, S. 413. 433

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Die Rede vom Bruderkrieg war keine Pathosformel, wie Frank Becker seine Bedeutung nur unzulänglich bewertet hat. 436 Legt man Beckers interpretatorischen Ansatz zugrunde, in Kriegsbildern Kommunikationsvehikel für die eigene Identität zu sehen, dann weist die Deutung des Waffengangs als Bruderkrieg auf ein spezifisches Verständnis von Deutschland hin. Nikolaus Buschmann hat in seiner Analyse des Kriegsdiskurses daher die Bruderkriegssemantik überzeugend dem Rhetorikarsenal der großdeutsch gesinnten Öffentlichkeit zuschreiben können, für die ein Deutschland ohne Österreich unvorstellbar war. 437 Deren gegnerisches Lager geriet mit dem Bild vom ‚Brudermord‘ vor eine besondere argumentative Herausforderung. Gegenüber den emotionalen Bezügen des Bruderkriegsmotivs, in dem sich religiöser Bedeutungsgehalt und Semantik des Dreißigjährigen Krieges verbanden, forderte der Theosoph Friedrich Fabri eine nüchterne politische Betrachtung. Von der hohen Warte christlicher Weltbetrachtung müsse danach jeder Krieg als ein Bruderkrieg verstanden werden. Vom nationalpolitischen Standpunkt aber war für Fabri der Krieg gegen Österreich ebenso wenig ein Bruderkrieg wie der Siebenjährige ein Jahrhundert zuvor. 438 Auf derselben Linie bezogen unter den Anhängern eines preußisch geführten deutschen Nationalstaates die Berliner Zeitungen vehement Stellung gegen die Bruderkriegsrhetorik. Die Vossische Zeitung sprach von einem Missbrauch der Begriffe und bezeichnete die Redensart als „nahezu komisch“, denn auch wenn vom humanistischen Standpunkt gesehen jeder Krieg ein Bruderkrieg sei, wären doch drei Viertel der habsburgischen Armee Nichtdeutsche. 439 Die Nationalzeitung bezeichnete es daher als politisch unklug, jeden Kampf zwischen Österreich und Preußen mit dem Namen eines Bruderkrieges zu belegen und mit dem Schrecken eines Bürgerkrieges auszumalen. Ihr erschien dieser gegen die Kriegsgerüchte in Anwendung gebrachte „Rettungsapparat“ bedenklicher als die militärische Gefahr. Denn das Losungswort des Bruderkrieges könne die Anschauungen im Volk verwirren und dahingehend irreleiten, dass Österreich und Preußen „wie Theile desselben einheitlichen Bundes unzertrennlich zusammen gehören und 435 Aus dem Brief König Wilhelms an Königin Augusta vom 24. Mai 1866. Vgl. Großherzog Friedrich I. von Baden, S. 509 f. Später sollte Wilhelm I. gegenüber Friedrich Graf von und zu Egloffstein-Arklitten äußern, dass er sich schweren Herzens zu einem Kampf habe entschließen müssen, der ein Duell geblieben wäre, wenn das übrige Deutschland nicht „mit Blindheit geschlagen“ einen Bruderkrieg daraus gemacht hätte. 436 Vgl. F. Becker, Bilder von Krieg und Nation, S. 140 f. 437 Vgl. Buschmann, Einkreisung, S. 60. 438 Fabri, Die politischen Ereignisse des Sommers 1866, S. 87 f. Dem Vorwurf an die Mittelstaaten, die gebotene Neutralität aufgegeben zu haben, verlieh Fabri besondere Schärfe, indem er daran erinnerte, dass schon in den entscheidenden Kämpfen der Freiheitskriege die süddeutschen und sächsischen Kontingente auf Seiten Napoleons gestritten hätten und damit ihr Vorgehen in das Licht einer vermeintlichen Tradition des Verrats an der deutschen Sache stellte. 439 Vossische Zeitung, 18. April 1866.

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ein Krieg zwischen diesen beiden Staaten, ein Krieg unter Brüdern und mit dem ganzen Unheil und Abscheu eines solchen Krieges behaftet sei“. 440 Als Zeitung des rechten Flügels der preußischen Fortschrittspartei leugnete sie kurzerhand jedes Verhältnis Österreichs zu Deutschland, das eine solche Sicht rechtfertigen könnte. Bürger desselben Staates hätten gemeinsame Gesetze, denen sie sich unterwerfen; Brüder desselben staatlichen Verbandes folgten einer gemeinsamen natürlichen Bestimmung. Solch ein Verhältnis bestehe aber zwischen Österreich und Preußen nicht, denn eine formale Bundesakte entscheide nicht über die Gemeinsamkeit der Völker. „Wir müssen, gleichwie die Italiener, ein Staatvolk werden, und uns vom Wiener Kabinette, welches sich mit der Regierung Oesterreichs zu begnügen hat, frei machen: das ist ganz bündig, ohne Bruderschaftsphrasen, unsere Obliegenheit und das gebieterische Geheiß der Zeit“, leitete die Nationalzeitung davon ihre unmissverständlich nationalpolitische Handlungsanweisung ab. 441 Sollte Preußen zum Bruderkrieg gezwungen werden, sei dies allein dem „eifrigen“ Bestreben eines Beust, Dalwigk und Varnbüler zu verdanken, pflichtete die Spenersche Zeitung mit Blick auf die Haltung der Mittelstaaten der Nationalzeitung bei. 442 Bei einem Krieg gegen das Habsburgerreich mit seinen vielen Nationalitäten könne jedoch nie von einem „Bruderkampf“ die Rede sein. Die verbalen Geschütze, die hierbei in Stellung gebracht wurden, zielten auf das Vielvölkerreich und gaben dem Kriegsdiskurs eine dezidiert ethnische Wendung. Wäre der Krieg mit Österreich ein Bruderkrieg, dann sei das kleindeutsche Programm ein Verbrechen – auf diese eingängige Formel brachten die Preußischen Jahrbücher die gegnerische Logik, die sie im gleichen Gedankengang zu entkräften suchten. Denn den Krieg sahen sie entzündet durch den „uralten Haß des Slaven, des Magyaren gegen die an Wohlstand und Bildung bevorzugte deutsche Nationalität“; nur die Süddeutschen könnten folglich dafür sorgen, dass aus dem „Kampf überwiegend verschiedener Racen“ ein Bruderkrieg werde. 443 Auch die Vossische Zeitung trat auf dieser propagandistischen Linie der Bruderkriegssemantik entgegen. Sollte es zum Krieg kommen, so ihr eindeutiges Urteil, dann wäre der Kampf gegen die Österreicher ein „Racenkampf“, der über die nationale Zukunft Deutschlands entscheide. 444 Dies war ein Deutungsangebot, das über die innerpreußischen Parteigrenzen hinweg unter den publizistischen Meinungseli440

Die Kriegsgerüchte, in: Nationalzeitung, 5. April 1866. Vgl. Die deutsche und die italienische Nation, in: Nationalzeitung, 2. Mai 1866. 442 Vgl. Einige Betrachtungen über die jetzige politische Situation, in: Spenersche Zeitung, 24. Juni 1866. 443 Vgl. Preußischen Jahrbücher, 17 (1866), S. 574 ff. 444 Vgl. Vossische Zeitung, 8. Juni 1866. Vgl. auch: Die norddeutschen Staaten, in: Nationalzeitung, 17. Juni 1866. Die Nationalzeitung forderte dazu auf, den Kampf der „habsburgischen Völker“ gegen die „deutsche Großmacht“ nicht zum Kampf Deutscher gegen Preußen ausarten zu lassen. 441

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ten Akzeptanz fand. Auf Seiten der Konservativen geißelte die Kreuzzeitung die „Völker-Vermischung überwiegend undeutschen Ursprungs“ im Habsburgerreich, weshalb kein Bruderkrieg, sondern vielmehr ein „Nationalitäten-, ein RacenKrieg“ im Anzug sei. 445 Nikolaus Buschmann hat überzeugend dargelegt, wie der Topos des Rassenkrieges die postulierte Gefühlsgemeinschaft der Deutschen leugnete, mit den gängigen Vorstellungen der deutschen Kulturnation brach und damit vollkommen neue Grenzziehungen zwischen Freund und Feind ermöglichte. 446 Die Neue Freie Presse kritisierte entsprechend harsch, dass die preußischen Zeitungen einen Ton anschlügen, wie englische Blätter ihn sich nicht erlauben würden, wenn britische Truppen gegen die Kaffern oder gegen die Maori zu Felde zögen. In der Proklamation des Prinzen Karl von Baden als Oberfeldherr des Bundes erkannte das Blatt seinerseits die Verschmelzung der deutschen mit den österreichischen Interessen „in der Politik wie im Felde“ und sah damit den „jämmerlichen Lügen“ über die Horden „halbbewaffneter, verhungerter, undisziplinierter“ Kroaten und Panduren in der österreichischen Armee den Boden entzogen. 447 Am 14. Juni 1866 hatte der Bundestag die Mobilmachung des Bundesheeres beschlossen. Preußen reagierte darauf mit dem Austritt aus dem Deutschen Bund. „Der innere deutsche Krieg in seiner furchtbarsten Gestalt, das ist das Werk der mittelstaatlichen Kabinette und ihrer schwachköpfigen Helfershelfer in den Kammern von Baiern und Württemberg, in der Presse von München, Augsburg, Stuttgart, Frankfurt, in den Volksversammlungen, wo man mit liberalen und patriotischen Phrasen der Säbelherrschaft und der Selbstzerfleischung Deutschlands das Wort geredet hat.“ Mit diesen Worten kritisierte die Nationalzeitung, dass sich die Mittelstaaten am Ende doch auf die Seite Österreichs geschlagen hatten. Aus einem Kampf der Großmächte habe diese Koalition aus süddeutschen Gegnern Bismarcks einen politischen Kreuzzug gegen die Verächter des Bundestages gemacht, beklagte das Blatt. Mehr noch, in Süddeutschland würde der Krieg der Kabinette in einen Volkskrieg mit fatalen Konsequenzen verwandelt, denn „der Pulverdampf und der Dunst des Blutes wird den Norddeutschen bald eben so zu Kopfe steigen, wie den Süddeutschen die Beredsamkeit des Hasses und der blinden Wuth in ihren Zeitungen und im Munde ihrer Volksredner“. 448 Kurz zuvor hatte die Zeitung dementsprechend eindeutig das Feindbild preußischer Nationalliberaler umrissen. Danach hatte die Nationalfreiheit einen doppelten Gegner: Österreich 445

Vgl. Kreuzzeitung, 17. April 1866. Vgl. dazu Buschmann, Einkreisung, S. 294. 447 „Wenn der Generalgouverneur von Algerien eine Razzia wider einen plündernden Araberstamm ausführt, erläßt er keine solchen Tagesbefehle, wie die Bulletins, mit denen die Berliner Blätter [ . . . ] die kindische Phantasie der Weißbier-Philister zu erhitzen suchen.“ Vgl. Neue Freie Presse, 29. Juni 1866. 448 Nationalzeitung, 1. Juli 1866. 446

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und den „herzlose[n] Kleinfürstenstolz“. 449 Bei einem radikalen Demokraten wie Arnold Ruge kulminierte die Forderung an die Bevölkerung der Mittelstaaten, nicht in Preußen sondern in den eigenen Dynastien und vor allem in Österreich den „Erzfeind“ der deutschen Einheit zu erkennen, in dem Appell: „Steht auf, jagt sie fort, wählt eure Männer fürs Parlament und ewige Schmach allen, die seit 1813 für Deutschland geschwärmt und 1866 gegen seine Gründung das Schwert ziehen!“ 450 b) Die Angst vor dem konfessionellen Bürgerkrieg und der Prinzipienkrieg von 1866 Ende Mai 1866 meldete sich in der Kreuzzeitung eine anonyme Stimme aus dem preußischen Konservativismus zu Wort, deren Argumentation sich inhaltlich zunächst auf bereits bekanntem propagandistischem Terrain bewegte. Sie brandmarkte die österreichische Armee als „undeutsch“, unterstützt durch „Massen von Croaten, Grenzern und halbwilde[s] Raubgesindel“. Die Ausführungen gipfelten an ihrem Ende jedoch zusätzlich in dem Hinweis, dass es sich bei der Verteidigung des Vaterlandes nicht nur um irdische Güter, sondern auch um den „höchsten altpreußischen Geistesschatz“ handle, die Religionsfreiheit: „Vielfache Anzeichen deuten darauf hin, daß ein Religionskrieg im Anzuge ist, vielleicht ebenso blutig als vor zweihundert Jahren der dreißigjährige es war.“ 451 An diesen Zeilen entzündete sich im Frühsommer 1866 eine Debatte über die politische Ausbeutung religiöser Gefühle, die in der Öffentlichkeit weit über den Krieg hinaus Beachtung fand. Die Rede vom drohenden Religionskrieg meinte dabei erneut das Schreckensbild des konfessionellen Bürgerkrieges, also einen gesellschaftlich enthegten und mit fanatischer Leidenschaft geführten Kampf unter christlichen Glaubensbrüdern in Deutschland. Vorwürfe des Verrats an der Nation durch Allianzen mit dem Ausland fanden hier neue Nahrung, die im Licht grenzüberschreitender konfessioneller Bindungen an Stringenz gewannen. Das Bild des konfessionellen Bürgerkriegs bezog seine emotionalisierende Wirkung auf den Kriegsdiskurs dieser Jahre maßgeblich durch das negative Lehrstück des Dreißigjährigen Krieges und seiner verheerenden Folgen. Dessen Erinnerung als funktionales Element der Kriegspropaganda fand daher hier ihren Höhepunkt. 452 Absender der Zuschrift an die Kreuzzeitung war der Redaktion zufolge ein „Gönner“ des konservativen Blattes, was auf Seiten der österreichischen Presse 449

Die norddeutschen Staaten, in: Nationalzeitung, 17. Juni 1866. Krieg gegen Österreich, Parlament in Berlin! Ein offener Brief zur Verständigung von Arnold Ruge, in: Nationalzeitung, 5. Juli 1866. 451 Österreich, unsere Armee und die Neuwahl des Abgeordnetenhauses, in: Kreuzzeitung, 27. Mai 1866. 452 Siehe dazu auch Hogg, Fighting the Religious War of 1866. 450

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die Vermutung nährte, dass sich dahinter der frühere preußische Ministerpräsident Otto von Manteuffel verbergen könnte. 453 Aus deren Sicht war die Zusendung ohnehin nur ein zusätzlicher Mosaikstein in einem Gesamtbild, für das die Berliner Regierung mit der um sich greifenden konfessionellen Polemik verantwortlich zeichnete. Die preußische Presse, angefangen von den stimmführenden ministeriellen Organen bis auf die Ebene der Provinzialzeitungen sowie Kreis- Stadt- und Intelligenzblätter, erschien demzufolge nur als der publizistisch verlängerte Arm Bismarcks. Autoren preußenkritischer Blätter in den deutschen Mittelstaaten teilten die Meinung ihrer Kollegen südlich der Alpen über den Ursprung der Religionskriegssemantik. Die Augsburger Allgemeine Zeitung glaubte die Motive hinter einem „wohldurchdachten Plan“ preußischer Regierungskreise aufdecken zu können. Ihrer Meinung nach musste der „Glaubenseifer“ zur Hilfe gerufen werden, weil die Lüge vom Friedensbruch durch den Deutschen Bund den einfachen Landwehrmann ebenso wenig davon überzeugen würde, sich die Leiden eines Krieges aufzuerlegen, wie die Aussicht auf ein „großes Preußenreich“. 454 In Österreich spitzte die Neue Freie Presse diese Ansicht noch weiter zu. Den „ehrlichen Spießbürger“ damit zu erschrecken, Österreich fasse den Kampf gegen Preußen als einen Religionskrieg auf, und damit Reminiszenzen an die Zeit Wallensteins und Tillys wachzurufen, als der Krieg den Krieg ernähren musste, beweise nur, dass sich der Ertrinkende zur Not an einen Strohhalm klammere. 455„Das ist eine Kriegsrüstung sauberer Art, würdig den Zeiten des dreißigjährigen Krieges“, verurteilten im Rheinland die Kölnischen Blätter diese Versuche, die religiösen Gefühle der deutschen Protestanten in Fanatismus zu verwandeln, um dessen Wucht politisch gegen Österreich zu wenden. 456 In Österreich erkannte man als Muster dieser Strategie das taktische Manöver aus dem italienischen Krieg von 1859 wieder. 457 In einer weiter gefassten historischen Perspektive zogen Preußenkritiker Parallelen zum Vorgehen Friedrichs II., denn schon mit dem Schlesischen und dem Siebenjährigen Krieg sahen sie den Nachweis für die fortwährende politische Ausbeutung religiöser Gefühle durch Preußen erbracht. Die Revolution, verlautete es aus dem katholischen Meinungs453 Vgl. dazu: Der angebliche Religions- und Raubkrieg, in: Vaterland, 5. Juni 1866. Die Zeitung beruft sich dabei auf die Kölnischen Blätter. 454 Der Religionskrieg, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 20. Juni 1866. Diese Einschätzung wurde in der österreichischen Presse dezidiert geteilt vom Wanderer (31. Mai 1866), der Wiener Zeitung (23. Juni 1866) und der Neuen freie Presse (6. Juni 1866). 455 Ein Religionskrieg, in: Neue freie Presse, 6. Juni 1866. Vgl. auch Wiener Abendpost, Beilage zur Wiener Zeitung, 23. Juni 1866. 456 Katholikenhetze, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 656. 457 „Ein Religionskrieg“!, in: Wanderer, 31. Mai 1866.

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spektrum, halte im Lager der Feinde heuchlerisch die Maske der Religion vor und kopiere die Rolle, die der „Religionsspötter und Freidenker“ Friedrich II. im Kampf gegen Maria Theresia gespielt habe. 458 Onno Klopp unterstrich am Beispiel des Religionskrieges seine These vom „fortgeschrittenen Fridericianismus“ des Jahres 1866. Denn während Friedrich II. einen solchen Krieg zwar auch predigte, habe er jedoch nicht wie Wilhelm I. die Untertanen des Gegners zur Rebellion aufgefordert: „Er trat nicht persönlich vor dem Volk hervor, um von dem lieben Gott zu reden, mit dessen Gebote seine Handlungen im Widerspruche standen. Er sagte nicht, daß er seine Krone vom Tische des Herrn genommen. Er befahl nicht, wo er wußte, daß der unsäglich Jammer des Krieges allein sein Werk war, seinen Unterthanen einen Buß und Bettag für die Abwehr des Angriffes.“ 459 Die „Appelation an den Fanatismus“ rührte an ein deutsches Tabu, mit dem der konfessionelle Bürgerkrieg seit der Regelung der Konfessionsfrage im Westfälischen Frieden belegt war. 460 Die Rede von einem Religionskrieg war gerade deshalb so emotionsbeladen, weil sie mit verdrängten religiös-konfessionellen Affekten spielte. Hier artikulierte sich die kollektive Angst vor der Wiederkehr einer irrationalen Kriegsführung. Bei näherer Betrachtung der Argumentation zeigt sich zudem, dass beide Lager gleichermaßen versuchten, die konfessionelle Kriegsdeutung als Feindpropaganda zu entlarven. 461 Wechselseitig suchte man den Gegner dadurch zu diffamieren, dass man ihm vorwarf, mit einem Appell an konfessionelle Gefühle den Religionskrieg erst zu provozieren; nur sehr wenige Stimmen riefen offen dazu auf. Der Vorwurf des Tabubruchs war also Bestandteil einer Strategie, mit der man selbst in die Position des Verteidigers rückte. „Doppelte und dreifache Verräther an Deutschland“ soll der protestantische Konsistorialpräsident Adolf Harleß jene „Heuchler“ genannt haben, die den drohenden Kampf zu einem Religionskrieg stempelten und diese „Niederträchtigkeit“ noch dadurch krönten, unter „Krokodilstränen“ ihr eigenes Treiben dem verleumdeten Gegner in die Schuhe zu schieben. 462

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Vgl. Sincerus, Nach der Schlacht bei Königgrätz, S. 42, 56 ff. Klopp, Suum cuique et omnia mihi, S. XIII, 50 f. 460 Ebd.; vgl. dazu Schindling, Das Strafgericht Gottes, S. 43 f. 461 Vgl. beispielhaft für die preußische Seite den Provencial-Correspondent (Zeitung für Schlesien), 30. Mai 1866: „In den öffentlichen Blättern, namentlich von Süddeutschland her, ist neuerdings der Versuch gemacht worden, dem drohenden Kriege zwischen Preußen und Oesterreich den Anschein eines Religionskrieges zu geben, in der österreichischen Bevölkerung und der Armee den Religionshaß anzuschüren und in den preußischen Katholiken Sympathien für Oesterreich zu erwecken. Dieser Versuch, o weit er sich auf Preußen bezieht, wird sich gewiß als ein völlig verfehlter erweisen und an der treuen Haltung des Volkes zu Schanden werden.“ 462 Der angebliche Religions- und Raubkrieg, in: Vaterland, 5. Juni 1866. 459

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Die Replik österreichischer und süddeutscher Blätter auf die Religionskriegspolemik Preußens war demzufolge Bestandteil der eigenen Kriegspropaganda. Die vermeintlichen Hintergründe der konfessionellen Rhetorik lohnen jedoch eine nähere Betrachtung. Denn die Ablehnung, mit der weite Teile der preußischen Bevölkerung dem innerdeutschen Waffengang begegneten, verlieh dem Vorwurf zumindest ein gewisses Maß an Plausibilität. 463 Krieg ist für das Individuum immer eine ins Existentielle gesteigerte Krisenerfahrung. Erst die Empfindung einer existentiellen Bedrohung weckt den notwendigen Enthusiasmus und die Bereitschaft zum „Opfertod fürs Vaterland“. Im Nationalismus überträgt sich das Gefühl der von außen einwirkenden Existenzbedrohung auf das politische Kollektiv der Nation und trägt damit zur Massenmobilisierung gegen den äußeren Feind bei. Die Konfliktkonstellation von 1866 als eine binnennationale Auseinandersetzung unterlief jedoch diesen Mobilisierungseffekt. Auf der Suche nach einem klar abgrenzbaren Feindbild erwies sich die Konfession als eine noch immer wirksame Bindung, um Feindvorstellungen konturieren und daraus eine kriegsnotwendige Innen- und Außenabgrenzung generieren zu können. Das Feindbild weitete sich somit über den Soldaten auch auf die Nichtkombattanten des Gegners aus. Aus der Überhöhung des machtpolitischen Konflikts zu einem konfessionellen Existenzkampf bezog der Vernichtungsgedanke, wie er in der publizistischen Öffentlichkeit von 1866 vorkommt, ganz wesentlich seine emotionale Intensität. Dass dabei zugleich auf eine Gefühlsgemeinschaft jenseits der nationalen Idee gezielt wurde, machte dieses Motiv auch konservativen Kreisen zugänglich. Die konfessionelle Propaganda sprach spezifisch geistige und moralische Werte eines Preußen an, die diesen von einem Österreicher unterscheiden sollten. Die Verknüpfung von ethnischen und konfessionellen Vorurteilen schuf in Anwendung auf das österreichische Heer einen scharfen Kontrast zu dem vermeintlich „deutschen“ Profil der moralisch überlegenen preußischen Streitkräfte und untermauerte das patriotische Bekenntnis zur eigenen Armee. Bezogen auf den eingangs zitierten Leserbrief der Kreuzzeitung heißt das: Die Einschätzung der politischen Motive durch ihre Kritiker griff zu kurz, denn sie verkannte deren doppelte Stoßrichtung, die sich nicht nur gegen den militärischen Feind richtete. Mit der Überschrift hatte das Blatt auf die Neuwahl des Abgeordnetenhauses verwiesen und damit vermutlich den eigentlichen Adressaten offenbart: die liberale Fortschrittspartei als 463 Friedrich Engels’ Betrachtungen über den Krieg in Deutschland, die zwischen dem 20. Juni und 6. Juli 1866 im The Manchester Guardian erschienen, spiegeln die weit verbreitete Überzeugung der vermeintlichen österreichischen Überlegenheit. Engels sah die Truppen Habsburgs insbesondere moralisch im Vorteil. Während die Österreicher schon lange einen Krieg gegen Preußen herbeiwünschten und mit Ungeduld den Marschbefehl erwarten würden, so Engels, zögen die preußischen Soldaten, unter ihnen insbesondere die Reservisten und Landwehrmänner, gegen ihren Willen in den Krieg. In den Linientruppen sah Engels große Lücken klaffen. Vgl. Engels, Betrachtungen über den Krieg, S. 170 f.

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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innenpolitischen Gegner im preußischen Verfassungskonflikt. Der drohende Krieg war im Frühsommer 1866 unweigerlich zu einem Bestandteil des Wahlkampfes geworden. 464 Damit erschien aber auch der schwelende preußische Verfassungskonflikt um die Heeresreform in verändertem Licht. Die moralische Überhöhung des Konflikts sollte aus Sicht der Konservativen klarstellen, dass es sich bei ihrer Haltung nicht um bloßen „Gesinnungsmilitarismus“ handelte, sondern um patriotische Ideale. Mit dem erwähnten Leserbrief war in der öffentlichen Debatte die Büchse der Pandora geöffnet. Die Polemik, die sich um den vermeintlich drohenden Religionskrieg entspann, hatte zunächst große Resonanz in der Tagespresse unterschiedlicher politischer Couleur und regionaler Herkunft gefunden. Nach Kriegsende erlebte sie eine heftige Neuauflage insbesondere in der Zeitschriftenliteratur kirchlicher Provenienz. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg entfaltete im politischen Diskurs der Vorkriegswochen eine Eigendynamik, denn sie war Ausdruck und zugleich Katalysator konfessionell bestimmter Kriegsdeutungen. Die Konfliktfiguration dieses Krieges ließ sich ebenso wenig ihres religiösen Bedeutungsgehalts entkleiden, wie gleichzeitig jede Andeutung eines drohenden konfessionellen Bürgerkrieges zwangsläufig zu seinem Urbild im 17. Jahrhundert zurückführen musste. Mit anderen Worten: Wer sich im Jahr 1866 auf den Dreißigjährigen Krieg berief, dachte entweder selbst in den Kategorien eines konfessionellen Bürgerkrieges oder aber nahm zumindest in Kauf, dass beim Rezipienten das Bild von einem fanatischen Glaubenskrieg entstehen konnte. Auch jene, die sich auf den Dreißigjährigen Krieg explizit losgelöst von seiner religiösen Konnotation beriefen, hielten damit – wenn auch nur mittelbar und vielleicht ungewollt – die Erinnerung an den historisch überkommenen und überwunden geglaubten Streit wach. Der Vorwurf, den politischen Konflikt mittels religiöser Leidenschaften zu fanatisieren, schürte so selbst neue Vorurteile. Es gab zwar Versuche, dieser Propaganda argumentativ die Spitze zu nehmen, letztlich erlagen aber beide Seiten der Versuchung und griffen tief in die Asservatenkammer der konfessionellen Polemik. 465 Die Demaskierung der Feindpropaganda schützte keineswegs davor, sich selbst ähnlicher Methoden zu bedienen. Österreicher und Preußen, Katholiken und Pro464 Die Wahlen fanden am Tag der Schlacht von Königgrätz, dem 3. Juli 1866, statt und wurden zu einem Triumph der preußischen Konservativen. Sie steigerten die Zahl ihrer Abgeordneten gegenüber 38 im Jahr 1865 auf 123. Die Fortschrittspartei verlor dagegen stark und sank von 143 auf 83 Abgeordnete. Weiter rechts stehende Liberale bildeten mit jetzt 65 statt bisher 110 Abgeordneten das Zünglein an der Waage. 465 Vgl. beispielhaft: Ein Religionskrieg?, in: Neue freie Presse, 6. Juni 1866: „Wenn in Brixen aber ein Prälat verkündet, daß die Interessen der christlichen Religion und der katholischen Kirche auf dem Spiel stünden, so will er damit gewiß ebensowenig einen Kreuzzug gegen den Protestantsimus predigen, wie General v. Manteuffel bei seiner Rede in Husum an eine Expedition zur Befreiung der evangelischen Tirols gedacht hat, als er den Herzogthümern sagte, die Natur habe sie auf das protestantische Preußen angewiesen.“

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

testanten verstanden sich gleich gut darin, auf der Klaviatur von Denunziationen, Verdächtigungen und Gerüchten zu spielen. Der Dreißigjährige Krieg lieferte dazu das notwendige Vokabular. Emotional besetzte Begriffe aus dem Arsenal der Erinnerung daran weckten zwangsläufig die Vorstellung von dem besonderen Kriegsschrecken eines Glaubenskrieges, des „entsetzlichsten aller Kriege“, wie man lagerübergreifend meinte. 466 Wer in Preußen angesichts der gegnerischen Bündnispolitik von der „österreichischen Liga“ sprach, wird sich der damit ausgelösten Assoziationen bewusst gewesen sein. 467 Im Zentrum der preußischen und liberalen Kritik stand vorrangig das 1855 geschlossene Konkordat, das den Höhepunkt des Einflusses der katholischen Kirche in Österreich bedeutete. „Ihr könnt nicht steh’n, wo Finsterniß und Tücke/ Besiegeln lichtscheu sich im Concordat,/ wo abgerissen der Versöhnung Brücke,/ Da man verflucht den Fortschritt als Verrath“, dichtete in der Spenerschen Zeitung vom Juni 1866 ein Preuße, der damit offen dem Eindruck gelähmter Kriegsbegeisterung im Volk begegnete. „Es gilt der Wahrheit heil’gen Sieg auf’s Neue!“, gipfelt das Gedicht im Aufruf zum Krieg gegen das Haus Habsburg als dem vermeintlichen Todfeind der evangelischen Kirche. 468 Ihre Argumente schöpfte die konfessionelle Polemik aus Berichten über die religiösen Zustände in der Diaspora. In der veränderten Medienöffentlichkeit gewann die oftmals nur gerüchteweise grundierte Schilderung von lokalen und regionalen Ereignissen an nationaler Bedeutung. Das Verbot der Einweihung einer neu errichteten katholischen Kapelle im preußisch verwalteten Schleswig wurde in bis zum Maßlosen übersteigerter Rhetorik zu einem „Akt schreiender Intoleranz“ dramatisiert, die dafür verantwortliche königlich-preußische Verwaltung mit der Schreckensherrschaft in Frankreich, der Herrschaft von Moskowiten und Schweden oder dem revolutionären Italien gleichgesetzt. 469 Spenden von Klöstern für das Wiener Freiwilligencorps galten im geistigen Umfeld des Protestantenvereins wiederum als untrüglicher Hinweis darauf, dass für die „Römlinge in Österreich“ der Krieg ein „heiliger Krieg“, ein „Kreuzzug gegen die protestantischen Ketzer in Deutschland und die Kirchenschänder in Italien“ sei. 470 Der Absicht, aus den religiösen Verhältnissen in Österreich politisches Kapital schlagen zu wollen und das Land als „Konkordats- und Pandurenstaat“ zu verunglimpfen, begegneten vor allem österreichische Liberale auf zwei argumentativen 466 Verhandlungen der Württembergischen Kammer, S. 27 (Abg. Römer) und S. 63 (Abg. Schuldt). 467 Davon berichtet unter Bezug auf die Norddeutsche Allgemeine Zeitung der Österreichische Beobachter am 19. Juni 1866. 468 In’s eigene Lager. Hannibal ante portas, Spenersche Zeitung, 7. Juni 1866. 469 Österreichischer Volksfreund, 18. Februar 1866. 470 Vgl. Umschau, in: Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 26. Mai 1866.

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Ebenen: einer nach innen gerichteten, welche die Lage der Konfessionen im Habsburgerreich thematisierte, und einer offensiv nach außen gerichteten, auf der man den Gegner frontal angriff. Der liberalen Presse meldete ihr Korrespondent aus Tirol, dass man auch dort, wo noch wenige Jahrzehnte zuvor Protestanten ausgewiesen worden waren, aufgehört habe, diese für Heiden und „Menschenfresser“ zu halten. Selbst die „Lotophagen“, wie der Verfasser die Tiroler Bevölkerung abschätzig bezeichnete, hätten also den Irrglauben verloren, dass man in Europa wegen religiöser Prinzipien und Gebräuche Menschenblut vergießen könne. Es sei für alle kein Geheimnis mehr, dass die Konfessionsfrage eher eine finanzielle und eher ein Kampf um Macht als um religiöse Überzeugung sei. 471 Andere liberale österreichische Blätter waren überzeugt davon, dass die „lächerliche Jereminade“ und das „abgeschmackte Märchen“ von „Werwolf-Geschichten“ ohne Wirkung blieben, denn sie würden von dem katholischen Süddeutschland als „infame Lüge“ entlarvt und selbst von den sieben Millionen Katholiken in Preußen als „erbärmliche Tartuferie“ gebrandmarkt, im besten Fall als „politische Frömmelei“ an den Pranger gestellt. 472 Die Neue Freie Presse höhnte über das „kindische Streben“, den Protestanten Benedek zu einem modernen Tamerlan oder Wallenstein zu machen, der die Schrecken des Konkordats bis zum Rhein und an die Nordsee ausbreiten würde. Mochten die Gegner Österreichs noch so oft an den Friedländer und Tilly, an Kroaten und Panduren erinnern, für sie stand außer Frage, dass der nahende Krieg kein Kampf des Katholizismus gegen den Protestantismus sei. 473 In Österreich wähnte die Presse demnach die Bevölkerung im eigenen Land und die Katholiken nördlich der Alpen gegen die konfessionelle Propaganda immunisiert. Dagegen sah man das Stichwort der Religionsgefahr unter preußischen Meinungseliten entzündet. Hatte nicht der preußische Oberkonsistorialrat und Gründer des „Rauhen Hauses“, Johann Hinrich Wichern, davon gesprochen, einem „herrlichen Religionskriege“ entgegenzugehen, in dem sich der Protestantismus seiner Feinde siegend erwehre? 474 Und war die Eröffnungsrede des Rektors der Greifswalder Universität nicht programmatisch unter den Titel „Gustav Adolfs Ritt in katholisches Land“ gestellt? Die Kölnischen Blätter hatten diese Provokation energisch mit den Worten gekontert, die Nation brauche keinen Gustav Adolf, da sie in der Geschichte an einem bereits genug für ewige Zeiten gelitten habe. 475

471

Vgl. Die Presse, 5. Mai 1866. Neue freie Presse, 6. Juni 1866. 473 Vgl. Neue Freie Presse, 29. Juni 1866. 474 Vgl. Wiener Zeitung, 23. Juni 1866. 475 Die Greifswalder Rede gipfelte in der Aussage: „Es muß zum Kriege kommen zwischen dem protestantischen Norddeutschland und dem südlichen Oesterreich; denn in Oesterreich herrscht der starre päpstliche Katholicismus, der die Freiheit der Gedanken hindert.“ Rede und Kölnische Blätter hier zit. nach: Katholikenhetze, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 659. 472

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Auch die Landeskirche Preußens ihrerseits stand in der Kritik der Liberalen als „protestantisch-preußische[s] Papstthum“. 476 Das Anprangern der Beschränkungen zur Bildung evangelischer Kirchengemeinden in Tirol durch die Kreuzzeitung konterte die Neue Freie Presse mit dem Hinweis auf die fehlende Emanzipation der preußischen Protestanten, die unter einem absolutistischen Kirchenregime litten und eine Presbyterial-Verfassung nach österreichischer Art begrüßen würden. 477 Auch die Wiener Zeitung ging vor diesem Hintergrund in die Offensive: „Daß der norddeutsche Protestantismus alles das an Intoleranz und Fanatismus in sich schließe, was man dem österreichischen Ultramontanismus fälschlich nachsagt, daß in Berlin bereits thatsächlich Katholiken als solche insultirt würden, wozu in Wien kein Gegenstück aufzutreiben wäre, daß dieses Preußen sich mit dem revolutionären Italien verbindet, das den Dolch in der einen, die Brandfackel in der anderen Hand trägt, und ein Gesindel ins Feld führt, gegen welches unsere Kroaten wahre Heilige sind, das alles bleibt verschwiegen.“ 478 Eine Dankadresse der evangelisch-theologischen Fakultät der Wiener Universität an den Kaiser galt wiederum als Indiz dafür, dass es in Österreich nicht den leisesten Versuch gebe, dem Krieg auch nur die „Nuance einer religiösen Färbung“ zu verleihen. Den schlagenden Beweis dafür bot zudem der österreichische Klerus, der sich entgegen der verbreiteten patriotischen Begeisterung und „unbegrenzter Opferwilligkeit“ im Volk still verhielte. 479 In der Beschreibung der drohenden feindlichen Kriegsführung gewannen Handlungen mit symbolischem Charakter wie Kirchen- und Klosterschändungen an Bedeutung. Wer wolle die Bürgschaft dafür übernehmen, fragte eine österreichische Flugschrift energisch, „daß die Soldaten, welche muthwillig in den Krieg gejagt und großentheils in der Heimat zu Bettlern gemacht werden, für die zu Hause erlittenen Verluste in Feindesland sich durch Plünderungen zu entschädigen suchen? Es steht aber zu erwarten, daß die Protestanten es dann für weniger straffällig halten würden, sich an dem Kirchengute zu vergreifen, das sie als herrenlos betrachten, als den Bürgern, die ohnehin durch den Krieg verarmt sind, das Wenige zu nehmen, was ihnen noch geblieben ist.“ 480 In der Neuen Freien Presse 476

Vgl. Preußen und die deutsche Einheit, S. 23. Vgl. Ein Religionskrieg, in: Neue freie Presse, 6. Juni 1866. 478 Das Wirken der Presse, in: Österreichischer Volksfreund, 25. Mai 1866. Z. T. wortgleich: Der angebliche Religions- und Raubkrieg, in: Vaterland, 5. Juni 1866. Vgl. auch: Das Konkordatsösterreich, in: Österreichischer Volksfreund, 22. Juni 1866. Hier wird der Vorwurf erneuert, dass Preußen, der Nationalverein und der Abgeordnetentag in Frankfurt einen Sieg Österreichs als „Sieg des Konkordats und der Jesuiten über Licht und Freiheit des Protestantismus“ schmähen würden. 479 Vgl. „Ein Religionskrieg“!, in: Wanderer 31. Mai 1866; Der angebliche Religionsund Raubkrieg, in: Vaterland, 5. Juni 1866. Man reagierte damit auf Berichte in preußischen Blättern, wonach angeblich in Böhmen die niedere katholische Geistlichkeit beauftragt worden sei, von der Kanzel herab den Kampf als einen heiligen Krieg gegen die Protestanten zu propagieren. 477

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zitierte man aus einem Berliner Blatt die Worte: „Es ist schon richtig, daß die stumpfsinnigen Geschöpfe in Oesterreich sich von den Pfaffen zum Kriege gegen die preußischen Ketzer ermuntern lassen; aber ob die Böhmaken Madonnen an der Mütze tragen oder sich durch Amulette gegen die preußischen Spitzkugeln schützen, verschlägt am Ende nichts; immer noch besser, die schenken uns silberne Heiligenmedaillen, als sie stehlen uns silberne Löffel; und wenn sie keine Manneszucht halten, wird man sie demgemäß behandeln, gleichviel, ob sie unter dem Namen des heiligen Nepomuk oder unter dem Geldgeschrei ‚Stribro‘ plündern.“ 481 Bereits das Rassemotiv auf Seiten preußischer Deutungseliten war Ausdruck einer Radikalisierung der verbalen Kriegsführung. Weitgehend entmenschlichte Feindbilder stellten eine Bedrohungskulisse, vor deren Hintergrund der Hinweis auf das Vielvölkergemisch im Habsburgerreich insbesondere an bürgerlichen Ordnungs- und Besitzängsten rüttelte. Die Gräuelpropaganda spielte hier mit historischen Assoziationen zum Dreißigjährigen Krieg als einer festen Größe im Deutungsapparat der publizistischen Öffentlichkeit. Dabei vermischten sich ethnische Vorurteile mit konfessionellen Antipathien zu komplexen Feindbildstereotypen. In der sächsischen Standeskammer rief ein Abgeordneter seinen Kollegen zu, bei dem drohenden Krieg handle es sich nicht um einen Kampf Deutscher gegen Deutsche, sondern um einen Krieg von Magyaren und Tschechen gegen die deutsche Nation. Hinter diesen aber stünden die „Pfaffen“ und der „Clerus mit seiner Organisation“. 482 Die Entlarvung der römischen Kirche als vermeintlich wahren Kriegstreiber hinter der österreichischen Regierung weitete das Motiv des slawisch-magyarischen Söldnerheers zum Bild einer handfesten ausländischen Verschwörung aus. Dass die Verbindung von ethnischen und konfessionellen Ressentiments, die ihren zeitgenössischen Ausdruck im Schlagwort von einem drohenden „Religionsund Raubkrieg“ fanden, vor allem auf das Bürgertum und seine Besitzängste zielte, hatte die österreichische Presse schon damals offen gelegt. 483 Sie warf ihren preußischen Standesgenossen vor, dem Leser täglich zu predigen, dass die Regierung in Österreich aus lauter „rabenschwarzen Jesuiten“ und die Armee aus Panduren und Sarazenen bestehe, der Krieg mithin „zugleich seinem Glauben und seiner Börse gelte“. 484 Diese in der Medienberichterstattung von 1866 produzierten konfessionell-ethnischen Stereotypen wirkten vor allem dadurch, dass sie kaum durch unmittelbare Erfahrungen zu überprüfen und zu korrigieren waren. 485 480

Vgl. Verrath am deutschen Volke, S. 15. Vgl. Ein Religionskrieg, in: Neue freie Presse, 6. Juni 1866. 482 Zit. nach Billig, Deutschland’s verhängnisvolles Jahr 1866, S. 71 f. 483 Vgl. Das Wirken der Presse, in: Österreichischer Volksfreund, 25. Mai 1866, Der angebliche Religions- und Raubkrieg, in: Vaterland, 5. Juni 1866. 484 Vgl. Der angebliche Religions- und Raubkrieg, in: Vaterland, 5. Juni 1866. 481

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Das konfessionelle Moment im Kriegsdiskurs heizte die Loyalitätskonflikte innerhalb der deutschen Staaten an und forcierte das Bild eines Bruderkrieges in seiner religiösen Bedeutung. 486 Die konfessionelle Polemik zielte über die Mobilisierung des eigenen Lagers maßgeblich darauf, einen Keil in die gemischtkonfessionellen Gesellschaften der Mittelstaaten zu treiben, wo die Ahnung eines Bruderkrieges besonders stark ausgeprägt war. In ihrer Wirkung waren der Religionskriegspolemik jedoch Grenzen gesetzt. In Württemberg opponierten Liberale und Demokraten am stärksten gegen die preußische Konfrontationspolitik. Hier trug Robert Römer den Religionskriegsgedanken in die Kammer der Abgeordneten. Römer, der nach dem Krieg in der Deutschen Partei für den Anschluss Süddeutschlands an den Norddeutschen Bund plädierte, echauffierte sich über die Begeisterung der nichtdeutschen Bevölkerung Österreichs, die den Feldzug gegen Preußen in Wirklichkeit als einen Krieg gegen Deutschland und zum Teil auch als einen „Kreuzzug zur Vertilgung der Ketzerei“ betrachte. 487 Unter den Abgeordneten, so ist es im Protokoll vermerkt, erntete Römer mit seiner Argumentation von vielen Seiten Widerspruch. Noch am Tag darauf beklagte der Abgeordnete Christian Friedrich Schuldt das große Gewicht, das den konfessionellen Fragen beigemessen werde und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass ein solch brudermörderischer Kampf als Ausfluss barbarischer und heidnischer Zustände auf der Höhe der erreichten Zivilisation, Humanität, Moral und Religiosität unmöglich sei. 488 Die konfessionelle Propaganda barg zudem Sprengstoff für die gesellschaftliche Geschlossenheit im eigenen Land. Die Replik eines westfälischen Katholiken auf den Leserbrief in der Kreuzzeitung verwies auf Millionen seiner Glaubensbrüder unter den preußischen Untertanen, die für ihre Treue zum König erwarten könnten, in ihren religiösen Gefühlen nicht verletzt zu werden. Nur ein Fanatiker könne unter den gegenwärtigen Umständen von einem Religionskrieg sprechen; dessen Zeiten seien lange vorbei. Auch wenn die Österreicher diese Bezeichnung im Mund führten, sähen doch die preußischen Katholiken in einem Krieg gegen das Habsburgerreich vor allem eine politische Auseinandersetzung. 489 Die Zeitungen in Wien distanzierten sich nachdrücklich von dem Hinweis auf die vermeintlichen Ursprünge der Polemik in Österreich und beklagten die bedenkliche Wirkung der Propaganda unter den deutschen Katholiken. Gleichzeitig bot ihnen dessen kritische Äußerung Anlass, die Geschlossenheit des Gegners anzuzweifeln. 490 485

Siehe dazu Stöber, Die erfolgsverführte Nation, S. 250. Siehe dazu Blessing, Gottesdienst als Säkularisierung, S. 236. 487 Verhandlung der Württembergischen Kammer, S. 27. 488 Ebd., S. 63. 489 Vgl. Kreuzzeitung, 1. Juni 1866. 490 Am 16. Juli 1866 wies auch das Süddeutsche evangelisch-protestantische Wochenblatt seine Leser auf Leserbrief und Replik hin. 486

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Ein solchermaßen gefühlsbeladener Konflikt ließ die Fronten nicht nur durch die Partikularstaaten verlaufen, sondern auch quer zu den politischen Lagern. Der oben zitierte Leserbrief der Kreuzzeitung hatte gerade deshalb besondere Aufmerksamkeit gefunden, weil er in dem wichtigsten konservativen Blatt Preußens erschienen war. Das nationalkonfessionelle Element im Kriegsdiskurs von 1866 war Ausdruck einer allgemeinen Konfessionalisierung des politischen Konservativismus. Es führte zu einem Bruch der Koalition zwischen katholischer Publizistik und evangelischer Orthodoxie, wie sie noch 1850 im Konflikt um die preußischen Unionsbestrebungen bestanden hatte. 491 Die Konfliktkonstellation von 1866 durchbrach den grenzüberschreitenden Schulterschluss zwischen religiös argumentierenden Konservativen, die den Krieg als ein ‚Strafgericht Gottes‘ über das säkularistische bürgerlich-liberale Zeitalter ansahen. Das Bündnis Preußens mit Italien machte aus Sicht der katholischen Kirche den drohenden Krieg zu einem Religionskrieg im eigentlichen Sinn, indem sich nun auf der einen Seite atheistische Revolution und auf der anderen religiöse Traditions- und Rechtswahrung gegenüberstanden. Der katholische Österreichische Volksfreund hatte sich noch Anfang April 1866 ausdrücklich zur konservativen „heiligen Allianz“ zwischen Preußen und Österreich und damit gegen Demokratie und politischen Radikalismus bekannt. In Preußen wiederum bestand der langjährige Spiritus Rector der Kreuzzeitung, Ernst Ludwig von Gerlach, der seiner orthodoxen Ansichten wegen in liberalen Kreisen als „Ultramontaner des Luthertums“ 492 stigmatisiert war, weiterhin auf dem Grundsatz des Legitimitätsprinzips und lehnte in der Tradition der ‚heiligen Allianz‘ den Krieg gegen Österreich entschieden ab. Doch während von Gerlach in seinen Artikeln die preußische Konfrontationspolitik verurteilte, war die Zeitung selbst zum Gegenstand zeitgenössischer Anklagen geworden, nach denen sie der konfessionellen Stimmungsmache gegen Österreich schuldig war. Hier zeigt sich der Riss im preußischen Konservativismus besonders deutlich. In Österreich wertete man die Gerlachschen Auslassungen als letzten Versuch, gegen die Neukonservativen in Berlin anzukommen, die als „moderne Ritter des Kreuzes“ mit Leib und Seele der „Bismarckerei“ verfallen seien und deren Konservativismus von der Parole „Mit Gott für König und Vaterland“ voll und ganz übertönt würde. 493 „Die moderne Welt hat Gottesleugner von Profession gekannt“, griff die liberale Presse in Österreich den Faden auf, um die Religionskriegsdebatte zu 491

Vgl. Buschmann, Auferstehung, S. 359 f. Vgl. Kölnische Zeitung, 5. September 1859. 493 Vgl. Die Presse, 1. April 1866; Das liberale Großpreußenthum, in: Neue freie Presse, 16. Mai 1866; siehe dazu auch Die „göttliche Mission“ Preußens und vom selben unbekannten Autor Nicht Einigung sondern grundsätzliche Spaltung Deutschlands durch Preußen. 492

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einem Frontalangriff gegen die preußischen Konservativen zu nutzen, „sie hat in ihren Annalen Namen derer verzeichnet, welche unschuldige Menschen an den Laternen henkten und mit der Guillotine ganze Stände ausrotten wollten; sie hat Revolutionäre gesehen, welche knietief im Blute ihrer Mitmenschen wateten; aber wir finden diese Individuen nicht um ein Haar verworfener als diejenigen, welche unablässig die Religion im Munde führen und die nur eines Vortheils wegen jedes Gesetz, das vor Gott und Menschen heilig ist, ohne Scham mit Füßen zu treten bereitstehen“. 494 Die „preußischen Ausschreitungen“ auf den Kanzeln begründete der aus Süddeutschland stammende, aber im preußischen Barmen tätige Theologe Friedrich Fabri aus einer Art Erklärungsnotstand religiös konservativer Kreise. Die von diesen unter Verleugnung ihrer Grundsätze vollzogene Wandlung hin zur Unterstützung der Bismarck’schen Politik habe eines Deckmantels, der spezifisch preußische Patriotismus einer starken religiösen Färbung bedurft. Daher sei der Krieg mit Österreich, dessen Allianz von konservativer Seite so lange gepriesen wurde, mit einem Mal ein „Heiliger Krieg“ gewesen und die preußischen Kriegstaten seien wenigstens zu einem „Sieg Israels wider die Amalekiter“ erhoben worden. 495 Der Versuch zur Fanatisierung der Kriegsführung durch religiöse Emotionalität blieb 1866 weitgehend ein Phänomen der den Krieg begleitenden Propaganda. Stellt man die Frage nach ihren Folgen, begibt man sich zwangsläufig auf unwegsames Terrain, denn von Schilderungen über konfessionell motivierte Exzesse lässt sich nicht immer zweifelsfrei sagen, ob sie nicht selbst nur ein weiterer Bestandteil der jeweiligen Kriegspropaganda waren. 496 Immerhin berichtete Graf Cajus zu Stolberg-Stolberg als Folge der religiösen Verleumdungskampagne gegen Österreich von Kirchenschändungen und Misshandlungen an katholischen Priestern durch die nach Böhmen einrückenden preußischen Soldaten. 497 Ein Streifzug der 494

Vgl. Die Presse, 1. April 1866. Fabri, Die politischen Ereignisse des Sommers 1866, S. 136. 496 Gustav Billig, der sich mit dem Krieg von 1866 an die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges erinnert fühlte, ist mit seiner umfänglichen Kriegschronik ein Beleg für die Nachkriegspropaganda. Er zeigt zugleich, dass die Denunziation der landläufigen Volksfrömmigkeit als religiös fanatischer Aberglauben zur Diffamierungskampagne von 1866 zählte. Billig spottete u. a. über bayerische Soldaten, die sich mit Glaubensbüchern und Amuletten voll mystischer Zeichen „kugelfest“ machen wollten: „Es lag eine eigenthümliche Ironie darin, dass der Tod, den sie gerade besiegen wollten, diese Heiligthümer an’s Tageslicht brachte. Nur in einem Falle hatten sie die Probe bestanden, als die feindliche Kugel das Büchlein selbst getroffen und mit ihrer Wirkung abgeschwächt hatte, ein Fall, der in dem Buche selbst nicht vorgesehen war.“ Ferner hätten katholische Geistliche in Bayern, wo man Preußen und Protestanten gleichgesetzt habe, all denen, die eine gewisse Anzahl Preußen- oder Protestantenköpfe einlieferten, den Eintritt in das Himmelsreich ohne Fegefeuer verheißen. Vgl. Billig, Deutschland’s verhängnisvolles Jahr 1866. 497 Die Kreuzzeitung war daher Graf Stolberg-Stolberg durch ihre „maßlose Prahlerei“ und ihre „heuchlerische, gleißnerische Vertretung des Verbrechens widerwärtig oder höchst langweilig.“ Zit. nach Kopf, Die deutsche Krisis des Jahres 1866, S. 506. 495

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Vossischen Zeitung über die Kriegsschauplätze machte seinerseits die österreichische Polemik der Vorkriegswochen, die der Bevölkerung die „preußischen Krieger als Nachkommen der berüchtigten Soldaten des dreißigjährigen Krieges“ geschildert habe, für das verbreitet schlechte Bild der preußischen Armee in den besetzten Gebieten verantwortlich. 498 Aus Angst vor der vermeintlichen Unmenschlichkeit, Habgier und Zügellosigkeit der Soldaten sei die Bevölkerung geflüchtet und habe ihren Besitz zurückgelassen. Seine Eindrücke vor Ort und die Belastung der Zivilbevölkerung wusste der Kriegsberichterstatter der frühen Tage dann selbst in keine eindringlicheren Worte zu fassen als in ein Zitat aus Schillers Kriegsdrama Wallensteins Lager. 499 Die konfessionelle Polemik spiegelt zumindest das Bewusstsein der Zeitgenossen für die anhaltende Bedeutung religiöser Prägungen wider. Gerade weil sie Bestandteil einer interessegeleiteten Strategie war, müssen die Gefühle, auf die sie zielte, ernst genommen werden. Darin wie Hans-Ulrich Wehler nur „bizarre Blüten“ zu erkennen, würde den instrumentellen Charakter der konfessionellen Intonation im Kriegsdiskurs missachten. 500 Es ließe sich schlechterdings nicht plausibel begründen, warum Kommentatoren auf dieses Argumentationsmuster zurückgreifen sollten, wenn sie sich davon nicht eine Wirkung versprachen. Während der Nationalismus in seiner nationalreligiösen Ausprägung gerade die konfessionellen Gegensätze zu überwinden trachtete, leistete die Konfliktkonstellation von 1866 einer Konfessionalisierung der Nation Vorschub. Ein Nachweis für die These von einem „Zweiten konfessionellen Zeitalter“ ist dies jedoch nicht. Olaf Blaschke wendet sich damit zu Recht gegen eine modernisierungstheoretische Sichtweise, nach der mit Blick auf die Rekonfessionalisierungstendenzen nicht sein kann, was laut Fortschrittspostulat der Moderne nicht sein darf. Er unterschätzt jedoch seinerseits die funktionale Bedeutung der Religion unter den Bedingungen des Nationalismus. 501 Diese entsprach, vorrangig unter bildungsbürgerlichen Deutungseliten, schon lange nicht mehr der fundamentalen Haltung des 498 Friedrich Graf von Frankenberg und Ludwigsdorf, ein oberschlesischer Großgrundbesitzer, berichtet in seinen Kriegstagebüchern von Ansichten in der österreichischen Bevölkerung über die preußischen Soldaten als „Mordbrenner“, die er sich nur durch die „Hasspresse“ erklären konnte, die im ganzen Kaiserreich verbreitet gewesen sei. Vgl. Polschingen, Fred Graf Frankenberg, S. 30. 499 „Es ist hier just wie’s beim Einhauen geht/ Die Pferde schnauben und setzen an/ Liege wer will mitten in der Bahn/ sei’s mein Bruder, mein leiblicher Sohn/ zerreiß mir die Seele sein Jammerto / ueber seinen Leib muß ich hinjagen/ kann ihn nicht sachte bei Seite tragen.“ Das aber sei eben der Krieg, lautete die Botschaft für die Leser an der Heimatfront, ein Krieg, den man aus der Nähe sehen müsse. Vgl. Vom Kriegsschauplatz. Flüchtige Skizzen von Georg Hiltl, in: Vossische Zeitung, 22. Juli 1866. 500 Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 3. Bd., S. 297. 501 Vgl. Blaschke, Das 19. Jahrhundert, Ein zweites konfessionelles Zeitalter; ders., Der „Dämon des Konfessionalismus“; ders., Konfessionen im Konflikt. Kritik bei Kretschmann/ Pahl, Vom Nutzen und Nachteil.

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konfessionellen Zeitalters, sondern war der Nation als Letztwert untergeordnet. Zwar liefert die Religionskriegspolemik von 1866 eindrückliche Belege dafür, dass der „Dämon des Konfessionalismus“, auf den Blaschke im Sprachduktus des 19. Jahrhunderts verweist, im historischen Gewand erschien. Die konfessionelle Intonation der Kriegsdeutungen war jedoch oftmals weit weniger religiös motiviert als vielmehr Folge einer aktualisierten religiös-kulturellen Mentalität, in der das Wissen um jahrhundertealte Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken gespeichert war, eines bestimmten Lebensgefühls, das an ein spezifisches Bild Deutschlands appellierte. Nach Heinrich August Winkler war die Religion längst zur Ideologie geworden. 502 Dies erhob die Auseinandersetzung zwischen Österreich und Preußen in den Rang eines Kulturkampfes, in dem die historischen Bezüge ein gezieltes Argument der jeweiligen nationalen Weltanschauung darstellten, dem neuen Bekenntnis im Zeitalter der Ideologien. Erstaunen über die Debattentauglichkeit des Religionskrieges äußerten bereits Zeitzeugen von 1866. Einem Autor der Augsburger Allgemeinen Zeitung erschien der konfessionelle Bürgerkrieg als Anachronismus, zu dem es in der Gegenwart an nichts weniger als an Streitern fehle: „Eher wäre ein Krieg zwischen der süd- und norddeutschen Nationalität, zwischen Schutzzöllnern und Freihändlern, zwischen Lasallisten und Schulze-Delitzschianern, zwischen Liebhabern directer und indirecter Wahlen zur deutschen Reichsvertretung als Grund oder Folge des gegenwärtigen so bedauernswerthen Zwiespalts glaubhaft, als ein Krieg über die Beschlüsse des Concils von Trient, die Decrete der Congregation des Index, das allerjüngste Dogma von der unbefleckten Empfängnis.“ Was seiner Ansicht nach unter einem modernen Glaubenskrieg zu verstehen war, machte der namenlose Autor ebenso deutlich: „Die irrsten Kämpfe der Revolution in den neunziger Jahren, der Krieg in der Vendée, die Straßenschlachten des Jahres 1848 in Paris, das sind die Religionskriege unserer Zeit, und nur Gegensätze so tief greifender Art vermögen sie hervorzurufen.“ 503 Dass sich die Zeitungsredaktion aber trotz grundsätzlicher Zustimmung dazu veranlasst sah, vor der Gefahr eines durch konfessionelle Elemente vergifteten Bürgerkrieges zu warnen, unterstreicht noch einmal die Bedeutung, die man zur damaligen Zeit den konfessionellen Prägungen beimaß. Ein Dogmenkrieg wie in „alten glaubeneifrigen Zeiten“ würde zwar nicht entbrennen, da der Gegensatz durch Zeit und Bildung gemildert sei. Aber „Protestant“ oder „Katholik“ als Parteiname aufzurufen, mobilisiere noch immer eo ipso den jeweils anderen. 504 502 Vgl. Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 178. Gramley warnt zugleich davor, die Überführung konfessionspolitischer Vorurteile in nationale Argumentationsmuster nicht lediglich als Vehikel liberaler protestantischer Ideen und Interessen misszuverstehen; vgl. Gramley, Christliches Vaterland. Vgl. auch Kretschmann/Pahl, Vom Nutzen und Nachteil, S. 391. 503 Religionskrieg, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 20. Juni 1866. 504 Ebd.

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Bei Rudolf Köpke fiel das Urteil über die fortdauernde Bedeutung der Konfession ähnlich aus: „Armeen und Kanonen werden nicht um ihrer selbst Willen ins Feld geführt, sie sind die Werkzeuge der Ideen, die unsichtbaren Geistern gleich, über ihnen schweben.“ 505 Der Berliner Historiker deutete den innerdeutschen Krieg aber als einen „Prinzipienkampf“ , dessen letzte Bedeutung nicht allein im Politischen oder Nationalen zu finden sei: Österreich vertrat demnach eine dahinsinkende, Preußen eine aufsteigende Weltordnung. Auf Seiten der Kriegsbefürworter wurde die Forderung nach einem Prinzipienkrieg nun zur beherrschenden Legitimationsinstanz für den innerdeutschen Krieg. „Bruder-Krieg? Nein! Prinzipien-Kampf!“, lautete der programmatische Titel einer Flugschrift des Hessen Eduard Schüler, die verdeutlicht, dass die Rede vom Prinzipienkrieg vor allem die Semantik des Bruderkrieges aus den Vorkriegswochen unterlief, der durch den Eintritt der Mittelstaaten zur Realität geworden war. Bereits im Mai 1866 hatte die Spenersche Zeitung in diese Richtung verbal aufgerüstet und den Waffengang als unvermeidlichen „Principienkampf“, als Ringen von Nation und Bundesverfassung legitimiert. Er sei als das letzte Mittel gerechtfertigt, um diejenigen zu ihrem Vorteil zu zwingen, die durch Vernunftgründe nicht zu überzeugen seien, denn auf Dauer bringe der Partikularismus Deutschland größere Nachteile als eine momentane „barbarische Störung des Fortschritts und des Wohlergehens durch den Krieg“. 506 Mit der Forderung nach dem Prinzipienkrieg verband sich die Überzeugung, dass der Krieg die innere Spannung lösen und, wie das Blatt bereits im April vorauszusehen meinte, an seinem Ende das Junkersystem selbst verwandeln würde. 507 Die Formel von einem Prinzipienkrieg trug preußische Liberale damit über die innenpolitischen Konflikte Preußens hinweg. Denn an der Dichotomie von preußischem Fortschritt und österreichischer Reaktion konnten zumindest für Köpke auch sämtliche Verfassungskonflikte nichts ändern. „Wenn wir auch kein volksfreundliches Ministerium bei uns am Ruder haben“, schrieb dazu die Nationalzeitung im Juni 1866, „den Österreichern gegenüber vertritt Preußen dennoch die deutsche Volksfreiheit gleich wie im Dreißigjährigen Krieg die starren Lutheraner und Reformierten die Geistesfreiheit vertraten und retteten.“ 508 Einen Tag später unterstrich das Blatt seine Haltung in dem Bericht über eine Berliner Wahlmännerversammlung, auf der die Ansicht geäußert worden sei, dass ein Sieg Preußens den Sieg der bürgerlichen und der kirchlichen Freiheit bedeute, „die Bewahrung Norddeutschlands auf geistigem Gebiet vor den Jesuiten, auf materiellem vor finanziellem und volkswirthschaftlichem Ruin“. 509 505

Vgl. Köpke, Das Ende der Kleinstaaterei, S. 87. Vgl. Zur jetzigen Situation, in: Spenersche Zeitung, 6. Mai 1866; Der unvermeidliche Kampf, in: Spenersche Zeitung, 9. Mai 1866. 507 Vgl. Wer will den Krieg?, in: Spenersche Zeitung, 8. April 1866. 508 Vgl. Nationalzeitung, 30. Juni 1866. 506

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Als einen Prinzipien- und nationalen Freiheitskrieg der Deutschen fasste auch Heinrich von Treitschke den Waffengang auf. Seine Argumentation in den Preußischen Jahrbüchern zeichnete die gewohnt großen historischen Linien: Seit Ferdinand II. habe keiner die alten Pläne der Kaiser an der Donau, über Deutschland zu herrschen und dabei keinen anderen Willen neben sich zu dulden, so hartnäckig verfolgt wie Kaiser Franz Joseph. Was die Schmalkaldener, Bernhard von Weimar und Friedrich der Große versucht hätten, das sei, obgleich verhüllt und getrübt durch religiöse und dynastische Interessen, in seinem Kern ein nationaler Kampf für die deutsche Freiheit wider die Herrschsucht fremdländischer Gewalten gewesen. 510 So gesehen lieferte die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges eine Deutungsgrundlage, die bis in das Lager radikaler Demokraten Verwendung fand. Zu ihnen zählte unter anderen Arnold Ruge, für den der Krieg kein Bruderkrieg, sondern explizit ein „Principienkrieg“ und eine Revolution war – in der Denktradition von 1848 und in den Dimensionen eines europäischen Befreiungskrieges. Demnach hätten sich alle Völker des Kontinents in der Geschichte mit Österreich um ihre Freiheit schlagen müssen, die Deutschen im Dreißigjährigen Krieg. Jetzt gelte es, Österreich ein für alle Mal unschädlich zu machen. Ruge, der sich damit ganz in die liberal-protestantische Deutungstradition des Dreißigjährigen Krieges als Befreiungskrieg stellte, verband seine Hoffnung auf einen Sieg der preußischen Waffen mit der Hoffnung auf einen Sieg Garibaldis und auf ein deutsches Parlament, um die „Siege über die Tyrannen“ durch das Volk bestätigen zu lassen. Er proklamierte, die Aufgabe dieses Jahrhunderts sei die politische Wiedergeburt der Völker, nicht die Erhaltung des Mittelalters, des Papstes und der Jesuiten. Auf Deutschland bezogen hieß das, die Führungsrolle Preußens zu akzeptieren, wodurch trotz aller Einschränkungen das Volk, die Einheit sowie die Freiheit von Wissenschaft und Parlament repräsentiert würden. 511 3. Nach der Schlacht von Königgrätz: Siegerpathos und Niederlagenverarbeitung Die Feldzüge im Sommer 1866 hatten an Dauer und Ausmaß nichts mit den Kampfhandlungen gemein, die in der aufgeregten Debatte der Vorkriegswochen befürchtet worden waren. Am 3. Juli des Jahres trafen die feindlichen Heere bei Königgrätz in Nordböhmen aufeinander. An nur einem Tag war die Schlacht hier militärisch und damit der Krieg auch auf seinen anderen Schauplätzen politisch 509

Vgl. Nationalzeitung, 1. Juli 1866. Vgl. Treitschke, Der Krieg und die Bundesreform; hier zit. nach Spenersche Zeitung, 8. Juni 1866. 511 Krieg gegen Österreich, Parlament in Berlin! Ein offener Brief zur Verständigung von Arnold Ruge, in: Nationalzeitung, 5. Juli 1866. 510

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entschieden. Unter dem Eindruck dieses preußischen Sieges zogen prominente Zeitgenossen wie Friedrich Engels und Theodor von Bernhardi einen Vergleich mit der Schlacht von Waterloo als zeitgenössisches Synonym für eine weltgeschichtliche Entscheidungsschlacht. 512 Daneben machten unter in- und ausländischen Kommentatoren weitere Geschichtsbezüge die Runde, in denen sich die historische Argumentationsführung der Vorkriegsdebatte widerspiegelte. Der unerwartet rasche Kriegsausgang hatte den publizistischen Deutungskampf keineswegs beendet. Im Gegenteil, der Sieg der preußischen über die österreichische Armee auf den böhmischen Schlachtfeldern läutete eine neue Runde in der Auseinandersetzung über Rechtmäßigkeit und den „wahren“ Gehalt des Krieges ein. 513 Die gesellschaftlichen Konfliktlinien waren mannigfaltig. Die Kriegserfahrung hatte die Gräben zwischen Katholiken und Protestanten, Süddeutschen, Österreichern und Preußen, Liberalen und Demokraten nur noch tiefer gezogen. Sie durchdrangen sich wechselseitig und schufen eine komplexe politische Gemengelage aus widerstreitenden Interessen. Die territorialen Veränderungen, forciert durch die preußische Annexionspolitik in Norddeutschland, heizten die Auseinandersetzungen nachhaltig an. In der Verarbeitung der nationalpolitischen Konsequenzen des Kriegsausgangs bot die historische Verortung der Gegenwartserfahrung allen Seiten Halt und Orientierung für ihre jeweiligen Zukunftsentwürfe. Im Zuge dessen gewann der Bezug auf den Dreißigjährigen Krieg für die Deutungseliten im Lager der Sieger an veränderter sinnstiftender Qualität. a) Der „dreißigtägige Krieg“ und die nationale Revolution Vom militärischen Blickwinkel aus stellte die Rede vom „Siebentägigen Krieg“ oder auch „The Seven Week’s War“ die beendeten Kampfhandlungen in eine Reihe mit traditionellen Kabinetts- und Staatenkriegen. In der begrifflichen Nähe zu den Feldzügen Friedrichs II. im 18. Jahrhundert schlug sich die allgemeine Überraschung über den Sieg Preußens gegen das vermeintlich überlegene Österreich nieder, auf dessen Seite immerhin das von allen Mittelstaaten gemeinsam getragene Bundesheer gekämpft hatte. Falschmeldungen von den Kriegsschauplätzen, die in der süddeutschen und österreichischen Presse noch kurz vor der Schlacht von Königgrätz einen Sieg Habsburgs erwarten ließen, verstärkten unter den Zeitgenossen zusätzlich den Eindruck eines wundersamen preußischen Erfolgs. Sie fühlten sich darin an die mit der Fortune Friedrichs II. gegen eine Übermacht von Feinden erfochtenen Siege erinnert. 514 Indem einzelne Kommentatoren allerdings 512

Vgl. dazu Walter, Preußische Heeresreform, S. 63 ff. (Zitate S. 64 ff.). Vgl. zur Verarbeitung des Krieges mit Schwerpunkt auf die Siegerfraktion Faber, Realpolitik als Ideologie; zur Niederlagenverarbeitung Buschmann, Niederlage als retrospektiver Sieg. 514 Vgl.: Vilbort, Sadowa und der siebentägige Krieg; Hozier, The Seven Week’s War. 513

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den „natürlichen Zusammenhang“ vom Schlesischen über den Siebenjährigen bis hin zum „Siebentägigen Krieg“ schilderten oder die geschichtliche und politische Bedeutung von 1866 als Vollendung des Siebenjährigen Krieges feierten, eröffnete sich ein Deutungsrahmen, der über den militärischen Betrachterstandpunkt hinauswies und den Krieg einer nationalpolitischen Bewertung unterwarf. 515 Weitaus stärker traf dies auf den Begriff des „dreißigtägigen Krieges“ zu, einem weiteren Schlagwort, mit dem zeitgenössisch der Krieg von 1866 belegt wurde und das in der Nachkriegsdebatte einen wesentlichen Akzent setzte. Mit dem Prager Frieden erkannte der österreichische Kaiser die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes an und gab seine Zustimmung zu einer Neugestaltung Deutschlands ohne Beteiligung des habsburgischen Kaiserstaates. 516 Die Berliner Nationalzeitung betrachtete den preußischen Sieg in seiner Tragweite daher aus der Perspektive der territorialen und verfassungsrechtlichen Veränderungen des Westfälischen Friedens und des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. 517 Im Süden Deutschlands erkannte auch das bedeutendste liberale Blatt der an Österreich orientierten großdeutschen Opposition, die Augsburger Allgemeine Zeitung, unumwunden ihre Niederlage an. In der politischen Bewertung des Kriegsausgangs und dessen historischem Ort unterschied sie sich kaum von ihrem preußischen Konkurrenzblatt: Österreich habe vollends auf seine Stellung innerhalb Deutschlands verzichtet, um die es von Beginn des Dreißigjährigen Krieges an bis in die neueste Zeit gekämpft habe. Während der Dreißigjährige Krieg die deutschen Fürsten zu Souveränen machte, habe der „dreißigtägige Krieg“ die meisten von ihnen nun wieder einem Oberhaupt unterworfen. 518 „Du hast’s erreicht. In dreißig Tagen/ Hast Du den dreißigjährigen Krieg/ und dreißig Herrn aufs Haupt geschlagen.“ So fasste an gleichem Ort ein kurz zuvor publiziertes und dem preußischen König gewidmetes Gedicht die partikularstaatlichen Konsequenzen des Kriegsausgangs in pathetische Verse. 519 Der Schock über die bis dahin nicht für möglich gehaltene Niederlage Österreichs saß insbesondere im katholischen Deutschland tief. Der viel zitierte Ausruf des römischen Kardinalstaatssekretärs Giacomo Antonelli zum Ausgang der Schlacht bei Königgrätz, „Casca il mondo“ (die Welt stürzt ein), gab eine unter Katholiken verbreitete zeitgenössische Gefühlslage wieder. Die HistorischPolitischen Blätter für das katholische Deutschland konkretisierten, welche Welt 515 Goehring, Die Kriege Preußens gegen Oesterreich von 1740 –1866; vgl. auch Fabri, Die politischen Ereignisse des Sommers 1866, S. 136. 516 Zum langen Nachwirken dieser Entscheidung von 1866 vgl. Schubert, Abschied vom Nationalstaat, v. a. S. 235 ff. 517 Deutschlands gegenwärtige Lage, in: Nationalzeitung, 25. Juli 1866. 518 Die preußischen Waffenerfolge und die Neugestaltung Deutschlands, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 17. August 1866. 519 Dem König von Preußen, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 2. August 1866.

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für sie untergegangen war: „Ueber das deutsche Volk ist eine Zerstörung seiner politischen Basis und eingewöhnten Lebensbedingungen gekommen wie seit tausend Jahren nicht. Das Neue hat definitiv gesiegt über das Alte; das besiegte Alte aber datirt nicht erst von 1815 herwärts sondern bis auf Karl den Großen zurück. Die Reichs-Idee ist gefallen und begraben; und wird das deutsche Volk je wieder in einem Reiche vereinigt werden, so wird es ein Reich seyn das nicht eine tausendjährige sondern nur eine dreihundertjährige Geschichte hinter sich hat.“ 520 Wer in den Präsidialrechten, die Habsburg im Deutschen Bund besaß, eine „pietätsvolle Erinnerung“ an das historische Recht Österreichs auf die deutsche Kaiserkrone erkannt hatte, zog in der Bewertung des Ergebnisses vom Sommer 1866 zwangsläufig solche großen historischen Linien. Das protestantische Preußen versuche im Bund mit der italienischen Revolution diese geschichtliche Erinnerung auszulöschen, war in einer österreichischen Flugschrift mit unbekanntem Verfasser vom Juli zu lesen. Mit dem Hinausdrängen Österreichs aus Deutschland und Italien würden auch die „letzten jener zahllosen Fäden, mit welchen das ehemalige heilige römische Reich deutscher Nation so innig mit dem heiligen Stuhle verbunden war“, zerreißen. 521 Das Bündnis zwischen Preußen und Italien, in zeitgenössischer Diktion „die gekrönte und die ungekrönte Revolution“, machte die Auseinandersetzung aus Sicht dieses anonymen Katholiken zum Existenzkampf der verbliebenen konservativen Großmacht in Europa. Das Manifest Kaiser Franz Josephs vom 10. Juli 1866 nahm er zum Aufhänger für einen Aufruf an die „Katholiken des ganzen katholischen Erdkreises“ zum „heiligen Krieg“ gegen die Revolution und für die Existenz des katholischen Österreichs mit seiner Mission, die christliche Weltordnung und den Papst als Statthalter Christi zu schützen. Nördlich der Alpen traf er damit kaum auf Resonanz. In München bekannten sich die Historisch-Politischen Blätter für das katholische Deutschland zwar auch nach der Niederlage weiterhin explizit zur großdeutschen Kaiser- und Reichsidee. Sie betonten jedoch, nie den deutschnationalen Standpunkt mit dem exklusiv katholischen verwechselt und dem Reichsgedanken „den 782 geweihten Mantel des alten heiligen römischen Reichs“ umgelegt zu haben. Das meinungsbildende Blatt deutscher Katholiken richtete den Blick nach vorn. Gerade die Vorstellung von der göttlichen Providenz half, obwohl man über den historischen Verlust konsterniert war, dabei nicht wie „jammernde Jeremiasse“ auf den Trümmern „unseres Jerusalems“ zu sitzen, sondern sich den neuen Bedingungen zu stellen, um zu retten, was zu retten war. 522

520 Zeitläufe. Das deutsche Volk zwischen heute und morgen, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 314. 521 Sincerus, Nach der Schlacht bei Königgrätz, S. 15. 522 Zeitläufe. Das deutsche Volk zwischen heute und morgen, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, S. 314.

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Angesichts dessen musste sich der katholische Österreichische Volksfreund in seinen ärgsten Befürchtungen bestätigt fühlen. Bereits im Vorfeld des Krieges hatte er die Historisch-Politischen Blätter als anerkannten „Meister in der Publizistik“ für deren Überlegung kritisiert, Österreich solle sich aus Deutschland zurückziehen, um sich seiner „großen und wahrhaft katholischen Mission im Süden und im Osten“ zu widmen. Die österreichische Zeitung hatte sich in seiner Abwehr solch strategischer Gedankenspiele auf die höchstmögliche Autorität, den Rat des Papstes, gestützt. Danach hatte Österreich „seine Pflicht hier und dort zu erfüllen, und als katholische Macht, so viel an ihm liegt, zu verhindern, daß das ehemalige heilige römische Reich deutscher Nation in seiner neuesten Auflage seinen theilweisen Abfall von der Kirche mit der preußischen Kaiserkrone kröne“. Der Verfasser des Artikels scheute sich damals nicht, „als Idealpolitiker belächelt und für einen schlechten Realpolitiker erklärt zu werden“. Zwar sei der nationaldeutsche Standpunkt nicht absolut unvereinbar mit dem katholischen – so die eigene prinzipienfeste Haltung –, aber wenigstens so weit unvereinbar, als er dazu führe, die katholische Kirche der politischen Größe Deutschlands unterzuordnen. 523 Die Differenzen unter deutschen und österreichischen Katholiken sind offensichtlich. Immerhin zählte aber zu den Grundzügen der katholischen Realpolitik in Deutschland, ein engeres Bundesverhältnis zwischen Preußen und Österreich einzufordern, wie dies der Mainzer Erzbischof Wilhelm Emanuel von Ketteler in einer viel beachteten Stellungnahme tat. 524 Im Lager der politisch Unterlegenen und historischen Verlierer sparte man nach Kriegsende nicht mit offener Kritik an der habsburgischen Politik. Die Schilderung einer „Wanderung über die böhmischen Schlachtfelder“, die Ende August in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erschien, legte für die Liberalen im großdeutschen Lager den Finger in die Wunde ihrer enttäuschten Erwartungen. Deren Verfasser bemängelte die österreichischen Kriegsziele, denen es an den nötigen Idealen gefehlt habe, denn der Krieg sei nicht um der deutschen Freiheit willen geführt worden. Bei Gitschin überkam ihn die Erinnerung an den Herzog Wallenstein. Ob sich der alte Friedländer angesichts der kriegerischen Ereignisse eher in seinem Grabe herumdrehte oder Schadenfreude empfände, wusste der Autor zwar nicht zu beantworten. Außer Frage stand für ihn aber: „Stände heute ein Wallenstein auf, da es um Oesterreich so schlimm steht, wie nach den ersten Siegen Gustav Adolfs, er fände der Kräfte genug um den nordischen Feind zu schlagen; freilich müßte er in etwas veredelter Gestalt erscheinen, und anstatt ‚Beute‘ müßte er ‚Freiheit‘ auf seine Fahnen schreiben, so eine Art Garibaldi.“ Große Hoffnungen darauf hegte er jedoch nicht, wie er ernüchtert zugab, denn 523

Vgl. Österreichischer Volksfreund, 9. Mai 1866. Ketteler, Deutschland nach dem Krieg von 1866, S. 82 –84. Siehe dazu Zeitläufe. Die Lage und die Aussichten der österreichischen Monarchie, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 618 –634. 524

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„die Garibaldi wachsen nicht in Oesterreich, und trotz aller Erfahrung will man nicht, daß sie wachsen“. 525 Wie das nur mehr sarkastische Echo auf die Beschwörung des Dreißigjährigen Krieges vor der Schlacht von Königgrätz klangen dagegen die Gedichtzeilen eines Erinnerungsblattes für die preußische Armee: „Zu Gitschin die Karthause umlodert Flammenschein, in Eisen liegt begraben dort Herzog Wallenstein. Da braust’s heran im Sturme wie zwanzig Wetter gleich, Prinz Friedrich Karl von Preußen – Nun rett’ Dich Oesterreich! Nah roll’n die Preußendonner den Blitzen fahlen Scheins, und Oesterreich ist geschlagen am Grabe Wallensteins. Umsonst klopft an die Pforte der Grufte Oesterreichs Noth, – begraben was begraben, der Wallenstein ist todt!“ 526 Im Ergebnis, so Hans-Ulrich Wehler, war der historische Einschnitt des innerdeutschen Krieges tiefer als der des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, mit dem die frühe Weichenstellung nur noch besiegelt worden sei. 1866 markierte vor allem eine Zäsur im deutschen politischen Bewusstsein. 527 „Indem ich den Krieg von 1866 machte, marschierte ich gegen das öffentliche Gefühl, ich zog mir die ärgste Unpopularität zu“, schrieb Bismarck später über die Ausgangslage und wusste nur zu genau den Grund für den Stimmungsumschwung: „Der Sieg hat mich freigesprochen.“ In der Folge suchte der preußische Ministerpräsident Frieden nach Innen und Außen. Entgegen den Wünschen seines Generalstabschefs Helmuth von Moltke demütigte er den Gegner nicht. Mit der Indemnitätsvorlage im preußischen Parlament versuchte Bismarck zugleich, den schwelenden preußischen Verfassungskonflikt beizulegen. Nicht nur Österreich sei auf den böhmischen Schlachtfeldern geschlagen worden, sondern auch die deutsche Bourgeoisie, bilanzierte anderthalb Jahrzehnte später Friedrich Engels die innenpolitischen Folgen des Kriegsausgangs. 528 Die tief greifenden nationalpolitischen Konsequenzen des preußischen Sieges sorgten für ein Beben in der ohnehin uneinheitlichen deutschen Parteienlandschaft. Von der Konservativen und der Fortschrittspartei spalteten sich Freikonservative bzw. Nationalliberale ab, die Bismarcks Politik unterstützten. Angesichts des schnellen Geisteswandels prominenter Liberaler und Demokraten spotteten die politisch Unterlegenen über deren „moralischen Tod“ und das „innere Düppel“. 529 Mancher von Bismarcks schärfsten Kritikern ergab sich der Realität, andere sahen den Kriegsfatalismus und ihre dezisionistische Haltung vom 525 Wanderung über die böhmischen Schlachtfelder, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 25. August 1866. 526 Vgl. Fürste, Der Preußen Krieg und Sieg im Jahre 1866, S. 11. 527 Siehe dazu Faber, Realpolitik als Ideologie. 528 Engels, Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, S. 434. 529 Vgl. Preußen und die deutsche Einheit, S. 52.

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Frühsommer in der Entscheidung von Königgrätz nachträglich sanktioniert. Der Hinweis auf die Rolle Bismarcks, der nun – so der Historiker Adolf Schmidt – als „eifrigster Werkführer, Vorkämpfer und Lebensspender“ der preußisch-deutschen Union erschien, die er noch 1850 als „Todtengräber“ bekämpft hatte, half dabei von dem eigenen politischen Wandel abzulenken. 530 Zugleich wandte man sich aber gegen die Annahme, Bismarck habe den Krieg „gemacht“ und untermauerte dessen Deutung als geschichtliche Notwendigkeit. 531 Dem Versuch, den Einschnitt von 1866 als organischen Teil eines in sich schlüssigen Geschichtsverlaufs abzumildern, stand die Auffassung gegenüber, diesen als Revolution zu betrachten. Für die Augsburger Allgemeine Zeitung war der Sieg der norddeutschen Großmacht nichts weniger als eine nationale Umwälzung. „Die 1848 und 1849 von unten nicht durchgeführte Revolution ist 1866 von oben fortgeführt worden“, lautete das überraschend positive liberale Fazit dieses Blattes, dessen eigenes großdeutsches Ideal in Königgrätz zerschlagen worden war. 532 Übereinstimmend betonen auch heutige Autoren einschlägiger Darstellungen zur deutschen Geschichte diesen Bedeutungsgehalt der Ereignisse von 1866 als „Revolution von oben“. Erinnert wird dabei an das Urteil Jacob Burckhardts, für den die „große deutsche Revolution von 1866“ eine „abgeschnittene Krisis ersten Ranges“ bedeutete. 533 Unter den Zeitzeugen würdigte auf der extremen Linken auch Friedrich Engels den revolutionären Gehalt des „deutschen Bürgerkriegs“. Im Kontrast zu den „fast ausnahmslos nebelhaften Versuchen von 1848“, schrieb er im Rückblick, habe der preußische Ministerpräsident den Krieg mit revolutionären Mitteln durchgesetzt: „Statt sich der verfassungsmäßigen Entscheidung der Bundesbehörden zu unterwerfen, warf er ihnen Bundesbruch vor – eine reine Ausrede –, sprengte den Bund, proklamierte eine neue Verfassung mit einem durch das revolutionäre allgemeine Stimmrecht gewählten Reichstag und verjagte schließlich den Bundestag aus Frankfurt.“ 534 530

Schmidt, Preußens Deutsche Politik, S. IV. Vgl. Fabri, Die politischen Ereignisse des Sommers 1866, S. 136. Fabri bezeichnete die Behauptung, Bismarck habe diesen Krieg gemacht, als töricht, denn „ein solcher Krieg [lasse] sich nur führen auf bestimmten historischen Bedingungen, die, seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten wirksam, ganz außer der Macht Eines Menschen liegen. Daß die Frage der Oberherrschaft in Deutschland noch mit einem Kriege zwischen Preußen und Oestreich ausgetragen werden müsse, war bei einigem geschichtlichen Urtheil längst erkennbar.“ Siehe dagegen Verrath am deutschen Volke, S. 3 –10. Das österreichische Pamphlet begrüßt die Kriegspolitik Bismarcks, des „Attila“ der Gegenwart, denn wie das Gewitter notwendig sei, um die Luft zu reinigen, bedürfe es von Zeit zu Zeit eines Menschen, der wie Attila als „Geißel Gottes“ „die Menschheit aus ihrer Versumpfung“ aufschrecke. 532 Eroberung oder nationale Umwälzung?, in: Augsburger Allgemeinen Zeitung, 11. August 1866. Vgl. auch: Die deutschen Revolutionen von 1848 und 1866, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 20. August 1866. 533 Vgl. Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 192. 531

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Zeitgenössisch war die Revolution als wertbesetzter Begriff Gegenstand eines interessegeleiteten Deutungskampfes, in dessen Zentrum die Frage nach der Rechtmäßigkeit der preußischen Annexionen in Norddeutschland stand. Innerhalb einer Nation, postulierte die Augsburger Allgemeine Zeitung, gäbe es keine Eroberungen, denn gewaltsame innere Veränderungen seien Revolutionen, egal ob sie von oben oder von unten kämen. Dieser revolutionäre Gehalt habe dem preußischen Erfolg erst seinen nationalen Wert verliehen. 535 Der Hamburger Publizist Wilhelm Marr, dessen intellektuelle Karriere im Vormärz als Anarchist und Kommunist begann und der im Kaiserreich als geistiger Wegbereiter des Antisemitismus endete, bezog zur Annexionsfrage von einem, wie er betonte, spezifisch „germanischen“ Standpunkt aus eindeutig Position. Das Kriegsunglück habe in Wien Illusionen zerstört, in Berlin und dem Rest Deutschlands aber Illusionen geschaffen, lautete seine prägnante Analyse der machtpolitischen Auswirkungen von Königgrätz. Für Marr hatte Österreich den eigentlichen Vorteil aus dem Krieg gezogen, da es sich als Großmacht vom Dualismus befreit nun unbeschwert der Mission im Osten zuwenden könne. Preußen dagegen, das mit Österreich seinen theoretischen Gegensatz und Blitzableiter der inneren Politik verloren habe, müsse sich nun gezwungenermaßen die feindlichen Mittelstaaten unterwerfen. Denn das Gegenteil führe, so Marrs Überzeugung, zur permanenten „gouvermentale[n] Anarchie“ in Deutschland. Diese Einschätzung war keine selbstironische Reminiszenz an seine Jugendjahre, sondern bildete die Furcht vor der Entfesselung des Partikularismus und der europäischen Machtgelüste gegenüber Deutschland im Zuge der umstrittenen preußischen Annexionspolitik ab. 536 „Finis Germaniae“, riefen deshalb diejenigen, die sich aus ideologischem oder partikularstaatlichem Interesse heraus der legitimierenden Interpretation der preußischen Annexionspolitik als nationaler „Revolution von oben“ nicht unterwerfen wollten. 537 Jacob Venedey griff in seiner Ablehnung der „Militärrevolution“, wie er sich ausdrückte, auf das Motiv der „deutschen Freiheit“ zurück, das die Oberherr534

Engels, Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, S. 432. Eroberung oder nationale Umwälzung?, in: Augsburger Allgemeinen Zeitung, 11. August 1866. Vgl. auch: Die deutschen Revolutionen von 1848 und 1866, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 20. August 1866. 536 Vgl. Marr, Der Ausschluß Oesterreichs aus Deutschland, S. 13 f., 20, 24 f., 30 ff. Marr betrachtete Österreich als „politisches Betriebscapital“, dessen man in Deutschland noch nicht entbehren könne, weil die Deutschlandkarte nur unter dem militärischen Schutz beider Großmächte revidiert werden könne. Die Zeit für einen von ihm letztlich als notwendig erachteten „Vernichtungskrieg“ zwischen diesen beiden Mächten sah Marr damals noch nicht gekommen, da Deutschland dabei zur wehrlosen Beute des Auslandes zu werden drohe. 537 Vgl. Süddeutschland nach dem Kriege. Seine Lage und Aufgabe. Von einem Württemberger, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, 29, 1866, 4. Heft, S. 54 f.; Zwei Revolutionen von oben, S. 17. 535

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schaft eines deutschen Staates verbiete. Für ihn stellte Bismarcks Politik, die er in eine Parallele mit dem Bonapartismus stellte, eine recht- und gesetzlose Aneignung dar, „auf deutsch: Diebstahl im Großen“. 538 Preußen habe im Niederwerfen von Thronen und Kronen den „Weg der rothen Republikaner“ eingeschlagen, geißelten auch Altkonservative die „Vergewaltigungspolitik“ Norddeutschlands. 539 Weiter sprachen sie abschätzig von der spezifisch preußischen und partikularistischen Revolution und dem alten „Fridericianischen Geist europäischer Großmachtpolitik“. 540 Der Prinzipienkampf waltete einer dieser altkonservativen preußischen Stimmen zufolge nun in veränderter Gestalt. An die Stelle politischer Parteien, deren Ideale man für tot erklärt habe, traten nun Staaten als „reale Mächte mit formalen Principien“. 541 Dem Schlachtruf „Hie Freiheit! – hie Zwangseinheit!“, womit der Gegensatz zwischen föderalistischem und zentralistischem Staatsprinzip gemeint war, konnten sich auch die politischen Gegner Preußens in Süddeutschland anschließen. 542 Hier bekräftigte jedoch der Württemberger August Österlen selbstbewusst die unerschütterliche, prinzipienfeste Haltung der demokratischen Partei: „Wir aber geben unsere Prinzipien nicht auf, die bleiben ewig stehen wie die Sterne. Die Macht, welche Throne gestürzt hat, wird unsere Prinzipien nicht umstürzen können.“ 543 Auch der bereits zitierte anonyme Württemberger, der sich in der Deutschen Vierteljahrsschrift zu Wort gemeldet hatte, huldigte weiter konsequent der liberalen Idealpolitik. Nach seinem Verständnis war der dynastische Krieg zwar zu Anfang immer ein Eroberungskrieg, er sei es jedoch nie geblieben. Zudem sei in dem preußisch-österreichischen Konflikt über die Frage der Gebietserweiterung hinaus um ein weit bedeutenderes Ziel gekämpft worden: die Idee der deutschen Freiheit. Süddeutschland werde nun die Aufgabe Preußens aus den Tagen der Befreiungskriege übernehmen, weil jenseits des Mains das sittlich gebrochene germanische Wesen von Osten und Westen mit dem „modernen Kulturschleim übergeifert“ sei, so dass es „glatt und ohne Anstoß in den großen Annexionsmagen hinuntergeschlungen“ werden könne. Demgegenüber entwarf der Verfasser ungeachtet des Sicherheitsrisikos das Bild eines eigenständigen Südwestdeutschlands zwischen den rivalisierenden Mächten. Erst einem neuerlichen Krieg sei der Entscheidungskampf zwischen Freiheit und Gewalt, zwischen Recht und Unrecht vorbehalten. 544 „Zu den Waffen! Gerüstet! Zu den Waffen!“ – in diese Aufforderung zur militärischen Gegenwehr kulminierte entsprechend kämpferisch der einmal mehr aus 538

Venedey, An Prof. Heinrich v. Treitschke, S. 11, 14 f., 24. Vgl. Nicht Einigung sondern grundsätzliche Spaltung Deutschlands, S. 5; Zum Verständnis der deutschen Frage, S. 7. 540 Vgl. Wittenburg, Deutschlands Errettung. Wittenburg aus Mecklenburg Vorpommern gibt sich als Redakteur eines Organs der konservativen Partei zu erkennen. 541 Ebd., S. VIII. 542 Ebd., S. V f. 543 Hier zit. nach Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 182. 539

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historischen Erfahrungen seit dem Dreißigjährigen Krieg abgeleitete Mahnruf, den Moritz Mohl nach dem Krieg an die süddeutschen Volksvertreter richtete. 545 Die öffentliche Aufmerksamkeit richtete sich also nach Kriegsende erneut auf die Mittelstaaten im Süden Deutschlands. Hier fand die Analogie aus Dreißigjährigem Krieg und Gegenwartserfahrung in der Stigmatisierung des „bösen Preußen“ ihre volkstümliche Verbreitung über den Krieg hinaus. Auf Weihnachtsausstellungen sorgte eine militärische Figur mit Pickelhaube, grimmigen Gesichtszügen und weit geöffnetem, zähnefletschendem Mund für Furore. Als Inschrift trug sie eine aktualisierte Fassung des bekannten Kinderliedes aus den Tagen des Dreißigjährigen Krieges: „Leise Kindlein, leise!/ Sonst kommt der böse Preuße/ Sonst kommt der Vogel Falkenstein/ Jagt dem Manteuffel Euch in den Rachen hinein/ Der Bismarck kommt dahinter/ Und frisst die großen Kinder.“ 546 In Stuttgart kritisierte Anton Ludwig Reyscher, Mitglied des Nationalvereins und Württemberger Protestant, all jene politischen Kräfte, die sich von persönlichen Sympathien und Antipathien leiten ließen und unbeirrt an „demokratische Lehrsätze“ klammerten – auch auf die Gefahr hin, die jahrzehntelang umkämpften Ziele aufgeben zu müssen. Er dagegen wolle sich dem „wunderbar raschen Gange der Dinge“ nicht deshalb entgegenstemmen, weil keine Volkserhebung wie 1848, sondern ein Kabinettskrieg und diplomatisches Schachspiel den Ausschlag gegeben habe. 547 In Berlin verwarf demgegenüber die Vossische Zeitung eine solche Bezeichnung des Krieges und verklärte ihn zu einem Freiheitskampf. Dazu stellte sie die Opfer von 1866 in die Ahnenreihe der Toten des Befreiungskrieges, wo „die erste schwache Grundlage zu einem einheitlichen mächtigen und freien Deutschland“ gelegt worden sei. Das Berliner Blatt berief sich dabei auf die Autorität Abraham Lincolns, der in einer Weiheansprache nach der Schlacht bei Gettysburg den Tod vieler Amerikaner im Bürgerkrieg, „eines gewaltigen Bruderkrieges“, wie man betonte, gerechtfertigt habe. Diese seien nicht umsonst gefallen, so der amerikanische Präsident der Zeitung zufolge, weil die Nation aus ihnen eine neue Geburt der Freiheit empfangen habe. 548 544 Süddeutschland nach dem Kriege. Seine Lage und Aufgabe. Von einem Württemberger, in: Deutsche Vierteljahrschrift, 29, 1866, 4. Heft, S. 30 f., 65. Bezeichnend ist auch die Rede des Abgeordneten Ammermüller am 13. Oktober 1866 in der Württembergischen 2. Kammer. Er kritisierte den Krieg für „dynastische Stammesinteressen“ und die Macht eines Staates als unzeitgemäß und forderte stattdessen den Kampf gegen das Feudalwesen und den Absolutismus und für den Rechtsstaat, kurz: den Prinzipienkrieg. Der Krieg von 1866 hatte für Ammermüller im nationalen Existenzkampf um Freiheit und Einheit nur Vorübergehendes geschaffen. Vgl. Verhandlungen der Württembergischen Kammer, 1866, S. 152. 545 Mohl, Mahnruf zur Bewahrung Süddeutschlands, S. 42 f. 546 Vgl. Billig, Deutschland’s verhängnisvolles Jahr 1866, S. 344. 547 Reyscher, Die wahren Ursachen des Deutschen Kriegs, S. 16. 548 Vossische Zeitung, 8. Juli 1866.

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In markigen Worten kritisierte auch Arnold Ruge die süddeutschen „Dorf- und Krähwinkel-Politiker“, die in gleicher „törichter“ Geistesverfassung wie die französischen Republikaner dem Traum einer „unbestimmten“ Revolution nachhingen. Durch ihren Wunsch nach „so eine[r] Art tausendjährigem Reich, das für diese Welt zu gut ist“, seien sie der sich wahrhaft vollziehenden Revolution gegenüber feindlich gesinnt – gemeint war die Wiedergeburt Italiens und Deutschlands durch Piemont und Preußen. 549 Gerade in dem Moment, wo die gemeinsam über alle Partei- und Staatsgrenzen hinweg geteilte Prophezeiung eingetreten sei, dass es in Deutschland ohne Gewalt, Revolution, Krieg und Bürgerkrieg nie besser würde, solle man nicht in sittlicher Entrüstung vor der Realität zurückweichen, pflichtete Adolf Schmidt ihm bei. 550 Sollte die preußische Kabinettspolitik unter Bismarck das Maß der Dinge bleiben, dann verhalte sich die frühere partikulare Zersplitterung und Ohnmacht zur nationalen Neugestaltung Deutschlands wie die Krankheit vor dem Tod – so hatte im preußischen Abgeordnetenhaus der Demokrat Johann Jacoby seine Meinung über die Zukunft bildhaft dargelegt. Solche Vorbehalte verwarf Ruge als falsche Gefühlspolitik. Mit dem Ende von Idee und Anspruch eines römisch-deutschen Kaisertums unter Habsburger Führung war für die Nationalzeitung der entscheidende Schritt getan, um das Mittelalter und die Feudalität endgültig überwinden und als selbständige Nation einen deutschen Nationalstaat gründen zu können. 551 Auf dieser Linie und in semantischer Nähe zu Schillers prophetischen Worten aus der Einführung zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges triumphierte ein Dichter, der in seinen Versen den Krieg zwar als dynastisches Duell auffasste, ihm aber zugleich im Schulterschluss von König und Volk die nationale Weihe verlieh: „Zertrümmert ist das Joch! Zersprengt der Knechtschaft Bann! Des Preußenkönigs treues Schwert hat Deutschland frei gemacht. Bei Königgrätz im Böhmerland in blut’ger Königsschlacht.“ 552 Hier deutet sich eine Auffassung des beendeten Krieges an, die weit über Fragen bloßer Machtpolitik und territorialer Ordnung hinaus auf dessen Verständnis als Prinzipienkrieg verweist. Bezeichnend dafür war die Kriegsinterpretation auf der Ebene lokaler preußischer Zeitungen: „Der Kampf in Italien wie in Deutschland war kein bloß äußerlicher und politischer, er war im Grunde ein geistiger, ein religiöser. Er galt nicht bloß der Befreiung der Völker beider Länder vom Partikularismus, sondern auch der Emancipation derselben vom Geist des hierarchischen Regiments der Intoleranz und der Unselbstständigkeit in der geistigen Entwicklung.“ 553 549

Ruge, Aufruf zur Einheit, S. 9 f. Schmidt, Preußens Deutsche Politik, S. 281. 551 Deutschlands gegenwärtige Lage, in: Nationalzeitung, 25. Juli 1866. 552 Vgl. Fürste, Der Preußen Krieg und Sieg im Jahre 1866, S. 15. 553 Zitat aus Görlitzer Monitor, hier zit. nach Zeitläufe. Die confessionelle Leidenschaft in der Ruine Deutschlands, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58. (1866), S. 785. 550

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Die Deutung des Konflikts als kulturprotestantischer Prinzipienkrieg sollte auch nach Kriegsende noch die Kritiker Preußens von dessen Rechtmäßigkeit überzeugen. Wie nachhaltig dabei das nationalkonfessionell befrachtete Geschichtsbild des Dreißigjährigen Krieges der reziproken Legitimation des aktuellen Krieges diente, zeigt beispielhaft ein offener Brief, in dem Wilhelm Marr Johann Jacoby dazu aufforderte, seinen politischen Standpunkt den veränderten politischen Bedingungen anzupassen. „Unser größter Dichter konnte seiner Natur nach, kein Streiter sein“, griff Marr dazu auf die Autorität des Säulenheiligen der deutschen Nationalbewegung zurück. Seinen Dragoner habe Friedrich Schiller in Wallensteins Lager jedoch singen lassen: „Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist/ Man sieht nur Herren und Knechte;/ Die Falschheit herrschet, die Hinterlist/ Bei dem feigen Menschengeschlechte.“ Der „siebentägige, siegreiche Kampf“ habe Deutschland gerettet, so Marrs ostentative Einschätzung, denn das protestantische Preußen sei dazu berufen gewesen, „Licht in die verbrannten Gehirne des gutmüthigen Michels“ zu bringen. Der Bruderkrieg sei eine absolute Notwendigkeit gewesen, weil ansonsten mit einem österreichischen Sieg die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges zurückgekehrt wären. Dabei betonte Marr, dass er nicht von einem religiösen Standpunkt aus argumentiere, sondern von einem freiheitlichen. Doch nur der Protestantismus, so fügte er gleichwohl hinzu, könne ein freies und einiges Deutschland schaffen. 554 Die Erklärungsformel Hermann Wageners, ehemaliger verantwortlicher Redakteur der Kreuzzeitung und Vertrauter Bismarcks, lautete dazu in seinem Staatsund Gesellschafts-Lexikon: „Der geistige Kampf zur Niederwerfung des Hauses Oesterreich geht dem Schwerte voran, und die Erfolge der Gewalt reichen so weit, als die Vorbereitung des geistigen Kampfes gediehen ist.“ Auf den Krieg von 1866 angewandt bedeutete dies, dass die Zusammenfassung Norddeutschlands an der Mainlinie habe stehen bleiben müssen, weil das Fortschreiten der von Preußen vertretenen „modernen Ideen“ noch nicht weiter nach Süddeutschland und Deutsch-Österreich vorgedrungen sei. 555 Angesichts solcher Kriegsinterpretationen entrüsteten sich die Gegner Preußens darüber, dass das Christentum nun erneut als Mittel zum Zweck missbraucht werde, um die Annexionspolitik unter dem Siegel der „göttlichen Mission“ zu rechtfertigen. 556 Die Attacke richtete sich insbesondere gegen die Kreuzzeitung, 554 Marr, Offener Brief an Johann Jacoby. Marr hätte seiner Aufforderung an Jacoby besonderen Nachdruck verleihen können, indem er den eigenen Sinneswandel zum Thema gemacht hätte. Denn Marr, galt zwar durchaus als ein Anhänger Preußens (Otto Bandmann spricht davon, dass Marr in engem Kontakt mit der preußischen Führung gestanden habe), war vor dem Krieg aber selbst noch mit Vorschlägen zur Erhaltung des Friedens hervorgetreten und hatte – wie gesehen – auch nach dem Sieg Preußens vor dem Ausschluss Österreichs aus Deutschland als eine politische Widersinnigkeit gewarnt. Vgl. Bandmann, Die deutsche Presse. 555 Hier zit. nach Die „göttliche Mission“ Preußens, S. 9.

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die noch 1859 selbst gegen die Angriffe Italiens gewettert hatte und nun unter dem Schlagwort der göttlichen Mission die preußische Annexionspolitik guthieß. Insbesondere konservativen Klerikalen im Land der Sieger stellte sich damit eine echte argumentative Herausforderung. Die liberale Position, die mit dem Bild einer nationalen Revolution partikulare Legitimitätsansprüche überwand, bot ihnen keinen gangbaren Ausweg. 557 Die Evangelische Kirchen-Zeitung widmete sich zu Jahresbeginn 1867 umfassend diesem Problem. „Die Entscheidung durch die Waffen kommt doch, sie ist eine welthistorische Notwendigkeit“, rief sie die fatalistische Stimmungslage der Vorkriegsmonate ins Gedächtnis, um auf dieser Grundlage die preußische Annexion als Recht der Eroberung in einem „gerechten“ Krieg zu sanktionieren. Dieser sei vom christlichen Standpunkt aus nicht nur sittlich rechtmäßig gewesen, sondern habe als eine sittliche Pflicht geführt werden müssen. Denn ein Verhältnis, in dem ein erstarktes Volk durch ursprüngliches Recht von einem nun schwächeren bevormundet werde, sei Unnatur und geschichtliches Unrecht. Der Krieg aber wolle neues Recht schaffen, das gebe ihm Kraft und Begeisterung, weil ihm ansonsten „aller Nimbus, alles ideale Element“ fehle. 558 Ähnlich formulierte Adolf Schmidt, der den Krieg als „ein Postulat der Geschichte“ legitimiert sah, von liberaler Warte aus den Gedanken von der Weltgeschichte als dem Weltgericht: „Das Recht ist nur die gewordene, die erstarrte Geschichte; die Geschichte aber ist das ewig werdende, ewig fließende Recht.“ Die Reformation habe gezeigt, dass dort, wo es um den Fortschritt der Geschichte ging, der Papst und der Kaiser ihr Recht verloren hätten. So gehe es in der Betrachtung des Krieges auch nicht um einen Rechtsbruch oder einen Umsturz des Sittlichen, sondern vielmehr um die Verdrängung eines niederen Rechts durch ein höheres und die Verdrängung einer niederen durch eine höhere Sittlichkeit. 559 Eduard Schüler gab dem Motiv der auf- und absteigenden Bewegung, das Rudolf Köpke auf Preußen und Österreich angewandt hatte, eine dezidiert nationalprotestantische Spitze. Österreich und Preußen, das hieß für ihn „hier Stagnation in einer politischen und kirchlichen Dogmatik, dort Wachstum aus wirklicher Lebenskraft zu weiteren sozialen Entwicklungen“. Die österreichische Niederlage gegen das vermeintlich an Intelligenz weit überlegene protestantische Preußen deutete er daher als Folge von Österreichs Zurückbleiben hinter der politischen und kulturellen Entwicklung Europas seit den Religionskriegen, genauer als Folge der 556 Die „göttliche Mission“ Preußens; vom selben namenlosen Autor: Nicht Einigung sondern grundsätzliche Spaltung Deutschlands. 557 Vgl. dazu Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 184. 558 Vgl. Vorwort, in: Evangelische Kirchen-Zeitung, 80 (1867), v. a. Sp. 20 ff. Vgl. Die sittliche Bedeutung des Krieges. Vortrag im Ev. Verein zu Berlin von Prof. Wuttke in Halle,in: ebd., S. 105 – 112, 121 – 128. 559 Schmidt, Preußens Deutsche Politik, S. IV, S. 282.

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Entscheidung des Hauses Habsburg für das Mittelalter. 560 Auch Mittelstaaten wie Sachsen traf die Kritik, in ihrer Bindung an das Haus Habsburg den Anschluss an das „größte Bildungswerk Deutschlands“, die Reformation, verpasst zu haben. 561 Die Evangelische Kirchen-Zeitung verortete die Ursache für die Niederlage Österreichs ähnlich historisch und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass die habsburgische Politik seit dem Dreißigjährigen Krieg die „Dummheit“ gebracht habe. Ihr Rechtfertigungsartikel für den Krieg von 1866 wandelte sich mittels anschaulicher zeitgenössischer Erzählungen aus dem Glaubenskampf des 17. Jahrhunderts zu einer Anklageschrift gegen den Katholizismus. Schilderungen von Brandschatzungen und barbarischen Plünderungen gegen Unschuldige, Frauen und Kinder stellten das Kolorit, um die „verhängnisvolle Ferdinandeische Gewaltthat“, die gewaltsame „Ausrottung“ des Protestantismus in Österreich, als den letzten Grund für das „Strafgericht Gottes“ zu benennen. Denn „daß damals recht eigentlich der Grund zu Oesterreichs Ruin gelegt wurde, das war dem tiefer Sehenden schon längst klar: seit dem Tage von Königgrätz ist es auch für die oberflächlichere Betrachtung zugänglich geworden“. 562 Für diese Zeitung der protestantischen Orthodoxie in Preußen war der beendete Krieg zwar kein Religionskrieg, sondern hatte wie der Siebenjährige ein Jahrhundert zuvor rein politische Wurzeln besessen. Allerdings schränkte das Blatt ein, dass er für das Verhältnis der Kirchen zueinander nicht ohne Bedeutung geblieben sei. In vermeintlichen Exzessen bayerischer Truppen während des Krieges sah man die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg heraufbeschworen – ein Ergebnis des katholischen Tabubruchs, mit dem aus einem politischen Konflikt ein Religionskrieg gemacht werden sollte. In diesem Kontext pochte die Zeitung auf den Anteil preußischer Kirchenvertreter an der Schaffung von Siegesgewissheit und Opferbereitschaft im Volk. Nicht das Zündnadelgewehr und nicht die bis heute häufig bemühten preußischen Schulmeister allein hätten die Grundlage für den preußischen Sieg gelegt. Vor diesen müssten, so die Evangelische Kirchen-Zeitung selbstbewusst, die Pfarrer mit ihrem Einfluss auf die Volksbildung, auch die der 560

Vgl. Schüler, Bruder-Krieg? Nein! Prinzipien-Kampf! Vgl. Matthaey, Hohenzollern, Habsburg und Frankreich, S. 14 f. Bereits 1843 hatte Franz Schuselka darauf hingewiesen, dass Österreich durch die „blutige Frömmigkeit Ferdinand II.“ die Herzen der Völker verloren habe: „Später milderte sich dieser Haß und Schrecken wieder, aber die Erinnerung daran blieb unauslöschlich; Osterreich wurde in Deutschland nie wieder populär, bei jeder entscheidenden Gelegenheit zeigte sich’ s, dass es mehr Feinde als Freunde habe.“ Vgl. Schuselka, Deutsche Worte eines Österreichers, S. 192 f. Der deutschnationale Historiker Heinrich Friedjung urteilte noch 1897: „So strafte sich die Unterdrückung der lebendigen Kräfte im Volke durch die Gegenreformation und später durch die Regirrung Kaiser Franz’ und Metternichs. Nie mehr konnte Oesterreich den Verlust jener tausende von Familien gutmachen, welche nach dem Siege Kaiser Ferdinands II. über den Protestantismus verbannt worden waren.“ Vgl. Friedejung, Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland, 1. Bd., S. 498. 562 Vgl. Evangelische Kirchen-Zeitung, 80 (1867), Sp. 38 ff. 561

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Schullehrer, benannt werden. Das Blatt sparte auch nicht mit einer eindringlichen Warnung vor der Selbstzufriedenheit des Siegers und mahnte zur Läuterung. Der Schlacht von Königgrätz sei die von Jena vorausgegangen, erinnerte man an die „große Abrechnung“, die Gott mit den gottlosen Preußen gehalten habe. Damit grenzte sich die orthodoxe Kirche in Preußen von jenen liberalen Deutungseliten ab, die den Krieg aus nationalprotestantischer Sicht herbeigesehnt und von Beginn an begrüßt hatten und sich nun als wahre Sieger von 1866 fühlen konnten. 563 b) 1866 – Ende des Dreißigjährigen Kriegs oder Beginn der protestantischen Reformation? Im Moment des preußischen Sieges brachen in diesem liberal- und nationalprotestantischen Lager alle Dämme der konfessionspolitischen Zurückhaltung. Bis auf die Ebene preußischer Kreisblätter feierte man den Ausgang des Krieges als Sieg des „protestantischen Weltprincips“ über den „hierarchischen Geist in der katholischen Kirche“, die „theokratische Richtung“, das „Römerthum in Religion und Politik“. 564 In der Protestantischen Kirchenzeitung für das evangelische Deutschland ist die Aufgabe mäßigender Zurückhaltung wörtlich greifbar. 565 Deren Mitherausgeber, der Theologe Hermann Krause, sah nach dem Sieg Preußens nun kein Hindernis mehr, dessen Resultate ungestört mit protestantischen Augen zu betrachten. Seine euphorische Zustimmung zum Krieg habe er im Vorfeld noch unterdrücken müssen, gestand Krause, denn es hätte die protestantischen Gegner einer vermeintlichen preußischen Gewaltpolitik verletzen können, in der „Kriegsfahne Preußens“ zugleich das „Panier des Protestantismus“ zu sehen, das damit den Eindruck erweckt hätte, mit der Kirche solle Propaganda für die Politik gemacht werden. Dies war ein Bekenntnis, das die Historisch-Politischen Blätter für das katholische Deutschland pflichtschuldig als „köstliche Naivität“ scholten. 566 Krause selbst ließ jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass es für ihn mit dem Krieg von Anfang an um die zukünftige Herrschaft des Ultramontanismus oder aber des Protestantismus in Deutschland gegangen sei. Er deutete die hegemoniale „Dialektik“ zwischen Preußen und Österreich als friedliche Fortsetzung des Dreißigjährigen 563

Ebd., Sp. 43. Vgl. Zeitläufe. Die confessionelle Leidenschaft in der Ruine Deutschlands, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 785. 565 Hermann Krause, der Krieg und der Protestantismus, in: Protestantischen Kirchenzeitung für das evangelische Deutschland; im Folgenden zit. nach Süddeutsches evangelischprotestantisches Wochenblatt, wo Krauses Artikel am 20. August 1866 erschien. 566 Zeitläufe. Die confessionelle Leidenschaft in der Ruine Deutschlands, in: HistorischPolitische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 783. 564

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Krieges, die erst mit der Entscheidung auf den böhmischen Schlachtfeldern ihre kriegerische Synthese gefunden habe: „In der Schlacht bei Königgrätz hat endlich der dreißigjährige Krieg seinen Abschluß gefunden: der nationale Gedanke und der Protestantismus haben gesiegt.“ Unter Preußens Führung könne sich die nunmehr selbständige deutsche Nation durchweg nach protestantischen Grundsätzen gestalten. Dem englischen Parlamentsabgeordneten Mountstuart Elphinstone Grant-Duff zufolge war dies einem neuen Akt in einem Drama überlassen, das mit Luther begonnen und dessen erster Akt am Schwedenstein bei Lützen geendet hatte. 567 Die Sicht Hermann Krauses auf den Ausgang des Krieges war für das kulturprotestantische Lager im Ganzen programmatisch. 568 Der Kieler Philosoph Gustav Thaulow entwickelte dazu eine umfangreiche nationalhistorische Beweisführung, die dann in Druckform schnell in die zweite Auflage ging. Die Schlacht von Königgrätz sei, so die Quintessenz seiner Geschichtsteleologie, das Resultat der Arbeit der Weltgeschichte von der Reformation an und durch die Reformation erzeugt. 569 Thaulow nahm den Dreißigjährigen Krieg als Ausgangspunkt seiner kriegslegitimierenden Geschichtserzählung, die einen kausalen Zusammenhang zwischen der nationalen Katastrophe im 17. Jahrhundert und der Gegenwart konstruierte. Protestantischer und ethnisch-nationaler Standpunkt waren dabei nicht nur für Thaulow wirkungsvoll vermengt. Auch nach Krause war das deutsche Volk als „germanische Nation“ auf den Protestantismus und auf Preußen als Führungsmacht angelegt. 570 Die Macht zur Negation des österreichischen Führungsanspruchs habe sich aus dem innersten Wesen der deutschen Geschichte als „die höhere Wahrheit“ herausbilden müssen, führte Thaulow weiter aus und gab diesem Gedanken zugleich eine aktionistische Wendung: „Die Axt, welche sich an die Wurzel der österreichischen Machtstellung in Deutschland anlegen sollte, mußte aus dem Stahl der Religion geschmiedet sein, aus dem innersten Kern des Deutschthums.“ Nach der Reformation habe der Protestantismus in Preußen als staatsorganisierende Kraft politische Existenz angenommen, denn, so der bekennende Hegelianer weiter, „der göttliche Geist ist auf Erden nicht anders wirklich, als in der Organisation des Staats, in dem vollen explixirten sittlichen und rechtlichen Staatsleben“. 571 567 Vgl. Zeitläufe. Die confessionelle Leidenschaft in der Ruine Deutschlands, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 786. 568 Der „Protestanten-Verein“ stieß auf einer Ausschuss-Sitzung im Oktober 1866 in Kassel in das selbe Horn, als man verkündete: „Durch den Erfolg des Krieges hat der Protestantismus erst diejenige Stellung in Deutschland eingenommen, welche ihm seit der Reformation von Gottes- und Rechtswegen gebührt.“ Zit. ebd. 569 Thaulow, Die Neugestaltung Deutschlands, S. 3. 570 Hier zit. nach Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 20. August 1866. 571 Thaulow, Die Neugestaltung Deutschlands, S. 17.

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In dieser Deutungslogik war sogar dem Dreißigjährigen Krieg und auch dem Partikularismus eine entschieden positive Seite abzugewinnen, denn hier fand Thaulow den ersten Beweis dafür, dass die protestantische Kirche begonnen hatte politische Existenz anzunehmen. Die Verträge von Münster und Osnabrück hätten zwar einen „verknöcherten“ Partikularismus und damit die „schmachvolle Ohnmacht“ des deutschen Reiches als Gesamtheit begründet. Mit Ausgang des Dreißigjährigen Krieges aber habe sich Preußen die „Subaction der Wirklichkeit unter die Idee“ zur Aufgabe gemacht und fast im selben Augenblick „die Hand an die Negation“ des Habsburger Hauses als führende Macht Deutschlands gelegt. Mochten auch einzelne Regenten den Blick für diese preußische Mission verloren haben – die geistige Substanz Preußens sei von Anfang an darauf angelegt gewesen, den Protestantismus zur Staatsmacht zu erheben, Österreich aus Deutschland zu vertreiben und die politische Größe der deutschen Nation zu begründen. Namentlich Friedrich II. wurde von Thaulow, wie ein Jahrzehnt zuvor Friedrich von Thielau, in die nationale Ahnenreihe aufgenommen. Als prominenten Gewährsmann seiner These berief er sich auf Hegel, denn auch der Philosoph hatte Friedrich II. als „Held des Protestantismus“ gewürdigt, der im Gegensatz zu Gustav Adolf als „König einer Staatsmacht“ das protestantische Prinzip von der weltlichen Seite her aufgefasst und damit den Protestantismus erst welthistorisch gemacht habe. 572 Die kulturkämpferische Überhöhung des Krieges stand im Kontrast zur Bedeutung der unbeseelten Kriegstechnik, die allenthalben für den Ausgang des Krieges verantwortlich gemacht wurde. 573 Nach dem Krieg schlug sich dies in der wiederholten Rede vom Sieg der preußischen über die österreichischen Volksschullehrer nieder. Selbst die Rolle des Zündnadelgewehrs im Feldzug von 1866 fand eine konfessionelle Überhöhung in der Bezeichnung ihres Erfinders Johann Nikolaus Dreyse als Luther der Waffentechnik. 574 Die nationalkonfessionelle Interpretation des Krieges von 1866 als geschichtlich notwendiger und gottgewollter Abschluss des Dreißigjährigen Krieges fand literarischen Niederschlag in historischen Romanen protestantisch-preußischer Provenienz. 575 Gerade hier spiegelt sich der kulturkämpferische Tenor, der den Protestantismus im Wesentlichen auf gesellschaftlichen Fortschritt reduzierte. Dagegen hatte Der Katholik in Mainz bereits zu Jahresanfang polemisiert. Er brandmarkte den Glauben an die schrankenlose Macht der Veränderung als Grunddogma der modernen Welt und verurteilte sie als „Apotheose der Revolution“, als „radicale Negation der Moral und die Verkündigung des practischen Atheismus“. 576 Das Ende als Anfang zu sehen, wie dies in den Historisch-Politischen 572 573 574 575

Ebd. S. 21. Vgl. Walter, Preußische Heeresreformen, S. 68. Vgl. dazu Buschmann, Einkreisung. Vgl. dazu Hirschmann, Kulturkampf im historischen Roman, S. 35, 167 ff.

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Blättern und bei von Ketteler begegnete, konnte im christlichen Deutungsrahmen auch den Eintritt in eine neue Weltperiode der Anarchie und des „frivolen Liberalismus“ bedeuten. Dies offenbarte das Münchner Blatt zu Beginn des Jahres 1867. Auf das Ende der christlich-germanischen Staatenordnung drohte demnach das Ende der christlich-germanischen Gesellschaftsordnung zu folgen. 577 Ein solch negativer Blick in die Zukunft hatte unter deutschen Katholiken auch kompensatorische Funktion für ihre nationale Niederlagenerfahrung, denn der religiöse Bezugsrahmen, in dem die Bedrohung der Institution Kirche und die Verteidigung des Glaubens als die eigentliche Herausforderung der Zukunft beschworen wurde, ermöglichte eine noch ergebnisoffene Geschichts- und Gegenwartsbetrachtung. Im Kontext der Warnung vor einer drohenden und alles umstürzenden Revolution entfaltete einer der zentralen katholischen Angriffe auf das protestantisch-preußische Siegerpathos überhaupt erst Wirkung. In ihren meinungsführenden Blättern präsentierten sich deutsche Katholiken als die moralischen Sieger des Krieges, indem sie dem Gegner einen unlauteren Sieg attestierten. Im Zentrum dieses nach Wolfgang Schivelbuschs Phänomenologie eigenen Typus der Niederlagenverarbeitung stand, das preußisch-italienische Bündnis anzuprangern. Der deutsche Bruderkrieg, lautete der Vorwurf, sei genau nach dem Muster des „italienischen Raubkrieges“ vorbereitet gewesen. 578 In Nachzugsgefechten nahm man den propagandistischen Vorkriegsfaden wieder auf und bezichtigte Preußen erneut des Tabubruchs. Der Vorwurf, sich der konfessionellen Ausbeutung des Bürgerkrieges schuldig gemacht zu haben, nahm im Angesicht der Niederlage nun vollends den Charakter einer Verschwörung an. Die Historisch-Politischen Blätter veröffentlichten eine 25 Seiten starke Anklageschrift, die in der publizistischen Nachkriegspolemik einen katholischen Akzent setzte. Darin wurde ausführlich die „systematische Katholikenhetze“ dargelegt und die Fahndung nach dem Ursprung der religiösen Verleumdungskampagne in preußischen Regierungskreisen intensiviert. Als ausgesprochen perfide brandmarkte man, preußische Katholiken ihrer Konfession wegen als „Feinde im Rücken“ dargestellt und damit deren Loyalität zu König und Vaterland in Frage gestellt zu haben. Die gängigen Schimpfnamen als „katholische Pfaffen“, „Finstlerlinge“, „Ultramontane“ und „Römlinge“ seien in die „Reserve-Rüstkammer“ verbannt und durch die schlichte Bezeichnung „Österreicher“ ersetzt worden, um auf diese Weise die Katholiken mit dem Kriegsgegner zu identifizieren. 579 576

Ein Blick in das Jahr 1866, in: Der Katholik, N. F. 15 (1866), S. 7. Der Anfang vom Ende, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 59 (1867), S. 1 f. 578 Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 675. 579 Siehe Zeitläufe. Die confessionelle Leidenschaft in der Ruine Deutschlands, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 781 –796; Ebd., S. 992. 577

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Die konfessionelle Polemik erlebte im Herbst und Winter 1866 eine heftige Neubelebung. Das Süddeutsche evangelisch-protestantische Wochenblatt gab vor, dem Volksmund entnommen zu haben, dass sich hinter dem beendeten politischen Krieg ein „furchtbarer Religionskrieg“ verborgen habe. Den „Agitatoren des Ultramontanismus“ sei es gelungen, dem Volk das „tödlichste aller Gifte“ einzuimpfen. Nur der preußische Sieg habe vor Gräueltaten bewahrt, denn ein einziger Sieg Österreichs hätte den von Geistlichen und katholischen Vereinen geschürten, „wilden Fanatismus zu Thaten blutiger Wuth vorschreiten“ lassen. 580 Wenige Tage später legte die Zeitung mit Ausführungen über den „katholischen Fanatismus“ nach und berichtete von vereitelten „Bartholomäusnächten“ in gemischt konfessionellen Orten. Die Bauernkriege seien aus den „Präparierkammern der Geschichtsmacherei“ hervorgeholt worden, ja es seien Bedingungen zu einem „frischen, fröhlichen“ Religionskrieg gegeben gewesen: „Die Art dieses Fanatismus, die Auffassung des Krieges lediglich als eines Religionskrieges war in allen Theilen des Landes so auffallend übereinstimmend, daß nur auf eine systematische Aufhetzung des Volkes von einem Punkte aus zurückgeschlossen werden kann.“ 581 Adressat dieser mit Andeutungen und Gerüchten gespickten Artikel waren jene süddeutschen Protestanten, die „aus allerhand idealen und unidealen Motiven“ heraus noch immer gegen Preußen eingestellt waren, und sich dessen Führungsanspruch nicht unterwerfen wollten. Mit Erstaunen nahm man unter Nationalprotestanten in Süddeutschland zur Kenntnis, dass eine Koalition aus Demokraten und Ultramontanen ihre Zeitungen der konfessionellen Hetze beschuldigte, wähnten sie sich doch mit Letzteren vereint im Bestreben gegen die katholische Partei. 582 In Preußen wollte Friedrich Fabri, der in jungen Jahren Kontakt zu Hengstenberg pflegte, aber für die Dezentralisierung in der Kirche und deren größere Freiheit vom Staat eintrat, die Aussöhnung unter den Protestanten in Nord- und Süddeutschland anbahnen. Dabei blieb er, als Theosoph vermeintlich über den konfessionellen Parteien stehend, von der antikatholischen Kriegspropaganda nicht unbeeinflusst, wie einschlägige Passagen seiner Schrift über die politischen Ereignisse des Sommers 1866 verdeutlichen. Im Zentrum seiner Kritik stand allerdings die religiöse Polemik, die im Vorfeld des Krieges unter dem Mantel der Apokalyptik vor allem in pietistischen Kreisen Südwestdeutschlands, namentlich in Württemberg, gegen Preußen gerichtet war. Die schroffen Gegensätze unter den Protestanten Süd- und Norddeutschlands führte er auf die „Entflammung der politischen Leidenschaften“ zurück. 583

580 Rückblick auf eine überstandene Gefahr, in: Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 10. September 1866. 581 Katholischer Fanatismus, in: Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 17. September 1866. 582 Vgl. Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 10. September und 3. Dezember 1866.

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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Es habe der Kanonenschläge aus Böhmen bedurft, sprang ihm das Süddeutsche evangelisch-protestantische Wochenblatt bei, um bei der pietistisch-orthodoxen Partei das erstorbene protestantische Bewusstsein neu zu wecken und sich von ihrem „unprotestantischen katholisierenden Treiben“ loszusagen. Erst wenn der Sieg des Protestantismus auch im protestantischen Geist verfolgt werde, so Hermann Krause apodiktisch, würde auch der „Geist der mündig gewordenen deutschen Nation [ . . . ] über die protestantische Kirche kommen“. 584 Aus dieser Perspektive ergab sich auch Erklärungspotential für süddeutsche liberale Protestanten, mit denen sie den Vorwürfen begegneten, sie seien im Vorfeld des Krieges noch „Preußenfeinde“ gewesen. Man habe, so das Argument, „die Erlösung Preußens vom Pfaffenthum als die zweite deutsche Reformation“ angestrebt. Anstelle des preußisch-orthodoxen Oberkirchenrates sah man sich nun als „zukunftverheißende Macht“ den echt protestantischen preußischen Staat entfalten: „Diese Macht ist aus dem anderen von der Reformation ausgehenden Entwicklungsstrome, jenem Strome, der die großen culturschöpferischen Ideen mit sich geführt hat, geboren.“ 585 Katholische Blätter stießen mit ihren Angriffen in diese offene Flanke der vermeintlichen Siegerfraktion und legten den Finger in die Wunde des ideologisch und geografisch gespaltenen deutschen Protestantismus. Das Motiv für eine offensive Verarbeitung der Niederlage beruhte auf einer „Verliererphilosophie“, der – Schivelbuschs Modell folgend – die Überzeugung zugrunde lag, mit der eigenen Niederlagenerfahrung dem Sieger an Wissen voraus und dadurch überlegen zu sein. Aus dem Bewusstsein eines Jahrhunderte währenden Verteidigungskampfes der Institution Kirche bezogen sie die Gewissheit, dass der momentane Triumph des Protestantismus nicht von Dauer sein werde. Katholische Stimmführer wandten die Idee der vermeintlich siegreichen Reformation gegen den Protestantismus selbst, den sie inmitten einer kirchlichen Krise von Umfang und Bedeutung der Reformationsepoche wähnten. Für Katholiken war der Sieg von 1866 nicht nur ein Sieg über die katholische, sondern auch gegen die orthodoxe protestantische Kirche. Die Historisch-Politischen Blätter folgerten daraus: „Die große Geister-Schlacht wird nicht in Wien sondern in Berlin geschlagen; und man sieht jetzt klar, wie das alte Wort gemeint war, daß auf dem märkischen Sande sich das Schicksal Deutschlands, auch des religiösen entscheiden werde.“ 586 In Mainz hielt Der Katholik denen, die in ihrer 583

Vgl. Fabri, Die politischen Ereignisse des Sommers 1866, S. 136. Siehe zu Fabri, der später als Wortführer einer deutschen Kolonialpolitik in Erscheinung trat Bade, Friedrich Fabri. 584 Vgl. Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 20. August 1866. 585 Die Lage der Protestmänner, in: Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt, 1. Oktober 1866. 586 Siehe Zeitläufe. Die confessionelle Leidenschaft in der Ruine Deutschlands, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 796.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

Euphorie Preußens Sieg auch als einen Sieg des Protestantismus begriffen und die Errichtung einer „evangelischen Kirche deutscher Nation“ vor Augen hatten, entgegen: „Wie uns däucht, ist zu einer solchen Schöpfung die Lebenskraft im deutschen Protestantismus nicht vorhanden. Er hat sein Haus nicht auszubauen vermocht von 1517 –1817 – und das waren doch dreihundert Jahre; es ist auch von 1807 –1867 wieder nur theoretisirt und polemisirt worden. Die Selbstauflösung des Protestantismus ist nicht mehr aufzuhalten, auch dann nicht, wenn Deutschland durch Preußen zu einem allmächtigen Militärstaat umgeschaffen wird.“ 587 Der Dreißigjährige Krieg blieb trotz der Versuche, ihn in ein kulturprotestantisch kanonisiertes borussisches Geschichtsverständnis zu implantieren, wesentlicher Bestandteil in der Arena umkämpfter Erinnerungen. Die katholischen Meinungsführer ergaben sich der kulturprotestantisch-preußischen Geschichtskonstruktion nicht kampflos. Sie spotteten vielmehr über die vermeintlich „göttliche Mission“ Preußens „als göttliche Komödie“, in der der Anschein erweckt werde, „Gott selbst habe auf dem Schimmel von Sadowa gesessen“. Sie unterwarfen sich keiner protestantischen Deutungshoheit, sondern kehrten das Geschichtsbild gegen ihren konfessionellen Widerpart. Dazu zählte auch, die Phrase vom „providentiellen Berufe“ Preußens und dessen Ursprung im Dreißigjährigen Krieg als Lüge zu entlarven. Georg Wilhelm von Brandenburg sei ein Schwächling gewesen, torpedierte eine Flugschrift die Heldenerzählung des Gegners, denn auch sein Nachfolger habe noch treu zu Kaiser und Reich gestanden und nicht zur „Revolution von oben“. 588 Die Kampfansage der Historisch-Politischen Blätter an die nationalprotestantische Vereinnahmung des Dreißigjährigen Krieges erfolgte auch auf historischwissenschaftlichem Terrain. In der Besprechung Franz Freiherr von Sodens Buch „Gustav Adolf und sein Heer in Süddeutschland von 1631 bis 1635“ stemmten sie sich gegen die Bewertung des Jahres 1866 als Ende des Dreißigjährigen Krieges. Was die Deutschen im 17. Jahrhundert kaum ertragen hätten, echauffierte sich das Blatt, akzeptiere ein Großteil von ihnen im 19. Jahrhundert ohne Beschwerde. „Der Held des dreißigjährigen Krieges, der den kühnen Plan hegte, auf den Trümmern des zerbröckelten deutschen Reiches einen neuen Staat zu gründen, der 587

Kirchliche Rundschau, in: Der Katholik, N. F. 17 (1867), S. 504, 512. Vgl. Die „göttliche Mission“ Preußens, S. 8; vom selben namenlosen Autor Nicht Einigung sondern grundsätzliche Spaltung Deutschlands, S. 8 – 13, 24, Anm. **) auf S. 9. Angriffslustig wurden die „Orgien“, die am Jahrestag des preußischen Sieges auf „böhmischen Blutfeldern“ gefeiert worden seien, verurteilt. Man zitierte einen Magdeburger Domherrn, der von der Kanzel herab dem Himmel für das im Kriege von 1866 vergossene Blut mit den Worten gedankt habe: „Dieses Blut, ob es auch das Blut sündiger Menschenkinder ist, ist doch geheiligt, es hat eine Verwandtschaft mit dem Blute Christi, es ist stellvertretend vergossen für den König“. Es müsse schon „etwas mehr als metzgerhaftes“ in die preußisch-christlichen Herren gefahren sein, lautete der geharnischte Kommentar, um in der preußischen Armee am Jahrestag der Spaltung Deutschlands das „Gedächtniß dieses neuen Blutes Christi“ zu feiern. 588

III. Die Erinnerung und der innerdeutsche Krieg

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mit dem Schlagwort ‚evangelische Freiheit‘ einen großen Theil unserer Nation so gern unter fremdes Joch gedrückt hätte, der mit vielen schönen Worten über Religion und göttliche Dinge seine profane Politik und ehrsüchtigen Bestrebungen zu verdecken suchte“, dieser Feind Deutschlands sei mit dem Gustav-AdolfVerein zum „geistigen Papst des Protestantismus“ gemacht worden: „Hier stehen wir an der Quelle des Unheils, das sich aus unterirdischen Rinnsalen über unser Vaterland ergießt, das unseren Patriotismus schwächt, unser inneres Staatenleben an der Entwicklung hindert, das Ansehen einer sonst tüchtigen Nation unter den Völkern Europa’s herabdrückt!“ 589 Die Politik des Nationalvereins, in dem man lediglich eine Einrichtung zur Förderung der protestantischen Herrschaft in Deutschland vermutete, betrachtete man in diesem Kontext aus einer Perspektive, welche Dreißigjährigen Krieg und Revolution miteinander verband. Wie im 17. Jahrhundert die protestantischen Fürsten Gustav Adolf zum Kaiser machen wollten, habe im 19. Jahrhundert dem Beispiel Italiens folgend ein „parlamentarisches Regiment“ über Deutschland herrschen und im protestantischen Preußen als dem deutschen Piemont sein Oberhaupt finden sollen: „Wenn die Anhänger des National-Vereins sagten, daß der Widerwille gegen die preußische Hegemonie aus confessionellen Empfindungen hervorgehe, daß die Katholiken ihre confessionelle Neigung und Abneigung in die vaterländische Politik tragen, so war darin gewiß etwas Wahres; denn als die Einigung von Deutschland zur Herrschaft des Protestantismus werden sollte, da mußte ein natürliches Gefühl die katholischen Deutschen zu dem geschichtlichen, also zu dem katholischen Reichs-Oberhaupte zurückführen.“ 590 Mit dem Besinnen auf eigene Stärken ging für katholische Wortführer in der deutschen Presselandschaft einher, den Blick nach vorn zu richten. Den Präliminarfrieden von Nikolsburg und die anschließenden Friedensverhandlungen verglichen sie mit dem „berüchtigten“ Züricher Vertrag von 1859. Als ein „Trugwerk“ gewähre der Prager Frieden Mitteleuropa nur einen faulen Frieden, schrieben die Historisch-Politischen Blätter, denn dieser ‚deutsche‘ Züricher Frieden formuliere aus Sicht der Katholiken bereits den nächsten casus belli im „europäische[n] Provi589 Historische Novitäten. Gustav Adolf und sein Heer in Süddeutschland von 1631 bis 1635 von Franz Freiherr von Soden. I. Von Gustav Adolfs Erscheinen in Süddeutschland bis zu seinem Tod. Erlangen 1865, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866) S. 681 –693. (Zitat, S. 693) Vgl. auch Die Diplomatie Gustav Adolph’s in Franken,in: Der Katholik, N. F. 17 (1867), S. 29 –66. Die Darstellung des Katholik, die sich u. a. ebenfalls auf Sodens Buch bezieht, gipfelt in die programmatischen Worte: „[ . . . ]; auch wenn die göttliche Vorsehung dem Könige [Gustav Adolf, H. S.] nicht ein frühes Ziel gesetzt hätte, die Krone des deutschen Reiches hätte er nimmermehr errungen; nie hat noch ein protestantisches Haupt eine Kaiserkrone getragen“. (Ebd., S. 66). 590 Politische Gedanken vom Oberrhein. Der heutige Liberalismus zunächst im südwestlichen Deutschland. IV. Der National-Verein. Seine Entstehung, sein Wesen und Wirken bis Ende 1862. in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 59 (1867), S. 181 ff.

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C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg

sorium“ und zugleich die Ursachen der offenen Revolution in Deutschland. 591 Ob demnächst von einem „großen Weltbrand“ oder über den „bewaffneten Frieden“ oder gar über die „allgemeine Entwaffnung“ geschrieben werden müsse, wusste daher ein Autor an anderer Stelle des Blattes nicht zu beantworten. 592 Bei der Demaskierung der „europäischen Tragödie“ nahm das katholische Organ in Abgrenzung zum napoleonischen Frankreich einen entschieden nationalen Standpunkt ein. Der Ausgang der Schlacht von Königgrätz hatte demnach das Schicksal des deutschen Volkes nur halb entschieden und erst die Wahl, vor die der „Franzosenkaiser“ Deutschland stelle, würde eine endgültige Entscheidung herbeiführen können. 593 In dieser Einschätzung trafen sich die politisch Unterlegenen und historischen Verlierer mit dem Lager der Sieger in der deutschen Nationalbewegung. Der 1866 neu geschaffene „Mainliniendualismus“ kam zunächst nur – so die allgemeine Sorge – der gefürchteten deutschlandpolitischen Handlungsmaxime Frankreichs „Divide et impara!“ zugute. 594 Dass sich der „bewaffnete Frieden“ Europas erst im Waffengang gegen Frankreich als einigendem Nationalkrieg beenden ließe, wurde daher zum Allgemeinplatz der Nachkriegsdebatte.

591 Zeitläufe: Waffenstillstand und Friedenspräliminarien, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 224. 592 Vgl. Briefe des alten Soldaten. An den Diplomaten außer Dienst, Frankfurt 7. Mai 1867, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 59 (1867). 593 Zeitläufe. Das deutsche Volk zwischen heute und morgen, in: Historisch-Politische Blätter für das katholische Deutschland, 58 (1866), S. 314. 594 Vgl. Zwei Revolutionen von Oben, S. 15.

D. Schlussbetrachtung: Der Dreißigjährige Krieg als Trauma deutscher Zwietracht I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘ Zieht man für die Zeitspanne zwischen Julirevolution 1830 und dem Ausgang des deutschen Krieges von 1866 Bilanz, erweist sich die Geschichte des 17. Jahrhunderts als zentraler Bestandteil eines geschichtspolitischen Deutungsapparats, mit dem in der politischen Öffentlichkeit Krisenerfahrungen verarbeitet und die umkämpften nationalpolitischen Zukunftsentwürfe begründet wurden. In den Augen der Zeitgenossen reichte die Epoche der Glaubenskämpfe mit der territorialen Zersplitterung Deutschlands und der konfessionellen Segmentierung verfassungsrechtlich und gesellschaftspolitisch in die Gegenwart hinein. Partikularismus und Konfessionalismus waren konstitutiv für die Polarisierung der Erinnerung in der Gesellschaft. Sieg- und Niederlagengeschichten, die sich um dieses Schlüsselereignis der deutschen Geschichte rankten, machten den Dreißigjährigen Krieg zum Steinbruch für Argumente, die im Kampf um die ‚historische Wahrheit‘ politische Partizipations- und Führungsansprüche legitimieren sollten. Die vorgenommene geschichtspolitische Analyse vermittelte zugleich eine Vorstellung von den intensiven Gefühlen, die mit dieser Erinnerung verbunden waren und über Jahrzehnte hinweg die Gemüter erhitzen konnten, weil sie immer auch eminent politische Botschaften transportierten. Sie kamen im Motiv der ‚deutschen Katastrophe‘ zum Ausdruck, das lagerübergreifend und mit großer Häufigkeit verwendet wurde. Darin spiegelte sich mit dem Mittel des historischen Rekurses die Angst vor dem Einbruch zügelloser Gewalt in die Gesellschaft wider. Aus seinen geschichtlichen Zusammenhängen herausgelöst, indizierte der Dreißigjährige Krieg allgemein ein ‚Verbrechen‘ an den Deutschen. Auf diese Weise wurden historische Schmach, Demütigung und Schwäche gegenüber dem Ausland aktualisierbar. Dieser Krieg bestimmte als Trauma deutscher Zwietracht das politische Denken einer gesellschaftlichen Meinungselite im 19. Jahrhundert wesentlich mit. Der hysterischen Neurose, die beim Individuum die Folge fehlender Verarbeitung eines Traumas anzeigt, ist nach Wolfgang Schivelbusch auf kollektiver Ebene die Mythenbildung vergleichbar. 1 So betrachtet brachten die Mythen des Dreißigjährigen Krieges eine paradoxe Mischung mit sich: Einem Minder1

Vgl. Schivelbusch, Kultur der Niederlage, S. 38.

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D. Schlussbetrachtung

wertigkeitskomplex aus nationalen Demütigungserfahrungen stand die deutsche Hybris, ein übersteigertes Machtbewusstsein und messianischer Sendungsglaube, gegenüber. Mit der Ära der Revolutionskriege war eine alte Wunde aufgebrochen. Die Napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die Erinnerung an die zivilisatorische Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges wachgerufen. Im aufkommenden Nationalismus schmiedete dessen Verständnis als zugleich politische, das heißt nationale Katastrophe die Deutschen in einer Schicksalsgemeinschaft zusammen. Die Aneignung der Leidenserfahrung früherer Generationen machte es zur gemeinsamen Bestimmung, den historischen Schaden zu beheben und die erlittene Kränkung zu vergelten. „Wer vermag zu sagen, wie oft die pathetische Schilderung des Elends das Elend selbst noch übertroffen hat“, kritisierte der Historiker Bernhard Erdmannsdörffer 1892 in einer Rückschau den „Superlativ des Entsetzens“ in den Erzählungen über den Dreißigjährigen Krieg, mit denen sich die Kriegstraumata wirksam ‚vererbten‘. 2 Als wesentliches Moment politisch motivierter Erinnerung hatte damit der Widerstand gegen die erfahrene Demütigung gestärkt werden sollen. Unter dem Eindruck der Napoleonischen Kriege konzentrierte sich das Streben nach Vergeltung dabei wesentlich auf das Feindbild Frankreich. Den Befreiungskriegen, die zum positiv konnotierten Gegenmythos des Dreißigjährigen Krieges avancierten, folgte die Neuordnung im Wiener Kongress. Damit setzte sich die staatliche Zersplitterung im Deutschen Bund fort und insbesondere der Dualismus zwischen Österreich und Preußen führte zu einer beständigen Konfrontation mit der Angst vor den Folgen ‚deutscher Zwietracht‘. Deren Gefahren begründeten sich in der Gegenwart wesentlich aus der Perzeption einer relativen Friedenszeit in Europa, dem „bewaffneten Frieden“, wie es zeitgenössisch hieß. Der nationalpolitische Diskurs vollzog sich deshalb in Deutschland in einem ständigen Alarmzustand hinsichtlich der Gefahren einer dem Dreißigjährigen Krieg vergleichbaren Katastrophe. Aus dem Aufbrechen der feudalen Ordnung und dem Aufkommen der nationalen Idee, die zum einen den Streit zwischen Fürstenmacht und bürgerlichem Partizipationsanspruch, zum anderen die soziale Frage forcierten, entstand starkes gesellschaftliches Konfliktpotential, das zusätzlich durch konfessionelle Auseinandersetzungen angeheizt wurde. In diesem Klima bildete das Denken in den Kategorien eines latent waltenden „Prinzipienkrieges“ die sich mit dem Zeitalter der Ideologien in die Gesellschaft ausweitende Kampfzone ab. Dass dieser Prinzipienkampf in einen realen Krieg zwischen Deutschen münden könne, zählte zu den Gewissheiten unter den Meinungseliten. Der Befund der neueren Forschung zum Einfluss des Krieges auf die Genese einer nationalen Identität ist für Deutsch2

Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte, S. 102.

I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘

213

land vor diesem Hintergrund auf die Bedeutung von Bürgerkriegserfahrungen zu akzentuieren. Im „auserwählten Trauma“ 3 des Dreißigjährigen Krieges als einem integralen Bestandteil nationaler Identitätsstiftung liegt ein Schlüssel zum Verständnis des deutschen Sonderbewusstseins, das sich in wesentlichen Motiven aus der tradierten Katastrophenerfahrung speiste. Das daraus bezogene Selbstwertgefühl kam einem ‚Tragikstolz‘ gleich, in dem ähnliche Erfahrungen anderer Nationen ausgeblendet wurden. Das stete Bemühen der historischen Opferrolle kennzeichnete den nationalen Diskurs im 19. Jahrhundert und hatte explanatorische Funktion für die reale Schwäche in der Gegenwart. Zugleich trug das schicksalhafte Los der Deutschen mit dem „Martyrium“ der Reformation und den Glaubenskriegen den Erlösergedanken in sich, wovon sich eine gemeinsame Mission, der „deutsche Beruf“, ableiten ließ. Der Dreißigjährige Krieg wurde jedoch nicht allein als Unglück verstanden, das die Deutschen zu erleiden hatten, sondern immer auch als eine Schmach, die selbst verschuldet war. Erst diese Auffassung eröffnete die Möglichkeit, die Frage nach der Schuld zum Gegenstand politischer Legitimationsstrategien zu machen. Die Instrumentalisierung der Erniedrigungs- und Demütigungsgefühle zeigt, wie nachhaltig sich die Erfahrungen extremer Gewalt und nicht verarbeiteter Schuld auf die politische Kultur auswirkten, die ein hohes materielles und psychisches Sicherheitsbedürfnis mit Unausgeglichenheit und nationalem Überschwang verband. Im Aufbruchspathos der Revolution von 1848 hatte zunächst die Erinnerung an den Westfälischen Frieden dominiert. Dazu bedurfte es nicht der Initialisierung durch dessen zweihundertjähriges Jubiläum, im Gegenteil, die offizielle Erinnerungspflege war im Revolutionsjahr marginal geblieben. Der innere Zusammenhang aber, den die Zeitgenossen zwischen den rechtlichen Bestimmungen des Vertrages von Münster und Osnabrück mit der nationalpolitischen Misere der Gegenwart erkannten, machte ihn zum historischen Bezugspunkt bei der Legitimierung der Revolution. Nichts weniger als das Jahr 1648 – das hieß im vorherrschenden Verständnis der Epoche: den Zerfall des Reiches und die nationale Schmach – sollte aus der deutschen Geschichte getilgt werden. Dem Westfälischen Frieden kam damit auch im Moment des „Völkerfrühlings“ keine friedensstiftende Funktion zu, etwa als geschichtspolitischer Bezugspunkt für eine neue Friedensordnung; vielmehr wirkte im Kontext des europäischen Aufbruchs der Nationen das an nationaler Macht und Größe orientierte Argumentationsmuster aggressiv nach außen. Denn auch die Abgeordneten der Paulskirche mussten wissen, dass ein Rütteln an den Grundfesten des europäischen Machtgleichgewichts einen offenen Krieg zur Folge gehabt hätte. 3

Volkan, Großgruppenidentität und auserwähltes Trauma; vgl. auch Spoeck, Geschichte der Psychologie.

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D. Schlussbetrachtung

Nach innen gerichtet beschwor der Westfälische Frieden gegenüber der tief greifenden gesellschaftlichen Segmentierung aus konfessionellen, partikularen und dynastischen Bindungen die deutsche Eintracht als nationalmoralischen Imperativ. Es ist Ausdruck gewachsenen Bürgerstolzes, dass die Verfassungsbewegung aus einer Position der Stärke heraus für sich beanspruchte, diese „nationale Reparatur“ 4 vorzunehmen. Die Überwindung des Westfälischen Friedens nutzte sie als Motiv für den Kampf gegen die absolute Fürstengewalt, die für den nationalen Niedergang seit 1648 verantwortlich gemacht wurde. Dieses Jahr stand als Chiffre für die Folgen einer partikular-dynastischen Interessenpolitik, die dem nationalen Bedürfnis zuwiderlief und deshalb abgelehnt wurde. Dies wurde zusätzlich verstärkt, indem eine gedankliche Brücke von 1648 zum Wiener Kongress geschlagen wurde. Der allgemein gefasste nationalpolitische Auftrag an die gewählten Volksvertreter, anstelle des Westfälischen den „FrankfurterFrieden“ als den „wahren“ und „echten“ Frieden zu begründen, fand in der Paulskirche politische Konkretisierung und zumindest verfassungsrechtliche Umsetzung, auch wenn mit dem scheitern der Gesamtverfassung auch die kirchenpolitischen Bestimmungen letztlich folgenlos bleiben sollten: Durch die Trennung von Kirche und Staat hätte nach Meinung der Verfassungsväter die nachteilige Vermischung von Religion und Politik als spezifisch deutsches Übel seit 1648 überwunden werden können. Hierbei taten sich insbesondere die bedrängten Katholiken hervor, die sich durch die Festlegung der Grundrechte eine neue Basis zur Durchsetzung ihrer kirchenpolitischen Ziele erhofften. Sie nahmen die Herausforderungen der revolutionären Gegenwart an und nutzten das Parlament als von der ‚Vorsehung‘ initiierte Einrichtung zur Befreiung der katholischen Kirche von staatlicher Bevormundung. Angesichts der fortwährenden Versuche, einen national orientierten Protestantismus gegen den vermeintlich undeutschen, weil ultramontanen Katholizismus auszuspielen, fanden katholische Deutungseliten zudem im Revolutionsmythos um die Tilgung von 1648 ein Argument zur nationalen Gegenoffensive. Auf Seiten ihres konfessionellen Widersachers dominierte dagegen in orthodoxen Kirchenkreisen – gemeinsam mit der konservativen Kreuzzeitungspartei – die Fundamentalopposition zur Revolution. Hier sah man nach zwei friedlichen Jahrhunderten dem christlichen Glauben und der Einheit aus Thron und Altar den Krieg erklärt. Die Deutung des Westfälischen Friedens als Sieg des Protestantismus verwies auf den fortwährenden Auftrag, die christlich-monarchische Staatsordnung in Deutschland zu sichern. Die Furcht vor den Folgen einer deutschen Spaltung setzte sich mit der Revolution in demselben Maße durch, wie sich in der Paulskirche die Verfassungsberatungen von der Formulierung bürgerlicher Grundrechte hin zu der entscheidenden 4

E. W. Becker, Zeit der Revolution, S. 266.

I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘

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Frage verschoben, welches der konkurrierenden ordnungspolitischen Deutschlandbilder realisiert werden sollte. Als zwei wesentliche Ebenen der Konfliktkonstellation von 1848/49, die Einfluss auf die Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg nahmen, lassen sich die ideologische Spaltung in Konservative, Liberale, Demokraten und eine radikale Linke sowie die historisch gewachsene gesellschaftliche Fragmentierung benennen. Diese führten sowohl zum Kampf zwischen Status-quo-bewahrenden Kräften, reformorientierten Konstitutionellen und den Anhängern einer Republik mit sozialrevolutionärem Aktivismus als auch zur Auseinandersetzung um das kleindeutsche Erbkaisertum in der Endphase des Paulskirchenparlaments. Auf beiden Konfliktebenen wurden die Debatten von einer ausgeprägten Bürgerkriegsrhetorik begleitet, mit der die Erinnerung an den Westfälischen Frieden hinter die des Dreißigjährigen Krieges zurücktrat. Die bürgerlich-oppositionelle Verfassungsbewegung einten zwar die Ablehnung eines konventionellen und dabei rein dynastischen Interessen folgenden Staatenkrieges und der Wunsch nach einem einigenden Nationalkrieg, aber die konträren Positionen innerhalb des Bürgerkriegsdiskurses spiegelten die Spaltung des deutschen Bürgertums wieder. Der Bürgerkriegsangst der gemäßigten Liberalen, die eine soziale Revolution fürchteten, stand der revolutionäre Elan der Linken gegenüber. Dies hatte im politischen Meinungskampf auch die unterschiedliche Instrumentalisierung von Geschichtsbildern des Dreißigjährigen Krieges zur Folge. So spielten Gegner der Sozialrevolution mit dem Motiv eines blinden Fanatismus in nun politischer statt religiöser Ausprägung; sie beschworen die anarchische Gefahr und zielten damit auf bürgerliche Besitzängste. Dass die Liberalen in Abwehr der seit dem Spätjahr 1848 neu entflammten Straßenkämpfe bereit waren, einen Kompromiss mit den alten Gewalten einzugehen, provozierte die radikale Linke wiederum, ihren an den Gräueln des Dreißigjährigen Krieges ausgerichteten Propagandafeldzug gegen den militärischen Arm der Reaktion auch auf die Liberalen und deren ‚verräterische‘ Politik auszuweiten. In der ablehnenden Haltung gegenüber einer nur auf gewaltsamem Wege zu erreichenden deutschen Republik kam die liberale Mehrheitsmeinung zum Tragen, dass ein Bürgerkrieg um politische und soziale Ideen in Deutschland immer auch ein von partikularen und konfessionellen Interessen befrachteter Konflikt sein würde. Der politische Mythos um die Tilgung des Westfälischen Friedens hatte diese Fragmentierung der Gesellschaft weder überlagern noch auflösen können. Insbesondere im Spannungsfeld der unversöhnlichen großund kleindeutschen Positionen setzte sich ein Bild vom deutschen Bürgerkrieg durch, das nicht mehr auf die Gefahr der revolutionären Anarchie bezogen war, sondern eine spezifisch deutsche Mischung aus Bruderkrieg, Staatenkrieg und Konfessionskrieg implizierte. Zur Projektionsfläche derart geschürter Ängste avancierte erneut – und hier historisch plausibler – der Dreißigjährige Krieg. Die Eskalation des Dualismus zwischen Preußen und Österreich heizte diese Kriegsimagination in der deutschen Öffentlichkeit zusätzlich an, mehr noch: Sie

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D. Schlussbetrachtung

drohte bereits im Zuge der Unionspolitik mit der „Novemberkrise“ von 1850 Wirklichkeit zu werden. Das Schreckensbild von der Wiederkehr des Dreißigjährigen Krieges, in dem sich die Angst vor einem innerdeutschen Krieg manifestierte, lenkte die Blicke auch auf das Ausland. Diejenigen, die den Dreißigjährigen Krieg als Warnung vor einem enthegten Bürgerkrieg im Munde führten, zielten jeweils auf die tradierte Angst vor einem Deutschland als „Dreschtenne fremder Völker“ (Ernst Moritz Arndt 5). Im Schatten dieser Erinnerung war der Bürgerkriegsdiskurs von Schuldvorwürfen durchzogen und die konkurrierenden Handlungsoptionen wurden mit dem Generalverdacht belegt, die deutsche Sache an fremde Interessen zu verraten. In der Bewertung dieser bereits während der Revolution nachhaltig spürbaren Einkreisungsängste muss zwischen der Handlungsebene leitender Staatsmänner und dem Krisenbewusstsein als Perzeptionsmuster der Öffentlichkeit differenziert werden. Hans-Ulrich Wehler betont zu Recht, dass sich eine glaubwürdige Entschlossenheit zum militärischen Eingreifen des Auslandes in die deutsche Revolution aus den Staatsakten und Nachlässen verantwortlicher Politiker für das Jahr 1848 nicht nachweisen lasse. Dieser Befund ist jedoch unerheblich für die Bewertung der Wirkung, die von den Ängsten vor einem Einfall des Auslandes auf das politische Denken und Handeln ausging. 6 Diese Ängste ernst zu nehmen heißt nicht, den wilhelminischen Einkreisungskomplex zurückzuprojizieren, wie Wehler nahe legt; vielmehr ist dieser als ein Motiv originär (bildungs-) bürgerlichen Denkens anzusehen. In der verbreiteten Furcht vor den unabsehbaren Folgen ihres Handelns nach innen und außen findet sich eine plausible Erklärung für die Hinwendung der gemäßigten Liberalen zu den alten Gewalten, um damit sozialrevolutionäre Tendenzen abzuwehren, sowie für die dilatorische Herangehensweise der Paulskirche an die mit Bruderkriegsängsten verbundene Frage nach dem Staatsoberhaupt. Mit anderen Worten, will man das Scheitern der Paulskirche nicht allein machtpolitisch aus dem Druck der wieder erstarkten alten Gewalten begründen, sondern versucht zugleich die inneren Zwänge für das Denken und Handeln der Akteure von 1848/49 in den Blick zu nehmen, wird man im Fortwirken des deutschen Traumas vom entgrenzten Bürgerkrieg fündig. Das Ende der Revolution hatte in der Öffentlichkeit zu einer politischen Diskurskonstellation geführt, in der sich das klein- und das großdeutsche Lager derart kompromisslos gegenüberstanden, dass von einem ‚kalten Bürgerkrieg‘ unter den Meinungseliten gesprochen werden kann. Schon in dieser Situation hatten vorrangig preußische Stimmen die kriegsbereite Flucht nach vorn propagiert, um der politischen Ohnmacht zu entkommen. Während im Revolutionsjahr 1848 die Erinnerung an den Westfälischen Frieden im Zenit gestanden hatte, dominierten nun – nach dem Scheitern des Versuchs, in der Paulskirche die binnennationalen 5 6

Arndt, Das verjüngte oder vielmehr das zu verjüngende Deutschland, S. 12. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 2. Bd., S. 757 f.

I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘

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Konflikte parlamentarisch einzuhegen, und der damit verbundenen Weichenstellung in Richtung Krieg – vollends die Bezüge auf den Dreißigjährigen Krieg. Das Jahr 1866 brachte die Zerschlagung des gordischen Knotens, als den man die deutsche Frage zunehmend empfand, in einem konventionellen Staatenkrieg. Dieser löste in der Öffentlichkeit einen heftigen Deutungskampf aus, in dem Demütigungs- und Schuldgefühle die Worte diktierten. Als innerdeutscher Krieg unterlief er nationalreligiöse Integrationsversuche und förderte die nationalkonfessionelle Identitätsstiftung. In der Analyse der Vor- und Nachkriegswochen zeigte sich das beträchtliche Eskalationspotential insbesondere der konfessionellen Konnotationen des Dreißigjährigen Krieges, die für die affektiven Bindungen an die konkurrierenden Geschichtsbilder wesentlich waren. In den Kriegsinterpretationen von 1866 kamen die grundlegend unterschiedlichen Lesarten des Dreißigjährigen Krieges deutlich zum Ausdruck. Unter Österreichern und Katholiken wurde er zur Projektionsfläche ihrer Kriegs- und Verlustängste, indem sie nicht nur erneut seine Geschichte als historische Beispielsammlung nutzten, um auf die negativen Folgen ‚deutscher Zwietracht‘ zu verweisen, sondern auch die preußische Politik in das Licht des früheren Machtkonflikts zwischen Kaiser und Territorialfürsten stellten. Damit erschien der Waffengang als revolutionärer Akt und Verrat an das Ausland – eine Deutung, die besonders für das Bündnis Preußens mit dem revolutionären Italien bemüht wurde. Dagegen bewerteten preußische und protestantische Meinungsführer die Ereignisse als Prinzipienkrieg, mochten gegnerische Stimmen auch noch so sehr auf den Duellcharakter der Auseinandersetzung verweisen oder die dynastischen Interessen innerhalb der Kriegsziele anprangern. Ihre Bezüge auf den protestantischen Überlebenskampf und Befreiungskrieg des 17. Jahrhunderts konstruierten einen Sinn- und Wirkungszusammenhang der Glaubenskämpfe mit dem gegenwärtigen Krieg gegen das katholische Österreich. Dass der Protestantismus dabei als ein Synonym für Freiheit und Fortschritt auf geistiger, politischer und materieller Ebene verstanden wurde, machte den Dreißigjährigen Krieg zum Anknüpfungspunkt für liberale und demokratische Deutungseliten. Auch in den Nachkriegsmonaten blieb der Dreißigjährige Krieg Streitobjekt in der Arena umkämpfter Erinnerungen; seine funktionale Bedeutung im politischen Diskurs verschob sich jedoch grundlegend. Das in die Zukunft gerichtete Schreckensbild, das vor Kriegsbeginn vielerorts die Wiederkehr zäher und blutiger Verheerungen illustrieren sollte, trat angesichts des raschen Kriegsausgangs in den Hintergrund und machte einer geschichtlich begründeten Sinnhaftigkeit des Waffengangs von 1866 Platz. Dessen Interpretation als Ende des Dreißigjährigen Krieges bedeutete eine nationalkonfessionelle Überhöhung des Staatenkrieges, ist aber zugleich als ein Versuch der Bewältigung des überkommenen Traumas zu verstehen. Im Mythos eines protestantisch-preußisch motivierten Geschichtsverlaufs, der Reformation und Dreißigjährigen Krieg als Wendepunkte, das Jahr 1648 als Neuanfang, 1813 als Fanal und 1866 als Durchbruch verklärte, verband

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D. Schlussbetrachtung

sich mit Preußen und dem Protestantismus das heilsgeschichtliche Versprechen einer neuen nationalen Größe. Dieser teleologischen Vereinnahmung des Dreißigjährigen Krieges begegneten die Katholiken als ‚historische Verlierer‘ – die sich weit weniger defensiv zeigten, als es ihre Niederlage vermuten ließe – mit einer eigenen zukunftsoffenen Interpretation der deutschen Geschichte, indem sie die Bewältigung ihrer Niederlage im europäischen Kontext des Kriegsausgangs suchten. Denn der Frieden mit Österreich 1866 trug, wie die Zeitgenossen ahnten und später Marx und Engels mehrfach betonen sollten, bereits den Krieg mit Frankreich in seinem Schoß. 7 1866 wandte sich der französische Politiker Adolphe Thiers angesichts der deutschen Krise mit mahnenden Worten an das östliche Nachbarvolk: „Ich bitte die Deutschen zu bedenken, daß das oberste Prinzip europäischer Politik darin besteht, daß sich Deutschland aus unabhängigen Staaten zusammensetzt, die nur durch einen losen föderativen Faden verbunden sind. Das war das beim Abschluß des Westfälischen Friedens von ganz Europa verkündete Prinzip.“ 8 Auch vom Standpunkt der europäischen Außenpolitik erschien also die militärische Auseinandersetzung zwischen Preußen und Österreich als ein Prinzipienkrieg. Thiers’ Hinweis auf den Westfälischen Frieden als Grundlage der europäischen Politik rührte aber gerade an den Vorbehalten, die in der deutschen Öffentlichkeit gegenüber einem Machtgleichgewicht bestanden, welches man unter dem Etikett der ‚deutschen Freiheit‘ auf Kosten Deutschlands gewahrt sah. Der Ausgang des Krieges von 1866 hatte das Ende des österreichisch-preußischen Dualismus bedeutet. Damit war zwar – im übertragenen Sinne und in zeitgenössischer Diktion – der Dreißigjährige Krieg im Inneren Deutschlands ausgefochten. Das „zweite Leipzig“ aber, das die liberale Kölnische Zeitung bereits während der Revolution von 1848 als einigenden Nationalkrieg propagiert hatte, stand noch immer aus. Die Augsburger Allgemeine Zeitung formulierte im Juli 1866 aus eben dieser Perspektive ein „politisches Glaubensbekenntnis“, das die allerorts in Deutschland bemängelte Unbeständigkeit der neuen Friedensordnung zum Ausdruck brachte: „Als das deutsche Reich im Jahr 1806 in Trümmern ging, da waren es nur wenige, welche den Glauben an eine Auferstehung Deutschlands in der muthigen Brust bewahrten – das Jahr 1813 hat ihre Voraussicht bewährt – das Jahr 1815 hat eine sehr unvollkommene Arbeit geschaffen, dennoch hat sie ein halbes Jahrhundert gedauert und ebenso lange Deutschland zu bisher nicht dagewesener Blüthe des Wohlstandes und aller materiellen Interessen gehoben. Ob auf 1866 abermals ein 1813 und 1815 folgen werde, das hängt von der Haltung des deutschen Volks ab.“ 9 7 Vgl. Marx/Engels, Brief an den Ausschuss der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, S. 269; Engels, Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, S. 435 (geschrieben Ende Dezember 1887 bis März 1888). 8 Zit. nach Craig, Über die Deutschen, S. 26.

I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘

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Angesichts der lagerübergreifend neu entfachten Bedrohungsgefühle gegenüber dem Ausland formulierten sämtliche Konfliktparteien die Forderung nach einer engen Bindung Preußens zu den süddeutschen Staaten. „Ein trauriges Geschick zerriß die unzertrennlichen Glieder der deutschen Nation und gab dem Bruder die Waffen in die Hand gegen den Bruder. Möge die gleiche Gefahr, mit der uns der Fremde bedroht, uns auf immer wiedervereinen“, bekundete Rudolf von Bennigsen auf einer Versammlung sein Interesse an einer Annäherung der verfeindeten Deutschen in Nord und Süd. Er warnte erneut vor „innerer Zwietracht und blindem Haß, der lieber die Ketten des Fremden trägt, als die Hand zur Versöhnung reicht“. 10 Auch ein Gedicht zu Ehren des preußischen Königs, das unmittelbar nach Kriegsausgang in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erschienen war, hatte sich in dieser Absicht an Wilhelm I. gewandt. Dass dieser darin als „Sohn des Freiheitskriegers,/ Luisens ritterlicher Sohn“ angesprochen wurde, verweist auf die Beschwörung des „Geists der Freiheitskriege“, mit dem man in Stoßrichtung gegen Frankreich der inneren Spaltung und möglicher Allianzen Österreichs gegen Preußen entgegentrat. 11 Als sich 1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg die Hoffnung auf einen einigenden Nationalkrieg verwirklichte, domestizierte der Mythos der Befreiungskriege die Bezüge auf den Dreißigjährigen Krieg, der nicht mehr dieselbe Bedeutung erlangte, die ihm bis zur Entscheidungsschlacht von Königgrätz zugekommen war. Als negatives Komplementärereignis zu den Befreiungskriegen sollte der Hinweis auf die Erfahrungen im Dreißigjährigen Krieg zwar auch jetzt wieder die Handlungsoption auf die „homogene Kriegsgemeinschaft“ 12 reduzieren; zu den Erfahrungen des Krieges von 1866 hatte aber gehört, dass die Erinnerung daran im komplexen Geflecht der partikularen, dynastischen und konfessionellen Bindungen vor allem spaltend wirkte. 13 9 Auch ein politisches Glaubensbekenntnis, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 13. August 1866. 10 Vgl. Spenersche Zeitung, 15. Juli 1866. 11 Dem König von Preußen, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 2. August 1866. 12 Leonhardt, Gewalt und Partizipation. 13 Siehe dazu Rak, Wir mit Gott. Raks Studie zu Feldgeistlichen im Krieg von 1870/71 verdeutlicht, dass der Wunsch süddeutscher Protestanten nach dem Verbrüderungs- statt Bruderkrieg, mit dem vergessen werden sollte, dass man vier Jahre zuvor noch gegen Preußen im Feld stand, Österreich aus der Gemeinschaft ausschloss. Die wenigen Bezüge auf den innerdeutschen Krieg stellten diesen in einen logischen Zusammenhang mit dem laufenden Krieg gegen Frankreich. Als Verknüpfung diente die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg, wie Rak an einer Pressestimme aus dem württembergischen Pietismus zeigt: „So wurde im Jahr 1866 Oesterreich gezüchtigt für all das entsetzliche Unheil, das dieser Staat seit drei Jahrhunderten an Deutschland verschuldet hat, für die Verwerfung des Evangeliums, für das unschuldig vergossene Blut von unzähligen Evangelischen, für die Greuel des dreißigjährigen Kriegs, welche allein Oesterreich verschuldet hat, [ . . . ] so ist jetzt, scheint es, die Zeit der Strafe über Frankreich gekommen.“ Vgl. ebd., S. 300 f. Ver-

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D. Schlussbetrachtung Empor! Empor! Zu lange fürwahr/ Geschlummert hast du, o märkische Schaar,/ Und während du ruhtest, da sannen die Noth/ und der Mord und die Pest auf Deutschlands Tod/ Und schleppten zu Grabe auf blutiger Bahre/ Macht, Größe und Freiheit durch dreißig Jahre;/ Der Feind kam von Süd’ und von West und von Nord/ Und riß vom Reiche sich Beute fort!/ Wach’ auf, wach’ auf, der Weckruf schallt! –/ Und sieh’, du erhebst dich in stolzer Gewalt./ Herr Friedrich Wilhelm das Scepter ergreift,/ Und über die Lande sein Auge schweift,/ Und er runzelt die Stirn, doch er zaget nicht;/ Der ruft in die Marken „Es werde Licht!“. Zur Heimkehr. 1871. Ein preußisches Festspiel

II. Ausblick In seinem Festspiel Zur Heimkehr rief 1871 der Militärhistoriker Max Jähns Teilnehmer aus wichtigen Phasen der brandenburgisch-preußischen Kriegsgeschichte auf die Bühne. 14 Dabei setzte er szenisch um, was die borussische Geschichtserzählung bereits seit langem in die Utopie eines neuen deutschen Reiches münden ließ. Der Auftritt von Fürstenknecht und Landwehrmann aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der Befreiungskriege personifizierte die ursprungsmythisch verklärte Dialektik vom notwendigen Untergang des alten Reiches zum Wiederaufstieg eines einigen, von der Nation getragenen Deutschlands unter preußischer Führung. Die Proklamation des kleindeutschen Kaiserreiches im Spiegelsaal von Versailles hatte dieser Teleologie, die seitdem von dem monarchisch orientierten und auf vermeintlich alte Kaiserherrlichkeit verweisenden Barbablanca-Mythos flankiert wurde, einen realen Fluchtpunkt gegeben. Das führte dazu, wie Jacob Burckhardt zum Jahreswechsel 1871 ironisch kommentierte, dass „die ganze Weltgeschichte von Adam an siegesdeutsch angestrichen und auf 1870/71 orientirt“ wurde. 15 Demgegenüber war die großdeutsch-katholische Geschichtsschreibung im deutschen Kaiserreich mit dem endgültigen Ausschluss Österreichs nachhaltig geschwächt. 1871 feierten auch katholische Historiker wie Johannes Janssen den neuen Kaiser als „Germaniens größten, mächtigsten Sohn“, der das „verhöhnte“ einzelt wurden in der Kritik von Feldgeistlichen am Vorgehen des deutschen Militärs auch Bezüge zu den Gräueln im Dreißigjährigen Krieg hergestellt. Vgl. ebd., S. 108 f. 14 Jähns, Zur Heimkehr, S. 3. 15 Zit. nach Böhme, Die Reichsgründung, Nr. 16.

II. Ausblick

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Reich wieder zu Ehren geführt habe. 16 Die nationalpolitischen Implikationen des Sieges über den ‚Erbfeind‘ im Westen hatten die konfessionellen und partikularstaatlichen Lesarten des Dreißigjährigen Krieges aber keineswegs gänzlich verdrängt. Der anhaltende Widerstand im Kaiserreich gegen die Pflege eines einseitig borussischen Geschichtsbildes zeigt sich wissenschaftlich unter anderem in der groß angelegten Edition von Briefen und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges in den Zeiten des vorwaltenden Einflusses der Wittelsbacher, die ab 1870 durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben wurde. Symbolpolitisch kam der Protest 1894 beispielhaft zum Ausdruck, als bayerische Katholiken einer von protestantischer Seite intendierten Feierstunde zum Gustav-Adolf-Jubiläum damit begegneten, dass sie einen Dankgottesdienst für die Verdienste des Wittelsbacher Hauses um die Erhaltung des Glaubens abhielten und an den Gräbern Maximilans I. und Tillys demonstrativ Kränze niederlegten. 17 Dieser kulturelle Konflikt, der im Formierungsprozess der deutschen Nation mit dem nationalkonfessionell geprägten Deutungskampf zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges zum Ausdruck gekommen war, erschien jedoch ab 1871 innerhalb der Grenzen des Kaiserreichs weitgehend eingehegt. Offenbar verloren die Geschichtsbilder mit dem erreichten Nationalstaat an geschichtspolitischer Brisanz und entfalteten auch im Kulturkampf nicht mehr annähernd jene Bedeutung, die sie zwischen Julirevolution und Einigungskriegen besessen hatten. 18 Bernd Schönemann konnte aber am Beispiel von Literatur und Schulbüchern die durchgängige Präsenz des Dreißigjährigen Krieges im kulturellen Gedächtnis der Deutschen vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus nachweisen. 19 Im Nationalismus des Kaiserreichs blieb vorrangig die Erinnerung an die Demütigung Deutschlands mit dem Westfälischen Frieden präsent. Damit war eine Mahnung zur Wahrung der nationalen Eintracht verbunden, denn auch unter den Bedingungen des Nationalstaats blieben das Motiv der Einkreisung und damit das Grundgefühl der Angst vor den Folgen einer nationalen Spaltung aktuell. 1898 brachte Carl Spannagel zum 250. Jahrestag des Westfälischen Friedens diese anhaltende Orientierungsfunktion in der Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg 16

Zit. nach Gräf, Reich, Nation und Kirche, S. 384. Vgl. dazu Körner, Staat und Geschichte in Bayern, S. 287. 18 Der Simplicissimus von Grimmelshausen reichte zumindest noch zum literarischen Skandal und sorgte 1876 für Furore, als das preußische Abgeordnetenhaus drei Tage lang darüber diskutierte, ob sich die Jugendbuchbearbeitung von Elard Hugo Meyer als Schullektüre eigne oder aber die „Zusammenstellung von Zoten und Unlauterkeiten aus dem wüsten Leben eines Landesknechts“ die vaterländische Gesinnung und Sittlichkeit der deutschen Jugend bedrohe; vgl. Der abenteurliche Simplicissimus, vertheidigt von einem Mitglied des Centrums gegen das Centrum, in: Deutscher Merkur, 1. April 1876, S. 122. Vgl. dazu Schönemann, Schulbücher, S. 18 f. 19 Ebd. 17

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D. Schlussbetrachtung

deutlich zum Ausdruck: „Aus gesichertem Port dürfen wir zurückschauen auf jene trüben und stürmischen Tage unserer Geschichte. Ein Anlaß zum Jubilieren liegt nicht vor, wenn wir ihrer gedenken. Der Westfälische Frieden redet eine ernste Sprache zu uns. Er mahnt uns, allezeit festzuhalten an den Gütern nationaler Freiheit, Wohlfahrt und Gesittung, die wir in schweren inneren und äußeren Kämpfen wieder errungen haben, er mahnt uns, unsere Stärke stets in der Einigkeit zu suchen. Ein warnendes Menetekel richtet er vor unseren Augen auf; möge diese seine Bedeutung niemals, auch nicht in den Tagen höchsten Glückes und Glanzes, vergessen werden.“ 20 In diesem Deutungsstrang der Erinnerung wirkte das 19. Jahrhundert als ein tatsächlich langes Säkulum bis weit in das 20. Jahrhundert fort. 21 Zur Zwiesprache mit der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges gehörte im 19. Jahrhundert das Erinnern an die zivilisatorische Katastrophe, mit der die entfesselte Gewalt in alle Bereiche der Gesellschaft eingebrochen war. Die Präsenz der damit verbundenen Bilder im deutschen Kriegsdiskurs spiegelt die zeitgenössische Wahrnehmung vom Wendepunkt des Zeitalters der Kabinettskriege mit ihren begrenzten Kriegsschauplätzen zu dem des gesellschaftlich enthegten Krieges der Moderne. In Deutschland besaß zuerst der Waffengang von 1866 dessen neuartige Komponente des Vernichtungsgedankens. Damals überschritt die militärische Führung den Rubikon zur Totalisierung des Krieges zwar noch nicht, wie es der Historiker Stig Förster bildhaft ausdrückte; vorerst zielte sie darauf, die feindliche Armee kampfunfähig zu machen, nicht jedoch die gesamte feindliche Nation zu unterwerfen. 22 Bezieht man allerdings über die Ereignisse auf den Schlachtfeldern hinaus die öffentlich geführte Kriegsdebatte ein, erweist sich, dass Teile der politischen Öffentlichkeit den entscheidenden Schritt bereits getan hatten. Im 19. Jahrhundert wurde zwar die Tradition der Kabinettskriege fortgesetzt, indem die politisch und militärisch Verantwortlichen die Destruktionskräfte des Krieges zu zähmen und auf die Kombattanten im Schlachtfeld zu beschränken suchten. Psychologisch, so der Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch, war die nationalisierte Massengesellschaft auf die frühere Stufe einer kollektiven Todesdrohung zurückgekehrt; Krieg und Niederlage wurden imaginiert als ein Kampf um Sein oder Nichtsein – nicht nur der Armee, sondern der gesamten Nation. 23 20

Spannagel, Die Bedeutung des Westfälischen Friedens; zit. nach Schönemann, Rezeption, S. 819. 21 Das gilt auch für die im 19. Jahrhundert entwickelten Heldenerzählungen. So wurde 1898 z. B. Max Bruchs Oratorium „Gustav Adolf“ uraufgeführt, dessen Textbuch die Befreiung Deutschlands vom ‚römisch-katholischen Joch“ durch den ‚Heldenkönig‘ Gustav Adolf behandelt. Siehe dazu Geck, Max Bruchs Oratorium. 22 Vgl. Förster, Moltke, S. 16 f. 23 Vgl. Schivelbusch, Die Kultur der Niederlage, S. 15 f.

II. Ausblick

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Für die Neue Freie Presse waren die Worte des österreichischen Kaisers zu Kriegsbeginn 1866 erst der Prolog zum Aufruf für einen „Vernichtungskampf“ gegen Preußen gewesen. 24 Frieden schaffe nur ein „Gottesgerichtskampf auf Leben und Tod“, hatte der Autor eines Pamphlets aus diesen Kriegstagen verkündet, damit jeden Gedanken an vermeintlich verderbliche Palliativmittel und einen „faulen Frieden“ verworfen und stattdessen eine „Radikalkur“ gegen Krankes und Faules verordnet. 25 Die unversöhnliche Härte der öffentlichen Debatte und das Trachten nach vernichtender Rache verdrängten den Revanchegedanken aus der Zeit der Kabinettskriege. In dieser Entwicklung ist auch der Keim zur Idee des Prinzipienkrieges im Zeitalter der Ideologien zu sehen. Im Bild vom Dreißigjährigen Krieg verdichteten sich die Vorstellungen von einem existentiellen Krieg als historische Erfahrung. Auch Schivelbusch betont daher die Nähe des modernen Krieges im Massenzeitalter mit seinen nationalistisch entfesselten öffentlichen Meinungen zu dem unerbittlichen Religionskrieg des 16. und 17. Jahrhunderts. 26 Hier liegt interessantes Erklärungspotential für die anhaltende metaphorische Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges in der politischen Öffentlichkeit. Die konfessionellen Konnotationen, die bis zur Entscheidung im Krieg von 1866 eine wesentliche Rolle spielten, hatten bald an Bedeutung verloren. Es dominierten nun die Bilder von in der Geschichte ansonsten beispiellosen Gräueln, die zur Illustration unterschiedlicher Kriegsimaginationen herangezogen wurden. 1887 meinte Friedrich Engels vorauszusehen, dass für das Deutsche Reich „kein anderer Krieg“ mehr möglich sei „als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer nie gekannten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so kahlfressen wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des 30jährigen Krieges zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine durch akute Not hervorgerufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unseres künstlichen Getriebes in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, dass die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen und sich niemand findet, der sie aufhebt.“ 27 Die Gefahren eines sozialrevolutionären Krieges hatte General Helmuth von Moltke vor Augen, als er 90-jährig am 14. Mai 1890 in seiner letzten Reichstagsrede eindringlich vor einem neuen Krieg in Europa warnte, „der jetzt schon mehr als 24 25 26 27

Vgl. Neue Freie Presse, 15. Juni 1866. Vgl. Verrath am deutschen Volke, S. 4. Vgl. Schivelbusch, Kultur der Niederlage, S. 41. Engels, Einleitung zu „Zur Erinnerung für die deutschen Mordspatrioten“, S. 350 f.

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D. Schlussbetrachtung

zehn Jahre lang wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern schwebt – wenn dieser Krieg zum Ausbruch kommt, so ist seine Dauer und sein Ende nicht abzusehen [ . . . ] Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden – und wehe dem, der zuerst die Lunte in das Pulverfaß schleudert!“ 28 Die Latenzphase der politisch motivierten Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg endete abrupt mit dem Erleben des Weltkrieges von 1914 bis 1918. Während des Krieges hatte sich zunächst das gewandelte Selbstbild der Deutschen, die sich nicht mehr als historische Verlierer, sondern als europäische Macht empfanden und aus einem hybriden Gefühl der Stärke heraus agierten, auch im Rekurs auf den Dreißigjährigen Krieg gezeigt. Der Mehrheitssozialist und Politikwissenschaftler Paul Lensch sah 1917 angesichts der bevorstehenden amerikanischen Intervention in Frankreich diesmal nicht Deutschland, sondern das Nachbarland als „Tummelplatz für das bunteste fremde Kriegsvolk“ an. US-Präsident Thomas Woodrow Wilson erschien ihm als „der ins Finanzkapitalistische und Yankeehafte übertragene Gustav Adolf des zwanzigsten Jahrhunderts“. Frankreich, so Lensch weiter, würde nach diesem Krieg ebenso wie Deutschland im 17. Jahrhundert von seinen vorgeblichen Befreiern mehr zu erleiden haben als von seinen Feinden. 29 Der Erste Weltkrieg machte die Prophezeiungen der Enthegung eines kommenden Krieges zur realen Erfahrung, sprengte aber zugleich mit den angewandten Mitteln zur industrialisierten Massenvernichtung alle Dimensionen bisheriger Kriegsimaginationen. Gegenüber diesem „Singularitätsverlust“ 30 des Dreißigjährigen Krieges als zivilisatorische Katastrophe erlebte zugleich dessen Verständnis als politische Katastrophe, also das Motiv nationaler Demütigung, Schmach und Schwäche, mit dem Versailler Vertrag eine heftige Renaissance. Zudem erneuerten das revolutionäre Vorspiel der Weimarer Republik und das Scheitern der ersten parlamentarischen Demokratie in bürgerkriegsähnlichen Zuständen den zeitgenössischen Bedarf an Analogien zum dreißigjährigen Bürgerkrieg als einem Zeitalter deutscher Zwietracht. „Wir müssen in die traurigsten Abschnitte 28

Vgl. Moltke, Selbstzeugnisse, S. 345. Lensch, Drei Jahre Weltrevolution; zit. nach Schivelbusch, Kultur der Niederlage, S. 437, Anm. 157. Im Hinblick auf Max Webers Artikel „Deutschland unter den Weltmächten“ vom November 1916 und insbesondere das „martialische Finale“ schreibt der Weber-Biograph Joachim Radkau: „In solchen Sätzen spiegelte sich ein typisch deutsches Lernen aus der Geschichte, das einst durchaus rational wirkte, heute jedoch an die Tücke aller ’Lehren aus der Geschichte’ mahnt: Die traumatischen Erinnerungen der Deutschen waren damals der Dreißigjährige Krieg und die napoleonischen Kriege; und beide schienen zu beweisen, dass Deutschland, wenn es nicht geeint und mächtig ist, zum Schlachtfeld fremder Heere und ihrer deutschen Kollaborateure wird.“ Vgl. Radkau, Max Weber, S. 768. 30 Bernd Schönemann zeigt dies überzeugend am Beispiel der sechsten Auflage von Ricarda Huchs Der große Krieg in Deutschland, die seit 1929 unter dem Titel Der Dreißigjährige Krieg auf den Markt kam. Auch die Werke von Alfred Döblin und Bertolt Brecht behandelten den Krieg enthistorisiert als bloßen literarischen Stoff. Vgl. Schönemann, Schulbücher, S. 28 ff. 29

II. Ausblick

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deutscher Geschichte zurückblicken, wenn wir Maßstäbe für die Gegenwart gewinnen wollen. Es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, deren Bild mit harter Deutlichkeit in uns aufsteigt“, schrieb Fritz Kaphahn 1919 bezeichnend für ein Gegenwartsverständnis, das sich in den Bahnen des überkommenen deutschen Demütigungsdiskurses bewegte. 31 Am 4. November 1923, wenige Tage vor Hitlers Putschversuch, forderte General von Seeckt als Chef der Heeresleitung der Reichswehr, auf dem Boden von Recht und Gesetz zu agieren. Seinen Aufruf begründete er mit historischen Bürgerkriegserfahrungen der Deutschen: „Wird dieser [Boden von Recht und Gesetz, H. S.] verlassen, so tritt der Bürgerkrieg ein – der Bürgerkrieg, der bei unseren heutigen Verhältnissen zwei an Zahl und Machtmitteln gleichstarke Parteien gegeneinander führt, der nicht mit dem Siege der einen Seite, sondern mit ihrer gegenseitigen Zerfleischung endet, für den uns der Dreißigjährige Krieg ein furchtbar warnendes Beispiel sein muß. Feinde ringsum – im Innern Deutsche gegen Deutsche! Beim Friedensschluß triumphiert – Frankreich.“ 32 Als am Ende der Weimarer Republik der politische Radikalismus erneut in offenen Straßenkampf mündete, begegnet die Dichotomie von französischer Revolution und deutschem Bürgerkrieg wieder. Im März 1932 schrieb Hans Zehrer in der Monatszeitschrift Die Tat über das deutsche „Ringen um die Volksgemeinschaft“. Diese müsse, so der Jungkonservative, im „Kampf gegen fremde Völker oder im Bruderkrieg der Revolution“ geschmiedet werden. Zur wirklichen Revolution hätten die Deutschen aber nicht die Kraft besessen, weshalb an die Stelle der eruptiven Erneuerung eine „zähe“ Auseinandersetzung getreten sei. Dies führte Zehrer zurück zum 17. Jahrhundert als einem Synonym der nationalen Selbstzerfleischung: „Die Revolution hat das Bild der schleichenden Krise angenommen. An die Stelle des Sturmes auf die Bastille ist das Vorbild des Dreißigjährigen Krieges getreten.“ 33 Das historische Pendant zum „Diktat“ von Versailles bildete das Jahr 1648 als Chiffre einer kollektiven Verletzung und Kränkung. Erneut wurde es, wie eine Radioansprache des Historikers Hermann Oncken 1929 beispielhaft zeigt, zum Ausgangspunkt für die Konstruktion einer anhaltenden nationalen Verfallsgeschichte, die über den Wiener Kongress bis zum Versailler Vertrag führte. 34 Bereits 1923 hatte Onckens Kollege Johannes Haller in seiner bis in die Stauferzeit zurückreichenden Reichsperspektive geurteilt, dass das von Bismarck gegründete 31 Kaphahn, 1648 und 1919, S. 252. Vgl. zur historische Analogie zwischen der Lage Deutschlands am Ende des Dreißigjährigen Krieges und der zu Beginn der Weimarer Republik in der Geschichtsdidaktik der 1920er Jahre Schönemann, Schulbücher, S. 49. 32 Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 364. 33 Der Sinn der Krise, in: Die Tat. Monatsschrift zur Gestaltung neuer Wirklichkeit, S. 937 f.; zit. nach Hacke, Die Rechte und die Revolution, S. 164 f. 34 Oncken, Nation und Geschichte, S. 91; zit. nach Schönemann, Rezeption, S. 820.

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D. Schlussbetrachtung

Reich zu einer „Episode“ geworden sei, „eine Unterbrechung der Entwicklungsreihe, die vor siebenhundert Jahren begann und in der die Zahlen 1648 und 1815 die großen Marksteine sind, denen sich 1918 würdig einreiht“. 35 Im Nationalsozialismus wurde die herkömmliche nationalistische Interpretation des Westfälischen Friedens radikalisiert und um völkische, rassistische und antisemitische Interpretationen erweitert. 36 Adolf Hitler dachte offenbar in ‚ganz großen historischen‘ Dimensionen, als er den Zweiten Weltkrieg entfesselte, so man einschlägigen Tagebucheinträgen von Joseph Goebbels aus den Jahren 1938/ 39 Glauben schenkt: „Wenn man schon einmal anfängt, dann muß man auch die fälligen Fragen lösen. Er denkt an eine restlose Liquidation des westfälischen Friedens, der in Münster abgeschlossen worden ist, und den er in Münster beseitigen will. Das wäre unser ganz großes Ziel. Wenn das gelungen ist, dann könnten wir beruhigt die Augen schließen.“ 37 So notierte sich Hitlers Mann für die Propaganda über dessen Auslassungen zu den deutschen Kriegszielen. Bereits im Jahr zuvor hatte er sich erklären lassen, dass „in zehn Jahren, 1948, also 300 Jahre nach dem Frieden von Münster [ . . . ] dieser Frieden liquidiert sein“ müsse. 38 Goebbels’ Überzeugung, dass Hitler dieses Ziel erreichen würde, ging im Bombenhagel über Deutschland mit dem Dritten Reich unter. Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges beendete zugleich die Wirkungsmacht jenes Reichsmythos, der den deutschen Nationsgedanken so nachhaltig geprägt hatte. 39 Mehr noch, auch die nationale Idee, deren Siegeszug im 19. Jahrhundert die Grundlagen zur Bewertung der deutschen Geschichte so tief greifend gewandelt hatte, war in Deutschland gründlich desavouiert und entbehrte im geteilten Land einer staatlichen Grundlage. Der „Totalzusammenbruch der historischen Sinnhorizonte“ und der Bewusstseinsbruch, mit dem das „Netzwerk von Vorgeschichten“ gründlich umstrukturiert wurde, wie sie Bernd Schönemann für den Dreißigjährigen Krieg und den Westfälischen Frieden bereits in der Niederlage von 1918 erkennt, trifft weit stärker auf die Erfahrung der ‚Stunde Null‘ zu. 40 Erst der Zivilisationsbruch von Auschwitz, 35

Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, S. 373. Vgl. Schönemann, Rezeption, S. 821. Siehe in diesem Zusammenhang von Günther Franz Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk aus dem Jahr 1940, das auf den Zweiten Weltkrieg hin konzipiert war. Vgl. dazu Behringer, Von Krieg zu Krieg. 37 Fröhlich, Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Bd. 7, S. 198. 38 Ebd., Bd. 6, S. 98. Hinweise auf Planungen zu den vorgesehenen Feiern bei Repgen: Der Westfälische Frieden, S. 34. 39 Siehe dazu Winkler, Der lange Schatten des Reiches. 40 Schönemann, Schulbücher, S. 28, 49. Siehe dazu die unterschiedlichen Einschätzungen von Schindling, Das Strafgericht Gottes, S. 14. Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 22; Buschmann, „Im Kanonenfeuer“, S. 105 ff., Förster, Mythenbildung und totaler Krieg, S. 40. 36

II. Ausblick

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der die Deutschen nicht länger als Opfer der Geschichte, sondern als ein „Volk von Tätern“ brandmarkte, hat den Dreißigjährigen Krieg und damit das Jahr 1648 als traumatischen Gedächtnisort im kulturellen Gedächtnis der Deutschen relativiert und als zentrales Moment bundesdeutscher Geschichtspolitik verdrängt. 41 Dennoch hat der Dreißigjährige Krieg als Schlüsselereignis der deutschen Geschichte bis heute einen festen Platz im kollektiven Langzeitgedächtnis der Deutschen. 42 Ohne seine frühere nationalmoralische Orientierungsfunktion ist daran aber allenfalls ein Geschichtsgefühl gebunden, das Wissenschaft und Politik noch immer dazu einlädt, sich der Faszination dieses dreißig Jahre währenden Gemetzels zu bedienen. 43 Die Rede von einem „Zweiten Dreißigjährigen Krieg“, worin das Verständnis der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts als Einheit eine griffige Formel fand, macht dies erkennbar. Der Ausdruck fand eine beträchtliche Verbreitung, die weit über die Grenzen der historischen Wissenschaft hinaus in die publizistische Öffentlichkeit hineinreicht, 44 und gehört nun – wie etwa 2004 öffentlich gespöttelt wurde – zur „semantischen Grundausstattung jedes Weltkriegskommentators“. 45

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Vgl. Münch, 1648 – Notwendige Nachfragen, S. 329. Laut Umfrage von ZDF und Die Welt wussten 2005 immerhin 54,9 Prozent der befragten Deutschen, dass 1648 der Dreißigjährige Krieg endete – ein besseres Ergebnis als das Wissen um den 17. Juni 1953, die Weimarer Republik oder die preußischen Könige; vgl. Die Welt, Beilage, 25. April 2005. 43 Beispielhaft dafür ist die international tätige Bewegung um Lyndon und Helga Zepp-LaRouche (BüSo), die regelmäßig mit globalen Untergangsphantasien aufwartet, in denen die diagnostizierte „Weltkrise“ als ein „neuer Dreißigjähriger Krieg“ erscheint (vgl. beispielhaft Neue Solidarität, Nr. 9/2005). Eine differenzierte Position zur Berufung auf den Dreißigjährigen Krieg angesichts der Herausforderung neuer Kriege vertritt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler; vgl. die tageszeitung, 9. April 2002, S. 15 f. 44 Der Terminus „Zweiter Dreißigjähriger Krieg“ wird überwiegend General Charles de Gaulle zugeschrieben. In Deutschland hat Hans-Ulrich Wehler wesentlichen Anteil daran, dass dieses eingängige Epochensignum über die Wissenschaft hinaus popularisiert wurde, wie der Titel des Spiegels zum Ersten Weltkrieg belegt; vgl. Der Spiegel, 8/2004; auch Wehler, Aus der Geschichte lernen, S. 44; ders., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. XIX. Kritik bei Davis, Experience, Identity, and Memory; Thoß, Die Zeit der Weltkriege. Vgl. auch Reimann, Der Erste Weltkrieg, S. 31; Stig Förster: Eine Katastrophe von dreißig Jahren, in: Der Bund, 6. Mai 2005, S. 2. 45 So der treffende Kommentar von Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich (Das große Sterben, in: Frankfurter Rundschau, 28. Juli 2004). Letzte Beispiele dafür sind Gangolf Hübinger (vgl. den Vortrag Ein zweiter Dreißigjähriger Krieg? Europas Katastrophengeschichte 1914 –1945 im Rahmen der Ringvorlesung im Wintersemester 2005/06 an der Viadrina Universität Frankfurt/Oder: „Krieg und Frieden. Militärische Konflikte in Europa seit dem Dreißigjährigen Krieg“ am 7. Februar 2006) und Jürgen Kocka (vgl. Süddeutsche Zeitung, 29. Juni 2006, S. 13). Der Terminus „Zweiter Dreißigjähriger Krieg“ gehört seit langem auch zum Vokabular rechtsextremer Revisonisten. Ein Beispiel für dessen politisch fragwürdige Instrumentalisierung lieferte 2004 aber auch die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, die die deutschen Vertriebenen und Spätaussiedler zu den letzten Op42

228

D. Schlussbetrachtung

Marx, Engels und von Moltke erscheinen im Kreis der prominenten Zitatgeber nicht nur als Propheten des Ersten Weltkrieges, sie sind auch Kronzeugen für die heutige Berechtigung dieses Epochensiegels. Allerdings hatte die Warnung des preußischen Generals von 1890 diametral zu der Position von Marx und Engels gestanden, die den sozialrevolutionären Volkskrieg als Weltbürgerkrieg ja gerade propagierten und ihrerseits die drohende Wiederkehr eines Dreißigjährigen Krieges als fatalen Anachronismus brandmarkten. Als Marx 1858 darüber schrieb, kam dies einem Verdikt über die nationalpolitischen Ziele der Gothaer Partei gleich. Sein Zitat gehört in den Zusammenhang des Konflikts zwischen Kleindeutschen und Großdeutschen und ist nur in diesem historischen Kontext zu verstehen. 46 Gerade hier wird deutlich, dass unter der Beweislast für die These vom „Zweiten Dreißigjährigen Krieg“ der Topos von der Wiederkehr des Dreißigjährigen Krieges aus seinen politischen Zusammenhängen herausgelöst wird und damit der Blick auf dessen zeitgenössisch funktionale Bedeutung verloren geht. Auch der Westfälische Frieden unterliegt am Ende des nationalhistorischen Tunnelblicks neuerlich Versuchen, geschichtspolitisch vereinnahmt zu werden. Der Wandel in den Bewertungskategorien ließ zwar das Urteil der Nachkriegsgeschichtsschreibung an Maßstäben orientieren, die nicht mehr den Ansprüchen nationaler Machtstaatlichkeit folgten. 47 Zunehmend wirft aber der europäische Integrationsprozess die Frage nach übernationalen Erinnerungsorten auf, um jenseits eines Handelsraums eine gemeinsame Identität mit dem Anspruch wirtschaftlicher Prosperität generieren zu können. Von dem Versuch, den Westfälischen Frieden als einen solchen europäischen lieu de memoire zu installieren, legte dessen groß gefeiertes 350-jähriges Jubiläum 1998 ein eindrückliches Zeugnis ab. Als Ausdruck demonstrativer Symbolpolitik hinterließ das Ereignis aber über das Gedenkjahr hinaus keine nachhaltigen Spuren. 48

fern des „Zweiten Dreißigjährigen Krieges“ zählte. Indem die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen explizit die Schüsse von Sarajewo zum Ursprung des Verlusts der Heimat erklärt, erfahren Ursache und Schuldfrage der Vertreibung eine wesentliche Akzentverschiebung. Sie erlaubt es, im politischen Minenfeld von historischen Schuldzuweisungen die deutschen Vertriebenansprüche ganz neu zu begründen (vgl. http://www.bund-dervertriebenen.de/download/Steinbachtdh.pdf). 46 Marx, Das neue Ministerium, S. 638. Vgl. dazu hier Kapitel C.,II.,5. 47 Konrad Repgen schreibt zum Jubiläumsjahr 1948, dass die damalige Generation „noch immer sehr in den Kategorien des Nationalstaates und einer ziemlich ungebrochenen Kontinuität seit 1500“ dachten; Repgen, Der Westfälische Frieden, S. 35 f. Fritz Dickmann bezeichnete 1648 zunächst noch immer „als eines der großen Katastrophenjahre“ und den Westfälischen Frieden als „ein nationales Unglück“; Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 494. 48 Vgl. Steiger, Der Westfälische Friede – Grundgesetz für Europa; Francois, Der Dreißigjährige Krieg; Heinz Schilling: Zwang zum Krieg und Fähigkeit zum Frieden. Der Westfälische Friede in deutscher und europäischer Perspektive, in: Neue Zürcher Zeitung, 24./25. Oktober 1998. Kritisch Duchhardt, Der Westfälische Friede als lieu de

II. Ausblick

229

Weiterhin dominieren im Alltagsgedächtnis national vermittelte Geschichtsnarrative den Wunsch nach einer europäischen, dabei den Ethnozentrismus überwindenden Geschichtskultur. Gegenüber der „Arbeit“ am Mythos des Westfälischen Friedens als einem europäischen Erinnerungsort ist es daher noch immer Aufgabe einer kritischen Geschichtswissenschaft, die nationalen Interpretationskämpfe und deren Mythen zu untersuchen. Am Beispiel Deutschlands ist dies für den Dreißigjährigen Krieg in der vorliegenden Studie versucht worden. Den vergleichenden Ergebnissen weiterer Analysen dieses gesamteuropäischen Schlüsselereignisses in den Erinnerungskulturen der Nationen bleibt es vorbehalten, Rückschlüsse auf seinen Stellenwert im kollektiven Bewusstsein Europas zu ziehen.

mémoire; ders., Westphalien System; Grzywatz, Der Westfälische Frieden als Epochenereignis; Münch, 1648 – Notwendige Nachfragen; Tabaczek, Wieviel tragen Superlative zum Erkenntnisfortschritt bei.

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II. Zeitgenössische Literatur und Quelleneditionen

231

Provinzial-Zeitung für Schlesien Reform Rheinisches Kirchenblatt Schwäbischer Merkur Social-Demokrat Süddeutsches evangelisch-protestantisches Wochenblatt Wanderer Wiener Kirchenzeitung für Glauben, Wissen, Freiheit und Gesetz Wiener Zeitung Wochenschrift des Nationalvereins Zeitungshalle

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II. Zeitgenössische Literatur und Quelleneditionen

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II. Zeitgenössische Literatur und Quelleneditionen

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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III. Forschungsliteratur

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III. Forschungsliteratur

269

– Vom linken zum rechten Nationalismus. Der deutsche Liberalismus in der Krise von 1878/79, in: Geschichte und Gesellschaft, 4. Jg. (1978), S. 5 –28. – Bürgerliche Emanzipation und nationale Einigung. Zur Entstehung des Nationalliberalismus in Preußen, in: H. Böhme (Hg.), Probleme der Reichsgründungszeit 1848 –1879 (=Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 26), Köln 1968, S. 226 – 242. – Auf ewig in Hitlers Schatten? Zum Streit um das Geschichtsbild der Deutschen., in: „Historikerstreit“. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München 1987, S. 256 –263. – / Stern, C. (Hg.): Wendepunkte deutscher Geschichte 1848 –1990, Frankfurt a. M. 1994. – Der überforderte Liberalismus, in: W. Hardtwig (Hg.): Revolution in Deutschland und Europa 1848/49, Göttingen 1998, S. 185 – 206. – Der lange Weg nach Westen, 1. Bd.: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000. – Der lange Schatten des Reiches. Eine Bilanz deutscher Geschichte. Vortrag am DHI London, Herbst 2001, in: Merkur (2002), S. 221 – 233. – (Hg.): Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik, Göttingen 2004. Wolfrum, E.: Geschichte als Politikum – Geschichtspolitik, Internationale Forschungen zum 19. und 20. Jahrhundert, in: Neue Politische Literatur, 41. Jg. (1996), S. 376 – 401. – Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948 – 1990, Darmstadt 1999. – Geschichte als Waffe. Vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung, Göttingen 2001. – Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom Westfälischen Frieden bis zum Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 2003. – / Bock, P. (Hg.): Umkämpfte Vergangenheit. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich, Göttingen 1999. Wollstein, G.: Das „Großdeutschland“ der Paulskirche. Nationale Ziele in der bürgerlichen Revolution 1848/49, Düsseldorf 1977. – Deutsche Geschichte 1848/49. Gescheiterte Revolution in Mitteleuropa, Stuttgart u. a. 1996. Wülfing, W. / Bruns, K. / Parr, R.: Historische Mythologie der Deutschen 1798 –1918, München 1991.

Personenregister Abel, Otto 108 – 109, 113 Aegidi, Ludwig Karl 34 Alvensleben, Gustav von 147 Ambrosch, Julius 123 Antonelli, Giacomo 190 Arndt, Ernst Moritz 80, 216 Arneth, Alfred von 119 Assmann, Jan 13

Buschmann, Nikolaus 72, 88, 128, 139, 155, 161, 170, 172 Buß, Franz Joseph 54, 92, 96, 115, 143

Balan, Hermann Ludwig von 138 Bamberger, Ludwig 140 Barth, Marquard 69 Bassermann, Friedrich Daniel 29 Bauer, Bruno 18 Baumgarten, Hermann 169 Becker, Frank 11, 20, 170 Beckerath, Hermann von 69, 89, 120 Bennigsen, Rudolf von 142 Bernhard, Herzog von Sachsen-Weimar 188 Bernhardi, Theodor von 189 Beseler, Georg 69, 86, 112 – 113 Beseler, Wilhelm 112 Beust, Friedrich Ferdinand Graf von 171 Biedermann, Karl 26, 50 Biefang, Andreas 142 Bismarck, Otto von 130, 136, 140 – 141, 146 – 147, 156, 160 – 161, 164 – 165, 167, 172, 193, 196 Blaschke, Olaf 185 – 186 Blücher, Gebhard von 134 Bonifatius 96 Boost, Johann Adam 46 Bretschneider, Karl Gottlieb 48 Bunsen, Karl Freiherr von 65 Burckhardt, Jacob 194, 220

Dahlmann, Friedrich Christoph 69 –70, 86, 88, 112 –113 Dalwigk zu Lichtenfels, Reinhard Carl Friedrich Freiherr von 171 Dietrich, Stefan J. 96 Dönniges, Wilhelm 117, 119 Dreyse, Johann Nikolaus 204 Droysen, Johann Gustav 30, 112 Duchhardt, Heinz 24 –25, 77, 81 Duncker, Max 169

Camphausen, Ludolf 104 Carl, Horst 47 Cavour, Camillo Graf di 139, 165 Cromwell, Oliver 50

Elias, Norbert 9 Engels, Friedrich 50, 57, 70, 140, 189, 194, 223, 228 Erdmannsdörffer, Bernhard 25, 28 –29, 212 Evers, Gustav 128 Ewald, Heinrich 61 Faber, Karl Georg 11, 15 Fabri, Friedrich 170, 184, 206 Ferdinand II., Kaiser 28, 31 –32, 39, 46, 113 – 114, 119, 152, 188, 201 Fichte, Johann Gottlieb 98 Fikenscher, Carl 79 Frantz, Constantin 53, 61, 152 –153 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn 188, 191

Personenregister Frevert, Ute 20 Freytag, Gustav 22, 26 Friedrich II., preußischer König 34, 39, 135, 141, 160, 174 – 175, 188 – 189, 204 Friedrich VIII., Herzog von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg 146 Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst 33 Friedrich Wilhelm I., hessischer Kurfürst 126 Friedrich Wilhelm I., preußischer König 133 Friedrich Wilhelm IV., preußischer König 118, 123 – 124 Gagern, Heinrich von 69, 112, 115, 124 – 125 Garibaldi, Giuseppe 192 Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 139, 208 Gerlach, Ernst Ludwig von 125, 130, 183 Gerlach, Leopold von 41 Gfrörer, August Friedrich 32, 39, 159 Gläser, Karl Eduard 83 Goebbels, Joseph 226 Goethe, Johann Wolfgang von 9, 59, 98 Gollwitzer, Heinz 28 Görres, Joseph 41, 48 Gräf, Holger Thomas 54 Grant-Duff, Mountstuart Elphinstone 203 Griesheim, Karl Gustav von 104 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von 26 Grosse, Julius 67 Gustav II. Adolf, König von Schweden 28, 31 – 32, 36, 50, 78, 141, 158, 179, 192, 204, 208 – 209, 221 Gutenberg, Johannes 96 Halbwachs, Maurice 13 Haller, Johannes 225

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Hansemann, David 111 Hardtwig, Wolfgang 43, 67, 94, 96, 111 Harleß, Adolf 101, 175 Hase, Karl August 22, 53 Häusser, Ludwig 32 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 50, 94, 203 – 204 Heising, Albert 37, 41 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 98, 206 Hermann der Cherusker 37, 64 Hirschhausen, Ulrike von 112 Hitler, Adolf 227 Hurter, Friedrich von 31, 39 Hutten, Ulrich von 50 Jacoby, Johann 161 –162, 198 –199 Jäger, Karin 98 Jähns, Max 220 Janssen, Johannes 220 Janssen, Wilhelm 71 Johann von Österreich, Erzherzog 118 Jordan, Carl Friedrich Wilhelm 69, 81 Kaphahn, Fritz 225 Kepler, Johannes 151 Ketteler, Wilhelm Emanuel von 192, 205 Kießelbach, Wilhelm 67 Klenke, Dietmar 72 Klopp, Onno 29, 31, 37, 39, 159, 175 Köberle, Georg 64 Köpke, Rudolf 150, 152, 187 Koselleck, Reinhart 43 Krause, Hermann 203 Langewiesche, Dieter 51, 54, 149 Lasalle, Ferdinand 140, 186 Laube, Heinrich 150, 153 Lehmann, Hartmut 46 Leibniz, Gottfried Wilhelm Freiherr von 50 Lensch, Paul 224 Leonhardt, Jörn 71 Lincoln, Abraham 197

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Personenregister

Luise, preußische Königin 219 Luther, Martin 50, 64, 98, 134, 204 Manteuffel, Otto von 129, 141, 174, 197 Maria Theresia, Kaiserin 157, 175 Marr, Wilhelm 73, 195, 199 Marx, Karl 63, 71, 104, 132, 140, 164, 228 Max II. Emanuel, bayerischer Kurfürst 24 Maximilian I., Herzog von Bayern 35, 38 – 39, 46, 221 Mazzini, Giuseppe 137 Menzel, Wolfgang 9, 52, 135 – 136, 153 Mohl, Moritz 116 – 117, 169 Mohl, Robert von 116 Moltke, Helmuth von 156 – 157, 193, 223, 228 Moser, Friedrich Karl 9 Möser, Justus 24, 77 Müller, Daniel Ernst 91 Müller, Siegfried 40 Napoleon I., französischer Kaiser 61, 155, 160 Napoleon III., französischer Kaiser 139, 145, 161 Nebenius, Karl Friedrich 75 Nikolaus I., Zar 127, 138, 152 Nipperdey, Thomas 92, 98, 102, 124, 137, 140 Noellner, Friedrich 145, 147 Nora, Pierre 13, 16 Oncken, Hermann 225 Österlen, August 196 Palmer, Christian David 101 Perthaler, Johann 114 Pfizer, Paul 56 Pfordten, Ludwig Freiherr von der 48, 144 Philips, George 91 Pütter, Johann Stephan 25

Radetzky, Josef Wenzel Graf von 106 Radowitz, Joseph Maria von 48, 61, 124 – 126 Ranke, Leopold von 28, 47, 59, 117 Raumer, Friedrich von 66 Reichensperger, August 74, 107, 151 Reichensperger, Peter 74, 151 Reitter, Heinrich 114 Repgen, Konrad 84 –85 Reyscher, Anton Ludwig 197 Ribhegge, Wilhelm 92 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Kardinal 165 Rochau, August von 136 Rohe, Karl 21 Rohmer, Theodor 44, 60 Römer, Robert 182 Rotteck, Karl von 60 Rüdel, Konrad 77, 101 Ruge, Arnold 70, 106, 140, 173, 188, 198 Rümelin, Gustav 127 Scharnhorst, Gerhard Johann David von 134 Scheidler, Karl Hermann 80 Schiller, Friedrich von 28, 35 –36, 94, 133 – 134, 146, 154, 168, 198 –199 Schinkel, Karl Friedrich 40 Schivelbusch, Wolfgang 205, 207, 211, 222 – 223 Schmerling, Anton von 115 Schmidt, Adolf 148, 194, 198, 200 Schmidt, Georg 55 Schönemann, Bernd 10, 28, 34, 221, 226 Schuldt, Christian Friedrich 182 Schulz, Wilhelm 117 Schulze-Delitzsch, Hermann 186 Schuselka, Franz 48, 59, 72, 127 Schüler, Eduard 187, 200

Personenregister Schwarzenberg, Felix Fürst zu 125, 129, 152 Schweitzer-Allesina, Johann Baptist von 75, 137 Seeckt, Hans von 225 Sepp, Johann Nepomuk 114 Siemann, Wolfram 69 Soden, Julius Freiherr von 42 Spannagel, Carl 221 Spesshardt, Hans Karl Haubold Freiherr von 64 Springer, Anton Heinrich 58 Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum 133 Stolberg-Stolberg, Cajus Graf zu 184 Strauß, David 89

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Vogel, Remigius 91 Vogt, Karl 71

Tilly, Johann Tserclaes Graf von 35, 39, 46, 78, 104 – 106, 114, 128, 133, 174, 179, 221 Treitschke, Heinrich von 188

Wagener, Hermann 199 Waldeck, Benedikt 101 – 103 Wallenstein, Albrecht von 31, 35, 46, 105, 114, 128, 133, 174, 179, 192 –193 Walter, Dierk 149 Wedekind, Eduard 122 Wehler, Hans-Ulrich 27, 149, 185, 193, 216 Welcker, Friedrich Gottlieb 59, 61 Welcker, Karl Theodor 105, 119 Werner, Bernhard 52, 56 Westermayer, Anton 64 Wichern, Johann Hinrich 179 Wilhelm I., preußischer König und deutscher Kaiser 169, 175, 219 Wilhelm Tell 168 Wilson, Woodrow 224 Windischgraetz, Alfred Fürst zu 105 Windthorst, Ludwig 37, 41 Winkler, Heinrich August 14, 124, 136, 140, 186 Wolfrum, Edgar 14 –15 Wollstein, Günter 129 Wrede, Karl Philipp, Graf von 38 Wuttke, Heinrich 73

Varnbüler von und zu Hemmingen, Friedrich Karl Gottlob Freiherr 171

Yorck von Wartenburg, Johann David Ludwig Graf 133

Venedey, Jacob 49 – 50, 55, 120, 195 Vincke, Georg von 117, 128

Zehrer, Hans 225

Thaler, Karl von 73 Thaulow, Gustav 203 – 204 Thielau, Friedrich von 133 – 134, 145, 155, 204 Thiers, Adolphe 218 Thorwaldsen, Bertel 38

Sachregister Anarchie 9, 107, 111, 120, 195, 205, 215 Annexion 159, 168, 189, 197, 199 Antisemitismus 195 Antrag Waldeck 104 Arbeiter 51, 62, 71, 94, 163 – 164 Atheismus 90, 94, 164, 183, 204 Augsburg, Friedensfest von 23, 79 ausländisches Diktat 86 – 87, 225 Ausschwitz 226 Baseler Frieden 159 Bellizismus 56, 65, 110, 139, 148, 153 Berliner Demokratenkongress 1848 104 Berliner Frieden von 1850 127 Berliner Fürstenkongress von 1850 125 Bewaffneter Frieden 59, 67, 74, 147, 210, 212 Bonapartismus 147, 196 Breitenfeld, Schlacht von 34, 40 Bronzell, Schüsse von 126 Bundesreform 124, 160, 164 Bundestag 172 Bundschuh 62 Bürgertum 18, 35, 50, 58, 73, 93, 109, 137, 163, 181 Burschenschaft 80, 215 Dänemark 66, 114, 146 Demütigung 21, 27, 75, 80 – 81, 87, 100, 127, 129, 132, 152, 214, 217, 221, 225 Denkmal 16, 28, 35, 40, 81 deutsche Frage 18, 29, 33, 57, 74, 125, 146, 217 deutsche Freiheit 30, 55, 81, 102 – 103, 188, 192, 195 – 196, 218 deutsche Hybris 56, 212

deutsche Nationalkirche 76, 90 Deutscher Bund 29, 58, 66, 125, 130, 132, 139 –140, 146 –147, 162, 166, 190, 212 Deutscher Reformverein 136 Dreikönigsbündnis 126 Dualismus 29, 31, 52, 65, 111, 125 – 126, 128, 131 –132, 136, 141, 146 – 148, 154, 156, 160, 195, 218 Duell 157, 160, 168 –170, 198, 217 Düppeler Schanzen, Gefecht an den 146 Einkreisung 65, 120, 127 –128, 132, 139, 216, 221 Elsass 28, 81, 114, 158, 167 Engerer und weiterer Bund 112, 124 England 50, 114, 127, 138 –139, 153, 166, 172 Erfurter Parlament 64, 125 –126, 130 Erinnerungskultur 12, 17, 229 Europa 25, 43 –44, 60 –61, 68 – deutsche Stellung in Europa 36, 56, 65, 133, 162, 210 – europäische Friedensordnung 24, 27 – europäischer Erinnerungsort 228 – europäische Revolution 59, 137, 164, 213, 223 – europäischer Krieg 32, 84, 134, 142, 153, 188 – europäisches Machtgleichgewicht 57, 70, 213, 218 – Vorherrschaft in Europa 22, 166 Fanatismus 59, 62, 64 –65, 105, 107, 118, 175, 184, 206 Feindbild 19, 35, 40, 54, 70, 99, 127 – 128, 172, 176, 181, 212

Sachregister Fest 23, 35, 70, 77, 79, 81, 134, 146 Flottenpolitik 70 Föderalismus 18, 31, 51, 54, 158, 162, 196 Fortschrittspartei 136, 176 Frankfurter Abgeordnetentag 136, 167 Frankfurter Bundestag 126 Frankfurter Frieden 91 – 92, 214 Frankfurter Zentralgewalt 102, 104, 113, 142 Frankreich 26, 28, 30, 40, 44, 46, 49, 67, 81, 88, 98 – 99, 103, 108, 111, 114, 127, 132, 134, 142, 147, 153, 159 – 160, 167, 169, 178, 198, 210, 212, 218, 224 Fridericianismus 158 – 159, 175, 196 Gastein, Konvention von 146, 152, 164 Gedächtnis – kollektives 10, 13, 227 – kommunikatives 13 – kulturelles 16, 227 Gefühlspolitik 140, 198 Gegenreformation 32, 201 Generalversammlung der katholischen Vereine 93, 95 – 96 Germanien 31, 70, 84, 143 – 144, 195 – 196, 203, 205, 220 Geschichtsgefühl 53, 154, 227 Geschichtskultur 12, 14, 28 Geschichtspolitik 18, 30, 42 – 43, 68, 82, 227 Gettysburg, Schlacht von 197 Gothaer Partei 125, 132, 142, 228 Griechenland 108 Gustav-Adolf-Verein 42, 209 Hambacher Fest 70 Handelstag 136 Heeresreform 177 Heilige Allianz 125, 130, 139, 183 Historienmalerei 40 Historismus 28

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Inneres Düppel 193 Interim 126 –127 Italien 93, 106, 122, 144, 160, 162, 165, 171, 178, 180, 183, 191, 200, 205, 209, 217 Italienischer Krieg von 1859 146 Jena, Schlacht von 87, 134, 202, 218 Jesuiten 65, 78, 100, 129, 154, 181, 187 – 188 Kalter Bürgerkrieg 120 Katastrophe 27, 72, 99, 105, 155, 203, 211 – 212, 222, 224 Katholische Liga 31, 144, 155, 178 Kleindeutsch-großdeutscher Konflikt 18 – 19, 29, 34, 52, 109, 228 Kniebeugenerlass 63 Kölner Dombau 63 Kölner Wirren 63 Konfessionalismus 22, 49, 65, 188, 210 – 211, 217 Königgrätz, Schlacht von 148, 154, 156, 219 Konkordat 178 Konstitutionalismus 60, 83, 136 Kremsier, Reichstag von 116 Krieg – amerikanischer Bürgerkrieg 66, 153, 197 – Bauernkriege 62, 206 – Befreiungskriege 33, 60, 71, 87, 133 – 134, 141 –142, 150, 160, 196 –197, 212, 217 –220 – Bruderkrieg 109, 119, 122 –123, 126, 132, 143, 150, 160, 169, 173, 182, 187, 197, 199, 215, 225 – Bundesexekution 126, 169 – Bürgerkrieg 49, 59, 61, 63, 71, 75, 110, 124 –126, 132, 137, 142, 149,

276

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Sachregister

151, 154, 166 – 168, 194, 213, 215, 224 – 225 deutsch-dänischer Krieg von 1864 66, 147, 149 deutsch-französischer Krieg von 1870/ 71 148, 193, 219 deutscher Krieg von 1866 29, 58, 147 – 210, 217 dreißigtägiger Krieg 202 Einigungskriege 11, 18, 29, 43, 49, 132, 161, 221 Erster Weltkrieg 224 Italienischer Krieg von 1859 66, 138, 151 Kabinettskrieg 26, 138, 140, 147, 149, 157, 160, 162, 167 – 168, 172, 189, 197, 222 – 223 konfessioneller Bürgerkrieg 19, 65, 109, 118, 205, 215 Krimkrieg 1853 –1856 66, 139 – 140, 153, 165 Kulturkampf 186 Lokalisierung 74, 138, 141, 165 – 167, 169 Napoleonische Kriege 26, 28, 153, 155, 212 Nationalkrieg 19, 71 – 72, 88, 139 – 140, 150, 161, 210, 219 Peleponnesischer Krieg 108 Prinzipienkrieg 65, 75, 93, 107, 123, 128 – 130, 132, 135, 140, 143, 187 – 188, 196, 198 – 199, 212, 217 – 218, 223 Rassekrieg 150, 171 – 172 Religionskrieg 89, 93 – 94, 96, 118, 143, 150, 173 – 174, 176 – 177, 179, 181 – 183, 186, 200 – 201, 206, 223 Revolutionskrieg 71, 88, 143 Schlesische Kriege 174, 190 Schmalkaldischer Krieg 188 Siebenjähriger Krieg 119, 133 – 134, 150, 153, 157, 163, 169, 174, 190, 201, 224 Staatenkrieg 149, 215, 217

– totaler Krieg 138, 222 – Unabhängigkeitskrieg 140 – Vernichtungskrieg 70, 121 – Volkskrieg 61, 88, 150, 162, 172, 189 – Weltbürgerkrieg 71 – Weltkrieg 60, 70 –71, 223 – Zweiter Weltkrieg 226 Krise 11, 44, 58, 63, 66, 74, 83, 127, 132, 137, 141, 148, 163 –164, 194 Kroaten 70, 104, 123, 168, 172 –173, 179 – 180 Leipzig, Völkerschlacht von 87, 103, 218 Lieux de memoire / Erinnerungsorte 13, 228 Lombardei 139 Londoner Protokoll von 1852 127, 146 Lützen, Schlacht bei 34, 40 –41, 203 Magdeburg, Zerstörung von 38, 78, 104 – 105 Magenta, Schlacht von 141 Magyaren 168, 171, 181 Mainlinie 131, 149, 159, 168, 199, 210 Mainzer Republik 46 Mediatisierung 54, 122, 131 Minderwertigkeitskomplex 69, 127, 212 Mischehenstreit 63 Mittelalter 12, 33, 51, 58, 61, 163, 188, 198, 201 Mittelstaaten 54, 115, 125 –127, 146 – 147, 152, 166 –169, 171 –174, 182, 187, 189, 195, 197, 201 Mythos 12, 14, 17, 19, 27, 33, 83, 99, 158, 212, 229 – Barbablanca-Mythos 220 – Reichsmythos 53, 226 – Revolutionsmythos von 1848 85 –86, 92 – 95, 114, 214 –215 Nationalismus 19, 27 –28, 43, 47 –48, 51, 67, 71, 89, 176, 185, 212 Nationalsozialismus 221, 226

Sachregister Nationalverein 136, 142, 167, 197, 209 Nationalversammlung – deutsche 70 – preußische 104 Neutralität 66, 138, 140 – 142, 167 – 169 Niederlande 28 Nikolsburg, Präliminarfrieden von 209 Nizza 139 Novemberkrise 132, 144, 146, 152 – 153, 161, 164, 216 Nürnberger Exekutionstag 23, 77 Olmütz, Punktation von 130, 132, 152, 155, 164 Orient 141 Österreich 29 Ostsee 31 Papst 144, 188, 191 – 192, 200 Pariser Frieden von 1856 139 Partikularismus 18, 27, 31, 57, 72, 87, 117, 136, 157, 195, 198, 204, 211 – Parlamentspartikularismus 102 Paulskirche 18, 29, 49, 59, 61, 69 – 70, 81, 124, 135, 142, 158, 213 – 216 Pfalz 65 Piusvereine 92, 95, 143 Polen 69, 106 Politische Kultur 15, 20 – 21, 46, 76, 213 Posen 69, 111 Prager Frieden von 1635 33 –34 Prager Frieden von 1866 190, 209 Presse 74, 139 Preußischer Verfassungskonflikt 177, 193 Preußisches Erbkaisertum 158, 215 Preußische Unionspolitik 132, 141, 183, 194, 216 Protestantenverein 143, 178 Radikale Spätaufklärung 44 Rain am Lech, Schlacht bei 34 Rasse 145, 181 Reaktionszeit 136

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Realpolitik 136 –137, 140, 166, 192 Reformation 32, 36, 44, 51, 53, 65, 83, 94 – 95, 97, 113, 133 –135, 144, 159, 162 – 163, 200 –201, 203, 207, 213, 217 Reich – Reichsdeputationshauptschluss 190 – Reichsgeschichte 22, 25, 28, 34, 75, 81, 84 – 85, 95, 97, 100, 124, 158, 160, 208, 220, 226 – Reichsidee 18, 30 –31, 53, 57, 95, 99, 124, 128, 163, 191, 198, 226 Reichstag 223 Reichsverfassungskampagne 124 –125 Republik 94, 110 –111, 196, 215 Restauration 31 –32, 58, 164 Restitutionsedikt 23, 31, 34, 141, 144 Revolution 19, 30, 33, 59, 61, 63, 71, 75, 94, 96, 134, 136, 140, 147, 163, 165, 195, 198, 200, 210, 225 – deutsche Revolution von 1848/49 35, 48, 61, 64, 67, 76 –124, 141, 143, 150, 194, 213 – die ungewollte Revolution 62 – französische Julirevolution von 1830 11, 18, 43, 46, 59, 62, 66, 211, 221 – französische Revolution von 1789 43 – 44, 46, 50, 94, 134 – Konterrevolution 70, 104 – Revolution von oben 124, 147, 194 – 195, 208 – soziale Revolution 94, 106, 132, 137, 163, 215 –216, 223, 228 Rheinkrise 66 –67 Rom 64, 108, 144 Russland 70, 126, 129, 132, 135, 138 – 139, 141, 152, 165, 178 Rüstung 66 –67, 70, 165, 174 Sardinien-Piemont 139 –140, 160, 198 Savoyen 139 Säkularisierung 46, 100 –101 Schillerfeiern 134, 146 Schlacht am Weißen Berg 24

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Sachregister

Schleswig-Holstein-Konflikt 66, 102, 111, 126, 146 – 147, 152, 164, 169 Schulbücher 25, 34 – 35, 38, 75 Schuld 21, 86, 213, 216 – 217 Schwarzes Meer 138 Schweden 33, 37, 40 – 41, 78, 114, 127, 178 Schweiz 28, 158 Septemberunruhen 102 Siebzigmillionen-Reich 116, 129 Slawentum 30, 70, 100, 171, 181 Solferino, Schlacht von 141 Soziale Frage 50, 59, 62 – 63, 108, 163, 212 Staufer 54, 114, 225 Strafgericht Gottes 47, 100, 152, 183, 201 Straßenpolitik 104, 106, 124, 215 Syllabus 143 – 144 Terreur 62 Terrorismus 32, 70, 105 Tirol 111, 179 Tragikstolz 211, 213 Trauma 9, 27, 105, 118, 211, 213, 216 – 217, 227 Trennung von Kirche und Staat 93 – 94, 98, 100, 214 Trierer Wallfahrt 64 Tschechen 168, 181 Ultramontanismus 54, 64, 73, 95, 143, 145, 183, 202, 206 Unfehlbarkeitsdogma 143, 186

Ungarn 93, 122, 128, 141 Venetien 139 Vereinigte Staaten von Amerika 60, 66, 153, 163, 197, 224 Verfassung des deutschen Reichs / Paulskirchenverfassung 85 –86, 92, 111, 123 – 124, 143, 214 Versailler Vertrag 225 Versailles, Kaiserproklamation von 1871 149, 220 Völkerfrühling 68, 213 Volkswirtekongress 136 Vormärz 19, 44, 67, 111, 136, 195 Wahlpreußen 112 Walhalla 38 Wallensteinplan 31 Wartenberg, Schlacht von 103 Waterloo, Schlacht von 189 Weimarer Republik 224 Westfälischer Frieden 16, 19, 30, 33, 36, 40, 47, 49, 75, 80, 94 –97, 99 –102, 110, 129, 166, 175, 190, 204, 213, 215 – 216, 221, 226, 228 Wiener Aufstand 1848 102, 104 –105 Wiener Frieden von 1864 146 Wiener Kongress 28, 212, 214, 218, 225 Zündnadelgewehr 204 Züricher Vertrag von 1859 209 Zweiter Dreißigjähriger Krieg 227 Zweites konfessionelles Zeitalter 185